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    Aurora flog auf ihrem Nimbus 1500 über den Ländereien von Hogwarts dahin. Sie hatte endlich das richtige Gefühl für ihren neuen, ganz eigenen Besen bekommen, um im anstehenden Endspiel gegen Gryffindor ihr bestmögliches zu geben, um den Ravenclaws erneut zum Pokal zu verhelfen. Der Flugwind wirkte auf sie wie eine Sommerbrise. Das lag an der silbernen Brosche an Auroras Umhang. Wie hatte Tonya sie genannt? Warmhalter. Bernhard hatte ihr dieses Schmuckstück zum Valentinstag geschenkt, bevor er ihr offenbart hatte, nach diesem Jahr wegzuziehen. Gegen Bernhard Hawkins und seine Mannschaft würde sie bald ranmüssen.

    Etwas großes Schwarzes, klapperdürres strich über dem Saum des verbotenen Waldes dahin. Lederartige Flügel schlugen auf und nieder, und die bleichen Augen des Wesens blickten zu Aurora hinüber wie zwei fahle Totenaugen. Das war eines der Thestrale, fiel es Aurora ein. Diese pferdeartigen Wesen wirkten gruselig und unheilbringend. Das lag wohl daran, daß nur die Leute sie zu sehen bekamen, die jemanden hatten sterben sehen müssen, wie Aurora und viele hier in Hogwarts, die liebe Verwandte oder Freunde an die finsteren Verbündeten des Unnennbaren verloren hatten. Da tauchte noch ein Thestral auf, der den anderen zu jagen schien. Sie trieben sich über dem dunkelgrünen Dach des Waldes hin und her. Dann sah Aurora den überlebensgroßen Wildhüter Hagrid, der geradeswegs auf den Wald zuging.

    Aurora Dawn drehte bei und kehrte zum Schloß zurück, wo sie vom Besen stieg und in ihren Gemeinschaftsraum zurückkehrte. Hier waren im Moment nicht viele Leute. Die meisten waren über Ostern nach Hause gefahren. Lediglich einige aus der UTZ-Klasse waren hier, weil sie hier in der Bibliothek alles finden konnten, was sie für ihre Abschlußprüfungen brauchten. Dazu gehörten auch Tim Abrahams und Alessandro Boulder, die sich gerade über irgendwas heftig unterhielten. Tim wirkte dabei ziemlich verbittert, während Alessandro wohl versuchte, ihn wieder zum lachen zu bringen. Tim sollte wohl nach Hogwarts in diese Militärgruppe eintreten, wo sein Vater schon drin war. Er sah das wohl anders und wußte nicht, was er dagegen tun konnte, ohne die Zaubereigeheimhaltung zu umgehen. Alessandro blickte sich um und sah Aurora. Er winkte ihr zu. Sie dachte, es ginge ihm um Quidditch und ging hinüber.

    “Hi, Aurora! Geht der Nimbus gut ab?” Fragte Alessandro.

    “Allemal, Alessandro. Ich denke mal, daß wir den Gryffindors ziemlich gut einheizen können”, erwiderte Aurora sehr zuversichtlich und strahlte Alessandro und Tim an.

    “Immerhin eine schöne Nachricht, Tim”, sagte Alessandro aufmunternd.

    “Unwichtiger Krempel, Alessandro”, sagte Tim verbittert. Aurora glotzte ihn verstört an, als ob er nicht mehr ganz richtig sei oder total verdreht sei.

    “Ist wieder was mit deinem Vater wegen dieser Marinesache?” Fragte Aurora. “Immerhin wolltest du ja nicht nach Hause.”

    “Ich bin hier wegen der UTZs, Aurora”, sagte Tim. “Und mein Daddy ist im Moment gar nicht zu Hause. Der ist auf der “Invincible”, einem Flugzeugträger. Der hat im Moment ganz andere Sorgen, abgesehen davon, daß meine Mum einsieht, daß ich nicht zur Marine gehen soll, gerade deswegen was unsere eiserne Lady da jetzt mit so’nem argentinischen Militärdiktator abzieht.”

    “Häh? Hallo, komm ich jetzt nicht ganz mit”, sagte Aurora. Alessandro bot ihr einen freien Stuhl an. Sie setzte sich und legte ihre Hände auf den Tisch.

    “Da haben wir alle hier gedacht, nach dem Verschwinden dieses Voldemort-Verbrechers könnten wir endlich mal in Frieden leben. Aber offenbar drehen meine Leute jetzt voll durch”, sagte Tim. “Schon mal was von den Falklandinseln gehört, Aurora?”

    “Nein, kenne ich nicht. Wo sind die?”

    “Kannst du mal sehen, Alessandro, daß längst nicht jeder weiß, wie achso bedeutsam diese Felsinseln sind”, sagte Tim und grinste gehässig. Dann erzählte er Aurora, daß das eine Inselgruppe im Südatlantik war, in der Nähe von Südamerika, daß dort lange Leute unter englischer Staatsführung gelebt hatten und Argentinien, wo es wohl seit Jahren sehr grausam zuginge, diese Inseln jetzt selber haben wolle und deshalb seine Soldaten hingeschickt habe, um die Inseln zu besetzen und sich das die britische Premierministerin nicht bieten lasse.

    “Du willst sagen, England hat mit diesem Land Argentinien einen Krieg wegen ein paar kalter Inseln angefangen?” Entrüstete sich Aurora Dawn.

    “Nöh, andersrum. Die Truppen von Galtieri, so heißt dieser Militärdiktator, haben mit uns Krieg angefangen. Ich fürchte, das wird ziemlich heftig, weil dieser Galtieri seinen Leuten vormachen will, er sei ein toller Herrscher und unbesiegbar und so weiter und Maggy Thatcher den Ruf hat, sich nix gefallen zu lassen. Ich bekam erst gestern einen Brief, den Mum von Dad an mich weitergeleitet hat. Offenbar ist geplant, die Argentinier von den Inseln wieder runterzuwerfen, und er wird wohl mit dem Flugzeugträger losfahren, als Flugstaffelkommandant.”

    “Hast du nicht behauptet, Soldaten seien für sowas da?” Fragte Alessandro Tim.

    “Zur Landesverteidigung, Alessandro. Die sollen aufpassen, daß uns nichts passiert und nicht irgendwo am Arsch der Welt Schiffeversenken spielen. Er schreibt mir noch, daß er hofft, ich würde meine Prüfungen gut machen und ich sollte mir überlegen, ob ich der Marine beitreten wolle oder nicht. Offenbar ist der auch nicht mehr so sicher, ob der mich da haben will.”

    “Ein Zauberer in der Marine wäre doch voll genial”, sagte Alessandro. “Der könnte dann Schockzauber auf andere Soldaten machen oder Schiffe oder Flugzeuge mit Flüchen belegen, daß die nicht mehr vor oder zurückkommen.”

    “Sag mal”, schnaubte Aurora und Tim schnaubte seinerseits:

    “Manchmal, Alessandro, quatschst du einen gequirlten Mist daher, daß ich mich echt frage, wie du bis hierher die Schule durchhalten konntest. Ich habe keine Lust, irgendwelche Leute abzumurksen, nur weil so’ne überautoritäre Kuh in London mir den Befehl dazu gibt. Nein, ich trete nicht in diesen Laden ein. Ich werde mich bei der Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe bewerben. Mum wird meinen entsprechenden Brief morgen kriegen. Euch ist wohl nicht klar, daß da demnächst Leute sterben werden, nicht nur Soldaten und Matrosen.”

    “Mir ist das schon klar”, knurrte Aurora. “Ich habe es immer schon nicht leiden können, daß die Muggel sich gegenseitig mit immer grausameren Waffen umbringen und immer wieder behaupten, sie müßten das tun und hätten das Recht dazu und so weiter. Nachdem was du mir gerade erzählt hast, haben die wohl nix aus diesem großen Krieg vor vierzig Jahren gelernt. Das macht mich wütend und traurig zugleich.”

    “Ach nein, aber was dieser Schweinehund Voldemort in der Zaubererwelt angestellt hat war schon vernünftiger?!” Schrie Tim, der die Welt seiner Eltern nicht als unbelehrbare Barbaren beschimpfen lassen wollte.

    “Bist du denn noch zu retten, seinen Namen so laut hier durch den Saal zu brüllen?” Zischte Alessandro schreckensbleich. Alle hier im Gemeinschaftsraum waren zusammengefahren und starrten nun sehr erschrocken auf Tim.

    “Wenn sie mir jetzt hier an die Birne knallt, daß die Welt meiner Eltern strohdoof sei und nix aus ihren Fehlern gelernt hätte?” Knurrte Tim.

    “Du-weißt-schon-wer ist ja auch ein Sonderfall an Grausamkeit”, schnarrte Aurora Dawn und sah Tim mit sich verengenden Augenbrauen an. “Wage es nie wieder, seine Gemeinheiten mit der ganzen Zaubererwelt gleichzusetzen. Es sind zu viele Leute von ihm umgebracht worden.”

    “Und du spiel dich nicht als Vertreterin eines weisen Volkes auf, daß über sowas wie Krieg und Zerstörung erhaben ist!” Fauchte Tim zurück. Aurora sah ihn an und meinte:

    “Du hast doch eben gesagt, es sei widerwärtig, Leute umzubringen, weil so ein General Galtieri oder eine Maggy Thatcher sich nicht verstünden und meinten, andere Leute dafür sterben lassen zu müssen. Was hat denn das noch mit Vernunft zu tun?”

    “Vergiss es, Aurora. Du hast ihn auf dem falschen Fuß erwischt. Der fühlt sich jetzt total geknickt, weil sein Vater bei diesem Wahnsinn mitmachen muß und er selbst immer wieder gelöchert wurde, selbst in die Truppe reinzugehen. Dann kommst du noch daher und sagst: Die Muggel spinnen doch alle.”

    “Das habe ich so nicht gesagt”, fauchte Aurora und straffte sich bedrohlich. “Ich meinte nur, sie haben wohl nichts drauß gelernt. Außerdem hast du, Tim uns immer wieder erzählt, daß die Muggel sehr gefährliche Waffen hätten, um ganze Länder auszulöschen. Also haben wir uns schon dafür zu interessieren, wie deine Eltern und die anderen Muggel mit solchen Sachen umgehen. Das Problem ist nur, daß die Geheimhaltung uns dazu verdonnert, da nichts gegen zu machen. Mehr will ich dazu nicht sagen.”

    “Dann verzieh dich, Mädel”, sagte Tim Abrahams verbittert. Aurora nickte und meinte:

    “Das sind mal eben zehn Punkte Abzug von Ravenclaw wegen einer groben Respektlosigkeit gegenüber einer Vertrauensschülerin, Tim. Wenn ihr nix wichtigeres von mir wollt, unterhaltet euch weiter über diesen Krieg um diese Felseninseln!” Sie stand auf und ging, jeden Muskel angespannt, zu ihrem Tisch zurück, ohne sich noch einmal umzusehen. Warum hatte man sie mit diesem Unfug behelligt, gegen den sie eh nichts machen konnte? Sie dachte nur an Roy, der davon vielleicht auch was mitbekam oder auch nicht. Außerdem überlegte sie, ob sie eben nicht wirklich zu heftig reagiert hatte. Sicher hätte sie sich bei Tim entschuldigt, wenn der sie nicht so von oben herab behandelt hätte. Dann sollte er eben denken, sie würde alle Muggel für dumme, gefährliche Barbaren halten, die das, was sie nicht zaubern konnten, mit sehr heftigen Mordwaffen zerstören konnten.

    Sie saß eine Weile am Tisch und fand nicht mehr in ihre Wiederholungsübungen zurück. So nahm sie ihre Unterlagen und ging in die Bibliothek, wo sie sich mit Eunice Armstrong traf, die gerade mit einem Stapel Büchern zur Geschichte derMuggelmaschinen an einem Tisch saß.

    “Hi, Aurora”, flüsterte Eunice, Aurora zuwinkend. “Ich lese mich gerade schlau, wann und warum welche Maschinen in der Muggelwelt so wichtig wurden und was sie darin verändert haben.”

    “Ich habe mich gerade mit Tim Abrahams verkracht, der mir was von einem Krieg zwischen England und Argentinien erzählt hat, den es wohl sehr bald gibt oder der schon angefangen hat. Vielleicht sollte ich mich mit diesen Maschinen auch so beschäftigen wie du.” Eunice bot ihr an, mit ihr zu lernen. So saßen die beiden Mädchen zusammen und sprachen über die Eisenbahn, das Telefon, Fernseher oder Autos, aber auch über Raketen und Feuerwaffen. Als es Abendessenszeit war, gingen sie gemeinsam zur großen Halle. Erst da verabschiedeten sie sich voneinander.

    __________

    Am Ostersonntag nutzte Aurora einen Moment, als im Gemeinschaftsraum niemand war und schickte ihren Kopf mit Flohpulver durch den Kamin zu ihren Eltern, wo sie etwa fünf Minuten mit ihnen und den Priestleys sprach. Dann ging sie in den Krankenflügel und ließ sich von Madame Pomfrey, die gerade nichts wichtiges zu tun hatte, einige einfache Heilzauber vorführen. Aurora hatte beschlossen, sich mit dieser Abteilung der Zauberei näher zu beschäftigen.

    “Du weißt, daß du in schwierigen Situationen immer einen kühlen Kopf und Herzenswärme bewahren mußt, Aurora. Sicher, manchmal mußt du auch sehr streng sein, um die von dir richtig erkannten Maßnahmen durchzuführen. Nicht jeder, der einen Heiler benötigt, sieht das ein oder nimmt widerspruchslos alles hin, was der Heiler oder die Heilerin ihm aufträgt. Ich erlebe das jedesmal, wenn von euch welche hergebracht oder zu mir geschickt werden”, sagte Madame Pomfrey einmal, als Aurora einen Schienzauber zum fünften Mal fehlerfrei hingekriegt hatte.

    “Ich habe das mitbekommen, wie diese Heilerin in Australien so’n Pärchen behandeln mußte, die so’n Schwebezeug eingeworfen haben”, sagte Aurora. “Die mußten in so Beruhigungsanzüge gesteckt werden.”

    “Ich erinner mich. Ich habe einen Artikel im Heilerherold gelesen, in dem Madame Herbregis diesen Vorfall beschrieben und sich über dieses Rauschelixier sehr heftig entrüstet hat.”

    “Man bräuche dafür das Gift eines Billywichs”, sagte Aurora.

    “Eben, und den gibt’s halt nur im australischen Busch. Eine rote Abart davon noch auf Tasmanien. Deshalb ist der Kreiselflugtrank hierzulande nicht so verbreitet. Höchstens dekadente Zauberer, die zu viel Geld, Zeit und Spaß an der Gefährdung ihrer Gesundheit haben, leisten sich dieses Gebräu. Nicht selten landen solche Zeitgenossen dann in der geschlossenen Abteilung von St. Mungo. Also war das schon mehr als berechtigt, was meine australische Kollegin da geschrieben hat, daß es eben kein unschädliches Rauschmittel gibt, auch nicht in der Zauberei.”

    “Also, wenn Sie mir raten wollten, ob ich mit dem Heilberuf was anfangen könnte, was außer dem, was Sie mir so schon erzählt haben, müßte ich noch wissen?” Wollte Aurora Dawn wissen.

    “Wie gesagt ist der Hauptfaktor beim Heilberuf die Geduld und die Unvoreingenommenheit. Als ich gerade mit der Ausbildung fertig war und nicht genau wußte, ob ich mich niederlassen oder in eine Institution eintreten sollte, wurde ich mal zu einer Behandlung eines Muggels gerufen, der in einem alten Haus auf einen Schwarm Doxys gestoßen ist. Der war sehr aggressiv, als ich ihn mit Gegengiften und Beruhigungszaubern behandeln mußte. Die Bürokratie danach war jedoch schlimmer, weil ich haarklein jeden angewandten Zauber, jedes Gebräu und alles über diesen Muggel in mehrfacher Ausfertigung abzuliefern hatte. Vielleicht deshalb bin ich dann wieder nach Hogwarts gekommen, als hier die Stelle der Schulkrankenschwester neu besetzt wurde.”

    “Ich las in der Geschichte von Hogwarts, daß es hier nur weibliche Heiler gegeben hat. Warum eignen sich Hexen für sowas besser?” Wollte Aurora Dawn wissen.

    “Nun, das liegt nicht daran, daß Zauberer keine so guten Heiler wie Hexen werden können, sondern daran, daß Hexen ein besseres Einfühlungsvermögen gegenüber jüngeren Patienten entwickeln können. Da die erste Schulheilerin in Hogwarts Brigid Hufflepuff war, eine Tochter der Gründerin Helga Hufflepuff, ist es eine Tradition geworden, Hexen mit den Heilkundeaufgaben in Hogwarts zu betrauen. Falls deine ZAG-Vorbereitungen das zulassen könnten, nur dann, kannst du gerne von mir eine Liste der Schulkrankenschwestern von Hogwarts bekommen.”

    “Im Moment wohl besser nicht, Madame Pomfrey. Manchmal brummt mir der Schädel schon von den Zahlen, mit denen uns Professor Binns eindeckt”, wies Aurora Dawn das Angebot zurück. Sie wurde das Gefühl nicht los, daß Madame Pomfrey schon nach einer vielversprechenden Nachfolgerin Ausschau hielt und wohl alle jungen Hexen für ihren Beruf zu begeistern versuchte, natürlich so vorsichtig es ging, um den Auftrag der Schule, möglichst unvorherbestimmend zu unterrichten, nicht zu gefährden. Obwohl: Eine Lehrerin war sie ja nicht, und dieser Auftrag galt ja wohl vornehmlich für die Lehrer hier in Hogwarts, dachte sich Aurora Dawn. Sicher, interessieren tat es sie schon, diese umfangreiche Kunst zu lernen, die einem Zauberer oder einer Hexe sehr viel abverlangte. Näheres wollte sie aber erst kurz vor den Prüfungen mit Professor Flitwick erörtern, wenn dieser die Berufsberatungsgespräche abhielt, von denen er zu Schuljahresbeginn erzählt hatte.

    Als Aurora auf dem Weg zurück in den Gemeinschaftsraum war, kam ihr Eunice Armstrong mit zwei Drittklässlern aus ihrem Haus entgegen, die es irgendwie geschafft hatten, sich wie siamesische Zwillinge an Bauch bis Brustkorb zusammenwachsen zu lassen.

    “Huch, wie habt ihr das denn hingekriegt?” Fragte Aurora die beiden Jungen aus der dritten Klasse.

    “Wir haben den Murattractus-Fluch geprobt, beide gegeneinander. Dabei ist es wohl passiert”, sagte einer der Jungen mit keuchender Stimme. Der Andere, der wohl noch sehr benommen von dem Vorfall war, sagte, daß sie sich gegenseitig an die Wand klatschen wollten, weil sie sehen wollten, wie der Fluch sich selbst aufhebt.

    “Tja, und dabei hat er nicht jeden an eine Wand, sondern euch beide zusammenwachsen lassen”, sagte Eunice. Aurora fragte, ob sie mitkommen und sich ansehen könnte, ob man das hier korrigieren konnte. Die beiden hatten nichts dagegen, solange sie sich nicht vor den beiden Mädchen ausziehen mußten.

    Madame Pomfrey besah sich den Schlamassel, grinste verhalten und meinte dann:

    “Ach neh, Simultanfluchopfer. Habt beide den Murattractus-Fluch aufeinander losgelassen, wie? Kriege ich schnell hin, dauert nur zehn Minuten. Ich muß nur sehen, ob ihr nur an der Haut oder auch mit den inneren Organen zusammengewachsen seid.”

    Aurora und Eunice zogen sich aus dem Behandlungszimmer zurück und warteten, bis Madame Pomfrey sagte, sie könnten wieder reinkommen. Die beiden Jungen sahen etwas grün im Gesicht aus. Doch sie waren ordentlich voneinander getrennt.

    “Dankt eurem Schöpfer, daß ihr die Sickel und Knuts in den Taschen hattet, sonst hätte der Fluch euch auch innerlich zusammenwachsen lassen. Dann hätte ich euch Irrwitzigen ins St.-Mungo-Krankenhaus überweisen müssen”, sagte die Schulkrankenschwester. Die beiden Jungen nickten ihr zu und bedankten sich noch einmal.

    “Apropos Flüche, Eunice, du wolltest mir doch mal diesen Incapsovulus-Fluch zeigen”, sagte Aurora leise zu Eunice, als sie nun endgültig aus dem Krankenflügel raus waren.

    “Der ist nicht so einfach. Normalerweise muß das Opfer eigene Zauberkraft haben und mindestens drei Sekunden lang an einem Ort bleiben, damit der Fluch sich voll entfalten kann. Ich habe ihn mit meiner Mutter trainiert. Aber glaube mir, den aufzuheben tut höllisch weh. Außerdem brauchst du dann ein Aufpäppelelixier”, sagte Eunice Armstrong. Doch Aurora sagte, daß sie das für die Vorbereitungen auf Verteidigung gegen die dunklen Künste sicher gut brauchen könnte. So trafen sich die beiden Mädchen in den nächsten vier Tagen zu Übungen ohne wirksamen Zauberstab und fanden heraus, daß sie auch magisches Kleingetier wie Niffler oder Jarveys damit belegen konnten, nur um zu üben, wie der Fluch wirkte.

    Am Mittwoch fand Aurora in einer Ausgabe des von ihr abonierten grünen Magiers einen längeren Artikel über die Himmelstrinkerblumen, der von einer Kräuterhexe namens Camille Dusoleil verfaßt worden war. Aurora gefiel die lockere Art, einen tiefgründigen Bericht über diese Pflanzen wie für wissbegierige Kinder oder nicht mit dem Stoff verheiratete Erwachsene zu bringen. Die Übersetzerin des Artikels fühlte sich wohl auch verpflichtet zu schreiben:

    “Ich habe diesen Artikel nach bestem Wissen und Gewissen so wortwörtlich und sinngemäß übersetzt wie es sich machen ließ. Stil und Herangehensweise der Autorin unterliegen nicht meiner Verantwortung.”

    “Das schreiben die sonst nie in das Magazin”, grinste Aurora und las noch einmal den Abschnitt, wo die französische Kräuterhexe den “höllischstarken Durst” dieser Pflanzen beschrieb oder über die “lächzend aufgehenden” Blütenkelche berichtete, die anzeigten, wann woher wie viel Regen im Anmarsch war und diese Pflanzen “zu astreinen Wettervorhersagern” machten. Gemessen am übrigen Stil der Artikel, die alle ziemlich dröge über Beobachtungen oder Versuche mit Zauberpflanzen Auskunft gaben, nahm sich dieser Artikel richtig lustig aus, als würde die Schreiberin mit ihr persönlich sprechen. Sie überlegte schon, Madame Dusoleil einen Brief zu schreiben, um sich bei ihr für diesen abwechslungsreichen Artikel zu bedanken. Außerdem wollte sie noch etwas mehr über die Haltung dieser Pflanzen wissen. Dann fiel ihr ein, daß die Kräuterhexe in Frankreich wohl kein Englisch konnte und sie, Aurora, keinen Dunst von Französisch hatte. Sollte sie das dann vergessen, den Brief zu schreiben? An und für sich mußte jemand ihr schreiben, daß der Artikel schön und auch kurzweilig geschrieben war, bevor ihr altehrwürdige Kräuterkundler vorhielten, zu verspielt zu schreiben. Was konnte sie also tun? Sie ging zu Professor Sprout, die gerade mit Herman Archstone über den Zauberkunstclub sprach.

    “Oh, ich wollte Sie nicht unnötig behelligen”, sagte Aurora Dawn zu Professor Sprout. Diese schüttelte den Kopf und meinte:

    “Mr. Archstone und ich sind auch soweit durch. Es ging um einige Schüler meines Hauses, die im Zauberkunstclub wohl … aber lassen wir das!”

    “Nun, dann sind wir uns ja einig”, sagte Herman und wartete, bis ihn die kugelrunde Kräuterkundelehrerin entließ.

    Aurora war nicht so häufig im Büro von Professor Sprout gewesen. Doch die Bilder verschiedener Pflanzenwelten oder die Regenbogenblume und diverse andere Zimmerpflanzen gaben ihr immer wieder das Gefühl, in einem herrlichen Frühlingsgarten zu stehen. Jungen aus Ravenclaw hatten das mal als Hausmütterchenstube bezeichnet. Doch sie konnte über sowas nur müde lächeln. Bei Jungs durften es entweder nur Tiere sein, möglichst kompliziert oder auch etwas gefährlicher, oder es mußten surrende, qualmende, rasselnde und prasselnde Dinger sein, damit sie sich begeistern konnten. Das kannte sie von ihrem Vater, ihren Großvätern, Onkeln und Cousins.

    “Was kann ich für Sie tun, Ms. Dawn?” Fragte Professor Sprout lächelnd. Sie freute sich, ihre Musterschülerin der ZAG-Klasse unterstützen zu können, ohne den Eindruck zu vermitteln, sie zu bevorzugen.

    “Ich habe da so einen Artikel im grünen Magier gelesen, Professor. Vielleicht kennen sie den. “Blühende Regenanbeter” heißt der und ist von einer französischen Hexe namens …”

    “Madame Camille Dusoleil”, vollendete Professor Sprout Auroras Satz. “Ich habe ihn auch gelesen, um nicht zu sagen, genossen. Offenbar gibt es unter den Fachkundigen doch noch Leute mit einer Seele und nicht nur mit viel Verstand. Was möchten Sie dazu wissen?”

    “Hmm, ich wollte der Hexe, die den Artikel geschrieben hat einen Brief schicken und mich bedanken, weil das endlich mal was schönes war, nicht nur interessantes oder wichtiges, wenn diese Himmelstrinker auch wichtig sind. Das Problem ist, ich kann kein Französisch und weiß nicht, ob die Dame Englisch lesen und schreiben kann.”

    “Das ist kein Problem. Soviel ich orientiert bin lebt und arbeitet Madame Dusoleil in Millemerveilles in Südfrankreich. Ich könnte Ihnen anbieten, den Brief für Sie zu übersetzen, falls es nicht stimmt, daß sie mit ihrem Mann und dessen Schwester im selben Haus wohnt. Von dieser Schwägerin weiß ich, daß sie sehr gut Englisch kann. Sie können also ruhig schreiben, was Ihnen zu dem Artikel wichtig ist oder die Fragen stellen, die sie noch haben”, sagte die Kräuterkundelehrerin und lächelte Aurora aufmunternd an.

    “Ja, danke, Professor Sprout. Mehr möchte ich im Moment nicht von Ihnen wissen”, erwiderte Aurora Dawn.

    So schrieb sie am Abend:

    Sehr geehrte Madame Dusoleil,

    mein Name ist Aurora Dawn und ich bin eine Schülerin in Hogwarts, wo ich gerade im ZAG-Jahr bin.

    Ich möchte mich sehr für den Artikel in der neuen Ausgabe des grünen Magiers bedanken, dem mit den Himmelstrinkern. Ich weiß zwar nicht, ob Sie meine Sprache lesen können, hoffe aber mal darauf, daß Sie jemanden kennen, der meinen Brief für Sie übersetzt.

    Ich interessiere mich sehr für magische Kräuter und Pilze und denke schon daran, nach der Schule damit weiterarbeiten zu können. Deshalb lese ich den grünen Magier, um mich gut auf dem laufenden zu halten. Allerdings schreiben die meisten Experten da so kalt und nur auf die Versuche oder Beobachtungen bezogen. Da hat mir Ihr Artikel schon richtig viel Spaß beim lesen gemacht und mir doch gezeigt, daß man nicht gleich zu einem gefühllosen Spezialisten wird, nur weil man sich sehr genau mit den Zauberpflanzen auskennen und möglichst gut anderen darüber was erzählen will. Das hilft mir gerade dann, weil ich hier in Hogwarts als Vertrauensschülerin ausgewählt wurde und so auch für die jüngeren Mitschüler irgendwie da sein muß, von denen viele mit den Zauberkräutern nicht viel anzufangen glauben, weil das so schwer ist, die wichtigen Sachen darüber zu lernen und dann nicht den Eindruck zu kriegen, das ganze sei zu trocken und unliebsam. Ich weiß ja nicht, wer bei Ihnen in der Schule Beauxbatons Kräuterkunde unterrichtet, möchte Ihnen aber schreiben, daß ich froh bin, daß unsere Lehrerin Professor Sprout uns allen die Zauberpflanzen als sehr lebendiges Thema vorstellt und damit vertraut macht, ohne gleich nur was auf die reine Methodik zu geben.

    Ihr Artikel, Madame Dusoleil, hat mir gezeigt, daß es schön ist, sich mit den magischen Kräutern und Pilzen zu beschäftigen und nicht nur was für reine Denkmenschen ist.

    Noch einmal vielen Dank für diesen netten, ja auch lustigen Artikel, wo ich echt den Eindruck hatte, ich hätte mit Ihnen zusammen die Himmelstrinker gegossen und umgesetzt.

    Mit sehr herzlichen Grüßen

    Aurora Dawn

    Sie schickte den Brief mit Ducky zum Postamt von Hogsmeade. Dann vertiefte sie sich weiter in ihre Wiederholungseinheiten für die ZAG-Prüfungen.

    Kurz vor dem Ende der Osterferien machte der Tagesprophet mit zwei Schlagzeilen aus fingerlangen Lettern auf.

    SOHN VON ANGESEHENEM MINISTERIALBEAMTEN ALS HANDLANGER DES UNNENNBAREN VERHAFTET
    BARTEMIUS CROUCH JUNIOR BETEILIGT AN GRAUSAMER FOLTERUNG AN BELIEBTEM MITGLIED DES AURORENKORPS

    Aurora las den unter diesen seitenüberspannenden Schlagzeilen stehenden Artikel, wobei sie große Augen bekam.

    “Vor zwei Tagen wurden vier offenkundige Helfer dessen, dessen Name nicht genannt werden darf, nach einer wilden Verfolgungsjagd und hartem Kampf festgenommen, die als diejenigen erkannt worden waren, das Ehepaar Frank und Alice Longbottom grausam gefoltert zu haben. Die vier Verbrecher sind das Ehepaar Bellatrix und Rodolphus Lestrange, sowie Rabastan Lestrange und der einzige Sohn des hochverehrten Mr. Bartemius Crouch, der denselben Vornamen trägt. Es war ein heftiger Schock für Mr. Crouch Senior, als er die Nachricht von der Verhaftung seines Sohnes erhielt. Allerdings, so teilte er Ministerin Bagnold und dem Tagespropheten mit, würde er absolut keine Gnade walten lassen. Sein Sohn sei für ihn gestorben, so seine voller inbrünstiger Verachtung getätigte Aussage.

    Die Lestranges und Bartemius Crouch Junior wurden vor dem Zauberergericht angeklagt, die Folterung der Longbottoms mit dem unverzeihlichen Cruciatus-Fluch begangen zu haben. Die Longbottoms ertrugen die andauernde Pein nicht lange und verloren den Verstand. Zur Zeit befinden sie sich in der Obhut der Heiler im St.-Mungo-Krankenhaus. Ob sie überhaupt genesen können wolten oder konnten die zuständigen Heiler nicht bestätigen.

    Die Lestranges wirkten bei der öffentlichen Verhandlung überlegen und von der Richtigkeit ihrer Tat überzeugt. Ihnen sei es wohl darum gegangen, den Aufenthalt dessen, dessen Name nicht genannt werden darf, aus den Longbottoms herauszufoltern, um dem Unnennbaren zu helfen, seine alte Macht zurückzuerlangen, die er bei dem Versuch, Harry Potter zu töten, nahezu vollständig verlor.

    Bartemius Crouch Junior bestritt seine Beteiligung an der Tat und flehte seinen Vater an, ihm Gnade zu erweisen. Doch Mr. Crouch Senior machte seine Ankündigung wahr und ließ sich vom Flehen des jungen Zauberers nicht erweichen. Alle vier wurden gemäß den Gesetzen zum Gebrauch unverzeihlicher Flüche an Mitmenschen zu einer lebenslänglichen Haft in der Feste von Askaban verurteilt und den dort wachenden Dementoren übergeben.

    Wir und alle unsere Leserinnen und Leser müssen uns die bange Frage stellen, wie lange die düstere Epoche dessen, dessen Name nicht genannt werden darf, unsere Welt noch in Angst und Schrecken halten wird. Zumindest aber werden jene, die gefaßt werden, mit der ihren Untaten angemessenen Strafen belegt.

    Nach der Verhandlung zog sich Mr. Crouch einstweilen in sein Privathaus zurück und legte fest, daß niemand ihn wegen was auch immer zu behelligen habe. Seine Frau, die zur Zeit an einer schweren Krankheit leidet, wirkte nach der Verhandlung gänzlich am Boden zerstört. Wahrscheinlich wird Bartemius Crouch sich nun intensiver um sie kümmern.”

    “Warum können es diese Leute nicht einfach einsehen, daß ihr dunkler Meister nicht mehr da ist und uns anständige Leute in Ruhe lassen?” Knurrte Aurora Dawn und faltete ihre Ausgabe des Tagespropheten zusammen. Sie dachte daran, daß dort draußen immer noch Helfer dieses unmenschlichen Hexenmeisters herumliefen, die immer noch meinten, in dessen Namen handeln zu müssen. Warum konnten die nicht einfach aufhören und friedlich weiterleben? Mußte man sie erst fangen oder töten, bis sie es einsahen? Aurora wußte es nicht.

    __________

    Tim Abrahams’ Laune wurde nicht besser, als die Ferien wieder zu Ende waren. Es stand nun fest, daß Großbritannien keine Scheu vor dem Krieg mit Argentinien hatte. Als Roy und die anderen Muggelstämmigen Mitschüler wieder zurückkehrten, war der Falklandkrieg, wie ihn die Muggelreporter in den Fernsehkästen und deren Radios und Zeitungen nannten, schon in vollem Gange. Roy fragte einmal:

    “Haben die auf diesen Eisfelsen Öl gefunden oder Uran oder was?”

    “Das ist wohl eine Sache des Prinzips, Roy”, knurrte Tim zurück, als sie alle in der großen Halle beim Abendessen saßen. Vivian Acer sagte noch:

    “Man kann sich das gar nicht so recht vorstellen, daß die sich um so Inseln kloppen, die mehr als zehntausend Kilometer von hier weg sind. Da sterben Menschen für nix und wieder nix.”

    “Kannst du so nicht sagen, Vivian. Immerhin zeigt England, daß es immer noch die Wogen beherrscht, wo den Amerikanern und Russen ja schon der Weltraum gehört”, feixte Roy.

    “Schwachkopf!” Fauchte Tim. Daß sein eigener Vater gerade mittendrin in diesem an sich unverständlichen Geschehen war, machte ihm Angst, die ihn wiederum wütend machte.

    “Roy, das war jetzt fies”, sagte Dina Murphy, die rechts von Roy saß, womöglich um allen zu zeigen, wie wichtig er für sie war. “Tims Vater wollte da bestimmt nicht hin und macht das nur, weil jemand es dem befohlen hat. Also rede nicht so daher!”

    “Eh, daß ist doch die Meinung in England, sich von diesem Land noch auf der Nase herumtanzen zu lassen. Ist ja im Fußball schon schlimm genug.”

    “Haha, Roy. Am besten wird dieser Krieg in einem Fußballturnier entschieden oder was?” Schnaubte Tim Abrahams.

    “Das ist sowieso Unfug zu glauben, daß Britannien die Meere beherrscht. Noch idiotischer ist der Unfug, den Weltraum erobern zu wollen oder zu behaupten, das schon getan zu haben”, warf Geoffrey ein. Tim nickte widerwillig. Ihm schmeckte das Thema nicht und drohte darüber hinaus, ihm noch den Appetit zu verderben. Deshalb sah er Alessandro an und fragte ihn, wann er mit ihm für die UTZ-Stunden bei Flitwick üben konnte. Alessandro nutzte diese Frage, um die Quidditchmannschaft darauf hinzuweisen, daß sie am nächsten Samstag wieder trainieren würden.

    “Ich hoffe sehr, daß mit deiner Besenerlaubnis macht uns nicht den Pokal streitig, Aurora”, grinste Alessandro.

    “Was mich angeht bestimmt nicht, Alessandro”, grinste Aurora überlegen zurück.

    “Denkt ihr, die Gryffindors ließen sich das entgehen, den Pokal zu holen, wenn sie auch auf besseren Besen fliegen können?” Fragte Miriam Swann.

    “Die können alle die Nimbus-Besen haben oder noch ältere Krücken als wir bisher fliegen mußten, Miriam”, sagte Mortimer. “Ob die den Pokal kriegen hängt ganz an uns.”

    In zwei Wochen wissen wir’s”, sagte Petula Woodlane entschlossen. “Aber wir werden dich nicht zerfluchen, Aurora, wenn ihr den Pokal nicht verteidigen könnt. Da hängt ja doch viel Glück an so einem Spiel dran.”

    “Genau”, sagte Aurora Dawn. “Also sollten wir vorher noch etwas trainieren, damit wir zumindest so gut spielen können wie möglich.”

    “Du läufst dich schon warm, Alessandros Nachfolgerin zu werden, was, Aurora?” Flachste Roy Fielding.

    “Darüber reden wir erst im nächsten Jahr”, sagte Aurora und sah Bruster und Mortimer an.

    Die nächste Woche war bereits ein Vorgeschmack auf die anstehenden Prüfungen. Professor Flitwick ließ sie im Unterricht komplizierte Illusionszauber und Klangkerker, Schallschlucker und Schweigezauber üben. Einmal schaffte es Aurora, statt eines ockergelben Klangkerkers einen purpurroten Schimmer auf Boden und Decke zu legen, der den Schall im Raum immer wieder verstärkte, sodaß alle Schüler sich die ohren zuhalten mußten, weil selbst ein Flüstern zu einem immer lauteren und dabei schrill klirrenden Geräuscheansturm wurde. Erst als Flitwick die Tür öffnete und mit lautem Knall die rote Lichtauskleidung verschwand, kehrte der normale, sich an die Gesetze der Physik haltende Raumklang wieder ein.

    “Hui, den Effekt kannte ich noch nicht”, keuchte der kleine Zauberer mit dem weißen Haar. “Wie haben Sie den hinbekommen, Ms. Dawn?”

    “Ich habe den Zauber gesprochen, wie Sie uns den beigebracht haben und versucht, an etwas völlig lautloses zu denken, bei mir war es der Vollmond. Aber irgendwie muß ich dabei auf Klatscher beim Quidditch gekommen sein. Hmm, weil ich wohl über das Nachtspiel der letzten Weltmeisterschaft nachgedacht habe. ‘tschuldigung, Professor Flitwick.”

    “Interessant. Klatscher beim Quidditch fliegen immer hin und her, wenn sie nicht weggeschlagen oder gezielt auf jemanden umgelenkt werden”, sagte der Zauberkunstlehrer etwas ungehalten dreinschauend. Roy meinte, das habe sich angehört wie eine total übersteuerte Tonanlage, wo eine Rückkopplung auftritt, wenn man das was ein Mikrofon aufnimmt, aus in dessen Nähe stehenden Lautsprechern widergibt.

    “Das wird es wohl gewesen sein, Mr. Fielding. Der Schall wurde nicht einfach nur zurückgeworfen, sondern dabei immer wieder vervielfacht. In dem engen Raum wirkte sich das sofort als gefährliche Überlastung für die Ohren aus”, stimmte Flitwick dem zu. “Ich mag mir nicht vorstellen, was geschehen wäre, wenn ich die Tür eine minute später geöffnet hätte. Entweder hätte es unsere Gehirne zerrissen und / oder den Klassenraum zertrümmert. Das beweist wieder, daß Disziplin beim Zaubern oberstes Gebot ist. Der Klangkerker muß von jedem, der ihn aufruft, in völliger äußerer und innerer Stille gewirkt werden. An den Mond oder den lautlosen Sternenhimmel zu denken ist an sich schon sehr sehr gut. Aber diese Gedanken müssen solange aufrechterhalten werden, bis der Klankerker etabliert ist. Leider gibt es auch unter den vollständig ausgebildeten Hexen und Zauberern immer noch welche, die dies nicht sonderlich beachten, daß um sie herum keine unregelmäßigen Geräusche sein dürfen und sie selbst an etwas völlig geräuschloses denken müssen. – Versuchen Sie es bitte noch einmal, Ms. Dawn!”

    Aurora entspannte sich und dachte kurz nach, wie gut sie einen prallen, silberweißen Vollmond über sich stehen sehen konnte, bevor sie “Sonorincarcere” murmelte. Keiner sagte was oder machte irgendwelche anderen Geräusche. Ockergelbes Licht fiel aus Auroras Zauberstab und bestrich die Wände, den Boden und dann die Decke. Dann kleidete ein korrekter ockergelber Schimmer alles aus, was den Klassenraum nach außen begrenzte. Der Klangkerker stand nun sicher und würde keinen noch so kräftigen Laut nach außen dringen lassen, bis auf natürliche Weise eine Öfnnung des damit bezauberten Zimmers geschaffen wurde. Flitwick nickte, sagte einige Worte um zu beweisen, daß der übliche Hall im Raum nicht verändert worden war und machte wieder die Tür auf. Sofort erlosch die durchsichtige Lichtauskleidung. Der Klassenraum erschien nun so wie sonst.

    “Ich denke nicht, daß man bei den ZAG-Prüfungen diesen Zauber von Ihnen verlangt, zumal ja in der großen Halle mehrere Prüflinge gleichzeitig zaubern und erläutern müssen”, sagte Professor Flitwick. “Aber zumindest sollten Sie alle damit vertraut sein, wie er aufzurufen ist und welche Schwierigkeiten es dabei geben kann.”

    Am Ende der Stunde vergab er noch fünfzehn Punkte für Ravenclaw. Auroras Fehlschlag hatte fünf Punkte Abzug eingebrockt, weil Flitwick klarstellen wollte, daß in der Zauberei keine abschweifenden Gedanken aufkommen durften. Dina, die zwar auch den Klangkerker zu zaubern versucht hatte, mußte sich damit abfinden, daß sie wohl trotz gewisser Fortschritte mit der direkten Zauberei immer noch sehr große Probleme hatte.

    Bei Professor McGonagall war es nicht viel leichter. Sie ließ größere Tiere verschwinden oder verlangte schnell aufeinander folgende Verwandlungen. Dina verpatzte dabei jede Übung, weil sie entweder den Zauberstab nicht richtig führte oder einen Spruch zu hastig aussprach. Ein Frosch, der zu einer Maus werden sollte, löste sich in eine grüne Nebelwolke auf, die sich innerhalb einer Sekunde zu zwanzig laut quakenden Fröschen verdichtete, die keine vier Sekunden später zerplatzten, wieder zu Nebelwölkchen wurden und dann als vierhundert Frösche auftauchten.

    “Um himmels Willen, Ms. Murphy!” Schrillte Professor McGonagall. Dann schwang sie den Zauberstab: “Terminato Catenamutans!” Es blitzte grellblau auf, machte vielfältig plopp, und von der Decke viel ein einziger Laubfrosch herunter.

    “Eh, Dina, du hast gerade eine Klonkette heraufbeschworen”, ächzte Roy kreidebleich wie die anderen.

    “Mr. Fielding, noch spricht nur, wer von mir aufgefordert wird”, herrschte Professor McGonagall den Freund Dinas an. Dann sagte sie: “Ich weiß es bei Ihnen immer noch nicht, wie Sie es anstellen, aus einer an sich klar vorherberechenbaren Verwandlungsaktion ein heilloses Chaos heraufzubeschwören, Ms. Murphy. Eine ununterbrochene Vervielfältigung des Ausgangsobjektes habe ich bisher nur in Büchern über dunkle Experimente mit Lebewesen gekannt. Vielleicht können Sie mir helfen, zu verstehen, wie es zu diesem Vorfall kommen konnte.” Dabei sah sie Dina so unerbittlich an, als hinge von deren Antwort ihr Leben ab. Dina, eingeschüchtert bis zum äußersten, blickte auf ihren Tisch und wimmerte:

    “Ich habe doch nur den Verwandlungszauber aussprechen wollen, wie Sie ihn uns hier beigebracht haben. Ich dachte an Mäuse, damit der Frosch sich in eine Maus verwandelte.”

    “Wie viele Mäuse?” Fragte die Lehrerin harsch.

    “Bei jedem Wort eine”, wimmerte Dina.

    “Na wunderbar”, fauchte Professor McGonagall entrüstet. “Die Zauberformel besteht aus sieben Wörtern. Sie haben also sieben erwachsene Mäuse im Zusammenhang mit einer die Materie verändernden Zauberstabbewegung im Kopf gehabt. Offenbar haben Sie durch diese Aktion eine für Mäuse natürliche Vermehrungsrate aufgezwungen, sieben Generationen von Mäusen. Was sowas bewirkt haben wir sehen können. Der Frosch hat sich nicht verwandelt, sondern andauernd vermehrt, in seine Lebenseinheiten aufgelöst und wieder vermehrt. – Wie nannten Sie das, Fielding? Klonkette? Mir sind die Machenschaften der sogenannten Heilkundler und Erforscher der lebendigen Natur Ihrer früheren Lebenswelt bekannt, Mr. Fielding. Die nichtmagischen Wissenschaftler versuchen sich darin, künstlich Lebewesen zu verändern oder zu vervielfältigen. Ob das wirklich dem Guten dient bezweifel ich. Jedenfalls haben Sie damit recht, daß durch den aufgezwungenen Vervielfältigungsdrang völlig identische Mehrlinge dieses Frosches entstanden. Allerdings konnte ich durch die Unterbrechung der Verwandlungsabfolge alle magisch generierten Duplikate verschwinden lassen. Ich bin froh, daß dieser Zauber wirklich funktioniert hat. Ich fürchte, Ms. Murphy, ich muß Sie dafür nachsitzen lassen und Ravenclaw Ihretwegen zwanzig Punkte abziehen, damit Sie es endlich herausbekommen, Ihre magischen Energien und Gedanken zu kontrollieren, bevor Sie bei den Prüfungen ein ähnliches Unheil anrichten.”

    “Klar, wo Gryfindor gerade noch dreißig Punkte hinter uns liegt”, grummelte Roy Fielding halblaut, aber nicht leise genug für die Lehrerin.

    “Wie bitte?! Wiederholen Sie dies bitte für alle deutlich hörbar, Mr. Fielding!” Schnarrte Professor McGonagall unheilvoll.

    “Das war nichts wichtiges”, sagte Roy mit rotem Gesicht.

    “Finde ich schon. Aber da Sie es vorziehen, unwichtige Sachen im Unterricht zu murmeln muß ich es eben selbst widergeben, was Sie da gerade gegrummelt haben. Sie unterstellten mir, ich würde Ravenclaw Punkte aberkennen, um meinem Haus einen Vorteil im Wettbewerb zu verschaffen. Das habe ich doch richtig verstanden, oder?”

    “Öhm, nicht so direkt”, stammelte Roy als ertappter Missetäter.

    “Nun, dann erklären Sie uns bitte, wie Sie es wirklich gemeint haben, daß ich die notwendige Mindestpunktzahl für eine notwendige Strafarbeit abzog, weil Gryffindor gerade noch dreißig Punkte hinter Ravenclaw liegt.”

    “Nicht nötig, ich nehme das zurück”, sagte Roy rasch. Doch damit konnte er Professor McGonagalls Mißfallen nicht beseitigen. Sie zog Ravenclaw noch einmal zwanzig Punkte wegen Respektlosigkeit und Ungehorsam ab und verdonnerte Roy dazu, einen Tag nach Dina bei ihr zum Nachsitzen anzutreten.

    “Ihre Schwester war eine sehr gute Verwandlungsschülerin. Es wird Ihnen nicht schaden, wenn Sie vor den Prüfungen etwa ihr Niveau erlangen werden.”

    Roy erbleichte. Offenbar ging ihm der Anschlag auf das Kreuzfahrtschiff durch den Kopf, wo seine Schwester ihn in ein Taschentuch verwandelt hatte und er trotzdem alles mitbekommen hatte, was um und mit ihn angestellt wurde. Er sagte jedoch keinen weiteren Ton mehr.

    Snape, ohnehin schon sehr gemein zu den Schülern, ließ sie alle miteinander spüren, daß er bestimmt keinen in seinen UTZ-Kursen haben wollte, der nicht eine halbe Bibliothek Zaubertrankbücher verschlungen und sich wie er diesem Fach mit Leib und Seele verschrieben hatte. Selbst Dina und Aurora konnten es nur ihrer Beharrlichkeit verdanken, daß sie die einzigen in der Klasse aus Ravenclaws und Hufflepuffs waren, die zumindest noch ein A für akzeptabel bekamen, während die anderen mit M oder niedriger abschnitten.

    “Ich helfe euch dabei, euch vor den Prüfungen darüber klar zu werden, ob die Zaubertrankbraukunst was für euch ist oder ihr besser die Finger davon lassen solltet. Bei allem schuldigen Respekt vor meiner Vorgängerin, sie hat euch alle nur dazu anhalten wollen, die Prüfungen zu schaffen. Ich dagegen will haben, daß ihr wißt, was Zaubertrankbraukunst verlangt, welche Probleme sie bereiten kann, wenn jemand nichts damit anzufangen weiß und daß es nicht darum geht, Prüfungen zu bestehen, sondern seine oder ihre Berufung zu erkennen. Also wagt ja nicht, euch zu muckieren, weil die Mehrheit von euch hier und heute erkennen muß, daß das Brauen von Zaubertränken nichts für ihn oder sie ist. Das erspart euch viel Ungemach in der Zukunft”, sagte Snape, wobei er sich in eine erhabene Pose warf und scheinheilig lächelte.

    Nach der Stunde machten sich Roy und Mortimer Luft. Bruster, als Vertrauensschüler und haarscharf um einen Rauswurf herumgekommener Mitschüler zu mehr Selbstbeherrschung verdonnert, stapfte nur grimmig dreinschauend hinter seinen Klassenkameraden her.

    “Dieser Schweinehund tut so, als sei er der einzige Lehrer, der uns was gutes will”, fauchte Roy. “Dabei will der uns alle mit Gewalt aus seinem Unterricht, am besten noch von Hogwarts runterekeln. Ich weiß doch schon jetzt, daß ich nach Hogwarts keine Zaubertränke mehr brauche. Schon gar nicht, wenn ich dann immer wieder diesen Hakennaserich auf irgendwelchen Zusammenkünften treffen müßte. Ich verzichte doch freiwillig auf seinen Unterricht, sobald die ZAGs durch sind. Die anderen denken bestimmt auch so.”

    “Wenn der so weitermacht gibt der nur noch Zaubertränke in den Klassen eins bis fünf”, sagte Bruster. “Wenn es das ist, was der will, dann soll er das doch so machen, Roy. Ich habe mich eh schon orientiert, was ich nach Hogwarts brauche”, sagte Mortimer. “Mein Dad will mir einen Posten im Tierwesenbüro in der Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe freihalten, wenn die UTZs entsprechend sind. Da werde ich Snapes Gepansche nicht mehr brauchen. Überlasse ich das doch denen, die damit verheiratet sind wie Dina oder Aurora.”

    “Ach ja, Mortimer? Du hast recht, das Fach an sich ist viel zu interessant, als das Leute wie Snape es mir madig machen können. Außerdem muß ich noch was überdenken, wo ich dieses Fach bestimmt brauchen werde. Aber dazu sage ich jetzt nicht mehr als nötig.”

    “So, Aurora”, grinste Roy Fielding. “Dein Ding”, sagte er noch. Aurora Dawn nickte heftig und zog mit Petula, Miriam und Dina zur Mädchentoilette davon, dem einzigen Ort, wo sie vor wütenden Jungen geschützt über dieses oder jenes reden konnte, was ihre Zukunftspläne anging.

    Das Training der Ravenclaw-Hausmannschaft verlief rasant und teilweise sehr halsbrecherisch, weil jeder, der einen neuen Besen flog, dessen Handhabung noch nicht richtig raushatte oder sich nicht an die eigenen Grenzen halten wollte. Mortimer wäre dabei fast gegen einen der Torringe geprallt, als er einem Quaffel nachgesetzt hatte, der von Aurora schier unhaltbar zum Torraum geschossen worden war.

    “Mist, fast hätte es mich am Pfosten zerbröselt”, schimpfte er, als er schreckensbleich gelandet war und seinen Komet 2 / 40 begutachtete.

    “Du hast dich zu schnell herumgeworfen, Junge. Der Besen spricht schneller auf Lageänderungen an”, sagte Alessandro Boulder. “Die alten Krücken waren sperriger. Bei dem Komet mußt du nicht mehr so heftig steuern, vom Nimbus ganz zu schweigen.”

    “Ja, aber Aurora hatte die ganzen Ferien Zeit, den Besen hier zu testen. Meine Eltern wollten ja nicht, daß ich zu Hause richtig trainiere”, protestierte Mortimer.

    “Keine Ausreden, Bursche! Du lebst noch, dein Besen auch, also mach dich richtig vertraut damit!” Versetzte Alessandro und zirkelte wie wild vor dem Torraum herum, weil immer noch die beiden Klatscher unterwegs waren.

    “Ihr da oben, kuckt mal runter, ohne zu landen!” Rief Madame Hooch, als die Mannschaft wieder vollzählig flog. Sie sahen rasch hinunter, wo gerade vier klobige Kameras auf dreifüßigen Stativen nach oben wiesen und rote Qualmwolken ausspien.

    “Eh, was wird denn das?” Fragte Alessandro, als er von den ihn und die anderen fotografierenden Zauberern irritiert fast in einen Klatscher hineingeflogen wäre.

    “Wir machen Fotos der Mannschaften, die einmal in der Schulzeit mindestens eines Schülers einen Pokal gewonnen haben”, sagte Madame Hooch und winkte sie alle hinunter.

    “Das ist bei mir so Tradition geworden, erfolgreiche Mannschaften als von Fotos abgemalte Portraits in meinem Büro aufzubewahren, wenn mindestens ein Mitglied im letzten Schuljahr ist und der Pokal einmal gewonnen wurde. Das ist sozusagen eine Bilderchronik der Quidditchmannschaften in Hogwarts”, sagte die Fluglehrerin.

    “Achso. Aber wir alle hätten vorher gefragt werden sollen”, wandte Alessandro ein. “Gerade in der Zaubererwelt ist das Recht am eigenen Bild besonders wichtig, weil ja die Fotos nicht nur das momentane Bild, sondern auch die momentane Gefühlslage und Verhaltensweisen des Fotografierten festhalten.”

    “Das Recht haben wir nur, solange wir nichts öffentliches machen, Alessandro. Wenn wir Quidditch spielen ist das was, das alle angeht oder interessiert. Die Schulordnung gestattet die Aufbewahrung erfolgreicher Schüler und Lehrer, die sich in irgendeiner Weise um Hogwarts verdient gemacht haben”, wußte Aurora Dawn. Bruster nickte. Das stand in der Schulordnung drin und war nicht abzustreiten.

    “Ja, aber trotzdem hätten Sie uns vorher bitte fragen sollen, ob wir das gut finden”, beharrte Alessandro darauf, nicht ungefragt fotografiert zu werden. Karin Meridies lächelte nur und meinte:

    “So schlecht siehst du nicht aus, Alessandro, daß du Angst vor Hohn und Spott haben müßtest.”

    “Da geht es nicht drum, Karin”, knurrte Alessandro. “Das Bild eines Menschen ist wie sein Körper sein ganz persönliches Gut, über das er selbst entscheiden muß, was er damit anfängt. Aber ich sehe schon, wir sind berühmt, also müssen wir auch für die Nachwelt festgehalten werden”, resignierte er und sah dabei Madame Hooch an. Diese lächelte jedoch und meinte:

    “Ihr könnt den Bildern von euch ja noch eure ganz eigene Lebendigkeit mitgeben, wenn die Umsetzung von Foto auf Ölbild geklappt hat. Das wird von jetzt an in zwei Monaten passiert sein.”

    “Was, ölbilder, keine Papierbilder? Genial. Alessandro, wenn die das macht, haben wir ja gemalte Agenten in der Galerie von Hogwarts”, sagte Ken Dasher.

    “Haha, Ken, lustig”, knurrte Alessandro nur. Doch dann gab er es endgültig auf, sich darüber zu beschweren. Er forderte seine Mannschaft auf, noch einmal die gängigen Spielzüge zu proben.

    Eine Stunde später traten die Gryffindors zum Training an, dem letzten vor dem großen Finale. Eunice und andere ältere Schüler aus Gryffindor standen Wache, um Spionage und einen neuen Angriff auf die Mannschaft zu vereiteln.

    Als Aurora umgezogen im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws eintraf stürzte Lissy Wright mit wutrotem Gesicht auf sie zu. Aurora verzog das Gesicht. Welcher Klassenkamerad von der hatte sie wieder geärgert oder ihren Stolz angeknackst?

    “Du warst das wohl, die mir diesen Mist eingebrockt hat”, schnaubte Lissy. Mit ihrem amerikanischen Akzent klang das eher lustig als bedrohlich, fand Aurora.

    “Bitte was, Lissy?”

    “Du hast meiner Gran geschrieben, daß ich mich hier nicht benehmen kann. Jetzt hat die mir geschrieben, daß sie sich persönlich drum kümmern wird und mit meinen Eltern quatscht, ob ich hier anständig lerne oder nicht. Unverschämtheit!”

    “Unverschämtheit? Du hältst mich für unverschämt”, fauchte Aurora und deutete mit einer wilden Armbewegung auf einen freien Tisch. Lissy verstand, daß sie sich setzen sollte und warf sich zornig auf einen der freien Stühle. Aurora ließ sich ruhig, beinahe erhaben, auf einen Stuhl ihr gegenüber nieder und sah die zwei Jahre jüngere Mitschülerin sehr genau an.

    “Ja, Unverschämtheit”, fauchte Lissy. “Meine Eltern denken jetzt, ich würde hier nix lernen und nur meine Klassenkameraden runtermachen. Wegen diesen Nixkönnern und deinem Mistbrief stehe ich jetzt wie die letzte Idiotin da.”

    “Oh, Elizabeth, das denken deine Eltern bestimmt nicht. Ich glaube eher, die fragen sich, ob du weißt, wo dein Platz hier in Hogwarts ist”, sagte Aurora ganz ruhig. “Und was die Unverschämtheit angeht, die du mir vorwirfst, daß du dich ständig mit deinen Klassenkameradinnen streitest, weil sie deiner Meinung nach nicht so gut mitkommen wollen wie du, daß du sie wie die letzten Idiotinnen behandelst und dich ihnen immer als überlegen aufspielst, das ist eine Unverschämtheit.” Sie fixierte Elizabeth Wright so heftig, als wolle sie sie gleich angreifen. “Es wurde Zeit, daß ich das jemandem schrieb, vor dem du zumindest noch einen gewissen Respekt hast. Genau das habe ich getan.”

    “Diese Bälger können eben nicht verstehen, wie wichtig es mir ist, möglichst viel zu lernen, und daß die Klasse drunter leidet, wenn sie nicht mitkommen, weil die Lehrer alle auf diese Durchhänger Rücksicht nehmen müssen und wir deshalb nicht weiterkommen …”

    “Du willst es nicht lernen, Elizabeth Wright. Du meinst immer noch, daß du die einzige würdige Schülerin in deiner Klasse bist und spielst dich immer noch wie jemand auf, die eigentlich schon weiter sein müßte, wenn da nicht ganz normale Leute mit den üblichen Problemen im Unterricht wären. Wenn du schon hättest weiter sein wollen, hättest du die Prüfungen der dritten Klasse ja am Schuljahresanfang machen und eine Klasse aufsteigen können”, sagte Aurora sichtlich erbost, weil Lissy einfach nicht begreifen wollte, was Aurora ihr vermitteln wollte. “Da du das aber nicht gemacht hast, beschwere dich nicht, daß du immer noch in der dritten Klasse bist! Dann sieh es gefälligst ein, daß die anderen auch nur das lernen, was sie lernen können und nur das können, was sie gelernt haben!”

    “Du hast keinen Dunst, welchen Stress ich zu Hause kriege, wenn meine Eltern denken, ich wäre hier nicht richtig untergebracht. Die wollen herkommen, haben sie mir geschrieben und mit Dumbledore, Flitwick und McGonagall reden”, knurrte Lissy.

    “Und?” Fragte Aurora schnippisch.

    “Wegen dir und den anderen Vertrauensschülern und diesen zurückgebliebenen Swift-Drillingen …”

    “Eh, pass jetzt auf, was du sagst, Mädchen!” Fauchte Aurora sehr gefährlich und straffte sich wie eine gespannte Stahlfeder.

    “Ist doch wahr”, schnaubte Lissy. Aurora Dawn sah sie an und sprach:

    “Du willst es nicht anders. zwanzig Punkte Abzug für Ravenclaw, so fies das für uns alle ist und die Strafarbeit, hundertmal den Satz zu schreiben: “Ich bin nicht besser als die Anderen.” Ich habe gehofft, du seist klug genug, dich mit deinen Klassenkameraden zu arrangieren. Aber offenbar zieht nur eine Strafarbeit bei dir.”

    “Eh das mit den Punkten mußt du deinen Leuten erklären. Aber die Strafarbeit nehme ich nicht an”, sagte Lissy. “Du bist nur Vertrauensschülerin.”

    “Dann hättest du dich mal schlau machen sollen, was wir alles dürfen, Mädchen. Wir können sogar Putzdienste und Handreichungen für Lehrer verhängen, sofern wir das unserem Hauslehrer mitteilen, was ich gleich erledigen werde. Also freu dich, wenn du nur was hinschreiben darfst!”

    “Ich gehe sofort zu Flitwick”, sagte Lissy und sprang auf. “Von dir muß ich mir nix gefallen lassen. Du bist auch nicht besser als die anderen”, spie sie Aurora noch hin. Diese stand ruhig auf, obwohl es in ihr brodelte, daß diese Göre ihre Zeit, die sie für die Wiederholungen für die ZAG-Prüfungen brauchte, derartig vertat. Sie folgte ihr aus dem Gemeinschaftsraum der Ravenclaws und begleitete sie zu Professor Flitwicks büro. Der Zauberkunstlehrer und Leiter des Hauses Ravenclaw empfing die beiden Mädchen und sah ihnen gleich an, daß sie ihn nicht aus Höflichkeit besuchten. Lissy wollte sofort lossprudeln, daß Aurora Dawn ihr eine Strafarbeit reingewürgt hatte. Doch Flitwick schüttelte den Kopf und sah Aurora an.

    “Haben Sie eine disziplinarische Maßnahme gegen Ms. Wright aussprechen müssen, Ms. Dawn?” Fragte er ungewohnt streng klingend. Aurora nickte und setzte sich, als der kleine Lehrer ihr und Lissy freie Stühle anbot.

    “Ms. Wright beschwerte sich bei mir, weil ich ihren Verwandten einen Brief geschickt habe, in den ich reinschrieb, daß sie sich überheblich und herablassend ihren Klassenkameraden gegenüber benimmt. Sie meinte, ich hätte das nicht tun sollen und daß sie noch Ärger zu Hause kriegen würde. Ich mußte Ravenclaw ihretwegen zwanzig Punkte abziehen und ihr eine Schreibübung als Strafe auferlegen, Professor Flitwick.”

    “Ja, und genau das darf die nicht”, erzürnte sich Lissy. Professor Flitwick schien um einige Zentimeter zu wachsen und der Blick der kleinen Augen wurde eiskalt.

    “Welche Schreibübung haben Sie ihr auferlegt, Ms. Dawn?” Fragte er mit einer raschen Deutung auf Lissy.

    “Ich gab ihr auf, den Satz “Ich bin nicht besser als die anderen.” hundertmal aufzuschreiben. Mehr nicht.”

    “Sie darf sowas nicht. Das dürfen nur Lehrer”, schnarrte Lissy händeringend.

    “Ich fürchte, das darf sie doch, Ms. Wright. Das gehört zu den Obliegenheiten der Vertrauensschüler, nicht nur Punkte zu vergeben oder abzuerkennen, sondern auch erwiesene Missetäter zu kleineren Strafarbeiten anzuhalten, solange es keine gravierenden Strafen sind wie Nachsitzen oder Sonderprojekte für uns Lehrer. Das Aufschreiben von moralischen Parolen ist zulässig und in diesem Fall wohl auch längst überfällig.”

    “Bitte was?” Stieß Lissy aus und funkelte Flitwick an.

    “Sie haben mich richtig verstanden, Ms. Wright. Ms. Dawn ist wahrlich nicht die erste, die mir von einer von Ihnen an den Tag gelegten Überheblichkeit und Tyrannisierung ihren Mitschülern gegenüber berichtet hat. Ähnliches bekam ich von meinen Kollegen aus Hufflepuff, Gryffindor und Slytherin zu hören, wobei Professor Snape das irgendwie noch für Zitat “das kindische Gebaren einer von der eigenen Familie zu schnell hochgezogenen Göre” ansieht. Was meinen Sie, weshalb Ihre respektable Frau Großmutter sich in den Ferien mit mir darüber verständigt hat, daß Sie Ihre Eltern bei ihrem erbetenen Gespräch mit uns begleiten darf? Sie hat wahrlich genug eigene Aufgaben, die ihre Zeit beanspruchen. Also ist es ihr wohl sehr wichtig, die Sachlage zu klären.”

    “Gran kommt auch?” Fragte Lissy und erbleichte. Aurora konnte nicht an sich halten und grinste schadenfroh. Flitwick funkelte sie zwar warnend an, beließ es aber jedoch dabei.

    “Ihre Eltern und Professor Wright möchten uns am zweiten Samstag im Mai aufsuchen und mit uns sprechen. Professor Dumbledore hat dieser Bitte bereits entsprochen. Ich muß Ihnen sagen, Ms. Wright, daß meine Geduld mit Ihnen auch ihre Verträglichkeitsgrenzen überschritten hat. Allein schon wie sie Ms. Ramona Swift in meiner letzten Stunde geschulmeistert haben, unter meinen Augen, hat mir offenbart, daß Sie offenbar sehr große Probleme im sozialen Umgang haben. Das muß und wird geklärt werden, ob das prinzipiell nur an Ihnen liegt oder familiär begründet ist, weil Ihre Großmutter nun einmal eine hoch angesehene und international anerkannte Stellung innehat. Die von Ms. Dawn verhängte Strafarbeit”, er sah Aurora kurz an, “ist also gerechtfertigt und von meiner Seite aus nachdrücklich gebilligt. Wenn Sie nichts weiteres vorzubringen haben, Ms. Wright und Ms. Dawn, kehren Sie bitte in Ihren Gemeinschaftsraum zurück!” Mit einer unmißverständlich fortscheuchenden Geste wies Flitwick den beiden Mädchen die Tür. Aurora nickte und verließ als erste das Büro des Hauslehrers.Lissy Wright folgte ihr böse dreinschauend.

    “Bis morgen abend hast du die Strafarbeit erledigt, Elizabeth Wright”, sagte Aurora mit von ihr nicht gewohnter Strenge in der Stimme. “Sonst fällt mir bestimmt noch was wirksameres ein.”

    “Stecks dir, Dawn”, schnaubte Lissy.

    “Das glaubst aber nur du, Mädchen”, dachte Aurora für sich.

    In Ravenclaw erzählte Bruster seiner Klassenkameradin, daß er gerade an den Punktegläsern vorbeigegangen sei und da einen Einbruch von zwanzig Punkten mitbekommen habe. Aurora erzählte ihm, daß sie die Punkte abgezogen hatte und auch warum.

    “Mist, jetzt liegt Gryffindor mit dreißig Punkten vor uns, und Slytherin könnte uns auch noch überholen. War das wirklich nötig?”

    “Ich mußte ihr eine Strafarbeit aufhalsen, und das geht nur, wenn ein Punktabzug von zwanzig Punkten oder mehr ausgesprochen wird”, zischte Aurora. Bruster fragte nach der Strafarbeit und grinste. Dann sagte er:

    “Das wird die nicht bessern. Aber daß ihre Oma herkommt scheint die ziemlich heftig zu erschrecken.”

    “Davon kannst du ausgehen”, grinste Aurora. “Mit ihrer Oma steht und fällt ihre ganze überhebliche Art.”

    “Trotzdem ist das blöd, daß wir jetzt schon wieder so weit hinter Gryffindor liegen”, sagte Bruster.

    “Ja, doch anders ging’s nicht, Bruster”, entgegnete Aurora Dawn kalt. Er nickte nur.

    Zwar bekam Aurora am Abend noch von einigen was zu hören, ob sie nicht an Ravenclaw denke, daß sie dem Haus zwanzig Punkte abgezogen hatte, doch Aurora lenkte den Unmut ihrer Mitschüler rasch auf Lissy Wright um, die zerknirscht in einer Ecke des Gemeinschaftsraumes hockte und die hundert Sätze hinschrieb, die Aurora von ihr haben wollte. Auf jeden Fall, so dachte sich Aurora, hatten die Drittklässler nun eine gute Handhabe, die überhebliche Mitschülerin zu trietzen, nicht durch Anpöbeln oder Handgreiflichkeiten, sondern indem sie sie erst gar nicht bemerkten.

    Tim Abrahams hatte seine schlechte Stimmung überwunden, die er in den Ferien mit sich herumgeschleppt hatte. Entweder war der UTZ-Stress zu groß, um andauernd an seinen Vater im Falklandkrieg zu denken, oder die Muggelwelt war so weit von ihm weg wie die Erde von der Sonne. Irgendwie schien der Frühling auf ihn belebend einzuwirken. Er lächelte häufig, war zu allen freundlich und verbreitete nicht nur bei seinen Klassenkameraden gute Laune. Roy fragte ihn einmal, ob er sich verliebt habe, daß Tim so selig und unbeschwert war. Tim hatte darüber nur geheimnisvoll gegrinst und geantwortet, daß er seine Gründe habe, so gut gelaunt zu sein.

    __________

    Am Tag vor dem entscheidenden Quidditchfinale Gryffindor gegen Ravenclaw stieg die Anspannung. Slytherin, im Moment auf dem ersten Tabellenplatz, pöbelte gegen die beiden Häuser, und die beiden Mannschaften des Endspiels konnten sich ohne eine Wachabordnung nirgendwo mehr hintrauen. Aurora war immer in Begleitung von vier Mitschülern, Alessandro und Ken waren mit allen anderen Jungs der siebten Klasse zusammen unterwegs, und Bruster und Mortimer wurden ständig von drei älteren Jungen begleitet, die es zu gerne erleben wollten, daß Ravenclaw den Pokal verteidigte.

    “Muffensausen, Dawn?” Quatschte Tonya Rattler Aurora auf dem Weg zum Unterricht an.

    “Wegen euch bestimmt nicht”, antwortete Aurora. Sie sah Tonya an, die seit Sharkeys Rauswurf alleine herumlief, als suche sie jemanden, der mit ihr spielen wolle aber keinen fand.

    “Dein neuer Besen ist bestimmt haltbarer als der alte, bestimmt haltbarer als du selbst, Dawn”, redete Tonya weiter.

    “Nimm uns nicht übel, Tonya, aber dein Gequatsche langweilt”, sagte Miriam Swann. “Selbst nix auf die Reihe bringen aber andere anpöbeln, die’s tun. Da nützt dir auch kein Vertrauensschülerinnenbonus was.”

    “Wo du’s erwähnst, Swann, fünf Punkte Abzug für Ravenclaw wegen Respektlosigkeit einer Vertrauensschülerin gegenüber”, sagte Tonya überlegen lächelnd. Erst da fiel Miriam auf wie plump sie der klobigen Slytherin in die Falle gegangen war. Aurora verzog das Gesicht, konnte aber nichts weiteres dazu sagen. Das Recht, wegen Respektlosigkeit Punkte abzuziehen stand den Vertrauensschülern nun einmal zu, und auch sie hatte davon ja schon gebrauch gemacht.

    “Wie dem auch sei, Tonya, der Pokal kommt bestimmt nicht zu euch. Entweder geht der nach Gryffindor oder bleibt bei uns. Da könnt ihr reden und pöbeln wie ihr wollt.”

    “Ach, nur wenn die Mannschaften auch alle fit sind und ..” sagte Tonya und machte eine Handbewegung zu ihrem Zauberstab. Aurora lächelte.

    “Du weißt was Professor Dumbledore uns gesagt hat. Wenn hier noch einmal wer ein Mitglied einer Mannschaft mit Zauberflüchen belegt, fliegt der betreffende sofort von der Schule. Wenn ich dir das wert bin, Tonya, dann mal zu.”

    “An dir brauche ich mir die Hände nicht dreckig zu machen, Dawn”, schnarrte Tonya und kehrte ihr den breiten Rücken zu. Mit erhobenem Kopf schritt sie davon, immer noch allein, wohl sehr geknickt darüber, daß sie nun keinen echten Freund mehr hatte.

    “Das Mädel kann einem leidtun”, sagte Petula. “Allerdings gibt sie keinem einen echten Grund, sie zu bedauern.”

    “Lass sie, Petula!” Sagte Aurora Dawn. “Die will doch nur Streit haben. Aber ich habe keine Lust drauf, mich mit ihr rumzuzanken. Dafür habe ich zu viel um die Ohren.”

    “Die doch auch”, sagte Miriam. “Aber die meint ja, sich mit allen anlegen zu müssen.”

    “Unsere Adler werden siegen, weil sie neue Besen fliegen!” Riefen die Ravenclaws oberhalb der dritten Klasse und trugen das blaue Banner mit dem bronzefarbenen Adler durch die Korridore. Das erregte natürlich den Unmut der Gryffindors, die ihr rotes Löwenbanner herbeischafften und Gegenparolen riefen.

    “Heftig”, konnte Petula Woodlane dazu nur sagen. Aurora wußte nicht, was sie davon halten sollte. Peeves der Poltergeist krakehlte immer wieder dazwischen und bewarf die Bannerträger beider Häuser mit faulen Tomaten, daß es erst aussah, als würde die eine Seite die andere attackieren. Als dann beide Gruppen zu einem wütenden Gerangel ansetzten fegte Professor McGonagall wie eine Furie heran und trieb sie mit wilden Gesten und erbosten Worten auseinander. Als ihr dann eine Tomate aus unsichtbarer Hand den Hut vom Kopf schlug zückte sie ihren Zauberstab und wirbelte in die Richtung, wo das verdorbene Gemüsegeschoß hergekommen war.

    “Peeves also!” Fauchte sie. “Werden Sie gefälligst sichtbar!” Doch ein höhnisches Kichern, das sich rasch entfernte, war die einzige Reaktion auf ihren Befehl.

    “So, und Sie alle bringen jetzt die Fahnen und sonstiges Bekundungsmaterial umgehend in Ihre Häuser zurück!” Kommandierte sie die beiden rivalisierenden Gruppen. Sie blickte sich um und verdonnerte Aurora und Bruster dazu, ihre Hauskameraden zur Ordnung zu rufen und in die Häuser zurückzuführen. Leicht widerwillig befolgten die beiden Vertrauensschüler diesen Befehl und führten ihre Hauskameraden zurück in den Gemeinschaftsraum.

    “Seid froh, daß McGonagall uns keine Punkte abgezogen hat”, knurrte Geoffrey Forester zornig. Aurora Dawn hielt es nicht für nötig, ihren Hauskameraden noch eine Standpauke zu halten und ging mit Petula und Miriam in die Bibliothek, um noch etwas zu lesen. Aurora hatte beschlossen, die praktischen Übungen für die ZAG-Prüfungen nach dem Quidditchfinale zu beginnen, und ihre Schulfreundinnen hatten sich dem ohne Zögern angeschlossen.

    Aurora las gerade etwas über Tier-zu-Pflanze-Verwandlungen, als Bernhard Hawkins sich etwas verhalten näherte. Er fragte flüsternd, ob er mit Aurora kurz sprechen könne. Sie überlegte, was Bernhard nun noch von ihr wollen könne, nachdem sich ihre Beziehung derartig abgekühlt hatte, was nicht an ihr gehangen hatte. Sie legte das Buch auf den Lesetisch, nickte Bernhard zu und verließ mit ihm kurz die Bibliothek.

    “Weißt du Aurora, es ist irgendwie doof, daß das mit uns nicht so weitergelaufen ist wie vorhin”, sagte Bernhard.

    “Ja und?” Fragte Aurora kühl zurück. Was sollte das jetzt?

    “Ich weiß, du bist immer noch sauer, weil ich dir das mit Amerika nicht schon früher erzählt habe. Aber an und für sich war es doch bis dahin schön oder nicht?” Fuhr Bernhard fort und sah Aurora dabei sehr warmherzig an, als sei ihm doch noch was an der gemeinsamen Beziehung gelegen.

    “Das wäre allemal besser gewesen, wenn du mir das vorher erzählt hättest und nicht erst auf dem Hogsmeade-Ausflug. Irgendwie stand ich wirklich wie blöd da, zumal alle anderen das ja vorher wohl schon mitbekommen haben”, gab Aurora zähneknirschend zurück. Sie stand da, angespannt und auf irgendwas lauernd, was da noch über sie hereinbrechen konnte.

    “Nun, ich kann doch nichts dafür, daß mein Dad mich von der Schule runternehmen will. Andererseits möchte ich natürlich ohne jeden Krach das Jahr zu Ende bringen. Ich möchte das hier so gut in Erinnerung behalten wie’s geht.”

    “Sag mir bitte, was genau du willst, Bernhard! Irgendwie denke ich, du willst was von mir, worüber du nicht reden willst”, sagte Aurora halblaut. Ihr war das seltsam, daß Bernhard sie noch einmal sprechen wollte.

    “Nun, ich möchte wie gesagt die besten Erinnerungen von Hogwarts mitnehmen. Weißt du was, daß mir dabei helfen könnte?”

    “Ich habe dir schon mal gesagt, Bernhard, daß ich mich nicht auf irgendwelche körperlichen Sachen einlasse, wenn ich nicht weiß, ob es die Sache wert ist. Aber komm ja nicht auf sowas!”

    “Öhm, nein das würde ich mir jetzt auch nicht rausnehmen wollen, Aurora”, entgegnete Bernhard leicht verlegen. “Ich meine, ich wollte wissen, ob dir noch was an mir liegt und ob du mir nicht irgendwie helfen könntest, hier sehr gut wegzukommen und nicht sang-und klanglos zu verschwinden.”

    “Du meinst wegen der ZAGs?” Fragte Aurora Dawn. Doch innerlich läuteten mehrere Alarmglocken. Was sollte das jetzt?

    “Ja, das wäre eine Möglichkeit, weil du über Kräuterkunde und Zaubertränke doch mehr weißt als Becky oder ich.”

    “Eine Möglichkeit, Bernhard? Du möchtest also wissen, wie wichtig du mir noch bist, und irgendwie möchtest du, daß ich dir das zeige?”

    “Öhm, genau”, bestätigte Bernhard immer noch verlegen dreinschauend. Dann sagte er halblaut: “Die in Thorntails sind ziemlich fanatisch, was den Schulsport angeht. Becky und ich wollen da nicht als hinterletzte Verlierer reingehen. Aber ich fürchte, so sieht es aus, weil wir ja letztes Jahr den Pokal nicht gewonnen haben. “

    Aurora errötete. Weil sich ihre Augenbrauen jedoch bedrohlich zusammenzogen und ihre Stirnadern bläulich-rot hervortraten war klar, daß sie nicht aus Scham rot anlief. Das war es also.

    “Ja, Moment, ich habe nicht behauptet, daß du oder deine Leute mir helfen sollen, morgen zu gewinnen, Aurora”, sagte Bernhard. Da knallte ihm Auroras linke Handfläche mit Wucht an die rechte Wange.

    “Bernhard, schieb ab. Mach dich ganz schnell vom Acker, bevor ich noch den Zauberstab raushole und was ganz fieses mit dir anstelle!” Fauchte Aurora. “Behauptet hast du es nicht, aber erwartet hast du es schon, nicht wahr? Du wolltest gucken, ob du mich beschwatzen kannst, dir aus tiefer Verbundenheit den Pokal zu überlassen oder was? Vergiss es und lauf ganz schnell ganz weit weg!”

    “Eh, du kannst mich doch nicht einfach schlagen”, schnaubte Bernhard mit kleinen Tränen in den Augen. Auf der geohrfeigten Wange zeichnete sich rötlich Auroras linker Handabdruck ab.

    “Hast du mitgekriegt, daß ich das kann”, zischte Aurora. Bernhard sagte dazu nur:

    “Gut, wie du meinst. Ich habe gedacht, du würdest das verstehen, welches Problem ich habe und mir helfen wollen. Aber dann sieh eben zu, wie ich von hier ohne was in der Hand runtergehe!”

    “Sehr gerne”, schnaubte Aurora sehr entschlossen dreinschauend, kehrte Bernhard den Rücken zu und wollte in die Bibliothek zurückkehren. Bernhard zog sie am Umhang und hielt sie zurück.

    “Eh, du hast mich nicht zu hauen, klar. Entschuldige dich gefälligst!”

    Aurora wurde noch wütender. Sie wirbelte herum und fauchte Bernhard an:

    “Sage Winchester und allen, die meinten, mich zu bequatschen würde euch den Pokal bringen, daß wir euch morgen fertigmachen werden. Dann hast du einen Grund, dich als Verlierer zu fühlen. Jetzt mach dich vom Acker!”

    “Erst entschuldigst du dich für die Backpfeife, Mädchen! Oder ich gehe zu McGonagall und steck ihr, daß du mich angegriffen hast. Dann fliegst du jedenfalls morgen nicht gegen uns.”

    “Ah, Plan B, wie Roy das mal genannt hat”, knurrte Aurora. “Wenn ich dich nicht aus Verliebtheit gewinnen lasse soll ich morgen gar nicht erst fliegen. Geh zu McGonagall und sage ihr, daß der Versuch, relativ einfach an den Pokal zu kommen gescheitert ist! Wenn die dann noch was von mir will, möchte sie mich bitte zu sich zitieren. Aber dann müßtest du ja zugeben, daß ein Mädchen dich so heftig gehauen hat, daß du weinen mußtest.”

    Bernhard ließ sie los. Offenbar wirkte das auf ihn schmerzhafter als eine Ohrfeige. Er drehte sich um und ging ohne weiteres Wort davon. Aurora stampfte mit dem rechten Fuß auf und kehrte in die Bibliothek zurück, wo sie im Flüsterton mit Petula und Miriam über das so wichtige Gespräch redete.

    “So’n Trottel”, flüsterte Miriam. “Das auf die Tour zu versuchen, wo der genau weiß, daß bei Quidditch jede Freundschaft zurücksteht. Hat der gedacht, ohne ihn würdest du hier verschmachten?”

    “Ich weiß nicht einmal, ob er sich das gedacht hat oder Winchester und die anderen ihn angestachelt haben”, zischte Aurora immer noch sehr verärgert. “Ich will’s jetzt auch nicht mehr wissen. Wir machen morgen unser Spiel, und wenn wir den Pokal kriegen können, werden wir ihn uns sichern”, verkündete sie halblaut.

    Eunice Armstrong kam fünf Minuten später in die Bibliothek. Aurora machte sich darauf gefaßt, von der gleich noch was zu hören zu kriegen. Doch Eunice sah nicht verärgert aus. Sie grinste von einem Ohr zum anderen.

    “Wie bescheuert muß einer sein, daß er meint, einer Teenagerromanze wegen an den Pokal zu kommen?” Fragte sie leise, als sie in Flüsterreichweite war.

    “Ach, steht das in Gryffindor am schwarzen Brett?” Schnaubte Aurora angriffslustig.

    “Das ist nicht nötig. Ich habe mitgekriegt, wie Winchester deinen zukünftigen Ex bequatscht hat, dich rumzukriegen, ob du nicht doch für ihn weniger Tore schießt als im letzten Jahr. Der hat ihm was erzählt von wegen Thorntails und Quodpot, das die da spielen und er bestimmt besser da ankommt, wenn er einen Quidditchpokal gewonnen hat. Ich habe ihn mal gehen lassen und gewartet, ob du nicht doch auf sein Gesäusel eingehst. Offenbar hat er es vermasselt. Anfänger halt.”

    “Habe ich mir gedacht, daß der sich hat bequatschen lassen”, zähneknirschte Aurora. “Wenn der sich das selbst überlegt hätte hätte der mich bestimmt nicht so blöd angequatscht.”

    “Du hast ihm eine geballert, habe ich sehen können. Becky meinte schon, er solle zu Madame Pomfrey gehen. Aber er hat es sich wohl doch anders überlegt”, sagte Eunice. Petula fragte, ob er dafür zu McGonagall gegangen wäre.

    “Also ich denke nicht, daß professor McGonagall sich groß dafür interessiert, was ein paar blöde Jungen sich da ausgemalt haben. Außerdem wissen wir alle, daß sie unfaires Spiel nicht leiden kann”, erwiderte Eunice.

    “Vielleicht nicht, wenn Gryffindor dadurch den Pokal kriegen kann”, wandte Miriam ein und blickte sich um, ob das nicht wer gehört hatte, der das weitertratschen würde.

    “Auch da nicht, Miriam. Der Pokal würde ja das ganze nächste Schuljahr in ihrem Büro stehen. Dann müßte sie ja immer dran denken, daß der ihr nur durch psychologische Tricks auf dem Schreibtisch gekommen ist. Ob das dann noch was mit Quidditch zu tun hat?”

    “Bin ich mir nicht so sicher, wo die den drei Jahre hintereinander im Zimmer stehen hatte”, warf Miriam ein.

    “Eben nur weil unsere Spieler fair gewonnen haben. Wie gesagt, Aurora, der Typ hat sich bequatschen lassen und sich die verdiente Abfuhr eingehandelt. Wie auch immer ihr morgen drauf seid, ich denke, wir kriegen den Pokal auch so. Ich werde zumindest besser schlafen, wenn ich weiß, daß wir den dann ohne irgendwelche Tricks vor dem Spiel gekriegt haben. Schönen Tag noch, Mädels!”

    “Mach’s gut, Eunice!” Wünschte Aurora.

    “Mädel dich selbst”, flüsterte Miriam, als Eunice bereits zehn Schritte von ihnen entfernt war.

    “Wieso. Die hat’s doch voll genossen, daß ihre Hausmannschaft diesen Rückschlag abgekriegt hat”, feixte Petula im Flüsterton.

    “Du kennst doch das, was der alte Hut singt. Gryffindors legen Wert auf Gerechtigkeit”, erwiderte Aurora. Dann fand sie, daß sie besser noch etwas lesen und besprechen sollten und beendete damit das Thema.

    Wie sie es erwartet hatte kam wegen der Ohrfeige gegen Bernhard nichts nach. Keine Professor McGonagall oder ein Professor Flitwick bestellten Aurora ein, um sie zu rügen. Bernhard hatte also erkannt, daß er sich selbst am meisten blamieren würde, wenn das schulweit herumging, daß er versucht hatte, sich den Pokal zu erschwatzen. So konnte Aurora am Abend mit dem festen Vorsatz ins Bett gehen, am nächsten Tag so gut es ging zu spielen und nach Möglichkeit zu gewinnen.

    __________

    Die hohe Spannung, wer am Ende des Spiels den Quidditchpokal in Händen haben würde, empfing Aurora Dawn am nächsten Morgen in der großen Halle. Wieder hatten die drei Häuser, die sich noch Hoffnungen auf den Pokal machten, ihre Hauswappen als große Fahnen mit lebendig wirkenden Motiven auf den Tischen stehen. Aurora wirkte noch entschlossener als im letzten Jahr. Sie hatte Alessandro und den anderen Mannschaftsmitgliedern nichts erzählt, und dennoch wußten sie es. Hogwarts war eben doch nur ein Dorf!

    “Der will einen gescheiten Abschied haben? Kann er haben!” Sagte Alessandro und deutete auf den Gryffindor-Tisch genau auf Bernhard Hawkins, der mit seiner Zwillingsschwester Rebecca und Samuel Winchester, dem Mannschaftskapitän, eine Reihe bildete.

    “Für Winchester ist es auch das letzte Spiel, Alessandro”, sagte Ken und grinste feist. “Der hätte vor den UTZis auch noch mal gerne Hogwarts-Silber geküßt. Aber die Knutscherei gönnen wir uns, nicht wahr, Alessandro?”

    “Aber hallo”, erwiderte der Ravenclaw-Kapitän. “Das Becherchen ist zu schön, um jetzt schon umzuziehen. Also frühstückt gut genug, um nicht zu hungern, ohne zu schwer zu werden, Jungs und Mädchens!”

    “Aye aye, Sir!” Bestätigte Mortimer Swift im Stil eines Matrosen und griff sich zackig an den Hut. Tim Abrahams sah ihn zwar etwas merkwürdig an, mußte dann aber grinsen.

    “Hoffentlich halten die Besen”, sagte Aurora Dawn. Alle lachten. Dieses Jahr würden die Besen halten, dank ihr.

    “Holen Sie die Fahnen und Banner ein!” Befahl Professor McGonagall. Alle gehorchten widerspruchslos.

    Die Hufflepuffs, für die es in diesem Jahr mal nicht um den Pokal ging, wußten offenbar nicht, ob sie nun den Ravenclaws oder den Gryffindors beistehen sollten. Jedenfalls wollten sie nicht, daß Slytherin den Pokal bekam.

    Die einfliegenden Posteulen lenkten die Schüler von dem Spiel ab. Lissy Wright sah mit verbissener Miene einen Uhu an, der majestätisch über den Ravenclaw-Tisch herabschwebte und punktgenau neben ihrem Teller landete und ihr den rechten Fuß hinhielt. Roy wurde von einer Schneeeule angesteuert, die sich seine Schwester Erica zugelegt hatte. Tim sah verblüfft auf einen leicht zerzaust wirkenden Sperlingskauz, der einen Briefumschlag vor ihn hinlegte und sofort danach wieder davonflog. Da Tims Verwandte alle Muggel waren bekam er höchst selten Eulenpost. Meistens mußte er bis in die Ferien warten, um neues von zu Hause zu erfahren. Bruster hingegen sah dem Steinkauz seiner Mutter gelassen entgegen. Der Postvogel schleppte sich mit einem Päckchen ab, das wohl voller Schnagereien war. Seitdem Roy einmal die Bemerkung hatte fallen lassen, daß Brusters Mutter herrliche Plätzchen backen konnte, hatte die öfter welche nach Hogwarts geschickt. Aurora dachte schon, an diesem Tag keine Eule mehr zu kriegen, als drei Eulen auf sie zuflogen. Es war die Schleiereule ihrer Mutter, der Waldkauz ihrer Großmutter Regan und eine Sumpfohreule. Aurora nahm zunächst der Eule ihrer Mutter den Brief vom Bein und las, daß sie ihr viel Glück im Finale wünschte und sie nur aufpassen solle, nicht zu übertrieben zu fliegen. Ihre Großmutter Regan schrieb ihr, daß sie an dem Tag, wo das Spiel sei, im Zauberergamot sitzen müsse, um über das Schicksal eines Angeklagten zu befinden, der für die Todesser gearbeitet haben soll. Als Aurora den dritten Brief öffnete, sah sie eine ihr unbekannte Frauenhandschrift. Sie las:

    Hallo, Aurora,

    ich danke dir recht herzlich für deinen Brief, den du mir geschickt hast und möchte mich entschuldigen, daß ich nicht schneller habe antworten können. Aber weil ich leider nicht so gut englisch verstehe, um deinen Brief alleine lesen zu können mußte ich auf meine Schwägerin warten, daß sie mir beim Übersetzen hilft. Das ist ihre Handschrift, die du gerade liest. Aber weil ich weiß, wie wichtig ein Brief dadurch ist, weil er eine greifbare Verbindung zwischen dem, der ihn schreibt und dem, der ihn kriegt bildet, habe ich dir unten drunter noch einige Zeilen in meiner Muttersprache geschrieben, die meine geschätzte Fachkollegin Prof. Sprout sicherlich gerne übersetzen wird.

    Ich freue mich, daß mein Artikel im grünen Magier nicht nur neue Freundinnen und Freunde des Himmelstrinkers gewinnen konnte, sondern auch junge Hexen wie dich dazu anregen konnte, sich über eine Zukunft im von mir sehr geliebten Fachgebiet magischer Herbologie zu engagieren. Sicher behaupten viele, Kräuterkunde sei ohnehin ein reines Frauenfach, aber zu lesen, daß jemand, die gerade vor den ZAG-Prüfungen steht sich durch meinen Artikel angeregt fühlt, vielleicht selbst die Wunder der magischen Pflanzen und Pilze zu erforschen und damit zu leben, nicht nur zu arbeiten, gibt mir mehr als ein Honorar von 1000 Galleonen. Falls du in den nächsten Sommerferien Zeit und Lust hast, mal die Atmosphäre eines Kongresses erwachsener Kräuterkundiger zu schnuppern, frage deine Eltern doch, ob sie Lust haben, mit dir vom 18. bis 24. Juli nach Millemerveilles zu kommen. Ich denke, da wirst du deine ZAG-Noten schon kennen und hoffentlich sehr beruhigt und stolz deine Ferien verbringen wollen. Mit der Sprache hättest du auch kein Problem, weil es da einen Zaubertrank gibt, der bewirkt, daß jemand eine ihm völlig fremde Sprache verstehen und dann auch sprechen kann.

    Wie geschrieben kannst du dir das ruhig überlegen und mit deinen Eltern bereden. Fairerweise sollte ich dich nur vorwarnen, daß es da meistens ziemlich trocken zugeht, aber auch interessante Dinge besprochen werden.

    Ich wünsche dir noch eine schöne Zeit bis zu den Prüfungen und für diese bonne chance!

    Camille Dusoleil

    Unter dem englischen Text standen noch vier Zeilen auf Französisch, was Aurora nicht verstand, zumal da einige merkwürdige Zeichen über den Vokalen standen. Doch die Handschrift glich der Unterschrift und stammte wohl von der Verfasserin des Artikels über die Himmelstrinkerblume.

    “Soll ich mir das antun? Interessant wäre es ja mal”, dachte Aurora Dawn bei sich, bevor Petula fragte, wer ihr da geschrieben habe

    “Das war Madame Dusoleil aus Frankreich, von der ich dir doch erzählt habe, Petula”, flüsterte Aurora stolz, eine persönliche Antwort bekommen zu haben.

    “Ui, und was schreibt sie dir? Oder mußt du das erst übersetzen lassen?” Antwortete Petula begeistert.

    “Nein, der wurde schon übersetzt. Sie schreibt mir, daß sie sich freut, daß jemand wie ich sich wegen ihrem Artikel für Zauberpflanzen begeistert und wenn ich wollte und meine Eltern könnten zu einem Kongress der Kräuterhexen und -zauberer in dieses Millemerveilles reisen könne. Ich weiß zwar nicht, ob ich da schon was mitkriegen kann, aber wäre mal ‘ne interessante Urlaubsreise. Daddy war da ja schon mal. Soll ziemlich weitläufig sein für’n Dorf und einen Zaubergarten und einen Park mit magischen Tierwesen haben. Am besten habe ich dann gute ZAG-Prüfungen geschafft, wenn ich Mum und Dad dazu kriegen will.”

    “Aber die Sprache”, wandte Petula ein.

    “Da soll’s einen Zaubertrank für geben, der einen die andre Sprache verstehen und sprechen läßt, schreibt Madame Dusoleil. Ich meine, davon schon was gelesen zu haben, Wechselzungentrank heißt der.”

    “Stimmt, hat Dina was von gesagt, als ihr gegen die Hufflepuffs gespielt habt, weil sie mit ihren Eltern in den Weihnachtsferien nach Italien fahren wollte”, flüsterte Petula. Aurora nickte.

    “Eh, Lissy, hat deine Omama dir Prügel angedroht?” Feixte Alessandro, weil Lissy ziemlich betreten dreinschaute. Diese funkelte ihn an und meinte, das gehe ihn einen feuchten Dreck an. Alessandro lachte fies. Offenbar hatte die wichtige Dame aus den Staaten sowas ähnliches angedroht wie Schläge. Zumindest hatte sie keinen Heuler geschickt, was die Ohren der Ravenclaws ihr gewiß aufrichtig dankten.

    Wie es der Kapitän der Ravenclaws angeordnet hatte frühstückten die Spieler seiner Mannschaft gerade so reichlich, daß sie in den nächsten zwei drei Stunden keinen Hunger verspüren mochten, ohne zu schwer für ihre Besen zu werden. Als sie dann in den Umkleideräumen die blauen Spielerumhänge angezogen hatten sammelte Alessandro seine Mitspieler noch einmal um sich.

    “Also, Leute, wir allein haben das jetzt in der Hand, ob der Pokal noch ein weiteres Jahr bei Flitwick im Büro besucht werden kann oder bei Professor McGonagall einzieht. Ihr habt ja wohl alle mitgekriegt, daß die sonst so auf Fairness pochenden Gryffindors versucht haben, unsere Jägerin Aurora Dawn zu beschwatzen, den Pokal an die gehen zu lassen, weil Winchester und einige andere das letzte Spiel hier in Hogwarts spielen. Aber ich bin heute auch das letzte Mal auf dem Platz, genau wie Ken. Also konnte dieser feige Versuch nichts werden. Wir gehen da raus, starten durch und spielen die in Grund und Boden! Ich freue mich, daß wir so eine tolle Mannschaft sind.”

    Aurora sah etwas verlegen aus, weil Alessandro die Sache von gestern noch einmal aufgewärmt hatte. Aber dann ging sie genauso entschlossen wie die anderen aufs Feld.

    Die um das ovale Feld gruppierten Sitze der Zuschauertribüne waren alle bis auf den letzten besetzt. Die goldenen Torstangen ragten zwanzig Meter in den Himmel und erstrahlten im Licht der Frühlingssonne, die es an diesem Tag gut meinte und von einem wolkenlosen Himmel strahlte.

    “Und hier sind die Akteure des großen Finales!” Rief Jodocus Barkley mit magischem Megaphon. Er stellte alle Spieler vor und sagte über Alessandro und Ken, daß dies ihr letztes Spiel in Hogwarts sei. Ähnliches sagte er auch über Winchester, den Gryffindor-Kapitän. Dann sagte er noch: “Ja, und dann sind da noch die eingespielten Treiber-Zwillinge Rebecca und Bernhard Hawkins, die heute auch ihr letztes Spiel auf dem Feld von Hogwarts bestreiten und es noch mal wissen wollen, ob sie den Pokal gewinnen können oder nicht. Denn sie werden im nächsten Jahr wohl schon weit über dem großen Teich hinweg in der Thorntails-Akademie sein, wo sie britische Gründlichkeit und Tradition vertreten werden. In beiden Mannschaften sind also Leute, die heute die letzte Gelegenheit haben, einmal aus dem großen Silberbokal trinken zu dürfen. Madame Hooch hat die Spieler gerade Aufstellung nehmen lassen. Gleich geht’s los!”

    Jubel brandete auf, als die beiden Kapitäne sich die Hand gaben. Alessandro grinste Sam Winchester höhnisch an, der wiederum mißmutig zurückstierte. Dann kam das Kommando, die Besen zu besteigen.

    “Der Quaffel fliegt aus dem Abwurfkreis, und da sind auch schon alle Spieler in der Luft, zeigen gleich, was neue Besen hergeben. Oh, da hat sich Dawn schon mit Heatherbloom von den Gryffindors angelegt, kommt an den Quaffel und zieht los. Der Nimbus 1500 geht wunderbar ab, wertes Publikum. Dawn fast schon am Torraum, wurstelt sich noch an Winchester vorbeiiiii! – Ui, Doppelklatscher von den beiden Hawkins-Geschwistern! Hätte die agile Aurora fast voll erwischt. Dawn mußte zurückweichen, hat immer noch den Quaffel, wird aber von Winchester und Heatherbloom bedrängt! Dawn wirft ab auf Wiffle, hat das rote Rund genial bekommen und ist schon vor dem Tor. Toooor! Ravenclaw führt mit zehn zu null Punkten!”

    Der Jubel der Ravenclaws war unüberhörbar. Gryffindors Anhänger pfiffen und riefen ihrer Mannschaft zu, jetzt bloß nicht nachzulassen.

    “Klatscherattacke auf Wiffle, der den Abwurf vom Tor annehmen wollte. War wohl nichts. Der Quaffel landet bei Heatherbloom, der den Sauberwisch 5 zimlich gut antreibt. Ja, Neue Besen würzen das Spiel entscheidend! Heatherbloom vor dem Tor! – Gehalten! Swift hat eine Parade für die Galerie hingelegt, zögert den Abwurf hinaus, weil jetzt alle drei Jäger von Gryffindor vor dem Tor warten. Irgendwann wird er wohl abwerfen müssen. – Hei, beide Klatscher kunstvoll gespielt von den beiden Treibern Boulder und Dasher. Winchester mußte ausweichen. Der Quaffel fliegt weit zurück. Dawn nimmt ihn an! Flugbahn zum Tor komplett frei! Toor! Zwanzig zu null für Ravenclaw!”

    Nach diesem zweiten Tor für die Ravenclaws schienen die Gryffindors zu vergessen, nach welchen Regeln sie spielen mußten. Denn als Aurora mit ihrer schulweit bekannten Doppelachsenflugweise einen Gegenspieler ins Leere stoßen ließ und wieder einen Torwurf ansetzte stürzte sich Bernhard Hawkins mit schwung auf die hervorragende Jägerin. Seine Schwester war alleine und schaffte es knapp, einen ihr geltenden Klatscher zu Boulder abzulenken, der dann Heatherbloom aufs Korn nahm.

    “Denkst du, ich lasse dich noch mal so viele Tore schießen?!” Rief Bernhard und sauste knapp an Auroras Besenschweif vorbei, wodurch sie den Quaffel fallen ließ.

    “Ich habe dir geraten, möglichst weit weg von mir zu bleiben!” Rief Aurora Dawn. Da kam ein Klatscher angezischt. Aurora duckte sich, und Bernhard schlug nach dem schwarzen Ball, in voller Absicht, Aurora doch noch zu erwischen. Doch diese rollte sich zur Seite und ließ den Ball an sich vorbei auf den Boden zurasen. Krachend schlug der Klatscher einen Krater ins Feld.

    “Oh, der hätte Aurora Dawn mit Sicherheit voll in den Rücken getroffen”, kommentierte Barkley diesen wütenden Angriff. Der Klatscher ruckte und Zuckte auf dem Boden, bevor er im Hui wieder nach oben schoss. Doch Aurora Dawn war bereits hinter Winchester her, der den Quaffel erflogen hatte. Bruster warf sich ihm in den Weg. Becky Hawkins wollte zwar einen Klatscher auf ihn abschlagen, doch Alessandro hielt nur seinen Schläger hin und ließ den bösartigen Ball davon zurückprallen, genau zu Gideon Heatherbloom hin, der sich vor den Torringen Mortimers in Stellung gebracht hatte. Gideon zirkelte herum und stieß dann vor, um Mortimer aus dem Torraum zu drängen. Doch Madame Hooch pfiff sofort und verhängte einen Strafwurf, weil der Hüter ohne Quaffel im Torraum angegriffen worden war. Aurora flog an, täuschte kurz und brachte den roten Spielball mit Wucht durch den von ihr aus linken Ring zum Stand von dreißig Punkten.

    Von da an foulten die Gryffindors immer dann, wenn sie meinten, Madame Hooch sähe es nicht. Doch weil die Ravenclaw-Anhänger das mitbekamen und Barkley nicht umhinkam, über einige grobe Fouls zu reden, setzte es noch drei weitere Strafwürfe gegen Gryffindor, die jedesmal von einem anderen Jäger verwandelt wurden. Bernahrd meinte wohl, sich für die Ohrfeige von gestern revanchieren zu müssen und rammte Aurora einmal den rechten Ellenbogen in die Seite, als er keinen Klatscher fand, den er auf sie schlagen konnte. Immerhin schafften die Gryffindors es einmal, Mortimer zu überwinden und zehn Punkte zu holen. Doch danach kamen noch vier weitere Tore für Ravenclaw zu Stande, nachdem Aurora sich Bernhard immer wieder frech als Ziel anbot und ihre beiden Kollegen dadurch freie Bahn bekamen. Einmal rief Winchester nach Auszeit und bekam sie.

    “Der ist stinksauer auf dich, Aurora”, grinste Alessandro Boulder, als er seine Mannschaft vor der rechten Torstange seiner Seite versammelt hatte.

    “Ich weiß. Ich merk’s noch”, knurrte Aurora. “Aber wenn der sich einbildet, was er durch dummes Gequatsche nicht gekriegt hat mit Gewalt zu erreichen täuscht er sich. Vielleicht übt er schon für Quodpot. Da sollen solche Rempler ja zum guten Ton gehören.”

    “Die müssen den erst aufbauen, bevor der dieses Knallballspiel spielen darf”, sagte Ken Dasher. “Ich habe mir so’n Spiel mal angesehen und …”

    “Später Ken. Erst mal unser Spiel gewinnen”, sagte Alessandro und plante die weitere Taktik, bis Madame Hooch die Auszeit für abgelaufen erklärte.

    “Dawn hat schon wieder den Quaffel, wird bedrängt von Heatherbloom! Ist schon wieder vor dem Torraum von Gryffindor! Klatscher!”

    Aurora hatte es sich gedacht, daß Bernhard sich diese Gelegenheit nicht nehmen ließ, sie anzugreifen. Deshalb war sie rasch abgetaucht, um ihn zu verwirren und von unten her den Quaffel zu spielen.Tatsächlich zischte der Klatscher einen Meter über sie weg und erwischte Gideons Besenspitze mit solcher Wucht, daß der Jäger von einer heftigen Drehbewegung vom Besen geschleudert wurde. Sein Komet 2 / 40 zersplitterte vorne und trudelte steuerlos nach unten. Gideon fiel und fiel dem Boden entgegen. Erst knapp vor dem Feld erwischte ihn der Fallbremsezauber Professor McGonagalls.

    “Ui, da wurde Gideon Heatherbloom von einem freundlichen Klatscher vom Besen geholt”, sagte Barkley bestürzt. Madame Hooch pfiff eine Auszeit und ließ Gideon, der sich beim Absturz das linke Handgelenk gebrochen hatte, in den Krankenflügel bringen. Ohne den Jäger ging das Spiel weiter. Bernhard hielt sich auffallend zurück. Daß er seinen eigenen Mitspieler vom Besen geschossen hatte nagte an ihm.

    Nach etwas mehr als zwanzig Minuten führte Ravenclaw mit sechzehn Toren zu sechs. und hatte damit den Abstand von Slytherin wettgemacht und überholt. Nur der Schnatzfang würde den Gryffindors noch den Pokal sichern. Das wußten die Ravenclaws und spielten nun eher darauf, den gegnerischen Sucher zu blocken, ohne dabei gegen die Regeln zu verstoßen. So Plätscherte das Spiel eine Weile hin, wobei Ravenclaw und Gryffindor noch je ein Tor erzielten. Dann stieß Gryffindors Sucher nach unten. Karin Meridies wurde gleich von zwei Klatschern angeflogen und von allen Jägern der Gryfindors am Vorankommen gehindert. Jetzt würde Gryffindor den Pokal sicher kriegen.

    “Gleich ist der spannende Kampf um, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Der Schnatz kann unmöglich noch … Was war das?”

    Aurora Dawn, die gerade mal wieder den Quaffel hatte, wollte wohl Bruster Wiffle anspielen. Doch der rote Ball kreuzte die Flugbahn des Schnatzes, wirbelte diesen davon, sodaß der Sucher der Gryffindors ins Leere griff. Auf der Tribüne lachte man.

    Das Spiel ging weiter, wobei die Ravenclaws alles taten, um ihren Vorsprung so weit auszubauen, daß auch der Schnatzfang Gryffindor nicht zum Pokal führen konnte. Doch Gryffindor schaffte immer wieder ein Tor, um bei einem erfolgreichen Schnatzfang zehn Punkte Vorsprung zu bekommen. Als dann aber in der vierzigsten Spielminute bei einem Stand von 30 zu 16 Toren Karin Meridies an einem Klatscher von Rebecca Hawkins vorbei in die Tiefe stürzte, dauerte es keine zwei Sekunden, da hatte sie den so kleinen und doch so wichtigen Ball, den goldenen Schnatz, in der rechten Hand und reckte diese nach oben, während der Klatscher knapp vor ihrer Nase vorbeisauste.

    “Vierhundertundfünfzig Punkte erringt Ravenclaw in diesem so entscheidenden Spiel! Der Pokal bleibt in Ravenclaw!” Rief Jodocus Barkley. Alle Ravenclaws jubelten unbändig. Auch die Hufflepuffs stimmten in den Jubel mit ein. Ja, sogar die Slytherins klatschten Beifall, wohl eher, weil sie es dann doch lieber den Ravenclaws gönnten als den Gryffindors.

    “Danke, Danke, Danke!” Rief Alessandro Boulder, als er mit seiner Mannschaft zur Siegerehrung schritt. Er durfte in seinem letzten Jahr noch einmal den Quidditchpokal in Händen halten.

    “Hier kommt die siegreiche Mannschaft. Sie hat Geschichte geschrieben. Denn dies ist erst die fünfte Titelverteidigung Ravenclaws in der Geschichte von Hogwarts!” Verkündete Barkley noch einmal.

    “Ja, und wir sind froh, dabei gewesen zu sein”, sagte Ken Dasher schadenfroh.

    “Herzlichen Glückwunsch!” Sagte Professor Dumbledore, als er Alessandro den Quidditchpokal überreichte. Dann lächelte er Aurora Dawn an und sagte: “Du hattest es aber heute besonders schwer, was?”

    “Es war schon mal einfacher”, sagte Aurora Dawn. Professor McGonagall sagte dazu noch:

    “Wir haben nachher eine Konferenz der Vertrauensschüler. Die Attacken von Mr. Hawkins waren unentschuldbar. Stimmt es, daß Sie sich gestern mit ihm wegen des Spiels gestritten haben?” Aurora nickte schüchtern. “Das ist kein Grund, Sie heute derartig zu bedrängen”, fauchte die Lehrerin für Verwandlung. Dann wünschte sie Aurora noch einen erholsamen Vormittag.

    Singend und jubelnd begleiteten alle Ravenclaws ihre Helden zurück ins Schloß. Aurora suchte erst einmal den Krankenflügel auf, wo sie ihre geprällten Rippen behandeln ließ und sich erkundigte, wie es Gideon ginge. Dieser war fast wieder gesund. Lediglich eine leichte Gehirnerschütterung sollte er noch einen Tag auskurieren, hatte Madame Pomfrey verfügt.

    “Ihr habt den Pokal gehalten?” Fragte Gideon, während Aurora den Zauber Madame Pomfreys über sich ergehen ließ.

    “Ja, haben wir. Es war nur recht und billig, daß wir den auch dieses Jahr gewinnen. Siehst du wohl ein”, sagte Aurora Dawn.

    “Ich habe das mit Bernhard heute morgen erst mitgekriegt. Hat der versucht, dich zu beschwatzen, ihm aus Liebe den Pokal zu schenken?”

    “Stand das noch nicht in der Zeitung?” Gab Aurora verbiestert dreinschauend zurück. Dann riss sie sich zusammen und sagte ruhig: “Er hat sich bequatschen lassen, ob er mich nicht rumkriegt. Habe ich aber sofort durchschaut. Deshalb hat er mich besonders heftig beharkt. Immerhin geht er ja dieses Jahr von Hogwarts runter.”

    “Nach Thorntails. Gute Reise wünsch ich”, stieß Gideon hervor. Offenbar ärgerte er sich darüber, daß Bernhard ihm den Klatscher an den Besen gehauen hatte.

    “Ihr habt nach dem Essen eine Konferenz?” Fragte Madame Pomfrey. Aurora nickte. “Da wird sich Bernhard ja noch was anhören dürfen.”

    Aurora überlegte, ob sie nicht bei der Gelegenheit selbst einiges würde anhören müssen, weil sie Bernhard geohrfeigt hatte. Doch sie sah dem gelassen entgegen.

    Beim Mittagessen sprachen die Ravenclaws noch einmal über das Spiel vom Morgen und warum Bernhard Hawkins Aurora immer wieder angegriffen hatte. die Mädchen meinten, das sei enttäuschte Liebe. Die Jungs sagten nur, daß er einfach nicht verlieren könne und dann halt grob werde. Was genau stimmte konnte keiner sagen.

    Nach dem Essen trafen sich alle Vertrauensschüler bei Dumbledore. Auch die Hauslehrer waren da, wie üblich. Dumbledore sagte:

    “Nun, eigentlich wollte ich ja erst nächste Woche die übliche Konferenz abhalten, aber Professor McGonagall bat mich darum, heute schon zusammenzukommen. Nun, Minerva, bringen Sie Ihr Anliegen vor!” Er blickte seine Stellvertreterin durch die halbmondförmigen Brillengläser aufmunternd an.

    “Machen wir es kurz”, begann die Leiterin von Gryffindor. “Ich weiß nicht, was Sie geritten hat, Mr. Hawkins”, wobei sie Bernhard Hawkins sehr streng anblickte, “heute andauernd gegen die Quidditchregeln zu verstoßen und insbesondere Ms. Dawn teilweise brutal zu attackieren.”

    “Ich wolte für Gryffindor den Pokal gewinnen, Professor. Aurora ist zu gut geworden, um sie ständig frei herumfliegen zu lassen”, sagte Bernhard. Eunice grinste verhalten. Cynthia fragte, warum er dann gerade solche Fouls nötig gehabt hatte.

    “Mir hat man gesagt, in Thorntails wären die Spielregeln sehr körperbetont”, sagte Bernhard.

    “Ja, aber noch sind Sie nicht in Thorntails, und ob Sie da überhaupt angenommen werden, nachdem, wie Sie sich heute betragen haben, steht noch nicht ganz sicher fest”, fauchte Professor McGonagall. Bernahrd schrak zusammen. Dann platzte er heraus:

    “Das werden Sie nicht bestimmen, Professor McGonagall. Bei allem Respekt vor Ihnen, der Umzug steht fest, und die von der Thorntails-Akademie haben mir bereits geschrieben, daß ich so gut wie sicher bei ihnen aufgenommen bin, insbesondere weil ich Vertrauensschüler geworden bin.”

    “Was sicher nicht passiert wäre, wenn dein Vater das schon vor einem Jahr geschrieben hätte”, warf Snape gehässig ein. “Im Grunde haben deine Eltern und du das Konzept der Vertrauensschülerauswahl lächerlich gemacht.”

    “Severus, ist schon gut”, griff Dumbledore ein. “Die Vertrauensschülerauswahl obliegt mir, und ich habe keine Probleme damit, im nächsten Jahr zwei neue Vertrauensschüler zu erwählen. Allerdings irrst du dich, Bernhard, daß wir hier nicht doch mitreden können, ob und wie du in Thorntails aufgenommen wirst. Immerhin möchte Professor Wright sicherstellen, daß die ihr anvertrauten Schüler, besonders sogenannte Quereinsteiger, sich und ihre Schule nicht in Verruf bringen. Wir müssen also daher ein Zeugnis ausstellen, in dem geschrieben steht, wie du dich hier betragen hast. Insofern hat Professor McGonagall schon recht, daß du noch nicht in Thorntails bist. Außerdem hast du noch einige Monate hier. Ich kenne Jungen, die mit der Haltung hier leben, wenn das Ende der Schulzeit anbricht können sie sich vieles herausnehmen. Du bist wahrlich nicht der erste, der so denkt und handelt. Du magst im Moment der jüngste sein, der derartig in Versuchung geführt wird. Aber gerade dann ist es mir sehr wichtig, dir zu zeigen, daß es verkehrt ist, sich gegen die Regeln zu vergehen, besonders dann, wenn er Vertrauensschüler ist. Deshalb muß ich Gryffindor leider fünfzig Punkte aberkennen. Hinzu kommt noch, daß Professor Wright am zweiten Maiwochenende zu einem kurzen Besuch hierher kommt. Der Grund dafür ist zwar ein anderer als sich über deine Schwester und dich zu erkundigen, aber die paar Minuten wird sie sich sicherlich nehmen können.”

    Das schlug bei Bernhard ein wie ein Klatscher voll in die Magengrube. Daß Gryffindor seinetwegen fünfzig Punkte verlor und er obendrein schon vor den Prüfungen mit der als sehr unerbittlich bekannten Ernestine Wright zusammentreffen sollte war ein harter Schlag für ihn. Er sah Aurora Dawn an, als wäre sie Schuld an seinem Verhängnis. Als Eunice ihn aber verschmitzt anblickte, schlug er die Augen nieder und verhielt sich still.

    Es wurde, weil die Konferenz nun einmal stattfand, auch über andere Schulsachen gesprochen. Als die Vertrauensschüler dann in ihre Häuser zurückkehrten meinte Bruster zu Aurora:

    “Der verwünscht den Tag, als er sich mit dir eingelassen hat. Pass auf, daß er dich nicht doch noch wegen irgendwas reinreitet!”

    “Neh, das tut der nicht. Hast du Eunices Blick nicht gesehen. Die weiß was los war. Wenn der mich noch vor dem Abschied irgendwo reinrasseln läßt hebelt die ihn aus.”

    “Warum auch immer”, sagte Bruster. “Oder stimmt es doch, daß er sie mal angegraben und dann wie ‘ne heiße Kartoffel hat fallen lassen?”

    “Dann müßte sie ja auf mich sauer sein”, wandte Aurora ein. “Ist sie aber nicht.”

    “Weil er dich genauso verarscht hat wie sie. Weil er dir vorgebetet hat, daß er für dich da sein will, und jetzt geht er zu Mummy Wright nach Thorny.”

    “Wenn die ihn nimmt”, sagte Aurora. Doch das ging sie nichts an. Er würde umziehen. Sie hatten sich deswegen zerstritten. Er hatte sie heute andauernd angegriffen und sie fast vom Besen geholt. Das Spiel war um. Jetzt konnte er ihr gestohlen bleiben.

    Abends gab es noch eine Spontanfete im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws, bei der mehrere Flaschen Butterbier und Naschwerk aus dem Honigtopf verbraucht wurden. Aurora mußte einmal dazwischengehen, weil ein Viertklässler Vivian Acer Meet unterjubeln wollte. Sie beließ es aber nur bei einer Verwarnung ohne Punktabzug. Denn im Moment führte Ravenclaw wieder vor Gryffindor. Lissy Wright hatte sich aber offenbar ziemlich heftig mit irgendwelchen Weinbrandpralinen einen wahren Vollrausch angefuttert und konnte schon gar nicht mehr senkrecht stehen. Aurora half den Swift-Drillingen dabei, die Klassenkameradin in den Schlafsaal zu bugsieren.

    “o, alles dreht sich ja”, lallte Lissy verzückt, als Aurora ihr aus den Sachen half.

    “Was hast du bloß gefuttert, Lissy?” Fragte Aurora.

    “So Pralinen aus Amerika waren das. Vineyards lustige Leckereien”, sagte Ramona Swift.

    “Sind da noch welche drin?” Fragte Aurora. Rita suchte die glitzernde goldene Schachtel und holte zwei harmlos aussehende Pralinen in Goldfolie heraus. Aurora las den Text auf der Schachtel. Dann sagte sie:

    “Ich wußte nicht, daß sie dieses Zeug hat. Das ist nix für uns im Wachstum, Mädchen. Ich bringe die mal Madame Pomfrey.”

    “Sind die so heftig?” Fragte Roxanne Swift.

    “Eine gibt soviel Alkohol her wie sechs Flaschen Butterbier, wenn ich das richtig lese. Die haben da einen Zaubertrank eingemischt, der den Zucker in den Pralinen bei Kontakt mit der Magensäure schlagartig in Alkohol umwandelt. Ist als Party-Gag gedacht oder als Muntermacher für schüchterne Männer und Frauen.”

    “Oh, die hat da sieben Stück von gefuttert.”

    “Dann hole ich besser Madame Pomfrey her, damit die ihr ein Desalkoholikum gibt. Nachher kriegt die noch ‘ne tödliche Vergiftung.”

    Aurora lief los und suchte noch um elf Uhr den Krankenflügel auf, wo Madame Pomfrey gerade Gideon Heatherbloom einen letzten Besuch abstattete, bevor dieser schlafen sollte. Im Flüsterton besprachen sie, was passiert war.

    “Wo hat die das Zeug her?” Fragte die Schulkrankenschwester. Dann holte sie eine große Flasche mit einem wasserhahnartigen Aufsatz, füllte ein Glas mit Wasser und ließ mit kurzem Druck auf die Flasche einen rosaroten Tropfen vom Inhalt ins Glas fallen, schüttelte es vorsichtig und sagte:

    “So, das müssen wir ihr jetzt verabreichen. Die Pralinen läßt du bitte bei mir. Ich werde die morgen mal untersuchen, um zu sehen, was für ein Teufelszeug da hineingepanscht wurde”, flüsterte sie und ging mit Aurora auf dem schnellsten Weg nach Ravenclaw. Dort angekommen wichen ihr alle in Feierlaune angesäuselten Schülerinnen und Schüler ohne zu fragen aus. Im Mädchentrakt führte Aurora sie zum Schlafsaal der Drittklässler, wo Lissy gerade herzhaft in einen ans Bett gestellten Eimer brach.

    “Immerhin etwas von dem Höllengebräu ist raus”, bemerkte Madame Pomfrey, wischte Lissy den Mund ab und flößte ihr vorsichtig den Inhalt des Glases ein. Es dauerte keine Minute, da klärte sich Lissys Blick, und ihre Bewegungen wurden wieder fließend und kontrolliert.

    “Ui, Madame Pomfrey”, sagte sie nun bei klarer Stimme und Verstand.

    “Ja, Madame Pomfrey, du dummes Kind. Hast du dir die Beschriftung der Pralinenschachtel nicht angesehen? Da steht drauf, daß Kinder die gar nicht und Jugendliche nur zwei Stück davon essen dürfen. Du hast aber sieben davon gegessen. Wo hast du die her?” Herrschte die Schulkrankenschwester die Drittklässlerin an.

    “Eh, hast du mir die weggenommen?” Fragte Lissy Aurora Dawn.

    “Das ist mein Job, so’n Zeug einzuziehen, Elizabeth”, fauchte Aurora unerbittlich.

    “Wo hast du diesen Unrat her, Elizabeth?” bohrte Madame Pomfrey nach.

    “‘ne Tante von mir hat die mir zu Ostern geschenkt. Sie meinte, ich könne damit feiern, wenn es was zu feiern gebe”, sagte Lissy sichtlich eingeschüchtert. Madame Pomfrey schickte die drei Swift-Schwestern und Aurora Dawn vor die Tür. Offenbar wollte sie Lissy noch etwas genauer verhören.

    “Die wollte sich umbringen”, vermutete Rita. “Mit sieben von den Dingern im Bauch hätte sie die Nacht nicht überlebt.”

    “Wenn es nur sieben waren”, meinte Aurora. “außerdem denke ich nicht, daß sie sich absichtlich vergiften wollte. Die hat das einfach unterschätzt oder gedacht, das Zeug wirkt nicht so heftig wie es auf der Packung steht.”

    “Neh, die wollte sich umbringen. Kuck mal hier!” Flüsterte Roxanne Swift und hielt Aurora einen Umschlag hin. Aurora nahm den Umschlag, stand eine Sekunde unschlüssig da und las dann, daß ihre Großmutter sich ernsthaft überlege, sie in einen Sack zu stopfen und mitzunehmen, wenn auch nur ein Viertel von dem stimmte, was sie über Lissy gehört hatte.

    “Ach komm, deshalb bringt sich niemand gleich um”, flüsterte Aurora den Mädchen zu. “Das ist so wi eine angedrohte Prügelstrafe. Ich denke nicht, daß Mrs. Wright ihre Enkeltochter in einen Sack stopft und davonträgt. Das paßt eher zu Sabberhexen.”

    “Vielleicht hat’s Lissy aber so geglaubt”, sagte Ramona Swift. Dann kam Madame Pomfrey aus dem Schlafsaal.

    “Ihr drei könnt da jetzt wieder rein. Das Breitbandantidot hat den Alkohol restlos aus dem Körper vertrieben. Sie kann also jetzt ruhig schlafen. Alles andere kläre ich alleine mit eurem Hauslehrer. Am besten sammelst du deine anderen Mitschüler ein und veranlaßt, daß sie auch schlafen gehen!” Wandte sie sich an Aurora Dawn. Diese nickte gehorsam und kehrte in den Gemeinschaftsraum zurück. Dort besprach sie mit Bruster und den anderen Vertrauensschülern, daß sie die Party jetzt besser beenden sollten, bevor Flitwick wieder auftauchen würde. Sie sahen es ein und setzten den Siegesfeiern ein diszipliniertes Ende.

    Im eigenen Schlafsaal wollte Dina von Aurora noch wissen, was genau mit Lissy passiert sei. Aurora sagte ihr:

    “Die hat so Partyzeug für durchgedrehte Hexen und Zauberer gekriegt und sich bei der Menge vertan. Madame Pomfrey hat das geheilt. Ich denke, sie hat das Antidot 999 benutzt, ein sehr wirksames Breitbandgegengift. Das ist aber sehr teuer, weil dazu sehr tödliche Tier-und Pflanzengifte und diese ins Gegenteil umwandelnde Bestandteile von Zaubertieren benötigt werden. Ich glaube, ich werde mir mal die Liste der Zutaten zulegen.”

    “Die rückt Madame Pomfrey nur raus, wenn du in den beiden UTZ-Klassen bist”, sagte Dina. “Ich wollte mir das Zeug auch schon zusammenbrauen, falls Snape uns doch einmal mit einem heimtückischen Gift drangsaliert. Aber Madame Pomfrey hat mir erzählt, daß die Rezeptur nur in einem Heilerlexikon drin ist, das nur an Leute aus den UTZ-Klassen ausgeliehen wird, die magische Heilkunst oder Arzneikunde erlernen wollen. Da ich das wohl nicht mache, wegen der ganzen Zauberkunst-und Verwandlungssachen, werde ich das wohl nicht nachlesen können.”

    “Verstehe”, sagte Aurora Dawn. Dann spürte sie, wie müde sie nach diesem langen, aufregenden Tag war und wünschte ihren Klassenkameradinnen eine gute Nacht.

    __________

    Lissy Wright hatte wohl doch nicht vorgehabt, sich mit magischen Pralinen umzubringen. Denn am nächsten Morgen bedankte sie sich bei Aurora für die Hilfe und wirkte dabei nicht mehr so selbstsicher und überheblich wie sonst. Aurora erklärte ihr, was mit ihr passiert war und erfuhr, ohne daß sie es darauf angelegt hätte, daß Lissys Tante ihr diese Pralinen geschenkt habe, um sie bei Feiern wie eben dem Quidditchpokalgewinn, mit guten Freunden zu teilen. Da Lissy aber durch ihre Art, mit Schulkameraden umzuspringen, keinen einzigen Freund hatte, hatte sie aus Trotz sieben Pralinen gefuttert, ohne sich darüber klarzusein, welche heftige Wirkung die hatten.

    “Madame Pomfrey hat die Pralinen einbehalten, Lissy. Professor Flitwick wird davon nichts erfahren, solange deine Klassenkameradinnen nicht meinen, ihm das stecken zu müssen. Du verstehst was gemeint ist?” Erwiderte Aurora Dawn sehr ernst dreinschauend.

    “Diese Nixkönnerinnen können mich erpressen”, schnaufte Lissy sehr vergrätzt. Ja, in der Tat hatte sie sich den drei Swift-Schwestern ausgeliefert, die ihr alles, was sie über drei Jahre von ihr hatten einstecken mußten, mit einem Schlag zurückgeben könnten, wenn sie ihnen einen Anlass dazu gab. Als Aurora Lissy erzählte, daß sie den Brief gefunden hatte, mußte die sonst so großspurige Drittklässlerin lachen.

    “Meine Großmutter drückt sich manchmal sehr brutal aus. Sicher, ich würde nichts machen, was sie wirklich ärgert. Aber in einen Sack stecken würde sie mich nicht. Außerdem wäre das kein Grund für mich, mich mit Rauschverstärkungspralinen um die Ecke zu bringen.”

    “Konnte ich mir auch nicht denken”, erwiderte Aurora Dawn.

    Nachdem Lissy sich verabschiedet hatte, hatte Aurora alle Hände voll zu tun, ihre Mitschüler von unsinnigen Sachen wie Gripsverstärkungselixieren und dergleichen abzubringen. Einige hatten nämlich die Idee gehabt, ihre ZAG-Mitschüler mit angeblich wirksamen Gedächtnis-und Auffassungsgabesteigerungstränken, -pastillen und -pülverchen zu beglücken.

    “Jedes Jahr dieselbe Schose”, sagte Bruster, der gerade eine merkwürdige Flasche von Dennis McGregor beschlagnahmt hatte, die angeblich Sphinxenkrallenpulver mit Eulenblut und Kräutersaft vermischt enthielt und die eigene Auffassungsgabe um ein zehnfaches anheben sollte. Aurora dachte daran, daß es einen entsprechenden Trank geben solle, aber daß der noch wesentlich komplizierter war und auch nicht ohne Nebenwirkungen war, die nur ein zweiter Trank abfangen konnte.

    “Also ich glaube, wir sollten den Leuten sagen, lieber fleißig zu lernen, bevor die meinen, mit einem Schluck aus einer merkwürdigen Phiole die Prüfungen sicher geschafft zu haben”, sagte Aurora.

    Eunice Armstrong fragte sie einmal, ob es wirklich gute Gehirnaufputscher gäbe außer denen, die Bitterling ihnen mal gezeigt habe. Aurora erzählte ihr, was sie wußte und woran man echte von falschen Mittelchen unterscheiden konnte.

    “Irgendwer bringt diese Nummer immer, jedes Jahr”, sagte Eunice. “Die meinen, die ZAG-Leute würden wirklich alles schlucken, nur um sicher durch die Prüfungen zu kommen.”

    “Ja, und wir haben jetzt das Problem, diese Pfuscherei zu unterbinden”, knurrte Aurora.

    Der Handel mit scheinbar brauchbarem Zeug zur Gripfsverstärkung und Gedächtniserweiterung hörte auf, als Aurora Dawn im Gemeinschaftsraum mal das Produkt eines Sechstklässlers mit ihrer Zaubertrankausrüstung analysierte und Jarveykot, pulverisierte Mäuseknochen und ausgetrocknete Käfer nachweisen konnte.

    “Also, Leute: Streiche zu spielen ist mal was lustiges. Aber was hier läuft ist Betrug und sogar fahrlässige Körperverletzung. Wenn ich noch einmal solch eine zusammengepanschte Mixtur beschlagnahme, wird der oder die, von dem oder der ich das habe, das Zeug selbst zu schlucken kriegen. Abgesehen davon, daß ich dann Ravenclaw zwanzig Punkte pro Fall abziehen werde.” Einige murrten zwar, sie hätten mit derlei Quacksalberei nichts zu tun. Doch von Stund an ging von Ravenclaw aus kein wie auch immer angepriesenes Wundermittel aus. Fielding nannte es scherzhaft “die Dawn-Doktrin”, als er Aurora schadenfroh zuschanzte, daß er vier Siebtklässler belauscht habe, die fast mit einem Zaubertrank erwischt worden wären, den sie den Hufflepuffs anzudrehen versucht hätten. Da Auroras Androhung jedoch auch bei den anderen Vertrauensschülerinnen der fünften Klasse angekommen war, hatten die diesen Handel platzen lassen. Tonya Rattler hatte Cynthia mal vorgehalten, ihre Hausschüler wollten solchen Murksmix doch nur, weil sie sich ihrer geistigen Schwachheiten bewußt geworden seien. Cynthia hatte Tonya darauf geantwortet, daß sie besser sein wollten als gut und da manchem Rattenfänger hinterherliefen.

    Der Unterricht wurde nicht leichter. In Muggelkunde sollten sie das Morsealphabet lernen, um die Anfänge der schnellen Nachrichtenverbreitung in der Muggelwelt verstehen zu können. Roy war da natürlich um Längen voraus, weil er als Sohn eines Seefahrers auch öfter in einer Funkbude gewesen und sich das Punt-Strich-Alphabet schon mit sechs Jahren angeeignet hatte.

    “Nun, Ihre Schwester war in der Hinsicht genauso überragend vorgebildet”, sagte Professor Goldbridge, den sie in seiner Abwesenheit auch gerne Professor Janus nannten.

    “Also die gemorste Gruppe SOS sollte wirklich jeder kennen”, sagte Roy sehr selbstsicher. “In der nichtmagischen Welt kennt jeder Fünfjährige die Zeichenfolge.”

    “Wann wurde denn dieses Notsignal erstmalig als solches benutzt?” Wollte Professor Goldbridge wissen, um Roy von seinem hohen Sockel herunterzuholen. Doch Roy hatte keine Probleme mit der Antwort:

    “Das war in der Nacht vom vierzehnten zum fünfzehnten April neunzehnhundertzwölf, als das Luxuspassagierschiff “Titanic” nach vorbeischrammen an einem Eisberg zu sinken begann. Hat den meisten Passagieren leider nichts geholfen, weil die Schiffe, die den Notruf hörten, mehrere Stunden brauchten um hinzukommen und das Schiff, das am nächsten dran war, zu dem Zeitpunkt die Funkanlage ausgeschaltet hatte. Das habe ich gelernt, weil mein Dad ja in der zivilen Seefahrt tätig war, bis ihn – bis ihn dieser Schweinehund Voldemort und seine Nachläufer einfach so umgebracht haben.” Die letzten Worte sprach Roy mit tiefer Verbitterung in Gesicht und Stimme. Die meisten Schüler im Klassenraum zuckten zusammen, weil er den Namen des bösen Hexenmeisters laut aussprach.

    “Ja, aber den restlichen Morsekram brauchen wir in der Zaubererwelt doch gar nicht”, sagte Bruster. “Da können wir Eulen mit Briefen verschicken und Funken verschiedener Farbe losschicken oder Lichtstrahlen oder Töne.”

    “Ja, und der Notrufzauber ist wohl ähnlich wie das SOS-Zeichen”, wußte Aurora noch. Da konnte Roy nichts gegen einwänden. Immerhin hatte seine Schwester Erica ihm ja auch schon erklärt, wie einfach aber wirkungsvoll der Notrufzauber war. Da konnte man innerhalb einer halben Minute Hilfe bekommen, wenn man wirklich in Not war.

    “Weshalb Madame Pomfrey ja vor Jahren schon eine Eingabe an Professor Dumbledore und die Ausbildungsabteilung gemacht hat, er solle bereits in der ersten Klasse unterrichtet werden”, sagte Professor Goldbridge. “Aber darüber unterhalten Sie sich bitte mit Professor Flitwick.”

    “Eben, diesen Morsekram braucht keiner aus der Zaubererwelt”, warf Loren Tormentus ein. “Aber interessant ist es schon, wie die Muggel sich auf so eine einfache Verschlüsselung verständigt haben.”

    “Nun, Mr. Fielding, da ich feststellen muß, Ihnen in diesem Teil des Unterrichts wohl keine nennenswerte Neuigkeit bieten zu können, wären Sie dann so freundlich, ein für uns alle hier verständliches Referat über die Einsatzmöglichkeiten des Morse-Codes zu halten?” Fragte der Muggelkundelehrer. Roy nickte und versprach, in der nächsten Stunde eine auch für reinblütige Zauberer klar verständliche Zusammenfassung vorzutragen.

    In Zauberkunst waren sie alle noch mit den Schall-und Lichtbeeinflussungszaubern zu Gange, wie den Raumerleuchtungszauber Amplumina, der Sonnenlichtkugel, die große Flächen unter einer körperlosen Lichtkugel erhellen ließ oder Zaubern wie Sonorus, der einem eine große Räume ausfüllende Stimmgewalt verlieh oder Vociferus-Zauber, der die eigenen Wörter über Kilometer weit in eine bestimmte Richtung tragen konnte, allerdings nur in einem Winkel von wenigen Grad, besser als jedes Megaphon.

    “Wieso, Professor Flitwick, benutzen unsere Stadionsprecher dann nicht den Sonorus-Zauber?” Fragte Mortimer Swift einmal, als es ihm mehrmals gelungen war, den Staub im Raum durch magisch verstärkte Stimme von der Decke rieseln zu lassen.

    “Nun, das stammt noch aus einer Zeit, wo der Sonorus-Zauber seine Tücken hatte und gerade ungeübte Zauberer Probleme mit ihm hatten. Außerdem ist ein Megaphon insofern praktischer, da man es absetzen kann, wenn man kurz mit jemandem neben sich sprechen möchte. Allerdings, so ist mir bekannt, wird Sonorus in Beauxbatons, Greifennest und Thorntails verwendet. Bei uns sind die Kommentare per Megaphon seit über zwei Jahrhunderten Tradition.”

    “Verstehe”, sagte Mortimer.

    __________

    Der Mai begann mit Regen und Frühlingsstürmen. Die Schüler waren froh, wenn sie nicht im Freien herumlaufen mußten und daß die Quidditch-Saison nun vorbei war. Als das zweite Maiwochenende anrückte, bemerkte Aurora die innere Anspannung bei Lissy Wright. Sie wurde unausstehlich, wenn man ihr länger als fünf Sekunden zu nahe kam. Ihre drei Klassenkameradinnen hielten sich schön von ihr fern und beließen es dabei, hinter ihrem Rücken zu tuscheln. Sicher war es in der ganzen Schule herum, daß Lissys Eltern zusammen mit der achso berühmten Großmutter aus Amerika herkommen wollten, um zu schauen, was ihre achso überragende Tochter und Enkelin so anstellte.

    Aurora kümmerte sich nicht sonderlich um Lissy, selbst wenn diese ihr zwischendurch immer einen verächtlichen Blick zuwarf. Sie hatte mit ihren Prüfungsvorbereitungen genug am Hut und gab im Moment nichts auf die Meinung jüngerer Schulmädchen. Sie ärgerte sich nur, weil Bernhard Hawkins nach dem Quidditchfinale vollkommen gegen sie eingenommen war. Wenn eine Vertrauensschülerkonferenz stattfand, sah er sie immer abfällig von der Seite an oder meinte, ihre Einwände oder Fragen lächerlich reden zu müssen. Einmal hatte Eunice ihn darauf hingewiesen, daß er noch zwei Monate hier war und sich gefälligst anständig benehmen sollte. Darauf hatte er nur gesagt:

    “Ich geh doch eh nach Amerika.”

    Als dann der zweite Samstag im Mai anbrach, diesmal mit klarem Himmel und der Aussicht auf einen schönen Tag, beschloss Aurora für sich, möglichst weit vom Schloß entfernt zu sein. So nahm sie nach dem Frühstück den Nimbus 1500 und flog über die Ländereien dahin, überquerte sogar den verbotenen Wald und zog einige Bahnen über dem großen See. So um zehn Uhr landete sie in einem der kleineren Parks, wo sie sich mit einem Buch über Zauberkunst die Zeit nutzvoll vertreiben wollte.

    Sie saß, den guten Besen quer über die Bank auf der sie saß gelegt, im Schein der Morgensonne und genoss ihre wärmenden Strahlen, den Duft der blühenden Büsche und Bäume und das Zwitschern der Vögel und das Summen der Bienen, die um sie herum nach Nektar suchten. Sie war gerade bei dem Kapitel über den Gleichwärmezauber angelangt, als das Schwirren durch Reisigbündel strömenden Flugwindes über ihr erklang. Sie hob den Kopf und sah drei Besen anfliegen, zwei Wolkenreiter 2 und einen Besen, den sie nicht kannte dahinter. Auf einem der Wolkenreiter saß eine Hexe im meergrünen Umhang mit sonnengelbem Hut. Auf dem anderen ritt ein Zauberer in samtbraunem Umhang mit schwarzem Bowler. Der Aurora unbekannte Besen trug eine Hexe fortgeschrittenen Alters, die ziemlich untersetzt gebaut war und ein himmelblaues, wallendes Kleid trug. Auf dem Kopf mit dem weißblonden Schopf thronte ein schneeweißer kleiner Spitzhut. Aurora sah kurz die Brille der älteren Hexe im Sonnenlicht aufblitzen. Dann glitten die Besen bereits in der Nähe des Hauptportals zu Boden. Das waren also Lissys Besucher. Aurora nahm es zur Kenntnis und vertiefte sich wieder in die Beschreibung des Gleichwärmezaubers, mit dem Behälter ihren Inhalt auf gleicher Temperatur halten konnten.

    Etwa um zwölf Uhr herum hatte sie alles gelesen, was den Zauber betraf und noch einiges mehr über flammenlose Erhitzungs-und Abkühlungszauber, die sie zwar schon in der zweiten Klasse gelernt hatte, die aber in der Wiederholung sicherlich drankommen würden. Sie klappte das Buch zu, flog auf ihrem Besen hinüber zum Schloß und brachte den Nimbus in ihren Schlafsaal. Dort erwartete sie Petula Woodlane.

    “Hast du die Wrights gesehen, Aurora. Er sieht ja ziemlich klein mit Hut aus, wenn die gewichtige Dame hinter ihm herläuft”, grinste Auroras Schulfreundin.

    “Mag sein. Ich habe mich draußen noch mal über die Wärmebeeinflussungszauber schlaugelesen. Mir ist es jetzt egal, was mit Lissy geklärt wird.”

    “Dein Ex läuft ja ganz aufgeregt herum, weil er die Leiterin von Thorntails keine fünf Meter an sich vorbeigehen sah, hat mir Isis vor einer Stunde erzählt. Na ja, mit uns hat das ja dann nichts zu tun, denke ich mal. Oder glaubst du, die große Ernestine Wright will dich wegen Lissys blödem Verhalten noch einmal genauer befragen?”

    “Ich hoffe es nicht. Nachdem ich die Sache angeleiert habe, ist es mir recht, wenn die mich da raushalten”, gestand Aurora ein. Dann ging sie mit Petula hinunter in die große Halle.

    Lissy Wright machte einen ziemlich zerknirschten Eindruck, als sie sie am Ravenclaw-Tisch weit fort von den Swift-Drillingen sitzen sehen konnten. Als sie Aurora einmal ansah funkelte sie diese an, als habe die ihr eine saftige Strafe eingebrockt.

    Nach dem Mittagessen wollten Aurora und Dina ihren Klassenkameraden noch bei der Wiederholung der Zaubertrankübungen helfen. Dazu setzten sie sich in ihren Außenumhängen in den westlichen Park und besprachen die Sachen, die in den letzten vier Jahren erwähnt und im Unterricht ausprobiert worden waren. Es war wohl so um drei Uhr, als ein merkwürdig geisterhaft aussehender Vogel, der aus silberweißem Licht zu bestehen schien, heranflog und sich vor Aurora Dawn auf den runden Tisch setzte.

    “Heh, was ist denn das für ein Vogel?” Fragte Roy Fielding, der sich gerade von Dina die Zubereitung von Träumgut-Tee erklären ließ.

    “Professor Dumbledore möchte dich in seinem Büro sehen, Aurora”, flötete der Vogel glockenhell. Aurora Dawn zuckte die Achseln und sah das Tierwesen aus reinem Licht kritisch an.

    “Was möchte Professor Dumbledore von mir?” Fragte Aurora Dawn leicht mißmutig.

    “Professor Dumbledore möchte dich in seinem Büro sehen, Aurora”, wiederholte der Lichtvogel unbeeindruckt von der Frage.

    “Wahrscheinlich will Lissys Oma dich noch mal verhören, was dir denn einfiel, ihre Enkelin so dumm zu reden”, feixte Bruster Wiffle.

    “Ach ja?” Stieß Aurora Dawn aus. Doch sie verstand, daß sie eh keine andere Wahl hatte. Wo immer dieser Vogel hergekommen sein mochte, er hatte ihr eine Botschaft von Dumbledore überbracht, und es wäre unklug, nicht darauf einzugehen. So verabschiedete sie sich von ihren Klassenkameraden und folgte dem Vogelwesen aus silbernem Licht, das sie erst zum Schloß führte, um dann im Hui einen Gang entlang zu fliegen und dabei wie Nebel zu zerfließen.

    “Den Zauber lerne ich noch, um Dad zu beeindrucken”, dachte sich Aurora und suchte die Wasserspeier auf, die die Tür zu Dumbledores Turm bewachten.

    “Kribbels Kekse”, sagte sie und wartete, bis der Wasserspeier in ihrer Nähe zur Seite sprang und den Weg zur Wendeltreppe freigab. Mit etwas mulmigem Gefühl in Magen stieg sie die gewundene Treppe hinauf bis vor die Tür zur runden Turmkammer, Dumbledores Sprechzimmer. Von weiter oben hörte sie bereits den Schulleiter, Lissy Wright und jene Hexe, die sie einmal in Flitwicks Kaminfeuer gesehen hatte. Als sie dann vor der Tür war, hörte sie von unten jemanden die Stufen hinaufhetzen.

    “Sie ist da, Albus”, hörte Aurora die ältere Hexe halblaut sagen.

    “A ja”, sagte Dumbledore. “Aurora, kommst du bitte herein?”

    Aurora betrat das kreisrunde Zimmer mit seinen vielen glitzernden und schnarrenden Gerätschaften, den Portraits früherer Schulleiter an der umlaufenden Wand und den großen, die Maisonne einlassenden Fenstern. Der Schulleiter blickte an ihr vorbei und erkannte einen halbwüchsigen Jungen mit braunem Haar.

    “Bernhard, du bist zu früh dran. Komm bitte in einer Viertelstunde noch einmal wieder!” Sagte Dumbledore, als der leicht gehetzt wirkende Junge die oberste Stufe der Treppe erreicht hatte.

    “‘tschuldigung, Professor Dumbledore. Aber Professor McGonagall hat mir ausgerichtet, daß ich herkommen soll.”

    “Nun, das war ein wenig verfrüht. Professor McGonagall ging davon aus, daß wir deine Angelegenheiten jetzt schon besprechen sollen. Aber Professor Wright hat mich gebeten, die eigentlichen Angelegenheiten ihres Hierseins noch genau abzuschließen, bevor sie sich mit dir unterhalten möchte.”

    “Ist gut, Professor Dumbledore”, knurrte Bernhard und eilte die Wendeltreppe abwärts davon.

    “Verzeihung, Ernestine. Offenbar wollte meine Kollegin Ihnen unnötige Wartereien ersparen”, sagte der Direktor von Hogwarts zu jener fülligen Dame im himmelblauen Kleid. Aurora stand ruhig im Zimmer, während sich die Tür wieder schloß. Lissy Wright hockte angespannt auf einem Stuhl und hatte ihre Hände am Tischrand fest verkrampft, als wolle sie verhindern, damit unbedachte Bewegungen oder Gesten zu machen.

    “Setz dich bitte hier her, Aurora!” Forderte Professor Dumbledore die Vertrauensschülerin auf und wies ihr mit einer sachten Armbewegung einen Stuhl an. Sie nahm Platz und wartete, was passierte.

    “Meine respektable Amtskollegin Professor Dr. Ernestine Wright haben Sie einmal flüchtig sehen können, hat sie mir mitgeteilt. Daher brauche ich Sie einander nicht weiter vorzustellen. Sie möchte von Ihnen noch einiges mehr wissen, was den außerschulischen Umgang ihrer Enkeltochter Elizabeth betrifft”, begann Dumbledore. Lissy sah Aurora mit einem drohenden Blick an der “Sag bloß nix falsches!” zu sagen schien. Doch Aurora lächelte die ehrwürdige Hexe aus Amerika an.

    “Nun, Ms. Dawn, Sie waren nicht die Erste, die sich in einem Brief direkt an mich darüber beklagte, daß meine Enkeltochter sich ihren Mitschülern gegenüber sehr unkameradschaftlich aufführe”, sprach Professor Wright ruhig und keineswegs streng oder unerbittlich. “Was hat Sie nach Ihrer früheren Mitschülerin Amalia Hopfkirch veranlaßt, sich noch einmal an mich zu wenden, wo ich doch sehr weit fort bin und eine Vielzahl von Aufgaben zu bewältigen habe?”

    “Nun, Professor Wright”, begann Aurora Dawn, die sich jetzt, wo es klar war, daß man ihre Meinung hören wollte, sehr gut zusammennahm und ihre innere Ruhe behielt, “Das geht ja leider nicht erst seit diesem Jahr so. Ja, Lissy, es ist leider so, daß ich es nicht erst als Vertrauensschülerin mitbekommen habe, daß du sehr überheblich und unkameradschaftlich bist, vor allem zu deinen Klassenkameradinnen aus Hufflepuff und eben den Swift-Geschwistern”, sagte sie dann mit kurzem Blick auf Lissy, bevor sie Professor Wright in die bebrillten Augen blickte und erzählte, was sie am Verhalten von Lissy so störte und weshalb sie ihr einmal sogar eine Strafarbeit aufhalsen mußte. Merkwürdigerweise hatte Aurora dabei das Gefühl, als sähe sie die Bilder und höre die Geräusche, die mit den von ihr geschilderten Sachen zusammenhingen. Dumbledore meinte einmal:

    “Ernestine, ich glaube, derartig detailgenau müssen Sie es nicht ergründen, was Ms. Dawn Ihnen erzählt.”

    “Oh, entschuldigung, Dumbledore. Macht des Mißtrauens”, sagte Professor Wright an den Ohren errötend. Dann bat sie Aurora, weiterzusprechen. Diese erzählte weiter, was Lissy alles getan hatte, was über eine normale Überlegenheit anderen Schülern gegenüber hinausging. Dann wollte Professor Wright wissen, ob ihre Enkeltochter ihre Klassenkameradinnen wirklich als Nichtskönner bezeichnet habe. Aurora hatte dies bisher mit keinem Wort erwähnt, auch nicht im Brief. Doch sie mußte nicken. Lissy spannte sich an, als wolle sie gleich auf die Vertrauensschülerin losgehen. Das war offenbar ein Wort zu viel.

    “Aha, also doch. Du mußt wissen, Kind, daß mir das auch schon Professor McGonagall, Professor Sprout und dieser Snape so erzählt haben.”

    “Bitte, Ernestine, Professor Snape”, korrigierte Dumbledore die Amtskollegin verhalten.

    “Ich wollte das nur noch mal von einer Mitschülerin aus höheren Jahrgangsstufen hören, ob daran mehr ist als das was im Unterricht läuft. Bekanntlich bekommen ja die Lehrer von den zwischenkameradschaftlichen Verhältnissen nicht alles mit. Jetzt möchte ich von dir gerne wissen, was du meiner Enkelin empfehlen würdest, wenn du noch größere Kompetenzne erhieltest als sie dir ohnehin schon zugestanden wurden?”

    “Das was ich ihr schon gesagt habe, Professor Wright”, sagte Aurora. “Sie käme ganz bestimmt gut mit allen aus, wenn sie die nicht als ihren eigenen Klotz am Bein ansehen und entsprechend grob abfertigen würde. Wir sind hier doch alle Schüler. Wir sind zum Lernen hier und damit alle irgendwie gleich, von den Altersunterschieden abgesehen. Ich kann also nicht mehr sagen als das, was ich ihr immer schon gesagt habe, Professor Wright.”

    Die Angesprochene nickte bestätigend und wandte sich dann Lissy Wright zu.

    “Ich habe es dir damals persönlich gesagt, als klar war, daß dein Vater dich lieber in Hogwarts haben will, damit deine Mom nicht ihren Freundes-und Bekanntenkreis aufgeben muß, daß ich keine Klagen von irgendwem hören möchte. Der Umstand, daß ich sehr viel wichtigere Dinge um die Ohren habe als mich mit deinen Prinzessinnenlaunen zu befassen, hat dich bis heute hier belassen. Aber ich werde das wohl noch einmal mit deinen Eltern bereden müssen, ob du hier wirklich gut untergebracht bist und andere sich mit dir irgendwie herumplagen müssen, mehr als mit jedem anderen Schüler.”

    “Gran, es ist doch nicht so, wie die da es erzählt”, versetzte Lissy und zeigte mit dem Finger auf Aurora. Diese grinste. Das war jetzt nicht gerade intelligent von Lissy gewesen.

    “Und ob das stimmt, was Ms. Dawn gerade erzählt hat, Mädchen. Du weißt genau, daß ich zwischen Lüge und Wahrheit unterscheiden kann und auch, daß sie nicht die einzige ist, die sich so über dich geäußert hat.” Aurora wollte gerade was einwerfen, daß ja niemand Lissy loswerden wolle. Doch Dumbledore schien das zu spüren und legte ihr sacht die Hand auf eine Schulter. Sie schluckte was sie sagen wollte.

    “Die legen hier nicht eure Maßstäbe an, Gran”, fauchte Lissy. “Wenn du wüßtest, wie rückständig gerade die Drillinge sind und …”

    “Ist gut Lissy. mehr mußt du mir nicht erzählen. Das klären wir alles später. Albus, ich bedanke mich, daß Sie das Mädchen hergebeten haben. Es war sehr erhellend”, sagte sie, Dumbledore anblickend und fügte Aurora zugewandt hinzu: “Ich danke dir, Aurora, daß du etwas von der wertvollen Freizeit geopfert hast, um mir das noch einmal genau zu erzählen. Wenn du möchtest kannst du nun gehen.”

    Aurora verstand es so, daß sie hier nicht mehr erwünscht war und verabschiedete sich von Professor Dumbledore, Professor Wright und Lissy. Diese funkelte sie zwar noch einmal wütend an, verkniff sich aber jeden weiteren Kommentar.

    Aurora verließ das Turmzimmer. Schnell stieg sie die Treppe hinunter und verließ das Reich des Schulleiters. vor der Tür warteten die Wrights neben Bernhard Hawkins. Dieser fragte Aurora, ob das Verhör jetzt vorbei sei, was sie nur mit einem Nicken beantwortete und wortlos weiterging, ohne die Eltern Lissys näher zu begrüßen. Sie kehrte zurück zu ihren Klassenkameraden, die wissen wollten, was Aurora erlebt hatte.

    “Ach, und du hast der großen Dame aus Thorntails alles aufs Brot geschmiert, was ihre Enkelgöre hier anstellt?” Wollte Bruster wissen. Aurora sagte:

    “Ich habe nur das gesagt, was ich für sachlich genug hielt, ohne jetzt zu persönlich werden zu wollen. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, was ich erzählte hat bei mir die Erinnerungen an die damit zusammenhängenden Sachen wachgekitzelt, als wenn es erst gestern passiert wäre.”

    “Du hast der Frau dabei in die Augen gesehen?” Fragte Bruster merkwürdig angespannt.

    “Ja, natürlich, damit die nicht dachte, ich würde ihr was vorschwindeln”, sagte Aurora.

    “Den Eindruck hat sie dann wohl auch nicht von dir bekommen oder?” Fragte Bruster.

    “Zumindest hat sie mich nicht dumm angemacht, was mir einfiele, Lissy so schlecht zu reden”, erwiderte Aurora. “Dumbledore hat ihr nur einmal gesagt, sie müsse ja nicht alles im Detail wissen, was Lissy angestellt hat.”

    “Aja”, grummelte Bruster Wiffle. “Der hat es also gemerkt.”

    “Was soll er gemerkt haben?” Wollte Petula wissen.

    “Das die gute Ernestine Wright mehr drauf hat als nur das, was ihr den Job in den Staaten eingebracht hat”, sagte Bruster.

    “Du meinst, sie wollte meine Gedanken lesen oder sowas?” Fragte Aurora und erschauerte. Genau den Eindruck hatte sie ja gehabt, als sie Professor Wrights Kopf in Flitwicks Kamin hocken gesehen hatte.

    “Wäre das nicht böse Zauberei, wenn die sowas machen würde?” Fragte Roy.

    “Wenn sie es wirklich kann dann sollte sie das besser wissen als ich”, geheimniskrämerte Bruster. Roy meinte dazu:

    “Unheimlich wär’s schon, wenn die jemanden ankuckt und alles sieht, was jemand denkt oder fühlt. Soll dieser Bastard Voldemort nicht auch sowas gekonnt haben?”

    “Nenn ihn doch nicht beim Namen!” fauchte Dina verärgert.

    “Erstens, meine Eltern sind schon tot, weil er meinte, die einfach abmurksen zu müssen, Dina. Zweitens ist der selber Geschichte, weil er diesen Harry Potter nicht umbringen konnte. Da kann ich den Mistkerl bei jedem Namen nennen, den der sich mal zugelegt hat”, schnaubte Roy sehr zornig. Das Getue um die Unterdrückung des Namens, den der Mörder seiner Eltern besaß nervte ihn tierisch an.

    “Leute, am besten machen wir mit dem Kram weiter, den wir noch nicht durchgekaut haben”, sagte Aurora, der das ganze zu lästig wurde. Sicher, wenn Professor Wright ihre Gedanken lesen konnte betraf sie das schon. Doch ändern konnte sie jetzt auch nichts mehr dran.

    Bis zum Abendessen kamen sie zu den Zaubertränken, die sie im vierten Jahr hatten. Gemeinsam gingen sie in die große Halle.

    Lissy Wright starrte verdrossen ihren Teller an. Sie mied die Blicke jeder Person hier in der Halle. Aurora vermeinte, einen brodelnden Zorn in der Drittklässlerin zu erkennen. Bruster flüsterte ihr mal zu:

    “Am besten sicherst du deinen Besen und alles andere was dir wichtig ist.”

    “Wenn die sich an Sachen von mir vergreift fliegt die von der Schule”, flüsterte Aurora.

    Mortimers Schwestern machten sich einen Spaß daraus, Lissy mit Fragen zu löchern, ob sie von ihrer Großmutter eine Tracht Prügel bekommen oder sonst wie bestraft worden sei. Da Lissy beharrlich schwieg, tönten Ramona, Rita und Roxanne weiter, daß man sie bestimmt eine Klasse zurückstufen würde, weil sie sich unfair anderen gegenüber verhalten würde. Aurora knirschte mit den Zähnen. Sie wollte es nicht, aber sie mußte es tun. Sie wandte sich an die Drillinge und sagte laut:

    “Ihr drei habt keinen Grund, Lissy jetzt noch dumm zu kommen. Was immer zwischen ihr und ihren Verwandten bequatscht wurde, geht nur sie was an. Wenn’s was für uns alle wichtiges gibt, krigen wir das früh genug mit. Also hört bitte auf, auf ihr rumzuhacken, nur weil ihr findet, daß sie lange genug auf euch rumgehackt hat! Ihr seid dadurch nicht besser als sie.”

    “Das war jetzt absolut unnötig”, knurrte Lissy, während die Drillinge Aurora verdrossen ansahen.

    “Fand ich nicht”, herrschte Aurora Lissy an. “Das war jetzt doch nötig”, bekräftigte sie noch. Dann wandte sie sich wieder ihrem Hühnercurry zu.

    Obwohl sie nicht dachte, daß Lissy sich an ihr oder ihren Sachen vergreifen würde, wandte sie doch den Diebstahlschutzzauber auf ihren Koffer an, den ihr ihre Großmutter Regan gezeigt hatte. Lissy war ziemlich früh in ihren Schlafsaal gegangen, längst vor den Swifts. Diese meinten zu Aurora, sie solle aufpassen, daß sich Elizabeth nicht doch noch umbrächte.

    “Wißt ihr, Mädels, jetzt geht ihr mir richtig auf den Geist”, fauchte Aurora. “Ich halt doch nicht Händchen mit dieser überdrehten Göre, nur damit die sich nicht selbst umbringt. Wenn ihr wollt, daß sie lebt, dann paßt gefälligst selbst auf sie auf!”

    “Ja, aber du bist die Vertrauensschülerin”, feixte Roxanne. Aurora lief wutrot an und sagte:

    “Eben, und deshalb ziehe ich Ravenclaw deinetwegen mal eben fünf Punkte ab, wegen Respektlosigkeit. Damit hat sich’s. Nacht!” Sie kehrte den Mädchen den Rücken zu und Marschierte weit ausschreitend zu einem Tisch, wo Petula und Miriam Zauberkunstübungen machten. Um sich von dieser Sache mit Lissy abzulenken spielte sie mit den beiden die einfacheren Zauberkunststücke durch, wie laufende Teetassen oder fliegende Untertassen. Miriam zauberte mehrmals jenen widerlichen grünen Schleim, der nicht so leicht abzuwischen war, um den Ratzeputz-Zauber zu proben.

    Irgendwann um zwölf waren alle Ravenclaws in ihren Schlafsälen. Aurora dachte, daß sie bis zu den ZAGs bloß nicht mit weiteren Angelegenheiten irgendwelcher Schüler zu tun haben wollte.

    __________

    Eine Woche verstrich mit der üblichen harten Tretmühle. Dann, am Freitag Nachmittag, hingen im Ravenclaw-Gemeinschaftsraum mehrere Mitteilungen am schwarzen Brett aus. Es waren vordringlich Arbeitsangebote von Firmen der Zaubererwelt, Aufrufe für Stellen im Ministerium und Angaben über Grundvoraussetzungen für weitere Studien nach der Schule. Roy trat neben Aurora und sah die Aushänge an.

    “Heiß, für die Arbeit im Büro für muggeltaugliche Entschuldigungen brauchen die Zauberkunst, Muggelkunde und Pflege magischer Geschöpfe, wahlweise noch Verteidigung gegen die dunklen Künste und Verwandlung. Könnte mir zusagen.”

    “Dann könntest du in der Muggelwelt leben”, vermutete Aurora.

    “Größten Teils wohl. Hui, Vampirjäger ist auch nicht schlecht, da wollen die Verteidigung gegen die dunklen Künste, Zauberkunst, Verwandlung und .. Mist! Zaubertränke! Ablage P.”

    “Bitte was?” Lachte Aurora.

    “Ablage P, Aurora. Den Spruch kennst du nicht? P wie Papierkorb.”

    “Wegen Zaubertränke?” Fragte Aurora unschuldsvoll klingend.

    “Wegen Snape”, zischte Roy. “Der sieht mich nach den ZAGs nicht noch zwei Jahre länger in seinem muffigen Kerker.

    “Tja, aber die wollen bei vielen Sachen Zaubertränke”, sagte Aurora und deutete auf verschiedene Berufsangebote.

    “Eh, hier der geht gut. Mitarbeiter bei den Kometwerken gesucht! Erwünschte Abschlüsse: Zauberkunst ohne Gleichen, Arithmantik und Pflege magischer Geschöpfe. Oh, dann wollen die noch haben, daß du mindestens eintausend Flugstunden auf einem guten Rennbesen nachweisen kannst. Gut, das ist ja bei Piloten von Flugzeugen auch wichtig, daß die gut ausgebildet sind.”

    “Wie wollen die das haben, daß du die tausend Flugstunden nachweist?” Fragte Aurora Dawn.

    “Moment, steht hier drunter”, sagte Roy und deutete auf einen kleingedruckten blauen Schriftzug. “Bitte stimmen Sie sich der Flugstunden wegen mit Ihrem Hauslehrer und dem Fachlehrer für Besenflug und Quidditch ab, ob die bisher ermittelbaren Besenflugzeiten auf das Stundenkonto angerechnet werden können und wie Sie die erforderliche Stundenzahl vervollständigen können!”

    “Tja, Roy, da mußt du wohl im nächsten Jahr in die Mannschaft und nebenbei noch viel fliegen”, grinste Aurora. “Aber für die hundert Galleonen die Woche wäre es das wert.”

    “Ich gehe sowieso bei meinem Dad in die Lehre”, sagte Mortimer. Roy erbleichte und hielt sich kurz die Hände vor die Augen. Mortimer hatte ihm wohl damit heftig wehgetan. “Hier, Aurora und Roy, Experten für den Umgang wildlebender Zaubertiere gesucht! Voraussetzungen Ohne Gleichen in den Fächern Pflege Magischer Geschöpfe, Zauberkunst und Verteidigung gegen die dunklen Künste. Zusätzlich sollten Sie über genügend Kenntnisse zur Erkennung und neutralisation tierischer Giftstoffe das Fach Zaubertränke belegen. Mist! Muß ich halt durch.”

    “Du bist ja auch Reinblüter”, fauchte Roy. “Gegen sowas wie dich hat Hakennase Snape ja nix”, schnaubte Roy.

    “Nur mit dem Unterschied, daß ich schon bei der Bitterling ziemlich heftig gestrampelt habe, um überhaupt eine mittelprächtige Note zu kriegen und Snape mir dieses Fach ziemlich vermiest hat. Okay, kläre ich mit Dad, wenn die ZAGs durch sind.”

    “Was machst du denn nach Hogwarts, Aurora? Willst du dich weiter mit Kräuterkunde befassen oder echt in diese Heilerausbildung rein?” Fragte Roy nach kurzem Zögern und deutete auf ein Berufsangebot von ST. Mungo, das das Wappen eines über einem Knochen gekreuzten Zauberstabes trug.

    “Sieht jedenfalls sehr interessant aus. Fast alles, was wir bisher schon hatten, außer die Fächer, die wir ab der dritten hatten, Astronomie und Zaubereigeschichte”, sagte Aurora und wies auf die Liste.

    “Aber hallo, die wollen da Ohne Gleichen in Zaubertränken, Zauberkunst, Verteidigung gegen die dunklen Künste und ein Erwartungen übertroffen in Verwandlung und Kräuterkunde.”

    “Tja, werde ich wohl mit arbeiten müssen”, sagte Aurora Dawn schwerfällig. “Aber ist schon klar, daß jemand, der heilen soll auch fähig dazu sein muß. Oder willst du dir von jemandem helfen lassen, der in den wichtigen Fächern ‘ne Niete ist?”

    “Da steht auch noch was von “Apparieren Pflicht” und “Besenflug mit Sozius erwünscht””, ergänzte Roy.

    “Den Soziusflug kann ich hier in Hogwarts lernen. Das habe ich von meiner Mum erfahren”, sagte Aurora.

    “Heh, ich geh nach Gringotts, sagte Bruster. “Die wollen keine Zaubertränke, sondern nur Zauberkunst, Arithmantik, Verteidigung gegen die dunklen Künste und eine bestandene Apparierprüfung.”

    “Du willst für diese öden Kobolde schaffen, Bruster?” Fragte Mortimer. “Würde ich mir aber noch genau überlegen, noch dazu als Fluchbrecher. Nachher schicken die dich nach Ägypten in die Pyramiden rein oder in die Verliese der Vampirfürsten in Transsylvanien.”

    “Dann komme ich wenigstens in der Welt rum”, sagte Bruster unerschüttert. “Außerdem kann ich bei denen auch als Bodenschatzprüfer anfangen.”

    “Das ist das was Plinius Porter angefangen hat”, erinnerte sich Aurora.

    Miriam kam noch an und begutachtete die Aushänge. Dann meinte sie:

    “Okay, wenn ihr wißt, was ihr machen wollt klotzt mal ran. Ich fang im Laden meines Daddys an. Der will nur Zauberkunst und Buchhaltung, hat er mir in den Osterferien verraten. Dann werde ich wohl noch Verwandlung behalten und Pflege magischer Geschöpfe und alte Runen. Sprout ist zwar manchmal interessant, aber irgendwie doch zu anstrengend, um da wichtige Zeit für zu verbraten. Und Snape sieht auch mich nicht mehr in seinen Stunden. Wenn er das wollte, dann hat er halt gewonnen.”

    So sprachen die Fünftklässler über die Berufsangebote, bis die Siebtklässler zu ihnen kamen und noch einmal nachprüfen wollten, ob sie sich auch wirklich die richtigen Fächer für ihre Laufbahn ausgesucht hatten.

    “Jetzt noch kalte Füße kriegen ist voll uncool”, spottete Roy, als Tim Abrahams die Aushänge etwas verkniffen ansah.

    “Ich weiß schon, daß ich mir das richtige ausgesucht habe. Vielleicht kann ich dich ja beraten, bevor Flitwick das macht. Immerhin weiß ich besser als der, wie unsere frühere Welt aussieht.”

    “Soso. Warum nicht?” Sagte Roy und zog sich mit Tim an einen freien Tisch zurück. Aurora unterdrückte die Neugier, hinzuschleichen und sich anzuhören, was die beiden Jungen so aushandelten. Da aber Dina, die unverhohlen zu Roy hinübergegangen war, nach einer Minute wieder zurückkam, bereute sie nicht, sich zurückgehalten zu haben.

    “Die quatschen über die Unterschiede in der Lebensweise in der Muggelwelt und hier, über sport in der Muggelwelt und da vor allem über Fußball, und daß ja dieses Jahr in Spanien sogar eine Weltmeisterschaft darin ist, was bestimmt heftig wird, wenn England gegen Argentinien spielt, wegen dieses Falklandkrieges”, sagte Dina gelangweilt und ließ sich gerne mit Aurora über ein Gespräch über Sachen aus der Hexenwoche ein, ob sie mit ihren Zauberstabproblemen einen bei Hexen gut angesehenen Beruf finden konnte und fragte Aurora, ob sie wirklich zu dieser Kräuterkundezusammenkunft hinfahren würde.

    “Meine Eltern haben geschrieben, daß sie kein Problem damit haben. Immerhin haben sie mir ja dieses Buch von Babel und Polyglosse geschickt, wohl zum Geburtstag. Haben sich wohl um ein paar Tage vertan, oder die Eule war zu schnell hier”, sagte Aurora.

    “Wie, welches Buch?” Fragte Dina.

    “Ein Buch zum Französischlernen, Dina. Es spricht mit dir und zeigt dir dabei, wie die Wörter richtig geschrieben werden. Mum schreibt dabei, daß es einen Gedächtnisverstärker eingebaut hat, besser als der Kram, den die uns hier in Flaschen andrehen wollten. Allerdings ist der nur auf die Sprachlernübungen ausgelegt, also nur dafür, die Sprache zu lernen.”

    “Wie schnell kannst du damit die Sprache lernen?” Wollte Dina wissen.

    “Im Buch steht was von zwei Jahren Grundstudium. Dann kann man noch ergänzende Bücher dazunehmen, um Fachbegriffe und besondere Umfeldwortschätze zu erlernen, also wenn ich wirklich in die Heilkunst einsteigen will ein Buch über magische Heilkunst. Dann meinen die noch, man müsse mindestens ein Jahr die Sprache auch mit Muttersprachlern gesprochen haben. Ich denke, ich kucke mir das an, wie die da sind und entscheide mich danach, ob ich die Sprache richtig lerne, also ohne Wechselzungentrank.”

    Dina Nickte. Eine Sprache zu lernen, ohne selbst dabei zaubern zu müssen, das konnte sie sich auch gut vorstellen.

    “Dione Craft hat doch auch Französisch gelernt, weiß ich”, sagte Dina einmal. Sie meinte, wenn sie weit herumkommen wolle bräuchte sie mindestens noch zwei weitere Sprachen.”

    “Die heißt doch jetzt Dione Porter”, berichtigte Aurora Dina. “Na klar, im Kosmetikgeschäft ist Französisch auch wichtiger als Englisch.”

    “Hast du dir mal die Zeilen von Madame Dusoleil übersetzen lassen, von denen du Petula und mir erzählt hast?”

    “Bisher noch nicht. Ich kenne hier keinen, der das machen kann außer Professor Sprout. Und die will ich nicht damit behelligen”, sagte Aurora. “Ich warte, bis ich zu Hause bin und lasse Dad das machen. Ein bißchen Französisch kann der ja.”

    “Und wenn es was nur für Mädchen oder Frauen ist?” Fragte Dina.

    “Dann kann er ja wegsehen”, scherzte Aurora.

    Dina wunderte sich, wielange Roy und Tim zusammen sprachen. Sie stand auf und wandte sich dem Tisch zu. Aurora folgte ihr jetzt doch. Als sie in die Nähe kamen hörte sie Tim noch sagen:

    “… im Juni, nach den Prüfungen.”

    “Was soll da sein?” Fragte Dina rasch.

    “Da geht’s mit der Fußball-WM los, Dina”, sagte Roy schnell.

    “Soll die doch Argentinien gewinnen”, schnaubte Dina. Tim und Roy grummelten. Dann meinte Tim:

    “Klar, wo wir denen auf den Falklands gerade eins draufgeben. Spätestens im Juni sind die Galtieri-Gangster runter von den Inseln.”

    “Eh, das ist nicht komisch”, meinte Roy. “Immerhin krepieren da Leute von denen und von uns wegen dieser angeblich so strategisch wichtigen Eisinseln.”

    “Von denen wohl mehr, weil die meinten, sich mit unzureichenden Sachen gegen unsere Marine auflehnen zu können. Dieser französische Ramsch, den die verwenden bringt nur was bei Zufallstreffern.”

    “Was ja fast passiert wäre, Tim. Wollen wir nicht vergessen”, sagte Roy rasch. Offenbar hielt er sich über die Ereignisse in der Muggelwelt noch gut auf dem laufenden. Dina setzte wieder ein gelangweiltes Gesicht auf und kehrte zu dem Tisch zurück, wo sie bis vorhin noch mit Aurora gesessen hatte. Aurora kehrte auch wieder zurück und überließ die Jungen diesem Muggelgeplenkel.

    “Wann gehst du zu Flitwick?” Fragte Petula, die sich die Aushänge noch einmal angesehen hatte.

    “Kriegen wir wohl schriftlich”, sagte Aurora.

    Tatsächlich bekam Aurora einen Tag später die schriftliche Einladung, einen Tag nach ihrem Geburtstag zu Professor Flitwick zu gehen. Vorher beriet sie sich mit Madame Pomfrey, ob diese ihr zu einer Karriere in der Heilkunst raten würde. Die Schulkrankenschwester sagte dazu nur:

    “Wenn du wirklich bereit bist, jedem, egal wem, in allen Situationen zu helfen und keine Angst vor Gefahrensituationen hast, dann steht dem nichts im Weg. Wenn ich das richtig eingeschätzt habe bringst du zumindest ein gewisses Durchalte-und durchsetzungsvermögen mit und hast es bisher gut geschafft, ohne groß auf Autorität zu machen deinen Vertrauensschülerinnenpflichten nachzukommen.”

    “Von Lissy mal abgesehen”, grummelte Aurora.

    “Das war nicht anders machbar. Das ist ja auch wichtig, dann streng durchzugreifen, wenn es mit Vernunft nicht geht. Das kannst du auch von mir lernen, falls du dich wirklich darauf einläßt.”

    “Darf ich das als Angebot werten?” Fragte Aurora Dawn.

    “Ja, darfst du. Im Moment wüßte ich ja sonst keinen Schüler oberhalb der vierten Klasse, der sich auf die magische Heilkunde einlassen möchte. St. Mungo hat da ja auch sehr hohe Maßstäbe angesetzt. Aber man soll ruhig wissen, wie hart die Ausbildung ist. Dann gibt es auch kein Gejammer über die schweren Zeiten.”

    “Muß man denn unbedingt ins St.-Mungo-Krankenhaus?” Fragte Aurora Dawn.

    “Zumindest in ein magisches Heilzentrum, um die verschiedenen magischen und nichtmagischen Erkrankungen und die magischen Heilmethoden, Heilpflanzen und -tränke zu erlernen”, sagte Madame Pomfrey dazu.

    Als Aurora einen Tag nach ihrem Geburtstag, den sie wie üblich mit Petula, Miriam und einigen anderen Klassenkameraden gefeiert hatte, am Nachmittag zu Professor Flitwick ins Büro ging, wußte sie, daß sie hier und heute ihre Zukunft in der Hand hatte. Sicher, Flitwick würde ihr nur raten, für welchen Beruf sie welche Fächer weitermachen mußte, aber in dem Moment war ihr klar, daß sie sich damit schon festlegte. Sicher, wenn sie wirklich in die Heilkunst einsteigen wollte, dann konnte sie mit den Fächern, die sie in den UTZ-Jahren dafür belegen mußte, auch immer noch andere Berufe ergreifen.

    “Sie sehen so aus, Ms. Dawn, als wären Sie sich sicher, was Sie nach Ihrer Schulzeit machen wollen”, begrüßte der kleine Zauberkunstlehrer seine Schülerin. Er holte ein Tablett mit einer Kanne Tee, zwei Tassen, einem Milchkännchen und einer Schale mit Zuckerwürfeln aus dem Nichts und wartete, bis Aurora saß.

    “Nun, ich habe mir drei Berufe überlegt, die ich sehr interessant finde”, sagte Aurora. “Entweder reine Kräuterkunde im Hinblick auf die Erforschung wilder Zauberpflanzen, oder ich gehe in die Zauberwesenforschung, wozu ich durch die Wesen aus Hogsmeade oder Professor Glaucos gekommen bin oder werde Heilerin oder Apothekerin, weil mir zumindest im Prinzip die Zaubertränke sehr gut gefallen und auch bis heute noch gut liegen. Ich habe mich dann nach vielen Überlegungen eher für die Heilkunst entschieden, weil sie mir einerseits sehr wichtig erscheint, viel gutes bewirkt und obendrein eine Menge an interessanten Forschungsgebieten bereithält. Je nachdem wie ich mit den ZAGs klarkomme, könnte ich mir sogar noch ein Nebenfach dazu vorstellen wie Zaubertierforschung oder eben doch Kräuterkunde, vielleicht sogar Muggelstudien.”

    “Soso, sie möchten also in die magische Heilkunde eintreten”, sagte Flitwick. “Dann haben sie womöglich den Aushang studiert, den uns das St.-Mungo-Krankenhaus für jedes Haus zugeschickt hat?”

    “Ja, habe ich”, erwiderte Aurora Dawn mit leichtem Nicken.

    “Moment, damit ich das auch überschauen kann”, sagte Flitwick und kramte auf seinem Schreibtisch nach Broschüren und Aktenmappen. Dann hatte er das, was er gesucht hatte und las die Pergamentseiten. Er sah Aurora ernst an.

    “Nun, Sie benötigen UTZs in Zauberkunst, Verwandlung, Verteidigung gegen die dunklen Künste, Kräuterkunde und Zaubertränke. In Zauberkunst und Verteidigung, sowie Zaubertränken möchten die Heiler in St. Mungo ein Ohne Gleichen haben, in Verwandlung und Kräuterkunde mindestens Erwartungen übertroffen. Was Zauberkunst angeht, so stehen Sie bei mir gerade auf “Erwartungen übertroffen”, müßten sich in den UTZ-Klassen da noch etwas steigern. Verwandlung, so sagt mir Professor McGonagall, läge ihnen gewiß besser, wenn sie was mit dem Fach anzufangen wüßten. Im Moment kann sie Ihnen guten Gewissens ein “Erwartungen übertroffen” atestieren, womit Sie Professor McGonagalls Leistungsanforderung für die UTZ-Klassen erfüllen. Allerdings heißt das für Sie, dann auch die ZAG-Note zu erreichen. Das gilt natürlich auch für mein Fach. In Kräuterkunde waren und sind Sie immer die Jahrgangsbeste gewesen. Professor Sprout sieht da keine Hindernisse, selbst wenn Sie in der Prüfung einen schlechten Tag erwischen sollten, daß Sie in ihrem Unterricht weiterhin überragende Leistungen zeigen werden. Außerdem sprechen wir ja hier von den UTZs, die sie letzthin schaffen müssen. Verteidigung gegen die dunklen Künste lag und liegt Ihnen sehr gut, hat professor Bitterling uns vor ihrem Abschied hinterlassen. Professor Glaucos bestätigt das unabhängig davon. Hmm, offenkundig hat die Umstellung auf einen neuen Kollegen im Fach Zaubertränke auch bei Ihnen eine gewisse Leistungsirritation bewirkt. Immerhin konnte Professor Bitterling Sie in den vier Jahren, die sie Sie unterrichtet hat, immer die Höchstnote aussprechen und empfiehlt Ihnen sogar, einen auf Zaubertränke basierenden Lebensweg einzuschlagen, was ich als sehr hohes Lob empfinde, daß ich bei ihrer Jahrgangsstufe nur noch über einen ihrer Mitschüler habe lesen dürfen. Allerdings schreibt Professor Snape in einer Beurteilung, daß Sie offenbar zu selbstsicher seien und sich in unerwarteten Situationen schwerrtäten, die Lage zu meistern. Daher würde er sie bei einer ZAG-Benotung gerade auf “Erwartungen übertroffen” einstufen. Er räumt jedoch ein, daß jeder, der in den ZAG-Prüfungen ein Ohne Gleichen schafft, beweise, daß er oder sie zumindest die Chance bekommen sollte, in seinen UTZ-Klassen zu lernen. Nun, da Professor Snape noch sehr neu hier ist und auch sehr jung, bin ich geneigt, Professor Bitterlings Urteil höher zu gewichten, da sie nicht nur Länger mit Ihnen zu tun hatte, sondern auch die wesentlich höhere Erfahrung als Lehrkraft aufweist.” Aurora hörte es heraus, daß Professor Flitwick Snape an und für sich nicht für fähig hielt, anständig mit Schülern umzugehen. Doch nickte ihm nur wortlos zu.

    “Nun, um jetzt noch bestehende Mängel im Unterricht auszugleichen ist es etwas zu spät. Das lag daran, daß dieses Jahr die allgemeinen Beratungstermine erst so spät vergeben werden konnten. Aber ich gehe davon aus, wenn Sie diesen Weg machen wollen, werden Sie auch die entsprechenden Leistungen bringen”, sagte Professor Flitwick aufmunternd. Aurora nickte abermals und verabschiedete sich von ihrem Hauslehrer.

    Draußen auf dem Gang stand Roy Fielding.

    “Oh, das ging aber schnell bei dir”, sagte er. “Du warst ja gerade erst aus der Klasse raus. Dann wollen wir mal”, sagte er mit einem Gesichtsausdruck, als wisse er überhaupt nicht, was er hier machen solle.

    Aurora kehrte in den Gemeinschaftsraum zurück und sprach mit ihren Klassenkameradinnen, über das, was Flitwick mit ihr besprochen hatte. Dina grinste, als Aurora ihr das mit der Empfehlung von Bitterling erzählte.

    “Interessant, dann meinte Flitwick uns beide. Weil mir hat er gesagt, daß Bitterling mich dringend darauf hinweist, eher was in Zaubertrankbraukunst zu tun als in einem Zweig, wo Verteidigung gegen die dunklen Künste wichtig sei und daß sie eine Empfehlung in Zaubertränken noch einem einzigen Mitschüler aus der Jahrgangsstufe ausgestellt habe. Na ja, daß Snape mich runtergezogen hat ist ihm auch irgendwie nicht so wichtig gewesen. Ich werde dann wohl bei Zaubertränken und Kräuterkunde mit dir in der Klasse sein. Dannn werde ich wohl noch Zauberkunst nehmen und Muggelkunde und alte Runen behalten. Vielleicht gehe ich dann ins Archiv für magische Erkenntnisse. Ist auch ein wichtiger Beruf.”

    “Weißt du, was Roy genau machen will?” Fragte Petula Dina zugewandt.

    “Jedenfalls was ohne Zaubertränke. Er sagte was, er könne sich für diese Abteilung für muggeltaugliche Entschuldigungen erwärmen. Da käme er wohl gut unter.”

    “Tja, den Job im Ministerium bei der Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe krige ich nur, wenn meine UTZs in Zauberkunst, Pflege magischer Geschöpfe und Verwandlung ganz oben sind”, eröffnete Petula. “Dann werde ich mir noch Schlafgespenst Binns antun müssen, weil die in der Abteilung theoretische Kenntnisse über Entstehung und Erscheinen von Zauberwesen in der Vergangenheit erwarten.”

    “Weißt du denn jetzt, ob du in die Tier-oder Zauberwesenabteilung reinwillst?” Fragte Aurora. Petula überlegte noch, ob sie mit magischen Tieren wie Einhörnern, Knieseln oder Harmonovons oder mit Zauberwesen wie Kobolden, Hauselfen, Sabberhexen oder Zwergen zu tun haben wollte.

    “Ich denke, nach den Prüfungen wissen wir, welche Fächer wir getrost in den Müll werfen können”, meinte Miriam. Sie war sich ja sicher, bei Dervish & Banges reinzukommen. Kontakte waren eben alles.

    __________

    die Prüfer traten am Morgen des ersten Juni in die Große Halle ein. Aurora hatte es zwar mitbekommen, wie sie einen Tag zuvor angekommen waren, doch sie würde sie eh früh genug sehen, hatte sie sich gedacht und sich aus jeder Diskussion herausgehalten, die die sehr betagt aussehenden Hexen und Zauberer betraf.

    Die erste Prüfung auf der Liste, die Flitwick ihr und den anderen Ravenclaw-Fünftklässlern gegeben hatte, war Verwandlung, wo sie bloß gut auszusehen hatte. Professor McGonagall führte die Aufsicht in der großen Halle, aus der die vier Haustische entfernt und dafür hunderte von Einzeltischen untergestellt worden waren. Jeder hatte Antischummelschreibzeug ausgehändigt bekommen und saß nun, ob Fünft-oder Siebtklässler, vor seinen oder ihren ersten Prüfungsaufgaben in diser so wichtigen Abfolge von Prüfungen

    “Aufgabe a: Erläutern Sie den Zauber, mit dem ein Käfer in einen Mantelknopf verwandelt wird!” Das war also die erste Frage auf dem großen Pergamentbogen, dachte Aurora Dawn und fing an, ihre Lösung hinzuschreiben.

    Stunden später, als Auroras Schädel von Verwandlungszaubersprüchen, Zauberstabgesten und sich dauernd verwandelnden Dingen oder Tiere überzuquellen drohte, verkündete Professor McGonagall, die Prüfung sei nun zu Ende.

    Erleichtert, zumindest fertig geworden zu sein. Mit “Accio Pergamente” holte Professor McGonagall sämtliche beschriebenen Pergamente zu sich hin. Aurora war froh, daß die Seiten vornummeriert gewesen waren und sie nur ihren Namen oben drüber hatte setzen müssen, bevor sie auf jede Seite ihre Aufgabenlösungen geschrieben hatte.

    “Also wenn es jetzt noch eines beweises bedurft hätte, daß ich eigentlich nix mit der Zaubererwelt zu schaffen habe, dann war’s diese Prüfung”, seufzte Roy, als sie kurz hinausgingen, damit die große Halle wieder zu einem gemeinsamen Essraum umgebaut werden konnte.

    “Zumindest konnte ich alle Fragen beantworten”, sagte Dina. “Vielleicht krige ich ja dann doch noch ein Akzeptabel in Verwandlung hin.”

    Die Nachmittagsprüfungen waren für Aurora dagegen leichter. Zusammen mit Bazil Calahan von den Slytherins, Dorian Dirkson aus Hufflepuff, Roy Fielding und Cynthia Flowers betrat sie nach Aufruf die große Halle, wo gerade Eunice Armstrong eine beeindruckende Serie von schnellen Verwandlungen hinlegte, wobei ihr eine kleine, sehr gebrechlich wirkende Hexe mit weißem Haar zusah, Professor Griselda Marchbanks. Doch gerade als Aurora in die Halle hineintrat, war die Prüfung offenbar beendet.

    “Sie können zu Professor Marchbanks, Ms. Dawn”, teilte Professor McGonagall sie ein. Aurora nickte und ging auf die ihr zugewiesene Hexe zu. Eunice verabschiedete sich gerade lautstark und ging ihres Weges, wobei sie Aurora aufmunternd zunickte und mit ihren Lippen ein “Viel Glück” formte.

    “Sie sind Aurora Dawn?” Fragte Professor Marchbanks mit gebrechlicher Stimme. Aurora nickte. Sie hatte schon gehört, daß Professor Marchbanks Probleme mit den Ohren hatte, die kein Heiler mehr beheben konnte. Das Alter war doch leider ausdauernder als alle Heilkunst.

    “Welche Zauberstabführungstechniken benutzen Sie?” Fragte die Prüferin. Aurora verstand erst nicht, was gemeint war. Sie sah Professor Marchbanks irritiert an. Dann ging ihr ein Licht auf. Eunice zauberte mit Techniken einer Professor Unittamo herum. Sie, Aurora, hatte sich bisher doch an die Wendel-Techniken gehalten. So sagte sie laut:

    “Wendel! Ich zaubere mit Wendels Techniken!” Zumindest verstand Professor Marchbanks sie so, daß sie nicht noch weitere Fragen stellte. Aurora begann also mit ihrer praktischen Prüfung.

    Als sie es am Ende der ihr zustehenden Zeit geschafft hatte, unfallfreie Verwandlungen hinzubekommen, atmete sie auf, als die Prüfungsrunde vorbei war und sie für den Nächsten Platz machen konnte.

    “Uff, dieser Glatzkopf hat mich gut gefordert”, sagte Roy außerhalb der großen Halle. “Beinahe wäre mir dieser Vogel-zu-Säugetier-Zauber nicht mehr eingefallen, den ich nie so recht hinbekommen habe. Immerhin ist aus dem Huhn was annähernd Meerschweinchenförmiges geworden.

    Als alle Ravenclaw-Fünftklässler durch waren sagte Petula zu Bruster:

    “Ich konnte einmal sehen, wie schnell du zaubern kannst. Im Unterricht warst du nie so flott drauf. Wie kommt’s?”

    “Leistungsdruck. Es geht ja um was”, sagte Bruster ganz lässig.

    “Ja, wenn’s auch immer richtig war, Brusi”, sagte Mortimer Swift.

    “Zumindest habe ich kein rammdösiges Wildschwein in der Halle losgelassen, Herr Vetter”, versetzte Bruster mit gewisser Schadenfreude.

    “Ja, war schon toll”, sagte Mortimer. “Da war ich wohl irgendwie einen Moment neben der Spur und habe anstatt des Meerschweinchens ein Wildschwein gezaubert. Hui, dieser Professor Pineapple ist ja doch noch gut zu Fuß für seine zweihundert Jahre oder wieviel der drauf hat”, ergänzte er noch, nun selbst lachend.

    “Leute, wir haben noch ein paar Prüfungen vor uns”, sagte Dina. “Mir graut schon vor Zauberkunst.”

    Doch zunächst waren die Zaubertränke dran, ein Heimspiel für Aurora und Dina, aber auch für Melinda Bunton aus Hufflepuff und Eunice Armstrong aus Gryffindor. In der praktischen Prüfung vertat sich Dorian Dirkson einmal und ließ seinen Kessel mit lautem Getöse in einer blauen Feuerwolke an die Decke fliegen. Professor Sprout, die heute Aufsicht hatte, schrak hinter dem langen Lehrertisch zurück.

    “Eh, mach nicht so’n Krach!” Rief Alessandro Boulder, der gerade seinen UTZ-Prüfungstrank braute.

    “Ruhe bitte!” Bellte die kugelrunde Kräuterkundelehrerin durch die Halle.

    “Na, holla die Waldfee!” Rief Bruster nach bestandener Prüfung. “Von dem Trank hätte ich mehr als eine Flasche abfüllen sollen. Eine davon hätte ich dem Hakennaserich gerne untergejubelt, als Abschiedsgruß.”

    “Auf derartigen Unrat zum Abschied kann ich sehr gut verzichten, Wiffle”, zischte Snapes gehässige Stimme von hinten. “zwanzig Punkte Abzug für Ravenclaw. Nach den Prüfungen werden Sie bei mir nachsitzen, vier stunden lang, Wiffle.”

    “Steck es dir sonstwo hin”, grummelte Bruster, als Snape sich wieder entfernt hatte. “Mein Trank war top und nach dem Schuljahresende sieht mich der Knilch eh nicht mehr in seinem Kerker.

    “Hast du dich mit Professor Snape angelegt?” Fragte Loren Tormentus überlegen grinsend. Bruster knurrte, daß das ihr doch egal sein durfte. Loren meinte: “Wohl ein wenig zu überschwenglich gewesen, wie?” Dann schob sie ab.

    “Hoffentlich hat die ihren Trank verhunzt”, knurrte Roy Fielding. “Ob meiner was geworden ist ist mir doch schnurzpiepegal. Mich sieht dieser Fettfrisurspion auch nicht mehr in seinem Kerker, wenn die letzte Stunde bei ihm war.”

    Zauberkunst lief für die meisten gut ab. Dina hatte zwar immer noch Probleme mit ihrem Zauberstab, obwohl der ja extra auf sie abgestimmt war. Doch da sie in der Theorie alle Fragen beantworten konnte, würde sie wohl auch hier auf “Akzeptabel” kommen.

    Die Kräuterkundeprüfung war das Paradestück von Aurora Dawn. Sie konnte in der theoretischen Prüfung nicht nur zu jeder abgefragten Pflanze Verbreitungsgebiete, Haltungskriterien und Anwendung niederschreiben, sondern auch Nachzuchten, Unterarten und Unterschiede in der Wild-und der Kulturform klar herausstellen. Am Nachmittag topfte sie eine Alraune innerhalb einer Minute um, molk innerhalb von fünf zugestandenen Minuten zwei Bubotubler und konnte zwanzig Springbohnen ohne Unfall damit eingraben.

    In Muggelkunde, die nur theoretisch geprüft wurde, mußte sie zwar manchmal überlegen, ob das von ihr für richtig gehaltene auch so im Unterricht erwähnt worden war und schrieb über alles, was gefragt wurde, wozu elektrischer Strom diente, wie vielseitig er war, über Radios, Funkgeräte, Fernseher und Flugzeuge, sowie Haushaltsgeräte wie Staubsauger, Föns und Waschmaschinen, wobei sie da auch immer entsprechende Vergleiche mit der Zaubererwelt ziehen konnte, insbesondere bei der Verwendung von Tiefkühltruhen im Vergleich zum Conservatempus-Zauber oder dem Amplumina-Zauber im Vergleich zum Flutlicht der Muggel. Immerhin war sie danach sicher, dieses Fach mindestens mit “akzeptabel” bestanden zu haben. Denn nur dann würde es sich auch lohnen, es in den nächsten zwei Jahren fortzuführen.

    Pflege magischer Geschöpfe und alte Runen gingen ihr etwas schwerfälliger von der Hand, wenngleich sie im praktischen Teil von Pflege magischer Geschöpfe mit den Jarveys gut zurechtkam, auch wenn diese wieselartigen Tiere sie mit den derbsten Schimpfwörtern bombardierten, als sie sie in ein anderes kleines Haus umsetzen sollte.

    In Geschichte der Zauberei hatte sie ihren ersten richtigen Aussetzer, weil sie nicht mehr zusammenbekam, wozu die Zaubererkonferenz im Jahre 1230 einberufen worden war, wie der letzte namentlich erwähnte Anführer des Koboldaufstandes von 1612 geheißen hatte und wie die einzelnen Sippen der sich bekriegenden Riesen geheißen hatten. Irgendwann war sie einfach nur froh, irgendwas hingeschrieben zu haben. Mit dem Fach hatte sie sowieso abgeschlossen, so oder so.

    Bei der Astronomieprüfung stellte sie sich dagegen sehr gut an und konnte allen äußeren Planeten die richtigen Monde zuordnen, weil die Monde alle alphabetisch in einer Reihe untereinanderstanden und sie auf die äußeren Planeten verteilt werden sollten. Roy und Bruster hatten danach gegrinst und gemeint, daß die Voyager-Raumsonden bei Jupiter und Saturn doch ein paar Monde mehr festgestellt hatten als gefragt wurde.

    “Noch mehr?” Fragte Petula. “Das kriegen die ZAG-Klässler dann nächstes Jahr, wenn die Gesellschaft magischer Sternkundler wieder beschließt, die Namen der von den Muggeln entdeckten Monde in den allgemeinen Astronomiekatalog der Zaubererwelt zu übernehmen. Man hätte euch Muggeln verbieten sollen, die Rakete zu erfinden.”

    “Ja, stimt. Dann müßten wir uns auch nicht vor einem Atomkrieg fürchten”, sagte Roy Fielding belustigt.

    Endlich waren die Prüfungen vorbei. Endlich konnten alle im fünften und siebten Jahr aufatmen. Selbst wenn einige Prüfungen danebengelaufen sein mochten, es war nun vorbei. Die ganze Tortur davor und dabei war nun überstanden, und Aurora hoffte, die nötigen ZAGs erreicht zu haben. Innerhalb der ersten Ferienwochen würde sie wie die anderen das Ergebnis kriegen. Sie ging nach der völlig verhunzten Geschichtsprüfung nicht mehr von zwölf ZAGs womöglich mit Zusatzpunkt aus, rechnete sich jedoch noch zehn ZAGs aus.

    Nächste Woche Hogsmeade!” Trällerte Bruster. “Daa können wir uns noch einmal richtig austoben, bevor es in die Ferien geht. Roy, der sich noch ausrechnete, daß Snape ihn ausgerechnet an dem Tag zum Nachsitzen bestellen würde, war nicht so begeistert.

    __________

    Falls Snape es wirklich darauf angelegt hatte, Roy Fielding den Hogsmeade-Ausflug zu verderben, dann hatte man ihm wohl den falschen Zeitpunkt genannt. Stattdessen mußte Roy nach der Nachmittagsstunde bei dem schulweit unbeliebtesten Lehrer Schnecken einpökeln, Aalaugen zu Brei stampfen und in Essig auflösen und fünf tote Ziegen auf das Vorhandensein eines Bezoars, eines seltenen Steines im Magen dieser Tiere, untersuchen. Bruster meinte danach:

    “Jetzt kann dich wohl nichts mehr anekeln, was?”

    “Wenn Schniefelus das wollte, dann hat er es geschafft”, knurrte Roy.

    “Eh, Roy, dieser Spitzname ist dem von Sirius Black verpaßt worden. Du weißt ja, was für einer dieser Black geworden ist”, wies Aurora Roy darauf hin, daß er bedenkenlos den Spitznamen gebrauchte, den ein möglicherweise am Mord an Roys Eltern beteiligter Zauberer benutzt hatte.

    “Erstens glaube ich das nicht, daß Black wirklich so’n Schuft war, da er einerseits viel zu schlau war, sich erwischen zu lassen und andererseits bestimmt einen besseren Ort gefunden hätte, um Peter Pettigrew zu töten. Neh, ich denke, der sitzt unschuldig im Bunker, weil dieser Pettigrew bei einem Unfall gestorben ist”, sagte Roy.

    “Na klar”, grummelte Bruster. Roy sah ihn an. Bruster trug immer noch den FC-Liverpool-Schal, wie sie es vor Weihnachten in einer Wette vereinbart hatten.

    “Freu dich, Liverpool hat’s geschafft, Bruster. Jetzt können wir den Spanienausflug genießen, den unsere Nationalelf macht.”

    “Ja, und dann gewinnt wieder Deutschland oder Argentinien oder irgendwer sonst”, knurrte Bruster. Petula meinte:

    “In diesem Jahr gibt’s auch eine Quidditchweltmeisterschaft, wenn das hier wen interessiert. Eine Woche nach Ferienbeginn geht’s los.”

    “Klar, Norwegen, wo auch im Sommer jeder hinwill”, sagte Mortimer. “Dann doch besser Spanien.”

    “Eh, du wirst hier nicht anfangen, diesen Fußballunsinn gutzufinden”, sagte Petula sehr unheilvoll. Mortimer grinste.

    “Neh, das habe ich nicht vor”, sagte er.

    “Immerhin ist dieser Falklandunsinn vorbei”, sagte Dina. Roy nickte. Er hatte erst nach der Prüfung einen Brief Ericas bekommen, wo die neuesten Muggelnachrichten dringestanden hatten. Immerhin war Tims Vater nicht getötet worden, was diesen zu den UTZ-Prüfungen wohl noch glücklicher gemacht haben dürfte.

    Als der Tag des Hogsmeade-Ausfluges kam, strahlte die Sonne vom Himmel, dessen Blau wie ein polierter Edelstein erstrahlte. Aurora zog zusammen mit Petula und Miriam los, obwohl Bernhard meinte, sie noch einmal ansprechen zu müssen. Sie hatte ihm aber die kalte Schulter gezeigt und war losgezogen.

    “Das ist der erste Sommerausflug nach Hogsmeade”, sagte Aurora. “Miriam, habt ihr bei euch was besonderes im Sommer?”

    “Hmm, Mum schrieb mir vor den Prüfungen, wir könnten uns Angelique Liberté ansehen, eine Besenkunstfliegerin, die auf fliegendem Besen abgedrehte Turnübungen machen und dabei noch verschiedene Figuren fliegen kann. Die ist gerade mit ein paar anderen Kunstfliegern hier. Außerdem findet da jeden Samstag der Markt für Zaubergegenstände und -utensilien aus aller Welt statt. Also langweilen können wir uns nicht”, erläuterte Miriam, deren Eltern in Hogsmeade wohnten.

    Aurora folgte Miriam und Petula. Sie sah zwischendurch einmal zurück, ob ihnen nicht doch jemand folgte, wie Bernhard oder Tonya Rattler oder sonst wer, mit dem sie im Moment nichts zu schaffen haben wollte. Dabei sah sie aus dem linken Augenwinkel, wie Tim Abrahams und Roy Fielding zusammen einherschritten. Wo war Dina Murphy, die sonst mit Roy so gerne zusammen nach Hogsmeade ging? Doch mußte sie das jetzt wissen? Konnte sie ihre Neugier nicht auf was interessanteres lenken? Ja, natürlich konnte sie das.

    Auf dem Marktplatz tummelte sich ein farbenfrohes Volk. zauberer aus aller Herren Länder hatten hier überdachte Stände aufgebaut und verkauften wichtige Dinge wie magische Türklingeln, Kristallkugeln, in denen ein flammenloses Feuer brannte oder eigenständige Werkzeuge. Daneben war aber auch Schnickschnack wie singende Teetassen, selbstklatschende Fliegenklatschen oder aus drei mal drei mal drei bunten Würfeln zusammengesteckte Würfel, die sich andauernd so gegeneinander verdrehten, das auf jeder Seite ein Farbendurcheinander zu sehen war und die man dann wieder so drehen mußte, daß jede Seite eine der sechs Farben zeigte. Das Problem war nur, wenn man den Würfel einmal gedreht hatte, verdrehte er sich wieder.

    An einem bunten Stand standen mehrere hundert zusammengerollte Teppiche bereit. Ein dunkelbraun getönter, bärtiger Zauberer rief fortwährend:

    “Bequemlichkeit der Pharaonen und Sultane. Kaufen Sie Bashirs fliegende Teppiche! Heben Sie ab und thronen Sie hoch am Himmel wie ein mächtiger Scheich!”

    “Fliegende Teppiche? Reisen die Orientalen nicht auf sowas wie wir auf Besen?” Fragte Aurora. Miriam nickte.

    “Die bilden sich was drauf ein, weil auf so’n Staubfänger mehr als fünf Leute draufsteigen können.”

    “Läuft da nicht gerade sowas, die als unverhexbare Muggelartefakte zu bezeichnen?” Fragte Petula.

    “Bagnold hat das Gesetz wohl im Februar schon auf dem Tisch gehabt. Ob Sie’s unterschrieben hat, weiß ich nicht.”

    “Kaufen Sie Abdul Bashirs fliegende Teppiche! Wer will schon einen Besen reiten, kann er ganz gelassen durch die Lüfte gleiten?”

    “Ob der hier auch handelt wie im Orient?” Fragte Aurora. Miriam wollte wissen, was sie damit meine. Aurora erklärte es ihr und Petula. Sie lachten. Doch als sie unterwegs zu dem Stand mit den Teppichen waren tauchten zehn Zauberer in grünen Umhängen auf. Aurora fürchtete zuerst, es wieder mit Todessern zu tun zu haben. Der Anführer der Truppe war ein großer Mann mit feuerrotem Haar und Brille, dessen Umhang leicht ramponiert wirkte.

    “Abdul Bashir, wir haben es Ihnen vor einem Monat doch geschrieben, daß in England Teppiche Muggelartefakte sind, die nicht bezaubert werden dürfen”, grüßte der Rothaarige den Teppichverkäufer, der zusammen mit einem jungen Mann, der dem Aussehen nach sein Sohn war, auf Kundschaft wartete.

    “Ah, Efendi Weasley. Sie wollen den Preis drücken, versteh. Zwei Teppiche für einen”, grinste Abdul Bashir.

    “Dann würde ich mich strafbar machen”, sagte der Rothaarige gelassen. “Hier ist die unterzeichnete Bestätigung unserer Zaubereiministerin.” Er holte ein Pergamentstück hervor und reichte es Abdul. Dieser nahm es und las es von rechts nach links. Dann erkannte er wohl, daß er die englischen Wörter so nicht entziffern konnte und las. Er erbleichte erst und wurde dann wütend.

    “Das ist Behinderung des freien Handels, Efendi. Wenn euer Quidditch mittlerweile auch in Ägypten und dem Sudan gespielt wird, warum dürfen wir da nicht unsere Qualitätsteppiche feilbieten? Gemeinheit! Unterdrückung! Ihr wollt den Handel ruinieren!”

    “Abdul, sehen Sie es doch ein. Wenn ein Muggel aus Versehen einen Ihrer Teppiche unter die Füße bekommt, dann fliegt der vielleicht mit dem weg, weil die Flugmagie eines Teppichs nicht auf einen Zauberkundigen angewiesen ist wie die eines Besens. Machen Sie bitte Ihren Stand zu und bringen Sie Ihre Teppiche zurück in Ihre Heimat! Anderenfalls müßten wir die ganzen Teppiche beschlagnahmen.”

    “Könnte euch Räuberpack so gefallen, meine Teppiche mitnehmen, ohne ein Goldstaubkorn dafür bezahlt zu haben!” Rief Abdul. Auf dem Marktplatz blickten alle den Teppichverkäufer an. Dieser nutzte die Aufmerksamkeit aus, um noch wütender zu protestieren, man wolle seinen Handel ruinieren und ihn obendrein noch bestehlen. Dann, als die aufmarschierten Zauberer Anstalten machten, die Teppiche einzusammeln, rief er seinem Sohn zu:

    “Ali, komm, unsere Ware wird hier nicht länger verlangt!”

    Der jüngere Orientale sagte was in einer Aurora unbekannten Sprache und begann, die aufgereihten Teppiche auf einen großen Karren zu verladen. Aus einem Zelt hinter dem Stand holte er einen silbergrauen Elefanten mit spiegelnden Stoßzähnen und breiten Flügeln heraus, den er vor den Karren anschirrte, während sein Vater mit schnellen Zauberstabbewegungen alle Teppiche auf den Karren springen ließ. Dann klappte der Verkaufsstand wie ein Kartenhaus zusammen, legte sich in den Karren und war abgebaut. Rasch sprang Abdul Bashir in den Karren und rief dem mächtigen Zugtier einen Befehl zu, worauf es laut trompetete und dann die breiten Schwingen auf-und niederschlug, bis es abhob und den Karren erst einige Meter am Boden entlang und dann nach oben hinaufzog.

    “Er hat’s kapiert, Arthur”, sagte einer der Zauberer.

    “Schön, daß er nicht so ein Theater gemacht hat. Ich fürchtete schon, der legt es auf einen Haftbefehl an”, sagte der rothaarige Zauberer. “Ich möchte wieder nach Hause. Molly ist alleine mit der ganzen Rasselbande, und jetzt, wo die Kleine anfängt zu laufen, kann sie nicht alle zusammenhalten, besonders nicht Fred und George, die beiden Banditen”, lachte er. Sie wollten gerade vom Marktplatz verschwinden, als dem Rothaarigen der Verkäufer der bunten Würfel auffiel. Doch dieser schien zu ahnen, welche Stunde ihm gerade geschlagen hatte und sammelte blitzschnell seine Waren ein. doch der rothaarige Zauberer war schon bei ihm und nahm einen der noch nicht eingesammelten Würfel.

    “Daß Sie ein Witzbold sind, Chester, wußte ich schon immer. Aber was Sie da jetzt machen ist ein Verstoß gegen die Gesetze zur Bezauberung von Muggelartefakten.”

    “Moment, Arthur, ich habe diese Würfel nicht an Muggel verkauft”, sagte der Verkäufer der bunten Würfel.

    “ja, und damit das auch nicht passieren kann, müssen wir die jetzt alle beschlagnahmen”, sagte Arthur. Doch Chester grinste nur, winkte mit seinem Zauberstab, und mit lautem Knall verschwand sein ganzes Warenlager und danach auch er.

    “Das ist nicht wahr”, fluchte Arthur. “Jetzt muß ich den Kerl noch suchen.”

    “Was ist denn da so schlimm an diesen Würfeln, abgesehen davon, daß die sich ständig wieder verdrehen?” Wollte Miriam wissen und trat an den rothaarigen Zauberer heran. Aurora wollte das auch wissen.

    “Entschuldigung, warum wollten Sie dem Verkäufer da die Würfel beschlagnahmen. Das sind doch keine Muggelsachen”, sagte Miriam forsch. Der Führer des kleinen Trupps wandte sich um und schmunzelte.

    “Oh doch, das sind Muggelartefakte, junges Fräulein. Die Muggel haben vor einiger Zeit einen aus in sich verdrehbaren Würfeln zusammengesetzten Würfel dieser Art als Geduldsspiel auf ihren Markt gebracht. Bei einigen heißt er Zauberwürfel. Deshalb hat der freundliche Herr von eben seinen Jux damit getrieben und wohl einige dieser “Zauberwürfel” echt verhext. Wenn den Muggel in die Hände bekommen, dann werden die noch wahnsinnig, wenn sich der Würfel ständig selbst verdreht.”

    “Och, Arthur, wegen dieses Dings sind die doch schon eh durch den Wind”, warf einer der grüngewandeten Zauberer ein.

    “Das ist kein Grund, solchen Schabernack mit ihnen zu treiben”, sagte der rothaarige Zauberer. Dann lächelte er die drei Mädchen an.

    “Seid ihr von Hogwarts runtergekommen?”

    “Mmmhmm”, machten Petula und Aurora.

    “Mein ältester kommt im nächsten Jahr auch dahin. Ich freue mich schon drauf. Achso, ich muß mich ja auch vorstellen: Weasley, Arthur Weasley vom Büro gegen den Mißbrauch von Muggelartefakten.”

    “Angenehm, Miriam Swann”, stellte sich Miriam vor.

    “Aurora Dawn”, sagte Aurora.

    “Petula Woodlane”, schloß Petula die Vorstellungsrunde ab.

    “Joh, Mädchen, dann mache ich mich mal auf die Suche nach diesem Scherzkeks, bevor der seine frisierten Zauberwürfel noch wem aus der Muggelwelt untermogeln kann.” Mit leisem Plopp disapparierte er.

    “ja, du hattest recht, Miriam. Langweilen können wir uns hier nicht”, sagte Aurora Dawn.

    Sie schlenderten vom Marktplatz herunter, auf dem sich nun noch die Verkäufer tummelten, die keine als Muggelgegenstände erkennbare Sachen verkauften. Sie bogen gerade um eine Ecke, als Auroras Frühwarner, ein silbernes Armband an ihrem linken Handgelenk, sachte vibrierte. Sie erschrak. Irgendwas böses war hier in der Gegend.

    “Was ist, Aurora?” Fragte Miriam besorgt.

    “Mein Frühwarner ist gerade losgegangen. Irgendwas dunkles treibt sich hier herum”, sagte sie.

    “Die Leute von Du-weißt-schon-wem?” Fragte Petula bleich.

    “Weiß ich nicht. Es zittert nicht so stark. Ich weiß nicht genau, wo es sich rumtreibt.”

    “Sollen wir jemanden rufen, der nachsieht?” Fragte Miriam.

    “Das hat solange keinen wert, solange keiner einen Frühwarner hat. Das kann auch eine Kreatur sein, in der dunkle Kräfte wirken wie Hinkepanks, Rotkappen – oder Sabberhexen. Eh, habt ihr mitbekommen, wohin Roy wollte?”

    “Wieso kommst du jetzt auf Roy. Ich dachte, der würde sich immer Salz auftun, bevor er hier herkommt”, sagte Petula. Miriam nickte.

    “Ja, aber Balder hat uns doch erzählt, diese eine Grünfratze habe ihn sich regelrecht ausgeguckt, nicht nur einfach so. Vielleicht streunt die irgendwo hier herum”, sagte Aurora voller Unbehagen.

    “du hast mal gesagt, die wären harmlos, wenn man nicht in ihr Schema paßt”, sagte Miriam. Doch sie wußte es besser. Ihre Eltern hatten ihr früher, wo sie gerade über eine Tischkante kucken konnte, bei jedem Ausflug Steinsalz auf die Kleidung gestreut, um sie vor den Nachstellungen dieser Kinder fressenden, grüngesichtigen Waldkreaturen zu schützen. Aurora schritt wie an Fäden gezogen in die Richtung, in der das Zittern des Armbands stärker wurde. Dann konnte sie die knapp über dem Boden schwebende Kreatur sehen, die in einem langen, grünen Rock steckte und schwarzblaues Haar besaß. Als Aurora behutsam hinter ihr herschlich, stieg das Wesen, das so groß wie aurora selbst war und eine blattgrüne Hautfarbe besaß, einige Meter aufwärts, blieb dabei aber schön langsam. Aurora stellte sich vor, daß dieses Wesen da eine ganz harmlose Sache vorhatte, bis ihr Frühwarner etwas stärker zitterte. Dann hörte sie aus etwa hundert Metern Entfernung:

    “Eh, Tim, was hast du mit diesen Grünfratzen zu schaffen?!” Das war Roy Fielding!

    Aurora lief los, in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. Da schoss die Sabberhexe im grünen Rock steil in die Höhe und jagte mit wehendem Har und Rock durch die Luft davon.

    “Nein, lass mich los, du Monster!” Rief Roy in Panikstimmung, wie Aurora hören konnte. Sie jagte auch los, immer schneller. Doch sie war immer noch viel zu langsam. Außerdem mußte sie feststellen, daß sie in ein verwinkeltes Viertel geraten war und Hundert Meter Luftlinie mehr als das dreifache an Laufstrecke sein mochten. Nirgendwo gab es eine Abkürzung durch eine Quergasse. Als sie ein schrilles Lachen hörte und einen angewiderten Schrei Roys, wußte sie, sie würde in jedem Fall zu spät kommen. Was sollte sie machen? Sollte sie den Notrufzauber wirken. Dann würde mindestens ein Heiler neben ihr auftauchen. Aber sie waren doch zu weit fort. Oder etwa nicht?

    Sie bog um eine Ecke, um gerade noch zu sehen, wie Tim Abrahams mit sehr glückseligem Blick in den Armen einer grünen Kreatur mit walnusbraunem, nicht ganz so struweligem Haar lag, während Roy gerade in einer Umklammerung aus Armen und Beinen der schwarzblauhaarigen Sabberhexe hing, die ihn mit ihrer wurmartigen Zunge Mund und Nase abschleckte.

    “Lass den Jungen los, du toldreistes Biest!” Rief Aurora Dawn und zog ihren Zauberstab hervor.

    “Nein, nicht bevor ich endlich von ihm habe, was ich schon lange haben wollte!” Rief jene Sabberhexe, die Roy umklammert hielt und lachte. Aurora sah Roy, dessen Gesicht jeden Ausdruck der Angst verlor. Sie erkannte, daß er offenbar von dieser Kreatur überwältigt worden war, nicht nur körperlich, sondern vor allem willentlich. Sie warf Aurora noch ein überlegendes beigegraues Lächeln zu und schnellte dann mit der Wucht einer abgefeuerten Kanonenkugel in die Höhe. Tim Abrahams indes gab sich ganz den Streicheleinheiten hin, die die walnusbraunhaarige Kreatur ihm zukommen ließ. Aurora richtete den Zauberstab zwar noch auf die davonfliegende Sabberhexe, doch ihr Schocker kam zu spät und fauchte an die Dutzend Meter unter der Kreatur hindurch. Dann zielte sie auf das zweite Wesen. Dieses fühlte wohl den bevorstehenden Angriff und ließ von Tim ab. Sie warf sich herum und jagte auf Aurora zu, die in der Schrecksekunde vergaß, welchen Zauber sie eigentlich sprechen wollte. Da war die Kreatur auch schon heran und pflückte ihr wie beiläufig den Zauberstab aus der Hand.

    “Mädchen, du wolltest Morpuora nicht wehtun, die dir gar nichts tun will”, lachte sie. Aurora stand starr da und wußte nicht, was sie tun sollte. Auf die Idee, um Hilfe zu rufen, kam sie nicht. Morpuora, wie sich die wohl etwas älter aussehende Sabberhexe nannte, strahlte die Vertrauensschülerin mit ihren nagelspitzen, gelbweißen Zähnen an. Ihre gelben Augen mit den weißen Pupillen sahen sie treuherzig wie Hundeaugen an, während ein freundliches Lächeln um die Mundwinkel der Kreatur spielte.

    “Deinem Kameraden passiert nichts böses. Meine Tochter möchte nur endlich mit ihm zusammen sein, wo ihr uns in den letzten Jahren immer so böse zurückgetrieben habt. Sie mag ihn und freut sich, wenn sie von ihm was kleines in sich herantragen kann. Das ist ein schönes Gefühl, einen Knaben in seine Bestimmung als Mann hinüberzuhelfen, Mädchen. Nein nein, lass den kleinen Stab lieber noch etwas liegen. Sonst müßte ich dir doch was böses tun, und das will ich nicht.”

    “Ihr habt ihn in eine Falle gelockt”, schluchzte Aurora, die nun kapierte, was hier eigentlich abgelaufen war. “Du hast Tim Abrahams mit deinem widerlichen Giftschleim vollgesabbert, um ihn dir hörig zu machen.”

    “Er wollte das freiwillig. Ich mußte ihn nicht niederkämpfen. Ist mit meinen vielen Sommern auch etwas anstrengend, Knaben zu nehmen, selbst wenn meine Mutter mich Morpuora genannt hat, Des Knaben Tod”, schnatterte die grüngesichtige Kreatur. Aurora hörte nicht drauf, was sie sagte. Sie tauchte nach ihrem Zauberstab. Doch da krallten sich fünf spinnenbeinartige Finger um ihren Hals und rissen sie einfach wieder hoch.

    “Ich sagte, ich will das nicht, daß du den Stab nimmst und …”

    “Lass sie los, du Scheusal!” Brüllte Bruster Wiffle unvermittelt von hinten. Dann fegte der rote Schockzauber heran. Aurora sah noch, wie die Kreatur wutschnaubend zur Seite hechtete und dann mit einem Satz, der die Grenze zwischen Fligen und Springen verwischte zu Tim zurückkehrte, ihn mit allen vier Gliedmaßen umfing und im Tiefflug wie vom Katapult geschossen davonbrauste. Der Schocker krachte im selben Moment an eine Hauswand und schlug einen faustgroßen Krater.

    “Mist, sind die Biester schnell!” Rief Bruster. Aurora wimmerte. Ihr Genick schmerzte vom stahlharten Griff der Sabberhexe, und das Gefühl, Roy nicht rechtzeitig gefunden zu haben, trien ihr Tränenfluten aus den Augen.

    “Nimm deinen Zauberstab, Aurora! Der ist noch ganz”, sagte Bruster.

    “Die haben Roy und Tim. Sie haben sie mit ihrem Speichel verhext”, wimmerte Aurora.

    “Mist!” Fluchte Bruster. “Dann war Tim deshalb so lockerflockig drauf. Ich hätte darauf achten sollen. Gut, daß ich immer Steinsalz mithabe. Sonst hätte mich so’ne läufige Grünfratze auch schon kassiert.”

    “Bruster, die sind weggeflogen!” Rief Aurora.

    “Ja, aber wir kriegen die wieder ein. mach mal diesen SOS-Spruch!” Aurora bückte sich, nahm ihren Zauberstab und kämpfte um ihre Selbstbeherrschung. Dann ließ sie den Zauberstab über ihrem Kopf kreisen, links herum und rechts herum, wobei sie “Advoco Medicum!” Rief. Aus dem Zauberstab schoss eine goldene Lichtfontäne, die sich zehn Zauberstablängen über Aurora zu einer rasch nach außen wirbelnden Spirale auswuchs.

    Es dauerte fünf Sekunden, da apparierte ein Zauberer im weißen Umhang, der eine Tasche mit einer roten Schlange um einen Stab über der Schulter trug. Dann tauchten noch zwei Zauberer in Grün auf, auf deren Brustteilen ein über einem Knochen gekreuzter Zauberstab prangte.

    “Du hast uns gerufen, junge Dame! Was liegt denn an?” Fragte der in weißer Kleidung angekommene Zauberer.

    “Schulkameraden von uns sind von zwei Sabberhexen entführt worden”, stieß Aurora hastig aus, damit sie nicht wieder ins Wimmern verfiel.

    “Ui, das ist jetzt schon das fünfte Mal in zehn Jahren”, sagte einer der Heiler in Grün. “Wir haben es Dumbledore immer wieder gesagt, er soll den Jungen sagen, sich immer mit Steinsalz zu bewaffnen, weil die läufigen Sabberhexen sich gerne welche von denen herausfangen. Aber wir sind im Moment nicht zuständig. Da müßt ihr das Schädlingsbekämpfungsbüro alarmieren. Die können die besser aufspüren als wir. Die rufen uns dann wieder, wenn wir gebraucht werden”, sagte der Heiler in Weiß. “Aber der Notruf war insofern legitim, weil es ja keine schnellere Art gibt, in dem Fall Hilfe zu kriegen.” Seine Kollegen nickten. Dann disapparierten sie einfach.

    “Das gibt’s nicht. Die sind einfach abgehauen”, sagte Aurora nun verbittert.

    “Wo nix zum heilen ist sind Heiler nix wert”, sagte Bruster. Aurora sah ihn nun zornig an.

    “Die müssen die beiden doch suchen”, sagte sie. Dann fiel ihr auf, daß ihr Frühwarner nicht mehr zitterte.

    “Die werden sich einen abgelegenen Wald aussuchen, die beiden in die richtige Stimmung bringen und dann …”, malte Bruster aus.

    “Hörst du wohl auf!” Schrie Aurora.

    Unvermittelt apparierten vier Personen, eine Hexe und drei Zauberer. Die Hexe war leicht untersetzt und trug ein geblümtes Kleid und auf ihrem graublonden Haarschopf einen großen Strohhut.

    “Was ist hier passiert?” Fragte einer der drei Zauberer, die die Umhänge des Aurorenkorps trugen.

    “Mein Klassenkamerad und einer aus der siebten Klasse wurden von zwei Sabberhexen gefangen und verschleppt”, sagte Aurora Dawn nun sehr gefaßt.

    “Morpuora und ihre liebestolle Tochter haben also doch einen Gehilfen gefunden”, schnaubte einer der Auroren, ein dunkelhäutiger Mann mit Glatze.

    “Habt ihr dieses Problem hier öfter?” Fragte die Hexe mit unverkennbar amerikanischem Akzent.

    “Eigentlich sehr selten, weil die sich jahrelang nicht blicken lassen. Aber wir haben rausgefunden, daß die nur deshalb so lange wegbleiben, weil sie sich von Männern, meistens muggelstämmigen Jugendlichen, neue Kinder haben machen lassen und ..”

    Die Hexe schnalzte mißbilligend mit der Zunge und schüttelte den Kopf, wobei ihr Hut leicht nach links verrutschte.

    “So sagt man das nicht, Kingsley”, maßregelte sie den dunkelhäutigen Zauberer. Dieser grummelte nur, widersprach jedoch nicht.

    “Tja, wenn wir nicht noch rauskriegen, wo die mit den Jungen ihre Arterhaltung zelebrieren, werden wir die auch in den nächsten vier bis fünfzehn Jahren nicht mehr zu sehen kriegen”, feixte ein zweiter Auror, ein drahtiger Mann mit pechschwarzer Igelfrisur.

    “Jungs, anstatt dumme Sprüche zum besten zu geben sagt uns, wo sich diese – wie nanntest du sie, Kingsley? – Morpuora vorzugsweise aufhält!” Forderte die Hexe im Blumenkleid und dem Strohhut.

    “Ist nicht immer dieselbe Gegend. Morpuora und ihre Töchter hausen in Wäldern, rund hundert Meilen um Hogsmeade”, sagte der Schwarze, der Kingsley gerufen wurde.

    “Da lang”, deuteten Aurora und Bruster in die Richtung, in der die ältere und die jüngere Sabberhexe verschwunden waren.

    “Das ist der schnellste Weg aus Hogsmeade heraus. Aber wohin die genau sind, kriegen wir so nicht raus”, knurrte Kingsley. “Das gibt noch Ärger mit Dumbledore.”

    “Selbst schuld, Kingsley. Wenn der weiß, daß die Morpuora mit ihrer Brut im Umkreis ist und er keine Maßnahmen dagegen beschließt”, stieß der drahtige Auror aus. Bruster meinte:

    “Kommen die Jungen denn wieder zurück, oder werden die umgebracht?”

    “Nein, umgebracht werden die nicht. Aber Morpuora hat sieben Töchter ausgebrütet, die Söhne, die nach der Stillzeit in sie zurückgewandert sind nicht mitgezählt”, gab der drahtige Zauberer eine sehr makabre Bemerkung zum besten und setzte noch einen drauf: “Wenn die so synchron sind wie alle Hündinnen im selben Wohnviertel können die die Jungs gleich einmal durchreichen.”

    “Also jetzt reicht’s, Quintus!” Entrüstete sich die Hexe. “Du hast in den letzten Minuten nichts als derbe Phrasen gedroschen. Du machst den beiden hier nur Angst, und das ist nicht dein Ding, Jungchen!”

    “Eh, Jane, willst du mir etwa Vorhaltungen machen?” Fragte der drahtige Zauberer.

    “Da es sonst keiner macht, ja”, erwiderte die Hexe. Aurora sprang vor und rief:

    “Anstatt hier rumzulabern sollten Sie die beiden endlich suchen, verdammt noch mal!”

    “Machen wir sofort, Mädchen. Wie heißt du?”

    “Dawn, Aurora Dawn, Madame …”

    “Porter, Jane Porter”, stellte sich die Hexe vor. Aurora erstarrte in Verwunderung und Ehrfurcht. Das war also Plinius’ Mutter, die in Amerika in einem Institut zur Abwehr dunkler Kräfte arbeitete und ihnen damals den Seelenkessel geschickt hatte, um die gespenstische Braut des blutigen Barons darin einzufangen.

    “Du kennst mich? Ah ja, mein Sohn war ja mit dir zusammen in Ravenclaw. Wo war dein Freund, Roy Fielding höchstwahrscheinlich?”

    “Woher wissen Sie das denn jetzt?” Wunderte sich Aurora. Doch dann zeigte sie Jane die Stelle, wo Roy gestanden hatte. Die Hexe eilte dort hin und nahm ihren Zauberstab, damit ließ sie etwas Staub vom Boden aufsteigen und in eine kleine Schale fallen.

    “Nein, Jane, jetzt nicht diese Voodoo-Show”, meinte Quintus. Doch Jane war bereits dabei, ein Bündel Kräuter in die Schale zu werfen und piekste sich dann mit einer silbernen Nadel in die Hand. Sie ließ Blut in die Schale tropfen, nicht viel, wohl drei Tropfen. Dann entzündete sie das merkwürdige Kräutergemisch in der Schale und inhalierte den Rauch. Dabei sang sie mit kehligen Lauten eine Litanei her, die aus dem tiefsten Dschungel zu stammen schien. Aurora stand mit weit aufgerissenen Augen da, beobachtete und lauschte, was Jane Porter machte. Es dauerte etwa zehn Minuten, dann versank Jane Porter in einer Trance, einem Zustand vollkommener Entspanntheit und Weltentrücktheit. Dieser Zustand hielt vor. Bruster meinte:

    “Die ist echt gut drauf. Die hat irgendwas von Roy finden können. Haare oder abgestoßene Hautschuppen. Das hat sie in eine irgendeinem Voodoo-Gott geweihte Schale gegeben, etwas eigenes Blut dazu gegeben und dann mit einer Rauschpflanzenmischung angezündet. Jetzt hat sie seine und ihre Seele vereinigt, heftiger als der Exosenso-Spruch. Jetzt kriegt sie genau raus, wo er ist und was er gerade erlebt.”

    “Woher kennst du dich da so aus?” Fragte Aurora.

    “Das habe ich für die Prüfungen gelernt, um etwas mehr als den üblichen Krempel zu können, falls da wer noch mehr wissen wollte. Ah, sie ist fertig”, sagte Bruster und deutete auf Jane. Diese schien Probleme zu haben, zu sich selbst zurückzufinden. Aurora sah, wie sie irgendwie zwischen einer freudigen Erregung und Verbissenheit festhing. Sie schien sich einer großen Leidenschaft hinzugeben und gleichzeitig gegen irgendwen oder irgendwas zu kämpfen. Dann, als sie in der ständig steigenden Erregung immer schwerer atmete, durchlief sie ein Ruck, und sie war wieder sie selbst.

    “Das dumme Geschwätz von dir, Quintus hat uns wertvolle Minuten gekostet. Der Junge ist bereits im Fortpflanzungsrausch mit einer dieser Kreaturen. Aber ich weiß wo er ist. Kingsley, komm du bitte alleine mit mir mit. Dein Kollege geht mir nicht mit dem gebotenen Ernst heran.”

    “Eh, Madame Porter. Ich lasse mir von Ihnen keine Befehle erteilen und …”, entrüstete sich Quintus. Kingsley legte ihm die Hand auf den Mund und sagte:

    “Quintus, sie hat recht. Halt’s Maul und bleib hier! Oscar, wir beide helfen Jane”, sagte er zu seinem zweiten Kollegen, einem sportlich gebauten Mann mit blondem Haar. Jetzt erst fiel es Aurora auf, wie attraktiv dieser Bursche auf sie wirkte. Doch er hatte was zu tun, und das war zu wichtig, um sich über sowas mädchenhaftes Gedanken zu machen. Jane, Kingsley und Oscar stellten sich zusammen, faßten sich bei den Händen und verschwanden.

    “Wenn die wiederkommen rufst du besser noch einmal nach Heilern!” Schlug Bruster vor.

    “Das mach ich”, knurrte Quintus, der was wichtiges tun wollte, wenn sie ihn schon nicht mithaben wollten.

    Es dauerte jedoch ganze zehn Minuten, bis das Trio aus Jane Porter, Kingsley und Oscar wieder aparierte. Kingsley und Oscar rangelten dabei mit zwei Jungen, die Aurora kannte. Es waren Roy Fielding und Tim Abrahams.

    “Advoco Medicum!” Riefen Aurora und Quintus gleichzeitig den Notrufzauber auf. Zwei Lichtspiralen wirbelten über ihnen nach außen. Keine zwei Sekunden später apparierten die zwei Heiler in grünen Umhängen, die eben schon einmal da gewesen waren.

    “Ach, jetzt werden wir gebraucht. Ein Notruf hätte aber genügt”, sagte einer der beiden. “Gestatten, Heiler Esus Farmer, St.-Mungo-Krankenhaus für magische Krankheiten und Verletzungen.”

    “Laßt uns los, ihr Bastarde!” Rief Roy in unbändigem Zorn und riss seinen Arm frei, um Kingsley, der ihn hielt, einen heftigen Schlag auf die Nase zu dreschen. Wie ein gefällter Baum kippte der dunkelhäutige Auror um. Roy versuchte, davonzulaufen. Da traf ihn ein Schocker von Jane Porter und verlangsamte seine Bewegungen.

    “Der wird nicht lange vorhalten. Zwei Sabberhexen haben mit ihm und dem anderen hier die Waldhochzeit gefeiert.”

    “Ou!” Konnte der zweite Heiler nur dazu sagen. Dann stellte er sich als Immortellus Redlief vor.

    “Ach, der Cousin meines Schwiegersohnes”, lächelte Jane Porter. Er nickte. Offenbar hatte er Jane Porter erkannt und bestätigte das was sie sagte.

    “Die Waldhochzeit? Dann Könnt Ihr Professor Dumbledore bestellen, daß die beiden vor Ferienbeginn nicht aus St. Mungo rauskönnen. Eine derartig forcierte Adiktion benötigt viel Zeit, Geduld und die richtigen Tränke und Befreiungszauber”, sagte Esus Farmer. Dann fragte er noch: “Wie weit ist die Handlung vollzogen worden?” Er prüfte selbst nach anstatt auf eine Antwort zu warten. Er murmelte etwas von “Coitus Successivus” bei Roy und dann auch noch bei Tim, der versuchte, Oscars Griff zu entwischen. “Lass mich zurück zu Morpuora. Ich will nicht bei euch bleichhäutigen bleiben. Sie gibt mir alles was ich brauche. Lasst mich gefälligst …!”

    “Stupor!” Rief Jane Porter und schockte Tim damit auch, wenn auch nicht vollständig. Roy nämlich wurde langsam wieder wach. Die beiden Heiler fischten rasch in ihre Taschen und zogen zwei einteilige Anzüge heraus, die wie gepolsterte Strampelanzüge für Riesenbabies wirkten. Aurora kannte diese Art Gummianzug schon. Das waren die Beruhigungsanzüge, die jemanden körperlich unbeweglich hielten. Rasch zogen die Heiler mit schnellen Zaubern Roy und Tim die Kleidung aus. Aurora wandte sich ab. Ebenso tat es Bruster. Dieser meinte dann:

    “Wir reden da nicht drüber. Wir sagen’s nur Dumbledore. Wir selbst sagen es keinem von unseren Leuten weiter. Das soll Dumbledore tun! Verstehst du das. Wir müssen in Hogwarts nicht noch da reingeraten.”

    “Wie du möchtest, Bruster”, sagte Aurora. Bruster nickte ihr zu und trat einige Schritte bei Seite, während die beiden Heiler mit ihren Patienten zu tun hatten.

    “Dann stimmt es doch, Kollege Redlief, daß der Sexus zwischen Sabberhexen und halbwüchsigen Zauberern keine vier Minuten dauert, aber zehnmal wiederholt werden kann.”

    “Wohl wahr. Dr. Morningdew hat das also richtig herausgefunden”, erwiderte Heiler Redlief. Aurora wurde wütend. Wie konnten zwei Zauberer, die einen Eid geschworen hatten, anderen zu helfen, über eben solche Patienten in deren Anwesenheit darüber fachsimpeln, wie faszinierend deren Zustand war? Wenn sie wirklich Heilerin werden wollte, dann, so schwor sie sich, würde sie höllisch darauf aufpassen, nicht selbst zu einer solchen unmenschlichen Fachidiotin ohne Gefühl für den Patienten zu verderben. Sie hörte etwas gluckern hinter sich. Sie wandte sich um und sah Bruster, der erleichtert eine Feldflasche absetzte, zudrehte und unter dem Umhang verbarg.

    “Diese Hitze macht tierischen Durst. Aber jetzt ist die Flasche alle”, sagte er, als er bemerkte, daß Aurora ihm zugesehen hatte.

    “Ich gehe gleich ins Schloß zurück. Mir ist der Hogsmeade-Ausflug total verdorben worden”, sagte Aurora. Bruster nickte.

    “Ich geh schon einmal vor. Kommst du nach?”

    “Ich will noch mitbekommen, was mit den Jungs passiert. Dann komme ich nach”, sagte Aurora. Einerseits war sie schon neugierig, wie die beiden nun wieder bei klarem Bewußtsein, zumindest dem, was der heilkundlichen Erklärung dafür entsprach, herumzeternden Jungen abtransportiert wurden. Auch war sie Vertrauensschülerin, wie Bruster auch. Doch einer mußte ja schon einmal vorlaufen, um Dumbledore zu informieren. Aurora wartete also.

    Als die beiden Jungen mit einem Apparitionsmanöver abtransportiert worden waren, kam Kingsley wieder zu sich. Er tastete nach seiner Nase.

    “Oh Mann, den Treffer habe ich mir wohl verdient”, näselte er und zog ein Taschentuch aus seinem Umhang.

    “Hat man die Jungen ordentlich abtransportiert?” Fragte er. Aurora und Jane Porter nickten. Dann sagte der dunkelhäutige Auror:

    Mädchen, Aurora Dawn heißt du doch, ich geh mit euch zum alten Dumbledore und beichte ihm, daß wir die beiden Jungs nicht früh genug gefunden haben. Dieses verdammte Weib Morpuora. Die und ihre Brut haben es drauf, mit Wirbelwinden und Feuerstrahlen zu hexen. Dann hätte mich fast noch eine ordinere Konifere mit ihren Zweigen erdrosselt. Aber mehr sage ich besser nicht. Sonst träumst du noch schlecht.”

    “Ich komme auch mit, um dem alten Tausendsasser zu erzählen, wie es passiert ist. Wahrscheinlich wird er dich auch noch einmal fragen, was du mitbekommen hast”, sagte Jane Porter. Dann gingen sie, Kingsley, der mit Nachnamen Shacklebolt hieß und Aurora Dawn zusammen über Schleichwege aus dem Dorf hinaus zum Schloß. Unterwegs hüteten sie sich davor, in Dorfbewohner oder andere Hogwarts-Schüler hineinzulaufen. Dann, in Dumbledores Turmkammer, berichteten die Hexe, der Auror und die Vertrauensschülerin, was sie jeweils erlebt hatten. Als es um die Details ging, wurde Aurora zurück in den Gemeinschaftsraum geschickt. Dumbledore sagte:

    “Ich erzähle das heute abend in der großen Halle, damit es alle mitbekommen, sich besser zu wappnen. Ich fürchte nur, die grüne Dame und ihre Töchter haben bekommen, was sie haben wollten. Dann werden wir mindestens ein Jahr lang nichts von ihnen hören oder sehen.”

    “Sie meinen, Roy und Tim haben die Sabberhexen – geschwängert?”

    “Hallo, so sagt man das nicht”, maßregelte Jane Porter das Mädchen.

    “Nun, salonfähig würde es heißen in andere Umstände versetzt”, grinste Dumbledore verschmitzt. “Aber da es sich ja wohl eher um eine Form rein animalischer Triebbefriedigung handelte, kann ich dir das durchgehen lassen, Aurora. Immerhin würde man bei Säugetieren ja nicht anders formulieren, Jane”, ergänzte er noch und zwinkerte seinem weiblichen Gast durch die Halbmondgläser zu.

    “Was soll ich Dina Murphy erzählen?” Fragte Aurora.

    “Wenn Sie darunter leidet, was ich euch erzähle, dann komm bitte mit ihr und Madame Pomfrey zu mir! Wir klären dann, was wir für sie tun können”, bot Dumbledore an. Aurora nickte ihm vertrauensselig zu und verließ die Turmkammer. Jetzt würden sie da drinnen auswalzen, was genau mit Roy und Tim passiert war. Für Aurora stand fest, daß Tim bereits vorher von einer dieser Kreaturen abhängig geworden war. Ja, da fiel ihr ein, daß er nach dem Valentinsausflug überglücklich ausgesehen hatte. Tim hatte nie eine Freundin in Hogwarts gehabt. Konnte es sein, daß diese Morpuora ihn ködern konnte, weil er die körperliche Nähe einer Frau gesucht hatte. Sie fragte sich auch, wie Erica Fielding reagieren würde, wenn sie erfuhr, was ihrem Bruder passiert war. Ja, würde Dumbledore zulassen, daß es draußen welche erfuhren? Wahrscheinlich wäre das das Ende seines Amtes in Hogwarts.”

    Aurora traf Bruster im Gemeinschaftsraum wieder. Er wirkte geknickt, als habe er die Nachricht über Roy und Tim gerade erst erfahren. Doch er sagte sofort:

    “Ich habe Dina getroffen, Aurora. Ich konnte es ihr nicht erzählen. Aber sie sieht so verängstigt aus. Sie erzählte, sie suche Roy und daß der mit Tim Abrahams in die Zwergenschmiede wollte und das sie ja zu Angelique Liberté gehen wollte, da die Zwerge keine frei herumlaufenden Frauen mochten.”

    Aurora schüttelte den Kopf. Sie selbst war mit Petula und Miriam in Forins Schmiede gewesen, und kein Zwerg hatte sie dumm angemacht. Sicher, der Chef mußte das erlauben. Aber gegangen war’s.

    Petula und Miriam tauchten etwa eine Stunde später auf. Obwohl Dumbledore angewiesen hatte, daß niemand was erfahren sollte, bevor er es erzählte, sagte Petula:

    “Loren Tormentus hat uns da eine haarsträubende Geschichte erzählt, Roy und Tim Abrahams seien von diesen Sabberhexen verschleppt worden. Stimmt das, Aurora?”

    “Warum fragst du mich das?” Fragte Aurora, die sich denken konnte, warum Petula das fragte. Immerhin war sie ja nach der Sache mit dem Armband nicht mehr zurückgekommen. Also nickte sie schwerfällig.

    “Aber sagt das bitte noch keinem anderen, der oder die es nicht schon weiß! Professor Dumbledore wird uns das heute abend erzählen.<”

    “Mädel, daß ist fast in der ganzen Schule rum. Die Rattler rümpft schon die Nase, daß diese Sabberhexen keinen Geschmack hätten, sich mit Schla…, Ähm, Muggelstämmigen zu paaren, Eunice hat’s wohl von Dorian Dirkson, der’s wiederum von Tara Branigan hat, die euch, also dich, Aurora, eine Hexe mit Strohhut und den ebenholzfarbigen Kingsley Shacklebold zum Schloß schleichen gesehen hat. Wenn es Tara weiß, dann weiß es mel Bunton auch, und dann ganz Hufflepuff. Also erzähl!”

    “Wir haben mit Dumbledore ein Übereinkommen, Petula”, sagte Bruster.

    “Das schon im Klo gelandet ist”, fauchte Miriam. “Also rückt schon raus, was ihr wißt! Für Dina wäre es besser, wenn sie nicht nur mit Dritthandgeschichten beballert wird.” Sie zog Aurora hinüber zu Dina, die gerade von Rita Swift darüber informiert wurde, daß man Roy in eine Falle gelockt habe und der vielleicht tot sei. Aurora schupste die Shwester von Mortimer zur Seite und stand vor Dina. Diese weinte. Dann sagte Aurora:

    “Dina, was dir Rita da erzählt hat stimmt nur zu einem winzigen Teil. Ja, Roy wurde in eine Falle gelockt. Das waren diese Sabberhexen, die immer schon auf ihn scharf waren. Diesmal haben sie ihn erwischt und das mit ihm angestellt, was sie von ihm wollten. Ich sage dir das deshalb so brutal, weil es nicht harmloser wird, wenn ich dich nur mit abgedrehten Gerüchten allein lasse. Roy lebt und ist jetzt im St. Mungo, weil diese Grünfratzen ihn durch ihre widerlichen Körpergifte von sich berauscht gemacht haben. Aber sie kriegen ihn wieder hin. Das ist schon bekannt, wie sowas passiert und kann geheilt werden. Das waren nur Sabberhexen, keine Vampire oder Succubi. Roy lebt noch und ich hoffe, der kommt wieder ganz in Ordnung.”

    “Diese grünen Monster haben’s mit ihm getrieben?!” Heulte Dina nun völlig aufgelöst. Aurora nickte. Ein Nein wäre genauso grausam wie das Ja gewesen. Sie verstand auch, was nun in dina vorging. Roy war von einer sie anekelnden Kreatur benutzt worden. Falls sie daran gedacht hatte, ihm auch körperlich nahe zu sein, dann würde diese Mannstolle Kreatur zwischen ihnen beiden stehen und Dina auslachen. In Auroras Phantasie klang die hämische Stimme dieser Sabberhexe mit schwarzblauem Haar: “Ich hatte ihn. Er gehörte mal mir. Du kannst ihm das nicht bieten, was ich ihm gegeben habe.”

    Ja, Aurora mochte nachfühlen, was Dina nun durchmachte.

    “Also ein wenig feinfühliger hättest du es ihr schon sagen können”, maulte Bruster. Aurora schüttelte den Kopf.

    “Bruster, mal ist Feinfühligkeit Medizin, mal lähmendes Gift. Das schreibt Professor Dr. Herbregis, die Heilerin aus der Sana-Novodies-Klinik.”

    “Ach, du liest dich schon durch scheinbar intelligente Sprüche von erwachsenen Heilern? Dann Prost Mahlzeit!” Sagte Bruster Wiffle und strich sich verlegen über den FC-Liverpool-Schal, den er immer noch trug. Das Schuljahr lief ja noch.

    Am Abend tuschelten die Schüler an den Haustischen. Die Slytherins blickten mal hämisch grinsend, mal angewidert zum Ravenclaw-Tisch herüber. Das ging eine Viertelstunde lang so, bis Dumbledore aufstand und mit einer Handbewegung um Ruhe bat. Schlagartig fiel ein Mantel aus Stille über alle Tische. Dumbledore sprach:

    “Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Schülerinnen und Schüler von Hogwarts, ja, es ist wahr, daß heute in Hogsmeade eine schlimme Tragödie passiert ist. Die beiden Schüler Tim Abrahams und Roy Fielding sind Opfer paarungssüchtiger Sabberhexen geworden. Offenkundig handelt es sich dabei um eine Sippe, die bereits vor etlichen Jahren die Hände nach minderjährigen oder ungebundenen Schülern ausgestreckt hat. Im Vertrauen darauf, daß Roy Fielding und Tim Abrahams sich gegen diese Kreaturen gewappnet hätten, übersah ich persönlich, daß die fraglichen Kreaturen es nicht nur auf eine intime Handlung mit den Jungen angelegt haben, sondern diese regelrecht für sich vereinnahmen wollten. Wäre mir dies vorher bewußt gewesen, hätte ich die beiden Jungen beschützt und vor diesen Nachstellungen bewahrt. Zum Glück konnten die Schüler Aurora Dawn und Bruster Wiffle rechtzeitig Alarm schlagen, um die beiden Jungen aus der Gewalt dieser Kreaturen zu befreien. Sie sind nun im St.-Mungo-Krankenhaus, um sich von den schweren Beeinträchtigungen ihrer Körper und Seelen zu erholen. Der behandelnde Heiler hat mir bereits mitgeteilt, daß sich ihr Zustand innerhalb der nächsten drei Wochen wieder berappeln wird.” Wieder setzte ein Tuscheln ein. Dann fuhr Dumbledore fort: “Ich persönlich ziehe aus diesem Vorfall drei Konsequenzen: Erstens verfüge ich, daß die sonst sehr kurzweiligen und inspirativen Ausflüge nach Hogsmeade weiterhin genehmigt werden, sofern vorher geklärt wird, welche böswilligen Kreaturen zu welchen Zeiten dort herumlaufen, um die Ausflüge auf Tage zu verlegen, an denen diese Kreaturen nicht dort sind.

    Zum zweiten habe ich angeregt, ein Alarmsystem auf Basis des Frühwarnarmbandes in Hogsmeade einzurichten, das sofort Hilfe anfordert, wenn jemand von den Schülern von einer wie auch immer dort herumlaufenden Kreatur bedrängt wird.

    Drittens werde ich mich morgen früh dem Ministerium und dem Schulrat für eine klärende Aussprache zur Verfügung stellen und auch mein Amt zur Verfügung stellen, sofern mein Rücktritt erwünscht wird. Soviel dazu. Wenn ihr könnt und wollt, esst. Viele von euch sind noch im Wachstum. Also nutzt es bitte aus, reichlich zu essen!”

    Klar konnten viele vor lauter Schwatzen nicht richtig essen. Dina hockte total niedergeschlagen auf ihrem Platz. Manchmal blickte Tonya herüber. Doch Aurora funkelte sie warnend an.

    __________

    Zwei Tage vergingen, in denen die Schüler nur das erfuhren was in der Zeitung stand. Da hieß es einen Tag nach dem Zwischenfall:

    “Schüler werden Opfer gefährlicher Monster in Frauengestalt! Dumbledore bekennt sich zu seiner persönlichen Verantwortung.”

    Dann, am dritten Tag, wenige Tage vor dem Ferienbeginn, kam der Tagesprophet mit der Schlagzeile heraus:

    “Dumbledore von Zauberergamot und Schulrat rehabilitiert. Kein Versäumnis nachzuweisen! Alter ist neuer Schulleiter von Hogwarts.”

    Nicht wenige klatschten. Denn das Dumbledore seine eigene Anstellung hinter dem Wohl von Hogwarts und dessen Schüler zurückgestellt hatte imponierte allen, ja auch einigen Slytherins, die es nicht ungern gesehen hätten, wenn Dumbledore entlassen und noch dazu ins Gefängnis geworfen worden wäre. Als der von aller Schuld freigesprochene Schulleiter am Abend wieder in die große Halle kam, wurde ihm begeistert applaudiert. Er nahm den Applaus mit einer dankbaren Verbeugung hin und kehrte auf seinen Platz zurück.

    “Der ist einfach nur genial”, sagte Mortimer. “Der hat allen den Wind aus den Segeln genommen, die ihn gerne wegen dieser Sache drangekriegt hätten. Dann hat er es so gedreht, daß die Schule und damit er nicht darauf gefaßt sein konnte, weil der Morpuora-Clan selten in der Nähe von Hogsmeade auftaucht. Dann hat er wohl Nachfolger vorgeschlagen, die keiner gewollt hat. Einfach genial.”

    “Das hängt auch damit zusammen, daß Ministerin Bagnold, die ja für eine Entschärfung der Gesetze gegen böse Zauberwesen eintreten wollte, im September sowieso zurücktritt und ein neuer Minister gewählt wird. Man weiß nicht, wer es sein soll”, sagte Bruster.

    “Crouch ist es nicht, nach der Kiste mit seinem Sohn”, sagte Mortimer. “Dann können es noch dieser Cornelius Fudge sein, Madame Bones oder eben Dumbledore. Aber der hat sich mit diesem Selbsthinhänger schön aus der Schlinge gezogen, Minister werden zu müssen. Wenn diese Sabberhexen nicht von sich aus hinter Jungen von uns her gewesen wären, hätte ich fast den Verdacht, Dumbledore hätte das eingefädelt, um sich aus dem Ministeramt herauszuhalten.”

    Dina mußte zu Madame Pomfrey und bekam von dieser Seelenberuhigungstränke verschrieben. Aurora tröstete sie, daß Roy bestimmt nicht untreu geworden sei, weil dieses grüngesichtige Geschöpf ihn ja hatte benebeln müssen. dina wußte nicht, ob das mit Roy wieder so werden würde wie früher. Doch andererseits konnte sie ihm unmöglich vorwerfen, sich darauf einzulassen.

    Dann war da noch der Besuch von Erica Fielding, die zusammen mit einem Ehepaar zu Dumbledore kam. Der Mann trug eine blaue Uniform und wirkte sehr erzürnt, während die Frau sichtlich verängstigt wirkte. Das waren Tims Eltern. Aurora wurde kurz zum Schulleiter gerufen, um Erica und den Abrahams’ zu berichten, was passiert war.

    “Unverschämtheit. Ich habe für meinen Sohn und alle anderen Kinder den Kopf hingehalten, wäre fast von einer argentinischen Mirage vom Himmel geholt worden, um dann, kaum daß ich endlich wieder zu Hause war, zu hören, daß mein Sohn von solchen notsüchtigen Biestern abhängig gemacht wurde, wo Sie, Mr. Dumbledore, angeblich doch so ein mächtiger Zauberer sind, der ja auch diesen Lord Voldemort auf Abstand halten konnte”, tobte Mr. Abrahams.

    “Commander Abrahams, ich verstehe Ihren Zorn und teile ihn sogar, was die Angelegenheit angeht. Aber ich bin nicht allgegenwärtig und halte meine Schüler auch nicht unter ständiger Überwachung”, erwiderte Dumbledore. Aurora fühlte beinahe körperlich, welche Wut diesen sonst so ruhigen Zauberer erfüllte.

    “Wir ziehen unsere Erlaubnis für dieses Höllendorf Hogsmeade zurück”, sagte der Blauuniformierte. Seine Frau nickte. Aurora und Erica grinsten. Immerhin würde Tim ja bald in der weiten Welt herumlaufen und konnte auch anderswo auf Geschöpfe wie Morpuora treffen. Außerdem war er den Zauberergesetzen nach volljährig.

    “Das steht Ihnen frei”, sagte Dumbledore nun lächelnd. Erica Fielding meinte dann noch:

    “Wann können wir die Jungen besuchen?”

    “Sie, Ms. Fielding, können jederzeit mit den Heilern sprechen. In deren Ermessen liegt es, ob sie Sie zu Ihrem Bruder vorlassen oder nicht. Was Sie angeht, Commander Abrahams, Mrs. Abrahams, so sind die Regeln für das St.-Mungo-Krankenhaus sehr strickt und umbeugsam, daß dort keine nichtmagischen Personen hineindürfen, sofern sie nicht als Opfer magischer Krankheiten oder Verletzungen zu Patienten geworden sind”, sagte Professor Dumbledore.

    “Ihre Gesellschaft bangt um ihre Offenbarung, Professor Dumbledore”, schnaubte Tims Vater. “Wollen Sie haben, daß morgen das ganze britische Militär von der Existenz der Zaubererwelt erfährt?”

    “Nein, das will ich nicht. Aber Sie können mich auch nicht erpressen, Commander”, erwiderte Dumbledore. “Erstens bin nicht ich für die Obliegenheiten im St.-Mungo-Krankenhaus zuständig. Zweitens sollten Sie, ein intelligenter Mann, der einen respektablen Rang in der Marine erreicht hat, davon ausgehen, daß sensible Institutionen Ihrer Welt von der Geheimhaltungsüberwachung unserer Welt sorgfältig kontrolliert werden. Riskieren Sie also bitte nicht, in eine Geschlossene Abteilung einer Ihrer Nervenheilanstalten eingewiesen zu werden, weil Sie behaupten, Ihr Sohn sei von grüngesichtigen Hexen, die ohne Besen fliegen, verwünscht und vergewaltigt worden.”

    “Es stimmt, Sir, die haben Agenten in der nichtmagischen Welt”, sagte Erica bestätigend. Commander Abrahams knurrte zwar sehr verärgert, aber wohl eher aus Hilflosigkeit. Erica sagte dann noch: “Ich habe Telefon und kann auch zu Ihnen kommen, wenn ich bei Roy war und vielleicht auch was von Ihrem Sohn mitbekomme. Ich kann ihm auch gerne was von Ihnen geben oder ausrichten.”

    “Dein Mitleid kannst du dir sparen, Mädchen”, schnaubte Tims Vater. Doch seine Frau nickte Erica heftig zu und sagte, daß sie dieses Angebot annehmen würden. Ihr Mann sah sie dann zwar merkwürdig an, doch Mrs. Abrahams blickte ihn sehr entschlossen an. Offenbar mußten der Marineoffizier und die einfache Hausfrau klären, wer in ihrer Familie das Kommando führte.

    “Ich hoffe, Roy und Tim kommen rasch wieder zur Besinnung. Die Therapie ist langwierig, weil die betreffenden Wesen mit ihren Körperflüssigkeiten und Geistesunterdrückungszaubern sehr tief in den Verstand eingedrungen sind”, erläuterte Dumbledore, warum die Behandlung so lange und so von der Außenwelt abgeschirmt verlaufen mußte.

    “Roy muß also deprogrammiert werden, wie jemand, der einer Sekte angehört hat und herausgeholt wurde?” Fragte Erica. Dumbledore nickte.

    “Es ist schlimmer als der Imperius-Fluch, der ja doch irgendwann abklingen kann”, bekräftigte er seufzend. “In der nichtmagischen Welt Pflegt man in einem solchen Fall von Gehirnwäsche zu sprechen. Insofern wird es dauern, die verankerten Gelüste und Unterwürfigkeiten so zu entfernen, daß der frühere Geisteszustand wieder hergestellt werden kann.”

    “Sie hören noch von mir!” Schnaubte der Marineoffizier und winkte seiner Frau, ihm zu folgen.

    “Ich freue mich darauf”, sagte Dumbledore, nun wieder ganz ruhig.

    “Danke, Aurora, daß du meinem Bruder Hilfe besorgt hast. Wenn das keiner mitbekommen hätte, wäre dieses grüne Scheusal wohl sein Leben lang seine Herrin geblieben”, sagte Erica.

    “Ich konnte doch nicht so viel tun, Ms. Fielding”, sagte Aurora. Roys Schwester grinste und meinte:

    “Als ich vor einem Jahr von hier abging hieß ich noch Erica. Ich habe kein Problem damit, wenn du mich auch weiterhin so nennst.”

    “Gut”, konnte Aurora nur dazu sagen. Dann verabschiedete sich Erica von Dumbledore und folgte dem Ehepaar Abrahams, um mit diesem in einem Auto des Zaubereiministeriums zurück nach London zu fahren.

    “Haben Sie keine Angst, daß Mr. Abrahams die Geheimhaltung gefährdet?” Fragte Aurora den Direktor. Dieser schüttelte den Kopf.

    “Seit der Erfindung der Funkübermittlung wissen wir, daß wir noch schärfer aufpassen müssen, daß die Geheimhaltung der Zauberei nicht zunichte gemacht werden kann. Die Zaubereiministerien aller Länder haben ihre Aufpasser und “Feuerwehrleute” in den wichtigsten Einrichtungen wie den Nachrichtendiensten, den Militärs und Polizeibehörden und auch den Universitäten, wo die Frage nach übernatürlichen Ereignissen diskutiert und nach solchen Vorkommnissen geforscht wird. Ich kann dem also sehr sorglos entgegensehen.”

    “Gut zu wissen, Professor Dumbledore. Brauchen Sie mich noch?”

    “Nein, du darfst jetzt wieder gehen”, entließ Dumbledore Aurora sanftmütig lächelnd.

    Am vorletzten Schultag bestellte Madame Hooch die Ravenclaw-Quidditchmannschaft von 1982 in ihr Büro ein. Dort lag ein großes Bild mit allen sieben Quidditchspielern der Erfolgsmannschaft von 1982. Aurora nickte. Jetzt wollten sie also diese Bilder mit ihrem Eigenleben aufwecken. Madame Hooch sagte vorher noch:

    “Unabhängig, was in den letzten Tagen passiert ist werden alle bisherigen Eindrücke von euch auf die Bilder übertragen. Der Zauber ist einfach. Jeder und jede von euch legt nun die rechte Hand auf sein Bild. Ich werde dann den Zauber “Inflato Animam” sprechen, womit das Bild nicht nur gestalterisch, sondern auch charakterlich euer Ebenbild wird. Diese Ehre lasse ich nur denen zukommen, die meiner Meinung nach auch entsprechende Leistungen gebracht haben.”

    Aurora machte den Anfang. Sie suchte ihr gemaltes Selbst, das noch ganz starr und unbeweglich auf seinem Besen über dem Quidditchfeld flog. Sie legte die rechte Hand auf das Bild. Dann fühlte sie, wie Madame Hooch ihren Zauberstab auf dem Bildrand aufsetzte und hörte sie murmeln: “Inflato Animam!”

    Aurora meinte, etwas in ihrem Körper würde sich strecken, prickeln und dann, wie ein warmer Hauch zwischen ihrer auf dem Bild liegenden Hand und dem Gemälde selbst dahinströmen. Auroras gemaltes Wesen erzitterte. Dann streckte sich die gemalte Aurora Dawn von 1982, ihr derzeit gleichwertiges Ebenbild und begann unter der Hand des Originals davonzufliegen, langsam zwar noch aber zielstrebig.

    Alessandro war der Nächste, der ein Fragment seines Selbst in die gemalte Ausgabe von sich überfließen ließ. Dann folgte Ken, dann Karin, den Bruster, Mortimer und zum Schluß Toby Wells, der dieses Jahr ein ausgezeichneter Jäger gewesen war. Als alle sieben Bilder ein Eigenleben besaßen, wurden sie so schnell und beweglich wie ihre Originale, spielten die mit auf dem Bild abgemalten Bälle und freuten sich sichtlich, daß sie lebten. Aurora fand es unheimlich wie ihre gemalte Ausgabe herumflog und die Doppelachsen-Manöver flog. Sie fühlte, daß es irgendwie unheimlich aber auch erhaben war, diese belebte Abbildung von sich in Hogwarts zu wissen.

    “Ist dieses Bild für alle anderen Bilder offen?” Fragte Alessandro. Madame Hooch nickte. Somit konnten die Quidditchspieler früherer Mannschaften sich gegenseitig herausfordern, ja sie konnten auch in andere Bilder von Hogwarts hinüberfliegen.

    Aurora Dawn dachte an Lady Medeas Bild. Ihr gemaltes Ich lebte nun in derselben Welt wie die Hexenlady. Sie hoffte, die beiden würden sich miteinander gut vertragen.

    Nach dieser feierlichen Bildbelebung trafen sich die Quidditchspieler zu einem kleinen Umtrunk in einem stillen Winkel von Ravenclaw. Alessandro Boulder hob sein Glas Butterbier und brachte einen Trinkspruch aus:

    “Auf die Mannschaft von 1982, die beste Quidditchmannschaft, die Ravenclaw in den letzten sechzig Jahren aufgeboten hat!” Alle tranken ihm zu. Da sah Aurora die winzigen Tränen in Alessandros Augen. Sie fragte ihn behutsam, was er habe.

    “Mir ist jetzt erst klar geworden, daß ich übermorgen hier raus muß. Ich habe es sieben Jahre durchgehalten, sogar mit so Leuten wie Snape. Das geht jetzt alles zu Ende. Aber in Madame Hooches Büro hängt jetzt ein Bild, wo ein genaues Abbild von mir drauf ist. Wenn das gutes Öl war, dann kann das in sechshundert Jahren hier noch hängen, vorausgesetzt, die Lehrer nach Madame Hooch werfen keine Bilder weg. Das ist traurig, das sich irgendwann niemand groß an mich erinnern wird, wie ich ab übermorgen leben werde. Aber es ist schön, daß der beste Teil von mir jetzt in Hogwarts ist und da bleibt.”

    Aurora verstand, was Alessandro umtrieb. Sie dachte zwar noch nicht so weit. Doch sie erkannte, daß sie mit dieser Bildbelebung etwas großes geschaffen hatte, das unwichtig wirkte und doch sehr bedeutsam werden konnte. Sie konnte sich auch irren, und niemand interessierte sich nach ihrem Abgang für das Mädchen, daß das Eigenbesenverbot auf den Abfallhaufen der Geschichte geworfen hatte. Sie dachte an Leute wie die Malfoys, an Draco, den sie als Baby gerettet hatte. in zehn Jahren würde er hier eingeschult werden. Würden seine Eltern ihm erzählen, daß sie ihn gerettet hatte? Wie würde er damit umgehen, falls ja? Sie wußte es nicht. Doch vielleicht sollte sie an Ravenclaws im allgemeinen denken, die sich bestimmt gerne erinnerten, daß sie zweimal in Folge den Quidditchpokal gewonnen hatten.

    “Ich bedanke mich bei allen, die mit mir zusammen schon unter Kelvin Hightowers für Ravenclaw gespielt haben. Vielen Dank an euch alle!” Sagte Alessandro noch zum Abschluß. Dann kehrten sie in den Gemeinschaftsraum zurück.

    Am Letzten Schultag verkündete Dumbledore, daß es Roy und Tim wesentlich besser ginge. Allerdings müßten sie noch zwei volle Wochen unter Beobachtung stehen. Dann hielt er die letzte Ansprache des Schuljahres.

    “Wir haben wieder ein Jahr überstanden. Einige werden sagen, überlebt. Ja, das stimmt. Denn am Anfang des Jahres wußte niemand von uns, ob er oder sie auch nur einen Monat mehr überleben würde. Jeder hatte Angst um seine Angehörigen. Roy Fielding, der nun bedauerlicherweise Opfer einer triebhaften Kreatur geworden ist und daher nicht mitfeiern kann, überlebte knapp einen der letzten großen Anschläge des bösartigen Zauberers Lord Voldemort. Von euch haben einige Verwandte verloren, gute Bekannte, die einem das Leben lebenswert gestaltet haben. Dann, als wir alle dachten, die dunklen Tage würden nun nicht mehr enden, rettete uns alle ein Umstand, den niemand, auch ich nicht, voraussehen konnte. Lord Voldemort scheiterte bei einem tödlichen Angriff auf den Jungen Harry Potter und verlor seine Macht. Seitdem sind wir bestrebt, den großen Scherbenhaufen wieder aufzuräumen und uns eine neue, vielleicht friedlichere Welt, aufzubauen. Daß wir dabei auch vom Friedenswillen der Muggel abhängig sind hat die Zeit zwischen April und Juni gezeigt. Die reinblütigen Zauberer werden es nicht mitbekommen haben, aber unser Land lag mit einem anderen Land im Krieg und hätte viele tausend Männer verlieren können. Das es dort draußen, in der nichtmagischen Welt immer noch Kriege gibt und sehr bedrohliche Waffen, die unseren Planeten restlos entvölkern können, sollte auch uns Zauberern und Hexen immer klar vor Augen stehen. Es ist an uns, den Frieden in uns selbst zu bewahren, um den Frieden um uns herum nicht zu gefährden. Dabei spielt es keine Rolle, welche Abstammung jeder hier hat. Eine friedliche Welt, in der nicht Angst und Mord, sondern Hoffnung und Lebenserhaltung die Welt in Bewegung halten, ist ein Traum, der sich vielleicht niemals erfüllt. Doch je mehr ihn träumen, desto schwächer wird dieses Niemals werden.

    Ich habe nun, nachdem wir alle dieses grausame, aber auch allen Glauben an die Macht der Hoffnung zurückbringende Jahr vollenden, die wunderbare, traditionelle Aufgabe, den Gewinner des diesjährigen Hauspokals zu verkünden.” Dumbledore gönnte sich eine kurze Pause. Dann sprach er weiter: “Für Hufflepuff sieht es dieses Jahr mit dreihundertfünfzig Punkten besser aus als oft zu vor. Ihr könnt es immer noch schaffen!

    Das Haus Slytherin hat sich dieses Jahr durch einen sehr unrühmlichen Zwischenfall selbst die Schuld an der für seine Verhältnisse kleinen Punktzahl von dreihundertachtzig Punkten zuzuschreiben.” Alle jubelten. Denn nun würde es wie im Finale zwischen Ravenclaw und Gryffindor ausgehen.

    “Zwischendurch war es ein regelrechtes Wetterhäuschenspiel. Mal führte Gryffindor, mal Ravenclaw. Doch heute ist es eindeutig. Gryffindor hat vierhundertzwanzig Punkte gewonnen.” Die Gryffindors klatschten Beifall, jubelten aber nur verhalten.

    Das Haus Ravenclaw hat dieses Jahr durch überragende Quidditchleistungen, sowie die Hilfe einiger seiner Schüler bei der Entscheidung um die Eigenbesenzulassung, sowie überragende Leistungen in der Schule 590 Punkte gewonnen und ist damit Sieger des diesjährigen Hogwarts-Hauspokals!” Nun war es amtlich. Die Ravenclaws hielten nicht mehr an sich. Sie feierten ihre Heldinnen und Heldenund klatschten weiterhin beifall. Aurora sah auf die Wand über dem Lehrertisch, die von einm Banner überdeckt wurde, auf dem der bronzefarbene Ravenclaw-Adler prangte. Jetzt war es wieder soweit. Sie hatte hier entscheidende Dinge erlebt, shöne und schlimme. Doch jetzt war das Jahr um, und Aurora Dawn hatte ein zweites Mal den Quidditchpokal erringen können. Sie dachte kurz an Roy, der nun im St.-Mungo-Krankenhaus lag, weil sie nicht schnell genug hatte helfen können. Ja, sie wollte anderen Menschen helfen. Das erkannte sie jetzt als ihre eigentliche Bestimmung.

    Tags drauf kehrten die Schüler zu ihren Eltern zurück. Am Morgen noch hatte Lissy Wright Aurora einen Brief mit einem fünfzackigen Drachen unter die Nase gehalten.

    “Die hat’s tatsächlich getan. Die holen mich nach Thorntails”, hatte Lissy verächtlich gesagt. Aurora hatte nur gesagt, daß sie dort bestimmt besser lernen könne.

    Sie verabschiedete sich von Alessandro und den anderen Quidditchkameraden, ließ es sich sogar nicht nehmen, den Hawkins-Zwillingen viel Glück, Erfolg und Spaß in der Neuen Heimat zu wünschen.

    Als ihre Mutter sie am Bahnhof Kings Cross abholte, freute sich Aurora schon auf die Ferien. Sie würde sie zum Teil an einem Ort verbringen, von dem sie bis dahin nichts außer dem Namen gehört hatte, beziehungsweise, daß es dort vor etlichen Jahrhunderten etwas wie eine dunkle Lady, eine böse Matriarchin gegeben hatte. Was würde ihr die Kräuterkundekonferenz in Millemerveilles bringen? Würde es schön interessant sein oder schrecklich langweilig? Allein diese Frage weckte in Aurora eine herrliche Anspannung.




















































































































































































































































































































































































































































































































































































































































































































































































    BARTEMIUS CROUCH JUNIOR BETEILIGT AN
    GRAUSAMER FOLTERUNG AN BELIEBTEM MITGLIED DES AURORENKORPS

    Aurora las den unter diesen seitenüberspannenden Schlagzeilen
    stehenden Artikel, wobei sie große Augen bekam.

    “Vor zwei Tagen wurden vier
    offenkundige Helfer dessen, dessen Name nicht genannt werden darf,
    nach einer wilden Verfolgungsjagd und hartem Kampf festgenommen, die
    als diejenigen erkannt worden waren, das Ehepaar Frank und Alice
    Longbottom grausam gefoltert zu haben. Die vier Verbrecher sind das
    Ehepaar Bellatrix und Rodolphus Lestrange, sowie Rabastan Lestrange
    und der einzige Sohn des hochverehrten Mr. Bartemius Crouch, der
    denselben Vornamen trägt. Es war ein heftiger Schock für
    Mr. Crouch Senior, als er die Nachricht von der Verhaftung seines
    Sohnes erhielt. Allerdings, so teilte er Ministerin Bagnold und dem
    Tagespropheten mit, würde er absolut keine Gnade walten lassen.
    Sein Sohn sei für ihn gestorben, so seine voller inbrünstiger
    Verachtung getätigte Aussage.

    Die Lestranges und Bartemius Crouch
    Junior wurden vor dem Zauberergericht angeklagt, die Folterung der
    Longbottoms mit dem unverzeihlichen Cruciatus-Fluch begangen zu
    haben. Die Longbottoms ertrugen die andauernde Pein nicht lange und
    verloren den Verstand. Zur Zeit befinden sie sich in der Obhut der
    Heiler im St.-Mungo-Krankenhaus. Ob sie überhaupt genesen können
    wolten oder konnten die zuständigen Heiler nicht bestätigen.

    Die Lestranges wirkten bei der
    öffentlichen Verhandlung überlegen und von der Richtigkeit
    ihrer Tat überzeugt. Ihnen sei es wohl darum gegangen, den
    Aufenthalt dessen, dessen Name nicht genannt werden darf, aus den
    Longbottoms herauszufoltern, um dem Unnennbaren zu helfen, seine alte
    Macht zurückzuerlangen, die er bei dem Versuch, Harry Potter zu
    töten, nahezu vollständig verlor.

    Bartemius Crouch Junior bestritt seine
    Beteiligung an der Tat und flehte seinen Vater an, ihm Gnade zu
    erweisen. Doch Mr. Crouch Senior machte seine Ankündigung wahr
    und ließ sich vom Flehen des jungen Zauberers nicht erweichen.
    Alle vier wurden gemäß den Gesetzen zum Gebrauch
    unverzeihlicher Flüche an Mitmenschen zu einer lebenslänglichen
    Haft in der Feste von Askaban verurteilt und den dort wachenden
    Dementoren übergeben.

    Wir und alle unsere Leserinnen und
    Leser müssen uns die bange Frage stellen, wie lange die düstere
    Epoche dessen, dessen Name nicht genannt werden darf, unsere Welt
    noch in Angst und Schrecken halten wird. Zumindest aber werden jene,
    die gefaßt werden, mit der ihren Untaten angemessenen Strafen
    belegt.

    Nach der Verhandlung zog sich Mr.
    Crouch einstweilen in sein Privathaus zurück und legte fest, daß
    niemand ihn wegen was auch immer zu behelligen habe. Seine Frau, die
    zur Zeit an einer schweren Krankheit leidet, wirkte nach der
    Verhandlung gänzlich am Boden zerstört. Wahrscheinlich wird
    Bartemius Crouch sich nun intensiver um sie kümmern.”

    “Warum können es diese Leute nicht einfach einsehen, daß
    ihr dunkler Meister nicht mehr da ist und uns anständige Leute
    in Ruhe lassen?” Knurrte Aurora Dawn und faltete ihre Ausgabe
    des Tagespropheten zusammen. Sie dachte daran, daß dort draußen
    immer noch Helfer dieses unmenschlichen Hexenmeisters herumliefen,
    die immer noch meinten, in dessen Namen handeln zu müssen. Warum
    konnten die nicht einfach aufhören und friedlich weiterleben?
    Mußte man sie erst fangen oder töten, bis sie es einsahen?
    Aurora wußte es nicht.

    __________

    Tim Abrahams’ Laune wurde nicht besser, als die Ferien wieder zu
    Ende waren. Es stand nun fest, daß Großbritannien keine
    Scheu vor dem Krieg mit Argentinien hatte. Als Roy und die anderen
    Muggelstämmigen Mitschüler wieder zurückkehrten, war
    der Falklandkrieg, wie ihn die Muggelreporter in den Fernsehkästen
    und deren Radios und Zeitungen nannten, schon in vollem Gange. Roy
    fragte einmal:

    “Haben die auf diesen Eisfelsen Öl gefunden oder Uran
    oder was?”

    “Das ist wohl eine Sache des Prinzips, Roy”, knurrte Tim
    zurück, als sie alle in der großen Halle beim Abendessen
    saßen. Vivian Acer sagte noch:

    “Man kann sich das gar nicht so recht vorstellen, daß
    die sich um so Inseln kloppen, die mehr als zehntausend Kilometer von
    hier weg sind. Da sterben Menschen für nix und wieder nix.”

    “Kannst du so nicht sagen, Vivian. Immerhin zeigt England,
    daß es immer noch die Wogen beherrscht, wo den Amerikanern und
    Russen ja schon der Weltraum gehört”, feixte Roy.

    “Schwachkopf!” Fauchte Tim. Daß sein eigener Vater
    gerade mittendrin in diesem an sich unverständlichen Geschehen
    war, machte ihm Angst, die ihn wiederum wütend machte.

    “Roy, das war jetzt fies”, sagte Dina Murphy, die rechts
    von Roy saß, womöglich um allen zu zeigen, wie wichtig er
    für sie war. “Tims Vater wollte da bestimmt nicht hin und
    macht das nur, weil jemand es dem befohlen hat. Also rede nicht so
    daher!”

    “Eh, daß ist doch die Meinung in England, sich von
    diesem Land noch auf der Nase herumtanzen zu lassen. Ist ja im
    Fußball schon schlimm genug.”

    “Haha, Roy. Am besten wird dieser Krieg in einem
    Fußballturnier entschieden oder was?” Schnaubte Tim
    Abrahams.

    “Das ist sowieso Unfug zu glauben, daß Britannien die
    Meere beherrscht. Noch idiotischer ist der Unfug, den Weltraum
    erobern zu wollen oder zu behaupten, das schon getan zu haben”,
    warf Geoffrey ein. Tim nickte widerwillig. Ihm schmeckte das Thema
    nicht und drohte darüber hinaus, ihm noch den Appetit zu
    verderben. Deshalb sah er Alessandro an und fragte ihn, wann er mit
    ihm für die UTZ-Stunden bei Flitwick üben konnte.
    Alessandro nutzte diese Frage, um die Quidditchmannschaft darauf
    hinzuweisen, daß sie am nächsten Samstag wieder trainieren
    würden.

    “Ich hoffe sehr, daß mit deiner Besenerlaubnis macht
    uns nicht den Pokal streitig, Aurora”, grinste Alessandro.

    “Was mich angeht bestimmt nicht, Alessandro”, grinste
    Aurora überlegen zurück.

    “Denkt ihr, die Gryffindors ließen sich das entgehen,
    den Pokal zu holen, wenn sie auch auf besseren Besen fliegen können?”
    Fragte Miriam Swann.

    “Die können alle die Nimbus-Besen haben oder noch ältere
    Krücken als wir bisher fliegen mußten, Miriam”, sagte
    Mortimer. “Ob die den Pokal kriegen hängt ganz an uns.”

    In zwei Wochen wissen wir’s”, sagte Petula Woodlane
    entschlossen. “Aber wir werden dich nicht zerfluchen, Aurora,
    wenn ihr den Pokal nicht verteidigen könnt. Da hängt ja
    doch viel Glück an so einem Spiel dran.”

    “Genau”, sagte Aurora Dawn. “Also sollten wir
    vorher noch etwas trainieren, damit wir zumindest so gut spielen
    können wie möglich.”

    “Du läufst dich schon warm, Alessandros Nachfolgerin zu
    werden, was, Aurora?” Flachste Roy Fielding.

    “Darüber reden wir erst im nächsten Jahr”,
    sagte Aurora und sah Bruster und Mortimer an.

    Die nächste Woche war bereits ein Vorgeschmack auf die
    anstehenden Prüfungen. Professor Flitwick ließ sie im
    Unterricht komplizierte Illusionszauber und Klangkerker,
    Schallschlucker und Schweigezauber üben. Einmal schaffte es
    Aurora, statt eines ockergelben Klangkerkers einen purpurroten
    Schimmer auf Boden und Decke zu legen, der den Schall im Raum immer
    wieder verstärkte, sodaß alle Schüler sich die ohren
    zuhalten mußten, weil selbst ein Flüstern zu einem immer
    lauteren und dabei schrill klirrenden Geräuscheansturm wurde.
    Erst als Flitwick die Tür öffnete und mit lautem Knall die
    rote Lichtauskleidung verschwand, kehrte der normale, sich an die
    Gesetze der Physik haltende Raumklang wieder ein.

    “Hui, den Effekt kannte ich noch nicht”, keuchte der
    kleine Zauberer mit dem weißen Haar. “Wie haben Sie den
    hinbekommen, Ms. Dawn?”

    “Ich habe den Zauber gesprochen, wie Sie uns den beigebracht
    haben und versucht, an etwas völlig lautloses zu denken, bei mir
    war es der Vollmond. Aber irgendwie muß ich dabei auf Klatscher
    beim Quidditch gekommen sein. Hmm, weil ich wohl über das
    Nachtspiel der letzten Weltmeisterschaft nachgedacht habe.
    ‘tschuldigung, Professor Flitwick.”

    “Interessant. Klatscher beim Quidditch fliegen immer hin und
    her, wenn sie nicht weggeschlagen oder gezielt auf jemanden umgelenkt
    werden”, sagte der Zauberkunstlehrer etwas ungehalten
    dreinschauend. Roy meinte, das habe sich angehört wie eine total
    übersteuerte Tonanlage, wo eine Rückkopplung auftritt, wenn
    man das was ein Mikrofon aufnimmt, aus in dessen Nähe stehenden
    Lautsprechern widergibt.

    “Das wird es wohl gewesen sein, Mr. Fielding. Der Schall
    wurde nicht einfach nur zurückgeworfen, sondern dabei immer
    wieder vervielfacht. In dem engen Raum wirkte sich das sofort als
    gefährliche Überlastung für die Ohren aus”,
    stimmte Flitwick dem zu. “Ich mag mir nicht vorstellen, was
    geschehen wäre, wenn ich die Tür eine minute später
    geöffnet hätte. Entweder hätte es unsere Gehirne
    zerrissen und / oder den Klassenraum zertrümmert. Das beweist
    wieder, daß Disziplin beim Zaubern oberstes Gebot ist. Der
    Klangkerker muß von jedem, der ihn aufruft, in völliger
    äußerer und innerer Stille gewirkt werden. An den Mond
    oder den lautlosen Sternenhimmel zu denken ist an sich schon sehr
    sehr gut. Aber diese Gedanken müssen solange aufrechterhalten
    werden, bis der Klankerker etabliert ist. Leider gibt es auch unter
    den vollständig ausgebildeten Hexen und Zauberern immer noch
    welche, die dies nicht sonderlich beachten, daß um sie herum
    keine unregelmäßigen Geräusche sein dürfen und
    sie selbst an etwas völlig geräuschloses denken müssen.
    – Versuchen Sie es bitte noch einmal, Ms. Dawn!”

    Aurora entspannte sich und dachte kurz nach, wie gut sie einen
    prallen, silberweißen Vollmond über sich stehen sehen
    konnte, bevor sie “Sonorincarcere” murmelte. Keiner sagte
    was oder machte irgendwelche anderen Geräusche. Ockergelbes
    Licht fiel aus Auroras Zauberstab und bestrich die Wände, den
    Boden und dann die Decke. Dann kleidete ein korrekter ockergelber
    Schimmer alles aus, was den Klassenraum nach außen begrenzte.
    Der Klangkerker stand nun sicher und würde keinen noch so
    kräftigen Laut nach außen dringen lassen, bis auf
    natürliche Weise eine Öfnnung des damit bezauberten Zimmers
    geschaffen wurde. Flitwick nickte, sagte einige Worte um zu beweisen,
    daß der übliche Hall im Raum nicht verändert worden
    war und machte wieder die Tür auf. Sofort erlosch die
    durchsichtige Lichtauskleidung. Der Klassenraum erschien nun so wie
    sonst.

    “Ich denke nicht, daß man bei den ZAG-Prüfungen
    diesen Zauber von Ihnen verlangt, zumal ja in der großen Halle
    mehrere Prüflinge gleichzeitig zaubern und erläutern
    müssen”, sagte Professor Flitwick. “Aber zumindest
    sollten Sie alle damit vertraut sein, wie er aufzurufen ist und
    welche Schwierigkeiten es dabei geben kann.”

    Am Ende der Stunde vergab er noch fünfzehn Punkte für
    Ravenclaw. Auroras Fehlschlag hatte fünf Punkte Abzug
    eingebrockt, weil Flitwick klarstellen wollte, daß in der
    Zauberei keine abschweifenden Gedanken aufkommen durften. Dina, die
    zwar auch den Klangkerker zu zaubern versucht hatte, mußte sich
    damit abfinden, daß sie wohl trotz gewisser Fortschritte mit
    der direkten Zauberei immer noch sehr große Probleme hatte.

    Bei Professor McGonagall war es nicht viel leichter. Sie ließ
    größere Tiere verschwinden oder verlangte schnell
    aufeinander folgende Verwandlungen. Dina verpatzte dabei jede Übung,
    weil sie entweder den Zauberstab nicht richtig führte oder einen
    Spruch zu hastig aussprach. Ein Frosch, der zu einer Maus werden
    sollte, löste sich in eine grüne Nebelwolke auf, die sich
    innerhalb einer Sekunde zu zwanzig laut quakenden Fröschen
    verdichtete, die keine vier Sekunden später zerplatzten, wieder
    zu Nebelwölkchen wurden und dann als vierhundert Frösche
    auftauchten.

    “Um himmels Willen, Ms. Murphy!” Schrillte Professor
    McGonagall. Dann schwang sie den Zauberstab: “Terminato
    Catenamutans!” Es blitzte grellblau auf, machte vielfältig
    plopp, und von der Decke viel ein einziger Laubfrosch herunter.

    “Eh, Dina, du hast gerade eine Klonkette heraufbeschworen”,
    ächzte Roy kreidebleich wie die anderen.

    “Mr. Fielding, noch spricht nur, wer von mir aufgefordert
    wird”, herrschte Professor McGonagall den Freund Dinas an. Dann
    sagte sie: “Ich weiß es bei Ihnen immer noch nicht, wie
    Sie es anstellen, aus einer an sich klar vorherberechenbaren
    Verwandlungsaktion ein heilloses Chaos heraufzubeschwören, Ms.
    Murphy. Eine ununterbrochene Vervielfältigung des
    Ausgangsobjektes habe ich bisher nur in Büchern über dunkle
    Experimente mit Lebewesen gekannt. Vielleicht können Sie mir
    helfen, zu verstehen, wie es zu diesem Vorfall kommen konnte.”
    Dabei sah sie Dina so unerbittlich an, als hinge von deren Antwort
    ihr Leben ab. Dina, eingeschüchtert bis zum äußersten,
    blickte auf ihren Tisch und wimmerte:

    “Ich habe doch nur den Verwandlungszauber aussprechen wollen,
    wie Sie ihn uns hier beigebracht haben. Ich dachte an Mäuse,
    damit der Frosch sich in eine Maus verwandelte.”

    “Wie viele Mäuse?” Fragte die Lehrerin harsch.

    “Bei jedem Wort eine”, wimmerte Dina.

    “Na wunderbar”, fauchte Professor McGonagall entrüstet.
    “Die Zauberformel besteht aus sieben Wörtern. Sie haben
    also sieben erwachsene Mäuse im Zusammenhang mit einer die
    Materie verändernden Zauberstabbewegung im Kopf gehabt. Offenbar
    haben Sie durch diese Aktion eine für Mäuse natürliche
    Vermehrungsrate aufgezwungen, sieben Generationen von Mäusen.
    Was sowas bewirkt haben wir sehen können. Der Frosch hat sich
    nicht verwandelt, sondern andauernd vermehrt, in seine
    Lebenseinheiten aufgelöst und wieder vermehrt. – Wie nannten Sie
    das, Fielding? Klonkette? Mir sind die Machenschaften der sogenannten
    Heilkundler und Erforscher der lebendigen Natur Ihrer früheren
    Lebenswelt bekannt, Mr. Fielding. Die nichtmagischen Wissenschaftler
    versuchen sich darin, künstlich Lebewesen zu verändern oder
    zu vervielfältigen. Ob das wirklich dem Guten dient bezweifel
    ich. Jedenfalls haben Sie damit recht, daß durch den
    aufgezwungenen Vervielfältigungsdrang völlig identische
    Mehrlinge dieses Frosches entstanden. Allerdings konnte ich durch die
    Unterbrechung der Verwandlungsabfolge alle magisch generierten
    Duplikate verschwinden lassen. Ich bin froh, daß dieser Zauber
    wirklich funktioniert hat. Ich fürchte, Ms. Murphy, ich muß
    Sie dafür nachsitzen lassen und Ravenclaw Ihretwegen zwanzig
    Punkte abziehen, damit Sie es endlich herausbekommen, Ihre magischen
    Energien und Gedanken zu kontrollieren, bevor Sie bei den Prüfungen
    ein ähnliches Unheil anrichten.”

    “Klar, wo Gryfindor gerade noch dreißig Punkte hinter
    uns liegt”, grummelte Roy Fielding halblaut, aber nicht leise
    genug für die Lehrerin.

    “Wie bitte?! Wiederholen Sie dies bitte für alle
    deutlich hörbar, Mr. Fielding!” Schnarrte Professor
    McGonagall unheilvoll.

    “Das war nichts wichtiges”, sagte Roy mit rotem Gesicht.

    “Finde ich schon. Aber da Sie es vorziehen, unwichtige Sachen
    im Unterricht zu murmeln muß ich es eben selbst widergeben, was
    Sie da gerade gegrummelt haben. Sie unterstellten mir, ich würde
    Ravenclaw Punkte aberkennen, um meinem Haus einen Vorteil im
    Wettbewerb zu verschaffen. Das habe ich doch richtig verstanden,
    oder?”

    “Öhm, nicht so direkt”, stammelte Roy als ertappter
    Missetäter.

    “Nun, dann erklären Sie uns bitte, wie Sie es wirklich
    gemeint haben, daß ich die notwendige Mindestpunktzahl für
    eine notwendige Strafarbeit abzog, weil Gryffindor gerade noch
    dreißig Punkte hinter Ravenclaw liegt.”

    “Nicht nötig, ich nehme das zurück”, sagte Roy
    rasch. Doch damit konnte er Professor McGonagalls Mißfallen
    nicht beseitigen. Sie zog Ravenclaw noch einmal zwanzig Punkte wegen
    Respektlosigkeit und Ungehorsam ab und verdonnerte Roy dazu, einen
    Tag nach Dina bei ihr zum Nachsitzen anzutreten.

    “Ihre Schwester war eine sehr gute Verwandlungsschülerin.
    Es wird Ihnen nicht schaden, wenn Sie vor den Prüfungen etwa ihr
    Niveau erlangen werden.”

    Roy erbleichte. Offenbar ging ihm der Anschlag auf das
    Kreuzfahrtschiff durch den Kopf, wo seine Schwester ihn in ein
    Taschentuch verwandelt hatte und er trotzdem alles mitbekommen hatte,
    was um und mit ihn angestellt wurde. Er sagte jedoch keinen weiteren
    Ton mehr.

    Snape, ohnehin schon sehr gemein zu den Schülern, ließ
    sie alle miteinander spüren, daß er bestimmt keinen in
    seinen UTZ-Kursen haben wollte, der nicht eine halbe Bibliothek
    Zaubertrankbücher verschlungen und sich wie er diesem Fach mit
    Leib und Seele verschrieben hatte. Selbst Dina und Aurora konnten es
    nur ihrer Beharrlichkeit verdanken, daß sie die einzigen in der
    Klasse aus Ravenclaws und Hufflepuffs waren, die zumindest noch ein A
    für akzeptabel bekamen, während die anderen mit M oder
    niedriger abschnitten.

    “Ich helfe euch dabei, euch vor den Prüfungen darüber
    klar zu werden, ob die Zaubertrankbraukunst was für euch ist
    oder ihr besser die Finger davon lassen solltet. Bei allem schuldigen
    Respekt vor meiner Vorgängerin, sie hat euch alle nur dazu
    anhalten wollen, die Prüfungen zu schaffen. Ich dagegen will
    haben, daß ihr wißt, was Zaubertrankbraukunst verlangt,
    welche Probleme sie bereiten kann, wenn jemand nichts damit
    anzufangen weiß und daß es nicht darum geht, Prüfungen
    zu bestehen, sondern seine oder ihre Berufung zu erkennen. Also wagt
    ja nicht, euch zu muckieren, weil die Mehrheit von euch hier und
    heute erkennen muß, daß das Brauen von Zaubertränken
    nichts für ihn oder sie ist. Das erspart euch viel Ungemach in
    der Zukunft”, sagte Snape, wobei er sich in eine erhabene Pose
    warf und scheinheilig lächelte.

    Nach der Stunde machten sich Roy und Mortimer Luft. Bruster, als
    Vertrauensschüler und haarscharf um einen Rauswurf
    herumgekommener Mitschüler zu mehr Selbstbeherrschung
    verdonnert, stapfte nur grimmig dreinschauend hinter seinen
    Klassenkameraden her.

    “Dieser Schweinehund tut so, als sei er der einzige Lehrer,
    der uns was gutes will”, fauchte Roy. “Dabei will der uns
    alle mit Gewalt aus seinem Unterricht, am besten noch von Hogwarts
    runterekeln. Ich weiß doch schon jetzt, daß ich nach
    Hogwarts keine Zaubertränke mehr brauche. Schon gar nicht, wenn
    ich dann immer wieder diesen Hakennaserich auf irgendwelchen
    Zusammenkünften treffen müßte. Ich verzichte doch
    freiwillig auf seinen Unterricht, sobald die ZAGs durch sind. Die
    anderen denken bestimmt auch so.”

    “Wenn der so weitermacht gibt der nur noch Zaubertränke
    in den Klassen eins bis fünf”, sagte Bruster. “Wenn es
    das ist, was der will, dann soll er das doch so machen, Roy. Ich habe
    mich eh schon orientiert, was ich nach Hogwarts brauche”, sagte
    Mortimer. “Mein Dad will mir einen Posten im Tierwesenbüro
    in der Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe
    freihalten, wenn die UTZs entsprechend sind. Da werde ich Snapes
    Gepansche nicht mehr brauchen. Überlasse ich das doch denen, die
    damit verheiratet sind wie Dina oder Aurora.”

    “Ach ja, Mortimer? Du hast recht, das Fach an sich ist viel
    zu interessant, als das Leute wie Snape es mir madig machen können.
    Außerdem muß ich noch was überdenken, wo ich dieses
    Fach bestimmt brauchen werde. Aber dazu sage ich jetzt nicht mehr als
    nötig.”

    “So, Aurora”, grinste Roy Fielding. “Dein Ding”,
    sagte er noch. Aurora Dawn nickte heftig und zog mit Petula, Miriam
    und Dina zur Mädchentoilette davon, dem einzigen Ort, wo sie vor
    wütenden Jungen geschützt über dieses oder jenes reden
    konnte, was ihre Zukunftspläne anging.

    Das Training der Ravenclaw-Hausmannschaft verlief rasant und
    teilweise sehr halsbrecherisch, weil jeder, der einen neuen Besen
    flog, dessen Handhabung noch nicht richtig raushatte oder sich nicht
    an die eigenen Grenzen halten wollte. Mortimer wäre dabei fast
    gegen einen der Torringe geprallt, als er einem Quaffel nachgesetzt
    hatte, der von Aurora schier unhaltbar zum Torraum geschossen worden
    war.

    “Mist, fast hätte es mich am Pfosten zerbröselt”,
    schimpfte er, als er schreckensbleich gelandet war und seinen Komet 2
    / 40 begutachtete.

    “Du hast dich zu schnell herumgeworfen, Junge. Der Besen
    spricht schneller auf Lageänderungen an”, sagte Alessandro
    Boulder. “Die alten Krücken waren sperriger. Bei dem Komet
    mußt du nicht mehr so heftig steuern, vom Nimbus ganz zu
    schweigen.”

    “Ja, aber Aurora hatte die ganzen Ferien Zeit, den Besen hier
    zu testen. Meine Eltern wollten ja nicht, daß ich zu Hause
    richtig trainiere”, protestierte Mortimer.

    “Keine Ausreden, Bursche! Du lebst noch, dein Besen auch,
    also mach dich richtig vertraut damit!” Versetzte Alessandro und
    zirkelte wie wild vor dem Torraum herum, weil immer noch die beiden
    Klatscher unterwegs waren.

    “Ihr da oben, kuckt mal runter, ohne zu landen!” Rief
    Madame Hooch, als die Mannschaft wieder vollzählig flog. Sie
    sahen rasch hinunter, wo gerade vier klobige Kameras auf dreifüßigen
    Stativen nach oben wiesen und rote Qualmwolken ausspien.

    “Eh, was wird denn das?” Fragte Alessandro, als er von
    den ihn und die anderen fotografierenden Zauberern irritiert fast in
    einen Klatscher hineingeflogen wäre.

    “Wir machen Fotos der Mannschaften, die einmal in der
    Schulzeit mindestens eines Schülers einen Pokal gewonnen haben”,
    sagte Madame Hooch und winkte sie alle hinunter.

    “Das ist bei mir so Tradition geworden, erfolgreiche
    Mannschaften als von Fotos abgemalte Portraits in meinem Büro
    aufzubewahren, wenn mindestens ein Mitglied im letzten Schuljahr ist
    und der Pokal einmal gewonnen wurde. Das ist sozusagen eine
    Bilderchronik der Quidditchmannschaften in Hogwarts”, sagte die
    Fluglehrerin.

    “Achso. Aber wir alle hätten vorher gefragt werden
    sollen”, wandte Alessandro ein. “Gerade in der Zaubererwelt
    ist das Recht am eigenen Bild besonders wichtig, weil ja die Fotos
    nicht nur das momentane Bild, sondern auch die momentane Gefühlslage
    und Verhaltensweisen des Fotografierten festhalten.”

    “Das Recht haben wir nur, solange wir nichts öffentliches
    machen, Alessandro. Wenn wir Quidditch spielen ist das was, das alle
    angeht oder interessiert. Die Schulordnung gestattet die Aufbewahrung
    erfolgreicher Schüler und Lehrer, die sich in irgendeiner Weise
    um Hogwarts verdient gemacht haben”, wußte Aurora Dawn.
    Bruster nickte. Das stand in der Schulordnung drin und war nicht
    abzustreiten.

    “Ja, aber trotzdem hätten Sie uns vorher bitte fragen
    sollen, ob wir das gut finden”, beharrte Alessandro darauf,
    nicht ungefragt fotografiert zu werden. Karin Meridies lächelte
    nur und meinte:

    “So schlecht siehst du nicht aus, Alessandro, daß du
    Angst vor Hohn und Spott haben müßtest.”

    “Da geht es nicht drum, Karin”, knurrte Alessandro. “Das
    Bild eines Menschen ist wie sein Körper sein ganz persönliches
    Gut, über das er selbst entscheiden muß, was er damit
    anfängt. Aber ich sehe schon, wir sind berühmt, also müssen
    wir auch für die Nachwelt festgehalten werden”, resignierte
    er und sah dabei Madame Hooch an. Diese lächelte jedoch und
    meinte:

    “Ihr könnt den Bildern von euch ja noch eure ganz eigene
    Lebendigkeit mitgeben, wenn die Umsetzung von Foto auf Ölbild
    geklappt hat. Das wird von jetzt an in zwei Monaten passiert sein.”

    “Was, ölbilder, keine Papierbilder? Genial. Alessandro,
    wenn die das macht, haben wir ja gemalte Agenten in der Galerie von
    Hogwarts”, sagte Ken Dasher.

    “Haha, Ken, lustig”, knurrte Alessandro nur. Doch dann
    gab er es endgültig auf, sich darüber zu beschweren. Er
    forderte seine Mannschaft auf, noch einmal die gängigen
    Spielzüge zu proben.

    Eine Stunde später traten die Gryffindors zum Training an,
    dem letzten vor dem großen Finale. Eunice und andere ältere
    Schüler aus Gryffindor standen Wache, um Spionage und einen
    neuen Angriff auf die Mannschaft zu vereiteln.

    Als Aurora umgezogen im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws eintraf
    stürzte Lissy Wright mit wutrotem Gesicht auf sie zu. Aurora
    verzog das Gesicht. Welcher Klassenkamerad von der hatte sie wieder
    geärgert oder ihren Stolz angeknackst?

    “Du warst das wohl, die mir diesen Mist eingebrockt hat”,
    schnaubte Lissy. Mit ihrem amerikanischen Akzent klang das eher
    lustig als bedrohlich, fand Aurora.

    “Bitte was, Lissy?”

    “Du hast meiner Gran geschrieben, daß ich mich hier
    nicht benehmen kann. Jetzt hat die mir geschrieben, daß sie
    sich persönlich drum kümmern wird und mit meinen Eltern
    quatscht, ob ich hier anständig lerne oder nicht.
    Unverschämtheit!”

    “Unverschämtheit? Du hältst mich für
    unverschämt”, fauchte Aurora und deutete mit einer wilden
    Armbewegung auf einen freien Tisch. Lissy verstand, daß sie
    sich setzen sollte und warf sich zornig auf einen der freien Stühle.
    Aurora ließ sich ruhig, beinahe erhaben, auf einen Stuhl ihr
    gegenüber nieder und sah die zwei Jahre jüngere
    Mitschülerin sehr genau an.

    “Ja, Unverschämtheit”, fauchte Lissy. “Meine
    Eltern denken jetzt, ich würde hier nix lernen und nur meine
    Klassenkameraden runtermachen. Wegen diesen Nixkönnern und
    deinem Mistbrief stehe ich jetzt wie die letzte Idiotin da.”

    “Oh, Elizabeth, das denken deine Eltern bestimmt nicht. Ich
    glaube eher, die fragen sich, ob du weißt, wo dein Platz hier
    in Hogwarts ist”, sagte Aurora ganz ruhig. “Und was die
    Unverschämtheit angeht, die du mir vorwirfst, daß du dich
    ständig mit deinen Klassenkameradinnen streitest, weil sie
    deiner Meinung nach nicht so gut mitkommen wollen wie du, daß
    du sie wie die letzten Idiotinnen behandelst und dich ihnen immer als
    überlegen aufspielst, das ist eine Unverschämtheit.”
    Sie fixierte Elizabeth Wright so heftig, als wolle sie sie gleich
    angreifen. “Es wurde Zeit, daß ich das jemandem schrieb,
    vor dem du zumindest noch einen gewissen Respekt hast. Genau das habe
    ich getan.”

    “Diese Bälger können eben nicht verstehen, wie
    wichtig es mir ist, möglichst viel zu lernen, und daß die
    Klasse drunter leidet, wenn sie nicht mitkommen, weil die Lehrer alle
    auf diese Durchhänger Rücksicht nehmen müssen und wir
    deshalb nicht weiterkommen …”

    “Du willst es nicht lernen, Elizabeth Wright. Du meinst immer
    noch, daß du die einzige würdige Schülerin in deiner
    Klasse bist und spielst dich immer noch wie jemand auf, die
    eigentlich schon weiter sein müßte, wenn da nicht ganz
    normale Leute mit den üblichen Problemen im Unterricht wären.
    Wenn du schon hättest weiter sein wollen, hättest du die
    Prüfungen der dritten Klasse ja am Schuljahresanfang machen und
    eine Klasse aufsteigen können”, sagte Aurora sichtlich
    erbost, weil Lissy einfach nicht begreifen wollte, was Aurora ihr
    vermitteln wollte. “Da du das aber nicht gemacht hast, beschwere
    dich nicht, daß du immer noch in der dritten Klasse bist! Dann
    sieh es gefälligst ein, daß die anderen auch nur das
    lernen, was sie lernen können und nur das können, was sie
    gelernt haben!”

    “Du hast keinen Dunst, welchen Stress ich zu Hause kriege,
    wenn meine Eltern denken, ich wäre hier nicht richtig
    untergebracht. Die wollen herkommen, haben sie mir geschrieben und
    mit Dumbledore, Flitwick und McGonagall reden”, knurrte Lissy.

    “Und?” Fragte Aurora schnippisch.

    “Wegen dir und den anderen Vertrauensschülern und diesen
    zurückgebliebenen Swift-Drillingen …”

    “Eh, pass jetzt auf, was du sagst, Mädchen!”
    Fauchte Aurora sehr gefährlich und straffte sich wie eine
    gespannte Stahlfeder.

    “Ist doch wahr”, schnaubte Lissy. Aurora Dawn sah sie an
    und sprach:

    “Du willst es nicht anders. zwanzig Punkte Abzug für
    Ravenclaw, so fies das für uns alle ist und die Strafarbeit,
    hundertmal den Satz zu schreiben: “Ich bin nicht besser als die
    Anderen.” Ich habe gehofft, du seist klug genug, dich mit deinen
    Klassenkameraden zu arrangieren. Aber offenbar zieht nur eine
    Strafarbeit bei dir.”

    “Eh das mit den Punkten mußt du deinen Leuten erklären.
    Aber die Strafarbeit nehme ich nicht an”, sagte Lissy. “Du
    bist nur Vertrauensschülerin.”

    “Dann hättest du dich mal schlau machen sollen, was wir
    alles dürfen, Mädchen. Wir können sogar Putzdienste
    und Handreichungen für Lehrer verhängen, sofern wir das
    unserem Hauslehrer mitteilen, was ich gleich erledigen werde. Also
    freu dich, wenn du nur was hinschreiben darfst!”

    “Ich gehe sofort zu Flitwick”, sagte Lissy und sprang
    auf. “Von dir muß ich mir nix gefallen lassen. Du bist
    auch nicht besser als die anderen”, spie sie Aurora noch hin.
    Diese stand ruhig auf, obwohl es in ihr brodelte, daß diese
    Göre ihre Zeit, die sie für die Wiederholungen für die
    ZAG-Prüfungen brauchte, derartig vertat. Sie folgte ihr aus dem
    Gemeinschaftsraum der Ravenclaws und begleitete sie zu Professor
    Flitwicks büro. Der Zauberkunstlehrer und Leiter des Hauses
    Ravenclaw empfing die beiden Mädchen und sah ihnen gleich an,
    daß sie ihn nicht aus Höflichkeit besuchten. Lissy wollte
    sofort lossprudeln, daß Aurora Dawn ihr eine Strafarbeit
    reingewürgt hatte. Doch Flitwick schüttelte den Kopf und
    sah Aurora an.

    “Haben Sie eine disziplinarische Maßnahme gegen Ms.
    Wright aussprechen müssen, Ms. Dawn?” Fragte er ungewohnt
    streng klingend. Aurora nickte und setzte sich, als der kleine Lehrer
    ihr und Lissy freie Stühle anbot.

    “Ms. Wright beschwerte sich bei mir, weil ich ihren
    Verwandten einen Brief geschickt habe, in den ich reinschrieb, daß
    sie sich überheblich und herablassend ihren Klassenkameraden
    gegenüber benimmt. Sie meinte, ich hätte das nicht tun
    sollen und daß sie noch Ärger zu Hause kriegen würde.
    Ich mußte Ravenclaw ihretwegen zwanzig Punkte abziehen und ihr
    eine Schreibübung als Strafe auferlegen, Professor Flitwick.”

    “Ja, und genau das darf die nicht”, erzürnte sich
    Lissy. Professor Flitwick schien um einige Zentimeter zu wachsen und
    der Blick der kleinen Augen wurde eiskalt.

    “Welche Schreibübung haben Sie ihr auferlegt, Ms. Dawn?”
    Fragte er mit einer raschen Deutung auf Lissy.

    “Ich gab ihr auf, den Satz “Ich bin nicht besser als die
    anderen.” hundertmal aufzuschreiben. Mehr nicht.”

    “Sie darf sowas nicht. Das dürfen nur Lehrer”,
    schnarrte Lissy händeringend.

    “Ich fürchte, das darf sie doch, Ms. Wright. Das gehört
    zu den Obliegenheiten der Vertrauensschüler, nicht nur Punkte zu
    vergeben oder abzuerkennen, sondern auch erwiesene Missetäter zu
    kleineren Strafarbeiten anzuhalten, solange es keine gravierenden
    Strafen sind wie Nachsitzen oder Sonderprojekte für uns Lehrer.
    Das Aufschreiben von moralischen Parolen ist zulässig und in
    diesem Fall wohl auch längst überfällig.”

    “Bitte was?” Stieß Lissy aus und funkelte Flitwick
    an.

    “Sie haben mich richtig verstanden, Ms. Wright. Ms. Dawn ist
    wahrlich nicht die erste, die mir von einer von Ihnen an den Tag
    gelegten Überheblichkeit und Tyrannisierung ihren Mitschülern
    gegenüber berichtet hat. Ähnliches bekam ich von meinen
    Kollegen aus Hufflepuff, Gryffindor und Slytherin zu hören,
    wobei Professor Snape das irgendwie noch für Zitat “das
    kindische Gebaren einer von der eigenen Familie zu schnell
    hochgezogenen Göre” ansieht. Was meinen Sie, weshalb Ihre
    respektable Frau Großmutter sich in den Ferien mit mir darüber
    verständigt hat, daß Sie Ihre Eltern bei ihrem erbetenen
    Gespräch mit uns begleiten darf? Sie hat wahrlich genug eigene
    Aufgaben, die ihre Zeit beanspruchen. Also ist es ihr wohl sehr
    wichtig, die Sachlage zu klären.”

    “Gran kommt auch?” Fragte Lissy und erbleichte. Aurora
    konnte nicht an sich halten und grinste schadenfroh. Flitwick
    funkelte sie zwar warnend an, beließ es aber jedoch dabei.

    “Ihre Eltern und Professor Wright möchten uns am zweiten
    Samstag im Mai aufsuchen und mit uns sprechen. Professor Dumbledore
    hat dieser Bitte bereits entsprochen. Ich muß Ihnen sagen, Ms.
    Wright, daß meine Geduld mit Ihnen auch ihre
    Verträglichkeitsgrenzen überschritten hat. Allein schon wie
    sie Ms. Ramona Swift in meiner letzten Stunde geschulmeistert haben,
    unter meinen Augen, hat mir offenbart, daß Sie offenbar sehr
    große Probleme im sozialen Umgang haben. Das muß und wird
    geklärt werden, ob das prinzipiell nur an Ihnen liegt oder
    familiär begründet ist, weil Ihre Großmutter nun
    einmal eine hoch angesehene und international anerkannte Stellung
    innehat. Die von Ms. Dawn verhängte Strafarbeit”, er sah
    Aurora kurz an, “ist also gerechtfertigt und von meiner Seite
    aus nachdrücklich gebilligt. Wenn Sie nichts weiteres
    vorzubringen haben, Ms. Wright und Ms. Dawn, kehren Sie bitte in
    Ihren Gemeinschaftsraum zurück!” Mit einer
    unmißverständlich fortscheuchenden Geste wies Flitwick den
    beiden Mädchen die Tür. Aurora nickte und verließ als
    erste das Büro des Hauslehrers.Lissy Wright folgte ihr böse
    dreinschauend.

    “Bis morgen abend hast du die Strafarbeit erledigt, Elizabeth
    Wright”, sagte Aurora mit von ihr nicht gewohnter Strenge in der
    Stimme. “Sonst fällt mir bestimmt noch was wirksameres
    ein.”

    “Stecks dir, Dawn”, schnaubte Lissy.

    “Das glaubst aber nur du, Mädchen”, dachte Aurora
    für sich.

    In Ravenclaw erzählte Bruster seiner Klassenkameradin, daß
    er gerade an den Punktegläsern vorbeigegangen sei und da einen
    Einbruch von zwanzig Punkten mitbekommen habe. Aurora erzählte
    ihm, daß sie die Punkte abgezogen hatte und auch warum.

    “Mist, jetzt liegt Gryffindor mit dreißig Punkten vor
    uns, und Slytherin könnte uns auch noch überholen. War das
    wirklich nötig?”

    “Ich mußte ihr eine Strafarbeit aufhalsen, und das geht
    nur, wenn ein Punktabzug von zwanzig Punkten oder mehr ausgesprochen
    wird”, zischte Aurora. Bruster fragte nach der Strafarbeit und
    grinste. Dann sagte er:

    “Das wird die nicht bessern. Aber daß ihre Oma herkommt
    scheint die ziemlich heftig zu erschrecken.”

    “Davon kannst du ausgehen”, grinste Aurora. “Mit
    ihrer Oma steht und fällt ihre ganze überhebliche Art.”

    “Trotzdem ist das blöd, daß wir jetzt schon wieder
    so weit hinter Gryffindor liegen”, sagte Bruster.

    “Ja, doch anders ging’s nicht, Bruster”, entgegnete
    Aurora Dawn kalt. Er nickte nur.

    Zwar bekam Aurora am Abend noch von einigen was zu hören, ob
    sie nicht an Ravenclaw denke, daß sie dem Haus zwanzig Punkte
    abgezogen hatte, doch Aurora lenkte den Unmut ihrer Mitschüler
    rasch auf Lissy Wright um, die zerknirscht in einer Ecke des
    Gemeinschaftsraumes hockte und die hundert Sätze hinschrieb, die
    Aurora von ihr haben wollte. Auf jeden Fall, so dachte sich Aurora,
    hatten die Drittklässler nun eine gute Handhabe, die
    überhebliche Mitschülerin zu trietzen, nicht durch Anpöbeln
    oder Handgreiflichkeiten, sondern indem sie sie erst gar nicht
    bemerkten.

    Tim Abrahams hatte seine schlechte Stimmung überwunden, die
    er in den Ferien mit sich herumgeschleppt hatte. Entweder war der
    UTZ-Stress zu groß, um andauernd an seinen Vater im
    Falklandkrieg zu denken, oder die Muggelwelt war so weit von ihm weg
    wie die Erde von der Sonne. Irgendwie schien der Frühling auf
    ihn belebend einzuwirken. Er lächelte häufig, war zu allen
    freundlich und verbreitete nicht nur bei seinen Klassenkameraden gute
    Laune. Roy fragte ihn einmal, ob er sich verliebt habe, daß Tim
    so selig und unbeschwert war. Tim hatte darüber nur
    geheimnisvoll gegrinst und geantwortet, daß er seine Gründe
    habe, so gut gelaunt zu sein.

    __________

    Am Tag vor dem entscheidenden Quidditchfinale Gryffindor gegen
    Ravenclaw stieg die Anspannung. Slytherin, im Moment auf dem ersten
    Tabellenplatz, pöbelte gegen die beiden Häuser, und die
    beiden Mannschaften des Endspiels konnten sich ohne eine
    Wachabordnung nirgendwo mehr hintrauen. Aurora war immer in
    Begleitung von vier Mitschülern, Alessandro und Ken waren mit
    allen anderen Jungs der siebten Klasse zusammen unterwegs, und
    Bruster und Mortimer wurden ständig von drei älteren Jungen
    begleitet, die es zu gerne erleben wollten, daß Ravenclaw den
    Pokal verteidigte.

    “Muffensausen, Dawn?” Quatschte Tonya Rattler Aurora auf
    dem Weg zum Unterricht an.

    “Wegen euch bestimmt nicht”, antwortete Aurora. Sie sah
    Tonya an, die seit Sharkeys Rauswurf alleine herumlief, als suche sie
    jemanden, der mit ihr spielen wolle aber keinen fand.

    “Dein neuer Besen ist bestimmt haltbarer als der alte,
    bestimmt haltbarer als du selbst, Dawn”, redete Tonya weiter.

    “Nimm uns nicht übel, Tonya, aber dein Gequatsche
    langweilt”, sagte Miriam Swann. “Selbst nix auf die Reihe
    bringen aber andere anpöbeln, die’s tun. Da nützt dir auch
    kein Vertrauensschülerinnenbonus was.”

    “Wo du’s erwähnst, Swann, fünf Punkte Abzug für
    Ravenclaw wegen Respektlosigkeit einer Vertrauensschülerin
    gegenüber”, sagte Tonya überlegen lächelnd. Erst
    da fiel Miriam auf wie plump sie der klobigen Slytherin in die Falle
    gegangen war. Aurora verzog das Gesicht, konnte aber nichts weiteres
    dazu sagen. Das Recht, wegen Respektlosigkeit Punkte abzuziehen stand
    den Vertrauensschülern nun einmal zu, und auch sie hatte davon
    ja schon gebrauch gemacht.

    “Wie dem auch sei, Tonya, der Pokal kommt bestimmt nicht zu
    euch. Entweder geht der nach Gryffindor oder bleibt bei uns. Da könnt
    ihr reden und pöbeln wie ihr wollt.”

    “Ach, nur wenn die Mannschaften auch alle fit sind und ..”
    sagte Tonya und machte eine Handbewegung zu ihrem Zauberstab. Aurora
    lächelte.

    “Du weißt was Professor Dumbledore uns gesagt hat. Wenn
    hier noch einmal wer ein Mitglied einer Mannschaft mit Zauberflüchen
    belegt, fliegt der betreffende sofort von der Schule. Wenn ich dir
    das wert bin, Tonya, dann mal zu.”

    “An dir brauche ich mir die Hände nicht dreckig zu
    machen, Dawn”, schnarrte Tonya und kehrte ihr den breiten Rücken
    zu. Mit erhobenem Kopf schritt sie davon, immer noch allein, wohl
    sehr geknickt darüber, daß sie nun keinen echten Freund
    mehr hatte.

    “Das Mädel kann einem leidtun”, sagte Petula.
    “Allerdings gibt sie keinem einen echten Grund, sie zu
    bedauern.”

    “Lass sie, Petula!” Sagte Aurora Dawn. “Die will
    doch nur Streit haben. Aber ich habe keine Lust drauf, mich mit ihr
    rumzuzanken. Dafür habe ich zu viel um die Ohren.”

    “Die doch auch”, sagte Miriam. “Aber die meint ja,
    sich mit allen anlegen zu müssen.”

    “Unsere Adler werden siegen, weil sie neue Besen fliegen!”
    Riefen die Ravenclaws oberhalb der dritten Klasse und trugen das
    blaue Banner mit dem bronzefarbenen Adler durch die Korridore. Das
    erregte natürlich den Unmut der Gryffindors, die ihr rotes
    Löwenbanner herbeischafften und Gegenparolen riefen.

    “Heftig”, konnte Petula Woodlane dazu nur sagen. Aurora
    wußte nicht, was sie davon halten sollte. Peeves der
    Poltergeist krakehlte immer wieder dazwischen und bewarf die
    Bannerträger beider Häuser mit faulen Tomaten, daß es
    erst aussah, als würde die eine Seite die andere attackieren.
    Als dann beide Gruppen zu einem wütenden Gerangel ansetzten
    fegte Professor McGonagall wie eine Furie heran und trieb sie mit
    wilden Gesten und erbosten Worten auseinander. Als ihr dann eine
    Tomate aus unsichtbarer Hand den Hut vom Kopf schlug zückte sie
    ihren Zauberstab und wirbelte in die Richtung, wo das verdorbene
    Gemüsegeschoß hergekommen war.

    “Peeves also!” Fauchte sie. “Werden Sie gefälligst
    sichtbar!” Doch ein höhnisches Kichern, das sich rasch
    entfernte, war die einzige Reaktion auf ihren Befehl.

    “So, und Sie alle bringen jetzt die Fahnen und sonstiges
    Bekundungsmaterial umgehend in Ihre Häuser zurück!”
    Kommandierte sie die beiden rivalisierenden Gruppen. Sie blickte sich
    um und verdonnerte Aurora und Bruster dazu, ihre Hauskameraden zur
    Ordnung zu rufen und in die Häuser zurückzuführen.
    Leicht widerwillig befolgten die beiden Vertrauensschüler diesen
    Befehl und führten ihre Hauskameraden zurück in den
    Gemeinschaftsraum.

    “Seid froh, daß McGonagall uns keine Punkte abgezogen
    hat”, knurrte Geoffrey Forester zornig. Aurora Dawn hielt es
    nicht für nötig, ihren Hauskameraden noch eine Standpauke
    zu halten und ging mit Petula und Miriam in die Bibliothek, um noch
    etwas zu lesen. Aurora hatte beschlossen, die praktischen Übungen
    für die ZAG-Prüfungen nach dem Quidditchfinale zu beginnen,
    und ihre Schulfreundinnen hatten sich dem ohne Zögern
    angeschlossen.

    Aurora las gerade etwas über Tier-zu-Pflanze-Verwandlungen,
    als Bernhard Hawkins sich etwas verhalten näherte. Er fragte
    flüsternd, ob er mit Aurora kurz sprechen könne. Sie
    überlegte, was Bernhard nun noch von ihr wollen könne,
    nachdem sich ihre Beziehung derartig abgekühlt hatte, was nicht
    an ihr gehangen hatte. Sie legte das Buch auf den Lesetisch, nickte
    Bernhard zu und verließ mit ihm kurz die Bibliothek.

    “Weißt du Aurora, es ist irgendwie doof, daß das
    mit uns nicht so weitergelaufen ist wie vorhin”, sagte Bernhard.

    “Ja und?” Fragte Aurora kühl zurück. Was
    sollte das jetzt?

    “Ich weiß, du bist immer noch sauer, weil ich dir das
    mit Amerika nicht schon früher erzählt habe. Aber an und
    für sich war es doch bis dahin schön oder nicht?” Fuhr
    Bernhard fort und sah Aurora dabei sehr warmherzig an, als sei ihm
    doch noch was an der gemeinsamen Beziehung gelegen.

    “Das wäre allemal besser gewesen, wenn du mir das vorher
    erzählt hättest und nicht erst auf dem Hogsmeade-Ausflug.
    Irgendwie stand ich wirklich wie blöd da, zumal alle anderen das
    ja vorher wohl schon mitbekommen haben”, gab Aurora
    zähneknirschend zurück. Sie stand da, angespannt und auf
    irgendwas lauernd, was da noch über sie hereinbrechen konnte.

    “Nun, ich kann doch nichts dafür, daß mein Dad
    mich von der Schule runternehmen will. Andererseits möchte ich
    natürlich ohne jeden Krach das Jahr zu Ende bringen. Ich möchte
    das hier so gut in Erinnerung behalten wie’s geht.”

    “Sag mir bitte, was genau du willst, Bernhard! Irgendwie
    denke ich, du willst was von mir, worüber du nicht reden
    willst”, sagte Aurora halblaut. Ihr war das seltsam, daß
    Bernhard sie noch einmal sprechen wollte.

    “Nun, ich möchte wie gesagt die besten Erinnerungen von
    Hogwarts mitnehmen. Weißt du was, daß mir dabei helfen
    könnte?”

    “Ich habe dir schon mal gesagt, Bernhard, daß ich mich
    nicht auf irgendwelche körperlichen Sachen einlasse, wenn ich
    nicht weiß, ob es die Sache wert ist. Aber komm ja nicht auf
    sowas!”

    “Öhm, nein das würde ich mir jetzt auch nicht
    rausnehmen wollen, Aurora”, entgegnete Bernhard leicht verlegen.
    “Ich meine, ich wollte wissen, ob dir noch was an mir liegt und
    ob du mir nicht irgendwie helfen könntest, hier sehr gut
    wegzukommen und nicht sang-und klanglos zu verschwinden.”

    “Du meinst wegen der ZAGs?” Fragte Aurora Dawn. Doch
    innerlich läuteten mehrere Alarmglocken. Was sollte das jetzt?

    “Ja, das wäre eine Möglichkeit, weil du über
    Kräuterkunde und Zaubertränke doch mehr weißt als
    Becky oder ich.”

    “Eine Möglichkeit, Bernhard? Du möchtest also
    wissen, wie wichtig du mir noch bist, und irgendwie möchtest du,
    daß ich dir das zeige?”

    “Öhm, genau”, bestätigte Bernhard immer noch
    verlegen dreinschauend. Dann sagte er halblaut: “Die in
    Thorntails sind ziemlich fanatisch, was den Schulsport angeht. Becky
    und ich wollen da nicht als hinterletzte Verlierer reingehen. Aber
    ich fürchte, so sieht es aus, weil wir ja letztes Jahr den Pokal
    nicht gewonnen haben. “

    Aurora errötete. Weil sich ihre Augenbrauen jedoch bedrohlich
    zusammenzogen und ihre Stirnadern bläulich-rot hervortraten war
    klar, daß sie nicht aus Scham rot anlief. Das war es also.

    “Ja, Moment, ich habe nicht behauptet, daß du oder
    deine Leute mir helfen sollen, morgen zu gewinnen, Aurora”,
    sagte Bernhard. Da knallte ihm Auroras linke Handfläche mit
    Wucht an die rechte Wange.

    “Bernhard, schieb ab. Mach dich ganz schnell vom Acker, bevor
    ich noch den Zauberstab raushole und was ganz fieses mit dir
    anstelle!” Fauchte Aurora. “Behauptet hast du es nicht,
    aber erwartet hast du es schon, nicht wahr? Du wolltest gucken, ob du
    mich beschwatzen kannst, dir aus tiefer Verbundenheit den Pokal zu
    überlassen oder was? Vergiss es und lauf ganz schnell ganz weit
    weg!”

    “Eh, du kannst mich doch nicht einfach schlagen”,
    schnaubte Bernhard mit kleinen Tränen in den Augen. Auf der
    geohrfeigten Wange zeichnete sich rötlich Auroras linker
    Handabdruck ab.

    “Hast du mitgekriegt, daß ich das kann”, zischte
    Aurora. Bernhard sagte dazu nur:

    “Gut, wie du meinst. Ich habe gedacht, du würdest das
    verstehen, welches Problem ich habe und mir helfen wollen. Aber dann
    sieh eben zu, wie ich von hier ohne was in der Hand runtergehe!”

    “Sehr gerne”, schnaubte Aurora sehr entschlossen
    dreinschauend, kehrte Bernhard den Rücken zu und wollte in die
    Bibliothek zurückkehren. Bernhard zog sie am Umhang und hielt
    sie zurück.

    “Eh, du hast mich nicht zu hauen, klar. Entschuldige dich
    gefälligst!”

    Aurora wurde noch wütender. Sie wirbelte herum und fauchte
    Bernhard an:

    “Sage Winchester und allen, die meinten, mich zu bequatschen
    würde euch den Pokal bringen, daß wir euch morgen
    fertigmachen werden. Dann hast du einen Grund, dich als Verlierer zu
    fühlen. Jetzt mach dich vom Acker!”

    “Erst entschuldigst du dich für die Backpfeife, Mädchen!
    Oder ich gehe zu McGonagall und steck ihr, daß du mich
    angegriffen hast. Dann fliegst du jedenfalls morgen nicht gegen uns.”

    “Ah, Plan B, wie Roy das mal genannt hat”, knurrte
    Aurora. “Wenn ich dich nicht aus Verliebtheit gewinnen lasse
    soll ich morgen gar nicht erst fliegen. Geh zu McGonagall und sage
    ihr, daß der Versuch, relativ einfach an den Pokal zu kommen
    gescheitert ist! Wenn die dann noch was von mir will, möchte sie
    mich bitte zu sich zitieren. Aber dann müßtest du ja
    zugeben, daß ein Mädchen dich so heftig gehauen hat, daß
    du weinen mußtest.”

    Bernhard ließ sie los. Offenbar wirkte das auf ihn
    schmerzhafter als eine Ohrfeige. Er drehte sich um und ging ohne
    weiteres Wort davon. Aurora stampfte mit dem rechten Fuß auf
    und kehrte in die Bibliothek zurück, wo sie im Flüsterton
    mit Petula und Miriam über das so wichtige Gespräch redete.

    “So’n Trottel”, flüsterte Miriam. “Das auf die
    Tour zu versuchen, wo der genau weiß, daß bei Quidditch
    jede Freundschaft zurücksteht. Hat der gedacht, ohne ihn würdest
    du hier verschmachten?”

    “Ich weiß nicht einmal, ob er sich das gedacht hat oder
    Winchester und die anderen ihn angestachelt haben”, zischte
    Aurora immer noch sehr verärgert. “Ich will’s jetzt auch
    nicht mehr wissen. Wir machen morgen unser Spiel, und wenn wir den
    Pokal kriegen können, werden wir ihn uns sichern”,
    verkündete sie halblaut.

    Eunice Armstrong kam fünf Minuten später in die
    Bibliothek. Aurora machte sich darauf gefaßt, von der gleich
    noch was zu hören zu kriegen. Doch Eunice sah nicht verärgert
    aus. Sie grinste von einem Ohr zum anderen.

    “Wie bescheuert muß einer sein, daß er meint,
    einer Teenagerromanze wegen an den Pokal zu kommen?” Fragte sie
    leise, als sie in Flüsterreichweite war.

    “Ach, steht das in Gryffindor am schwarzen Brett?”
    Schnaubte Aurora angriffslustig.

    “Das ist nicht nötig. Ich habe mitgekriegt, wie
    Winchester deinen zukünftigen Ex bequatscht hat, dich
    rumzukriegen, ob du nicht doch für ihn weniger Tore schießt
    als im letzten Jahr. Der hat ihm was erzählt von wegen
    Thorntails und Quodpot, das die da spielen und er bestimmt besser da
    ankommt, wenn er einen Quidditchpokal gewonnen hat. Ich habe ihn mal
    gehen lassen und gewartet, ob du nicht doch auf sein Gesäusel
    eingehst. Offenbar hat er es vermasselt. Anfänger halt.”

    “Habe ich mir gedacht, daß der sich hat bequatschen
    lassen”, zähneknirschte Aurora. “Wenn der sich das
    selbst überlegt hätte hätte der mich bestimmt nicht so
    blöd angequatscht.”

    “Du hast ihm eine geballert, habe ich sehen können.
    Becky meinte schon, er solle zu Madame Pomfrey gehen. Aber er hat es
    sich wohl doch anders überlegt”, sagte Eunice. Petula
    fragte, ob er dafür zu McGonagall gegangen wäre.

    “Also ich denke nicht, daß professor McGonagall
    sich groß dafür interessiert, was ein paar blöde
    Jungen sich da ausgemalt haben. Außerdem wissen wir alle, daß
    sie unfaires Spiel nicht leiden kann”, erwiderte Eunice.

    “Vielleicht nicht, wenn Gryffindor dadurch den Pokal kriegen
    kann”, wandte Miriam ein und blickte sich um, ob das nicht wer
    gehört hatte, der das weitertratschen würde.

    “Auch da nicht, Miriam. Der Pokal würde ja das ganze
    nächste Schuljahr in ihrem Büro stehen. Dann müßte
    sie ja immer dran denken, daß der ihr nur durch psychologische
    Tricks auf dem Schreibtisch gekommen ist. Ob das dann noch was mit
    Quidditch zu tun hat?”

    “Bin ich mir nicht so sicher, wo die den drei Jahre
    hintereinander im Zimmer stehen hatte”, warf Miriam ein.

    “Eben nur weil unsere Spieler fair gewonnen haben. Wie
    gesagt, Aurora, der Typ hat sich bequatschen lassen und sich die
    verdiente Abfuhr eingehandelt. Wie auch immer ihr morgen drauf seid,
    ich denke, wir kriegen den Pokal auch so. Ich werde zumindest besser
    schlafen, wenn ich weiß, daß wir den dann ohne
    irgendwelche Tricks vor dem Spiel gekriegt haben. Schönen Tag
    noch, Mädels!”

    “Mach’s gut, Eunice!” Wünschte Aurora.

    “Mädel dich selbst”, flüsterte Miriam, als
    Eunice bereits zehn Schritte von ihnen entfernt war.

    “Wieso. Die hat’s doch voll genossen, daß ihre
    Hausmannschaft diesen Rückschlag abgekriegt hat”, feixte
    Petula im Flüsterton.

    “Du kennst doch das, was der alte Hut singt. Gryffindors
    legen Wert auf Gerechtigkeit”, erwiderte Aurora. Dann fand sie,
    daß sie besser noch etwas lesen und besprechen sollten und
    beendete damit das Thema.

    Wie sie es erwartet hatte kam wegen der Ohrfeige gegen Bernhard
    nichts nach. Keine Professor McGonagall oder ein Professor Flitwick
    bestellten Aurora ein, um sie zu rügen. Bernhard hatte also
    erkannt, daß er sich selbst am meisten blamieren würde,
    wenn das schulweit herumging, daß er versucht hatte, sich den
    Pokal zu erschwatzen. So konnte Aurora am Abend mit dem festen
    Vorsatz ins Bett gehen, am nächsten Tag so gut es ging zu
    spielen und nach Möglichkeit zu gewinnen.

    __________

    Die hohe Spannung, wer am Ende des Spiels den Quidditchpokal in
    Händen haben würde, empfing Aurora Dawn am nächsten
    Morgen in der großen Halle. Wieder hatten die drei Häuser,
    die sich noch Hoffnungen auf den Pokal machten, ihre Hauswappen als
    große Fahnen mit lebendig wirkenden Motiven auf den Tischen
    stehen. Aurora wirkte noch entschlossener als im letzten Jahr. Sie
    hatte Alessandro und den anderen Mannschaftsmitgliedern nichts
    erzählt, und dennoch wußten sie es. Hogwarts war eben doch
    nur ein Dorf!

    “Der will einen gescheiten Abschied haben? Kann er haben!”
    Sagte Alessandro und deutete auf den Gryffindor-Tisch genau auf
    Bernhard Hawkins, der mit seiner Zwillingsschwester Rebecca und
    Samuel Winchester, dem Mannschaftskapitän, eine Reihe bildete.

    “Für Winchester ist es auch das letzte Spiel,
    Alessandro”, sagte Ken und grinste feist. “Der hätte
    vor den UTZis auch noch mal gerne Hogwarts-Silber geküßt.
    Aber die Knutscherei gönnen wir uns, nicht wahr, Alessandro?”

    “Aber hallo”, erwiderte der Ravenclaw-Kapitän. “Das
    Becherchen ist zu schön, um jetzt schon umzuziehen. Also
    frühstückt gut genug, um nicht zu hungern, ohne zu schwer
    zu werden, Jungs und Mädchens!”

    “Aye aye, Sir!” Bestätigte Mortimer Swift im Stil
    eines Matrosen und griff sich zackig an den Hut. Tim Abrahams sah ihn
    zwar etwas merkwürdig an, mußte dann aber grinsen.

    “Hoffentlich halten die Besen”, sagte Aurora Dawn. Alle
    lachten. Dieses Jahr würden die Besen halten, dank ihr.

    “Holen Sie die Fahnen und Banner ein!” Befahl Professor
    McGonagall. Alle gehorchten widerspruchslos.

    Die Hufflepuffs, für die es in diesem Jahr mal nicht um den
    Pokal ging, wußten offenbar nicht, ob sie nun den Ravenclaws
    oder den Gryffindors beistehen sollten. Jedenfalls wollten sie nicht,
    daß Slytherin den Pokal bekam.

    Die einfliegenden Posteulen lenkten die Schüler von dem Spiel
    ab. Lissy Wright sah mit verbissener Miene einen Uhu an, der
    majestätisch über den Ravenclaw-Tisch herabschwebte und
    punktgenau neben ihrem Teller landete und ihr den rechten Fuß
    hinhielt. Roy wurde von einer Schneeeule angesteuert, die sich seine
    Schwester Erica zugelegt hatte. Tim sah verblüfft auf einen
    leicht zerzaust wirkenden Sperlingskauz, der einen Briefumschlag vor
    ihn hinlegte und sofort danach wieder davonflog. Da Tims Verwandte
    alle Muggel waren bekam er höchst selten Eulenpost. Meistens
    mußte er bis in die Ferien warten, um neues von zu Hause zu
    erfahren. Bruster hingegen sah dem Steinkauz seiner Mutter gelassen
    entgegen. Der Postvogel schleppte sich mit einem Päckchen ab,
    das wohl voller Schnagereien war. Seitdem Roy einmal die Bemerkung
    hatte fallen lassen, daß Brusters Mutter herrliche Plätzchen
    backen konnte, hatte die öfter welche nach Hogwarts geschickt.
    Aurora dachte schon, an diesem Tag keine Eule mehr zu kriegen, als
    drei Eulen auf sie zuflogen. Es war die Schleiereule ihrer Mutter,
    der Waldkauz ihrer Großmutter Regan und eine Sumpfohreule.
    Aurora nahm zunächst der Eule ihrer Mutter den Brief vom Bein
    und las, daß sie ihr viel Glück im Finale wünschte
    und sie nur aufpassen solle, nicht zu übertrieben zu fliegen.
    Ihre Großmutter Regan schrieb ihr, daß sie an dem Tag, wo
    das Spiel sei, im Zauberergamot sitzen müsse, um über das
    Schicksal eines Angeklagten zu befinden, der für die Todesser
    gearbeitet haben soll. Als Aurora den dritten Brief öffnete, sah
    sie eine ihr unbekannte Frauenhandschrift. Sie las:

    Hallo, Aurora,
    ich danke dir recht herzlich für deinen Brief, den
    du mir geschickt hast und möchte mich entschuldigen, daß
    ich nicht schneller habe antworten können. Aber weil ich leider
    nicht so gut englisch verstehe, um deinen Brief alleine lesen zu
    können mußte ich auf meine Schwägerin warten, daß
    sie mir beim Übersetzen hilft. Das ist ihre Handschrift, die du
    gerade liest. Aber weil ich weiß, wie wichtig ein Brief dadurch
    ist, weil er eine greifbare Verbindung zwischen dem, der ihn schreibt
    und dem, der ihn kriegt bildet, habe ich dir unten drunter noch
    einige Zeilen in meiner Muttersprache geschrieben, die meine
    geschätzte Fachkollegin Prof. Sprout sicherlich gerne übersetzen
    wird.
    Ich freue mich, daß mein Artikel im grünen
    Magier nicht nur neue Freundinnen und Freunde des Himmelstrinkers
    gewinnen konnte, sondern auch junge Hexen wie dich dazu anregen
    konnte, sich über eine Zukunft im von mir sehr geliebten
    Fachgebiet magischer Herbologie zu engagieren. Sicher behaupten
    viele, Kräuterkunde sei ohnehin ein reines Frauenfach, aber zu
    lesen, daß jemand, die gerade vor den ZAG-Prüfungen steht
    sich durch meinen Artikel angeregt fühlt, vielleicht selbst die
    Wunder der magischen Pflanzen und Pilze zu erforschen und damit zu
    leben, nicht nur zu arbeiten, gibt mir mehr als ein Honorar von 1000
    Galleonen. Falls du in den nächsten Sommerferien Zeit und Lust
    hast, mal die Atmosphäre eines Kongresses erwachsener
    Kräuterkundiger zu schnuppern, frage deine Eltern doch, ob sie
    Lust haben, mit dir vom 18. bis 24. Juli nach Millemerveilles zu
    kommen. Ich denke, da wirst du deine ZAG-Noten schon kennen und
    hoffentlich sehr beruhigt und stolz deine Ferien verbringen wollen.
    Mit der Sprache hättest du auch kein Problem, weil es da einen
    Zaubertrank gibt, der bewirkt, daß jemand eine ihm völlig
    fremde Sprache verstehen und dann auch sprechen kann.
    Wie geschrieben kannst du dir das ruhig überlegen
    und mit deinen Eltern bereden. Fairerweise sollte ich dich nur
    vorwarnen, daß es da meistens ziemlich trocken zugeht, aber
    auch interessante Dinge besprochen werden.
    Ich wünsche dir noch eine schöne Zeit bis zu
    den Prüfungen und für diese bonne chance!
    Camille
    Dusoleil

    Unter dem englischen Text standen noch vier Zeilen auf
    Französisch, was Aurora nicht verstand, zumal da einige
    merkwürdige Zeichen über den Vokalen standen. Doch die
    Handschrift glich der Unterschrift und stammte wohl von der
    Verfasserin des Artikels über die Himmelstrinkerblume.

    “Soll ich mir das antun? Interessant wäre es ja mal”,
    dachte Aurora Dawn bei sich, bevor Petula fragte, wer ihr da
    geschrieben habe

    “Das war Madame Dusoleil aus Frankreich, von der ich dir doch
    erzählt habe, Petula”, flüsterte Aurora stolz, eine
    persönliche Antwort bekommen zu haben.

    “Ui, und was schreibt sie dir? Oder mußt du das erst
    übersetzen lassen?” Antwortete Petula begeistert.

    “Nein, der wurde schon übersetzt. Sie schreibt mir, daß
    sie sich freut, daß jemand wie ich sich wegen ihrem Artikel für
    Zauberpflanzen begeistert und wenn ich wollte und meine Eltern
    könnten zu einem Kongress der Kräuterhexen und -zauberer in
    dieses Millemerveilles reisen könne. Ich weiß zwar nicht,
    ob ich da schon was mitkriegen kann, aber wäre mal ‘ne
    interessante Urlaubsreise. Daddy war da ja schon mal. Soll ziemlich
    weitläufig sein für’n Dorf und einen Zaubergarten und einen
    Park mit magischen Tierwesen haben. Am besten habe ich dann gute
    ZAG-Prüfungen geschafft, wenn ich Mum und Dad dazu kriegen
    will.”

    “Aber die Sprache”, wandte Petula ein.

    “Da soll’s einen Zaubertrank für geben, der einen die
    andre Sprache verstehen und sprechen läßt, schreibt Madame
    Dusoleil. Ich meine, davon schon was gelesen zu haben,
    Wechselzungentrank heißt der.”

    “Stimmt, hat Dina was von gesagt, als ihr gegen die
    Hufflepuffs gespielt habt, weil sie mit ihren Eltern in den
    Weihnachtsferien nach Italien fahren wollte”, flüsterte
    Petula. Aurora nickte.

    “Eh, Lissy, hat deine Omama dir Prügel angedroht?”
    Feixte Alessandro, weil Lissy ziemlich betreten dreinschaute. Diese
    funkelte ihn an und meinte, das gehe ihn einen feuchten Dreck an.
    Alessandro lachte fies. Offenbar hatte die wichtige Dame aus den
    Staaten sowas ähnliches angedroht wie Schläge. Zumindest
    hatte sie keinen Heuler geschickt, was die Ohren der Ravenclaws ihr
    gewiß aufrichtig dankten.

    Wie es der Kapitän der Ravenclaws angeordnet hatte
    frühstückten die Spieler seiner Mannschaft gerade so
    reichlich, daß sie in den nächsten zwei drei Stunden
    keinen Hunger verspüren mochten, ohne zu schwer für ihre
    Besen zu werden. Als sie dann in den Umkleideräumen die blauen
    Spielerumhänge angezogen hatten sammelte Alessandro seine
    Mitspieler noch einmal um sich.

    “Also, Leute, wir allein haben das jetzt in der Hand, ob der
    Pokal noch ein weiteres Jahr bei Flitwick im Büro besucht werden
    kann oder bei Professor McGonagall einzieht. Ihr habt ja wohl alle
    mitgekriegt, daß die sonst so auf Fairness pochenden
    Gryffindors versucht haben, unsere Jägerin Aurora Dawn zu
    beschwatzen, den Pokal an die gehen zu lassen, weil Winchester und
    einige andere das letzte Spiel hier in Hogwarts spielen. Aber ich bin
    heute auch das letzte Mal auf dem Platz, genau wie Ken. Also konnte
    dieser feige Versuch nichts werden. Wir gehen da raus, starten durch
    und spielen die in Grund und Boden! Ich freue mich, daß wir so
    eine tolle Mannschaft sind.”

    Aurora sah etwas verlegen aus, weil Alessandro die Sache von
    gestern noch einmal aufgewärmt hatte. Aber dann ging sie genauso
    entschlossen wie die anderen aufs Feld.

    Die um das ovale Feld gruppierten Sitze der Zuschauertribüne
    waren alle bis auf den letzten besetzt. Die goldenen Torstangen
    ragten zwanzig Meter in den Himmel und erstrahlten im Licht der
    Frühlingssonne, die es an diesem Tag gut meinte und von einem
    wolkenlosen Himmel strahlte.

    “Und hier sind die Akteure des großen Finales!”
    Rief Jodocus Barkley mit magischem Megaphon. Er stellte alle Spieler
    vor und sagte über Alessandro und Ken, daß dies ihr
    letztes Spiel in Hogwarts sei. Ähnliches sagte er auch über
    Winchester, den Gryffindor-Kapitän. Dann sagte er noch: “Ja,
    und dann sind da noch die eingespielten Treiber-Zwillinge Rebecca und
    Bernhard Hawkins, die heute auch ihr letztes Spiel auf dem Feld von
    Hogwarts bestreiten und es noch mal wissen wollen, ob sie den Pokal
    gewinnen können oder nicht. Denn sie werden im nächsten
    Jahr wohl schon weit über dem großen Teich hinweg in der
    Thorntails-Akademie sein, wo sie britische Gründlichkeit und
    Tradition vertreten werden. In beiden Mannschaften sind also Leute,
    die heute die letzte Gelegenheit haben, einmal aus dem großen
    Silberbokal trinken zu dürfen. Madame Hooch hat die Spieler
    gerade Aufstellung nehmen lassen. Gleich geht’s los!”

    Jubel brandete auf, als die beiden Kapitäne sich die Hand
    gaben. Alessandro grinste Sam Winchester höhnisch an, der
    wiederum mißmutig zurückstierte. Dann kam das Kommando,
    die Besen zu besteigen.

    “Der Quaffel fliegt aus dem Abwurfkreis, und da sind auch
    schon alle Spieler in der Luft, zeigen gleich, was neue Besen
    hergeben. Oh, da hat sich Dawn schon mit Heatherbloom von den
    Gryffindors angelegt, kommt an den Quaffel und zieht los. Der Nimbus
    1500 geht wunderbar ab, wertes Publikum. Dawn fast schon am Torraum,
    wurstelt sich noch an Winchester vorbeiiiii! – Ui, Doppelklatscher
    von den beiden Hawkins-Geschwistern! Hätte die agile Aurora fast
    voll erwischt. Dawn mußte zurückweichen, hat immer noch
    den Quaffel, wird aber von Winchester und Heatherbloom bedrängt!
    Dawn wirft ab auf Wiffle, hat das rote Rund genial bekommen und ist
    schon vor dem Tor. Toooor! Ravenclaw führt mit zehn zu null
    Punkten!”

    Der Jubel der Ravenclaws war unüberhörbar. Gryffindors
    Anhänger pfiffen und riefen ihrer Mannschaft zu, jetzt bloß
    nicht nachzulassen.

    “Klatscherattacke auf Wiffle, der den Abwurf vom Tor annehmen
    wollte. War wohl nichts. Der Quaffel landet bei Heatherbloom, der den
    Sauberwisch 5 zimlich gut antreibt. Ja, Neue Besen würzen das
    Spiel entscheidend! Heatherbloom vor dem Tor! – Gehalten! Swift hat
    eine Parade für die Galerie hingelegt, zögert den Abwurf
    hinaus, weil jetzt alle drei Jäger von Gryffindor vor dem Tor
    warten. Irgendwann wird er wohl abwerfen müssen. – Hei, beide
    Klatscher kunstvoll gespielt von den beiden Treibern Boulder und
    Dasher. Winchester mußte ausweichen. Der Quaffel fliegt weit
    zurück. Dawn nimmt ihn an! Flugbahn zum Tor komplett frei! Toor!
    Zwanzig zu null für Ravenclaw!”

    Nach diesem zweiten Tor für die Ravenclaws schienen die
    Gryffindors zu vergessen, nach welchen Regeln sie spielen mußten.
    Denn als Aurora mit ihrer schulweit bekannten Doppelachsenflugweise
    einen Gegenspieler ins Leere stoßen ließ und wieder einen
    Torwurf ansetzte stürzte sich Bernhard Hawkins mit schwung auf
    die hervorragende Jägerin. Seine Schwester war alleine und
    schaffte es knapp, einen ihr geltenden Klatscher zu Boulder
    abzulenken, der dann Heatherbloom aufs Korn nahm.

    “Denkst du, ich lasse dich noch mal so viele Tore schießen?!”
    Rief Bernhard und sauste knapp an Auroras Besenschweif vorbei,
    wodurch sie den Quaffel fallen ließ.

    “Ich habe dir geraten, möglichst weit weg von mir zu
    bleiben!” Rief Aurora Dawn. Da kam ein Klatscher angezischt.
    Aurora duckte sich, und Bernhard schlug nach dem schwarzen Ball, in
    voller Absicht, Aurora doch noch zu erwischen. Doch diese rollte sich
    zur Seite und ließ den Ball an sich vorbei auf den Boden
    zurasen. Krachend schlug der Klatscher einen Krater ins Feld.

    “Oh, der hätte Aurora Dawn mit Sicherheit voll in den
    Rücken getroffen”, kommentierte Barkley diesen wütenden
    Angriff. Der Klatscher ruckte und Zuckte auf dem Boden, bevor er im
    Hui wieder nach oben schoss. Doch Aurora Dawn war bereits hinter
    Winchester her, der den Quaffel erflogen hatte. Bruster warf sich ihm
    in den Weg. Becky Hawkins wollte zwar einen Klatscher auf ihn
    abschlagen, doch Alessandro hielt nur seinen Schläger hin und
    ließ den bösartigen Ball davon zurückprallen, genau
    zu Gideon Heatherbloom hin, der sich vor den Torringen Mortimers in
    Stellung gebracht hatte. Gideon zirkelte herum und stieß dann
    vor, um Mortimer aus dem Torraum zu drängen. Doch Madame Hooch
    pfiff sofort und verhängte einen Strafwurf, weil der Hüter
    ohne Quaffel im Torraum angegriffen worden war. Aurora flog an,
    täuschte kurz und brachte den roten Spielball mit Wucht durch
    den von ihr aus linken Ring zum Stand von dreißig Punkten.

    Von da an foulten die Gryffindors immer dann, wenn sie meinten,
    Madame Hooch sähe es nicht. Doch weil die Ravenclaw-Anhänger
    das mitbekamen und Barkley nicht umhinkam, über einige grobe
    Fouls zu reden, setzte es noch drei weitere Strafwürfe gegen
    Gryffindor, die jedesmal von einem anderen Jäger verwandelt
    wurden. Bernahrd meinte wohl, sich für die Ohrfeige von gestern
    revanchieren zu müssen und rammte Aurora einmal den rechten
    Ellenbogen in die Seite, als er keinen Klatscher fand, den er auf sie
    schlagen konnte. Immerhin schafften die Gryffindors es einmal,
    Mortimer zu überwinden und zehn Punkte zu holen. Doch danach
    kamen noch vier weitere Tore für Ravenclaw zu Stande, nachdem
    Aurora sich Bernhard immer wieder frech als Ziel anbot und ihre
    beiden Kollegen dadurch freie Bahn bekamen. Einmal rief Winchester
    nach Auszeit und bekam sie.

    “Der ist stinksauer auf dich, Aurora”, grinste
    Alessandro Boulder, als er seine Mannschaft vor der rechten Torstange
    seiner Seite versammelt hatte.

    “Ich weiß. Ich merk’s noch”, knurrte Aurora. “Aber
    wenn der sich einbildet, was er durch dummes Gequatsche nicht
    gekriegt hat mit Gewalt zu erreichen täuscht er sich. Vielleicht
    übt er schon für Quodpot. Da sollen solche Rempler ja zum
    guten Ton gehören.”

    “Die müssen den erst aufbauen, bevor der dieses
    Knallballspiel spielen darf”, sagte Ken Dasher. “Ich habe
    mir so’n Spiel mal angesehen und …”

    “Später Ken. Erst mal unser Spiel gewinnen”, sagte
    Alessandro und plante die weitere Taktik, bis Madame Hooch die
    Auszeit für abgelaufen erklärte.

    “Dawn hat schon wieder den Quaffel, wird bedrängt von
    Heatherbloom! Ist schon wieder vor dem Torraum von Gryffindor!
    Klatscher!”

    Aurora hatte es sich gedacht, daß Bernhard sich diese
    Gelegenheit nicht nehmen ließ, sie anzugreifen. Deshalb war sie
    rasch abgetaucht, um ihn zu verwirren und von unten her den Quaffel
    zu spielen.Tatsächlich zischte der Klatscher einen Meter über
    sie weg und erwischte Gideons Besenspitze mit solcher Wucht, daß
    der Jäger von einer heftigen Drehbewegung vom Besen geschleudert
    wurde. Sein Komet 2 / 40 zersplitterte vorne und trudelte steuerlos
    nach unten. Gideon fiel und fiel dem Boden entgegen. Erst knapp vor
    dem Feld erwischte ihn der Fallbremsezauber Professor McGonagalls.

    “Ui, da wurde Gideon Heatherbloom von einem freundlichen
    Klatscher vom Besen geholt”, sagte Barkley bestürzt. Madame
    Hooch pfiff eine Auszeit und ließ Gideon, der sich beim Absturz
    das linke Handgelenk gebrochen hatte, in den Krankenflügel
    bringen. Ohne den Jäger ging das Spiel weiter. Bernhard hielt
    sich auffallend zurück. Daß er seinen eigenen Mitspieler
    vom Besen geschossen hatte nagte an ihm.

    Nach etwas mehr als zwanzig Minuten führte Ravenclaw mit
    sechzehn Toren zu sechs. und hatte damit den Abstand von Slytherin
    wettgemacht und überholt. Nur der Schnatzfang würde den
    Gryffindors noch den Pokal sichern. Das wußten die Ravenclaws
    und spielten nun eher darauf, den gegnerischen Sucher zu blocken,
    ohne dabei gegen die Regeln zu verstoßen. So Plätscherte
    das Spiel eine Weile hin, wobei Ravenclaw und Gryffindor noch je ein
    Tor erzielten. Dann stieß Gryffindors Sucher nach unten. Karin
    Meridies wurde gleich von zwei Klatschern angeflogen und von allen
    Jägern der Gryfindors am Vorankommen gehindert. Jetzt würde
    Gryffindor den Pokal sicher kriegen.

    “Gleich ist der spannende Kampf um, liebe Zuschauerinnen und
    Zuschauer! Der Schnatz kann unmöglich noch … Was war das?”

    Aurora Dawn, die gerade mal wieder den Quaffel hatte, wollte wohl
    Bruster Wiffle anspielen. Doch der rote Ball kreuzte die Flugbahn des
    Schnatzes, wirbelte diesen davon, sodaß der Sucher der
    Gryffindors ins Leere griff. Auf der Tribüne lachte man.

    Das Spiel ging weiter, wobei die Ravenclaws alles taten, um ihren
    Vorsprung so weit auszubauen, daß auch der Schnatzfang
    Gryffindor nicht zum Pokal führen konnte. Doch Gryffindor
    schaffte immer wieder ein Tor, um bei einem erfolgreichen Schnatzfang
    zehn Punkte Vorsprung zu bekommen. Als dann aber in der vierzigsten
    Spielminute bei einem Stand von 30 zu 16 Toren Karin Meridies an
    einem Klatscher von Rebecca Hawkins vorbei in die Tiefe stürzte,
    dauerte es keine zwei Sekunden, da hatte sie den so kleinen und doch
    so wichtigen Ball, den goldenen Schnatz, in der rechten Hand und
    reckte diese nach oben, während der Klatscher knapp vor ihrer
    Nase vorbeisauste.

    “Vierhundertundfünfzig Punkte erringt Ravenclaw in
    diesem so entscheidenden Spiel! Der Pokal bleibt in Ravenclaw!”
    Rief Jodocus Barkley. Alle Ravenclaws jubelten unbändig. Auch
    die Hufflepuffs stimmten in den Jubel mit ein. Ja, sogar die
    Slytherins klatschten Beifall, wohl eher, weil sie es dann doch
    lieber den Ravenclaws gönnten als den Gryffindors.

    “Danke, Danke, Danke!” Rief Alessandro Boulder, als er
    mit seiner Mannschaft zur Siegerehrung schritt. Er durfte in seinem
    letzten Jahr noch einmal den Quidditchpokal in Händen halten.

    “Hier kommt die siegreiche Mannschaft. Sie hat Geschichte
    geschrieben. Denn dies ist erst die fünfte Titelverteidigung
    Ravenclaws in der Geschichte von Hogwarts!” Verkündete
    Barkley noch einmal.

    “Ja, und wir sind froh, dabei gewesen zu sein”, sagte
    Ken Dasher schadenfroh.

    “Herzlichen Glückwunsch!” Sagte Professor
    Dumbledore, als er Alessandro den Quidditchpokal überreichte.
    Dann lächelte er Aurora Dawn an und sagte: “Du hattest es
    aber heute besonders schwer, was?”

    “Es war schon mal einfacher”, sagte Aurora Dawn.
    Professor McGonagall sagte dazu noch:

    “Wir haben nachher eine Konferenz der Vertrauensschüler.
    Die Attacken von Mr. Hawkins waren unentschuldbar. Stimmt es, daß
    Sie sich gestern mit ihm wegen des Spiels gestritten haben?”
    Aurora nickte schüchtern. “Das ist kein Grund, Sie heute
    derartig zu bedrängen”, fauchte die Lehrerin für
    Verwandlung. Dann wünschte sie Aurora noch einen erholsamen
    Vormittag.

    Singend und jubelnd begleiteten alle Ravenclaws ihre Helden zurück
    ins Schloß. Aurora suchte erst einmal den Krankenflügel
    auf, wo sie ihre geprällten Rippen behandeln ließ und sich
    erkundigte, wie es Gideon ginge. Dieser war fast wieder gesund.
    Lediglich eine leichte Gehirnerschütterung sollte er noch einen
    Tag auskurieren, hatte Madame Pomfrey verfügt.

    “Ihr habt den Pokal gehalten?” Fragte Gideon, während
    Aurora den Zauber Madame Pomfreys über sich ergehen ließ.

    “Ja, haben wir. Es war nur recht und billig, daß wir
    den auch dieses Jahr gewinnen. Siehst du wohl ein”, sagte Aurora
    Dawn.

    “Ich habe das mit Bernhard heute morgen erst mitgekriegt. Hat
    der versucht, dich zu beschwatzen, ihm aus Liebe den Pokal zu
    schenken?”

    “Stand das noch nicht in der Zeitung?” Gab Aurora
    verbiestert dreinschauend zurück. Dann riss sie sich zusammen
    und sagte ruhig: “Er hat sich bequatschen lassen, ob er mich
    nicht rumkriegt. Habe ich aber sofort durchschaut. Deshalb hat er
    mich besonders heftig beharkt. Immerhin geht er ja dieses Jahr von
    Hogwarts runter.”

    “Nach Thorntails. Gute Reise wünsch ich”, stieß
    Gideon hervor. Offenbar ärgerte er sich darüber, daß
    Bernhard ihm den Klatscher an den Besen gehauen hatte.

    “Ihr habt nach dem Essen eine Konferenz?” Fragte Madame
    Pomfrey. Aurora nickte. “Da wird sich Bernhard ja noch was
    anhören dürfen.”

    Aurora überlegte, ob sie nicht bei der Gelegenheit selbst
    einiges würde anhören müssen, weil sie Bernhard
    geohrfeigt hatte. Doch sie sah dem gelassen entgegen.

    Beim Mittagessen sprachen die Ravenclaws noch einmal über das
    Spiel vom Morgen und warum Bernhard Hawkins Aurora immer wieder
    angegriffen hatte. die Mädchen meinten, das sei enttäuschte
    Liebe. Die Jungs sagten nur, daß er einfach nicht verlieren
    könne und dann halt grob werde. Was genau stimmte konnte keiner
    sagen.

    Nach dem Essen trafen sich alle Vertrauensschüler bei
    Dumbledore. Auch die Hauslehrer waren da, wie üblich. Dumbledore
    sagte:

    “Nun, eigentlich wollte ich ja erst nächste Woche die
    übliche Konferenz abhalten, aber Professor McGonagall bat mich
    darum, heute schon zusammenzukommen. Nun, Minerva, bringen Sie Ihr
    Anliegen vor!” Er blickte seine Stellvertreterin durch die
    halbmondförmigen Brillengläser aufmunternd an.

    “Machen wir es kurz”, begann die Leiterin von
    Gryffindor. “Ich weiß nicht, was Sie geritten hat, Mr.
    Hawkins”, wobei sie Bernhard Hawkins sehr streng anblickte,
    “heute andauernd gegen die Quidditchregeln zu verstoßen
    und insbesondere Ms. Dawn teilweise brutal zu attackieren.”

    “Ich wolte für Gryffindor den Pokal gewinnen, Professor.
    Aurora ist zu gut geworden, um sie ständig frei herumfliegen zu
    lassen”, sagte Bernhard. Eunice grinste verhalten. Cynthia
    fragte, warum er dann gerade solche Fouls nötig gehabt hatte.

    “Mir hat man gesagt, in Thorntails wären die Spielregeln
    sehr körperbetont”, sagte Bernhard.

    “Ja, aber noch sind Sie nicht in Thorntails, und ob Sie da
    überhaupt angenommen werden, nachdem, wie Sie sich heute
    betragen haben, steht noch nicht ganz sicher fest”, fauchte
    Professor McGonagall. Bernahrd schrak zusammen. Dann platzte er
    heraus:

    “Das werden Sie nicht bestimmen, Professor McGonagall. Bei
    allem Respekt vor Ihnen, der Umzug steht fest, und die von der
    Thorntails-Akademie haben mir bereits geschrieben, daß ich so
    gut wie sicher bei ihnen aufgenommen bin, insbesondere weil ich
    Vertrauensschüler geworden bin.”

    “Was sicher nicht passiert wäre, wenn dein Vater das
    schon vor einem Jahr geschrieben hätte”, warf Snape
    gehässig ein. “Im Grunde haben deine Eltern und du das
    Konzept der Vertrauensschülerauswahl lächerlich gemacht.”

    “Severus, ist schon gut”, griff Dumbledore ein. “Die
    Vertrauensschülerauswahl obliegt mir, und ich habe keine
    Probleme damit, im nächsten Jahr zwei neue Vertrauensschüler
    zu erwählen. Allerdings irrst du dich, Bernhard, daß wir
    hier nicht doch mitreden können, ob und wie du in Thorntails
    aufgenommen wirst. Immerhin möchte Professor Wright
    sicherstellen, daß die ihr anvertrauten Schüler, besonders
    sogenannte Quereinsteiger, sich und ihre Schule nicht in Verruf
    bringen. Wir müssen also daher ein Zeugnis ausstellen, in dem
    geschrieben steht, wie du dich hier betragen hast. Insofern hat
    Professor McGonagall schon recht, daß du noch nicht in
    Thorntails bist. Außerdem hast du noch einige Monate hier. Ich
    kenne Jungen, die mit der Haltung hier leben, wenn das Ende der
    Schulzeit anbricht können sie sich vieles herausnehmen. Du bist
    wahrlich nicht der erste, der so denkt und handelt. Du magst im
    Moment der jüngste sein, der derartig in Versuchung geführt
    wird. Aber gerade dann ist es mir sehr wichtig, dir zu zeigen, daß
    es verkehrt ist, sich gegen die Regeln zu vergehen, besonders dann,
    wenn er Vertrauensschüler ist. Deshalb muß ich Gryffindor
    leider fünfzig Punkte aberkennen. Hinzu kommt noch, daß
    Professor Wright am zweiten Maiwochenende zu einem kurzen Besuch
    hierher kommt. Der Grund dafür ist zwar ein anderer als sich
    über deine Schwester und dich zu erkundigen, aber die paar
    Minuten wird sie sich sicherlich nehmen können.”

    Das schlug bei Bernhard ein wie ein Klatscher voll in die
    Magengrube. Daß Gryffindor seinetwegen fünfzig Punkte
    verlor und er obendrein schon vor den Prüfungen mit der als sehr
    unerbittlich bekannten Ernestine Wright zusammentreffen sollte war
    ein harter Schlag für ihn. Er sah Aurora Dawn an, als wäre
    sie Schuld an seinem Verhängnis. Als Eunice ihn aber verschmitzt
    anblickte, schlug er die Augen nieder und verhielt sich still.

    Es wurde, weil die Konferenz nun einmal stattfand, auch über
    andere Schulsachen gesprochen. Als die Vertrauensschüler dann in
    ihre Häuser zurückkehrten meinte Bruster zu Aurora:

    “Der verwünscht den Tag, als er sich mit dir eingelassen
    hat. Pass auf, daß er dich nicht doch noch wegen irgendwas
    reinreitet!”

    “Neh, das tut der nicht. Hast du Eunices Blick nicht gesehen.
    Die weiß was los war. Wenn der mich noch vor dem Abschied
    irgendwo reinrasseln läßt hebelt die ihn aus.”

    “Warum auch immer”, sagte Bruster. “Oder stimmt es
    doch, daß er sie mal angegraben und dann wie ‘ne heiße
    Kartoffel hat fallen lassen?”

    “Dann müßte sie ja auf mich sauer sein”,
    wandte Aurora ein. “Ist sie aber nicht.”

    “Weil er dich genauso verarscht hat wie sie. Weil er dir
    vorgebetet hat, daß er für dich da sein will, und jetzt
    geht er zu Mummy Wright nach Thorny.”

    “Wenn die ihn nimmt”, sagte Aurora. Doch das ging sie
    nichts an. Er würde umziehen. Sie hatten sich deswegen
    zerstritten. Er hatte sie heute andauernd angegriffen und sie fast
    vom Besen geholt. Das Spiel war um. Jetzt konnte er ihr gestohlen
    bleiben.

    Abends gab es noch eine Spontanfete im Gemeinschaftsraum der
    Ravenclaws, bei der mehrere Flaschen Butterbier und Naschwerk aus dem
    Honigtopf verbraucht wurden. Aurora mußte einmal
    dazwischengehen, weil ein Viertklässler Vivian Acer Meet
    unterjubeln wollte. Sie beließ es aber nur bei einer Verwarnung
    ohne Punktabzug. Denn im Moment führte Ravenclaw wieder vor
    Gryffindor. Lissy Wright hatte sich aber offenbar ziemlich heftig mit
    irgendwelchen Weinbrandpralinen einen wahren Vollrausch angefuttert
    und konnte schon gar nicht mehr senkrecht stehen. Aurora half den
    Swift-Drillingen dabei, die Klassenkameradin in den Schlafsaal zu
    bugsieren.

    “o, alles dreht sich ja”, lallte Lissy verzückt,
    als Aurora ihr aus den Sachen half.

    “Was hast du bloß gefuttert, Lissy?” Fragte
    Aurora.

    “So Pralinen aus Amerika waren das. Vineyards lustige
    Leckereien”, sagte Ramona Swift.

    “Sind da noch welche drin?” Fragte Aurora. Rita suchte
    die glitzernde goldene Schachtel und holte zwei harmlos aussehende
    Pralinen in Goldfolie heraus. Aurora las den Text auf der Schachtel.
    Dann sagte sie:

    “Ich wußte nicht, daß sie dieses Zeug hat. Das
    ist nix für uns im Wachstum, Mädchen. Ich bringe die mal
    Madame Pomfrey.”

    “Sind die so heftig?” Fragte Roxanne Swift.

    “Eine gibt soviel Alkohol her wie sechs Flaschen Butterbier,
    wenn ich das richtig lese. Die haben da einen Zaubertrank
    eingemischt, der den Zucker in den Pralinen bei Kontakt mit der
    Magensäure schlagartig in Alkohol umwandelt. Ist als Party-Gag
    gedacht oder als Muntermacher für schüchterne Männer
    und Frauen.”

    “Oh, die hat da sieben Stück von gefuttert.”

    “Dann hole ich besser Madame Pomfrey her, damit die ihr ein
    Desalkoholikum gibt. Nachher kriegt die noch ‘ne tödliche
    Vergiftung.”

    Aurora lief los und suchte noch um elf Uhr den Krankenflügel
    auf, wo Madame Pomfrey gerade Gideon Heatherbloom einen letzten
    Besuch abstattete, bevor dieser schlafen sollte. Im Flüsterton
    besprachen sie, was passiert war.

    “Wo hat die das Zeug her?” Fragte die
    Schulkrankenschwester. Dann holte sie eine große Flasche mit
    einem wasserhahnartigen Aufsatz, füllte ein Glas mit Wasser und
    ließ mit kurzem Druck auf die Flasche einen rosaroten Tropfen
    vom Inhalt ins Glas fallen, schüttelte es vorsichtig und sagte:

    “So, das müssen wir ihr jetzt verabreichen. Die Pralinen
    läßt du bitte bei mir. Ich werde die morgen mal
    untersuchen, um zu sehen, was für ein Teufelszeug da
    hineingepanscht wurde”, flüsterte sie und ging mit Aurora
    auf dem schnellsten Weg nach Ravenclaw. Dort angekommen wichen ihr
    alle in Feierlaune angesäuselten Schülerinnen und Schüler
    ohne zu fragen aus. Im Mädchentrakt führte Aurora sie zum
    Schlafsaal der Drittklässler, wo Lissy gerade herzhaft in einen
    ans Bett gestellten Eimer brach.

    “Immerhin etwas von dem Höllengebräu ist raus”,
    bemerkte Madame Pomfrey, wischte Lissy den Mund ab und flößte
    ihr vorsichtig den Inhalt des Glases ein. Es dauerte keine Minute, da
    klärte sich Lissys Blick, und ihre Bewegungen wurden wieder
    fließend und kontrolliert.

    “Ui, Madame Pomfrey”, sagte sie nun bei klarer Stimme
    und Verstand.

    “Ja, Madame Pomfrey, du dummes Kind. Hast du dir die
    Beschriftung der Pralinenschachtel nicht angesehen? Da steht drauf,
    daß Kinder die gar nicht und Jugendliche nur zwei Stück
    davon essen dürfen. Du hast aber sieben davon gegessen. Wo hast
    du die her?” Herrschte die Schulkrankenschwester die
    Drittklässlerin an.

    “Eh, hast du mir die weggenommen?” Fragte Lissy Aurora
    Dawn.

    “Das ist mein Job, so’n Zeug einzuziehen, Elizabeth”,
    fauchte Aurora unerbittlich.

    “Wo hast du diesen Unrat her, Elizabeth?” bohrte Madame
    Pomfrey nach.

    “‘ne Tante von mir hat die mir zu Ostern geschenkt. Sie
    meinte, ich könne damit feiern, wenn es was zu feiern gebe”,
    sagte Lissy sichtlich eingeschüchtert. Madame Pomfrey schickte
    die drei Swift-Schwestern und Aurora Dawn vor die Tür. Offenbar
    wollte sie Lissy noch etwas genauer verhören.

    “Die wollte sich umbringen”, vermutete Rita. “Mit
    sieben von den Dingern im Bauch hätte sie die Nacht nicht
    überlebt.”

    “Wenn es nur sieben waren”, meinte Aurora. “außerdem
    denke ich nicht, daß sie sich absichtlich vergiften wollte. Die
    hat das einfach unterschätzt oder gedacht, das Zeug wirkt nicht
    so heftig wie es auf der Packung steht.”

    “Neh, die wollte sich umbringen. Kuck mal hier!”
    Flüsterte Roxanne Swift und hielt Aurora einen Umschlag hin.
    Aurora nahm den Umschlag, stand eine Sekunde unschlüssig da und
    las dann, daß ihre Großmutter sich ernsthaft überlege,
    sie in einen Sack zu stopfen und mitzunehmen, wenn auch nur ein
    Viertel von dem stimmte, was sie über Lissy gehört hatte.

    “Ach komm, deshalb bringt sich niemand gleich um”,
    flüsterte Aurora den Mädchen zu. “Das ist so wi eine
    angedrohte Prügelstrafe. Ich denke nicht, daß Mrs. Wright
    ihre Enkeltochter in einen Sack stopft und davonträgt. Das paßt
    eher zu Sabberhexen.”

    “Vielleicht hat’s Lissy aber so geglaubt”, sagte Ramona
    Swift. Dann kam Madame Pomfrey aus dem Schlafsaal.

    “Ihr drei könnt da jetzt wieder rein. Das
    Breitbandantidot hat den Alkohol restlos aus dem Körper
    vertrieben. Sie kann also jetzt ruhig schlafen. Alles andere kläre
    ich alleine mit eurem Hauslehrer. Am besten sammelst du deine anderen
    Mitschüler ein und veranlaßt, daß sie auch schlafen
    gehen!” Wandte sie sich an Aurora Dawn. Diese nickte gehorsam
    und kehrte in den Gemeinschaftsraum zurück. Dort besprach sie
    mit Bruster und den anderen Vertrauensschülern, daß sie
    die Party jetzt besser beenden sollten, bevor Flitwick wieder
    auftauchen würde. Sie sahen es ein und setzten den Siegesfeiern
    ein diszipliniertes Ende.

    Im eigenen Schlafsaal wollte Dina von Aurora noch wissen, was
    genau mit Lissy passiert sei. Aurora sagte ihr:

    “Die hat so Partyzeug für durchgedrehte Hexen und
    Zauberer gekriegt und sich bei der Menge vertan. Madame Pomfrey hat
    das geheilt. Ich denke, sie hat das Antidot 999 benutzt, ein sehr
    wirksames Breitbandgegengift. Das ist aber sehr teuer, weil dazu sehr
    tödliche Tier-und Pflanzengifte und diese ins Gegenteil
    umwandelnde Bestandteile von Zaubertieren benötigt werden. Ich
    glaube, ich werde mir mal die Liste der Zutaten zulegen.”

    “Die rückt Madame Pomfrey nur raus, wenn du in den
    beiden UTZ-Klassen bist”, sagte Dina. “Ich wollte mir das
    Zeug auch schon zusammenbrauen, falls Snape uns doch einmal mit einem
    heimtückischen Gift drangsaliert. Aber Madame Pomfrey hat mir
    erzählt, daß die Rezeptur nur in einem Heilerlexikon drin
    ist, das nur an Leute aus den UTZ-Klassen ausgeliehen wird, die
    magische Heilkunst oder Arzneikunde erlernen wollen. Da ich das wohl
    nicht mache, wegen der ganzen Zauberkunst-und Verwandlungssachen,
    werde ich das wohl nicht nachlesen können.”

    “Verstehe”, sagte Aurora Dawn. Dann spürte sie, wie
    müde sie nach diesem langen, aufregenden Tag war und wünschte
    ihren Klassenkameradinnen eine gute Nacht.

    __________

    Lissy Wright hatte wohl doch nicht vorgehabt, sich mit magischen
    Pralinen umzubringen. Denn am nächsten Morgen bedankte sie sich
    bei Aurora für die Hilfe und wirkte dabei nicht mehr so
    selbstsicher und überheblich wie sonst. Aurora erklärte
    ihr, was mit ihr passiert war und erfuhr, ohne daß sie es
    darauf angelegt hätte, daß Lissys Tante ihr diese Pralinen
    geschenkt habe, um sie bei Feiern wie eben dem Quidditchpokalgewinn,
    mit guten Freunden zu teilen. Da Lissy aber durch ihre Art, mit
    Schulkameraden umzuspringen, keinen einzigen Freund hatte, hatte sie
    aus Trotz sieben Pralinen gefuttert, ohne sich darüber
    klarzusein, welche heftige Wirkung die hatten.

    “Madame Pomfrey hat die Pralinen einbehalten, Lissy.
    Professor Flitwick wird davon nichts erfahren, solange deine
    Klassenkameradinnen nicht meinen, ihm das stecken zu müssen. Du
    verstehst was gemeint ist?” Erwiderte Aurora Dawn sehr ernst
    dreinschauend.

    “Diese Nixkönnerinnen können mich erpressen”,
    schnaufte Lissy sehr vergrätzt. Ja, in der Tat hatte sie sich
    den drei Swift-Schwestern ausgeliefert, die ihr alles, was sie über
    drei Jahre von ihr hatten einstecken mußten, mit einem Schlag
    zurückgeben könnten, wenn sie ihnen einen Anlass dazu gab.
    Als Aurora Lissy erzählte, daß sie den Brief gefunden
    hatte, mußte die sonst so großspurige Drittklässlerin
    lachen.

    “Meine Großmutter drückt sich manchmal sehr brutal
    aus. Sicher, ich würde nichts machen, was sie wirklich ärgert.
    Aber in einen Sack stecken würde sie mich nicht. Außerdem
    wäre das kein Grund für mich, mich mit
    Rauschverstärkungspralinen um die Ecke zu bringen.”

    “Konnte ich mir auch nicht denken”, erwiderte Aurora
    Dawn.

    Nachdem Lissy sich verabschiedet hatte, hatte Aurora alle Hände
    voll zu tun, ihre Mitschüler von unsinnigen Sachen wie
    Gripsverstärkungselixieren und dergleichen abzubringen. Einige
    hatten nämlich die Idee gehabt, ihre ZAG-Mitschüler mit
    angeblich wirksamen Gedächtnis-und
    Auffassungsgabesteigerungstränken, -pastillen und -pülverchen
    zu beglücken.

    “Jedes Jahr dieselbe Schose”, sagte Bruster, der gerade
    eine merkwürdige Flasche von Dennis McGregor beschlagnahmt
    hatte, die angeblich Sphinxenkrallenpulver mit Eulenblut und
    Kräutersaft vermischt enthielt und die eigene Auffassungsgabe um
    ein zehnfaches anheben sollte. Aurora dachte daran, daß es
    einen entsprechenden Trank geben solle, aber daß der noch
    wesentlich komplizierter war und auch nicht ohne Nebenwirkungen war,
    die nur ein zweiter Trank abfangen konnte.

    “Also ich glaube, wir sollten den Leuten sagen, lieber
    fleißig zu lernen, bevor die meinen, mit einem Schluck aus
    einer merkwürdigen Phiole die Prüfungen sicher geschafft zu
    haben”, sagte Aurora.

    Eunice Armstrong fragte sie einmal, ob es wirklich gute
    Gehirnaufputscher gäbe außer denen, die Bitterling ihnen
    mal gezeigt habe. Aurora erzählte ihr, was sie wußte und
    woran man echte von falschen Mittelchen unterscheiden konnte.

    “Irgendwer bringt diese Nummer immer, jedes Jahr”, sagte
    Eunice. “Die meinen, die ZAG-Leute würden wirklich alles
    schlucken, nur um sicher durch die Prüfungen zu kommen.”

    “Ja, und wir haben jetzt das Problem, diese Pfuscherei zu
    unterbinden”, knurrte Aurora.

    Der Handel mit scheinbar brauchbarem Zeug zur Gripfsverstärkung
    und Gedächtniserweiterung hörte auf, als Aurora Dawn im
    Gemeinschaftsraum mal das Produkt eines Sechstklässlers mit
    ihrer Zaubertrankausrüstung analysierte und Jarveykot,
    pulverisierte Mäuseknochen und ausgetrocknete Käfer
    nachweisen konnte.

    “Also, Leute: Streiche zu spielen ist mal was lustiges. Aber
    was hier läuft ist Betrug und sogar fahrlässige
    Körperverletzung. Wenn ich noch einmal solch eine
    zusammengepanschte Mixtur beschlagnahme, wird der oder die, von dem
    oder der ich das habe, das Zeug selbst zu schlucken kriegen.
    Abgesehen davon, daß ich dann Ravenclaw zwanzig Punkte pro Fall
    abziehen werde.” Einige murrten zwar, sie hätten mit derlei
    Quacksalberei nichts zu tun. Doch von Stund an ging von Ravenclaw aus
    kein wie auch immer angepriesenes Wundermittel aus. Fielding nannte
    es scherzhaft “die Dawn-Doktrin”, als er Aurora schadenfroh
    zuschanzte, daß er vier Siebtklässler belauscht habe, die
    fast mit einem Zaubertrank erwischt worden wären, den sie den
    Hufflepuffs anzudrehen versucht hätten. Da Auroras Androhung
    jedoch auch bei den anderen Vertrauensschülerinnen der fünften
    Klasse angekommen war, hatten die diesen Handel platzen lassen. Tonya
    Rattler hatte Cynthia mal vorgehalten, ihre Hausschüler wollten
    solchen Murksmix doch nur, weil sie sich ihrer geistigen
    Schwachheiten bewußt geworden seien. Cynthia hatte Tonya darauf
    geantwortet, daß sie besser sein wollten als gut und da manchem
    Rattenfänger hinterherliefen.

    Der Unterricht wurde nicht leichter. In Muggelkunde sollten sie
    das Morsealphabet lernen, um die Anfänge der schnellen
    Nachrichtenverbreitung in der Muggelwelt verstehen zu können.
    Roy war da natürlich um Längen voraus, weil er als Sohn
    eines Seefahrers auch öfter in einer Funkbude gewesen und sich
    das Punt-Strich-Alphabet schon mit sechs Jahren angeeignet hatte.

    “Nun, Ihre Schwester war in der Hinsicht genauso überragend
    vorgebildet”, sagte Professor Goldbridge, den sie in seiner
    Abwesenheit auch gerne Professor Janus nannten.

    “Also die gemorste Gruppe SOS sollte wirklich jeder kennen”,
    sagte Roy sehr selbstsicher. “In der nichtmagischen Welt kennt
    jeder Fünfjährige die Zeichenfolge.”

    “Wann wurde denn dieses Notsignal erstmalig als solches
    benutzt?” Wollte Professor Goldbridge wissen, um Roy von seinem
    hohen Sockel herunterzuholen. Doch Roy hatte keine Probleme mit der
    Antwort:

    “Das war in der Nacht vom vierzehnten zum fünfzehnten
    April neunzehnhundertzwölf, als das Luxuspassagierschiff
    “Titanic” nach vorbeischrammen an einem Eisberg zu sinken
    begann. Hat den meisten Passagieren leider nichts geholfen, weil die
    Schiffe, die den Notruf hörten, mehrere Stunden brauchten um
    hinzukommen und das Schiff, das am nächsten dran war, zu dem
    Zeitpunkt die Funkanlage ausgeschaltet hatte. Das habe ich gelernt,
    weil mein Dad ja in der zivilen Seefahrt tätig war, bis ihn –
    bis ihn dieser Schweinehund Voldemort und seine Nachläufer
    einfach so umgebracht haben.” Die letzten Worte sprach Roy mit
    tiefer Verbitterung in Gesicht und Stimme. Die meisten Schüler
    im Klassenraum zuckten zusammen, weil er den Namen des bösen
    Hexenmeisters laut aussprach.

    “Ja, aber den restlichen Morsekram brauchen wir in der
    Zaubererwelt doch gar nicht”, sagte Bruster. “Da können
    wir Eulen mit Briefen verschicken und Funken verschiedener Farbe
    losschicken oder Lichtstrahlen oder Töne.”

    “Ja, und der Notrufzauber ist wohl ähnlich wie das
    SOS-Zeichen”, wußte Aurora noch. Da konnte Roy nichts
    gegen einwänden. Immerhin hatte seine Schwester Erica ihm ja
    auch schon erklärt, wie einfach aber wirkungsvoll der
    Notrufzauber war. Da konnte man innerhalb einer halben Minute Hilfe
    bekommen, wenn man wirklich in Not war.

    “Weshalb Madame Pomfrey ja vor Jahren schon eine Eingabe an
    Professor Dumbledore und die Ausbildungsabteilung gemacht hat, er
    solle bereits in der ersten Klasse unterrichtet werden”, sagte
    Professor Goldbridge. “Aber darüber unterhalten Sie sich
    bitte mit Professor Flitwick.”

    “Eben, diesen Morsekram braucht keiner aus der Zaubererwelt”,
    warf Loren Tormentus ein. “Aber interessant ist es schon, wie
    die Muggel sich auf so eine einfache Verschlüsselung verständigt
    haben.”

    “Nun, Mr. Fielding, da ich feststellen muß, Ihnen in
    diesem Teil des Unterrichts wohl keine nennenswerte Neuigkeit bieten
    zu können, wären Sie dann so freundlich, ein für uns
    alle hier verständliches Referat über die
    Einsatzmöglichkeiten des Morse-Codes zu halten?” Fragte der
    Muggelkundelehrer. Roy nickte und versprach, in der nächsten
    Stunde eine auch für reinblütige Zauberer klar
    verständliche Zusammenfassung vorzutragen.

    In Zauberkunst waren sie alle noch mit den Schall-und
    Lichtbeeinflussungszaubern zu Gange, wie den Raumerleuchtungszauber
    Amplumina, der Sonnenlichtkugel, die große Flächen unter
    einer körperlosen Lichtkugel erhellen ließ oder Zaubern
    wie Sonorus, der einem eine große Räume ausfüllende
    Stimmgewalt verlieh oder Vociferus-Zauber, der die eigenen Wörter
    über Kilometer weit in eine bestimmte Richtung tragen konnte,
    allerdings nur in einem Winkel von wenigen Grad, besser als jedes
    Megaphon.

    “Wieso, Professor Flitwick, benutzen unsere Stadionsprecher
    dann nicht den Sonorus-Zauber?” Fragte Mortimer Swift einmal,
    als es ihm mehrmals gelungen war, den Staub im Raum durch magisch
    verstärkte Stimme von der Decke rieseln zu lassen.

    “Nun, das stammt noch aus einer Zeit, wo der Sonorus-Zauber
    seine Tücken hatte und gerade ungeübte Zauberer Probleme
    mit ihm hatten. Außerdem ist ein Megaphon insofern praktischer,
    da man es absetzen kann, wenn man kurz mit jemandem neben sich
    sprechen möchte. Allerdings, so ist mir bekannt, wird Sonorus in
    Beauxbatons, Greifennest und Thorntails verwendet. Bei uns sind die
    Kommentare per Megaphon seit über zwei Jahrhunderten Tradition.”

    “Verstehe”, sagte Mortimer.

    __________

    Der Mai begann mit Regen und Frühlingsstürmen. Die
    Schüler waren froh, wenn sie nicht im Freien herumlaufen mußten
    und daß die Quidditch-Saison nun vorbei war. Als das zweite
    Maiwochenende anrückte, bemerkte Aurora die innere Anspannung
    bei Lissy Wright. Sie wurde unausstehlich, wenn man ihr länger
    als fünf Sekunden zu nahe kam. Ihre drei Klassenkameradinnen
    hielten sich schön von ihr fern und beließen es dabei,
    hinter ihrem Rücken zu tuscheln. Sicher war es in der ganzen
    Schule herum, daß Lissys Eltern zusammen mit der achso
    berühmten Großmutter aus Amerika herkommen wollten, um zu
    schauen, was ihre achso überragende Tochter und Enkelin so
    anstellte.

    Aurora kümmerte sich nicht sonderlich um Lissy, selbst wenn
    diese ihr zwischendurch immer einen verächtlichen Blick zuwarf.
    Sie hatte mit ihren Prüfungsvorbereitungen genug am Hut und gab
    im Moment nichts auf die Meinung jüngerer Schulmädchen. Sie
    ärgerte sich nur, weil Bernhard Hawkins nach dem Quidditchfinale
    vollkommen gegen sie eingenommen war. Wenn eine
    Vertrauensschülerkonferenz stattfand, sah er sie immer abfällig
    von der Seite an oder meinte, ihre Einwände oder Fragen
    lächerlich reden zu müssen. Einmal hatte Eunice ihn darauf
    hingewiesen, daß er noch zwei Monate hier war und sich
    gefälligst anständig benehmen sollte. Darauf hatte er nur
    gesagt:

    “Ich geh doch eh nach Amerika.”

    Als dann der zweite Samstag im Mai anbrach, diesmal mit klarem
    Himmel und der Aussicht auf einen schönen Tag, beschloss Aurora
    für sich, möglichst weit vom Schloß entfernt zu sein.
    So nahm sie nach dem Frühstück den Nimbus 1500 und flog
    über die Ländereien dahin, überquerte sogar den
    verbotenen Wald und zog einige Bahnen über dem großen See.
    So um zehn Uhr landete sie in einem der kleineren Parks, wo sie sich
    mit einem Buch über Zauberkunst die Zeit nutzvoll vertreiben
    wollte.

    Sie saß, den guten Besen quer über die Bank auf der sie
    saß gelegt, im Schein der Morgensonne und genoss ihre wärmenden
    Strahlen, den Duft der blühenden Büsche und Bäume und
    das Zwitschern der Vögel und das Summen der Bienen, die um sie
    herum nach Nektar suchten. Sie war gerade bei dem Kapitel über
    den Gleichwärmezauber angelangt, als das Schwirren durch
    Reisigbündel strömenden Flugwindes über ihr erklang.
    Sie hob den Kopf und sah drei Besen anfliegen, zwei Wolkenreiter 2
    und einen Besen, den sie nicht kannte dahinter. Auf einem der
    Wolkenreiter saß eine Hexe im meergrünen Umhang mit
    sonnengelbem Hut. Auf dem anderen ritt ein Zauberer in samtbraunem
    Umhang mit schwarzem Bowler. Der Aurora unbekannte Besen trug eine
    Hexe fortgeschrittenen Alters, die ziemlich untersetzt gebaut war und
    ein himmelblaues, wallendes Kleid trug. Auf dem Kopf mit dem
    weißblonden Schopf thronte ein schneeweißer kleiner
    Spitzhut. Aurora sah kurz die Brille der älteren Hexe im
    Sonnenlicht aufblitzen. Dann glitten die Besen bereits in der Nähe
    des Hauptportals zu Boden. Das waren also Lissys Besucher. Aurora
    nahm es zur Kenntnis und vertiefte sich wieder in die Beschreibung
    des Gleichwärmezaubers, mit dem Behälter ihren Inhalt auf
    gleicher Temperatur halten konnten.

    Etwa um zwölf Uhr herum hatte sie alles gelesen, was den
    Zauber betraf und noch einiges mehr über flammenlose Erhitzungs-und Abkühlungszauber, die sie zwar schon in der zweiten Klasse
    gelernt hatte, die aber in der Wiederholung sicherlich drankommen
    würden. Sie klappte das Buch zu, flog auf ihrem Besen hinüber
    zum Schloß und brachte den Nimbus in ihren Schlafsaal. Dort
    erwartete sie Petula Woodlane.

    “Hast du die Wrights gesehen, Aurora. Er sieht ja ziemlich
    klein mit Hut aus, wenn die gewichtige Dame hinter ihm herläuft”,
    grinste Auroras Schulfreundin.

    “Mag sein. Ich habe mich draußen noch mal über die
    Wärmebeeinflussungszauber schlaugelesen. Mir ist es jetzt egal,
    was mit Lissy geklärt wird.”

    “Dein Ex läuft ja ganz aufgeregt herum, weil er die
    Leiterin von Thorntails keine fünf Meter an sich vorbeigehen
    sah, hat mir Isis vor einer Stunde erzählt. Na ja, mit uns hat
    das ja dann nichts zu tun, denke ich mal. Oder glaubst du, die große
    Ernestine Wright will dich wegen Lissys blödem Verhalten noch
    einmal genauer befragen?”

    “Ich hoffe es nicht. Nachdem ich die Sache angeleiert habe,
    ist es mir recht, wenn die mich da raushalten”, gestand Aurora
    ein. Dann ging sie mit Petula hinunter in die große Halle.

    Lissy Wright machte einen ziemlich zerknirschten Eindruck, als sie
    sie am Ravenclaw-Tisch weit fort von den Swift-Drillingen sitzen
    sehen konnten. Als sie Aurora einmal ansah funkelte sie diese an, als
    habe die ihr eine saftige Strafe eingebrockt.

    Nach dem Mittagessen wollten Aurora und Dina ihren
    Klassenkameraden noch bei der Wiederholung der Zaubertrankübungen
    helfen. Dazu setzten sie sich in ihren Außenumhängen in
    den westlichen Park und besprachen die Sachen, die in den letzten
    vier Jahren erwähnt und im Unterricht ausprobiert worden waren.
    Es war wohl so um drei Uhr, als ein merkwürdig geisterhaft
    aussehender Vogel, der aus silberweißem Licht zu bestehen
    schien, heranflog und sich vor Aurora Dawn auf den runden Tisch
    setzte.

    “Heh, was ist denn das für ein Vogel?” Fragte Roy
    Fielding, der sich gerade von Dina die Zubereitung von Träumgut-Tee
    erklären ließ.

    “Professor Dumbledore möchte dich in seinem Büro
    sehen, Aurora”, flötete der Vogel glockenhell. Aurora Dawn
    zuckte die Achseln und sah das Tierwesen aus reinem Licht kritisch
    an.

    “Was möchte Professor Dumbledore von mir?” Fragte
    Aurora Dawn leicht mißmutig.

    “Professor Dumbledore möchte dich in seinem Büro
    sehen, Aurora”, wiederholte der Lichtvogel unbeeindruckt von der
    Frage.

    “Wahrscheinlich will Lissys Oma dich noch mal verhören,
    was dir denn einfiel, ihre Enkelin so dumm zu reden”, feixte
    Bruster Wiffle.

    “Ach ja?” Stieß Aurora Dawn aus. Doch sie
    verstand, daß sie eh keine andere Wahl hatte. Wo immer dieser
    Vogel hergekommen sein mochte, er hatte ihr eine Botschaft von
    Dumbledore überbracht, und es wäre unklug, nicht darauf
    einzugehen. So verabschiedete sie sich von ihren Klassenkameraden und
    folgte dem Vogelwesen aus silbernem Licht, das sie erst zum Schloß
    führte, um dann im Hui einen Gang entlang zu fliegen und dabei
    wie Nebel zu zerfließen.

    “Den Zauber lerne ich noch, um Dad zu beeindrucken”,
    dachte sich Aurora und suchte die Wasserspeier auf, die die Tür
    zu Dumbledores Turm bewachten.

    “Kribbels Kekse”, sagte sie und wartete, bis der
    Wasserspeier in ihrer Nähe zur Seite sprang und den Weg zur
    Wendeltreppe freigab. Mit etwas mulmigem Gefühl in Magen stieg
    sie die gewundene Treppe hinauf bis vor die Tür zur runden
    Turmkammer, Dumbledores Sprechzimmer. Von weiter oben hörte sie
    bereits den Schulleiter, Lissy Wright und jene Hexe, die sie einmal
    in Flitwicks Kaminfeuer gesehen hatte. Als sie dann vor der Tür
    war, hörte sie von unten jemanden die Stufen hinaufhetzen.

    “Sie ist da, Albus”, hörte Aurora die ältere
    Hexe halblaut sagen.

    “A ja”, sagte Dumbledore. “Aurora, kommst du bitte
    herein?”

    Aurora betrat das kreisrunde Zimmer mit seinen vielen glitzernden
    und schnarrenden Gerätschaften, den Portraits früherer
    Schulleiter an der umlaufenden Wand und den großen, die
    Maisonne einlassenden Fenstern. Der Schulleiter blickte an ihr vorbei
    und erkannte einen halbwüchsigen Jungen mit braunem Haar.

    “Bernhard, du bist zu früh dran. Komm bitte in einer
    Viertelstunde noch einmal wieder!” Sagte Dumbledore, als der
    leicht gehetzt wirkende Junge die oberste Stufe der Treppe erreicht
    hatte.

    “‘tschuldigung, Professor Dumbledore. Aber Professor
    McGonagall hat mir ausgerichtet, daß ich herkommen soll.”

    “Nun, das war ein wenig verfrüht. Professor McGonagall
    ging davon aus, daß wir deine Angelegenheiten jetzt schon
    besprechen sollen. Aber Professor Wright hat mich gebeten, die
    eigentlichen Angelegenheiten ihres Hierseins noch genau
    abzuschließen, bevor sie sich mit dir unterhalten möchte.”

    “Ist gut, Professor Dumbledore”, knurrte Bernhard und
    eilte die Wendeltreppe abwärts davon.

    “Verzeihung, Ernestine. Offenbar wollte meine Kollegin Ihnen
    unnötige Wartereien ersparen”, sagte der Direktor von
    Hogwarts zu jener fülligen Dame im himmelblauen Kleid. Aurora
    stand ruhig im Zimmer, während sich die Tür wieder schloß.
    Lissy Wright hockte angespannt auf einem Stuhl und hatte ihre Hände
    am Tischrand fest verkrampft, als wolle sie verhindern, damit
    unbedachte Bewegungen oder Gesten zu machen.

    “Setz dich bitte hier her, Aurora!” Forderte Professor
    Dumbledore die Vertrauensschülerin auf und wies ihr mit einer
    sachten Armbewegung einen Stuhl an. Sie nahm Platz und wartete, was
    passierte.

    “Meine respektable Amtskollegin Professor Dr. Ernestine
    Wright haben Sie einmal flüchtig sehen können, hat sie mir
    mitgeteilt. Daher brauche ich Sie einander nicht weiter vorzustellen.
    Sie möchte von Ihnen noch einiges mehr wissen, was den
    außerschulischen Umgang ihrer Enkeltochter Elizabeth betrifft”,
    begann Dumbledore. Lissy sah Aurora mit einem drohenden Blick an der
    “Sag bloß nix falsches!” zu sagen schien. Doch Aurora
    lächelte die ehrwürdige Hexe aus Amerika an.

    “Nun, Ms. Dawn, Sie waren nicht die Erste, die sich in einem
    Brief direkt an mich darüber beklagte, daß meine
    Enkeltochter sich ihren Mitschülern gegenüber sehr
    unkameradschaftlich aufführe”, sprach Professor Wright
    ruhig und keineswegs streng oder unerbittlich. “Was hat Sie nach
    Ihrer früheren Mitschülerin Amalia Hopfkirch veranlaßt,
    sich noch einmal an mich zu wenden, wo ich doch sehr weit fort bin
    und eine Vielzahl von Aufgaben zu bewältigen habe?”

    “Nun, Professor Wright”, begann Aurora Dawn, die sich
    jetzt, wo es klar war, daß man ihre Meinung hören wollte,
    sehr gut zusammennahm und ihre innere Ruhe behielt, “Das geht ja
    leider nicht erst seit diesem Jahr so. Ja, Lissy, es ist leider so,
    daß ich es nicht erst als Vertrauensschülerin mitbekommen
    habe, daß du sehr überheblich und unkameradschaftlich
    bist, vor allem zu deinen Klassenkameradinnen aus Hufflepuff und eben
    den Swift-Geschwistern”, sagte sie dann mit kurzem Blick auf
    Lissy, bevor sie Professor Wright in die bebrillten Augen blickte und
    erzählte, was sie am Verhalten von Lissy so störte und
    weshalb sie ihr einmal sogar eine Strafarbeit aufhalsen mußte.
    Merkwürdigerweise hatte Aurora dabei das Gefühl, als sähe
    sie die Bilder und höre die Geräusche, die mit den von ihr
    geschilderten Sachen zusammenhingen. Dumbledore meinte einmal:

    “Ernestine, ich glaube, derartig detailgenau müssen Sie
    es nicht ergründen, was Ms. Dawn Ihnen erzählt.”

    “Oh, entschuldigung, Dumbledore. Macht des Mißtrauens”,
    sagte Professor Wright an den Ohren errötend. Dann bat sie
    Aurora, weiterzusprechen. Diese erzählte weiter, was Lissy alles
    getan hatte, was über eine normale Überlegenheit anderen
    Schülern gegenüber hinausging. Dann wollte Professor Wright
    wissen, ob ihre Enkeltochter ihre Klassenkameradinnen wirklich als
    Nichtskönner bezeichnet habe. Aurora hatte dies bisher mit
    keinem Wort erwähnt, auch nicht im Brief. Doch sie mußte
    nicken. Lissy spannte sich an, als wolle sie gleich auf die
    Vertrauensschülerin losgehen. Das war offenbar ein Wort zu viel.

    “Aha, also doch. Du mußt wissen, Kind, daß mir
    das auch schon Professor McGonagall, Professor Sprout und dieser
    Snape so erzählt haben.”

    “Bitte, Ernestine, Professor Snape”, korrigierte
    Dumbledore die Amtskollegin verhalten.

    “Ich wollte das nur noch mal von einer Mitschülerin aus
    höheren Jahrgangsstufen hören, ob daran mehr ist als das
    was im Unterricht läuft. Bekanntlich bekommen ja die Lehrer von
    den zwischenkameradschaftlichen Verhältnissen nicht alles mit.
    Jetzt möchte ich von dir gerne wissen, was du meiner Enkelin
    empfehlen würdest, wenn du noch größere Kompetenzne
    erhieltest als sie dir ohnehin schon zugestanden wurden?”

    “Das was ich ihr schon gesagt habe, Professor Wright”,
    sagte Aurora. “Sie käme ganz bestimmt gut mit allen aus,
    wenn sie die nicht als ihren eigenen Klotz am Bein ansehen und
    entsprechend grob abfertigen würde. Wir sind hier doch alle
    Schüler. Wir sind zum Lernen hier und damit alle irgendwie
    gleich, von den Altersunterschieden abgesehen. Ich kann also nicht
    mehr sagen als das, was ich ihr immer schon gesagt habe, Professor
    Wright.”

    Die Angesprochene nickte bestätigend und wandte sich dann
    Lissy Wright zu.

    “Ich habe es dir damals persönlich gesagt, als klar war,
    daß dein Vater dich lieber in Hogwarts haben will, damit deine
    Mom nicht ihren Freundes-und Bekanntenkreis aufgeben muß, daß
    ich keine Klagen von irgendwem hören möchte. Der Umstand,
    daß ich sehr viel wichtigere Dinge um die Ohren habe als mich
    mit deinen Prinzessinnenlaunen zu befassen, hat dich bis heute hier
    belassen. Aber ich werde das wohl noch einmal mit deinen Eltern
    bereden müssen, ob du hier wirklich gut untergebracht bist und
    andere sich mit dir irgendwie herumplagen müssen, mehr als mit
    jedem anderen Schüler.”

    “Gran, es ist doch nicht so, wie die da es erzählt”,
    versetzte Lissy und zeigte mit dem Finger auf Aurora. Diese grinste.
    Das war jetzt nicht gerade intelligent von Lissy gewesen.

    “Und ob das stimmt, was Ms. Dawn gerade erzählt hat,
    Mädchen. Du weißt genau, daß ich zwischen Lüge
    und Wahrheit unterscheiden kann und auch, daß sie nicht die
    einzige ist, die sich so über dich geäußert hat.”
    Aurora wollte gerade was einwerfen, daß ja niemand Lissy
    loswerden wolle. Doch Dumbledore schien das zu spüren und legte
    ihr sacht die Hand auf eine Schulter. Sie schluckte was sie sagen
    wollte.

    “Die legen hier nicht eure Maßstäbe an, Gran”,
    fauchte Lissy. “Wenn du wüßtest, wie rückständig
    gerade die Drillinge sind und …”

    “Ist gut Lissy. mehr mußt du mir nicht erzählen.
    Das klären wir alles später. Albus, ich bedanke mich, daß
    Sie das Mädchen hergebeten haben. Es war sehr erhellend”,
    sagte sie, Dumbledore anblickend und fügte Aurora zugewandt
    hinzu: “Ich danke dir, Aurora, daß du etwas von der
    wertvollen Freizeit geopfert hast, um mir das noch einmal genau zu
    erzählen. Wenn du möchtest kannst du nun gehen.”

    Aurora verstand es so, daß sie hier nicht mehr erwünscht
    war und verabschiedete sich von Professor Dumbledore, Professor
    Wright und Lissy. Diese funkelte sie zwar noch einmal wütend an,
    verkniff sich aber jeden weiteren Kommentar.

    Aurora verließ das Turmzimmer. Schnell stieg sie die Treppe
    hinunter und verließ das Reich des Schulleiters. vor der Tür
    warteten die Wrights neben Bernhard Hawkins. Dieser fragte Aurora, ob
    das Verhör jetzt vorbei sei, was sie nur mit einem Nicken
    beantwortete und wortlos weiterging, ohne die Eltern Lissys näher
    zu begrüßen. Sie kehrte zurück zu ihren
    Klassenkameraden, die wissen wollten, was Aurora erlebt hatte.

    “Ach, und du hast der großen Dame aus Thorntails alles
    aufs Brot geschmiert, was ihre Enkelgöre hier anstellt?”
    Wollte Bruster wissen. Aurora sagte:

    “Ich habe nur das gesagt, was ich für sachlich genug
    hielt, ohne jetzt zu persönlich werden zu wollen. Aber irgendwie
    hatte ich das Gefühl, was ich erzählte hat bei mir die
    Erinnerungen an die damit zusammenhängenden Sachen
    wachgekitzelt, als wenn es erst gestern passiert wäre.”

    “Du hast der Frau dabei in die Augen gesehen?” Fragte
    Bruster merkwürdig angespannt.

    “Ja, natürlich, damit die nicht dachte, ich würde
    ihr was vorschwindeln”, sagte Aurora.

    “Den Eindruck hat sie dann wohl auch nicht von dir bekommen
    oder?” Fragte Bruster.

    “Zumindest hat sie mich nicht dumm angemacht, was mir
    einfiele, Lissy so schlecht zu reden”, erwiderte Aurora.
    “Dumbledore hat ihr nur einmal gesagt, sie müsse ja nicht
    alles im Detail wissen, was Lissy angestellt hat.”

    “Aja”, grummelte Bruster Wiffle. “Der hat es also
    gemerkt.”

    “Was soll er gemerkt haben?” Wollte Petula wissen.

    “Das die gute Ernestine Wright mehr drauf hat als nur das,
    was ihr den Job in den Staaten eingebracht hat”, sagte Bruster.

    “Du meinst, sie wollte meine Gedanken lesen oder sowas?”
    Fragte Aurora und erschauerte. Genau den Eindruck hatte sie ja
    gehabt, als sie Professor Wrights Kopf in Flitwicks Kamin hocken
    gesehen hatte.

    “Wäre das nicht böse Zauberei, wenn die sowas
    machen würde?” Fragte Roy.

    “Wenn sie es wirklich kann dann sollte sie das besser wissen
    als ich”, geheimniskrämerte Bruster. Roy meinte dazu:

    “Unheimlich wär’s schon, wenn die jemanden ankuckt und
    alles sieht, was jemand denkt oder fühlt. Soll dieser Bastard
    Voldemort nicht auch sowas gekonnt haben?”

    “Nenn ihn doch nicht beim Namen!” fauchte Dina
    verärgert.

    “Erstens, meine Eltern sind schon tot, weil er meinte, die
    einfach abmurksen zu müssen, Dina. Zweitens ist der selber
    Geschichte, weil er diesen Harry Potter nicht umbringen konnte. Da
    kann ich den Mistkerl bei jedem Namen nennen, den der sich mal
    zugelegt hat”, schnaubte Roy sehr zornig. Das Getue um die
    Unterdrückung des Namens, den der Mörder seiner Eltern
    besaß nervte ihn tierisch an.

    “Leute, am besten machen wir mit dem Kram weiter, den wir
    noch nicht durchgekaut haben”, sagte Aurora, der das ganze zu
    lästig wurde. Sicher, wenn Professor Wright ihre Gedanken lesen
    konnte betraf sie das schon. Doch ändern konnte sie jetzt auch
    nichts mehr dran.

    Bis zum Abendessen kamen sie zu den Zaubertränken, die sie im
    vierten Jahr hatten. Gemeinsam gingen sie in die große Halle.

    Lissy Wright starrte verdrossen ihren Teller an. Sie mied die
    Blicke jeder Person hier in der Halle. Aurora vermeinte, einen
    brodelnden Zorn in der Drittklässlerin zu erkennen. Bruster
    flüsterte ihr mal zu:

    “Am besten sicherst du deinen Besen und alles andere was dir
    wichtig ist.”

    “Wenn die sich an Sachen von mir vergreift fliegt die von der
    Schule”, flüsterte Aurora.

    Mortimers Schwestern machten sich einen Spaß daraus, Lissy
    mit Fragen zu löchern, ob sie von ihrer Großmutter eine
    Tracht Prügel bekommen oder sonst wie bestraft worden sei. Da
    Lissy beharrlich schwieg, tönten Ramona, Rita und Roxanne
    weiter, daß man sie bestimmt eine Klasse zurückstufen
    würde, weil sie sich unfair anderen gegenüber verhalten
    würde. Aurora knirschte mit den Zähnen. Sie wollte es
    nicht, aber sie mußte es tun. Sie wandte sich an die Drillinge
    und sagte laut:

    “Ihr drei habt keinen Grund, Lissy jetzt noch dumm zu kommen.
    Was immer zwischen ihr und ihren Verwandten bequatscht wurde, geht
    nur sie was an. Wenn’s was für uns alle wichtiges gibt, krigen
    wir das früh genug mit. Also hört bitte auf, auf ihr
    rumzuhacken, nur weil ihr findet, daß sie lange genug auf euch
    rumgehackt hat! Ihr seid dadurch nicht besser als sie.”

    “Das war jetzt absolut unnötig”, knurrte Lissy,
    während die Drillinge Aurora verdrossen ansahen.

    “Fand ich nicht”, herrschte Aurora Lissy an. “Das
    war jetzt doch nötig”, bekräftigte sie noch. Dann
    wandte sie sich wieder ihrem Hühnercurry zu.

    Obwohl sie nicht dachte, daß Lissy sich an ihr oder ihren
    Sachen vergreifen würde, wandte sie doch den
    Diebstahlschutzzauber auf ihren Koffer an, den ihr ihre Großmutter
    Regan gezeigt hatte. Lissy war ziemlich früh in ihren Schlafsaal
    gegangen, längst vor den Swifts. Diese meinten zu Aurora, sie
    solle aufpassen, daß sich Elizabeth nicht doch noch umbrächte.

    “Wißt ihr, Mädels, jetzt geht ihr mir richtig auf
    den Geist”, fauchte Aurora. “Ich halt doch nicht Händchen
    mit dieser überdrehten Göre, nur damit die sich nicht
    selbst umbringt. Wenn ihr wollt, daß sie lebt, dann paßt
    gefälligst selbst auf sie auf!”

    “Ja, aber du bist die Vertrauensschülerin”, feixte
    Roxanne. Aurora lief wutrot an und sagte:

    “Eben, und deshalb ziehe ich Ravenclaw deinetwegen mal eben
    fünf Punkte ab, wegen Respektlosigkeit. Damit hat sich’s.
    Nacht!” Sie kehrte den Mädchen den Rücken zu und
    Marschierte weit ausschreitend zu einem Tisch, wo Petula und Miriam
    Zauberkunstübungen machten. Um sich von dieser Sache mit Lissy
    abzulenken spielte sie mit den beiden die einfacheren
    Zauberkunststücke durch, wie laufende Teetassen oder fliegende
    Untertassen. Miriam zauberte mehrmals jenen widerlichen grünen
    Schleim, der nicht so leicht abzuwischen war, um den Ratzeputz-Zauber
    zu proben.

    Irgendwann um zwölf waren alle Ravenclaws in ihren
    Schlafsälen. Aurora dachte, daß sie bis zu den ZAGs bloß
    nicht mit weiteren Angelegenheiten irgendwelcher Schüler zu tun
    haben wollte.

    __________

    Eine Woche verstrich mit der üblichen harten Tretmühle.
    Dann, am Freitag Nachmittag, hingen im Ravenclaw-Gemeinschaftsraum
    mehrere Mitteilungen am schwarzen Brett aus. Es waren vordringlich
    Arbeitsangebote von Firmen der Zaubererwelt, Aufrufe für Stellen
    im Ministerium und Angaben über Grundvoraussetzungen für
    weitere Studien nach der Schule. Roy trat neben Aurora und sah die
    Aushänge an.

    “Heiß, für die Arbeit im Büro für
    muggeltaugliche Entschuldigungen brauchen die Zauberkunst,
    Muggelkunde und Pflege magischer Geschöpfe, wahlweise noch
    Verteidigung gegen die dunklen Künste und Verwandlung. Könnte
    mir zusagen.”

    “Dann könntest du in der Muggelwelt leben”,
    vermutete Aurora.

    “Größten Teils wohl. Hui, Vampirjäger ist
    auch nicht schlecht, da wollen die Verteidigung gegen die dunklen
    Künste, Zauberkunst, Verwandlung und .. Mist! Zaubertränke!
    Ablage P.”

    “Bitte was?” Lachte Aurora.

    “Ablage P, Aurora. Den Spruch kennst du nicht? P wie
    Papierkorb.”

    “Wegen Zaubertränke?” Fragte Aurora unschuldsvoll
    klingend.

    “Wegen Snape”, zischte Roy. “Der sieht mich nach
    den ZAGs nicht noch zwei Jahre länger in seinem muffigen Kerker.

    “Tja, aber die wollen bei vielen Sachen Zaubertränke”,
    sagte Aurora und deutete auf verschiedene Berufsangebote.

    “Eh, hier der geht gut. Mitarbeiter bei den Kometwerken
    gesucht! Erwünschte Abschlüsse: Zauberkunst ohne Gleichen,
    Arithmantik und Pflege magischer Geschöpfe. Oh, dann wollen die
    noch haben, daß du mindestens eintausend Flugstunden auf einem
    guten Rennbesen nachweisen kannst. Gut, das ist ja bei Piloten von
    Flugzeugen auch wichtig, daß die gut ausgebildet sind.”

    “Wie wollen die das haben, daß du die tausend
    Flugstunden nachweist?” Fragte Aurora Dawn.

    “Moment, steht hier drunter”, sagte Roy und deutete auf
    einen kleingedruckten blauen Schriftzug. “Bitte stimmen Sie sich
    der Flugstunden wegen mit Ihrem Hauslehrer und dem Fachlehrer für
    Besenflug und Quidditch ab, ob die bisher ermittelbaren
    Besenflugzeiten auf das Stundenkonto angerechnet werden können
    und wie Sie die erforderliche Stundenzahl vervollständigen
    können!”

    “Tja, Roy, da mußt du wohl im nächsten Jahr in die
    Mannschaft und nebenbei noch viel fliegen”, grinste Aurora.
    “Aber für die hundert Galleonen die Woche wäre es das
    wert.”

    “Ich gehe sowieso bei meinem Dad in die Lehre”, sagte
    Mortimer. Roy erbleichte und hielt sich kurz die Hände vor die
    Augen. Mortimer hatte ihm wohl damit heftig wehgetan. “Hier,
    Aurora und Roy, Experten für den Umgang wildlebender Zaubertiere
    gesucht! Voraussetzungen Ohne Gleichen in den Fächern Pflege
    Magischer Geschöpfe, Zauberkunst und Verteidigung gegen die
    dunklen Künste. Zusätzlich sollten Sie über genügend
    Kenntnisse zur Erkennung und neutralisation tierischer Giftstoffe das
    Fach Zaubertränke belegen. Mist! Muß ich halt durch.”

    “Du bist ja auch Reinblüter”, fauchte Roy. “Gegen
    sowas wie dich hat Hakennase Snape ja nix”, schnaubte Roy.

    “Nur mit dem Unterschied, daß ich schon bei der
    Bitterling ziemlich heftig gestrampelt habe, um überhaupt eine
    mittelprächtige Note zu kriegen und Snape mir dieses Fach
    ziemlich vermiest hat. Okay, kläre ich mit Dad, wenn die ZAGs
    durch sind.”

    “Was machst du denn nach Hogwarts, Aurora? Willst du dich
    weiter mit Kräuterkunde befassen oder echt in diese
    Heilerausbildung rein?” Fragte Roy nach kurzem Zögern und
    deutete auf ein Berufsangebot von ST. Mungo, das das Wappen eines
    über einem Knochen gekreuzten Zauberstabes trug.

    “Sieht jedenfalls sehr interessant aus. Fast alles, was wir
    bisher schon hatten, außer die Fächer, die wir ab der
    dritten hatten, Astronomie und Zaubereigeschichte”, sagte Aurora
    und wies auf die Liste.

    “Aber hallo, die wollen da Ohne Gleichen in Zaubertränken,
    Zauberkunst, Verteidigung gegen die dunklen Künste und ein
    Erwartungen übertroffen in Verwandlung und Kräuterkunde.”

    “Tja, werde ich wohl mit arbeiten müssen”, sagte
    Aurora Dawn schwerfällig. “Aber ist schon klar, daß
    jemand, der heilen soll auch fähig dazu sein muß. Oder
    willst du dir von jemandem helfen lassen, der in den wichtigen
    Fächern ‘ne Niete ist?”

    “Da steht auch noch was von “Apparieren Pflicht”
    und “Besenflug mit Sozius erwünscht””, ergänzte
    Roy.

    “Den Soziusflug kann ich hier in Hogwarts lernen. Das habe
    ich von meiner Mum erfahren”, sagte Aurora.

    “Heh, ich geh nach Gringotts, sagte Bruster. “Die wollen
    keine Zaubertränke, sondern nur Zauberkunst, Arithmantik,
    Verteidigung gegen die dunklen Künste und eine bestandene
    Apparierprüfung.”

    “Du willst für diese öden Kobolde schaffen,
    Bruster?” Fragte Mortimer. “Würde ich mir aber noch
    genau überlegen, noch dazu als Fluchbrecher. Nachher schicken
    die dich nach Ägypten in die Pyramiden rein oder in die Verliese
    der Vampirfürsten in Transsylvanien.”

    “Dann komme ich wenigstens in der Welt rum”, sagte
    Bruster unerschüttert. “Außerdem kann ich bei denen
    auch als Bodenschatzprüfer anfangen.”

    “Das ist das was Plinius Porter angefangen hat”,
    erinnerte sich Aurora.

    Miriam kam noch an und begutachtete die Aushänge. Dann meinte
    sie:

    “Okay, wenn ihr wißt, was ihr machen wollt klotzt mal
    ran. Ich fang im Laden meines Daddys an. Der will nur Zauberkunst und
    Buchhaltung, hat er mir in den Osterferien verraten. Dann werde ich
    wohl noch Verwandlung behalten und Pflege magischer Geschöpfe
    und alte Runen. Sprout ist zwar manchmal interessant, aber irgendwie
    doch zu anstrengend, um da wichtige Zeit für zu verbraten. Und
    Snape sieht auch mich nicht mehr in seinen Stunden. Wenn er das
    wollte, dann hat er halt gewonnen.”

    So sprachen die Fünftklässler über die
    Berufsangebote, bis die Siebtklässler zu ihnen kamen und noch
    einmal nachprüfen wollten, ob sie sich auch wirklich die
    richtigen Fächer für ihre Laufbahn ausgesucht hatten.

    “Jetzt noch kalte Füße kriegen ist voll uncool”,
    spottete Roy, als Tim Abrahams die Aushänge etwas verkniffen
    ansah.

    “Ich weiß schon, daß ich mir das richtige
    ausgesucht habe. Vielleicht kann ich dich ja beraten, bevor Flitwick
    das macht. Immerhin weiß ich besser als der, wie unsere frühere
    Welt aussieht.”

    “Soso. Warum nicht?” Sagte Roy und zog sich mit Tim an
    einen freien Tisch zurück. Aurora unterdrückte die Neugier,
    hinzuschleichen und sich anzuhören, was die beiden Jungen so
    aushandelten. Da aber Dina, die unverhohlen zu Roy hinübergegangen
    war, nach einer Minute wieder zurückkam, bereute sie nicht, sich
    zurückgehalten zu haben.

    “Die quatschen über die Unterschiede in der Lebensweise
    in der Muggelwelt und hier, über sport in der Muggelwelt und da
    vor allem über Fußball, und daß ja dieses Jahr in
    Spanien sogar eine Weltmeisterschaft darin ist, was bestimmt heftig
    wird, wenn England gegen Argentinien spielt, wegen dieses
    Falklandkrieges”, sagte Dina gelangweilt und ließ sich
    gerne mit Aurora über ein Gespräch über Sachen aus der
    Hexenwoche ein, ob sie mit ihren Zauberstabproblemen einen bei Hexen
    gut angesehenen Beruf finden konnte und fragte Aurora, ob sie
    wirklich zu dieser Kräuterkundezusammenkunft hinfahren würde.

    “Meine Eltern haben geschrieben, daß sie kein Problem
    damit haben. Immerhin haben sie mir ja dieses Buch von Babel und
    Polyglosse geschickt, wohl zum Geburtstag. Haben sich wohl um ein
    paar Tage vertan, oder die Eule war zu schnell hier”, sagte
    Aurora.

    “Wie, welches Buch?” Fragte Dina.

    “Ein Buch zum Französischlernen, Dina. Es spricht mit
    dir und zeigt dir dabei, wie die Wörter richtig geschrieben
    werden. Mum schreibt dabei, daß es einen Gedächtnisverstärker
    eingebaut hat, besser als der Kram, den die uns hier in Flaschen
    andrehen wollten. Allerdings ist der nur auf die Sprachlernübungen
    ausgelegt, also nur dafür, die Sprache zu lernen.”

    “Wie schnell kannst du damit die Sprache lernen?” Wollte
    Dina wissen.

    “Im Buch steht was von zwei Jahren Grundstudium. Dann kann
    man noch ergänzende Bücher dazunehmen, um Fachbegriffe und
    besondere Umfeldwortschätze zu erlernen, also wenn ich wirklich
    in die Heilkunst einsteigen will ein Buch über magische
    Heilkunst. Dann meinen die noch, man müsse mindestens ein Jahr
    die Sprache auch mit Muttersprachlern gesprochen haben. Ich denke,
    ich kucke mir das an, wie die da sind und entscheide mich danach, ob
    ich die Sprache richtig lerne, also ohne Wechselzungentrank.”

    Dina Nickte. Eine Sprache zu lernen, ohne selbst dabei zaubern zu
    müssen, das konnte sie sich auch gut vorstellen.

    “Dione Craft hat doch auch Französisch gelernt, weiß
    ich”, sagte Dina einmal. Sie meinte, wenn sie weit herumkommen
    wolle bräuchte sie mindestens noch zwei weitere Sprachen.”

    “Die heißt doch jetzt Dione Porter”, berichtigte
    Aurora Dina. “Na klar, im Kosmetikgeschäft ist Französisch
    auch wichtiger als Englisch.”

    “Hast du dir mal die Zeilen von Madame Dusoleil übersetzen
    lassen, von denen du Petula und mir erzählt hast?”

    “Bisher noch nicht. Ich kenne hier keinen, der das machen
    kann außer Professor Sprout. Und die will ich nicht damit
    behelligen”, sagte Aurora. “Ich warte, bis ich zu Hause bin
    und lasse Dad das machen. Ein bißchen Französisch kann der
    ja.”

    “Und wenn es was nur für Mädchen oder Frauen ist?”
    Fragte Dina.

    “Dann kann er ja wegsehen”, scherzte Aurora.

    Dina wunderte sich, wielange Roy und Tim zusammen sprachen. Sie
    stand auf und wandte sich dem Tisch zu. Aurora folgte ihr jetzt doch.
    Als sie in die Nähe kamen hörte sie Tim noch sagen:

    “… im Juni, nach den Prüfungen.”

    “Was soll da sein?” Fragte Dina rasch.

    “Da geht’s mit der Fußball-WM los, Dina”, sagte
    Roy schnell.

    “Soll die doch Argentinien gewinnen”, schnaubte Dina.
    Tim und Roy grummelten. Dann meinte Tim:

    “Klar, wo wir denen auf den Falklands gerade eins draufgeben.
    Spätestens im Juni sind die Galtieri-Gangster runter von den
    Inseln.”

    “Eh, das ist nicht komisch”, meinte Roy. “Immerhin
    krepieren da Leute von denen und von uns wegen dieser angeblich so
    strategisch wichtigen Eisinseln.”

    “Von denen wohl mehr, weil die meinten, sich mit
    unzureichenden Sachen gegen unsere Marine auflehnen zu können.
    Dieser französische Ramsch, den die verwenden bringt nur was bei
    Zufallstreffern.”

    “Was ja fast passiert wäre, Tim. Wollen wir nicht
    vergessen”, sagte Roy rasch. Offenbar hielt er sich über
    die Ereignisse in der Muggelwelt noch gut auf dem laufenden. Dina
    setzte wieder ein gelangweiltes Gesicht auf und kehrte zu dem Tisch
    zurück, wo sie bis vorhin noch mit Aurora gesessen hatte. Aurora
    kehrte auch wieder zurück und überließ die Jungen
    diesem Muggelgeplenkel.

    “Wann gehst du zu Flitwick?” Fragte Petula, die sich die
    Aushänge noch einmal angesehen hatte.

    “Kriegen wir wohl schriftlich”, sagte Aurora.

    Tatsächlich bekam Aurora einen Tag später die
    schriftliche Einladung, einen Tag nach ihrem Geburtstag zu Professor
    Flitwick zu gehen. Vorher beriet sie sich mit Madame Pomfrey, ob
    diese ihr zu einer Karriere in der Heilkunst raten würde. Die
    Schulkrankenschwester sagte dazu nur:

    “Wenn du wirklich bereit bist, jedem, egal wem, in allen
    Situationen zu helfen und keine Angst vor Gefahrensituationen hast,
    dann steht dem nichts im Weg. Wenn ich das richtig eingeschätzt
    habe bringst du zumindest ein gewisses Durchalte-und
    durchsetzungsvermögen mit und hast es bisher gut geschafft, ohne
    groß auf Autorität zu machen deinen
    Vertrauensschülerinnenpflichten nachzukommen.”

    “Von Lissy mal abgesehen”, grummelte Aurora.

    “Das war nicht anders machbar. Das ist ja auch wichtig, dann
    streng durchzugreifen, wenn es mit Vernunft nicht geht. Das kannst du
    auch von mir lernen, falls du dich wirklich darauf einläßt.”

    “Darf ich das als Angebot werten?” Fragte Aurora Dawn.

    “Ja, darfst du. Im Moment wüßte ich ja sonst
    keinen Schüler oberhalb der vierten Klasse, der sich auf die
    magische Heilkunde einlassen möchte. St. Mungo hat da ja auch
    sehr hohe Maßstäbe angesetzt. Aber man soll ruhig wissen,
    wie hart die Ausbildung ist. Dann gibt es auch kein Gejammer über
    die schweren Zeiten.”

    “Muß man denn unbedingt ins St.-Mungo-Krankenhaus?”
    Fragte Aurora Dawn.

    “Zumindest in ein magisches Heilzentrum, um die verschiedenen
    magischen und nichtmagischen Erkrankungen und die magischen
    Heilmethoden, Heilpflanzen und -tränke zu erlernen”, sagte
    Madame Pomfrey dazu.

    Als Aurora einen Tag nach ihrem Geburtstag, den sie wie üblich
    mit Petula, Miriam und einigen anderen Klassenkameraden gefeiert
    hatte, am Nachmittag zu Professor Flitwick ins Büro ging, wußte
    sie, daß sie hier und heute ihre Zukunft in der Hand hatte.
    Sicher, Flitwick würde ihr nur raten, für welchen Beruf sie
    welche Fächer weitermachen mußte, aber in dem Moment war
    ihr klar, daß sie sich damit schon festlegte. Sicher, wenn sie
    wirklich in die Heilkunst einsteigen wollte, dann konnte sie mit den
    Fächern, die sie in den UTZ-Jahren dafür belegen mußte,
    auch immer noch andere Berufe ergreifen.

    “Sie sehen so aus, Ms. Dawn, als wären Sie sich sicher,
    was Sie nach Ihrer Schulzeit machen wollen”, begrüßte
    der kleine Zauberkunstlehrer seine Schülerin. Er holte ein
    Tablett mit einer Kanne Tee, zwei Tassen, einem Milchkännchen
    und einer Schale mit Zuckerwürfeln aus dem Nichts und wartete,
    bis Aurora saß.

    “Nun, ich habe mir drei Berufe überlegt, die ich sehr
    interessant finde”, sagte Aurora. “Entweder reine
    Kräuterkunde im Hinblick auf die Erforschung wilder
    Zauberpflanzen, oder ich gehe in die Zauberwesenforschung, wozu ich
    durch die Wesen aus Hogsmeade oder Professor Glaucos gekommen bin
    oder werde Heilerin oder Apothekerin, weil mir zumindest im Prinzip
    die Zaubertränke sehr gut gefallen und auch bis heute noch gut
    liegen. Ich habe mich dann nach vielen Überlegungen eher für
    die Heilkunst entschieden, weil sie mir einerseits sehr wichtig
    erscheint, viel gutes bewirkt und obendrein eine Menge an
    interessanten Forschungsgebieten bereithält. Je nachdem wie ich
    mit den ZAGs klarkomme, könnte ich mir sogar noch ein Nebenfach
    dazu vorstellen wie Zaubertierforschung oder eben doch Kräuterkunde,
    vielleicht sogar Muggelstudien.”

    “Soso, sie möchten also in die magische Heilkunde
    eintreten”, sagte Flitwick. “Dann haben sie womöglich
    den Aushang studiert, den uns das St.-Mungo-Krankenhaus für
    jedes Haus zugeschickt hat?”

    “Ja, habe ich”, erwiderte Aurora Dawn mit leichtem
    Nicken.

    “Moment, damit ich das auch überschauen kann”,
    sagte Flitwick und kramte auf seinem Schreibtisch nach Broschüren
    und Aktenmappen. Dann hatte er das, was er gesucht hatte und las die
    Pergamentseiten. Er sah Aurora ernst an.

    “Nun, Sie benötigen UTZs in Zauberkunst, Verwandlung,
    Verteidigung gegen die dunklen Künste, Kräuterkunde und
    Zaubertränke. In Zauberkunst und Verteidigung, sowie
    Zaubertränken möchten die Heiler in St. Mungo ein Ohne
    Gleichen haben, in Verwandlung und Kräuterkunde mindestens
    Erwartungen übertroffen. Was Zauberkunst angeht, so stehen Sie
    bei mir gerade auf “Erwartungen übertroffen”, müßten
    sich in den UTZ-Klassen da noch etwas steigern. Verwandlung, so sagt
    mir Professor McGonagall, läge ihnen gewiß besser, wenn
    sie was mit dem Fach anzufangen wüßten. Im Moment kann sie
    Ihnen guten Gewissens ein “Erwartungen übertroffen”
    atestieren, womit Sie Professor McGonagalls Leistungsanforderung für
    die UTZ-Klassen erfüllen. Allerdings heißt das für
    Sie, dann auch die ZAG-Note zu erreichen. Das gilt natürlich
    auch für mein Fach. In Kräuterkunde waren und sind Sie
    immer die Jahrgangsbeste gewesen. Professor Sprout sieht da keine
    Hindernisse, selbst wenn Sie in der Prüfung einen schlechten Tag
    erwischen sollten, daß Sie in ihrem Unterricht weiterhin
    überragende Leistungen zeigen werden. Außerdem sprechen
    wir ja hier von den UTZs, die sie letzthin schaffen müssen.
    Verteidigung gegen die dunklen Künste lag und liegt Ihnen sehr
    gut, hat professor Bitterling uns vor ihrem Abschied hinterlassen.
    Professor Glaucos bestätigt das unabhängig davon. Hmm,
    offenkundig hat die Umstellung auf einen neuen Kollegen im Fach
    Zaubertränke auch bei Ihnen eine gewisse Leistungsirritation
    bewirkt. Immerhin konnte Professor Bitterling Sie in den vier Jahren,
    die sie Sie unterrichtet hat, immer die Höchstnote aussprechen
    und empfiehlt Ihnen sogar, einen auf Zaubertränke basierenden
    Lebensweg einzuschlagen, was ich als sehr hohes Lob empfinde, daß
    ich bei ihrer Jahrgangsstufe nur noch über einen ihrer
    Mitschüler habe lesen dürfen. Allerdings schreibt Professor
    Snape in einer Beurteilung, daß Sie offenbar zu selbstsicher
    seien und sich in unerwarteten Situationen schwerrtäten, die
    Lage zu meistern. Daher würde er sie bei einer ZAG-Benotung
    gerade auf “Erwartungen übertroffen” einstufen. Er
    räumt jedoch ein, daß jeder, der in den ZAG-Prüfungen
    ein Ohne Gleichen schafft, beweise, daß er oder sie zumindest
    die Chance bekommen sollte, in seinen UTZ-Klassen zu lernen. Nun, da
    Professor Snape noch sehr neu hier ist und auch sehr jung, bin ich
    geneigt, Professor Bitterlings Urteil höher zu gewichten, da sie
    nicht nur Länger mit Ihnen zu tun hatte, sondern auch die
    wesentlich höhere Erfahrung als Lehrkraft aufweist.” Aurora
    hörte es heraus, daß Professor Flitwick Snape an und für
    sich nicht für fähig hielt, anständig mit Schülern
    umzugehen. Doch nickte ihm nur wortlos zu.

    “Nun, um jetzt noch bestehende Mängel im Unterricht
    auszugleichen ist es etwas zu spät. Das lag daran, daß
    dieses Jahr die allgemeinen Beratungstermine erst so spät
    vergeben werden konnten. Aber ich gehe davon aus, wenn Sie diesen Weg
    machen wollen, werden Sie auch die entsprechenden Leistungen
    bringen”, sagte Professor Flitwick aufmunternd. Aurora nickte
    abermals und verabschiedete sich von ihrem Hauslehrer.

    Draußen auf dem Gang stand Roy Fielding.

    “Oh, das ging aber schnell bei dir”, sagte er. “Du
    warst ja gerade erst aus der Klasse raus. Dann wollen wir mal”,
    sagte er mit einem Gesichtsausdruck, als wisse er überhaupt
    nicht, was er hier machen solle.

    Aurora kehrte in den Gemeinschaftsraum zurück und sprach mit
    ihren Klassenkameradinnen, über das, was Flitwick mit ihr
    besprochen hatte. Dina grinste, als Aurora ihr das mit der Empfehlung
    von Bitterling erzählte.

    “Interessant, dann meinte Flitwick uns beide. Weil mir hat er
    gesagt, daß Bitterling mich dringend darauf hinweist, eher was
    in Zaubertrankbraukunst zu tun als in einem Zweig, wo Verteidigung
    gegen die dunklen Künste wichtig sei und daß sie eine
    Empfehlung in Zaubertränken noch einem einzigen Mitschüler
    aus der Jahrgangsstufe ausgestellt habe. Na ja, daß Snape mich
    runtergezogen hat ist ihm auch irgendwie nicht so wichtig gewesen.
    Ich werde dann wohl bei Zaubertränken und Kräuterkunde mit
    dir in der Klasse sein. Dannn werde ich wohl noch Zauberkunst nehmen
    und Muggelkunde und alte Runen behalten. Vielleicht gehe ich dann ins
    Archiv für magische Erkenntnisse. Ist auch ein wichtiger Beruf.”

    “Weißt du, was Roy genau machen will?” Fragte
    Petula Dina zugewandt.

    “Jedenfalls was ohne Zaubertränke. Er sagte was, er
    könne sich für diese Abteilung für muggeltaugliche
    Entschuldigungen erwärmen. Da käme er wohl gut unter.”

    “Tja, den Job im Ministerium bei der Abteilung zur Führung
    und Aufsicht magischer Geschöpfe krige ich nur, wenn meine UTZs
    in Zauberkunst, Pflege magischer Geschöpfe und Verwandlung ganz
    oben sind”, eröffnete Petula. “Dann werde ich mir noch
    Schlafgespenst Binns antun müssen, weil die in der Abteilung
    theoretische Kenntnisse über Entstehung und Erscheinen von
    Zauberwesen in der Vergangenheit erwarten.”

    “Weißt du denn jetzt, ob du in die Tier-oder
    Zauberwesenabteilung reinwillst?” Fragte Aurora. Petula
    überlegte noch, ob sie mit magischen Tieren wie Einhörnern,
    Knieseln oder Harmonovons oder mit Zauberwesen wie Kobolden,
    Hauselfen, Sabberhexen oder Zwergen zu tun haben wollte.

    “Ich denke, nach den Prüfungen wissen wir, welche Fächer
    wir getrost in den Müll werfen können”, meinte Miriam.
    Sie war sich ja sicher, bei Dervish & Banges reinzukommen.
    Kontakte waren eben alles.

    __________

    die Prüfer traten am Morgen des ersten Juni in die Große
    Halle ein. Aurora hatte es zwar mitbekommen, wie sie einen Tag zuvor
    angekommen waren, doch sie würde sie eh früh genug sehen,
    hatte sie sich gedacht und sich aus jeder Diskussion herausgehalten,
    die die sehr betagt aussehenden Hexen und Zauberer betraf.

    Die erste Prüfung auf der Liste, die Flitwick ihr und den
    anderen Ravenclaw-Fünftklässlern gegeben hatte, war
    Verwandlung, wo sie bloß gut auszusehen hatte. Professor
    McGonagall führte die Aufsicht in der großen Halle, aus
    der die vier Haustische entfernt und dafür hunderte von
    Einzeltischen untergestellt worden waren. Jeder hatte
    Antischummelschreibzeug ausgehändigt bekommen und saß nun,
    ob Fünft-oder Siebtklässler, vor seinen oder ihren ersten
    Prüfungsaufgaben in diser so wichtigen Abfolge von Prüfungen

    “Aufgabe a: Erläutern Sie den Zauber, mit dem ein Käfer
    in einen Mantelknopf verwandelt wird!” Das war also die erste
    Frage auf dem großen Pergamentbogen, dachte Aurora Dawn und
    fing an, ihre Lösung hinzuschreiben.

    Stunden später, als Auroras Schädel von
    Verwandlungszaubersprüchen, Zauberstabgesten und sich dauernd
    verwandelnden Dingen oder Tiere überzuquellen drohte, verkündete
    Professor McGonagall, die Prüfung sei nun zu Ende.

    Erleichtert, zumindest fertig geworden zu sein. Mit “Accio
    Pergamente” holte Professor McGonagall sämtliche
    beschriebenen Pergamente zu sich hin. Aurora war froh, daß die
    Seiten vornummeriert gewesen waren und sie nur ihren Namen oben
    drüber hatte setzen müssen, bevor sie auf jede Seite ihre
    Aufgabenlösungen geschrieben hatte.

    “Also wenn es jetzt noch eines beweises bedurft hätte,
    daß ich eigentlich nix mit der Zaubererwelt zu schaffen habe,
    dann war’s diese Prüfung”, seufzte Roy, als sie kurz
    hinausgingen, damit die große Halle wieder zu einem gemeinsamen
    Essraum umgebaut werden konnte.

    “Zumindest konnte ich alle Fragen beantworten”, sagte
    Dina. “Vielleicht krige ich ja dann doch noch ein Akzeptabel in
    Verwandlung hin.”

    Die Nachmittagsprüfungen waren für Aurora dagegen
    leichter. Zusammen mit Bazil Calahan von den Slytherins, Dorian
    Dirkson aus Hufflepuff, Roy Fielding und Cynthia Flowers betrat sie
    nach Aufruf die große Halle, wo gerade Eunice Armstrong eine
    beeindruckende Serie von schnellen Verwandlungen hinlegte, wobei ihr
    eine kleine, sehr gebrechlich wirkende Hexe mit weißem Haar
    zusah, Professor Griselda Marchbanks. Doch gerade als Aurora in die
    Halle hineintrat, war die Prüfung offenbar beendet.

    “Sie können zu Professor Marchbanks, Ms. Dawn”,
    teilte Professor McGonagall sie ein. Aurora nickte und ging auf die
    ihr zugewiesene Hexe zu. Eunice verabschiedete sich gerade lautstark
    und ging ihres Weges, wobei sie Aurora aufmunternd zunickte und mit
    ihren Lippen ein “Viel Glück” formte.

    “Sie sind Aurora Dawn?” Fragte Professor Marchbanks mit
    gebrechlicher Stimme. Aurora nickte. Sie hatte schon gehört, daß
    Professor Marchbanks Probleme mit den Ohren hatte, die kein Heiler
    mehr beheben konnte. Das Alter war doch leider ausdauernder als alle
    Heilkunst.

    “Welche Zauberstabführungstechniken benutzen Sie?”
    Fragte die Prüferin. Aurora verstand erst nicht, was gemeint
    war. Sie sah Professor Marchbanks irritiert an. Dann ging ihr ein
    Licht auf. Eunice zauberte mit Techniken einer Professor Unittamo
    herum. Sie, Aurora, hatte sich bisher doch an die Wendel-Techniken
    gehalten. So sagte sie laut:

    “Wendel! Ich zaubere mit Wendels Techniken!” Zumindest
    verstand Professor Marchbanks sie so, daß sie nicht noch
    weitere Fragen stellte. Aurora begann also mit ihrer praktischen
    Prüfung.

    Als sie es am Ende der ihr zustehenden Zeit geschafft hatte,
    unfallfreie Verwandlungen hinzubekommen, atmete sie auf, als die
    Prüfungsrunde vorbei war und sie für den Nächsten
    Platz machen konnte.

    “Uff, dieser Glatzkopf hat mich gut gefordert”, sagte
    Roy außerhalb der großen Halle. “Beinahe wäre
    mir dieser Vogel-zu-Säugetier-Zauber nicht mehr eingefallen, den
    ich nie so recht hinbekommen habe. Immerhin ist aus dem Huhn was
    annähernd Meerschweinchenförmiges geworden.

    Als alle Ravenclaw-Fünftklässler durch waren sagte
    Petula zu Bruster:

    “Ich konnte einmal sehen, wie schnell du zaubern kannst. Im
    Unterricht warst du nie so flott drauf. Wie kommt’s?”

    “Leistungsdruck. Es geht ja um was”, sagte Bruster ganz
    lässig.

    “Ja, wenn’s auch immer richtig war, Brusi”, sagte
    Mortimer Swift.

    “Zumindest habe ich kein rammdösiges Wildschwein in der
    Halle losgelassen, Herr Vetter”, versetzte Bruster mit gewisser
    Schadenfreude.

    “Ja, war schon toll”, sagte Mortimer. “Da war ich
    wohl irgendwie einen Moment neben der Spur und habe anstatt des
    Meerschweinchens ein Wildschwein gezaubert. Hui, dieser Professor
    Pineapple ist ja doch noch gut zu Fuß für seine
    zweihundert Jahre oder wieviel der drauf hat”, ergänzte er
    noch, nun selbst lachend.

    “Leute, wir haben noch ein paar Prüfungen vor uns”,
    sagte Dina. “Mir graut schon vor Zauberkunst.”

    Doch zunächst waren die Zaubertränke dran, ein Heimspiel
    für Aurora und Dina, aber auch für Melinda Bunton aus
    Hufflepuff und Eunice Armstrong aus Gryffindor. In der praktischen
    Prüfung vertat sich Dorian Dirkson einmal und ließ seinen
    Kessel mit lautem Getöse in einer blauen Feuerwolke an die Decke
    fliegen. Professor Sprout, die heute Aufsicht hatte, schrak hinter
    dem langen Lehrertisch zurück.

    “Eh, mach nicht so’n Krach!” Rief Alessandro Boulder,
    der gerade seinen UTZ-Prüfungstrank braute.

    “Ruhe bitte!” Bellte die kugelrunde Kräuterkundelehrerin
    durch die Halle.

    “Na, holla die Waldfee!” Rief Bruster nach bestandener
    Prüfung. “Von dem Trank hätte ich mehr als eine
    Flasche abfüllen sollen. Eine davon hätte ich dem
    Hakennaserich gerne untergejubelt, als Abschiedsgruß.”

    “Auf derartigen Unrat zum Abschied kann ich sehr gut
    verzichten, Wiffle”, zischte Snapes gehässige Stimme von
    hinten. “zwanzig Punkte Abzug für Ravenclaw. Nach den
    Prüfungen werden Sie bei mir nachsitzen, vier stunden lang,
    Wiffle.”

    “Steck es dir sonstwo hin”, grummelte Bruster, als Snape
    sich wieder entfernt hatte. “Mein Trank war top und nach dem
    Schuljahresende sieht mich der Knilch eh nicht mehr in seinem Kerker.

    “Hast du dich mit Professor Snape angelegt?” Fragte
    Loren Tormentus überlegen grinsend. Bruster knurrte, daß
    das ihr doch egal sein durfte. Loren meinte: “Wohl ein wenig zu
    überschwenglich gewesen, wie?” Dann schob sie ab.

    “Hoffentlich hat die ihren Trank verhunzt”, knurrte Roy
    Fielding. “Ob meiner was geworden ist ist mir doch
    schnurzpiepegal. Mich sieht dieser Fettfrisurspion auch nicht mehr in
    seinem Kerker, wenn die letzte Stunde bei ihm war.”

    Zauberkunst lief für die meisten gut ab. Dina hatte zwar
    immer noch Probleme mit ihrem Zauberstab, obwohl der ja extra auf sie
    abgestimmt war. Doch da sie in der Theorie alle Fragen beantworten
    konnte, würde sie wohl auch hier auf “Akzeptabel”
    kommen.

    Die Kräuterkundeprüfung war das Paradestück von
    Aurora Dawn. Sie konnte in der theoretischen Prüfung nicht nur
    zu jeder abgefragten Pflanze Verbreitungsgebiete, Haltungskriterien
    und Anwendung niederschreiben, sondern auch Nachzuchten, Unterarten
    und Unterschiede in der Wild-und der Kulturform klar herausstellen.
    Am Nachmittag topfte sie eine Alraune innerhalb einer Minute um, molk
    innerhalb von fünf zugestandenen Minuten zwei Bubotubler und
    konnte zwanzig Springbohnen ohne Unfall damit eingraben.

    In Muggelkunde, die nur theoretisch geprüft wurde, mußte
    sie zwar manchmal überlegen, ob das von ihr für richtig
    gehaltene auch so im Unterricht erwähnt worden war und schrieb
    über alles, was gefragt wurde, wozu elektrischer Strom diente,
    wie vielseitig er war, über Radios, Funkgeräte, Fernseher
    und Flugzeuge, sowie Haushaltsgeräte wie Staubsauger, Föns
    und Waschmaschinen, wobei sie da auch immer entsprechende Vergleiche
    mit der Zaubererwelt ziehen konnte, insbesondere bei der Verwendung
    von Tiefkühltruhen im Vergleich zum Conservatempus-Zauber oder
    dem Amplumina-Zauber im Vergleich zum Flutlicht der Muggel. Immerhin
    war sie danach sicher, dieses Fach mindestens mit “akzeptabel”
    bestanden zu haben. Denn nur dann würde es sich auch lohnen, es
    in den nächsten zwei Jahren fortzuführen.

    Pflege magischer Geschöpfe und alte Runen gingen ihr etwas
    schwerfälliger von der Hand, wenngleich sie im praktischen Teil
    von Pflege magischer Geschöpfe mit den Jarveys gut zurechtkam,
    auch wenn diese wieselartigen Tiere sie mit den derbsten
    Schimpfwörtern bombardierten, als sie sie in ein anderes kleines
    Haus umsetzen sollte.

    In Geschichte der Zauberei hatte sie ihren ersten richtigen
    Aussetzer, weil sie nicht mehr zusammenbekam, wozu die
    Zaubererkonferenz im Jahre 1230 einberufen worden war, wie der letzte
    namentlich erwähnte Anführer des Koboldaufstandes von 1612
    geheißen hatte und wie die einzelnen Sippen der sich
    bekriegenden Riesen geheißen hatten. Irgendwann war sie einfach
    nur froh, irgendwas hingeschrieben zu haben. Mit dem Fach hatte sie
    sowieso abgeschlossen, so oder so.

    Bei der Astronomieprüfung stellte sie sich dagegen sehr gut
    an und konnte allen äußeren Planeten die richtigen Monde
    zuordnen, weil die Monde alle alphabetisch in einer Reihe
    untereinanderstanden und sie auf die äußeren Planeten
    verteilt werden sollten. Roy und Bruster hatten danach gegrinst und
    gemeint, daß die Voyager-Raumsonden bei Jupiter und Saturn doch
    ein paar Monde mehr festgestellt hatten als gefragt wurde.

    “Noch mehr?” Fragte Petula. “Das kriegen die
    ZAG-Klässler dann nächstes Jahr, wenn die Gesellschaft
    magischer Sternkundler wieder beschließt, die Namen der von den
    Muggeln entdeckten Monde in den allgemeinen Astronomiekatalog der
    Zaubererwelt zu übernehmen. Man hätte euch Muggeln
    verbieten sollen, die Rakete zu erfinden.”

    “Ja, stimt. Dann müßten wir uns auch nicht vor
    einem Atomkrieg fürchten”, sagte Roy Fielding belustigt.

    Endlich waren die Prüfungen vorbei. Endlich konnten alle im
    fünften und siebten Jahr aufatmen. Selbst wenn einige Prüfungen
    danebengelaufen sein mochten, es war nun vorbei. Die ganze Tortur
    davor und dabei war nun überstanden, und Aurora hoffte, die
    nötigen ZAGs erreicht zu haben. Innerhalb der ersten
    Ferienwochen würde sie wie die anderen das Ergebnis kriegen. Sie
    ging nach der völlig verhunzten Geschichtsprüfung nicht
    mehr von zwölf ZAGs womöglich mit Zusatzpunkt aus, rechnete
    sich jedoch noch zehn ZAGs aus.

    Nächste Woche Hogsmeade!” Trällerte Bruster. “Daa
    können wir uns noch einmal richtig austoben, bevor es in die
    Ferien geht. Roy, der sich noch ausrechnete, daß Snape ihn
    ausgerechnet an dem Tag zum Nachsitzen bestellen würde, war
    nicht so begeistert.

    __________

    Falls Snape es wirklich darauf angelegt hatte, Roy Fielding den
    Hogsmeade-Ausflug zu verderben, dann hatte man ihm wohl den falschen
    Zeitpunkt genannt. Stattdessen mußte Roy nach der
    Nachmittagsstunde bei dem schulweit unbeliebtesten Lehrer Schnecken
    einpökeln, Aalaugen zu Brei stampfen und in Essig auflösen
    und fünf tote Ziegen auf das Vorhandensein eines Bezoars, eines
    seltenen Steines im Magen dieser Tiere, untersuchen. Bruster meinte
    danach:

    “Jetzt kann dich wohl nichts mehr anekeln, was?”

    “Wenn Schniefelus das wollte, dann hat er es geschafft”,
    knurrte Roy.

    “Eh, Roy, dieser Spitzname ist dem von Sirius Black verpaßt
    worden. Du weißt ja, was für einer dieser Black geworden
    ist”, wies Aurora Roy darauf hin, daß er bedenkenlos den
    Spitznamen gebrauchte, den ein möglicherweise am Mord an Roys
    Eltern beteiligter Zauberer benutzt hatte.

    “Erstens glaube ich das nicht, daß Black wirklich so’n
    Schuft war, da er einerseits viel zu schlau war, sich erwischen zu
    lassen und andererseits bestimmt einen besseren Ort gefunden hätte,
    um Peter Pettigrew zu töten. Neh, ich denke, der sitzt
    unschuldig im Bunker, weil dieser Pettigrew bei einem Unfall
    gestorben ist”, sagte Roy.

    “Na klar”, grummelte Bruster. Roy sah ihn an. Bruster
    trug immer noch den FC-Liverpool-Schal, wie sie es vor Weihnachten in
    einer Wette vereinbart hatten.

    “Freu dich, Liverpool hat’s geschafft, Bruster. Jetzt können
    wir den Spanienausflug genießen, den unsere Nationalelf macht.”

    “Ja, und dann gewinnt wieder Deutschland oder Argentinien
    oder irgendwer sonst”, knurrte Bruster. Petula meinte:

    “In diesem Jahr gibt’s auch eine Quidditchweltmeisterschaft,
    wenn das hier wen interessiert. Eine Woche nach Ferienbeginn geht’s
    los.”

    “Klar, Norwegen, wo auch im Sommer jeder hinwill”, sagte
    Mortimer. “Dann doch besser Spanien.”

    “Eh, du wirst hier nicht anfangen, diesen Fußballunsinn
    gutzufinden”, sagte Petula sehr unheilvoll. Mortimer grinste.

    “Neh, das habe ich nicht vor”, sagte er.

    “Immerhin ist dieser Falklandunsinn vorbei”, sagte Dina.
    Roy nickte. Er hatte erst nach der Prüfung einen Brief Ericas
    bekommen, wo die neuesten Muggelnachrichten dringestanden hatten.
    Immerhin war Tims Vater nicht getötet worden, was diesen zu den
    UTZ-Prüfungen wohl noch glücklicher gemacht haben dürfte.

    Als der Tag des Hogsmeade-Ausfluges kam, strahlte die Sonne vom
    Himmel, dessen Blau wie ein polierter Edelstein erstrahlte. Aurora
    zog zusammen mit Petula und Miriam los, obwohl Bernhard meinte, sie
    noch einmal ansprechen zu müssen. Sie hatte ihm aber die kalte
    Schulter gezeigt und war losgezogen.

    “Das ist der erste Sommerausflug nach Hogsmeade”, sagte
    Aurora. “Miriam, habt ihr bei euch was besonderes im Sommer?”

    “Hmm, Mum schrieb mir vor den Prüfungen, wir könnten
    uns Angelique Liberté ansehen, eine Besenkunstfliegerin, die
    auf fliegendem Besen abgedrehte Turnübungen machen und dabei
    noch verschiedene Figuren fliegen kann. Die ist gerade mit ein paar
    anderen Kunstfliegern hier. Außerdem findet da jeden Samstag
    der Markt für Zaubergegenstände und -utensilien aus aller
    Welt statt. Also langweilen können wir uns nicht”,
    erläuterte Miriam, deren Eltern in Hogsmeade wohnten.

    Aurora folgte Miriam und Petula. Sie sah zwischendurch einmal
    zurück, ob ihnen nicht doch jemand folgte, wie Bernhard oder
    Tonya Rattler oder sonst wer, mit dem sie im Moment nichts zu
    schaffen haben wollte. Dabei sah sie aus dem linken Augenwinkel, wie
    Tim Abrahams und Roy Fielding zusammen einherschritten. Wo war Dina
    Murphy, die sonst mit Roy so gerne zusammen nach Hogsmeade ging? Doch
    mußte sie das jetzt wissen? Konnte sie ihre Neugier nicht auf
    was interessanteres lenken? Ja, natürlich konnte sie das.

    Auf dem Marktplatz tummelte sich ein farbenfrohes Volk. zauberer
    aus aller Herren Länder hatten hier überdachte Stände
    aufgebaut und verkauften wichtige Dinge wie magische Türklingeln,
    Kristallkugeln, in denen ein flammenloses Feuer brannte oder
    eigenständige Werkzeuge. Daneben war aber auch Schnickschnack
    wie singende Teetassen, selbstklatschende Fliegenklatschen oder aus
    drei mal drei mal drei bunten Würfeln zusammengesteckte Würfel,
    die sich andauernd so gegeneinander verdrehten, das auf jeder Seite
    ein Farbendurcheinander zu sehen war und die man dann wieder so
    drehen mußte, daß jede Seite eine der sechs Farben
    zeigte. Das Problem war nur, wenn man den Würfel einmal gedreht
    hatte, verdrehte er sich wieder.

    An einem bunten Stand standen mehrere hundert zusammengerollte
    Teppiche bereit. Ein dunkelbraun getönter, bärtiger
    Zauberer rief fortwährend:

    “Bequemlichkeit der Pharaonen und Sultane. Kaufen Sie Bashirs
    fliegende Teppiche! Heben Sie ab und thronen Sie hoch am Himmel wie
    ein mächtiger Scheich!”

    “Fliegende Teppiche? Reisen die Orientalen nicht auf sowas
    wie wir auf Besen?” Fragte Aurora. Miriam nickte.

    “Die bilden sich was drauf ein, weil auf so’n Staubfänger
    mehr als fünf Leute draufsteigen können.”

    “Läuft da nicht gerade sowas, die als unverhexbare
    Muggelartefakte zu bezeichnen?” Fragte Petula.

    “Bagnold hat das Gesetz wohl im Februar schon auf dem Tisch
    gehabt. Ob Sie’s unterschrieben hat, weiß ich nicht.”

    “Kaufen Sie Abdul Bashirs fliegende Teppiche! Wer will schon
    einen Besen reiten, kann er ganz gelassen durch die Lüfte
    gleiten?”

    “Ob der hier auch handelt wie im Orient?” Fragte Aurora.
    Miriam wollte wissen, was sie damit meine. Aurora erklärte es
    ihr und Petula. Sie lachten. Doch als sie unterwegs zu dem Stand mit
    den Teppichen waren tauchten zehn Zauberer in grünen Umhängen
    auf. Aurora fürchtete zuerst, es wieder mit Todessern zu tun zu
    haben. Der Anführer der Truppe war ein großer Mann mit
    feuerrotem Haar und Brille, dessen Umhang leicht ramponiert wirkte.

    “Abdul Bashir, wir haben es Ihnen vor einem Monat doch
    geschrieben, daß in England Teppiche Muggelartefakte sind, die
    nicht bezaubert werden dürfen”, grüßte der
    Rothaarige den Teppichverkäufer, der zusammen mit einem jungen
    Mann, der dem Aussehen nach sein Sohn war, auf Kundschaft wartete.

    “Ah, Efendi Weasley. Sie wollen den Preis drücken,
    versteh. Zwei Teppiche für einen”, grinste Abdul Bashir.

    “Dann würde ich mich strafbar machen”, sagte der
    Rothaarige gelassen. “Hier ist die unterzeichnete Bestätigung
    unserer Zaubereiministerin.” Er holte ein Pergamentstück
    hervor und reichte es Abdul. Dieser nahm es und las es von rechts
    nach links. Dann erkannte er wohl, daß er die englischen Wörter
    so nicht entziffern konnte und las. Er erbleichte erst und wurde dann
    wütend.

    “Das ist Behinderung des freien Handels, Efendi. Wenn euer
    Quidditch mittlerweile auch in Ägypten und dem Sudan gespielt
    wird, warum dürfen wir da nicht unsere Qualitätsteppiche
    feilbieten? Gemeinheit! Unterdrückung! Ihr wollt den Handel
    ruinieren!”

    “Abdul, sehen Sie es doch ein. Wenn ein Muggel aus Versehen
    einen Ihrer Teppiche unter die Füße bekommt, dann fliegt
    der vielleicht mit dem weg, weil die Flugmagie eines Teppichs nicht
    auf einen Zauberkundigen angewiesen ist wie die eines Besens. Machen
    Sie bitte Ihren Stand zu und bringen Sie Ihre Teppiche zurück in
    Ihre Heimat! Anderenfalls müßten wir die ganzen Teppiche
    beschlagnahmen.”

    “Könnte euch Räuberpack so gefallen, meine Teppiche
    mitnehmen, ohne ein Goldstaubkorn dafür bezahlt zu haben!”
    Rief Abdul. Auf dem Marktplatz blickten alle den Teppichverkäufer
    an. Dieser nutzte die Aufmerksamkeit aus, um noch wütender zu
    protestieren, man wolle seinen Handel ruinieren und ihn obendrein
    noch bestehlen. Dann, als die aufmarschierten Zauberer Anstalten
    machten, die Teppiche einzusammeln, rief er seinem Sohn zu:

    “Ali, komm, unsere Ware wird hier nicht länger
    verlangt!”

    Der jüngere Orientale sagte was in einer Aurora unbekannten
    Sprache und begann, die aufgereihten Teppiche auf einen großen
    Karren zu verladen. Aus einem Zelt hinter dem Stand holte er einen
    silbergrauen Elefanten mit spiegelnden Stoßzähnen und
    breiten Flügeln heraus, den er vor den Karren anschirrte,
    während sein Vater mit schnellen Zauberstabbewegungen alle
    Teppiche auf den Karren springen ließ. Dann klappte der
    Verkaufsstand wie ein Kartenhaus zusammen, legte sich in den Karren
    und war abgebaut. Rasch sprang Abdul Bashir in den Karren und rief
    dem mächtigen Zugtier einen Befehl zu, worauf es laut trompetete
    und dann die breiten Schwingen auf-und niederschlug, bis es abhob
    und den Karren erst einige Meter am Boden entlang und dann nach oben
    hinaufzog.

    “Er hat’s kapiert, Arthur”, sagte einer der Zauberer.

    “Schön, daß er nicht so ein Theater gemacht hat.
    Ich fürchtete schon, der legt es auf einen Haftbefehl an”,
    sagte der rothaarige Zauberer. “Ich möchte wieder nach
    Hause. Molly ist alleine mit der ganzen Rasselbande, und jetzt, wo
    die Kleine anfängt zu laufen, kann sie nicht alle
    zusammenhalten, besonders nicht Fred und George, die beiden
    Banditen”, lachte er. Sie wollten gerade vom Marktplatz
    verschwinden, als dem Rothaarigen der Verkäufer der bunten
    Würfel auffiel. Doch dieser schien zu ahnen, welche Stunde ihm
    gerade geschlagen hatte und sammelte blitzschnell seine Waren ein.
    doch der rothaarige Zauberer war schon bei ihm und nahm einen der
    noch nicht eingesammelten Würfel.

    “Daß Sie ein Witzbold sind, Chester, wußte ich
    schon immer. Aber was Sie da jetzt machen ist ein Verstoß gegen
    die Gesetze zur Bezauberung von Muggelartefakten.”

    “Moment, Arthur, ich habe diese Würfel nicht an Muggel
    verkauft”, sagte der Verkäufer der bunten Würfel.

    “ja, und damit das auch nicht passieren kann, müssen wir
    die jetzt alle beschlagnahmen”, sagte Arthur. Doch Chester
    grinste nur, winkte mit seinem Zauberstab, und mit lautem Knall
    verschwand sein ganzes Warenlager und danach auch er.

    “Das ist nicht wahr”, fluchte Arthur. “Jetzt muß
    ich den Kerl noch suchen.”

    “Was ist denn da so schlimm an diesen Würfeln, abgesehen
    davon, daß die sich ständig wieder verdrehen?” Wollte
    Miriam wissen und trat an den rothaarigen Zauberer heran. Aurora
    wollte das auch wissen.

    “Entschuldigung, warum wollten Sie dem Verkäufer da die
    Würfel beschlagnahmen. Das sind doch keine Muggelsachen”,
    sagte Miriam forsch. Der Führer des kleinen Trupps wandte sich
    um und schmunzelte.

    “Oh doch, das sind Muggelartefakte, junges Fräulein. Die
    Muggel haben vor einiger Zeit einen aus in sich verdrehbaren Würfeln
    zusammengesetzten Würfel dieser Art als Geduldsspiel auf ihren
    Markt gebracht. Bei einigen heißt er Zauberwürfel. Deshalb
    hat der freundliche Herr von eben seinen Jux damit getrieben und wohl
    einige dieser “Zauberwürfel” echt verhext. Wenn den
    Muggel in die Hände bekommen, dann werden die noch wahnsinnig,
    wenn sich der Würfel ständig selbst verdreht.”

    “Och, Arthur, wegen dieses Dings sind die doch schon eh durch
    den Wind”, warf einer der grüngewandeten Zauberer ein.

    “Das ist kein Grund, solchen Schabernack mit ihnen zu
    treiben”, sagte der rothaarige Zauberer. Dann lächelte er
    die drei Mädchen an.

    “Seid ihr von Hogwarts runtergekommen?”

    “Mmmhmm”, machten Petula und Aurora.

    “Mein ältester kommt im nächsten Jahr auch dahin.
    Ich freue mich schon drauf. Achso, ich muß mich ja auch
    vorstellen: Weasley, Arthur Weasley vom Büro gegen den Mißbrauch
    von Muggelartefakten.”

    “Angenehm, Miriam Swann”, stellte sich Miriam vor.

    “Aurora Dawn”, sagte Aurora.

    “Petula Woodlane”, schloß Petula die
    Vorstellungsrunde ab.

    “Joh, Mädchen, dann mache ich mich mal auf die Suche
    nach diesem Scherzkeks, bevor der seine frisierten Zauberwürfel
    noch wem aus der Muggelwelt untermogeln kann.” Mit leisem Plopp
    disapparierte er.

    “ja, du hattest recht, Miriam. Langweilen können wir uns
    hier nicht”, sagte Aurora Dawn.

    Sie schlenderten vom Marktplatz herunter, auf dem sich nun noch
    die Verkäufer tummelten, die keine als Muggelgegenstände
    erkennbare Sachen verkauften. Sie bogen gerade um eine Ecke, als
    Auroras Frühwarner, ein silbernes Armband an ihrem linken
    Handgelenk, sachte vibrierte. Sie erschrak. Irgendwas böses war
    hier in der Gegend.

    “Was ist, Aurora?” Fragte Miriam besorgt.

    “Mein Frühwarner ist gerade losgegangen. Irgendwas
    dunkles treibt sich hier herum”, sagte sie.

    “Die Leute von Du-weißt-schon-wem?” Fragte Petula
    bleich.

    “Weiß ich nicht. Es zittert nicht so stark. Ich weiß
    nicht genau, wo es sich rumtreibt.”

    “Sollen wir jemanden rufen, der nachsieht?” Fragte
    Miriam.

    “Das hat solange keinen wert, solange keiner einen Frühwarner
    hat. Das kann auch eine Kreatur sein, in der dunkle Kräfte
    wirken wie Hinkepanks, Rotkappen – oder Sabberhexen. Eh, habt ihr
    mitbekommen, wohin Roy wollte?”

    “Wieso kommst du jetzt auf Roy. Ich dachte, der würde
    sich immer Salz auftun, bevor er hier herkommt”, sagte Petula.
    Miriam nickte.

    “Ja, aber Balder hat uns doch erzählt, diese eine
    Grünfratze habe ihn sich regelrecht ausgeguckt, nicht nur
    einfach so. Vielleicht streunt die irgendwo hier herum”, sagte
    Aurora voller Unbehagen.

    “du hast mal gesagt, die wären harmlos, wenn man nicht
    in ihr Schema paßt”, sagte Miriam. Doch sie wußte es
    besser. Ihre Eltern hatten ihr früher, wo sie gerade über
    eine Tischkante kucken konnte, bei jedem Ausflug Steinsalz auf die
    Kleidung gestreut, um sie vor den Nachstellungen dieser Kinder
    fressenden, grüngesichtigen Waldkreaturen zu schützen.
    Aurora schritt wie an Fäden gezogen in die Richtung, in der das
    Zittern des Armbands stärker wurde. Dann konnte sie die knapp
    über dem Boden schwebende Kreatur sehen, die in einem langen,
    grünen Rock steckte und schwarzblaues Haar besaß. Als
    Aurora behutsam hinter ihr herschlich, stieg das Wesen, das so groß
    wie aurora selbst war und eine blattgrüne Hautfarbe besaß,
    einige Meter aufwärts, blieb dabei aber schön langsam.
    Aurora stellte sich vor, daß dieses Wesen da eine ganz harmlose
    Sache vorhatte, bis ihr Frühwarner etwas stärker zitterte.
    Dann hörte sie aus etwa hundert Metern Entfernung:

    “Eh, Tim, was hast du mit diesen Grünfratzen zu
    schaffen?!” Das war Roy Fielding!

    Aurora lief los, in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. Da
    schoss die Sabberhexe im grünen Rock steil in die Höhe und
    jagte mit wehendem Har und Rock durch die Luft davon.

    “Nein, lass mich los, du Monster!” Rief Roy in
    Panikstimmung, wie Aurora hören konnte. Sie jagte auch los,
    immer schneller. Doch sie war immer noch viel zu langsam. Außerdem
    mußte sie feststellen, daß sie in ein verwinkeltes
    Viertel geraten war und Hundert Meter Luftlinie mehr als das
    dreifache an Laufstrecke sein mochten. Nirgendwo gab es eine
    Abkürzung durch eine Quergasse. Als sie ein schrilles Lachen
    hörte und einen angewiderten Schrei Roys, wußte sie, sie
    würde in jedem Fall zu spät kommen. Was sollte sie machen?
    Sollte sie den Notrufzauber wirken. Dann würde mindestens ein
    Heiler neben ihr auftauchen. Aber sie waren doch zu weit fort. Oder
    etwa nicht?

    Sie bog um eine Ecke, um gerade noch zu sehen, wie Tim Abrahams
    mit sehr glückseligem Blick in den Armen einer grünen
    Kreatur mit walnusbraunem, nicht ganz so struweligem Haar lag,
    während Roy gerade in einer Umklammerung aus Armen und Beinen
    der schwarzblauhaarigen Sabberhexe hing, die ihn mit ihrer
    wurmartigen Zunge Mund und Nase abschleckte.

    “Lass den Jungen los, du toldreistes Biest!” Rief Aurora
    Dawn und zog ihren Zauberstab hervor.

    “Nein, nicht bevor ich endlich von ihm habe, was ich schon
    lange haben wollte!” Rief jene Sabberhexe, die Roy umklammert
    hielt und lachte. Aurora sah Roy, dessen Gesicht jeden Ausdruck der
    Angst verlor. Sie erkannte, daß er offenbar von dieser Kreatur
    überwältigt worden war, nicht nur körperlich, sondern
    vor allem willentlich. Sie warf Aurora noch ein überlegendes
    beigegraues Lächeln zu und schnellte dann mit der Wucht einer
    abgefeuerten Kanonenkugel in die Höhe. Tim Abrahams indes gab
    sich ganz den Streicheleinheiten hin, die die walnusbraunhaarige
    Kreatur ihm zukommen ließ. Aurora richtete den Zauberstab zwar
    noch auf die davonfliegende Sabberhexe, doch ihr Schocker kam zu spät
    und fauchte an die Dutzend Meter unter der Kreatur hindurch. Dann
    zielte sie auf das zweite Wesen. Dieses fühlte wohl den
    bevorstehenden Angriff und ließ von Tim ab. Sie warf sich herum
    und jagte auf Aurora zu, die in der Schrecksekunde vergaß,
    welchen Zauber sie eigentlich sprechen wollte. Da war die Kreatur
    auch schon heran und pflückte ihr wie beiläufig den
    Zauberstab aus der Hand.

    “Mädchen, du wolltest Morpuora nicht wehtun, die dir gar
    nichts tun will”, lachte sie. Aurora stand starr da und wußte
    nicht, was sie tun sollte. Auf die Idee, um Hilfe zu rufen, kam sie
    nicht. Morpuora, wie sich die wohl etwas älter aussehende
    Sabberhexe nannte, strahlte die Vertrauensschülerin mit ihren
    nagelspitzen, gelbweißen Zähnen an. Ihre gelben Augen mit
    den weißen Pupillen sahen sie treuherzig wie Hundeaugen an,
    während ein freundliches Lächeln um die Mundwinkel der
    Kreatur spielte.

    “Deinem Kameraden passiert nichts böses. Meine Tochter
    möchte nur endlich mit ihm zusammen sein, wo ihr uns in den
    letzten Jahren immer so böse zurückgetrieben habt. Sie mag
    ihn und freut sich, wenn sie von ihm was kleines in sich herantragen
    kann. Das ist ein schönes Gefühl, einen Knaben in seine
    Bestimmung als Mann hinüberzuhelfen, Mädchen. Nein nein,
    lass den kleinen Stab lieber noch etwas liegen. Sonst müßte
    ich dir doch was böses tun, und das will ich nicht.”

    “Ihr habt ihn in eine Falle gelockt”, schluchzte Aurora,
    die nun kapierte, was hier eigentlich abgelaufen war. “Du hast
    Tim Abrahams mit deinem widerlichen Giftschleim vollgesabbert, um ihn
    dir hörig zu machen.”

    “Er wollte das freiwillig. Ich mußte ihn nicht
    niederkämpfen. Ist mit meinen vielen Sommern auch etwas
    anstrengend, Knaben zu nehmen, selbst wenn meine Mutter mich Morpuora
    genannt hat, Des Knaben Tod”, schnatterte die grüngesichtige
    Kreatur. Aurora hörte nicht drauf, was sie sagte. Sie tauchte
    nach ihrem Zauberstab. Doch da krallten sich fünf
    spinnenbeinartige Finger um ihren Hals und rissen sie einfach wieder
    hoch.

    “Ich sagte, ich will das nicht, daß du den Stab nimmst
    und …”

    “Lass sie los, du Scheusal!” Brüllte Bruster Wiffle
    unvermittelt von hinten. Dann fegte der rote Schockzauber heran.
    Aurora sah noch, wie die Kreatur wutschnaubend zur Seite hechtete und
    dann mit einem Satz, der die Grenze zwischen Fligen und Springen
    verwischte zu Tim zurückkehrte, ihn mit allen vier Gliedmaßen
    umfing und im Tiefflug wie vom Katapult geschossen davonbrauste. Der
    Schocker krachte im selben Moment an eine Hauswand und schlug einen
    faustgroßen Krater.

    “Mist, sind die Biester schnell!” Rief Bruster. Aurora
    wimmerte. Ihr Genick schmerzte vom stahlharten Griff der Sabberhexe,
    und das Gefühl, Roy nicht rechtzeitig gefunden zu haben, trien
    ihr Tränenfluten aus den Augen.

    “Nimm deinen Zauberstab, Aurora! Der ist noch ganz”,
    sagte Bruster.

    “Die haben Roy und Tim. Sie haben sie mit ihrem Speichel
    verhext”, wimmerte Aurora.

    “Mist!” Fluchte Bruster. “Dann war Tim deshalb so
    lockerflockig drauf. Ich hätte darauf achten sollen. Gut, daß
    ich immer Steinsalz mithabe. Sonst hätte mich so’ne läufige
    Grünfratze auch schon kassiert.”

    “Bruster, die sind weggeflogen!” Rief Aurora.

    “Ja, aber wir kriegen die wieder ein. mach mal diesen
    SOS-Spruch!” Aurora bückte sich, nahm ihren Zauberstab und
    kämpfte um ihre Selbstbeherrschung. Dann ließ sie den
    Zauberstab über ihrem Kopf kreisen, links herum und rechts
    herum, wobei sie “Advoco Medicum!” Rief. Aus dem Zauberstab
    schoss eine goldene Lichtfontäne, die sich zehn Zauberstablängen
    über Aurora zu einer rasch nach außen wirbelnden Spirale
    auswuchs.

    Es dauerte fünf Sekunden, da apparierte ein Zauberer im
    weißen Umhang, der eine Tasche mit einer roten Schlange um
    einen Stab über der Schulter trug. Dann tauchten noch zwei
    Zauberer in Grün auf, auf deren Brustteilen ein über einem
    Knochen gekreuzter Zauberstab prangte.

    “Du hast uns gerufen, junge Dame! Was liegt denn an?”
    Fragte der in weißer Kleidung angekommene Zauberer.

    “Schulkameraden von uns sind von zwei Sabberhexen entführt
    worden”, stieß Aurora hastig aus, damit sie nicht wieder
    ins Wimmern verfiel.

    “Ui, das ist jetzt schon das fünfte Mal in zehn Jahren”,
    sagte einer der Heiler in Grün. “Wir haben es Dumbledore
    immer wieder gesagt, er soll den Jungen sagen, sich immer mit
    Steinsalz zu bewaffnen, weil die läufigen Sabberhexen sich gerne
    welche von denen herausfangen. Aber wir sind im Moment nicht
    zuständig. Da müßt ihr das Schädlingsbekämpfungsbüro
    alarmieren. Die können die besser aufspüren als wir. Die
    rufen uns dann wieder, wenn wir gebraucht werden”, sagte der
    Heiler in Weiß. “Aber der Notruf war insofern legitim,
    weil es ja keine schnellere Art gibt, in dem Fall Hilfe zu kriegen.”
    Seine Kollegen nickten. Dann disapparierten sie einfach.

    “Das gibt’s nicht. Die sind einfach abgehauen”, sagte
    Aurora nun verbittert.

    “Wo nix zum heilen ist sind Heiler nix wert”, sagte
    Bruster. Aurora sah ihn nun zornig an.

    “Die müssen die beiden doch suchen”, sagte sie.
    Dann fiel ihr auf, daß ihr Frühwarner nicht mehr zitterte.

    “Die werden sich einen abgelegenen Wald aussuchen, die beiden
    in die richtige Stimmung bringen und dann …”, malte Bruster
    aus.

    “Hörst du wohl auf!” Schrie Aurora.

    Unvermittelt apparierten vier Personen, eine Hexe und drei
    Zauberer. Die Hexe war leicht untersetzt und trug ein geblümtes
    Kleid und auf ihrem graublonden Haarschopf einen großen
    Strohhut.

    “Was ist hier passiert?” Fragte einer der drei Zauberer,
    die die Umhänge des Aurorenkorps trugen.

    “Mein Klassenkamerad und einer aus der siebten Klasse wurden
    von zwei Sabberhexen gefangen und verschleppt”, sagte Aurora
    Dawn nun sehr gefaßt.

    “Morpuora und ihre liebestolle Tochter haben also doch einen
    Gehilfen gefunden”, schnaubte einer der Auroren, ein
    dunkelhäutiger Mann mit Glatze.

    “Habt ihr dieses Problem hier öfter?” Fragte die
    Hexe mit unverkennbar amerikanischem Akzent.

    “Eigentlich sehr selten, weil die sich jahrelang nicht
    blicken lassen. Aber wir haben rausgefunden, daß die nur
    deshalb so lange wegbleiben, weil sie sich von Männern, meistens
    muggelstämmigen Jugendlichen, neue Kinder haben machen lassen
    und ..”

    Die Hexe schnalzte mißbilligend mit der Zunge und schüttelte
    den Kopf, wobei ihr Hut leicht nach links verrutschte.

    “So sagt man das nicht, Kingsley”, maßregelte sie
    den dunkelhäutigen Zauberer. Dieser grummelte nur, widersprach
    jedoch nicht.

    “Tja, wenn wir nicht noch rauskriegen, wo die mit den Jungen
    ihre Arterhaltung zelebrieren, werden wir die auch in den nächsten
    vier bis fünfzehn Jahren nicht mehr zu sehen kriegen”,
    feixte ein zweiter Auror, ein drahtiger Mann mit pechschwarzer
    Igelfrisur.

    “Jungs, anstatt dumme Sprüche zum besten zu geben sagt
    uns, wo sich diese – wie nanntest du sie, Kingsley? – Morpuora
    vorzugsweise aufhält!” Forderte die Hexe im Blumenkleid und
    dem Strohhut.

    “Ist nicht immer dieselbe Gegend. Morpuora und ihre Töchter
    hausen in Wäldern, rund hundert Meilen um Hogsmeade”, sagte
    der Schwarze, der Kingsley gerufen wurde.

    “Da lang”, deuteten Aurora und Bruster in die Richtung,
    in der die ältere und die jüngere Sabberhexe verschwunden
    waren.

    “Das ist der schnellste Weg aus Hogsmeade heraus. Aber wohin
    die genau sind, kriegen wir so nicht raus”, knurrte Kingsley.
    “Das gibt noch Ärger mit Dumbledore.”

    “Selbst schuld, Kingsley. Wenn der weiß, daß die
    Morpuora mit ihrer Brut im Umkreis ist und er keine Maßnahmen
    dagegen beschließt”, stieß der drahtige Auror aus.
    Bruster meinte:

    “Kommen die Jungen denn wieder zurück, oder werden die
    umgebracht?”

    “Nein, umgebracht werden die nicht. Aber Morpuora hat sieben
    Töchter ausgebrütet, die Söhne, die nach der Stillzeit
    in sie zurückgewandert sind nicht mitgezählt”, gab der
    drahtige Zauberer eine sehr makabre Bemerkung zum besten und setzte
    noch einen drauf: “Wenn die so synchron sind wie alle Hündinnen
    im selben Wohnviertel können die die Jungs gleich einmal
    durchreichen.”

    “Also jetzt reicht’s, Quintus!” Entrüstete sich die
    Hexe. “Du hast in den letzten Minuten nichts als derbe Phrasen
    gedroschen. Du machst den beiden hier nur Angst, und das ist nicht
    dein Ding, Jungchen!”

    “Eh, Jane, willst du mir etwa Vorhaltungen machen?”
    Fragte der drahtige Zauberer.

    “Da es sonst keiner macht, ja”, erwiderte die Hexe.
    Aurora sprang vor und rief:

    “Anstatt hier rumzulabern sollten Sie die beiden endlich
    suchen, verdammt noch mal!”

    “Machen wir sofort, Mädchen. Wie heißt du?”

    “Dawn, Aurora Dawn, Madame …”

    “Porter, Jane Porter”, stellte sich die Hexe vor. Aurora
    erstarrte in Verwunderung und Ehrfurcht. Das war also Plinius’
    Mutter, die in Amerika in einem Institut zur Abwehr dunkler Kräfte
    arbeitete und ihnen damals den Seelenkessel geschickt hatte, um die
    gespenstische Braut des blutigen Barons darin einzufangen.

    “Du kennst mich? Ah ja, mein Sohn war ja mit dir zusammen in
    Ravenclaw. Wo war dein Freund, Roy Fielding höchstwahrscheinlich?”

    “Woher wissen Sie das denn jetzt?” Wunderte sich Aurora.
    Doch dann zeigte sie Jane die Stelle, wo Roy gestanden hatte. Die
    Hexe eilte dort hin und nahm ihren Zauberstab, damit ließ sie
    etwas Staub vom Boden aufsteigen und in eine kleine Schale fallen.

    “Nein, Jane, jetzt nicht diese Voodoo-Show”, meinte
    Quintus. Doch Jane war bereits dabei, ein Bündel Kräuter in
    die Schale zu werfen und piekste sich dann mit einer silbernen Nadel
    in die Hand. Sie ließ Blut in die Schale tropfen, nicht viel,
    wohl drei Tropfen. Dann entzündete sie das merkwürdige
    Kräutergemisch in der Schale und inhalierte den Rauch. Dabei
    sang sie mit kehligen Lauten eine Litanei her, die aus dem tiefsten
    Dschungel zu stammen schien. Aurora stand mit weit aufgerissenen
    Augen da, beobachtete und lauschte, was Jane Porter machte. Es
    dauerte etwa zehn Minuten, dann versank Jane Porter in einer Trance,
    einem Zustand vollkommener Entspanntheit und Weltentrücktheit.
    Dieser Zustand hielt vor. Bruster meinte:

    “Die ist echt gut drauf. Die hat irgendwas von Roy finden
    können. Haare oder abgestoßene Hautschuppen. Das hat sie
    in eine irgendeinem Voodoo-Gott geweihte Schale gegeben, etwas
    eigenes Blut dazu gegeben und dann mit einer Rauschpflanzenmischung
    angezündet. Jetzt hat sie seine und ihre Seele vereinigt,
    heftiger als der Exosenso-Spruch. Jetzt kriegt sie genau raus, wo er
    ist und was er gerade erlebt.”

    “Woher kennst du dich da so aus?” Fragte Aurora.

    “Das habe ich für die Prüfungen gelernt, um etwas
    mehr als den üblichen Krempel zu können, falls da wer noch
    mehr wissen wollte. Ah, sie ist fertig”, sagte Bruster und
    deutete auf Jane. Diese schien Probleme zu haben, zu sich selbst
    zurückzufinden. Aurora sah, wie sie irgendwie zwischen einer
    freudigen Erregung und Verbissenheit festhing. Sie schien sich einer
    großen Leidenschaft hinzugeben und gleichzeitig gegen irgendwen
    oder irgendwas zu kämpfen. Dann, als sie in der ständig
    steigenden Erregung immer schwerer atmete, durchlief sie ein Ruck,
    und sie war wieder sie selbst.

    “Das dumme Geschwätz von dir, Quintus hat uns wertvolle
    Minuten gekostet. Der Junge ist bereits im Fortpflanzungsrausch mit
    einer dieser Kreaturen. Aber ich weiß wo er ist. Kingsley, komm
    du bitte alleine mit mir mit. Dein Kollege geht mir nicht mit dem
    gebotenen Ernst heran.”

    “Eh, Madame Porter. Ich lasse mir von Ihnen keine Befehle
    erteilen und …”, entrüstete sich Quintus. Kingsley legte
    ihm die Hand auf den Mund und sagte:

    “Quintus, sie hat recht. Halt’s Maul und bleib hier! Oscar,
    wir beide helfen Jane”, sagte er zu seinem zweiten Kollegen,
    einem sportlich gebauten Mann mit blondem Haar. Jetzt erst fiel es
    Aurora auf, wie attraktiv dieser Bursche auf sie wirkte. Doch er
    hatte was zu tun, und das war zu wichtig, um sich über sowas
    mädchenhaftes Gedanken zu machen. Jane, Kingsley und Oscar
    stellten sich zusammen, faßten sich bei den Händen und
    verschwanden.

    “Wenn die wiederkommen rufst du besser noch einmal nach
    Heilern!” Schlug Bruster vor.

    “Das mach ich”, knurrte Quintus, der was wichtiges tun
    wollte, wenn sie ihn schon nicht mithaben wollten.

    Es dauerte jedoch ganze zehn Minuten, bis das Trio aus Jane
    Porter, Kingsley und Oscar wieder aparierte. Kingsley und Oscar
    rangelten dabei mit zwei Jungen, die Aurora kannte. Es waren Roy
    Fielding und Tim Abrahams.

    “Advoco Medicum!” Riefen Aurora und Quintus gleichzeitig
    den Notrufzauber auf. Zwei Lichtspiralen wirbelten über ihnen
    nach außen. Keine zwei Sekunden später apparierten die
    zwei Heiler in grünen Umhängen, die eben schon einmal da
    gewesen waren.

    “Ach, jetzt werden wir gebraucht. Ein Notruf hätte aber
    genügt”, sagte einer der beiden. “Gestatten, Heiler
    Esus Farmer, St.-Mungo-Krankenhaus für magische Krankheiten und
    Verletzungen.”

    “Laßt uns los, ihr Bastarde!” Rief Roy in
    unbändigem Zorn und riss seinen Arm frei, um Kingsley, der ihn
    hielt, einen heftigen Schlag auf die Nase zu dreschen. Wie ein
    gefällter Baum kippte der dunkelhäutige Auror um. Roy
    versuchte, davonzulaufen. Da traf ihn ein Schocker von Jane Porter
    und verlangsamte seine Bewegungen.

    “Der wird nicht lange vorhalten. Zwei Sabberhexen haben mit
    ihm und dem anderen hier die Waldhochzeit gefeiert.”

    “Ou!” Konnte der zweite Heiler nur dazu sagen. Dann
    stellte er sich als Immortellus Redlief vor.

    “Ach, der Cousin meines Schwiegersohnes”, lächelte
    Jane Porter. Er nickte. Offenbar hatte er Jane Porter erkannt und
    bestätigte das was sie sagte.

    “Die Waldhochzeit? Dann Könnt Ihr Professor Dumbledore
    bestellen, daß die beiden vor Ferienbeginn nicht aus St. Mungo
    rauskönnen. Eine derartig forcierte Adiktion benötigt viel
    Zeit, Geduld und die richtigen Tränke und Befreiungszauber”,
    sagte Esus Farmer. Dann fragte er noch: “Wie weit ist die
    Handlung vollzogen worden?” Er prüfte selbst nach anstatt
    auf eine Antwort zu warten. Er murmelte etwas von “Coitus
    Successivus” bei Roy und dann auch noch bei Tim, der versuchte,
    Oscars Griff zu entwischen. “Lass mich zurück zu Morpuora.
    Ich will nicht bei euch bleichhäutigen bleiben. Sie gibt mir
    alles was ich brauche. Lasst mich gefälligst …!”

    “Stupor!” Rief Jane Porter und schockte Tim damit auch,
    wenn auch nicht vollständig. Roy nämlich wurde langsam
    wieder wach. Die beiden Heiler fischten rasch in ihre Taschen und
    zogen zwei einteilige Anzüge heraus, die wie gepolsterte
    Strampelanzüge für Riesenbabies wirkten. Aurora kannte
    diese Art Gummianzug schon. Das waren die Beruhigungsanzüge, die
    jemanden körperlich unbeweglich hielten. Rasch zogen die Heiler
    mit schnellen Zaubern Roy und Tim die Kleidung aus. Aurora wandte
    sich ab. Ebenso tat es Bruster. Dieser meinte dann:

    “Wir reden da nicht drüber. Wir sagen’s nur Dumbledore.
    Wir selbst sagen es keinem von unseren Leuten weiter. Das soll
    Dumbledore tun! Verstehst du das. Wir müssen in Hogwarts nicht
    noch da reingeraten.”

    “Wie du möchtest, Bruster”, sagte Aurora. Bruster
    nickte ihr zu und trat einige Schritte bei Seite, während die
    beiden Heiler mit ihren Patienten zu tun hatten.

    “Dann stimmt es doch, Kollege Redlief, daß der Sexus
    zwischen Sabberhexen und halbwüchsigen Zauberern keine vier
    Minuten dauert, aber zehnmal wiederholt werden kann.”

    “Wohl wahr. Dr. Morningdew hat das also richtig
    herausgefunden”, erwiderte Heiler Redlief. Aurora wurde wütend.
    Wie konnten zwei Zauberer, die einen Eid geschworen hatten, anderen
    zu helfen, über eben solche Patienten in deren Anwesenheit
    darüber fachsimpeln, wie faszinierend deren Zustand war? Wenn
    sie wirklich Heilerin werden wollte, dann, so schwor sie sich, würde
    sie höllisch darauf aufpassen, nicht selbst zu einer solchen
    unmenschlichen Fachidiotin ohne Gefühl für den Patienten zu
    verderben. Sie hörte etwas gluckern hinter sich. Sie wandte sich
    um und sah Bruster, der erleichtert eine Feldflasche absetzte,
    zudrehte und unter dem Umhang verbarg.

    “Diese Hitze macht tierischen Durst. Aber jetzt ist die
    Flasche alle”, sagte er, als er bemerkte, daß Aurora ihm
    zugesehen hatte.

    “Ich gehe gleich ins Schloß zurück. Mir ist der
    Hogsmeade-Ausflug total verdorben worden”, sagte Aurora. Bruster
    nickte.

    “Ich geh schon einmal vor. Kommst du nach?”

    “Ich will noch mitbekommen, was mit den Jungs passiert. Dann
    komme ich nach”, sagte Aurora. Einerseits war sie schon
    neugierig, wie die beiden nun wieder bei klarem Bewußtsein,
    zumindest dem, was der heilkundlichen Erklärung dafür
    entsprach, herumzeternden Jungen abtransportiert wurden. Auch war sie
    Vertrauensschülerin, wie Bruster auch. Doch einer mußte ja
    schon einmal vorlaufen, um Dumbledore zu informieren. Aurora wartete
    also.

    Als die beiden Jungen mit einem Apparitionsmanöver
    abtransportiert worden waren, kam Kingsley wieder zu sich. Er tastete
    nach seiner Nase.

    “Oh Mann, den Treffer habe ich mir wohl verdient”,
    näselte er und zog ein Taschentuch aus seinem Umhang.

    “Hat man die Jungen ordentlich abtransportiert?” Fragte
    er. Aurora und Jane Porter nickten. Dann sagte der dunkelhäutige
    Auror:

    Mädchen, Aurora Dawn heißt du doch, ich geh mit euch
    zum alten Dumbledore und beichte ihm, daß wir die beiden Jungs
    nicht früh genug gefunden haben. Dieses verdammte Weib Morpuora.
    Die und ihre Brut haben es drauf, mit Wirbelwinden und Feuerstrahlen
    zu hexen. Dann hätte mich fast noch eine ordinere Konifere mit
    ihren Zweigen erdrosselt. Aber mehr sage ich besser nicht. Sonst
    träumst du noch schlecht.”

    “Ich komme auch mit, um dem alten Tausendsasser zu erzählen,
    wie es passiert ist. Wahrscheinlich wird er dich auch noch einmal
    fragen, was du mitbekommen hast”, sagte Jane Porter. Dann gingen
    sie, Kingsley, der mit Nachnamen Shacklebolt hieß und Aurora
    Dawn zusammen über Schleichwege aus dem Dorf hinaus zum Schloß.
    Unterwegs hüteten sie sich davor, in Dorfbewohner oder andere
    Hogwarts-Schüler hineinzulaufen. Dann, in Dumbledores
    Turmkammer, berichteten die Hexe, der Auror und die
    Vertrauensschülerin, was sie jeweils erlebt hatten. Als es um
    die Details ging, wurde Aurora zurück in den Gemeinschaftsraum
    geschickt. Dumbledore sagte:

    “Ich erzähle das heute abend in der großen Halle,
    damit es alle mitbekommen, sich besser zu wappnen. Ich fürchte
    nur, die grüne Dame und ihre Töchter haben bekommen, was
    sie haben wollten. Dann werden wir mindestens ein Jahr lang nichts
    von ihnen hören oder sehen.”

    “Sie meinen, Roy und Tim haben die Sabberhexen –
    geschwängert?”

    “Hallo, so sagt man das nicht”, maßregelte Jane
    Porter das Mädchen.

    “Nun, salonfähig würde es heißen in andere
    Umstände versetzt”, grinste Dumbledore verschmitzt. “Aber
    da es sich ja wohl eher um eine Form rein animalischer
    Triebbefriedigung handelte, kann ich dir das durchgehen lassen,
    Aurora. Immerhin würde man bei Säugetieren ja nicht anders
    formulieren, Jane”, ergänzte er noch und zwinkerte seinem
    weiblichen Gast durch die Halbmondgläser zu.

    “Was soll ich Dina Murphy erzählen?” Fragte Aurora.

    “Wenn Sie darunter leidet, was ich euch erzähle, dann
    komm bitte mit ihr und Madame Pomfrey zu mir! Wir klären dann,
    was wir für sie tun können”, bot Dumbledore an. Aurora
    nickte ihm vertrauensselig zu und verließ die Turmkammer. Jetzt
    würden sie da drinnen auswalzen, was genau mit Roy und Tim
    passiert war. Für Aurora stand fest, daß Tim bereits
    vorher von einer dieser Kreaturen abhängig geworden war. Ja, da
    fiel ihr ein, daß er nach dem Valentinsausflug überglücklich
    ausgesehen hatte. Tim hatte nie eine Freundin in Hogwarts gehabt.
    Konnte es sein, daß diese Morpuora ihn ködern konnte, weil
    er die körperliche Nähe einer Frau gesucht hatte. Sie
    fragte sich auch, wie Erica Fielding reagieren würde, wenn sie
    erfuhr, was ihrem Bruder passiert war. Ja, würde Dumbledore
    zulassen, daß es draußen welche erfuhren? Wahrscheinlich
    wäre das das Ende seines Amtes in Hogwarts.”

    Aurora traf Bruster im Gemeinschaftsraum wieder. Er wirkte
    geknickt, als habe er die Nachricht über Roy und Tim gerade erst
    erfahren. Doch er sagte sofort:

    “Ich habe Dina getroffen, Aurora. Ich konnte es ihr nicht
    erzählen. Aber sie sieht so verängstigt aus. Sie erzählte,
    sie suche Roy und daß der mit Tim Abrahams in die
    Zwergenschmiede wollte und das sie ja zu Angelique Liberté
    gehen wollte, da die Zwerge keine frei herumlaufenden Frauen
    mochten.”

    Aurora schüttelte den Kopf. Sie selbst war mit Petula und
    Miriam in Forins Schmiede gewesen, und kein Zwerg hatte sie dumm
    angemacht. Sicher, der Chef mußte das erlauben. Aber gegangen
    war’s.

    Petula und Miriam tauchten etwa eine Stunde später auf.
    Obwohl Dumbledore angewiesen hatte, daß niemand was erfahren
    sollte, bevor er es erzählte, sagte Petula:

    “Loren Tormentus hat uns da eine haarsträubende
    Geschichte erzählt, Roy und Tim Abrahams seien von diesen
    Sabberhexen verschleppt worden. Stimmt das, Aurora?”

    “Warum fragst du mich das?” Fragte Aurora, die sich
    denken konnte, warum Petula das fragte. Immerhin war sie ja nach der
    Sache mit dem Armband nicht mehr zurückgekommen. Also nickte sie
    schwerfällig.

    “Aber sagt das bitte noch keinem anderen, der oder die es
    nicht schon weiß! Professor Dumbledore wird uns das heute abend
    erzählen.<”

    “Mädel, daß ist fast in der ganzen Schule rum. Die
    Rattler rümpft schon die Nase, daß diese Sabberhexen
    keinen Geschmack hätten, sich mit Schla…, Ähm,
    Muggelstämmigen zu paaren, Eunice hat’s wohl von Dorian Dirkson,
    der’s wiederum von Tara Branigan hat, die euch, also dich, Aurora,
    eine Hexe mit Strohhut und den ebenholzfarbigen Kingsley Shacklebold
    zum Schloß schleichen gesehen hat. Wenn es Tara weiß,
    dann weiß es mel Bunton auch, und dann ganz Hufflepuff. Also
    erzähl!”

    “Wir haben mit Dumbledore ein Übereinkommen, Petula”,
    sagte Bruster.

    “Das schon im Klo gelandet ist”, fauchte Miriam. “Also
    rückt schon raus, was ihr wißt! Für Dina wäre es
    besser, wenn sie nicht nur mit Dritthandgeschichten beballert wird.”
    Sie zog Aurora hinüber zu Dina, die gerade von Rita Swift
    darüber informiert wurde, daß man Roy in eine Falle
    gelockt habe und der vielleicht tot sei. Aurora schupste die Shwester
    von Mortimer zur Seite und stand vor Dina. Diese weinte. Dann sagte
    Aurora:

    “Dina, was dir Rita da erzählt hat stimmt nur zu einem
    winzigen Teil. Ja, Roy wurde in eine Falle gelockt. Das waren diese
    Sabberhexen, die immer schon auf ihn scharf waren. Diesmal haben sie
    ihn erwischt und das mit ihm angestellt, was sie von ihm wollten. Ich
    sage dir das deshalb so brutal, weil es nicht harmloser wird, wenn
    ich dich nur mit abgedrehten Gerüchten allein lasse. Roy lebt
    und ist jetzt im St. Mungo, weil diese Grünfratzen ihn durch
    ihre widerlichen Körpergifte von sich berauscht gemacht haben.
    Aber sie kriegen ihn wieder hin. Das ist schon bekannt, wie sowas
    passiert und kann geheilt werden. Das waren nur Sabberhexen, keine
    Vampire oder Succubi. Roy lebt noch und ich hoffe, der kommt wieder
    ganz in Ordnung.”

    “Diese grünen Monster haben’s mit ihm getrieben?!”
    Heulte Dina nun völlig aufgelöst. Aurora nickte. Ein Nein
    wäre genauso grausam wie das Ja gewesen. Sie verstand auch, was
    nun in dina vorging. Roy war von einer sie anekelnden Kreatur benutzt
    worden. Falls sie daran gedacht hatte, ihm auch körperlich nahe
    zu sein, dann würde diese Mannstolle Kreatur zwischen ihnen
    beiden stehen und Dina auslachen. In Auroras Phantasie klang die
    hämische Stimme dieser Sabberhexe mit schwarzblauem Haar: “Ich
    hatte ihn. Er gehörte mal mir. Du kannst ihm das nicht bieten,
    was ich ihm gegeben habe.”

    Ja, Aurora mochte nachfühlen, was Dina nun durchmachte.

    “Also ein wenig feinfühliger hättest du es ihr
    schon sagen können”, maulte Bruster. Aurora schüttelte
    den Kopf.

    “Bruster, mal ist Feinfühligkeit Medizin, mal lähmendes
    Gift. Das schreibt Professor Dr. Herbregis, die Heilerin aus der
    Sana-Novodies-Klinik.”

    “Ach, du liest dich schon durch scheinbar intelligente
    Sprüche von erwachsenen Heilern? Dann Prost Mahlzeit!”
    Sagte Bruster Wiffle und strich sich verlegen über den
    FC-Liverpool-Schal, den er immer noch trug. Das Schuljahr lief ja
    noch.

    Am Abend tuschelten die Schüler an den Haustischen. Die
    Slytherins blickten mal hämisch grinsend, mal angewidert zum
    Ravenclaw-Tisch herüber. Das ging eine Viertelstunde lang so,
    bis Dumbledore aufstand und mit einer Handbewegung um Ruhe bat.
    Schlagartig fiel ein Mantel aus Stille über alle Tische.
    Dumbledore sprach:

    “Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Schülerinnen und
    Schüler von Hogwarts, ja, es ist wahr, daß heute in
    Hogsmeade eine schlimme Tragödie passiert ist. Die beiden
    Schüler Tim Abrahams und Roy Fielding sind Opfer
    paarungssüchtiger Sabberhexen geworden. Offenkundig handelt es
    sich dabei um eine Sippe, die bereits vor etlichen Jahren die Hände
    nach minderjährigen oder ungebundenen Schülern ausgestreckt
    hat. Im Vertrauen darauf, daß Roy Fielding und Tim Abrahams
    sich gegen diese Kreaturen gewappnet hätten, übersah ich
    persönlich, daß die fraglichen Kreaturen es nicht nur auf
    eine intime Handlung mit den Jungen angelegt haben, sondern diese
    regelrecht für sich vereinnahmen wollten. Wäre mir dies
    vorher bewußt gewesen, hätte ich die beiden Jungen
    beschützt und vor diesen Nachstellungen bewahrt. Zum Glück
    konnten die Schüler Aurora Dawn und Bruster Wiffle rechtzeitig
    Alarm schlagen, um die beiden Jungen aus der Gewalt dieser Kreaturen
    zu befreien. Sie sind nun im St.-Mungo-Krankenhaus, um sich von den
    schweren Beeinträchtigungen ihrer Körper und Seelen zu
    erholen. Der behandelnde Heiler hat mir bereits mitgeteilt, daß
    sich ihr Zustand innerhalb der nächsten drei Wochen wieder
    berappeln wird.” Wieder setzte ein Tuscheln ein. Dann fuhr
    Dumbledore fort: “Ich persönlich ziehe aus diesem Vorfall
    drei Konsequenzen: Erstens verfüge ich, daß die sonst sehr
    kurzweiligen und inspirativen Ausflüge nach Hogsmeade weiterhin
    genehmigt werden, sofern vorher geklärt wird, welche böswilligen
    Kreaturen zu welchen Zeiten dort herumlaufen, um die Ausflüge
    auf Tage zu verlegen, an denen diese Kreaturen nicht dort sind.

    Zum zweiten habe ich angeregt, ein Alarmsystem auf Basis des
    Frühwarnarmbandes in Hogsmeade einzurichten, das sofort Hilfe
    anfordert, wenn jemand von den Schülern von einer wie auch immer
    dort herumlaufenden Kreatur bedrängt wird.

    Drittens werde ich mich morgen früh dem Ministerium und dem
    Schulrat für eine klärende Aussprache zur Verfügung
    stellen und auch mein Amt zur Verfügung stellen, sofern mein
    Rücktritt erwünscht wird. Soviel dazu. Wenn ihr könnt
    und wollt, esst. Viele von euch sind noch im Wachstum. Also nutzt es
    bitte aus, reichlich zu essen!”

    Klar konnten viele vor lauter Schwatzen nicht richtig essen. Dina
    hockte total niedergeschlagen auf ihrem Platz. Manchmal blickte Tonya
    herüber. Doch Aurora funkelte sie warnend an.

    __________

    Zwei Tage vergingen, in denen die Schüler nur das erfuhren
    was in der Zeitung stand. Da hieß es einen Tag nach dem
    Zwischenfall:

    “Schüler werden Opfer gefährlicher Monster in
    Frauengestalt! Dumbledore bekennt sich zu seiner persönlichen
    Verantwortung.”

    Dann, am dritten Tag, wenige Tage vor dem Ferienbeginn, kam der
    Tagesprophet mit der Schlagzeile heraus:

    “Dumbledore von Zauberergamot und Schulrat rehabilitiert.
    Kein Versäumnis nachzuweisen! Alter ist neuer Schulleiter von
    Hogwarts.”

    Nicht wenige klatschten. Denn das Dumbledore seine eigene
    Anstellung hinter dem Wohl von Hogwarts und dessen Schüler
    zurückgestellt hatte imponierte allen, ja auch einigen
    Slytherins, die es nicht ungern gesehen hätten, wenn Dumbledore
    entlassen und noch dazu ins Gefängnis geworfen worden wäre.
    Als der von aller Schuld freigesprochene Schulleiter am Abend wieder
    in die große Halle kam, wurde ihm begeistert applaudiert. Er
    nahm den Applaus mit einer dankbaren Verbeugung hin und kehrte auf
    seinen Platz zurück.

    “Der ist einfach nur genial”, sagte Mortimer. “Der
    hat allen den Wind aus den Segeln genommen, die ihn gerne wegen
    dieser Sache drangekriegt hätten. Dann hat er es so gedreht, daß
    die Schule und damit er nicht darauf gefaßt sein konnte, weil
    der Morpuora-Clan selten in der Nähe von Hogsmeade auftaucht.
    Dann hat er wohl Nachfolger vorgeschlagen, die keiner gewollt hat.
    Einfach genial.”

    “Das hängt auch damit zusammen, daß Ministerin
    Bagnold, die ja für eine Entschärfung der Gesetze gegen
    böse Zauberwesen eintreten wollte, im September sowieso
    zurücktritt und ein neuer Minister gewählt wird. Man weiß
    nicht, wer es sein soll”, sagte Bruster.

    “Crouch ist es nicht, nach der Kiste mit seinem Sohn”,
    sagte Mortimer. “Dann können es noch dieser Cornelius Fudge
    sein, Madame Bones oder eben Dumbledore. Aber der hat sich mit diesem
    Selbsthinhänger schön aus der Schlinge gezogen, Minister
    werden zu müssen. Wenn diese Sabberhexen nicht von sich aus
    hinter Jungen von uns her gewesen wären, hätte ich fast den
    Verdacht, Dumbledore hätte das eingefädelt, um sich aus dem
    Ministeramt herauszuhalten.”

    Dina mußte zu Madame Pomfrey und bekam von dieser
    Seelenberuhigungstränke verschrieben. Aurora tröstete sie,
    daß Roy bestimmt nicht untreu geworden sei, weil dieses
    grüngesichtige Geschöpf ihn ja hatte benebeln müssen.
    dina wußte nicht, ob das mit Roy wieder so werden würde
    wie früher. Doch andererseits konnte sie ihm unmöglich
    vorwerfen, sich darauf einzulassen.

    Dann war da noch der Besuch von Erica Fielding, die zusammen mit
    einem Ehepaar zu Dumbledore kam. Der Mann trug eine blaue Uniform und
    wirkte sehr erzürnt, während die Frau sichtlich verängstigt
    wirkte. Das waren Tims Eltern. Aurora wurde kurz zum Schulleiter
    gerufen, um Erica und den Abrahams’ zu berichten, was passiert war.

    “Unverschämtheit. Ich habe für meinen Sohn und alle
    anderen Kinder den Kopf hingehalten, wäre fast von einer
    argentinischen Mirage vom Himmel geholt worden, um dann, kaum daß
    ich endlich wieder zu Hause war, zu hören, daß mein Sohn
    von solchen notsüchtigen Biestern abhängig gemacht wurde,
    wo Sie, Mr. Dumbledore, angeblich doch so ein mächtiger Zauberer
    sind, der ja auch diesen Lord Voldemort auf Abstand halten konnte”,
    tobte Mr. Abrahams.

    “Commander Abrahams, ich verstehe Ihren Zorn und teile ihn
    sogar, was die Angelegenheit angeht. Aber ich bin nicht
    allgegenwärtig und halte meine Schüler auch nicht unter
    ständiger Überwachung”, erwiderte Dumbledore. Aurora
    fühlte beinahe körperlich, welche Wut diesen sonst so
    ruhigen Zauberer erfüllte.

    “Wir ziehen unsere Erlaubnis für dieses Höllendorf
    Hogsmeade zurück”, sagte der Blauuniformierte. Seine Frau
    nickte. Aurora und Erica grinsten. Immerhin würde Tim ja bald in
    der weiten Welt herumlaufen und konnte auch anderswo auf Geschöpfe
    wie Morpuora treffen. Außerdem war er den Zauberergesetzen nach
    volljährig.

    “Das steht Ihnen frei”, sagte Dumbledore nun lächelnd.
    Erica Fielding meinte dann noch:

    “Wann können wir die Jungen besuchen?”

    “Sie, Ms. Fielding, können jederzeit mit den Heilern
    sprechen. In deren Ermessen liegt es, ob sie Sie zu Ihrem Bruder
    vorlassen oder nicht. Was Sie angeht, Commander Abrahams, Mrs.
    Abrahams, so sind die Regeln für das St.-Mungo-Krankenhaus sehr
    strickt und umbeugsam, daß dort keine nichtmagischen Personen
    hineindürfen, sofern sie nicht als Opfer magischer Krankheiten
    oder Verletzungen zu Patienten geworden sind”, sagte Professor
    Dumbledore.

    “Ihre Gesellschaft bangt um ihre Offenbarung, Professor
    Dumbledore”, schnaubte Tims Vater. “Wollen Sie haben, daß
    morgen das ganze britische Militär von der Existenz der
    Zaubererwelt erfährt?”

    “Nein, das will ich nicht. Aber Sie können mich auch
    nicht erpressen, Commander”, erwiderte Dumbledore. “Erstens
    bin nicht ich für die Obliegenheiten im St.-Mungo-Krankenhaus
    zuständig. Zweitens sollten Sie, ein intelligenter Mann, der
    einen respektablen Rang in der Marine erreicht hat, davon ausgehen,
    daß sensible Institutionen Ihrer Welt von der
    Geheimhaltungsüberwachung unserer Welt sorgfältig
    kontrolliert werden. Riskieren Sie also bitte nicht, in eine
    Geschlossene Abteilung einer Ihrer Nervenheilanstalten eingewiesen zu
    werden, weil Sie behaupten, Ihr Sohn sei von grüngesichtigen
    Hexen, die ohne Besen fliegen, verwünscht und vergewaltigt
    worden.”

    “Es stimmt, Sir, die haben Agenten in der nichtmagischen
    Welt”, sagte Erica bestätigend. Commander Abrahams knurrte
    zwar sehr verärgert, aber wohl eher aus Hilflosigkeit. Erica
    sagte dann noch: “Ich habe Telefon und kann auch zu Ihnen
    kommen, wenn ich bei Roy war und vielleicht auch was von Ihrem Sohn
    mitbekomme. Ich kann ihm auch gerne was von Ihnen geben oder
    ausrichten.”

    “Dein Mitleid kannst du dir sparen, Mädchen”,
    schnaubte Tims Vater. Doch seine Frau nickte Erica heftig zu und
    sagte, daß sie dieses Angebot annehmen würden. Ihr Mann
    sah sie dann zwar merkwürdig an, doch Mrs. Abrahams blickte ihn
    sehr entschlossen an. Offenbar mußten der Marineoffizier und
    die einfache Hausfrau klären, wer in ihrer Familie das Kommando
    führte.

    “Ich hoffe, Roy und Tim kommen rasch wieder zur Besinnung.
    Die Therapie ist langwierig, weil die betreffenden Wesen mit ihren
    Körperflüssigkeiten und Geistesunterdrückungszaubern
    sehr tief in den Verstand eingedrungen sind”, erläuterte
    Dumbledore, warum die Behandlung so lange und so von der Außenwelt
    abgeschirmt verlaufen mußte.

    “Roy muß also deprogrammiert werden, wie jemand, der
    einer Sekte angehört hat und herausgeholt wurde?” Fragte
    Erica. Dumbledore nickte.

    “Es ist schlimmer als der Imperius-Fluch, der ja doch
    irgendwann abklingen kann”, bekräftigte er seufzend. “In
    der nichtmagischen Welt Pflegt man in einem solchen Fall von
    Gehirnwäsche zu sprechen. Insofern wird es dauern, die
    verankerten Gelüste und Unterwürfigkeiten so zu entfernen,
    daß der frühere Geisteszustand wieder hergestellt werden
    kann.”

    “Sie hören noch von mir!” Schnaubte der
    Marineoffizier und winkte seiner Frau, ihm zu folgen.

    “Ich freue mich darauf”, sagte Dumbledore, nun wieder
    ganz ruhig.

    “Danke, Aurora, daß du meinem Bruder Hilfe besorgt
    hast. Wenn das keiner mitbekommen hätte, wäre dieses grüne
    Scheusal wohl sein Leben lang seine Herrin geblieben”, sagte
    Erica.

    “Ich konnte doch nicht so viel tun, Ms. Fielding”, sagte
    Aurora. Roys Schwester grinste und meinte:

    “Als ich vor einem Jahr von hier abging hieß ich noch
    Erica. Ich habe kein Problem damit, wenn du mich auch weiterhin so
    nennst.”

    “Gut”, konnte Aurora nur dazu sagen. Dann verabschiedete
    sich Erica von Dumbledore und folgte dem Ehepaar Abrahams, um mit
    diesem in einem Auto des Zaubereiministeriums zurück nach London
    zu fahren.

    “Haben Sie keine Angst, daß Mr. Abrahams die
    Geheimhaltung gefährdet?” Fragte Aurora den Direktor.
    Dieser schüttelte den Kopf.

    “Seit der Erfindung der Funkübermittlung wissen wir, daß
    wir noch schärfer aufpassen müssen, daß die
    Geheimhaltung der Zauberei nicht zunichte gemacht werden kann. Die
    Zaubereiministerien aller Länder haben ihre Aufpasser und
    “Feuerwehrleute” in den wichtigsten Einrichtungen wie den
    Nachrichtendiensten, den Militärs und Polizeibehörden und
    auch den Universitäten, wo die Frage nach übernatürlichen
    Ereignissen diskutiert und nach solchen Vorkommnissen geforscht wird.
    Ich kann dem also sehr sorglos entgegensehen.”

    “Gut zu wissen, Professor Dumbledore. Brauchen Sie mich
    noch?”

    “Nein, du darfst jetzt wieder gehen”, entließ
    Dumbledore Aurora sanftmütig lächelnd.

    Am vorletzten Schultag bestellte Madame Hooch die
    Ravenclaw-Quidditchmannschaft von 1982 in ihr Büro ein. Dort lag
    ein großes Bild mit allen sieben Quidditchspielern der
    Erfolgsmannschaft von 1982. Aurora nickte. Jetzt wollten sie also
    diese Bilder mit ihrem Eigenleben aufwecken. Madame Hooch sagte
    vorher noch:

    “Unabhängig, was in den letzten Tagen passiert ist
    werden alle bisherigen Eindrücke von euch auf die Bilder
    übertragen. Der Zauber ist einfach. Jeder und jede von euch legt
    nun die rechte Hand auf sein Bild. Ich werde dann den Zauber “Inflato
    Animam” sprechen, womit das Bild nicht nur gestalterisch,
    sondern auch charakterlich euer Ebenbild wird. Diese Ehre lasse ich
    nur denen zukommen, die meiner Meinung nach auch entsprechende
    Leistungen gebracht haben.”

    Aurora machte den Anfang. Sie suchte ihr gemaltes Selbst, das noch
    ganz starr und unbeweglich auf seinem Besen über dem
    Quidditchfeld flog. Sie legte die rechte Hand auf das Bild. Dann
    fühlte sie, wie Madame Hooch ihren Zauberstab auf dem Bildrand
    aufsetzte und hörte sie murmeln: “Inflato Animam!”

    Aurora meinte, etwas in ihrem Körper würde sich
    strecken, prickeln und dann, wie ein warmer Hauch zwischen ihrer auf
    dem Bild liegenden Hand und dem Gemälde selbst dahinströmen.
    Auroras gemaltes Wesen erzitterte. Dann streckte sich die gemalte
    Aurora Dawn von 1982, ihr derzeit gleichwertiges Ebenbild und begann
    unter der Hand des Originals davonzufliegen, langsam zwar noch aber
    zielstrebig.

    Alessandro war der Nächste, der ein Fragment seines Selbst in
    die gemalte Ausgabe von sich überfließen ließ. Dann
    folgte Ken, dann Karin, den Bruster, Mortimer und zum Schluß
    Toby Wells, der dieses Jahr ein ausgezeichneter Jäger gewesen
    war. Als alle sieben Bilder ein Eigenleben besaßen, wurden sie
    so schnell und beweglich wie ihre Originale, spielten die mit auf dem
    Bild abgemalten Bälle und freuten sich sichtlich, daß sie
    lebten. Aurora fand es unheimlich wie ihre gemalte Ausgabe herumflog
    und die Doppelachsen-Manöver flog. Sie fühlte, daß es
    irgendwie unheimlich aber auch erhaben war, diese belebte Abbildung
    von sich in Hogwarts zu wissen.

    “Ist dieses Bild für alle anderen Bilder offen?”
    Fragte Alessandro. Madame Hooch nickte. Somit konnten die
    Quidditchspieler früherer Mannschaften sich gegenseitig
    herausfordern, ja sie konnten auch in andere Bilder von Hogwarts
    hinüberfliegen.

    Aurora Dawn dachte an Lady Medeas Bild. Ihr gemaltes Ich lebte nun
    in derselben Welt wie die Hexenlady. Sie hoffte, die beiden würden
    sich miteinander gut vertragen.

    Nach dieser feierlichen Bildbelebung trafen sich die
    Quidditchspieler zu einem kleinen Umtrunk in einem stillen Winkel von
    Ravenclaw. Alessandro Boulder hob sein Glas Butterbier und brachte
    einen Trinkspruch aus:

    “Auf die Mannschaft von 1982, die beste Quidditchmannschaft,
    die Ravenclaw in den letzten sechzig Jahren aufgeboten hat!”
    Alle tranken ihm zu. Da sah Aurora die winzigen Tränen in
    Alessandros Augen. Sie fragte ihn behutsam, was er habe.

    “Mir ist jetzt erst klar geworden, daß ich übermorgen
    hier raus muß. Ich habe es sieben Jahre durchgehalten, sogar
    mit so Leuten wie Snape. Das geht jetzt alles zu Ende. Aber in Madame
    Hooches Büro hängt jetzt ein Bild, wo ein genaues Abbild
    von mir drauf ist. Wenn das gutes Öl war, dann kann das in
    sechshundert Jahren hier noch hängen, vorausgesetzt, die Lehrer
    nach Madame Hooch werfen keine Bilder weg. Das ist traurig, das sich
    irgendwann niemand groß an mich erinnern wird, wie ich ab
    übermorgen leben werde. Aber es ist schön, daß der
    beste Teil von mir jetzt in Hogwarts ist und da bleibt.”

    Aurora verstand, was Alessandro umtrieb. Sie dachte zwar noch
    nicht so weit. Doch sie erkannte, daß sie mit dieser
    Bildbelebung etwas großes geschaffen hatte, das unwichtig
    wirkte und doch sehr bedeutsam werden konnte. Sie konnte sich auch
    irren, und niemand interessierte sich nach ihrem Abgang für das
    Mädchen, daß das Eigenbesenverbot auf den Abfallhaufen der
    Geschichte geworfen hatte. Sie dachte an Leute wie die Malfoys, an
    Draco, den sie als Baby gerettet hatte. in zehn Jahren würde er
    hier eingeschult werden. Würden seine Eltern ihm erzählen,
    daß sie ihn gerettet hatte? Wie würde er damit umgehen,
    falls ja? Sie wußte es nicht. Doch vielleicht sollte sie an
    Ravenclaws im allgemeinen denken, die sich bestimmt gerne erinnerten,
    daß sie zweimal in Folge den Quidditchpokal gewonnen hatten.

    “Ich bedanke mich bei allen, die mit mir zusammen schon unter
    Kelvin Hightowers für Ravenclaw gespielt haben. Vielen Dank an
    euch alle!” Sagte Alessandro noch zum Abschluß. Dann
    kehrten sie in den Gemeinschaftsraum zurück.

    Am Letzten Schultag verkündete Dumbledore, daß es Roy
    und Tim wesentlich besser ginge. Allerdings müßten sie
    noch zwei volle Wochen unter Beobachtung stehen. Dann hielt er die
    letzte Ansprache des Schuljahres.

    “Wir haben wieder ein Jahr überstanden. Einige werden
    sagen, überlebt. Ja, das stimmt. Denn am Anfang des Jahres wußte
    niemand von uns, ob er oder sie auch nur einen Monat mehr überleben
    würde. Jeder hatte Angst um seine Angehörigen. Roy
    Fielding, der nun bedauerlicherweise Opfer einer triebhaften Kreatur
    geworden ist und daher nicht mitfeiern kann, überlebte knapp
    einen der letzten großen Anschläge des bösartigen
    Zauberers Lord Voldemort. Von euch haben einige Verwandte verloren,
    gute Bekannte, die einem das Leben lebenswert gestaltet haben. Dann,
    als wir alle dachten, die dunklen Tage würden nun nicht mehr
    enden, rettete uns alle ein Umstand, den niemand, auch ich nicht,
    voraussehen konnte. Lord Voldemort scheiterte bei einem tödlichen
    Angriff auf den Jungen Harry Potter und verlor seine Macht. Seitdem
    sind wir bestrebt, den großen Scherbenhaufen wieder aufzuräumen
    und uns eine neue, vielleicht friedlichere Welt, aufzubauen. Daß
    wir dabei auch vom Friedenswillen der Muggel abhängig sind hat
    die Zeit zwischen April und Juni gezeigt. Die reinblütigen
    Zauberer werden es nicht mitbekommen haben, aber unser Land lag mit
    einem anderen Land im Krieg und hätte viele tausend Männer
    verlieren können. Das es dort draußen, in der
    nichtmagischen Welt immer noch Kriege gibt und sehr bedrohliche
    Waffen, die unseren Planeten restlos entvölkern können,
    sollte auch uns Zauberern und Hexen immer klar vor Augen stehen. Es
    ist an uns, den Frieden in uns selbst zu bewahren, um den Frieden um
    uns herum nicht zu gefährden. Dabei spielt es keine Rolle,
    welche Abstammung jeder hier hat. Eine friedliche Welt, in der nicht
    Angst und Mord, sondern Hoffnung und Lebenserhaltung die Welt in
    Bewegung halten, ist ein Traum, der sich vielleicht niemals erfüllt.
    Doch je mehr ihn träumen, desto schwächer wird dieses
    Niemals werden.

    Ich habe nun, nachdem wir alle dieses grausame, aber auch allen
    Glauben an die Macht der Hoffnung zurückbringende Jahr
    vollenden, die wunderbare, traditionelle Aufgabe, den Gewinner des
    diesjährigen Hauspokals zu verkünden.” Dumbledore
    gönnte sich eine kurze Pause. Dann sprach er weiter: “Für
    Hufflepuff sieht es dieses Jahr mit dreihundertfünfzig Punkten
    besser aus als oft zu vor. Ihr könnt es immer noch schaffen!

    Das Haus Slytherin hat sich dieses Jahr durch einen sehr
    unrühmlichen Zwischenfall selbst die Schuld an der für
    seine Verhältnisse kleinen Punktzahl von dreihundertachtzig
    Punkten zuzuschreiben.” Alle jubelten. Denn nun würde es
    wie im Finale zwischen Ravenclaw und Gryffindor ausgehen.

    “Zwischendurch war es ein regelrechtes Wetterhäuschenspiel.
    Mal führte Gryffindor, mal Ravenclaw. Doch heute ist es
    eindeutig. Gryffindor hat vierhundertzwanzig Punkte gewonnen.”
    Die Gryffindors klatschten Beifall, jubelten aber nur verhalten.

    Das Haus Ravenclaw hat dieses Jahr durch überragende
    Quidditchleistungen, sowie die Hilfe einiger seiner Schüler bei
    der Entscheidung um die Eigenbesenzulassung, sowie überragende
    Leistungen in der Schule 590 Punkte gewonnen und ist damit Sieger des
    diesjährigen Hogwarts-Hauspokals!” Nun war es amtlich. Die
    Ravenclaws hielten nicht mehr an sich. Sie feierten ihre Heldinnen
    und Heldenund klatschten weiterhin beifall. Aurora sah auf die Wand
    über dem Lehrertisch, die von einm Banner überdeckt wurde,
    auf dem der bronzefarbene Ravenclaw-Adler prangte. Jetzt war es
    wieder soweit. Sie hatte hier entscheidende Dinge erlebt, shöne
    und schlimme. Doch jetzt war das Jahr um, und Aurora Dawn hatte ein
    zweites Mal den Quidditchpokal erringen können. Sie dachte kurz
    an Roy, der nun im St.-Mungo-Krankenhaus lag, weil sie nicht schnell
    genug hatte helfen können. Ja, sie wollte anderen Menschen
    helfen. Das erkannte sie jetzt als ihre eigentliche Bestimmung.

    Tags drauf kehrten die Schüler zu ihren Eltern zurück.
    Am Morgen noch hatte Lissy Wright Aurora einen Brief mit einem
    fünfzackigen Drachen unter die Nase gehalten.

    “Die hat’s tatsächlich getan. Die holen mich nach
    Thorntails”, hatte Lissy verächtlich gesagt. Aurora hatte
    nur gesagt, daß sie dort bestimmt besser lernen könne.

    Sie verabschiedete sich von Alessandro und den anderen
    Quidditchkameraden, ließ es sich sogar nicht nehmen, den
    Hawkins-Zwillingen viel Glück, Erfolg und Spaß in der
    Neuen Heimat zu wünschen.

    Als ihre Mutter sie am Bahnhof Kings Cross abholte, freute sich
    Aurora schon auf die Ferien. Sie würde sie zum Teil an einem Ort
    verbringen, von dem sie bis dahin nichts außer dem Namen gehört
    hatte, beziehungsweise, daß es dort vor etlichen Jahrhunderten
    etwas wie eine dunkle Lady, eine böse Matriarchin gegeben hatte.
    Was würde ihr die Kräuterkundekonferenz in Millemerveilles
    bringen? Würde es schön interessant sein oder schrecklich
    langweilig? Allein diese Frage weckte in Aurora eine herrliche
    Anspannung.

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