Julius Andrews - Auf seinem Weg in die Zaubererwelt by Thorsten Oberbossel
Summary:

Stell dir vor, du wächst in einer Welt auf, in der Magie, Hexen und Zauberer, Drachen und Riesen nur in Märchenbüchern vorkommen! Du lernst von deinen Eltern und Lehrern, daß nichts wirklich ist, was nicht mit naturwissenschaftlichen Methoden gedeutet werden kann. Die Welt ist für dich soweit in Ordnung. Dann bekommst du von einer merkwürdigen Stelle her einen Brief, in dem Steht, daß du als Hexe beziehungsweise Zauberer erkannt wurdest und ab dem nächsten Jahr in eine Schule für Zauberei gehen sollst. Deine Welt gerät ins rutschen, gerade dann, wenn sich herausstellt, daß die Schreiber dieses Briefes tatsächlich recht haben.

So ergeht es dem Jungen Julius Andrews, als er den Plänen seiner naturwissenschaftlich geprägten Eltern nach in ein Eliteinternat wechseln soll. Was er jedoch dann erlebt, sprengt die Grenzen der bisher für einzig richtig gehaltenen Weltanschauung seiner Eltern und ihm selbst.

Die bisherigen Stories können nach meinem Dafürhalten von LeserInnen ab zehn Jahren gelesen werden, sind jedoch nicht nur für Kinder und Jugendliche gedacht. Auch erwachsene LeserInnen sind herzlich eingeladen, diese Geschichten zu lesen und sich daran zu erfreuen.


Categories: Harry Potter Characters: Eigener Charakter
Genre: Keine
Warnung: Keine
Challenges:
Series: Keine
Chapters: 144 Completed: Ja Word count: 5611429 Read: 731048 Published: 12 Jun 2014 Updated: 12 Jun 2014
DAS GLÄSERNE KONZIL by Thorsten Oberbossel

Sie hatte ihn wieder ins Ungewisse entlassen. Zwar hoffte sie, daß ihm diesmal keine tödlichen Gegner auflauern mochten. Doch sicher sein konnte sich Blanche Faucon nicht. Sie hatte absichtlich tatenlos zugesehen, wie Julius mit ihm im Traum verratenen Zauberworten einen goldenen Lichtzylinder um sich errichtete, der dann erst einen Meter nach oben schwebte, um dann von einem Moment zum anderen davonzurasen. Dann war der junge Zauberer verschwunden, den sie wie einen Enkelsohn zu lieben gelernt hatte. Sie blickte sich um. Ihr war kalt. Das mochte von dem rauhen Gebirgswind kommen, der in dieser Höhe winterliche Temperaturen atmete oder von der sich nun lösenden Anspannung. Sie hatte Julius Andrews mal wieder irgendwo hingeschickt. Wohin genau, wußte sie nicht. Er hatte Catherine und ihr was von einer Stadt erzählt, die ihm immer wieder im Traum begegnet war. Bei den Occlumentie-Stunden hatte sie diese Stadt sogar selbst sehen können. Vielleicht war das der Zielpunkt der magischen Reise. Sie Blieb einige Sekunden stehen. Dann fühlte sie, wie sie unter ihrem rosaroten Seidenumhang zu frieren begann. Sie mußte sich wärmere Kleidung überziehen. Aber vor allem wollte sie herausfinden, ob man Verbindung zu dem Jungen aufnehmen konnte. Denn anders als in Slytherins Galerie würde er nicht in einer künstlichen Welt herauskommen, sondern an einem realen Punkt im Raum-Zeit-Gefüge, wobei sie hoffte, daß er nicht in einer anderen Zeit ankam. Sie disapparierte und landete punktgenau im Zentrum des pariser Ausgangskreises für eine Reisesphäre. Sie hob den Zauberstab und rief die ihr so vertrauten Worte, von denen sie nun dachte, daß es ein Überbleibsel aus dem Alten Reich sein mochte, das nach langer Zeit wiederentdeckt worden war. Als die sonnenuntergangsrote Lichtsphäre sie dann im roten Vollkreis von Beauxbatons abgesetzt hatte eilte sie schnurstracks in den Palast, der zu dieser Zeit nur von drei Leuten bewohnt wurde, dem oftmals mürrischen Schuldiener Bertillon, der in jeder Hinsicht überragenden Madame Maxime und Heilerin Rossignol. Genau zu der Schulheilerin lenkte sie nun ihre Schritte. Als sie dort ankam wurde sie schon sehr verärgert begrüßt.

"Blanche, Sie haben den Jungen schon wieder irgendwo hingeschickt. Ich habe vor dreißig Sekunden den Kontakt mit dem Armband verloren. Was soll er nun schon wieder welterhaltendes tun?!"

"Im Grunde genommen da weitermachen, wo er nach seinem letzten Ausflug in die Bilderwelt aufgehört hat, Florence", schnarrte Madame Faucon ungehalten, weil sie wie eine ungezogene Schülerin angefahren worden war. "Wenn sie in den nächsten Minuten keinen Kontakt mehr mit dem Armband herstellen können ist eine meiner Hoffnungen zerstört."

"Solange es nur eine Hoffnung von Ihnen ist, Blanche und nicht das Leben des Jungen", schnaubte Madame Rossignol.

"Das verbitte ich mir, Florence. Mir liegt mehr an dem Jungen als Ihnen. Das wissen Sie genau. Also maßen Sie sich ja nicht an, mich zurechtzuweisen. Ich habe ihn sehr ungern losgeschickt, weil er im Moment der Einzige ist, der ein uraltes Wissen benutzen kann, um eine Quelle dunkler Magie versiegen zu lassen, die von unserem gemeinsamen Erzfeind wiederentdeckt wurde. Denken Sie, ich wollte den Jungen umbringen?!" Keifte Madame Faucon.

"Nun, so rigoros wie Sie ihn einsetzen ist das nicht so weit hergeholt, Blanche. außerdem, was für eine enge Bindung haben Sie mit Julius Andrews, die über meine Fürsorgepflicht hinausreicht?"

"Weil er der Sohn einer guten Bekannten meiner Tochter ist und sie dafür gesorgt hat, daß er seinen Talenten entsprechend ausgebildet wird und ich ihn mehrere Wochen lang bei mir beherbergte und ihn gut genug kennenlernte, um mehr für ihn zu empfinden als nur Verantwortungsgefühl, Florence. Aber warum erzähle ich Ihnen das? Weil ich hoffte, Sie behielten die Verbindung mit ihm."

"Wenn er in eine Zone starker Abwehrzauber hineingerät, wie es in Hallittis Höhle der Fall war, kann ich ihn nicht überwachen, Blanche. Hinzu kommt noch, daß die Verbindung bei zunehmender Entfernung von Beauxbatons immer schwächer wird. Als er in der Burg dieses verirrten Lebensfeindes Bokanowski war, konnte ich ihn gerade noch wregistrieren, zumal der Curattentius-Zauber mehrmals angesprochen hat. Aber jetzt ..."

"Gut, dann verbleibt mir nur, an den Ort zurückzukehren, von wo aus ich ihn losgeschickt habe. Bitte sagen Sie Madame Maxime nichts!"

"Das überlasse ich Ihnen, falls der von Ihnen angeblich mehr als nur behütete Junge nicht mehr wiederkommt", knurrte die Heilerin. "Haben Sie es schon mit Mentiloquismus probiert? Vielleicht kommen Gedankenbotschaften ja besser an als eine rein mechanistische Magie."

"Moment mal", stutzte Professeur Faucon. "Das ist natürlich eine Möglichkeit. Ich weiß zwar nicht, wie weit er entfernt ist. Aber ich versuche es mal. Aber wie bei Ihrem Armband spielt die Entfernung eine erhebliche Rolle." Sie verließ den Krankenflügel wieder, um außerhalb der Ländereien von Beauxbatons eine Mentiloquismus-Verbindung zu versuchen, während Madame Rossignol die Anzeigevorrichtung im Blick behielt, die ihr vorhin mit einem Klingelzeichen verraten hatte, daß sie die Verbindung mit einem der Pflegehelfer verloren hatte. Nach fünf Minuten kehrte die Lehrerin mit verknirschtem Gesicht zurück.

"Ich bekomme keine Verbindung mit ihm. Liegt wohl an der Entfernung", stellte Blanche Faucon fest. Dann zuckte es kurz um ihre Mundwinkel. Sie verzog das Gesicht zu einer grimmigen Grimasse, atmete einigemale durch und wandte sich dann wieder an die Heilerin.

"Sie wissen, was die roten Herzanhänger können, die Ihre beiden Schützlinge Mildrid Latierre und Julius Andrews tragen, Florence?"

"Natürlich weiß ich das, weil ich sie sonst eingezogen hätte. Sie halten eine magische Verbindung zwischen ihnen aufrecht, die die Gefühlslage der beiden Partner übermittelt. Allerdings habe ich auch von meiner US-amerikanischen Kollegin Merryweather gehört, daß diese halben Herzen bei Partnern, die sich vor oder nach ihrem Erwerb bereits körperlicher Liebe hingegeben haben als Mentiloquismusverstärker funktionieren, solange beide Partner sie tragen und einer von ihnen seinen Anhänger an die Stirn legt."

"Genau das meine ich. An und für sich wollte Boragine dieses Schmuckstück deswegen gleich bei ihrer Ankunft nach Ostern einbehalten. Ich konnte ihr jedoch davon abraten, weil mir sehr daran gelegen ist, daß jemand weiß, wie Julius sich fühlt und dann, wenn sie weiß, wie es geht mit ihm Verbindung aufnehmen kann. Da ich davon ausgehe, daß diese besondere Eigenschaft der Anhänger wegen der Mentiloquismus-Sperren hier in Beauxbatons nicht funktioniert, sehe ich auch keine Gefahr arglistiger Betrugsmanöver im Unterricht, wenn ich den beiden die Anhänger lasse."

"Nun, falls sie doch funktionieren sollten können Sie sie ja vor einer Prüfung immer noch einbehalten, oder ich kann das tun", sagte Florence Rossignol.

"Ja, aber dann müßte ich dieser oftmals ungehobelten Hexe erklären, daß sowas funktioniert und wie", knurrte Madame Faucon.

"Das liegt bei Ihnen, Blanche. Zumindest aber wäre es wichtig zu wissen, ob die unproblematische Verbindung zwischen den beiden Anhängern noch besteht. Nach meinem Wissen soll sie in beide Richtungen um die halbe Erde reichen, was bedeutet, daß sie um die ganze Erde reicht. Wer immer diese Schmuckstücke erfunden hat setzt auf die unermeßlichkeit inniger Verbundenheit."

"Gut, fragen Sie Mademoiselle Mildrid Latierre!"

"Wie meinen Sie?" Fragte Florence Rossignol.

"Fragen Sie Mademoiselle Latierre, bitte!" Schnarrte Professeur Faucon ungehalten.

"Vergessen Sie das bitte nicht, daß ich Ihnen nicht unterstellt bin wie die Schülerinnen und Schüler hier", verwies die Heilerin auf ihre Rangstellung. Dann tippte sie an ihr Pflegehelferarmband und rief: "Mildrid Latierre, ich rufe dich!"

 

___________

 

"Willkommen in Khalakatan, Julius Andrews, Träger meines Siegels!" Diese wie eine kleine Glocke klingende Gedankenstimme hallte einige Sekunden in seinem Kopf nach. Julius sah auf seine Uhr, die sich mit einem Klicklaut umstellte. Der rote Standortstundenzeiger lag nun drei Ziffern hinter dem schwarzen Heimatortstundenzeiger, der ihm verriet, wie spät es in seinem Geburtsland England war. Also war er vier Zeitzonen nach Westen gereist, und das innerhalb von wenigen Sekunden. Überschallschnelle Reisen waren ihm zwar längst vertraut. Aber irgendwie war es für ihn immer wieder überwältigend, wie klein die Welt doch werden konnte, wenn ein starker Transportzauber ihn von einem Punkt zum anderen beförderte. Hinzu kam noch, daß er gerade eine uralte magische Schnellverbindung benutzt hatte, die seit Jahrtausenden kein Mensch mehr aufgerufen haben mochte. Das war für ihn gleichbedeutend mit der ersten bemannten Landung auf dem Mars. Khalakatan, dieser Name, der im zweiten von ihm ausgerufenen Zauberwort drinsteckte, klang sehr vertraut. Ihm fiel ein, daß er diese Silben schon wesentlich früher gehört hatte. Dann fiel es ihm ein. Das war, als er nach dem Kampf um seinen Vater und der Gerichtssitzung im Zaubereiministerium nach Millemerveilles zurückgekehrt war. Da hatte er zum ersten Mal von dieser fremdartigen Stadt geträumt und Darxandria getroffen, die damals jedoch noch in einer ihm unbekannten Sprache zu ihm gesprochen hatte.

"Darxandria!" Rief er laut. Doch seine Stimme wurde nur von den mehrere Dutzend Meter durchmessenden Säulen und dem hundert Meter über ihm hängenden Bogen eines titanischen Tores zurückgeworfen. Er lauschte. Dann sah er sich um. Tatsächlich, da über ihm und dem Tor wölbte sich eine himmelsgleiche Kuppel, mehrere Kilometer durchmessend. Sie leuchtete in einem abenddämmerungsgleichen Blauton, gerade hell genug, um noch sehen zu können und doch schon so dunkel, das bei genaueren Untersuchungen vielleicht doch ein Licht benutzt werden mußte. Er sah die riesigen Termitenbauten ähnelnden Gebäude in der Ferne und erkannte auch die gigantischen Türme mit den glockenartigen Spitzen, die so rosig glitzerten wie das Metall im Torbogen. Er wandte sich um. Auch hinter ihm lagen die Gebäude. Allerdings waren es erheblich weniger als in den anderen Richtungen. Mochte dies das alte Stadttor gewesen sein? Nein, offenbar nur eine Ankunftsplattform für Fernreisende wie ihn. Vielleicht konnte man die Stadt schon damals nur über diesen Weg erreichen.

Ein urwelthaftes Brüllen erklang aus der Ferne. Das war neu für Julius. Neu und beängstigend zugleich. Denn in seinen Träumen von dieser Stadt, die er jetzt wie ein Déjà Vu vor sich ausgebreitet liegen sah, war er immer durch eine totenstille Stadt gelaufen, bis Darxandrias Lachen oder ihre Rufe ihn zu jenem Turm geführt hatten. Dann sah er dort, wo das urtümliche Gebrüll hergekommen war einen Lichtpunkt, der hellrot und flackernd auf ihn zukam, als fliege ein brennendes Flugzeug genau auf ihn zu.

"Oha", stieß Julius aus. Offenbar war die echte Stadt nicht so unbewohnt wie er im Traum erlebt hatte. Doch er hatte ja einen Besen, zu seinem Glück. Er zog den Ganymed aus dem Futteral und saß auf. Eigentlich hätte er jetzt auch den Tarnumhang von Professeur Faucon überstreifen und warten können, doch irgendwas sagte ihm, daß Beweglichkeit nun wichtiger als Unsichtbarkeit war. Dann sah er noch eine dieser Leuchterscheinungen, diesmal eine strahlendblaue wie ein klarer Sommermittagshimmel über dem Meer. Er stieß sich ab und nahm erst einmal Höhe. Der gigantische Torbogen erlaubte ihm, erst einmal problemlos fünfzig Meter und mehr aufzusteigen, ohne das der junge Zauberer Angst haben mußte, unter den sich bedrohlich wie erhaben über ihm erhebenden Rundbogen anzuschlagen. Jetzt konnte er die beiden Leuchtobjekte besser sehen. Eines klaffte in seiner Richtung auf und stieß eine Garbe Flammen aus, die in derselben Farbe und Helligkeit glühte wie das Ding selbst. Dabei ertönte erneut jenes Urweltgebrüll, das Julius aus seinen Überlegungen gerissen hatte. Er flog nun nach vorne los, passierte dabei die obersten Spitzen der aus weißem, spiegelglattem Material errichteten Gebäude. Es war kein Metall, wußte Julius. Es mußte eine kristallisierte Form von Stein sein, die hier verbaut worden war. Dann hörte er ein zweites Geräusch und erkannte, daß es von dem blauen Ungetüm stammte. Wie sein Geschwister schien es aus purem Feuer zu bestehen. Es schien? Julius wollte das nicht ausschließen, daß hier, in einer uralten Ansiedlung von Atlantis echte Feuerdämonen existierten, die aus beseeltem Feuer bestanden. Er hatte bei seinem Kampf gegen die Geschöpfe der Morgensternbrüder ähnliche Wesen gesehen, Feuerdschinnen. Also waren diese flammenden Phantome da vor ihm ähnliches Zauberwerk. Als er an einem weiteren Termitenbau-Gebäude vorbeiflog, hörte er ein leises Schaben. Dann hörte er ein tiefes Brummen wie von einer metergroßen Hornisse. Das durfte jetzt nicht sein, dachte er. Er riskierte einen Blick zurück und sah ein kugelförmiges Wesen oder Ding, das mattsilbern glänzte. Dann gewahrte der erste Besucher seit langer Zeit die ausfahrenden Stile, an deren Enden große, runde Augen saßen, die aus sich selbst heraus leuchteten. Flügel oder sonstige Flugorgane konnte Julius nicht sehen. Dennoch schwebte das kugelförmige Etwas in seine Richtung, nahm sogar Fahrt auf.

"Ein Betrachter", schoss es Julius durch den Kopf. In einer Kerker-Und-Drachen-Spielsitzung hatte ihr Spielleiter ein ähnliches Monster mit mehreren Dutzend Augen auf die Spieler losgelassen, das in alle Richtungen zugleich sehen und mit seinen Augen verschiedene Elementarzauber losschicken konnte, selbst jedoch gegen die meisten Angriffszauber immun war. Nur besondere magische Waffen, die die Spieler Irgendwo in einem dem Spiel den Namen gebenden Kerker gefunden hatten, konnten diese vieläugige Bestie zurückschlagen.

"Jetzt bin ich geliefert, wenn hier überall so Biester rumschwirren", dachte Julius. Immerhin konnte er das ihm folgende Kugelwesen auf Abstand halten. Doch jetzt näherten sich die beiden Flammenbiester. Hatte er nicht vorhin noch gedacht, die Sache ginge ganz ungefährlich über die Bühne? Nur in die Stadt rein, suchen, wo dieses alte Wissen verborgen lag und dann hoffen, daß er dabei auch die Rückwegformel lernte, weil ja der Ausflug sonst keinen Sinn machte, wenn Darxandria ihn nicht doch umbringen wollte. Doch genau danach sah es jetzt für ihn aus, als das rote Feuerwesen von rechts auf ihn zuraste. Er hatte wohl nur fünf Sekunden, um etwas wirksames zu zaubern. Er dachte daran, daß die Goldblütenhonigphiole mittelstufige Flüche aufheben und Schutzschild-Zauber verstärken konnte. Er riskierte es und hoffte, daß der eingenommene Wachhaltetrank dadurch nicht in einer Minute alle Wirkung einbüßte. Er hob den Zauberstab und rief eine Formel, die er zum ersten Mal in der Bilderwelt von Hogwarts benutzt hatte. Doch damals hatte er Hinter Aurora Dawns Bilderwelt-Ich auf einem Besen gesessen. Doch er mußte es tun. Denn das rote Feuerungetüm öffnete sein mit spitzen Flammenzähnen besetztes Maul. Da spannte sich um Julius und den Ganymed 10 eine durchsichtige Blase aus rosarotem Leuchten. Fauchend raste eine mehrere Dutzend Meter lange Stichflamme auf Julius zu und krachte dumpf und dann prasselnd in die erzeugte Energiesphäre. Gleichzeitig röhrte das Feuermonster wie eine Herde wütender Hirsche. Julius fühlte, wie der Aufprall der Stichflamme ihn für einen Moment erschöpfte. Doch sofort hielt der Trank dagegen und brachte ihm die volle Körperenergie zurück. Julius sah, wie das ihn gerade beharkende Geschöpf nach seinem Flammenschlag etwas zurückgewichen war. Nein, es war nicht zurückgewichen, sondern kleiner geworden. Offenbar war der abgeprellte Flammenschlag dem Ungetüm an die glutheiße Substanz gegangen. Doch erneut stieß es einen Flammenspeer in Julius' Richtung, traf die Energieblase, und die Flammengarbe zerplatzte laut prasselnd in hellrote Funken. Wieder erschien das Monster kleiner. Julius fühlte, wie der Trank erneut sein Wohlbefinden wiederherstellte. Wieviele Wirkungsstunden hatten die beiden Schläge gekostet? Dann kam das zweite Feuerwesen heran, immer noch so groß wie es wohl gemacht war. Julius legte es nicht darauf an, von zwei Seiten zugleich beharkt zu werden und spielte seine Quidditch-Erfahrung und die Wendigkeit des Ganymed aus. So doppelachserte er den zweiten Angreifer aus, ließ den ersten unter sich vorbeifauchen und versuchte, sich von den Monstern abzusetzen. Doch das rief nun das kugelförmige Wesen mit den vielen Augen auf den Plan. Laut heulend wie ein Propellerflugzeug im Sturzflug fegte das silberne Kugelwesen heran, dabei sprossen an der Julius zugewandten seite zehn lange Stiele mit leuchtenden Augen darauf heraus. Dann lösten sich blaue Blitze, grüne Flammenstöße und violette Wolken von der Kugelkreatur. Also war dieses Biest wahrhaftig mit den Betrachtern vergleichbar. Da krachten die ersten Zauber auch schon auf die immer noch bestehende Energieblase. Julius hörte es knallen, krachen, zischen und fauchen, fühlte jeden Treffer körperlich. Doch die Energieblase hielt zu seiner Verwunderung, und der Wachhaltetrank hielt ihn und sie in Form. Dann sah er etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Weil der nun rasend schnell dahinfligende Kugelkoloss, den Julius auf zehn Meter Durchmesser schätzte, nun ziemlich nahe hinter ihm alle Manöver mitflog, trafen die von der Blase abprallenden Zauber ihn selbst an den ausgefahrenen Augen ... und zerstörten diese dabei. Laut schrillend wie eine übertourte Werkssirene wirbelte die ballonartige Bestie im Kreis herum, schickte weitere Zauber gegen Julius aus und bekam diese als Abpraller zurück. Der Besucher dieser Stadt ging davon aus, daß das Monster gegen Zauberangriffe immun war. Aber er griff ja nicht an, sondern der Betrachter.

"Der kann seine eigenen Zauber nicht vertragen", erkannte Julius und bremste abrupt, so daß er eine weitere Salve verschiedenartiger Elementarzauber auf die rosarote Blase bekam, die dann, weil der Angreifer nicht mit dem Bremsmanöver gerechnet hatte schon weniger als fünf Meter heran war, mit voller Wucht den Absender selbst erwischte, der dann mit einem lauten Heulton an der Julius gerade zugekehrten Halbkugel kohlschwarz verfärbt wurde und zu qualmen begann. Dann sackte das Ungetüm durch und stürzte in die Tiefe. Noch einmal drehte es sich dabei im Kreis und feuerte Zauber ab, die jedoch weit an Julius vorbeischwirrten und statt dessen gegen die Gebäude krachten, die sie dann irgendwie verstärkt zurückwarfen und den Angreifer noch einmal voll erwischten. Da wurde das immer noch abstürzende Ungetüm glühend rot. Julius wandte schnell seinen Blick ab. Wenn das Monster gleich explodierte und dabei einen hellen Blitz losließ ... Da sah er, wie sich die beiden Feuerwesen von beiden Seiten zugleich auf ihn stürzten. Er handelte fast eine Sekunde zu spät, als er mit einem weiteren Doppelachsenmanöver im Rechten Winkel zur Flugbahn nach oben ausbrach. Die beiden Feuerungetüme krachten frontal ineinander. Es gab einen lauten, dumpfen Knall, gefolgt von einem Gefauch wie ein tieffliegender Düsenjäger, und beide Kreaturen barsten in einer einzigen violetten Flammenkugel auseinander.

"O Mann, ich sollte Kampfpilot werden", dachte Julius, nachdem er sich von dem Beinahezusammenstoß erholt hatte. Schnell blickte er sich um, ob nicht noch etwas oder jemand tief hinter ihm her war. Doch nun hatte er den Himmel für sich alleine. Unter ihm hauchte der kugelförmige Koloss gerade mit einem lauten Donnerschlag sein Dasein aus.

"Hoffentlich waren das die einzigen Biester hier", dachte Julius und flog nun sehr hoch, um möglichst viel Platz zu haben und so schnell er es sich zutraute in Richtung des höchsten Turmes, den er ausmachen konnte. Da hörte er ein Brausen, das aus mehreren Richtungen zugleich kam. Sehen konnte er jedoch nichts, und das machte ihm doch ein wenig Angst. Noch hatte er die rosarote Energieblase. Doch was immer da kam konnte sie zerstören. Dann fühlte er, wie etwas ihm Kraft absog, beziehungsweise immer stärker an der ihn umschließenden Blase aus Zauberkraft zerrte. Das Brausen war inzwischen zu einem lauten Fauchen und Heulen wie von einem tosenden Wirbelsturm geworden. Tatsächlich mochte es genau das sein, ein Sturmzauber, der von irgendwo auf ihn losgelassen worden war. Er befahl dem Besen, den Windabweisezauber freizusetzen. Doch das würde auf die magische Ausdauer des Ganymed gehen. Er hüllte sich noch in den Bergezauber ein, der ihn wie in einen unsichtbaren Pilotensitz mit Sicherheitsgurt sicher auf dem Besen hielt und nahm Kurs auf den Boden. Die aufgehetzten Luftmassen heulten und tosten, zerrten an der nun bedenklich sich verformenden Leuchtblase. Julius fragte sich, warum er immer noch nichts sah. Doch viel Zeit blieb ihm nicht. Er mußte entweder landen oder würde gleich seine Schutzsphäre verlieren und dann trotz Windabweisezauber ein Spielball der entfesselten Luftmassen sein. Er dachte an Luftelementargeister. Wenn es hier Feuerdämonen und Betrachter gab, dann gab es womöglich auch Wesen, die aus sich bewegender Luft bestanden, beseelter Wind. Ja, das mochten echte Sturmgeister sein, wie sie in den Märchenbüchern und alten Göttersagen vorkamen und aus allen vier Haupthimmelsrichtungen zuschlagen konnten. Doch meistens waren dabei auch Wolken im Spiel. Hier nicht. Julius Andrews fühlte die aufkommende Panik. "Was mich stört verschwinde! Mein Geist herrscht über meine Gefühle. Mein Geist herrscht über meinen Körper", dachte er so konzentriert wie möglich, während er nichts anderes tun konnte, als eine weitere Errungenschaft des Ganymed 10 zu benutzen, den Notlandezauber. So sauste der Besen bis auf fünfzig Meter über Grund in die Tiefe, bevor er beinahe federleicht nach unten sank, bis Julius wieder den weichen glitzernden Straßenbelag unter den Füßen hatte. Sofort wurde die rosarote Blase zu einer nun wieder sehr festen Kuppel, während sich die unsichtbaren Luftmassen immer noch daran austobten. Julius überlegte, wie man Luftgeister zurückschlagen konnte. Ein überlegener Erdzauber könnte dies schaffen oder ein gleichwertiger, aber entgegenwirkender Luftzauber. Welche guten Erdzauber kannte und konnte er? Er konnte Steine aufweichen oder andere Materialien erhärten lassen, Erdspalten erschaffen oder lockeren Humus aus dem Zauberstab erschaffen, Steinkugeln verschießen oder ein schwaches und räumlich begrenztes Erdbeben erzeugen. Dann fiel ihm der Zauber wieder ein, mit dem er und Jane Porter damals in Columbus im US-Bundesstaat Ohio fast erledigt worden wären. Doch dazu mußte er die Energieblase auflösen, weil sie sonst womöglich unkontrolliert zerplatzt wäre. Er warf sich flach auf den Boden, sprach leise die Formel, die die Energieblase kontrolliert abbaute und ihm sogar noch etwas von der sie erhaltenden Kraft zurückführte und rief in dem Moment, als er diese aufputschende Kraft fühlte: "Elementa Recalmata!" Über ihm entstanden für genau anderthalb sekunden graue Dunstwolken, die sich rasend schnell im Kreis drehten und dann mit lautem Hui ineinanderfuhren. Dann war es plötzlich totenstill. Julius fühlte, wie aus seinem Körper die gesamte Kraft wie von einem Vampir ausgesaugt entwichen war. Er sah rote Schlierenmuster vor den Augen. Dann flossen ihm durch den Wachhaltetrank die verlorengegangenen Kräfte zurück. Doch wieviele Wirkungsstunden hatte diese Aktion jetzt aufgefressen? Immerhin hatte er den über ihm tobenden Sturm für einige Sekunden, aus denen dann doch eine Minute und dann zwei Minuten wurden, aufgehoben.

"Ich weiß bis heute nicht, wie der nette Strafverfolgungszauberer heißt, der meine Feuermauer mit dem Zauber eingerissen hat", dachte Julius schmunzelnd, während sein Herz sich langsam wieder auf Ruhepuls einregelte. Dann fühlte er noch etwas. Daran hatte er nicht gedacht. Sein Herzanhänger unter dem Unterhemd! Er pulsierte immer noch! Die Verbindung mit seinem Gegenstück an Millies Körper stand noch!

"Ich tue mich erst mal tarnen", dachte sich Julius und steckte den Besen wieder in das Futteral zurück. Dann entfaltete er den Tarnumhang und warf ihn sich über. Nun völlig unsichtbar zog er den Herzanhänger hervor, wobei er immer noch lauschte, ob nicht von irgendwoher was neues anrückte. Er legte sich das rote Herz an die Stirn und dachte laut:

"Millie, hörst du mich?"

 

__________

 

"Oh, Madame Rossignol. Was kann ich für Sie tun?" klang Mildrid Latierres Stimme aus Madame Rossignols silbernem Armband, während die räumliche Abbildung der soeben angerufenen frei vor den beiden Hexen stand.

"Nun, eine Frage, Mademoiselle, ich habe die Verbindung zu Julius Andrews' Pflegehelferschlüssel verloren. Trägst du noch diesen roten Herzanhänger?" Fragte die Schulheilerin von Beauxbatons.

"Natürlich, Madame. Ich fühle es immer, ob Julius beruhigt ist oder sich aufregt. Er kriegt das genauso mit."

"Ist das gerade immer noch so?" Fragte die Heilerin.

"Interessant, daß Sie mich ausgerechnet jetzt fragen. Gerade eben muß er sehr aufgeregt gewesen sein. Womöglich hatte er sogar Angst. Öhm, wo ist er denn?" Fragte Mildrid besorgt.

"Das wissen wir nicht", grummelte Professeur Faucon. Millie blickte sie an, als könne sie sie nicht richtig sehen. Madame Rossignol winkte der Lehrerin, etwas näher zu ihr hinzutreten. Jetzt konnte Millies räumliches Abbild ihr direkt in die Augen sehen. "Ich mußte Julius wegen einer Sache, die wir beide schon vor Monaten besprochen haben, an einen mir unbekannten Ort reisen lassen. Dabei ist die Armbandverbindung verlorengegangen. Offenbar ist er in weiter Entfernung oder an einem gegen Ortungszauber abgeschirmten Ort angekommen. Er hatte Angst, sagten Sie, Mademoiselle?" Fragte sie zum Schluß mit besorgter Miene.

"Ist das wieder eine von diesen Geheimsachen, die er mir nicht erzählen durfte?" Fragte Mildrid aufsässig zurück.

"Beantworten Sie mir gefälligst die Frage, die ich Ihnen stellte!" Schnarrte Professeur Faucon.

"Öhm, ich fühlte das so, als wenn er Angst hatte oder vor irgendwem weglaufen mußte."

"Ich bin gezwungen, Ihnen etwas zu erklären, was ich als Lehrerin sehr ungern verrate und hoffe, daß Sie doch etwas von dem Verantwortungsbewußtsein Ihrer Mutter und Schwester besitzen, Mademoiselle Latierre", setzte die Verwandlungslehrerin von Beauxbatons an. "Diese Anhänger bilden nicht nur eine magische Brücke für Gefühle und körperliches Befinden, sondern sie können auch eine worthafte Gedankenverbindung zwischen ihren Trägern herstellen. Das ist ähnlich wie eine geistige Zauberkunst, die als Mentiloquismus bezeichnet wird." Mildrids Abbild sah sie leicht lächelnd an und fragte dann, ob sie damit Julius Gedankenbotschaften zuschicken konnte.

"Nun, nachdem, was ich über diese Anhänger weiß, geht dies bei sich ehrlich verbundenen magischen Liebespaaren oder Eheleuten, die bereits ... na ja, dem körperlichen Beisammensein zugesprochen haben", antwortete Madame Faucon mit geröteten Ohren. Mildrid sah sie schalkhaft grinsend an. Da sah Madame Faucon die Pflegehelferin und von ihr selbst nicht gerade erwünschte Freundin von Julius Andrews sehr streng an. Darauf verschwand das Grinsen beinahe. "Die lage ist zu ernst, um sich darüber lustig zu machen, Mademoiselle Latierre", fauchte sie verärgert. "Auch wenn ich dies ungern verrate, zumal ich nicht weiß, ob diese Zusatzwirkung Ihres Schmuckstückes in Beauxbatons selbst hervorgerufen werden kann oder nicht, möchte ich Ihnen, um unsere letzte Chance zu ergreifen, mit Ihrem ... auf obskure Weise ... Verlobten ... ich meine, es kann Ihnen nur sehr gelegen sein, die Verbindung mit Julius Andrews wieder herzustellen. Legen Sie hierzu ihren Teil des halbierten Schmuckstückes an die Stirn und denken Sie so konzentriert es geht an Julius Andrews. Wenn Sie etwas wie einen Nachhall in ihrem Kopf empfinden haben Sie ihn erreicht."

"Genial", erwiderte Mildrid nun wieder breit grinsend.

"Es versteht sich von selbst, daß Sie dann, wenn Sie diese Verbindung benutzen können, keinen Mißbrauch damit betreiben, Mademoiselle", wies Madame Faucon die Schülerin zurecht.

"Mißbrauch womit?" Fragte Mildrid herausfordernd.

"Daß Sie beide sich beispielsweise in unanständigen Dialogen ergehen, also unzüchtige Gespräche führen, die nicht mitgehört werden können oder sich gegenseitig während Unterrichtsstunden oder Zwischenprüfungen Lösungsansetze zuspielen. Also, probieren Sie bitte aus, was ich Ihnen gerade gesagt habe!"

Mildrids Abbild fischte mit der rechten Hand unter das meergrüne Nachthemd, - sie war ja noch nicht aufgestanden - und förderte die von ihr getragene Hälfte des roten Zauberherzens an seiner Kette zu Tage. Sie legte sich Hin, was ihr Abbild nun nicht aufrecht sitzend, sondern frei im Raum liegend zeigte und drückte sich das Schmuckstück an die Stirn. Nach zehn Sekunden sagte sie: "Hmm, ich habe keinen Nachhall in meinem Kopf gehört, Madame." Ihr Gesicht wirkte nun sorgenvoll, obwohl nun Madame Rossignol und Madame Faucon sehen konnten, daß der Anhänger pulsierte, erst ziemlich schnell, dann immer ruhiger und gleichmäßig. Dann zuckte es in Mildrids Gesicht, und sie strahlte überglücklich. "Jetzt habe ich Kontakt. Er denkt mir was zurück."

"Gut, fragen Sie ihn sofort, wo er jetzt ist und warum er Angst hatte!" Befahl Madame Faucon. Mildrid konzentrierte sich. Dann sagte sie:

"Er ist in einer Stadt gelandet, von der er häufig geträumt hat, Madame Faucon. Allerdings mußte er mit seinem Besen vor Feuerwesen wegfliegen und hat so'ne kugelförmige Kreatur abgehängt, die er Betrachter nannte."

"Kugelförmige Kreatur?" Fragte Madame Faucon sichtlich aufgeregt. "Hatte sie viele ausfahrbare Stielaugen?"

"Moment, frage ich ihn", erwiderte Mildrid.

"Genau das ist ein Betrachter, Blanche", wisperte Madame Rossignol. "Ich hatte genug muggelstämmige Patienten hier, die mir was von magischen Ungeheuern in ihren Phantasiespielen erzählt haben. Demnach ist ein Betrachter ein vieläugiges, fliegendes Geschöpf das gegen Angriffszaubereien gefeit sein soll und ..."

"Ja, das war ein kugelförmiges Monstrum mit mehreren ausfahrbaren, leuchtenden Augen, die aus sich heraus Elementarzauber losjagen konnten. Er hat einen Schutzzauber gewirkt, den er Amniosphaera nennt, der alle ihn treffenden Zauber auf das Geschöpf zurückgeworfen hat und es damit selbst erledigt hat."

"Blanche, das zehrt ihn aus", knurrte Madame Rossignol. Da sagte Mildrid::

"Julius hat gefragt, ob ich mit Madame Rossignol spreche oder mit Ihnen, Madame Faucon. Falls ich mit Ihnen spreche", wobei sie Madame Faucon freundlich ansah, "möchte er sich noch mal für den Wachhaltetrank bedanken, den Sie ihm gegeben haben."

"Das war selbstverständlich", erwiderte Madame Faucon erleichtert und nickte Madame Rossignol zu, die sie abbittend ansah.

"Fragen Sie ihn, wo er jetzt hingehen will! Wenn es jene Stadt ist, von der er mir und Madame Rossignol erzählt hat, kennt er sie schon gut genug", wandte Madame Faucon ein.

"Er will zu dem Turm hin, denkt er mir zu, Madame", antwortete Mildrid. "Sie wüßten schon welchen er meint."

"Gut. Er soll auf der Hut vor weiteren Wächtern sein. Diese Myriaklopen sind sehr gefährliche und beinahe unüberwindliche Kreaturen. Teilen Sie ihm Mit, er möge bei einer neuerlichen Konfrontation mit diesen Wesen nicht die schützende Blase wirken, sondern Novalunux!"

"Er weiß, wie der Zauber geht?" Fragte Mildrid.

"Ja, ich habe ihn ihm beigebracht", schnarrte Madame Faucon. Mildrid nickte und konzentrierte sich wieder.

"Er hat was von Luftelementarwesen oder Sturmzaubern erzählt, die er mit einem Zauber namens Elementa Recalmata abgeschmettert hat. Jetzt will er zu diesem Turm hinfliegen. Wollen Sie mir nicht erzählen, was das für eine geheime Sache ist, Professeur Faucon?"

"Nein, das will und das werde ich nicht", knurrte Madame Faucon. Dann erkannte sie, daß sie ihre Geheimhaltung ja gerade nutzlos gemacht hatte. Sie schnaufte einmal. Dann sagte sie: "Nun, jetzt könnte Monsieur Andrews, nachdem ich Ihnen beiden nolens volens eine praktische Verständigungsform offenbart habe jederzeit alles ausplaudern. Kleiden Sie sich tagesfertig an und reisen Sie mit Flohpulver in das Foyer von Madame Maxime.Dort werden Madame Rossignol und ich Sie in zehn Minuten erwarten."

"Wie Sie meinen, Madame Faucon. Aber meine Eltern könnten der Ansicht sein, ebenfalls mehr zu erfahren, wenn ich mal soeben von Ihnen nach Beauxbatons ... Moment, Julius ist jetzt wieder unterwegs. Die Verbindung geht im Moment nicht, weil er das Herz nicht in der Hand oder sonst wo halten kann. Vielleicht meldet er sich wieder. Ich komme dann in zehn Minuten. Hoffentlich läßt Madame Maxime mich auch zu ihr rein."

"Das werden wir umgehend klären", knurrte Madame Rossignol. Dann beendete sie die Verbindung.

"Nun, ergibt sich doch daraus eine treffliche Gelegenheit, mich ebenfalls auf den neusten Stand der Dinge zu bringen, Blanche", schnarrte Florence Rossignol. Die Lehrerin nickte schwerfällig. Hoffentlich war Madame Maxime gnädig genug gestimmt, ihr nicht den Hals umzudrehen oder sie fristlos zu entlassen, wenn sie ihr in den nächsten Minuten die neuste Entwicklung der Dinge beichtete.

 

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"Monju, ich versuche schon seit ein paar Sekunden, dich zu erreichen", hörte Julius Millies erleichtert klingende Gedankenstimme. "Du glaubst es nicht. Königin Blanche hat mir freiwillig verraten, wie wir mit den Herzen Mentiloquieren können."

"Das geht jetzt wohl auch nur, weil ich meinen Anhänger an die Stirn gedrückt halte, Millie. Das potenziert die Wirkung wohl."

"Hat Königin Blanche dich losgeschickt? Sie will wissen, was dir eben solche Angst gemacht oder dich aufgeregt hat."

"Ich bin in der Stadt gelandet, von der ich geträumt habe, Millie. Dann wollte ich erst einmal kucken, ob sie so ist, wie ich sie aus den Träumen kenne. Da kamen mir zwei Feuerwesen entgegen. Ich mußte fliegen. Dabei stieg aus einem der Bauten hier ein Betrachter auf, ein kugelförmiges Monster", schickte Julius zurück, der seinen Herzanhänger wohlig warm an seiner Stirn pulsieren fühlte, er spürte dadurch beinahe die Erleichterung, die seine Freundin ergriffen hatte. Als er gefragt wurde, was er mit einem Betrachter meine und ob dieses Wesen viele ausfahrbare Stielaugen besessen habe schickte er zurück:

"Achso, den Begriff kennt man in der echten zaubererwelt wohl nicht. Ja, das war ein kugelförmiges Monster, so um die zehn Meter im Durchmesser, das sehr viele Stielaugen hatte, aus denen es Elementarzauber aller Art abfeuern konnte. Ich habe wegen dieses Biests und der beiden Flammenmonster einen Schutzzauber namens Amniosphaera benutzt, um gegen Elementarkräfte geschützt zu sein. Die Feuerbiester habe ich durch den Dawn'schen Doppelachser ineinanderkrachen lassen, und das vieläugige Monster hat mir seine ganzen Zauber übergebraten, die von der Blase abgeprallt und zu ihm zurückgeflogen sind. Damit hat es sich dann selbst zerbröselt."

"Madame Rossignol ist mit deiner Saalkönigin zusammen. Die Rossignol hat Königin Blanche gerade ziemlich strafend angeguckt, als ich ihnen das mit dem Amniozauber erzählt habe", erklang Millies leicht belustigte Stimme in seinem Kopf.

"Okay, sage Madame Faucon bitte schön, daß ich mich sehr dafür bedanke, daß sie mir den Wachhaltetrank gegeben hat, bevor ich von ihr weggereist bin!"

"Geht klar", antwortete Millie. Nach einigen Sekunden schickte sie zurück: "Jetzt hat Madame Rossignol deine Saalkönigin sehr abbittend angekuckt. Außerdem soll ich dir ausrichten, daß du gegen diese vieläugigen Kugelbiester, die Königin Blanche Myriaklopen genannt hat, nicht mehr Anmiosphaera sondern Novalunux benutzen sollst, was immer der macht."

"Der erzeugt eine Kugel aus Neumondlicht, Millie. Da der Neumond ja dunkel ist ist das eine schwarze Kugel. Ich mußte aber nicht nur Feuerwesen abwehren, sondern auch unsichtbare Luftgeister oder einen heftigen Wirbelsturmzauber. Ich mußte landen und habe den mit Elementa Recalmata zerstreuen können, was mich aber ziemlich ausgepumpt hat, bevor der Trank das wieder weggemacht hat."

"Wo willst du genau hin?" Fragte Millie.

"Sage den beiden Damen, ich fliege jetzt zu dem Turm. Sie wüßten schon welchen ich Meine, Millie!"

"Können wir weiter in Verbindung bleiben?"

"Denke nicht, weil ich das Herz nicht an die Stirn drücken kann, Millie. Aber wenn die Verbindung nicht komplett abreist melde ich mich wieder."

"Ich soll zu Madame Maxime hin, Julius. Man geruht, mich offiziell in dieses Geheimnis von dir einzuweihen", ertönte Millies leicht spöttisch klingende Gedankenstimme.

"Oh, dann pass aber auf, daß Madame Maxime dir keinen Vergessenstrank oder sowas unterjubelt, wenn ich wieder zurückkomme", sagte Julius.

"Ich nehme meine Eltern mit. Ist Catherine Brickston zu Hause?"

"Ja, ist sie noch. Sie sitzt aber wohl bei meiner Mutter im Wohnzimmer."

"Gut, dann kriege ich das hin, daß die auch hinkommt", mentiloquierte Millie. "Pass ja auf dich auf, Monju!"

"Ich möchte dich auch wiedersehen", antwortete Julius darauf. Dann verbarg er sein rotes Schmuckstück wieder unter dem Unterhemd. Er fühlte sich unendlich leichter, weil er es geschafft hatte, mit jemanden Verbindung zu halten. Womöglich war die Armbandverbindung unterbrochen worden, was Schwester Florence bestimmt ziemlich fuchsig gemacht hatte. Julius verdrängte die Schadenfreude. Er mußte zum Turm. Er wollte gerade den Tarnumhang loswerden, als er ein ihm schon unangenehm vertrautes Gebrumm von vorne hörte. Ja, da kam schon wieder eine dieser vieläugigen Monsterkugeln auf ihn zugesurrt. Womit flog dieses Biest, wenn es keine Flügel hatte? Warum brummte es dabei wie eine metergroße Hornisse? Das war doch jetzt völlig unwichtig, verjagte Julius seine Neugier. Entweder mußte er sofort den Schutzblasenzauber aufrufen oder hoffen, daß Novalunux tatsächlich gegen diese Ungeheuer besser wirkte. Da kam die Ballonbestie an. Offenbar konnten ihre immer wieder hier und da ausfahrenden Stielaugen ihn nicht sehen, solange er unter dem Tarnumhang lag. Er betrachtete den ständig seine unzähligen Augen ausfahrenden Betrachter einige Sekunden lang. Vielleicht flog er ja über ihn weg und ... Nein, das Monster fuhr gerade ein Auge an seinem untersten Scheitelpunkt aus, das bläulich flackerte wie ein übertourtes Warnlicht. Gleichzeitig fühlte Julius, wie sein Tarnumhang vibrierte und dann immer schwerer auf ihm lag. Dann sah er um sich herum jenes bläuliche Leuchten, das der Betrachter aussandte und Begriff, daß das Monster einen Enttarnzauber auf ihn richtete und ihn jetzt wohl locker anvisieren konnte. Er riss den Zauberstab hoch, als drei weitere Stielaugen an der Unterseite des Kugelkörpers herausschossen. "Novalunux Amplifico!" Rief er, als der Tarnumhang nun schwer wie ein nasser Sack auf ihm lastete. Über ihm baute sich eine pechschwarze Kugel auf, die so groß wie er selbst sein mochte. Er fühlte, wie der verstärkte Zauber ihn etwas auszehrte. Doch sofort hielt der Wachhaltetrank dagegen. Die Auszehrung war auch nicht so heftig wie im Schutz der magischen Leuchtblase, empfand Julius Andrews. Da fauchten drei unterschiedlich gefärbte Entladungen aus den auf ihn zielenden Augen, eine rote Flammengarbe, ein blauer Blitz und ein schwefelgelber Gasstrahl. Alle drei Zauber trafen die schwarze Kugel über Julius. Er fühlte keine Wechselwirkung. Doch er sah, wie die Kugel eingedrückt und zu einer immer breiteren und flacheren Schale umgeformt wurde. Dabei geriet auch das blaue Enttarnflackern in die Zone tiefer Schwärze. Nun konnte Julius den Betrachterselbst nicht mehr sehen, und sein Umhang lag wieder luftig und fließend über ihm. Es fauchte und krachte, ohne das der Jungzauberer eine Wechselwirkung fühlte. Er sah jedoch, wie die schwarze Schale sich unvermittelt in eine halbdurchsichtige Kugel verwandelte, die den Angreifer einhüllte. Wie von schwarzem leicht angerußtem Glas eingefaßt hing der vieläugige Kugelkörper des Betrachters nun etwa zwanzig Meter über Julius' Kopf. Er sah, wie eine Salve verschiedener Zauber in die gezauberte Kugelschale einschlug und von dieser wie von einem Hohlspiegel zurückgeworfen wurde. Mit Triumph und Erstaunen beobachtete Julius, wie das eingeschlossene Ungeheuer wie wild rotierte und dabei mehr und mehr Zauberfeuer, Blitze und Gasattacken in die es fest umschließende Kugelschale schickte, die jedoch alle auf den Angreifer zurückgeschleudert wurden, der dadurch immer weiter zusammenschrumpfte, aufglühte und dann wie ein kaputter Fernseher implodierte. Die Kugelschale lief unvermittelt pechschwarz an. Das bewahrte Julius wohl vor einem blendenden Blitz. Er hörte einen dumpfen Donnerschlag und sah, wie die Kugel heftig erzitterte, um dann mit lautem Fauchen in sich zusammenzufallen und restlos zu verschwinden, ohne eine Spur des von ihr umschlossenen Monsters zu hinterlassen.

"Jetzt aber zum Turm, bevor mich noch welche am Boden angreifen", knurrte Julius und warf den Tarnumhang ab. Nachher kamen noch fünfzig Betrachter zur Trauerfeier, dachte der Besucher dieser Stadt und flog im Katapultstart los. Hoffentlich hatte er die Sturmgeister wirklich erledigt oder für etwas mehr als fünf Minuten KO gezaubert. Im Höllentempo von über dreihundert Stundenkilometern raste er zwischen den Termitenbau-Häusern durch. Sollte er mal versuchen, in eines dieser Gebäude reinzukommen? Er konnte weder Türen noch Fenster sehen. Nein, er wollte zum Turm. Das mußte doch was bedeuten, daß er immer wieder von dem geträumt hatte, wenn er von Darxandria in diese Stadt geholt worden war. Unterwegs schnellte aus der Spitze eines solchen Bauwerks eine drei Meter breite Wasserfontäne empor, bis sie sich mit lautem Schwappen von der Gebäudespitze löste und zu einer mindestens zwanzig Meter großen Kugel wurde, die das Licht der Himmelskuppel vollkommen spigelte und mit wellenförmigen Bewegungen von vorne auf Julius zutrieb. Er brach nach rechts aus, doppelachserte dann nach unten, dann nach links und unterquerte die Kugel mühelos, die nun laut pfeifend haarfeine Wasserstrahlen wie meterlange Dornen austrieb. Beinahe hätte Julius ein solcher Wasserstrahl erwischt. Er tauchte nach unten ab. Der magische Riesenwassertropfen, wohl auch ein höherer Elementargeist, ließ sich durchsacken und zog sich zusammen, um seine scharf gebündelten, wohl unter sehr hohem Druck stehenden Strahlen auszusenden. Julius überlegte kurz, ob er die Blase wirken sollte. Da war er aus der Zone der ihn bedrohenden Strahlen heraus. Doch mit lautem Klatsch löste sich das aus Wasser bestehende Gebilde auf und bekam mit einem anderen lauten Klatschen keine hundert Meter vor dem Besenreiter wieder Gestalt. Wieder fuhren pfeifend die haarfeinen Strahlenbündel auf ihn zu. Er konnte sich gerade unter zwei ihm geltender Strahlen durchrollen und sich absinken lassen. Das gigantische Geschöpf aus purem Wasser und es zusammenhaltender Magie ließ sich rauschend in die Tiefe fallen. Julius wußte, daß er das Monstrum nicht ausmanövrieren konnte. Es konnte apparieren oder die flüssige Körpermaterie einfach an einem andren Ort neu zusammenballen, wenn es wußte, wohin sein ausgesuchtes Opfer sich bewegte. Dann brachte das Wassertropfenungeheuer einen weiteren Trick. Es zerfiel in zwei und dann in vier kleinere Wassertropfenwesen, die jedoch wie anschwellende Ballons anwuchsen und Julius nun von verschiedenen Seiten bedrängten. Er riss den Zauberstab hoch und rief: "Repetitio Amniosphaera!" Mit einem lauten Knacklaut umfing ihn übergangslos die rosarote Energieblase und zerstreute die nun auftreffenden Wasserstrahlen zu feinem Sprühregen. Julius fühlte, welche Wucht oder Schärfe diese Strahlen besitzen mußten, weil es ihn immer wieder auslaugte, bevor der eingenommene Trank dagegenhielt. Die Wassermonster stellten den Wasserlaserbeschuß erst ein, als der von den zerstreuten Strahlen erzeugte Sprühregen auf sie selbst zurückfiel. Dann bliesen sie sich wieder zur vollen Größe auf und flogen auf Julius zu. Dieser tauchte mit dem Ganymed 10 unter dem nächsten Angreifer durch, und brachte einen anderen Bau zwischen sich und den zweiten Wassertropfen-Koloss. Dieser war wohl nicht so wendig wie es bei seiner hohen Geschwindigkeit erforderlich gewesen wäre und klatschte laut gegen den bau, prallte wie ein gut aufgepumpter Ball davon ab und klatschte in einen seiner Kameraden und Artgenossen hinein, wobei die beiden sich laut plätschernd in unzusammenhängende Wassermassen auflösten, die wie ein schlagartig auslaufendes Schwimmbecken auf die Straße regneten und dort für einige Sekunden eine zehn Zentimeter hohe Flutwelle erzeugten. Dann kam Wassertropfenmonster Nummer eins wieder heran. Julius tanzte es mit der Dawn'schen Doppelachse aus und schüttelte es ab. Es pfiff ihm zwar eine Zehnersalve gebündelter Wasserstrahlen nach, die jedoch prasselnd von der rosaroten Schutzblase abperlten. Einer der Strahlen verfehlte die Energiesphäre jedoch und traf sirrend auf ein Gebäude, wobei er in einer Sekunde mehrere Zentimeter tief eindrang.

"Ui", konnte Julius nur dazu sagen, als der zweite noch fliegende Angreifer von oben über ihn herabstürzte, wobei sich ein silberner Saugrüssel wie eine Wasserhose herabsenkte, der Julius und die gerade drei Meter durchmessende Schutzblase locker einschließen konnte. Julius fühlte, wie der Sog die Blase nach oben hin verzerrte. Wenn sie riss würde er in der nächsten Sekunde in den umgekehrten Strudel hineingezogen und wohl im Innern des flüssigen Ungeheuers ertrinken oder von den beweglichen Wassermassen zerdrückt werden. Er dachte an den Zeitpacktzauber. Der konnte ihn bestimmt retten. Doch die Nebenwirkungen wären ziemlich heftig. Dann fiel ihm noch etwas ein, daß Madame Faucon ihm damals in der Blitzschulung für den Einsatz in Slytherins Galerie mitgegeben hatte. Die Blase konnte einen Elementarzauber zur Zerstreuung bestimmter Elemente aufnehmen, der dann fünf volle Sekunden vorhielt. So dachte er konzentriert die Gegenformel für den Magnacohesius-Zauber, mit dem magisch verstärkte Wassertropfen aufgelöst werden konnten. Die Blase leuchtete unvermittelt in einem silbernen Licht, das aussah wie darin herumwirbelnde Wassertropfen. Der Jungzauberer sezte alles darauf, daß der Zauber wirkte und flog nun in voller Absicht in den Saugtrichter hinein. Als die wirbelnden Wassermassen die veränderte Blase trafen zersprühten sie unvermittelt wie davonschießende Fontänen. Gleichzeitig wackelte das Ungeheuer über ihm und beulte sich an verschiedenen Stellen ein. Dann traf Julius den Körper der flüssigen Kreatur, der dann mit lautem Prasseln aufriss und sich in Form armdicker Wasserstrahlen an der Schutzblase vorbei nach unten ergoss, während das Ungetüm auseinandergezogen wurde und dann mit lautem Tosen in Millionen kleinerer Wassermassen zerfiel, die von der Blase abgelenkt und weiter zerstreut wurden und nun als magielose Wasserfluten zur Erde hinabfielen. Es dauerte keine zwei Sekunden, da war Julius aus der Zone des behexten Wassers heraus und frei. Noch leuchtete die Blase silbrig. Er hatte wohl noch zwei Sekunden zeit. So nahm er Kurs auf den noch fliegenden Angreifer und rammte ihn. Wenn die Blase nicht überlaute Geräusche gedämpft hätte hätte Julius sicher sein Gehör eingebüßt, als erst ein scharfer Knall und dann dasselbe Tosen wie von einem mächtigen Wasserfall erklang. In diesem Moment löste sich die Blase aus magischer Energie auf. Doch Julius war außer Gefahr. Denn die zerstreuten Wassermassen rauschten nun unter ihm zu Boden. Womöglich würde die Tonnenlast einige der Gebäude in Mitleidenschaft ziehen, vielleicht auch die Straßen beschädigen. Doch das war nicht seine Schuld. Er riss den Besen herum und peilte den Turm an, der wie ein senkrecht stehender, borstenloser Regenwurm in die Höhe ragte.

"Feuer, Wasser und Luft haben wir jetzt gehabt. Auf einen Kampf mit einem Erdelementarmonster lasse ich mich jetzt nicht mehr ein", dachte Julius und hielt Kurs, immer lauschend, ob es irgendwo brummte, rauschte oder toste. Womöglich hatten die magischen Wächter von Khalakatan noch nicht alles Pulver verschossen. Aber warum versuchten sie, ihn zu töten, wenn er doch herkommen sollte, um nach Wissen zu suchen? Dumme Frage, schlaue Antwort: Weil in dieser Stadt bestimmt auch mächtige Schwarzmagier am Werk waren, die eben nicht wollten, daß jemand Darxandrias Erbe antrat. Aber warum griffen dann nicht wirklich mächtige Kreaturen an wie Dementoren oder Chimären?

Er flog mehr als fünfhundert Meter über dem Boden dahin. Zwischendurch vermeinte er, graue Gestalten wie steinerne Riesen nach oben starren zu sehen. Womöglich waren das die von ihm noch vermuteten Erdelementarkreaturen. Er dachte sogar an diese Skyllianri, von denen es hier vielleicht welche geben konnte. Doch er wollte sich jetzt nicht mehr ins Bockshorn jagen lassen. Da vorne stand der Turm. Und wenn der nicht noch ein paar unfreundliche Wächter parat hatte würde er ihn gleich erreichen. Dann war er keine hundert Meter mehr davon entfernt und bremste mit dem besonderen Bremszauber des Ganymed von über zweihundert Stundenkilometern auf knapp zwanzig ab, dann ließ er den Besen in waagerechter Fluglage absinken, bis er knapp vor dem mehrere Kilometer umfassenden Sockel des Turmes landete. Er fühlte, wie er dabei in eine art elektrisches Feld eindrang, das seinen Besen vibrieren ließ und ihn erwärmte. Ihm War sogar, als söge etwas dem Fluggerät Kraft ab. Denn die letzten zehn Meter schlingerte der Ganymed bedenklich. Julius rief den Notlandezauber auf, der den Besen gerade so noch sicher landen ließ. Doch dann lag der Ganymed wie ein gewöhnliches Stück Holz auf dem goldenen Boden, der wie eine glatte Gummimatte auf ihn wirkte.

"Soviel zum reinfliegen", dachte Julius. Er betrachtete den Turmsockel. Doch sein Blickfeld reichte nicht aus, auch nur die sanfte Krümmung zu erkennen, die der runde Sockel besaß. Denn bei diesem Durchmesser konnte wohl jemand einen ganzen Zollstock locker an die Wand anlegen, ohne zu merken, daß diese eigentlich kreisrund war.

"In echt siehst du noch überlegener aus", dachte Julius an die Adresse des Turmes. Hoffentlich konnte der keine Gedanken lesen oder etwas in ihm. Apropos Gedankn lesen. Julius steckte den im Moment wohl nutzlosen Besen zurück in seine Drachenhauthülle und holte den Herzanhänger hervor. Dieser pulsierte immer noch. Er drückte ihn an seine Stirn und dachte an Millie. Doch diesmal bekam er keinen Kontakt, nur ein verzerrtes Nachschwingen seiner Gedanken. Hatte sie nicht mentiloquiert, daß sie nach Beauxbatons solle. Dann hatten die sich gerade ein Eigentor fabriziert, dachte er verärgert. Denn wenn die Melosperre von Beauxbatons und die hier wohl auch wirkenden Dämpfungszauber zusammenwirkten, konnte selbst die potenzierte Verbindung der Herzanhänger nichts dagegen machen, Besonders wenn es zwei unterschiedliche Zauber waren, auf die sich die Herzen dann eh nicht zeitgleich einstellen konnten.

 

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Das Kleid hatte dieselbe Farbe wie ihr Nachthemd, als Mildrid Latierre tatsächlich innerhalb von zehn Minuten aus dem Kamin purzelte, der an einer von Sechs Wänden angebracht war. Sie sah sich um. Martine hatte ihr dieses Ankunftsvoyer oft genug beschrieben. Da war der große Globus, der die tatsächlich aus dem All sichtbare Erde abbildete, das große Bild mit der Wiesenlandschaft, die nun unter einer rotgoldenen Morgensonne lag, die Standuhren und andere Zeitmesser, sowie die Bronzetür, auf der nach Martines Deutung "Arbeit und Erholung" in Runenschrift stand. Der massive Schrank erinnerte sie an die Verschwindeschränke, die ihr Haus mit dem Château Tournesol und dem Latierrehof und einigen anderen Orten verbanden. Doch wohin mochte dieser Schrank führen, wenn es ein solcher war?

Wir werden erwartet, Mademoiselle Latierre", begrüßte Professeur Faucon die junge Hexe. Sie stand unter dem Wiesenlandschaftsbild, über dem auf halber Höhe des Raumes eine Statue von Viviane Eauvive auf einem Simbs stand. Madame Rossignol wartete vor dem Schrank, über dem eine Nachbildung von Serena Delurdes in weißer Tracht mit Trankflasche und Zauberstab aufgestellt war. Durch die Bronzetüren, über denen der in rotem Umhang und violettem Spitzhut dargestellte Donatus vom weißen Turm wachte, ging es durch einen hufeisenförmigen Gang an mehreren Türen vorbei zum Sprechzimmer Madame Maximes. Millie stand vor der Tür in Habachtstellung, als Madame Maxime sie von oben her ansah. Diese rümpfte zwar die Nase, was Millie bestimmt nicht auf ihr aufgelegtes Parfüm bezog und sagte dann halblaut aber bedrohlich:

"Kommen Sie herein, Mademoiselle Latierre. Es ist zwar nicht unbedingt mein Wunsch, Sie oder sonst einen weiteren Schüler mit der Information zu betrauen, die Sie von Professeur Faucon verlangt haben, aber sie und Madame Rossignol haben mich überzeugt, daß es besser sei, jemanden aus dem unmittelbaren Kreis der Vertrauten von Julius Andrews in etwas einzuweihen, daß mir persönlich oft Kopfzerbrechen bereitet hat." Mildrid begrüßte die Schulleiterin artiger als sie sonst auftrat und betrat das Sprechzimmer. Dort setzte sich Madame Maxime auf ihren extragroßen Lehnstuhl, der mit Federkissen gepolstert war. Dann schloß Professeur Faucon die Tür.

"Dieser Raum ist ein Klangkerker, Mademoiselle, falls Ihre Schwester es Ihnen nicht erzählt hat. Somit können wir ..." Es fauchte mehrmals im Kamin.

"Was soll das bedeuten?" Knurrte Madame Maxime ungehalten und riss die Tür auf. Da kamen Millies Eltern, sowie Catherine Brickston. Hippolyte Latierre trug ihre Tochter in einer praktischen Säuglingstragetasche über der Schulter, während Catherine ihre Tochter in den Armen hielt und leise auf sie einsprach.

"Ich dachte, Millie hätte uns angemeldet, Madame Maxime", sagte Hippolyte Latierre forsch, während Madame Maxime sie leicht erzürnt anstarrte. Albericus, der mit seinem Kopf nicht einmal bis zu den Knien der Schulleiterin hinaufragte, sah seine Tochter tadelnd an. Catherine wechselte mit ihrer Mutter ein paar ungehaltene Blicke. Doch als Madame Maxime schwerfällig nickte und Professeur Faucon gebot, die Tür zu schließen, war das gleichbedeutend mit einer Einladung.

In Einigen Sätzen beschrieb nun Professeur Faucon, welches schwerwiegende Geheimnis Julius mit sich herumschleppen mußte und das er nun mehr und mehr mit dem nach dem Tode in einem magischen Artefakt eingelagerten Bewußtsein der letzten weißmagischen Herrscherin jenes alten Reiches in verbindung stand, das in vielen Legenden Atlantis genannt wurde. Dann beschrieb sie, was Julius im Augenblick zu unternehmen hatte, was ihr tadelnde Blicke von Madame Maxime und Madame Rossignol eintrug. Hippolyte, für die die ganze Sache nun völlig neu war, straffte sich und sagte an Professeur Faucons Adresse:

"Gehört es zu Ihrem Lehrauftrag, nur weil jemand talentiert ist derartige Aufgaben von jemandem abzuverlangen, Professeur Faucon?"

"Es gehört zu meinem Auftrag, uns alle vor dunklen Mächten zu schützen", schnarrte Professeur Faucon. Albericus grinste und meinte an Madame Maximes Adresse:

"Offenbar paßt es Ihnen nicht, daß Professeur Faucon so eigenmächtig arbeitet, nicht wahr?"

"Dies ist die Angelegenheit von Professeur Faucon und mir", fauchte Madame Maxime.

"Madame Brickston, ich möchte die Gelegenheit nutzen und Sie darauf hinweisen, daß ich Ihren Schutzbefohlenen nicht in diese Lage hätte kommen lassen, wenn ich frühzeitig informiert worden wäre", wandte dann Madame Rossignol ein. Claudine Brickston drehte den großen Kopf in die Richtung, woher die Stimme gekommen war.

"Damals mußten wir so handeln, Florence", warf Madame Maxime ein. "Es war Gefahr im Verzug. Wir konnten ja nicht ahnen, welche Folgen das haben konnte. Und das mit den sogenannten Skyllianern wäre dann wohl auch passiert, wenn wir den jungen Monsieur Andrews nicht dazu animiert hätten, die Gefahr der grünen Würmer zu bannen."

"Das ist jetzt geschehen und unumkehrbar, Madame Maxime", knurrte die Heilerin. "Nur ich habe den klaren Auftrag, die Unversehrtheit der in Beauxbatons unterrichteten Schüler zu bewahren und nicht, sie in unübersehbare Gefahren hineinzutreiben. Das habe ich Ihnen und Professeur Faucon damals schon gesagt, es wiederholt, als Julius Andrews erneut von Ihnen ausgeschickt wurde und werde es wohl wiederholen, falls Sie ihn oder jemanden anderen zu ähnlichen Dingen antreiben."

"Sie sind verständlicherweise aufgebracht, weil ausgerechnet ein Mitglied der Pflegehelfertruppe derartig von uns beansprucht wurde und wird, Florence", warf Madame Maxime ein.

"Nein, nicht deshalb, Madame Maxime, sondern weil hier einfach auf Grund besonderer Grundeigenschaften über einen Schüler, einen Jungen, verfügt wird, um die Arbeit ausgebildeter Hexen und Zauberer zu machen, wobei die Wahrscheinlichkeit sehr niedrig ist, daß er sie erledigen kann. Bei seiner ersten tollkühnen Mission hatte er zwar eine unbezahlbare Helferin und unverschämtes Glück. Aber das erste konnte er jetzt nicht mitnehmen, und Glück ist nicht unendlich abrufbar. Deshalb, sollte es dazu kommen, daß Julius Andrews diesen Wahnsinn, in den Sie, Blanche, ihn nun wieder entlassen haben, nicht überleben dürfte, was meinen Sie, was wir seiner Mutter erzählen, was wir unseren Schülern hier erzählen? Können Sie mit diesem Gewissen leben?" Claudine zuckte bei der lauten Stimme der Heilerin zusammen. Catherine tätschelte ihr zärtlich den Kopf.

"Ich gehe davon aus, daß Julius wieder zurückkehrt. Er hat genug Hilfsmittel und Kenntnisse mitgenommen", sagte Professeur Faucon.

"Hoffen Sie", sagte Madame Rossignol dazu nur. Millie nickte ihr zustimmend zu.

"Nun, Madame Maxime und Madame Faucon, der Kessel ist zerbrochen, der Trank verschüttet. Wir sollten uns nun nicht über vergangene Sachen unterhalten", sprach Hippolyte Latierre. "Ich stelle nur fest, daß Sie beide nur dann von Glück sprechen können, wenn der Junge, den ich mittlerweile sehr hoch einschätze und als Gefährten meiner Tochter willkommen geheißen habe, in den nächsten achtundvierzig Stunden unversehrt und wirklich als er selbst und nicht als sein Schatten oder Ebenbild zurückkehrt. Anderenfalls müßten Madame Brickston und Madame Andrews das Ministerium darüber informieren, daß Lehrer dieser Akademie ihn sehenden Auges in eine tödliche oder sonst wie schädigende Gefahr geschickt haben. Ich werde mich der dann bestimmt einberufenen Anhörung sehr gerne als Zeugin anbieten."

"Wir können nicht mit sicherheit garantieren, daß Julius bis in achtundvierzig Stunden wieder da ist", raunzte Professeur Faucon Millies Mutter an.

"Ich habe schon eine sehr großzügige Frist gesetzt, Professeur Faucon", sagte Hippolyte. Catherine nickte ihr beipflichtend zu. "Also, die Zeit läuft. Ist Julius Andrews übermorgen nicht unversehrt und unbeeinflußt zurückgekehrt, erhält der Minister sowie der Leiter der Ausbildungsabteilung ein Schreiben von uns, Madame Brickston, Madame Andrews und mir."

"Sie haben nicht die Erlaubnis, Madame Andrews einzubeziehen. Das hieße, sie in ministerielle Geheimnisse einzuweihen", schnarrte Madame Maxime. Claudine und Miriam schraken heftig zusammen. Miriam schrie los, Claudine wimmerte ängstlich. Beide Mütter kümmerten sich um ihre Babys.

"Wir können versuchen, mit Julius in Verbindung zu bleiben. Hier geht es wohl nicht, nicht wahr?" Wandte Madame Rossignol ein. Professeur Faucon schüttelte den Kopf.

"In Ordnung, die Damen", sagte Albericus Latierre und stand auf. "Meine Frau will Julius neben Mildrid vor dem Zeremonienmagier stehen sehen. Ich hoffe, er beißt sich durch und hat den nötigen Grips, sich da rauszuwinden, wohin Sie beide ihn getrieben haben, Madame Maxime und Professeur Faucon."

"Es ist wohl auch nichts neues mehr zu erfahren", wandte Hippolyte Latierre ein. "Wir dürfen uns dann empfehlen. Vielen Dank für Ihre Offenheit und Ihre Gastfreundschaft, Madame Maxime, Professeur Faucon. Millie, komm, wir gehen!"

"Moment, Madame Latierre", hielt Madame Maxime die Mutter Mildrids zurück, die größenmäßig nur von ihr überragt wurde. "Ich muß darauf bestehen, daß Sie alle und Ihre Tochter Mildrid diese Angelegenheit für sich behalten und ich nicht gezwungen bin, Sie auf einen Eidesstein schwören zu lassen."

"Wir warten die festgesetzte Zeit ab, Madame Maxime. Ist Julius bis dahin längst zurückgekehrt, behalten wir es allein um seinet Willen für uns", sagte Hippolyte. Catherine nickte nur, wofür sie sich von ihrer Mutter einen tadelnden Blick einfing, den sie jedoch unbeeindruckt wegsteckte.

"Mademoiselle Latierre, hiermit gebe ich Ihnen die Anweisung ...", setzte Madame Maxime an, wurde jedoch von Albericus Latierre mit einem schrillen Pfiff abgewürgt, den die beiden Säuglinge mit lautem Aufschrei bedachten.

"Wir haben Sommerferien, Madame Maxime. Im Moment dürfen Sie meiner Tochter weder drohen, noch Anweisungen geben. Noch einen schönen Gruß von meiner Mutter", sagte Monsieur Latierre sehr entschlossen und grinste, als er den Gruß überbracht hatte. Als habe der kleine Zauberer der überlebensgroßen Hexe einen Schlag in die Magengrube versetzt fuhr Madame Maxime zusammen. Sie schlug sich die Hände vors Gesicht, streckte sie dann bedrohlich nach dem Halbzwerg aus, der jedoch wieselflink in Richtung Tür davonhuschte.

"Hinaus!" Schrillte die Schulleiterin nur noch, und die Fensterscheiben erzitterten.

Millie wurde von ihrer Mutter zuerst durch den Kamin geschickt. Professeur Faucon bestand darauf, daß Mildrid ihr für eine neue Kontaktaufnahme mit Julius Andrews zur Verfügung stehen solle. Madame Latierre sagte dazu nur:

"Ich nehme meine beiden Töchter jetzt mit, Madame Faucon. Falls Ihnen daran gelegen ist, Kontakt zu dem Jungen zu erhalten, stellen Sie sich bitte in einer halben Stunde bei uns im Honigwaben- oder Dienstagshaus ein! den Kamin kennen Sie ja."

"Das ist eine blanke Demütigung", schnarrte Madame Faucon. "Ich verbiete es, daß Ihre Tochter sich mir auf diese Weise entzieht."

"Sie entzieht sich Ihnen ja nicht. Falls Sie Angst haben, unheilbar krank zu werden oder tot umzufallen, wenn Sie unser Haus betreten, können Sie Madame Rossignol ja wie vorhin bitten, Kontakt mit Mildrid zu halten. Wie gesagt, ich nehme meine beiden Töchter jetzt mit", erwiderte Madame Latierre. "Ich muß mich beeilen. Miriams nächste Fütterung steht an, und dabei möchten Sie mir bestimmt nicht zusehen." Professeur Faucon sah sie mit Verachtung an, sagte aber nichts weiteres dazu. Millie verabschiedete sich höflich und benutzte den Kamin, um in ihr Elternhaus zurückzureisen. Dann folgte Albericus. Danach reiste Catherine mit Claudine in ihr eigenes Haus zurück. Dann benutzte Hippolyte Latierre den Kamin.

"Immer noch die alte Aversion, Blanche?" Fragte Madame Rossignol, als die Verwandlungslehrerin mit ihr im Büro des Krankenflügels saß.

"Diese Frauenzimmer sollen wissen, daß ich doch zu meinen Versprechen stehe, Florence. Ob vergangen oder nicht, diese Sippschaft wird nicht die Ehre haben, mich in einem ihrer Wohnhäuser begrüßen zu dürfen", schnaubte Madame Faucon.

"Ich finde, Sie sollten diese Animosität überdenken, wenn Ihnen wirklich so viel an dem Jungen liegt. Immerhin ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß er eines Tages mit Mildrid eine Familie gründen wird. Gilt für die Enkel und Urenkel dann immer noch dieses eiserne Wort?"

"Wollen wir hoffen, daß Julius aus dieser unbekannten Stadt zurückkehren kann."

"Ich werde zu den Latierres gehen, Blanche. Ich halte es für lächerlich, wie Sie sich dieser Familie gegenüber aufführen. Das war damals, und Sie sind kein junges Mädchen mehr."

"Diese Frau hat mich schon genug gedemütigt, Florence. Bis hierher und nicht weiter", knurrte Blanche Faucon.

"Denken Sie daran, daß es im Moment wesentlich wichtigeres gibt als diese stille Fehde zwischen Ihnen und Madame Ursuline Latierre! Wenn es wirklich stimmt, daß Julius diesen Alptraum hatte, weil er ein Gegenmittel zu einem Artefakt finden soll, daß in den Händen des Mörders Ihres Mannes ist, wird jede Antipathie zweit- oder drittrangig."

"Ich werde hier mit Ihnen wachen und Kontakt zu Mildrid Latierre halten", schnaubte die Lehrerin. "Womöglich müssen wir Julius weiterhin beistehen. Und was den Psychopathen betrifft, der meinen Mann ermordet hat, so würde er einen Teilsieg über mich erringen, wenn ich seinetwegen mein Wort brechen müßte.""

"Selbst ich als Heilerin kann Ihnen offenbar nicht helfen, Blanche. Offenkundig empfinden Sie es als zu bedeutsam, um es als vergangen und begraben zu betrachten", seufzte Madame Rossignol. Ihre Gesprächspartnerin nickte.

 

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Ein lautes, rhythmisches Poltern erklang aus weiter Ferne. Offenbar rückten die Erdelementarmonster nun vor. Julius bekam keinen Kontakt mit Millie. Sein Besen war wie ein gewöhnlicher Besen. Er ließ sich nicht zum Aufsitzen aufrichten. So blieb ihm wohl nicht viel Zeit, um den Eingang des Turmes zu finden und ihn zu betreten. Er lief los. Die magische Aufputschmixtur, das Schwermachertraining und Ursulines Lebenskraftverstärkungsritual verliehen ihm Kraft und Ausdauer, um im schnellen Dauerlauf die Turmwand entlangzueilen. Mit dem Zauberstab irgendeine Tür zu öffnen gab er nach dem fünften Versuch auf. Auf seinen Zauberfinde-Zauber reagierte nicht nur der Turm, indem er in goldenes Licht getaucht wurde, sondern auch der Boden. Im Ganymed 10 hingegen glomm nur noch ein schwaches, goldenes Licht am Besenende.

Als er den Turm nach zwanzig Minuten wohl halb umrundet hatte, ohne einen auf Bodenhöhe sicht- oder ortbaren Eingang zu entdecken, hörte er triumphierendes Gebrüll von den immer näher rückenden Kreaturen. Sie waren sich ihrer Beute sicher, und er konnte ihnen nicht entwischen, weil sein Besen im Moment von einer überlagernden Magie ausgezehrt wurde. Es mochte sogar sein, daß der Ganymed, je länger er in der Nähe des Turmes blieb, völlig unbrauchbar wurde. Doch daran durfte er nicht denken. Es war nur ein Besen. Im Moment konnte er nicht fortlaufen, weil die stampfenden Schritte aus allen Richtungen kamen. Außerdem hörte er in einiger Entfernung das bedrohliche Brummen weiterer Betrachter oder Myriaklopen. Sie warteten auf ihn. Sie lauerten darauf, daß er aufgab und versuchte, sich vom Turm, dem Zentrum Khalakatans, abzusetzen. Wie viele Erdelementarmonster mochten es sein? Wie viele Betrachter patrouillierten draußen und würden wohl weitermelden, wenn er sich vom Turm entfernte?

"Wie komme ich in den Turm, Darxandria? Bitte hilf mir!" Dachte Julius so konzentriert es ging, während er immer noch um den Turm herumlief. Dann sah er die ersten, mindestens zehn Meter hohen Ungetüme, die wie eine Mischung aus steinernen Stieren und Nashörnern glichen. Auf ihnen saßen weitere, für Julius riesenhafte Wesen, klobig wie lebendige Felsblöcke mit kantigen Armen, an deren Enden breite Hände mit stalaktitenartigen Fingern saßen. Das war die letzte Streitmacht, die alles entscheidende Armee.

"Erweise Demut der Erde und dem Hort des Wissens und der Kraft! Lege dich hin und berühre mit Stein und Kopf das Fundament des Himmelhohen Hauses!" Hörte er nun Darxandrias Stimme wieder in sich und fühlte das Herz unter seinem Unterhemd warm pulsieren. Es flößte ihm die Zuversicht ein, daß jemand dort draußen in Gedanken bei ihm war. Er stoppte seinen hoffnungslosen Rundlauf, atmete einigemale ruhig durch. Dann sah er die anrückenden Steinmonster mit ihren ebenso steinernen Reitern. Wenn er sich hinlegte würden sie einfach über ihn hinwegtrampeln und ihn als roten Fleck in dieser Stadt zurücklassen. Doch Darxandrias Stimme hatte seine Bitte erhört. Warum sollte sie ihn belügen? Warum sollte sie zulassen, daß er hier und jetzt starb? So lief er zum Fuß des Turmes, in dessen unterem Segment mindestens vier Kathedralen oder mehrere Fußballstadien hineinpassen mochten. Er zog den Lotsenstein wieder aus seiner Jacke und legte sich flach auf den Bauch. Dann streckte er die Hand vor. Die anrückenden Monster verfilen plötzlich in wilden Galopp, und die auf ihnen sitzenden Kolosse brüllten wütend. Dann berührte er zur selben Zeit mit Stein und Kopf das bestimmt aus alter Magie entstandene Fundament des Turmes.

Unvermittelt meinte er, wie ein Sandkorn in einen Turbostaubsauger hineingezogen zu werden, als er den Boden unter sich verlor und nach vorne raste, wieder durch einen Tunnel aus roten, blauen und silbernen Lichtern. Er schrie laut. Doch sein Schrei wurde wie durch Watte gefiltert. Dann warf ihn etwas nach oben. Er sah noch, wie er über einer silbernen Metallplattform herauskam. Dann fiel er wie auf ein von mehreren hundert Haartrocknern aufgebautes Luftpolster und wurde sicher auf die Plattform abgesenkt. Als er bäuchlings darauf zu liegen kam, fühlte er, wie sie sacht vibrierte. Er prüfte sofort, ob seine magischen Gegenstände noch alle da waren. Auch das halbe Herz hing noch sicher um seinen Hals. Doch es pulsierte nicht mehr. Es war ihm, als trüge er einen kalten Kieselstein auf der Haut. Damit war ihm klar, daß er nun auch diese Verbindung verloren hatte. Jetzt war er völlig auf sich gestellt. Keine Goldschweif konnte ihn warnen oder die richtige Richtung vorgeben. Keine Aurora Dawn oder Lady Medea würden ihm helfen. Keine Madame Rossignol und auch nicht Millie konnten ihn hier noch erreichen. Doch er fühlte keine Verzweiflung, keine Angst. Es war ihm so, als habe er nach einem anstrengenden Wettlauf das Ziel erreicht und würde bejubelt, obwohl er weit und breit keinen Laut hörte. Wie weit mochte er in den Turm hineingezogen worden sein? Er blickte sich um.

Er stand in einer unbegreiflich hohen Halle. Bestimmt konnte hier eine Saturn V, wie sie die Astronauten, die den Mond betraten als Startrakete benutzt hatten, in voller Höhe aufgestellt werden und würde noch nicht einmal in die Nähe der aus sich selbst im warmen Gelb leuchtenden Decke gelangen. Die weit entfernt liegenden Wände schimmerten weiß wie Marmor. Der Boden war aus einem sonnengelben Material, das leicht angerauht war, um trittsicherheit zu gewährleisten. Julius betrachtete die Plattform, auf der er nun stand. Sie war zwölfeckig und wurde von sehr vielen Stufen umrundet, die nach unten führten. Jede Stufe war gut zwanzig Zentimeter hoch und ebenso breit.

"Am besten ziehe ich mir den Umhang über", dachte Julius und entfaltete den Tarnumhang Madame Faucons. Vorsichtig hüllte er sich damit ein und näherte sich der ersten Stufe. So leise er konnte stieg er nun hinab, wobei er lauschte, ob außer seinen sehr gut gedämpften Schritten noch etwas anderes zu hören war. Er widerstand der Versuchung, mal laut zu rufen, um zu hören, ob es hier ein Echo gab oder die Wände und Decken so weit fortstanden, das der Schall nicht bis zu ihnen reichte. Außerdem wäre es idiotisch, sich erst unsichtbar zu machen und dann wie ein Gebirgstourist nach einem Echo zu rufen. So zählte er die Stufen bis hinunter. Bei stufe zweiundsiebzig meinte er, die Hälfte des Abstiegs geschafft zu haben. Er blickte sich noch einmal um. Über ihm lag nun die silberne Plattform, mindestens vierzehn wohl eher fünfzehn Meter hoch. Da er sonst nichts erkennen konnte, setzte er seinen Abstieg fort.

"Einhundertvierundvierzig Stufen", zählte er im Geiste und stellte sich ein triumphales Lachen, Donnerhall und Orgelmusik vor, als er die letzte silberne Stufe verließ und nun auf dem sonnengelben Boden stand, der nicht wie eine Gummimatte sondern wie solider Stein auf ihn wirkte. Er tat zwei Schritte weg vom Fuß des nun zwanzig knapp dreißig Meter über ihm aufragenden Podests fort. Da rasselte es lauthinter ihm. Er wirbelte herum und sah, wie die letzten fünfzehn Stufen sich in Windeseile zurückzogen, bis sie eine knapp drei Meter hohe, silberne Wand bildeten. Dann rückten in jedem der von ihm einsehbaren Teilabschnitte der Wand je zwei Stücke nach vorne und glitten mit leisem metallischem Schaben zur Seite. Julius ärgerte sich, daß er die Stufen nicht mit Zauberfindern oder Aufspürzaubern für Geheimtüren beharkt hatte. Doch jetzt war es zu spät. In den vier Teilabschnitten der Wand, die er direkt sehen konnte, gähnten nun schwarze, rechteckige Öffnungen, durch die Madame Maxime ohne den Kopf einziehen zu müssen hindurchgepaßt hätte. Dann hörte er die Schritte, schnell, laut, schwer. Dann vernahmen seine Ohren ein metallisches Klappern wie von schweren Ketten oder Rüstungen. Dann spien die offenen Zugänge sie aus, mindestens ein Dutzend Julius längen- und breitenmäßig überragende Männer in bläulich schimmernden Vollrüstungen von den Helmen über zweiteilige Panzer, über armlange und in mehrere Gelenke eingeteilte Metallhandschuhe bis zu den ebenso die Gelenke im Bein nachbildenden schweren Stiefeln. Es waren Humanoide, also menschenähnliche Gestalten wie mittelalterliche Krieger. Die Rüstungen und Stiefel strahlten aus sich selbst heraus in einem schwachen, bläulichen Licht und die mit den Panzern verbundenen Helme waren hoch und glockenförmig. Julius hoffte, daß sie ihn nicht sehen würden. Doch offenbar wußten sie genau, wo er stand, denn sie schwärmten aus und umringten ihn dabei. Er zog schnell den Tarnumhang vom Kopf und Körper und knüllte ihn in eine Außentasche. Er überlegte, ob wegzulaufen etwas einbrachte oder ob er die nun auf ihn zueilende Kompanie mit irgendwelchen Zaubern attackieren sollte, als mindestens sechs der hervorgequollenen Krieger goldene Gegenstände anhoben, die wie mit dem Okular nach vorne gerichtete Fernrohre aussahen, unter denen Julius mit erschreckender Erkenntnis eine Abzugsvorrichtung sehen konnte. Er kannte diese Waffen und vergaß das weglaufen. Die Krieger schritten so schnell und weit aus, daß sie ihn keine zwei Sekunden später umstellt hatten. Reflexartig hob Julius die Hände und hielt sie so weit es ging nach oben. Hoffentlich war das in Atlantis schon das Zeichen, daß sich jemand ergab, dachte Julius, während zwei paar Hände ihn mit eisernem Griff an Brust und Taille packten und hochrissen, während zwei weitere paar Hände seine Beine festhielten. Dann klappte einer der Krieger sein Visier hoch. Darunter kam ein Gesicht zum Vorschein, das aus purem Gold geschmiedet zu sein schien. Auf dem Brustpanzer trug der Krieger ein rundes Wappen, das drei konzentrische Kreise in Sonnengelb, blutrot und Mitternachtsblau zeigte, die von goldenen Speichen durchzogen wurden. Julius wußte, daß alle diese Krieger hier diese goldenen Gesichter besitzen mochten. In seiner jetzigen Lage sah er nun, daß wohl aus weiteren Öffnungen noch mehr Krieger aufmarschiert waren, nur Krieger? Nein! Er konnte etwas kleinere Gestalten in sonnengelben, blutroten und mitternachtsblauen Gewändern sehen, die eindeutig weibliche Körperformen hatten und so aussahen wie Kallergos' goldene Mädchen. Diese Art des Déjà Vu fesselte Julius mehr als der Griff der ihn haltenden Krieger. Der mit dem Wappen, welcher sein Visier geöffnet hatte, rief etwas mit einer Stimme, die wie eine gegen eine Metallsaite geblasene Tuba klang, und Julius konnte jetzt das Echo hören, daß von den Wänden wohl eine Sekunde und von der Decke knapp zwei Sekunden brauchte, um seine Ohren zu erreichen. Doch er verstand die Sprache des goldenen Kriegers nicht.

 

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"Uiuwang gnoch", brabbelte das Baby auf dem Sofa. Catherine sah auf die funkgesteuerte Wanduhr und sagte beruhigend: "In fünf Minuten bist du wieder du selbst. Ich geh dann wieder runter." Claudine quängelte.

"Das war deine Idee", sagte Catherine. "Ich hätte dir bestimmt alles erzählt. Aber du wolltest ja mit. Willst du hier warten?"

"Gjja", kam ein kehliger Laut aus dem zahnlosen Mund des Babys. Dann nickte Catherine und verließ das Wohnzimmer.

"Hoffentlich muß ich nicht noch, bevor dieses Teufelszeug nachläßt", war der Gedanke, der das bis zum Kinn zugedeckte Menschenwesen durchzuckte. Es versuchte, sich aufzusetzen. Doch die Arme wollten nicht so recht, und der Kopf war schlicht zu schwer. "Das sollte ich mir aufschreiben, daß ein Babykörper zum Auskundschaften zu unpraktisch ist."

Als der große Zeiger der Wanduhr fünf weitere Striche überquert hatte, zuckte der auf dem Sofa liegende Säugling unter Krämpfen zusammen, blähte sich auf. Nur der Kopf wurde etwas kleiner, dafür knochiger, verlor den dunklen Haarton. Statt dessen wuchsen dem Baby blonde Haare, während es innerhalb weniger Sekunden alle Stufen der Entwicklung vom Säugling bis zur erwachsenen Frau durchlebte. Unter einem Aufschrei des Menschenwesens schossen Zähne in den Mund, aber keine Milchzähne. Die Tortur dauerte nur fünf Sekunden. Dann war es vorbei. Martha Andrews lag keuchend auf ihrem Sofa, die Decke gerade über dem Schoß liegend.

"Ja, es war meine Idee, Catherine", knurrte sie, während sie das Bündel Kleider zusammensuchte, daß sie vor einer Stunde abgelegt hatte. Catherine hatte ihr gesagt, sie wolle wegen Julius nach Beauxbatons. Martha hatte darauf bestanden, mitzukommen. Catherine hatte bedauernd abgelehnt. Dann hatte sie gesagt, daß Hippolyte mit ihren beiden jüngeren Töchtern auch dort hinkommen würde. Darauf hatte sie, Martha, zu Catherine gesagt, ob sie dann Claudine mitnehmen würde.

"Neh, die und Joe schlafen gerade so schön. Die wird erst in einer Stunde von mir geweckt, wenn sie sich nicht meldet", hatte Catherine gesagt. Da hatte es bei ihr geklingelt. Julius hatte ihr mal von einem Zaubertrank erzählt, der Menschen für eine volle Stunde in andere Menschen verwandeln konnte. Das war, als sie ihn gefragt hatte, wie mächtig Zaubertränke sein konnten.

"Hast du diesen Umwandlungstrank zufällig da, mit dem Menschen sich in andere Menschen verwandeln können, Catherine."

"Häh, woher kennst du den?" Hatte Catherine gefragt. Dann hatte sie verstehend genickt. "Neh, Martha, das ist doch jetzt nicht dein ernst, oder?"

"Catherine, du würdest mir einen unheimlichen Gefallen tun, wenn das ginge", hatte Martha darauf geantwortet.

"Es ist dein Ernst", war Catherines grummelige Antwort darauf gewesen. "Darf außer dir, mir und deinem Sohn aber keiner wissen. Ich habe in meinem Geheimkeller mehrere Zaubertränke, darunter auch mindestens drei Dosen von diesem besagten Trank, um zu prüfen, ob es eine Methode gibt, damit verwandelte frühzeitig genug zu erkennen. Aber du weißt nicht, daß der nicht an Muggel ausgegeben werden darf. Du reitest mich damit heftig rein.".

"Kannst du das hinkriegen, daß deine Mutter es nicht aus meinem Kopf ziehen kann?"

"Bergestein. Ja, könnte ich. Aber dir ist klar, daß du dich dann nicht richtig bewegen oder sprechen darfst?" Martha hatte genickt. Keine fünf Minuten später hatte sie die sirupartige Substanz zu sich genommen, in die Catherine vier Büschel Flaum von Claudines Kopf geworfen hatte, der in der kleinen Haarbürste hängengeblieben war. Das Gebräu hatte sich darauf in eine durchsichtige, weißweinfarbene Mixtur verwandelt. Martha verfluchte diese Idee bereits, als sie splitternackt auf ihrem Sofa lag und die wilden Qualen über sich ergehen lassen mußte, unter denen ihr Körper einschrumpfte und alle Merkmale einer erwachsenen Frau einbüßte. Catherine hatte sie dann noch mit geübten Griffen gewickelt, in einen rosaroten Strampelanzug mit Füßlingen gesteckt und ihr die Holzperlenkette mit dem rosaroten Schnuller dran umgehängt. Dann waren sie zusammen durch den Kamin nach Beauxbatons gereist und hatten verfolgt, wie Mildrid und ihre Eltern in Julius' Bildergeheimnis eingeweiht wurden. Viel mehr als daß die Verbindung zu ihm abgerissen war und er tatsächlich in der Stadt war, von der er geträumt hatte kam dabei aber nicht heraus. Und nun stand Martha wieder auf ihren eigenen Beinen und schwor sich, nicht noch einmal einen solchen Coup zu landen. Sie ging hinunter zu Catherine, die gerade für Joe das Frühstück machte.

"Fühlt sich irgendwie besser an, rumlaufen zu können", flüsterte Catherine leicht gehässig grinsend.

"Auch wenn dabei nicht viel herumkam, Catherine, vielen Dank!"

"Ich präpariere gleich den vorbehandelten Bergestein für dein Geheimnis, Martha", wisperte sie. Dann sagte sie halblaut:

"Ich kann dir nicht sagen, wo Julius jetzt ist. Meine Mutter wollte es mir mitteilen, wenn sie wieder was von ihm hört."

"Wird nur langsam unzumutbar, was deine Mutter alles von ihm verlangt."

"Keine sorge, Martha, solange sie ihn nicht zwingt, sie zur Mutter deiner Enkelkinder zu machen ist doch alles noch im grünen Bereich", lästerte Joe, der gerade noch unrasiert und im Unterhemd zur Küchentür hereinblickte.

"Joe, wenn du schon hörst, daß Martha bei uns ist zieh dich bitte auch anständig an!" Tadelte Catherine ihren Mann.

"Deine Tochter stinkt. Wer packt sie um?"

"Da das meine Tochter ist müßte ich das wohl machen", sagte Catherine verhalten grinsend. "Dann darfst du aber nachher mit deiner Tochter die Teletubbies kucken."

"Dann doch besser Windelnwechseln", würgte Joe hervor, nachdem er seine Frau ungläubig angeglotzt hatte.

"Ich dachte, ihr wollt Claudine nicht diese Baby-Blabla-Serie antun", amüsierte sich Martha.

"Babette hat die gefressen. Seitdem Claudine da ist singt die der jedesmal das Lied von denen vor. Wenn ich mir vorstelle, daß das für Babys und Kleinkinder gemacht wurde ... Brrrr!"

"Tja, wenn man britische Sender über Satellit kriegt kriegt man auch britischen Fernsehmüll rein", feixte Martha, die froh war, daß sie keine Vollen Windeln tragen mußte. Dann meinte sie: "Dieser gemeine Ohrwurm könnte gut als Gedankenleseabwehr herhalten."

"Nur mit dem Unterschied, daß Professeur Fixus dann endgültig an der Vernunft der Muggelwelt zweifeln würde", seufzte Catherine.

"Es gibt wohl größeres Ungemach", seufzte Martha, die jetzt wieder an Julius dachte, der in irgendeiner Stadt, die wortwörtlich vorsintflutlich sein mochte, irgendwelche geheimnisvollen Artefakte suchte, um diesem Lord Voldemort die Tour zu versauen.

 

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"Haschagur galatanamarram", brummte der Führer der goldenen Krieger laut und gefährlich. Julius, der von dessen Kameraden hochgehalten wurde, rief zurück:

"Ich bin in Frieden hier. Darxandria hat mich hergeschickt. Darxandria!!" Julius hoffte, daß er damit nicht sein Todesurteil ausgerufen hatte. Die Krieger standen still. Dann fiel Julius von irgendwo aus den Tiefen seines Gedächtnisses jener Satz ein, mit dem Darxandria ihn damals zum ersten Mal angesprochen hatte.So rief er laut: "Iagginahillash gahanihaolah ivannadarxam Khalakatanom."

"AGashadarakir Darxandriari?" Brummte der Führer der goldenen Krieger. Julius verstand es als Frage, wenn er auch nicht wußte, wie sie lautete. So wiederholte er das Passwort, mit dem er in Gregorians Bild Zugang zur gemalten Version dieser Stadt bekommen hatte. Offenbar galt dieses Passwort auch hier, erkannte er aufatmend. Denn unvermittelt traten die Krieger einige Schritte zurück, schufen eine Gasse für den Anführer, der stampfend und klirrend heranschritt, wobei er mit der linken Hand am Handgelenkscharnier seines Armpanzers hantierte, das aufsprang und den Handschuh lose baumeln ließ. Der Krieger zog seine ebenfalls goldene Hand frei, die aus kunstvoll geschmiedetem Metall bestand und detailgenau einer Menschenhand nachgebaut war. Dann löste er auch den linken Handschuh und heftete beide Handschützer an seinen breiten Schultergurt, an dem ein langes, schmales Schwert in seiner Scheide befestigt war. Dann deutete er auf Julius Andrews. Die Krieger, die seine Beine gehalten hatten ließen von ihm ab. Dann ließen auch die, die seine Hüften umfaßt hatten los. Nur die, die ihn um den Brustkorb und die Schultern hielten gaben ihn nicht frei. Dann berührte der Anführer der Krieger Julius mit der rechten Hand am Kopf und mit der Linken knapp über dem Bauchnabel. Unvermittelt fühlte Julius es in seinem Körper vibrieren und hatte das Gefühl von Ameisen, die über seine Haut liefen. Dann sah er, wie sein Körper aus sich selbst heraus golden leuchtete, wie sich das leuchten zu einem goldenen, gasartigen Schleier um ihn verstärkte, bis er in eine mindestens einen halben Meter von ihm ausstrahlende goldene Aura eingehüllt war, die für fünf Sekunden hell und flackerfrei leuchtete. Dann ließ der Kommandant der goldenen Krieger ihn los. Das Vibrieren verschwand, ebenso die Ameisenarmeen auf seiner Haut. Nur die hervorgebrachte goldene Aura blieb noch. Erst als der Kommandant der goldenen Krieger den beiden, die Julius festhielten ein Zeichen machte, worauf sie ihn losließen, erlosch der goldene Strahlenkranz. Dann sprach der Krieger mit der Tuba-Stimme zu Julius in astreinem Englisch:

"Sei willkommen, Träger des Siegels der großen Regentin von den Ufern der Sonne, Julius Andrews, Träger der Kraft!" Dann rückten die meisten Krieger ohne hörbares Kommando ab. Julius konnte sehen, daß sie auf den Rückenpanzern blutrote und mitternachtsblaue Kreise trugen. Ebenso gingen auch zwei Drittel der goldenen Mädchen, nämlich jene in blutroten und mitternachtsblauen Gewändern, hinter den sich zurückziehenden Kriegern her und kehrten ins Innere des vielstufigen Podestes zurück. Julius zählte die verbliebenen Krieger und Goldmädchen: Jetzt waren noch acht Krieger und vier goldene Mädchen und der Kommandant übrig. Der Kommandant trat zu einer der goldenen Frauengestalten in sonnengelbem Gewand, tippte ihr mit der rechten Hand an die glänzende Stirn. Dann ging er zu einem der verbliebenen Krieger und klappte dessen Visier hoch. Danach legte er auch diesem die Hand an die Stirn. Julius, der ja an Computer gewöhnt war, vermutete, daß der Kommandant die beiden auf ihn, den offiziell willkommenen Gast, eingestellt hatte. Als der angerührte Krieger dann mit einer Stimme wie ein Bariton sagte:

"Wir geleiten den Träger des Siegels unserer Meisterin an den Ort, an den er zu gehen wünscht." Dann sprach die goldene Frauengestalt:

"Wir erfüllen dem Träger des Siegels unserer Meisterin jedes Verlangen und bewahren sein Leben und seinen Geist."

"Klassische Rollenverteilung", dachte Julius. "Die Männchen sind die Krieger, die Weibchen die Dienerinnen." Dann sagte er laut: "Ich möchte dorthin, wo ich mehr erfahre, was mit jemanden Namens Skyllian und einem Meister namens Ailanorar zu tun hat. Wo finde ich das gesuchte Wissen?"

"Wir bringen dich zur Halle des Wissens", antwortete der Krieger. Julius kannte es schon von den Mädchen von Kallergos, daß sie sich beim sprechen abwechselten. Jetzt fragte er sich, ob der Maler von Kallergos' Schmiede nur aus der reinen Erzählung oder nach einer echten Vorgabe sein Bild geschaffen hatte. Jedenfalls wußte er, wenn das da die Vorbilder für die goldenen Frauenzimmer aus der Bildergalerie von Hogwarts waren, war er ihnen körperlich haushoch unterlegen, wenn er sie nicht rechtzeitig mit dem Deteresstris-Fluch erwischen konnte. Was mochten dann die doppelt so breit gebauten Krieger, die mindestens einen Meter größer waren als die Goldmädchen für Kräfte haben. Doch viel nachgrübeln konnte er nicht, denn die verbliebenen Krieger und Mägde formierten sich um ihn. Der, der nun seine Sprache konnte ging voran, führte sie alle mehrere hundert Meter weit bis zu einer Wand. Dann strich er mit der linken Hand von oben nach unten. Wie zerschmelzend löste sich ein Teil der Wand auf. Julius kannte das von seinem Wohnsaal in Beauxbatons. Eine Kombination aus Gesteinszerstreuungs- und -versetzungszauber, wie er mittlerweile vermutete. Durch die bogenförmige Öffnung in der Wand, die eher ein fünfzehn Meter langer Tunnel war, ging es in eine noch imposantere Halle, die aussah, wie ein mehrere hundert Meter hoher Glaszylinder. Julius konnte die ersten fünf mindestens zwanzig Meter hohen Etagen sehen, die gerade wie mit künstlichem Sonnenlicht erleuchtet wurden. Dann erkannte er auf dem Boden eine korbähnliche Konstruktion mit nach außen gewölbtem Boden. Das Ding sah aus wie aus Glas. Der Truppführer der sonnengelben Kompanie winkte Julius mit der behandschuhten Hand, näherzutreten. Sofort flankierten ihn zwei der goldenen Metallmädchen. Er wußte, daß er keine Wahl hatte, als dahin zu gehen, wo die Krieger ihn führen würden. So schritt er mit dem festen Glauben, jetzt erst einmal nicht mehr gegen irgendwelche Monster kämpfen zu müssen zu dem etwa vier Meter durchmessenden Korb. Der Truppführer und sein weiblich gebautes Gegenstück hantierten an einer der Längsstangen. Da klappte eine Tür zur Seite. Julius nahm die Einladung an und stemmte sich den einen Meter hoch durch die Klappe. Ihm folgten soviele Krieger und Mädchen, wie in den Korb hineinpaßten. Dann schlug die Klappe mit lautem Klong zu. Kaum war das Geräusch der zuschlagenden Klappe verhallt hob der Korb ohne erkennbare Flugapparaturen ab und beschleunigte aufwärts. Julius fühlte erst den Fahrtwind. Dann spannte sich um den Korb eine fast nicht sichtbare, sattgrüne Leuchtsphäre. Sofort war das Gefühl des Fahrtwindes vorbei. Dafür brauste der Korb nun noch schneller aufwärts, so daß die mehrere Dutzend Meter hohen Etagen im Sekundentakt vorbeizogen. Dann erreichten sie beinahe die Decke, wurden aber mit einer wilden Rechtsdrehung durch eine schnell aufschwingende Luke bugsiert, die den Eingang zu einem gläsernen Tunnel bildete, durch den der Transportkorb nun so schnell vorwärts raste, wie er eben noch aufwärts geschossen war. Julius dachte mit amüsiertem Grinsen an die Turbolifts in den Raumschiffen der Star-Trek-Serien. Die konnten auch senkrecht und waagerecht benutzt werden. Dann zweigte der Tunnel nach links ab. Julius fühlte sich wie auf einem besonders großen Karussell, für das alleine schon ein ganzer Festplatz freigeräumt werden mußte. Dann spie eine weitere Luke den Korb und seine Passagiere aus, der dann wieder senkrecht nach oben schnellte, vorbei an weiteren Stockwerken. Julius begriff, daß auch die gigantomanischen Architekten von Atlantis keine durchgehenden Fahrstuhlschächte bauen wollten, nicht bei so einem Monstrum von Turm. So mußten sie mehrere versetzte Einzelschächte einbauen, die durch diese Tunnel miteinander verbunden waren. Julius genoss die rasante Aufwärtsfahrt. Einmal sah er durch eines der mehrere Dutzend Meter großen Sichtfenster eine echte Urwaldlandschaft mit hohen und ausladenden Bäumen. Dann glitt der Korb an einer Polaren Eislandschaft vorbei. Julius vermeinte, eine Kolonie Pinguine zu sehen, bevor der Korb auch schon die mehrere Meter dicke Trennschicht zwischen den Stockwerken erreichte. Wieder knapp unter der Decke sprang der Korb einfach rückwärts, so das Julius ungewollt in den Armen einer goldenen Metallfrau landete, die ihn programmiert oder aus reflex umfaßte und sicher an sich drückte. Seltsamerweise fühlte sich der glänzende Körper nicht hart an wie Metall. Womöglich hatten die Bewohner von Atlantis schon Polsterungszauber gekannt.

Wieder ging es durch einen Tunnel, diesmal vorbei an einer lodernden Feuerlandschaft, als hätte da jemand die Vorstellungen von der Hölle nachgebaut. Vielleicht wurden hier die Feuermonster gezüchtet, die ihn draußen begrüßt hatten. Immer noch hielt ihn die metallene Magd sicher und geborgen in den Armen. Er versuchte, sich freizumachen. Doch die Englisch sprechende Metallfrau sagte:

"Daisanmiriidia wird dich halten, bis wir an deinem Ziel sind, Julius Andrews. Dir wird kein Leid geschehen."

"Daisanmiridia?" Fragte Julius.

"Die Zweite, die das Leben hütet, heißt ihr Name."

"Dann bist du?" Fragte Julius die Metallfrau, die seine Sprache konnte:

"Ashsanmiridia", antwortete diese. "Die erste, die das Leben hütet", übersetzte sie ihren Namen.

Julius erstarrte, als sie aus dem Tunnel herausflogen und durch eine weitläufige, von weißem Licht aus der Decke erleuchteten Halle flogen. Auf dem wohl fünfzig Meter unter ihnen liegenden Boden lagen große, wie schlafende Hunde oder Katzen zusammengerollte, echsenartige Wesen mit goldenen Schuppenpanzern und langen Schnauzen, goldene Drachen. Der Besucher Khalakatans versuchte ihre Anzahl zu schätzen. Doch bei knapp einhundert durchflog der Korb eine weitere Luke, raste einen Tunnel entlang, bog nach rechts in einen anderen Tunnel ein, der dann in einem weiteren breiten Schacht mündete, durch den es wieder mehrere hundert Meter nach oben ging. Dann machte der Korb einen Linksschwenk und durchflog einen etwas kürzeren Tunnel. Julius hatte schon längs die Orientierung verloren. So wunderte es ihn auch nicht sonderlich, daß der Korb im nächsten Schacht nicht stieg sondern rasant in die Tiefe stürzte. Jetzt war er froh, daß Daisanmiridia ihn sicher hielt, denn seine Füße verloren bei dem plötzlichen Sturzflug den Bodenkontakt und schnellten nach vorne und oben weg. die Androiden aus Atlantis standen sicher und fest. Womöglich waren sie auf abrupte Richtungsänderungen besonders gut eingestellt. Nach fünf Sekunden mit mindestens dreifacher Erdbeschleunigung nach unten schwenkte der Korb in einen weiteren Tunnel ein, der jedoch nicht mehr gerade verlief, sondern gebogen wie eine Spirale, die erst eng ansetzte und dann immer weiter ausgriff. Jetzt wurde es dem leidenschaftlichen Karussellfahrer und Besensportler langsam doch etwas flau im Magen. Besonders dann, als die Spirale sich weiter unten wieder zu verengen begann und die Fliehkraft ziemlich stark an Julius' Kopf und Körper zerrte. Dann neigte sich der Korb für einen Moment nach vorne, flog aus dem Tunnel heraus und bremste mit mörderischen Werten ab, die Julius nur verdaute, weil Daisanmiridia sich mit ihm drehte und ihm als Auffangkissen diente. Dann gab es ein lautes Kloing, und der Korb bewegte sich nicht mehr.

"Du bist an deinem Ziel", sagte der Truppführer. "Verlasse den Beförderer und betrete die Halle des Wissens, wo das gläserne Konzil dich erwartet!"

"Laßt mich erst einmal mein Gleichgewicht wiederfinden. Irgendwo unterwegs ist mir das verlorengegangen", seufzte Julius. Er dachte schon daran, daß er diesen Wahnsinnsritt noch einmal machen mußte, wenn er wieder zurückwollte. Ashsanmirridia legte ihm ihre goldenen Hände auf den Kopf und fuhr vorsichtig, ja irgendwie zärtlich seine Schläfen entlang, über die Wangen und dann über den Brustkorb. Dabei fühlte Julius, wie etwas in ihm kribbelte, als taste etwas ihn von innen her ab. Dann fühlte er einen leichten Ruck in beiden Ohren und hatte jedes Schwindelgefühl verloren.

"Du bist nun wieder frei von Unruhe, Julius Andrews. Begebe dich nun in die Halle des Wissens!" Sagte die goldene Magd mit ihrer warmen Stimme.

"Die im Krankenflügel würde Madame Rossignol den Job kosten", dachte Julius und schwang sich durch die sich von selbst öffnende Tür, landete federnd auf einem betonartigen Boden und hörte, wie der Truppführer klirrend hinter ihm landete und Ashsanmiridia ebenfalls den Korb verließ. Offenbar wollten sie ihn nun zu zweit begleiten. Doch sie führten ihn nur an eine Treppe heran, die steil nach oben verlief und auf halber Höhe in einem silbernen Dunst verschwand. Julius ergriff das Geländer zu beiden seiten der wie aus glas gebauten Treppe und stieg todesmutig hinauf. Die beiden metallischen Begleiter blieben zurück.

"Androiden draußenbleiben", dachte Julius leicht verächtlich, als er den silbernen Dunst berührte und statt kalten Nebel eine warme Brise auf der Haut empfand. Dann trat er durch den Dunst, erklomm noch eine Stufe ... und staunte nur noch.

 

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"Was werden wir tun, wenn der Junge wirklich nicht mehr wiederkommt, Blanche. Ich meine, nachdem, was Mildrid uns geschildert hat, mußte er gegen unerwartete Gegner und Zauber kämpfen", sagte Madame Rossignol.

"Falls das Mädchen uns die Wahrheit gesagt hat, Florence. Aber ich habe im Moment auch keinen Grund, anzunehmen, daß sie uns belügt, Florence. Sie ist in Julius so sehr verliebt, daß sie sich sogar für ihn töten ließe", schnarrte Blanche Faucon.

"Was wäre da so falsch dran, wenn er eine derartige Gefährtin hätte, Blanche?" Fragte Madame Rossignol. "Sie wissen, daß Claire ihr Leben für ihn aufgeben wollte. Sicherlich wird Julius ähnlich für Claire und jetzt für Millie empfinden."

"Millie? Sie meinen Mildrid", sagte Madame Faucon. "Der Vorname reicht schon als Maximalannäherung. Da muß es nicht auch ein Kosename sein."

"Blanche, entschuldigung, aber wie ich mit den Schülerinnen und Schülern spreche und sie anspreche obliegt mir. Da lasse ich mir nicht dreinreden. Genausowenig maße ich mir an, Ihren Unterricht zu bewerten, auch wenn zwischendurch Leute mit magischen Blässuren zu mir kommen. Aber ich weiß, daß dies zum Lernvorgang dazugehört. Wie ich die Schülerinnen und Schüler, besonders jene aus meiner Pflegehelfergruppe, anspreche, habe ich gemäß meiner langjährigen Erfahungen erarbeitet. Ich erwarte und bekomme dafür nicht weniger Respekt von meinen Pflegehelfern als Sie. Also lassen wir das bitte!"

"Sie hat uns erzählt, das auch die Verbindung der Herzanhänger unterbrochen ist", grummelte Madame Faucon. "Das heißt entweder, daß er in einen gegen alle wechselwirkenden Zauber abgeschirmten Bereich eingedrungen ist, das Schmuckstück verloren hat oder tot ist. Ich hoffe, das erste oder zweite trifft zu."

"Ich hoffe mal, nur das erste, Blanche. Denn Sie haben ja vorhin noch erwähnt, daß es praktisch sei, wenn jemand mitbekommt, ob es Julius gut ergeht und das er lebt."

"Nun, aber die zweite Alternative ist immer noch besser als die dritte", knurrte Madame Faucon. Madame Rossignol nickte beipflichtend.

"Nun, dann gibt es hier in Beauxbatons im Moment nicht mehr für mich zu tun", sagte Blanche Faucon leicht verdrossen. "Ich werde zu meiner Tochter nach Paris reisen und dort abwarten. Vielleicht kehrt die Verbindung zurück. Dann werde ich es bei Catherine so oder so erfahren, ob Sie mich informieren oder Mildrids enervierende Eltern. Vielen Dank für die Hilfe!"

"Grüßen Sie Ihre Tochter. Ihre Kleine ist ja ganz ruhig geblieben im Unterschied zu Mildrids kleinem Schwesterchen."

"Ja, das ist richtig. Offenbar hat Catherine sie vorher sehr gut versorgt", sagte Madame Faucon mit einem gewissen Lächeln, das jedoch nicht unbedingt aus großmütterlichem Stolz herrühren mochte, fand Madame Rossignol insgeheim.

Professeur Faucon nutzte die Reisesphäre nach Paris und flohpulverte sich vom Geschichtsmuseum aus in die Wohnung der Brickstons. Dort konnte sie Joe Brickston sehen, der sie fragend anblickte, sich aber wohl nicht traute, etwas zu fragen. Er grüßte nur kurz und knapp und ging dann in die Küche, um zu frühstücken, während Babette wohl im Wohnzimmer bei Claudine saß und ein merkwürdiges Lied mitsang, daß gerade im Fernsehen lief. Sie hörte Joe stöhnen und die Küchentür zudrücken.

"Tinky-Winky, Dipsy, Lala, Po ..." Trällerte Babette und amüsierte sich wohl, daß ihre kleine Schwester kiekste und lachte.

"Bist du in deinem Arbeitszimmer, meine Tochter?!" Rief Blanche Faucon.

Die Arbeitszimmertür ging auf, und Catherine kam heraus. Sie sah ihre Mutter an und strahlte.

"Na, ich finde nicht, daß du Grund hast, mich so fröhlich anzustrahlen, meine Tochter", zischte Blanche Faucon. Dann deutete sie auf das Arbeitszimmer.

"Soll das Unterhaltung für kleine Kinder sein, was Babette im Wohnzimmer hört und sieht?" Fragte Madame Faucon.

"Ja, Maman, ein eigentlich sehr primitives Puppentheater für Säuglinge und Kleinkinder, bei dem mit wenig Wortschatz und viel Wiederholung Wiedererkennungswerte erzeugt werden. Ich werde Claudine natürlich nicht diesem Unsinn alleine ausliefern. Aber Joe meinte, wir sollten ihr etwas von seiner Welt geben, damit sie in beiden Welten zurechtkommt."

"Gut, ich bin nicht hergekommen um mit dir die Ansichten dieser Fernsehleute, wem was wann zugemutet werden soll oder nicht zu diskutieren. Ich wollte dir lediglich sagen, daß wir den Kontakt zu Julius noch nicht wiederbekommen haben."

"Gut, das war zu befürchten, wenn er wirklich in einer mächtigen Stadt aus dem alten Reich unterwegs ist", erwiderte Catherine etwas bedrückt klingend. Sie hielt dabei ihren Geist gut verschlossen.

"Dann wollte ich dir in meiner mütterlichen Sorgfaltspflicht und Liebe mitteilen, daß ich euer Betrugsmanöver eben nicht weitermelden werde, obwohl meine eigene Tochter sich gegen drei Gesetze gleichzeitig vergangen hat. Oder willst du mir etwa erzählen, daß das eben meine Enkeltochter war, mit der du bei Madame Maxime warst."

Falls Catherine sich ertappt fühlte verbarg sie es gekonnt und fragte zurück:

"Entschuldigung, Maman, aber hast du deine Enkeltochter nicht erkannt, oder wieso fragst du mich sowas?"

"Ich habe einen Säugling mit dem Aussehen meiner Enkeltochter gesehen, der sich auffallend ruhig verhalten hat, auch als Madame Maxime für Kinderohren ungewohnt laut gesprochen hat. Sie hat zwar ein paarmal gequängelt, wohl aus Schmerz und einmal mit Miriam zusammengeschrien, aber eher so, als müsse sie genau Miriams Geschrei nachahmen und nicht ihr eigenes Geschrei hervorbringen. Will sagen, sie mußte einem anderen Baby das Schreien ablauschen und es dann nachmachen. Ich habe dich zur Welt gebracht, Catherine, Dein Vater und ich haben deine Cousins und Cousinen im Säuglingsalter oft genug bei uns behütet, und ich habe oft genug die Schreie von Säuglingen in Millemerveilles gehört und zuzuordnen gelernt, ob es wegen voller Windeln, Angst, Traurigkeit, Hunger oder Wut war. Madame Maxime konntet ihr beiden täuschen, weil sie selbst keine Kinder hat und in ihrer Verwandtschaft auch nie gefragt wurde, ob sie einmal auf einen Säugling achtgeben möge. Aber Madame Rossignol und ich sind nicht so unwissend, meine Tochter. Wie gesagt erzähle ich dir das in mütterlicher Sorgfaltspflicht und Liebe, weil ich zum einen verstehen will, daß deine Töchter eine Mutter behalten dürfen. Zum anderen will ich Schaden von dir abhalten. Zum dritten verstehe ich es zu gut, daß deine unmittelbare Nachbarin nun, wo sie in die meisten Details einbezogen wurde, mitbekommen möchte, wie es nun ausgeht."

"Entschuldigung, Maman, du meinst, das wäre nicht Claudine gewesen, sondern Martha? Ich finde, daß das jetzt doch sehr übertrieben ist."

"Drei Dinge, mein Kind, habe ich dir bereits nach deiner Geburt beigebracht und während deiner Zeit in Beauxbatons vertieft", setzte Madame Faucon an: "Höre darauf, was ich dir sage! Belüge mich nicht, wenn du weißt, daß ich schon längst die Wahrheit weiß! Halte niemanden für dümmer als du dich selbst! Hinzu kommt noch, daß du alles was du weißt von mir gelernt hast. Glaube es mir, Catherine, daß ich die Tricks schon ausprobiert habe, die du nur in der Theorie gelernt hast. Wie bereits zweimal erwähnt befinde ich aus mütterlicher Sorgfaltspflicht und Liebe, und auch aus mütterlicher Solidarität mit Martha Andrews, daß ich dich nicht wegen drei massiver Gesetzesverstöße anzeigen werde. Allerdings gebe ich dir den guten Rat: Tu sowas nie wieder, solange es keine lebensbedrohliche Lage erzwingt!"

Catherine sah ihre Mutter etwas weniger fröhlich an als vorher noch. Dann fragte sie:

"Drei Gesetze? Mir fielen nur zwei Gesetze ein: Magisch herbeigeführte Täuschung zum Zwecke der unerlaubten Informations- und Gegenstandsaneignung und Verabreichung magisch wirksamer Substanzen an magisch inaktive Menschen."

"Tja, und die Ausnutzung wehrloser und Schutzbefohlener zum Zwecke unrechtmäßiger Zaubereien, meine Tochter. Du mußtest ja wohl von deiner Tochter eine Haarprobe nehmen, um Martha für eine Stunde in meine Enkelin zu verwandeln, nicht wahr?" Versetzte Blanche Faucon.

"Ich habe bereits ausgefallenes Haar aus der Haarbürste genommen, Maman", gestand Catherine nun doch ein. "Ich würde nicht an Claudine herumrupfen."

"Wie gesagt, das bleibt unter uns. Euch beiden steht es frei, ob ihr Julius, sofern wir alle das Glück haben, ihn lebend wiederzusehen, in euer Täuschungsmanöver einweiht oder nicht. Ich für meinen Teil werde ihm und anderen gegenüber nichts darüber verlautbaren, auch nicht auf Nachfrage. Aber wie ebenfalls bereits gesagt: Tu so etwas nie wieder, solange es keine lebensbedrohliche Notlage gibt, die das erzwingt! Und mir fiele im Moment keine ein, die eine derartige Handlung decken würde. Ich werde jetzt zu Martha hinaufgehen und ihr den Stand der Dinge verkünden, wie sie sich nach eurer Abreise entwickelt haben. Ich wollte es eben nur gesagt haben, daß du mich nicht hast täuschen können, Catherine Brickston geborene Faucon."

"Danke für deinen Bericht und deinen Ratschlag, Maman", erwiderte Catherine nun wieder etwas gelassener. Denn ihr fiel ein, daß ihre Mutter ja selbst mit dran wäre, weil sie, als sie den Betrug gemerkt hatte, die betrogene, also Madame Maxime, nicht darauf hingewiesen hatte. Doch das wollte sie ihrer Mutter nun nicht noch mitgeben.

Martha Andrews saß in ihrem Arbeitszimmer und beendete gerade ein Telefongespräch.

Als Professeur Faucon höflich an der Wohnungstür klingelte sagte sie noch:

"Ich rufe dich an, wenn wir das endgültig wissen, Zach. Es hat geklingelt. Schlaf schön!"

"Immerhin konnte ich noch deine Stimme hören", sagte die Stimme am anderen Ende der Telefonleitung. "Grüß mir Julius, wenn er mit der ehrwürdigen Professeur Faucon von der Bildungsreise zurückkommt. Der arme Junge muß ja bei euch mehr ranklotzen als ich in Thorny."

"Das ist wohl wahr", stöhnte Martha und legte auf.

"Ich hatte noch einen Anruf zu beenden, Blanche. Tut mir leid, Sie so lange vor der Tür warten gelassen zu haben. Sie kommen gewiß, um mir zu erzählen, was es nun neues gibt."

"In der Tat", sagte Madame Faucon kurz und harsch, wie sie es oft tat, wenn sie ihre Zeit nicht vertuen wollte. Martha geleitete sie in das große Wohnzimmer. Von unten klangen die Geräusche des von Babette verfolgten Fernsehprogramms.

"Ja, Catherine und die Latierres kamen ja zu Madame Maxime und mir, um zu erfahren, was genau mit Ihrem Sohn passiert ist und jetzt weiterhin passiert, wenngleich wir das natürlich auch nicht wissen. Wir hatten zwar Hoffnung, über Mildrid Latierres Teil dieses gemeinsamen Schmuckstückes, von dem Ihr Sohn das Gegenstück trägt zu halten. Doch diese Verbindung ist nun ebenfalls abgerissen. Das heißt für mich in erster Linie, daß er in einen magisch besonders gut abgeschlossenen Bereich eingedrungen ist. Das heißt auch, daß der gefährlichste Teil wohl überstanden ist. Was wir jetzt natürlich nicht vorhersagen können ist die Zeit, die es dauert, bis er wieder zurückkehrt. Das kann in einigen Stunden vorbei sein oder einen Tag dauern. ich denke jedoch nicht, daß wir Wochen oder Monate warten müssen."

"Falls er dort, wo er jetzt ist, doch stirbt, Madame Faucon?" Fragte Martha Andrews ungehalten. "Wer ist dann dafür verantwortlich zu machen? Sie, Catherine, der Zaubereiminister, Madame Maxime, Schwester Florence Rossignol oder wer?"

"So armselig es jetzt für Sie klingen mag, Martha: Für diese Entwicklung, die mit alten Bildern eines böswilligen Zaubermeisters begann und im Moment einem weiteren Höhepunkt zustrebt, wäre einzig und allein jener magische Massenmörder zur Verantwortung zu ziehen, der meinen Mann auf dem Gewissen hat und Hexen und Zauberer wie Ihren Sohn zu auszuradierende Unpersonen erklärt hat. Doch ihn dürfte es nicht berühren, ob nun ein ihn verachtender und fürchtender Zauberer mehr aus der Welt ist oder nicht. Ebenso dürfte er sich nicht darum scheren, daß die Verwandten solcher Zauberer und Hexen betrübt sind. Eher würde er es als Gnade verklären, diese Verwandten dann auch noch ums Leben zu bringen. Wie gesagt hoffe ich, daß wir bald von Julius hören werden und vor allem, daß diese Reise ins Ungewisse einen greifbaren Nutzen erbringt."

"Sie hoffen, Blanche. Ihnen ist mein Sohn doch auch nicht nur als Schüler wichtig. Wie konnten Sie damals diesem Himmelfahrtskommando zustimmen, ob mit oder ohne schweres Herz?"

"Weil ich erkennen mußte, daß die heraufbeschworene Gefahr mit jeder Stunde, die sie unangefochten bestehen konnte, immer größer zu werden drohte. Es hätte keinem was genützt, wenn wir erst lange nach einer anderen Lösung gesucht hätten. Julius war sich der Situation, in die wir ihn schicken mußten wohl bewußt, Martha. Er ist für sein junges Alter bereits sehr weitsichtig und gewissenhaft. Ich hätte ihn bestimmt nicht mit zusätzlichen Informationen über wirksame Zauber ausgestattet wenn ich nur einen abenteuerlustigen Jungen vor mir gehabt hätte, der nur mal eben ein paar böse Ungeheuer bekämpfen und einen fiesen Zauberer wie im Stile eines Kasperlstückes eins überziehen wollte. Ich habe ihn soweit optimal mit Wissen und Ausdauer präpariert, während das Ministerium ihn mit wirksamer Ausrüstung ausgestattet hat. Dann kam noch Goldschweif als ungeahntes Trumpfas hinzu, um ihn vor Gefahren zu warnen und ihm im Bedarfsfall den Rückweg zu zeigen. Wir haben also alles ausgeschöpft, was an Mitteln verfügbar war, Martha. Zwar befindet er sich jetzt in einer etwas heikleren Lage, weil er nicht mit Goldschweif zusammen abreisen konnte, aber von der Ausrüstung und dem Wissen her ist er genauso gut ausgestattet wie damals. Und er hat noch einen Vorteil: Er wurde von jemandem auf die Umgebung vorbereitet, in der er sich jetzt bewegt. Außerdem besteht die Chance, wieder mit ihm Kontakt zu bekommen, bevor er von dort abreist."

"Ich weiß, ich würde Ihnen nur fortwährend wehtun, wenn ich Ihnen Heuchelei oder Verlogenheit unterstellen würde, Blanche. Immerhin wollte ich ja auch, daß die Ursache seines Alptraumes gefunden und behoben wird. Wäre schön, wenn ich meine Alpträume mit einer Reise ins Ungewisse ein für allemal eliminieren könnte."

"Das ist sehr freundlich, daß Sie mir nicht unterstellen, Sie zu belügen. Und was Reisen angeht, so sind sie ja nur die räumliche Ausprägung einer Veränderung des Alltags oder des allgemeinen Ablaufes. Manchmal reicht ja schon eine Stunde neuer Erfahrungen, um einen anderen Blick auf die eigene Situation zu bekommen", sagte Madame Faucon mit hintergründiger Miene. Bei Martha läuteten die inneren Alarmglocken. Sie wappnete sich, egal was jetzt kommen würde keine Regung zu zeigen.

"Insofern wollte ich Sie auch darüber in Kenntnis setzen, daß es mir nicht entging, daß Sie, Martha, entweder auf Ihr Betreiben oder auf das meiner Tochter hin, eine Stunde lang den Körper meiner Enkeltochter Claudine angenommen haben, obwohl ich weiß, daß Sie wissen, daß dazu ein hochpotenter Zaubertrank oder eine mächtige Verwandlung notwendig ist und Sie keinen Zaubertrank verabreicht bekommen dürfen. Abgesehen davon war es eine arglistige Täuschung von Madame Maxime, die mir strickt untersagt hat, Sie in alles einzuweihen. Ich unterließ es, meine Vorgesetzte darüber zu unterrichten, daß Sie bereits eingeweiht wurden. Daß Sie jedoch die Initiative ergriffen und sich eine Stunde lang in den Körper eines Säuglings haben zurückverwandeln lassen, nur um das zu hören, was Catherine und ich Ihnen eh mitgeteilt hätten ... Ich sehe es Ihnen an, Sie versuchen, sich durch gekonnte Selbstbeherrschung zu schützen, meine Worte sozusagen für unstimmig anzusehen. Aber ich weiß es, daß Sie mit meiner Tochter zusammen ankamen. Sie wissen, daß Sie den Kamin nicht benutzen dürfen und daß sie keine Zaubertränke einnehmen dürfen, abgesehen davon, daß Claudine nichts dagegen tun konnte, daß jemand etwas Haar von ihr an sich brachte, um Ihnen ihren Körper auszuleihen. Ich habe es bereits meiner Tochter gesagt, daß ich weiß, wie ein Säugling im zweiten Lebensmonat schreit. Das Kind, daß meine Tochter mitbrachte, wirkte so, als müsse es den Schrei eines anderen Säuglings genau nachahmen, wie jemand lernen muß, bestimmte Töne nachzusingen. Ich werde von einer Anzeige meiner Tochter absehen, weil ich weder meinen Enkeltöchtern die Mutter, noch Julius die magische Fürsorgerin abspenstig machen möchte. Ich habe Catherine dringend geraten, soetwas nicht noch einmal zu tun. Was Sie angeht, Martha, so wissen Sie vielleicht, daß Ihr Sohn sich im Rahmen meines Ferienunterrichtes einmal freiwillig einem mächtigen Verwandlungsfluch unterziehen ließ, der jemanden dazu verurteilt, bis zu einer Umkehr des Fluches oder auf natürliche Weise entwachsen das Dasein eines Säuglings zu führen. Ich schätze einmal, die Erfahrung, die Sie in Claudines Körper gewonnen haben, dürfte Ihnen eine wirksame Lektion gewesen sein, es nicht darauf anzulegen, daß jemand diesen Fluch gegen Ihren Willen auf Sie anwendet. Verstehen Sie das jetzt bitte nicht als Drohung! Es geht mir nur darum, daß ich die Gewißheit habe, daß Sie ein derartiges Experiment nicht erneut an sich vornehmen lassen."

"So, wenn ich derlei getan hätte, müßte ich mich doch daran erinnern", meinte Martha. Madame Faucon lächelte überlegen.

"Natürlich tun sie das. Aber meine Tochter hat neben einem Vorrat des bezeichnenden Trankes auch drei sogenannte Bergesteine Vorrätig, um kleinere Geheiminformationen im Zusammenhang vor fremden Zugriff zu bewahren. Alles was sie kann und kennt, habe ich ihr zusammen mit meinen Kollegen und Kolleginnen in Beauxbatons beigebracht. Deshalb können Sie natürlich jetzt überlegen behaupten, niemand könne Ihnen eine Erinnerung an diese eine Stunde nachweisen. Soll ich Ihnen was sagen? Das ist auch gut so, daß meine Tochter so umsichtig gehandelt hat, wenn sie schon einmal an diesem Tag ihre Vernunft außen vor gelassen hat. Das wollte ich Ihnen nur erzählen, damit Sie wissen, woran Sie bei mir sind. Ich habe es Catherine freigestellt und tue dies auch bei Ihnen, Martha: Falls Sie Wert darauf legen, daß Julius von Ihrem Experiment und dem damit einhergehenden Täuschungsmanöver erfährt, teilen Sie es ihm mit! Ich von meiner Seite aus werde ihm darüber keine Auskunft erteilen, auch nicht auf seine Nachfrage." Martha Andrews nickte. Sie hatte einen groben Fehler begangen, als sie Catherine zu diesem Versuch verführt hatte: Sie hatte die Erfahrung und die Intelligenz eines anderen Mitmenschen unterschätzt. Das, so wußte sie, war unverzeihlicher als die Gesetzesverstöße, derer sich Catherine und sie schuldig gemacht hatten.

 

__________

 

Julius blickte mit weit offenem Mund nach oben, dann ringsherum. Dann sah er auf den Boden. Er stand in einer andren Halle, mindestens zweihundert Meter durchmessend. Er fühlte sich wie in einer riesigen Kristallkugel eingesperrt. Ringsumher blitzten und glitzerten aberhunderte, mehr als zwei Meter große Zylinder, die alle mit einer mondlichtfarbenen, gasartigen Substanz angefüllt waren. Er stand genau auf der unteren Polwölbung dieser riesigen Kristallkugel, in der eine herrlich sauerstoffreiche Luft vorherrschte. Der Blick von unten nach oben ließ die unzähligen Glaszylinder immer mehr zu winzigen, dicht beieinanderstehenden Sternen schrumpfen. Jetzt wußte er auch, warum der letzte Tunnel, durch den der Transportkorb sie getragen hatte, erst eine enge, dann weite und dann wieder enge Spirale beschrieben hatte. Sie waren oberhalb des oberen Pols in den Tunnel eingeflogen und hatten die ganze Kugelkammer von außen umrundet, bis sie unterhalb des überwältigend großen Raumes anhalten konnten. Er lauschte und hörte ein ganz feines Singen, daß von überall zugleich kommen mochte. Es war ein relattiv niedriger Grundton, dem einige Töne ganz leise überlagert waren. Es schien, als sänge diese umfangreiche Konstruktion aus mit silbernem Leuchtstoff oder Plasma oder was auch immer gefüllten Zylindern ein ewiges Lied, einen beständigen Ton, der den Lauf der zeit und den Augenblick vereinte. Julius hatte in seinem Leben noch nie etwas erhabeneres, mächtigeres, ja auch schöneres gesehen. Allein der Blick hinauf zum oberen Scheitelpunkt ließ ihn daran denken, innerhalb einer sternenreichen Galaxis zu schweben, und die angenehm kühle, unerwartet saubere Luft, die glatt aus einem Hochgebirge importiert worden sein mochte, schmeichelte ihm. Das sollte sie also sein, die Halle des alten Wissens. Er kannte eine Festung des alten Wissens. Aber die wurde wohl nur so genannt, weil dort einige Artefakte und Schriften aufbewahrt worden waren, die den Untergang von Atlantis überdauert hatten. Das hier war wesentlich umfangreicher. Das silberne Licht weckte in ihm die Erinnerung an die letzte Stunde, die er in Belle Grandchapeaus Klasse mitbekommen hatte. Damals hatte Professeur Faucon die Unterrichtseinheit Mentalmagie, vor allem die Abwehr fremder Zugriffe auf den eigenen Geist, begonnen und auch einen Behälter vorgeführt, der mit genau dieser Substanz gefüllt war. Professeur Faucons Erläuterungen nach konnte jemand seine Erinnerungen in ein solches Gefäß einlagern. Wenn also dieses silberne Leuchten aus den Zylindern nichts anderes als eingelagerte Erinnerungen war, dann ruhte in dieser Kugelhalle womöglich das Wissen eines ganzen Volkes, die ganze Geschichte, alle Erlebnisse und Emotionen wichtiger und weniger wichtiger Personen. Er stand in einer Schatzkammer, wenn das stimmte, in der größten Schatzkammer des bekannten Universums. Jetzt verstand er, warum Darxandria wollte, daß er hierherkam. Denn wenn er herausfand, wie er diese Unmenge Erinnerungen lesbar machen konnte, was Tage oder Wochen dauern mochte, dann konnte er alles erlernen, was die alten Atlanter für die Nachwelt aufbewahrt hatten. Sollte er sich jetzt stolz, erhaben, auserwählt oder doch nur winzigklein fühlen, daß er, ein Teenager, diese heilige Halle betreten durfte, um zu sehen, wie unermeßlich angesammeltes Wissen wirken konnte? Doch da stellte sich eben schon das Problem: Wie konnte er Zugang zu diesem Wissen erlangen, und wie konnte er in den ganzen aufbewahrten Erinnerungen genau das finden was er suchte? Was nützte einem eine zehn Millionen Terabyte speichernde Festplatte, wenn es kein Programm gab, daß derartig große Datenmengen verwalten und die Platte abrufen konnte? Was nützten die gespeicherten Daten, wenn das nötige Verarbeitungsprogramm dafür fehlte? Was nützte eine Bibliothek voller dicker Bücher, deren Schrift keiner mehr kannte? Doch Darxandria hatte ihn hergeführt, bestimmt nicht, um in dieser riesenhaften Kugelhalle klein und hilflos herumzustehen. Er entsann sich seiner früheren Rollen- und Computerspielzeiten. Was machte man, wenn man in einen unbekannten Raum eintrat? Man sah sich um und untersuchte die unbekannten Sachen so gründlich wie es ging. Also wollte Julius nun einen der ihm nächsten Zylinder untersuchen, um zu erfahren, ob sie nur Behälter oder auch Vermittler des hier gespeicherten Wissens waren. Da durchzuckte ihn ein Satz, den er vorher noch gehört hatte: "Verlasse den Beförderer und betrete die Halle des Wissens, wo das gläserne Konzil dich erwartet!" Hatte der Truppführer seiner Geleitmannschaft gesagt. Das gläserne Konzil. Das klang komisch und doch auch irgendwie erhaben. Er wurde erwartet. Dann mußte es doch möglich sein, die wartenden auf sich aufmerksam zu machen. So trat er an den ihm nächsten Glaszylinder heran, der aus der Nähe betrachtet groß genug für einen aufrecht darin stehenden oder ausgestreckt liegenden Menschen von sogar mehr als zwei Metern war. Er mußte grinsen, wenn er dachte, daß selbst Ursuline Latierre mit ihrer Größe und Leibesfülle bequem in diesem Zylinder hätte stehen können. Vorsichtig näherte er sich dem Glasgefäß. Da passierte es. Die Substanz darin, die wie eine Mischung aus Gas und Mondlicht aussah, veränderte ihre Ausdehnung. Sie zog sich zusammen, wechselte dabei die Farbe, wurde von Silbernweiß zu golden, verdichtete sich mehr und Mehr, bis Julius einen menschlichen Körper zu erkennen meinte, der aus goldenem Licht bestand und sich noch mehr zusammenzog, bis er einen Mann in einem langen, aus sich selbst leuchtendem Gewand sah, der wenige Zentimeter über dem Grund des Zylinders schwebte. Der Mann aus Licht, der nun immer klarere Konturen bekam, besaß ein rundes Mondgesicht mit einer spitzen Nase und großen, runden Augen. Die Ohren standen etwas ab, was dem nun beinahe materialisierten Mann im Zylinder ein leicht komisches Aussehen verlieh. Dann, als Julius und die Erscheinung im Zylinder sich mehr als dreißig Sekunden angesehen hatten, öffnete der Fremde seinen schmalen Mund und sagte etwas in jener Julius total fremden Sprache. Doch er verstand ihn ohne Übersetzer. Es war wie damals in Ashtarias Leib, wo er Yassin Iben Sinas arabische Worte verstanden hatte. Wirkte hier derselbe Zauber, der alle Sprachen verständlich machte?

"Gegrüßet seist du, Besucher aus der Außenwelt. Es ist lange her, daß jemand den Mut und die Neugier aufbrachte, bis zu uns Altmeistern in die Halle des Wissens vorzudringen", sagte der Fremde, und seine Stimme klang sphärisch, nicht hohl wie aus einem geschlossenen Behälter.

"Guten Tag oder auch Gegrüßet seist du! Ich bin Julius Andrews. Und mit wem habe ich die Ehre?"

"Garoshan, der Hüter des Eingangstores, Mittler zwischen den Sphären des Himmels und den Tiefen der Erde, Kenner aller Altmeister, Sprecher im gläsernen Konzil", sagte die Lichtgestalt im Glaszylinder. Julius verneigte sich kurz. Als er dann wieder nach oben blickte, fiel ihm auf, daß das bisher so gleichförmige Leuchten irgendwie lebendig geworden war. Auch das leise Singen war einem vielstimmigen Trillern, Säuseln, Klingeln und Raunen gewichen. Dasselbe abenddämmerungsgleiche Blau, welches die mächtige Kuppel über der Stadt ausstrahlte, beherrschte nun die riesenhafte Kugelhalle.

"Ich fühle mich sehr geehrt", erwiderte Julius so respektvoll klingend wie ihm möglich war. "Ihr seid also der Torwächter hier?"

"Der Altmeister, welcher den Suchenden begrüßt, Julius Andrews. Doch sage mir, wer dich zu uns gesandt hat!"

"Es war Darxandria, die letzte große Herrscherin der hellen Kräfte", erwiderte Julius Andrews wahrheitsgemäß. Garoshan sah ihn ruhig an. Doch in den anderen nahegelegenen Zylindern setzte ein Wispern und Tuscheln ein, daß zu vielfältig war, als daß Julius einzelne Wörter daraus herausgehört hätte.

"So berühre meine Wohnstatt, Besucher aus der Außenwelt, um die Wahrheit deiner Worte zu beweisen!" Befahl Garoshan sehr nachdrücklich, wenn auch nicht streng klingend. Julius fühlte sich an Professeur Énas erinnert, der ihn in Verwandlung praktisch geprüft hatte. Er fühlte überhaupt kein Mißtrauen oder gar Angst als er auf den gläsernen Zylinder zutrat und die rechte Hand, mit der er sonst den Zauberstab führte, auf die durchsichtige Oberfläche legte. Sie fühlte sich warm an, wie eine heiße Tasse Tee. Dann fühlte er, wie das scheinbar kristalline Material immer weicher wurde, als habe er heißes Gummi unter den Fingern, die darin nun immer mehr einsanken. Gleichzeitig fühlte er ein sachtes Vibrieren, das seinen Arm durchpulste und dann seinen Körper erfaßte. Wieder sah er jenen goldenen Schimmer auf seinem Körper leuchten, während er meinte, beinahe durch die gewölbte Wand von Garoshans Aufbewahrungsstätte zu dringen. Er blickte auf seine Hand, die gerade wie selbst hinter Glas und über allen Fingern golden leuchtend im wohl doch etliche Zentimeter dicken Material vergraben war, unterdrückte den Drang, die Hand zurückzureißen und sah, wie die vorhin bereits beschworene goldene Lichtaura seinen Körper vollständig umgab wie eine nichtstoffliche Umhüllung. Für wenige Sekunden vermeinte er, Darxandrias Gestalt vor seinen Augen vorbeifliegen zu sehen, hörte einige der Worte, die sie ihm gesagt hatte. Dann fühlte er, wie die im Moment puddingweiche Substanz seine Hand zurückdrückte. Ohne Geräusch und ohne anzuhaften schob die durchsichtige Wand Julius' Zauberstabhand wieder nach außen. Als sie dann nach einer Sekunde freikam, erlosch die goldene Lichtumkleidung um Julius' Körper. Der Jungzauberer blickte ergriffen von diesem Spektakel auf seine unversehrte, unveränderte Hand und dann wieder auf Garoshans Zylinder. Noch einmal drückte er die Hand an die Außenwand. Doch diesmal blieb sie hart und unnachgiebig. Er klopfte kräftig dagegen und hörte beinahe keinen Hohlklang. Die Wand fühlte sich immer noch wie eine erhitzte Glaswand oder Teetasse an, war jetzt jedoch wie Panzerglas oder durchsichtiges Metall, wie es in Zukunftsgeschichten gerne benutzt wurde.

"Ich habe deinen stofflichen und übergeordneten Körper geprüft und das Siegel Darxandrias gefunden, das deinem inneren Selbst aufgeprägt wurde, Julius Andrews, Sohn der Martha und des Richard, Träger einer vereinten, nach langen Zeiten wiedererwachten Kraft, Bewahrer des Siegels der letzten Herrscherin vom Berge des Lichtes", sprach Garoshan nun sehr erhaben. In den anderen Zylindern wurde noch lauter getuschelt. Doch immer noch konnte Julius nichts daraus heraushören. Der Jungzauberer vermutete, daß Garoshan einst wie der sprechende Hut von Hogwarts seinen ganzen Geist und seine Persönlichkeit durchleuchtet hatte. Dann sagte der Altmeister, der hier wohl als Empfangschef fungierte: "Ich weiß, wie du das Siegel empfingst und warum. Ich erfuhr, welche Entbehrung du dafür hinnehmen mußtest und erhielt Kenntnis darüber, welchen Gefaren du dich bereits stellen mußtest. So weiß ich auch, warum Darxandrias lebendiges Selbst, daß sie einst statt es in dieser Halle einzubetten in ein von ihr gefertigtes zeichen ihrer Erhabenheit einfügte, dich zu uns gesandt hat. Doch um dir auf deiner Suche zu helfen, muß ich dir einiges erläutern, daß wir hier als Regel des Himmelsbergerzes beachten und dem unser Zusammensein und Zusammenhalt hier unterworfen ist. So höre!

Wir, die du hier siehst, sind insgesamt achthundert große Beherrscher der übernatürlichen Kraft, die wir damals in Altaxarroi, welches unsere leider nicht mehr ganz so kundigen Nachkommen Atlantis nannten, erwarben, erforschten und mehrten. Die mächtigsten aus unseren Kreisen bildeten den Rat der zehn, die Hochkönige und -königinnen unserer Heimat. Wir sind ihre Brüder und Schwestern, die wir beschlossen haben, unser Wissen und Streben nicht mit unserem Geist in alle Winde auszuhauchen, sondern an sicheren Orten zu verwahren, auf daß wir weiterhin denen beistehen, die in unserem Sinne regierten und unser Wissen nutzten, um das große ganze zu erhalten. Doch da wir wissen, daß jeder einzelne nur einen winzigen Teil des gesamten Wissens erwerben und in sich aufnehmen konnte, wurde vor Äonen verfügt, daß jeder, dem es gestattet wird, uns aufzusuchen, nur den Teil an Wissen erhalten darf, der seinem oder ihrem Streben nützt und nicht zum Allmachtsglauben verleiten kann. Schöpfung, Leben und Vernichtung sind durch uns in dieser Halle vereint und können in Form von Neuigkeiten und Bildern vermittelt werden. Doch niemand kann alles wissen. so schützen wir den Suchenden vor übermäßigen Kenntnissen, die seinen einzelnen Geist überlasten und diesen in sich zusammenbrechen lassen können. Also wirst du nicht das gesamte Wissen erwerben, daß wir hüten, Julius Andrews. Du vermagst nur einen winzigen Teil davon in dich aufzunehmen. Jenen Teil, der deiner geistigen Größe angemessen und für deine eigene Kraft verwendbar ist."

"Dann kann ich nicht erfahren, was Darxandria mich euch zu fragen gebeten hat?" Fragte Julius etwas enttäuscht.

"Du kannst deine Fragen stellen und wirst ausreichendes Wissen erwerben, Julius Andrews. Doch du wirst nur die Kenntnisse gewinnen, die du selbst tragen und benutzen kannst, damit dein Geist nicht unter allem zusammenbricht, was wir zusammen hüten", erwiderte Garoshan erhaben klingend. "Das ist die Orichalkregel, das Gesetz des verkraftbaren Wissens, dem wir hier alle unterworfen sind. Ich ergründete deine Neugier und Auffassungsgabe, welche es dir in Verbindung mit der übergeordneten Kraft ermöglichen, bereits im jungen Alter mächtige Dinge zu bewirken. Doch im Vergleich zu dem, was wir hier kennen und in unserem stofflichen Leben erfahren und erschaffen haben, ist deine Macht viel zu gering, um mehr als für dich verständliches und anwendbares zu erlernen. Außerdem ist ein Teil dieser Regel, daß nur solche Altmeister ihr Wissen weitergeben, denen dein Streben gewogen ist. Wir hier wissen zwar von allen alles, weil wir in ständiger Verbindung stehen, wie du selbst mit den beschränkten Sinnen des Körpers erahnen kannst. Doch nur wer deinem Sinn nahesteht und dein Trachten schätzt, wird dir das erzählen, was du seiner oder ihrer Meinung nach erfahren sollst, um mit der dir gegebenen Macht bestmöglich handeln zu können."

"Eine Frage habe ich", setzte Julius eine Halbe Minute nach Garoshans letzten Worten an, als er es verdaut hatte, daß er wohl gerade genug lernen würde, um nicht größenwahnsinnig zu werden. "Habt ihr alle euch wirklich freiwillig hier aufbewahrt?"

"Diese Halle duldet keinen Zwang, Julius. Wer hierher kommt, um nach dem stofflichen Dasein weiterzubestehen, tut dies aus völlig freien Stücken. Denn sonst würde die hier wirkende Kraft, ihn oder sie aufzunehmen, ihn oder sie zurückweisen", antwortete Garoshan milde lächelnd. "Es gab viele in den viertaussend Sommern Altaxarrois, die Macht und Wissen genug sammelten, um die Aufnahme in die Halle des Wissens zu erbitten. Doch nur ein Zehntel dieser großen Trägerinnen und Träger der Kraft nahmen dieses Vorrecht in Anspruch. Und den Mitgliedern des Zehnerrates war es per Gesetz untersagt, ihr Selbst in dieser Halle überdauern zu lassen. Wer von Rang und Ernennung her zu einem Mitglied des großen Rates der Zehn berufen wurde, blieb dies das ganze stoffliche Dasein lang und gab den Leib der Erde zurück und atmete sein Selbst in alle Winde und schenkte sein inneres Licht dem großen Himmelsfeuer, das wie seine Geschwister in großer Ferne die kalte Dunkelheit erhellt und erwärmt und damit alles lebendige entfacht."

"Ist es dann nicht so wie in einem Gefängnis, wie ihr hier alle seid?" Fragte Julius mitleidsvoll, weil er sich vorstellen konnte, daß diese Altmeister, die jeder für sich wie Ashtaria oder Ammayamiria beschaffen sein mochten in diesen räumlich eng begrenzten Aufbewahrungszylindern steckte wie ein Huhn in einer Legebatterie. Die Antwort auf seine Frage war zunächst ein lautes, durch die ganze Halle dröhnendes Klirren, als bräche gleich alles hier auseinander und würde von weit oben auf ihn herabregnen und ihn unter millionen Splittern töten und begraben. Doch dann hörte er aus dem lauten Klirren ein vielhundertfaches Lachen heraus. Ja, und auch der ihn gerade anblickende Altmeister lachte lauthals. Sein Zylinder dröhnte unter der Lachsalve, blieb jedoch ansonsten unbeschädigt. Als nach einer halben Minute der Lachsturm und das Klirren abebbten, sagte Garoshan beruhigend lächelnd:

"Zum einen können wir ständig miteinander in Verbindung treten und dabei unser gesammeltes Wissen weitergeben und durch vielschichtige Denkprozesse erweitern. Zum anderen vermögen wir durch die Macht, die in uns vereint ist, in die fünf körperlichen Sinne lebendiger Wesen hineinzufühlen, ohne die Wesen selbst zu irgendwelchen Handlungen veranlassen zu können. Denn dieses ist uns durch das erwähnte oberste Gesetz unmöglich. Somit erfahren und erlernen wir immer wieder neues und können es einordnen. Wir können Lebenskreise mitverfolgen und dabei erkunden, wie ein Leben ein anderes bewegen kann. Du würdest es als Traum oder Phantasie verstehen oder auch als von außen zugeführtes Erleben durch Mittel der Kunst und der Technik. Ich habe schon das Leben großer Männer und Frauen miterlebt, ohne daß ich darauf Einfluß nehmen konnte und ohne daß diese Menschenwesen meiner Gegenwart bewußt werden konnten. Ebenso haben die meisten hier bestehenden Altmeister dergleichen an Erfahrungen gesammelt. Auch konnten wir in die Sinneswelt anderer Lebensformen hineinfühlen, mal Grünalge sein und mal stattlicher Urwaldbaum, mal einzelliges Tier und mal eine Echse aus noch weiter zurückliegender Vorzeit. Denn wir vermögen auch weit in die Vergangenheit zurückzublicken, vor uns bestandene Leben zu erforschen, neues daraus zu erlernen oder altbekanntes auf seine Gültigkeit zu prüfen. Nur die Zukunft setzt uns eine Schranke, weil sie nur zu einem winzigen Teil gleichförmig verläuft, ähnlich wie ein Sandkorn, das in einem großen Strom treibt oder ein Wassertropfen, der in einer dahinziehenden Wolke schwebt. Dadurch ist unser Dasein keine ewige Gefangenschaft, keine Hölle, wie sie die an Gottesbilder gebundenen Menschen ersonnen haben, um sich Gesetze und Verhaltensregln aufzuerlegen. Das einzige Hindernis zwischen uns und der Außenwelt ist die Orichalkregel, die die Macht dieser Halle bildet und von keinem einzelnen von uns oder allen zusammen umgangen werden kann. Wir harren hier aus, um denen, die Wissen suchen das Wissen zu geben, daß sie aufnehmen und vertragen können."

"Hätte ja sein können ...", antwortete Julius abbittend dreinschauend und fühlte sich schwindelig, wenn er daran dachte, daß diese Altmeister mal soeben ein komplettes Leben wie einen rundumfernsehfilm mit Geruchs- und Geschmackseindrücken miterleben oder im Schnellrücklauf und Vorlauf abgrasen konnten, ohne es zu verändern. Das war dann so, wie ein bereits aufgenommener Videofilm zwar immer wieder vor- und zurückgespult und an verschiedenen Stellen angehalten werden konnte, es den darin mitspielenden Figuren jedoch nicht auffiel, ja sie trotzdem immer genau das machten, was sie in diesem Film taten. Wenn dann so ein Altmeister nicht nur Menschenleben wie milliardenfache Videofilme abspielen konnte, sondern auch in Pflanzen oder Tiere hineinhorchen konnte, dann hatte jeder genug Stoff für eine Ewigkeit. Es war Julius etwas unheimlich, jetzt zu wissen, daß da wirklich jemand war, der ihn beobachten konnte. Früher hatten sie ihm erzählt, Gott sähe alles. Mochte sein, daß diese Altmeister hier alles sehen konnten, aber im Gegensatz zu jenem Schöpfer von Himmel und Erde, der nicht nur alles sehen, sondern auch alles machen konnte, waren sie eben nur Zuschauer. Sie konnten das große Spiel der Menschheit nicht einfach in von ihnen gewünschte Bahnen lenken. Sie konnten nur die Leute beeinflussen, die es wagten, zu ihnen vorzudringen und nach bestimmten Antworten suchten. Insofern konnte es Julius Andrews egal sein, ob jemand alle Erlebnisse von ihm mitverfolgen konnte oder nicht, solange derjenige damit nicht mehr anfangen konnte als es zur Kenntnis zu nehmen. Das war wohl der Preis für die Unsterblichkeit und Allwissenheit, fand Julius. Wer immer diese Halle errichtet hatte hatte einen Moment großer Geistesgegenwart besessen und sehr viel Weisheit gezeigt, die hier überdauernden Magier daran zu hindern, wie ein Sammelbecken von Göttern zu existieren, die wie die Götter der Griechen und Römer mal soeben in das Leben von Menschen hineinfuhrwerkten, Völker in Kriege trieben oder einzelne Menschen aus Liebe oder Gemeinheit mit großen Gaben oder Flüchen bedachten. Der Jungzauberer nickte noch, als ihm klar wurde, daß er diese Erläuterung wohl nicht erhalten hätte, wenn er nicht irgendwie damit leben konnte. So fragte er jetzt nach den Skyllianri.

"ich kann und will dir nicht alle Fragen beantworten, die du beantwortet bekommen darfst. Dafür sind andere Altmeister hier besser geeignet. Doch was ich dir für deine weitere Suche mitgeben will ist die Fähigkeit, die Kraft zu nutzen, um dich in alle Richtungen dieser Halle bewegen zu können. Denn wie du vor dem Turm der vereinten Gewalten bemerkt hast, wird jedem toten Ding, das durch einen winzigen Teil der Kraft zur Bewegung befähigt wird eben diese Fähigkeit genommen, bis es aus dem Kreis der vereinten Gewalten wieder hinausgetragen wurde. Nur lebendigen Trägern und Lenkern der Kraft ist es dann noch möglich, in alle Richtungen des Raumes zu gelangen, der alle Körper an sich ziehenden Kraft aus dem Körper der Erde zu entrinnen, ja in den Lüften zu schwimmen wie Fische im Wasser. Da ich als Mittler zwischen den himmlischen Gefilden und den Tiefen der Erde die Kenntnisse von Luft und Erde besitze, kann und werde ich dir nun erläutern und verinnerlichen, wie du selbst die alles anziehende Kraft zwischen deinem Körper und dem der Erde überwinden kannst. Denn dein hölzernes Fluggerät ist dafür im Moment unbrauchbar. So vernimm nun, wie du zu Ianshira, der Wahrerin des Schöpferischen gelangen kannst!"

Die nächsten fünf Minuten hörte Julius ihm fremdartig und doch so vertraut klingende Worte nicht nur mit den Ohren. Es war, als mentiloquiere der Altmeister die Formeln, die ihm eine begrenzte Macht über die Schwerkraft gaben. Es war für ihn, so fand er, wie ein Fernbewegungszauber, ein telekinetischer Trick, wobei der Anwender seine eigene Körpermaterie beeinflußte, sie förmlich mit magischer Energie durchflutete und damit der allgegenwärtigen Schwerkraft entwand, ohne die Körpermaterie selbst zu verändern. Julius erinnerte sich an Gravitationszauber, die für eine gewisse Zeit Schwerelosigkeit in einem Raum erzeugen, einen Gegner vom Boden abheben lassen oder einen bereits schwebenden Körper sicher oder schnell zu Boden bringen konnten. Doch all diese Zauber wirkten mechanisch im Vergleich zu dem, was Garoshan ihm nun beibrachte. Er erkannte, daß er nicht alle formeln wiederholen mußte, um wie ein Vogel zu fliegen, aber diese Formeln seinen Geist für die Magie öffneten, die dazu nötig war, bis er nach jenen fünf Minuten verstärkten Einzelunterrichts die entscheidenden Denkmuster verinnerlicht hatte, um mit oder ohne Zauberstab und ohne Besen oder Flugteppich zu fliegen. Diese Denkmuster prägten sich so tief bei ihm ein, als habe er eine neue Karateübung zehnmal wiederholt oder einen neuen Tanz so gut gelernt, daß er nicht mehr daran denken mußte, wie er nun die Füße setzen mußte und gleichzeitig den Körper zu drehen hatte, sondern es einfach tat, weil die Abläufe dafür gut eingeübt waren. Dann hörte er Garoshans Worte:

"Nun, wo du erlernt hast, dich ungebunden in alle deinen Körper durchlassende Richtungen zu bewegen, gehe nun aus und suche Ianshira, die Wahrerin des Schöpferischen! Ich werde dir nicht sagen, wo sie sich befindet. Dein Wissensdurst und deine Auffassungsgabe sollen dich leiten. Denn der Weg selbst ist auch immer ein Ziel." Dann machte er sanft eine von sich fortweisende Handbewegung, die die Kugelhalle einmal ganz überstrich, so daß Julius nicht wußte, wohin er jetzt gehen oder besser fliegen sollte. Doch eine Frage hatte er noch, weil er so neugierig war:

"Was bedeutete es, daß bei meinem Empfang erst Wächter in drei Farben zu mir kamen und dann nur die in Sonnengelb mich hergebracht haben? Was haben die Farben zu bedeuten?"

"Der Farbton der Sonne steht für Schöpfung und Licht. Der Farbton des Blutes steht für das körperliche Leben und die es bestimmenden Elemente Feuer, Gestein, Metall, Wasser und Luft und deren Abwesenheit, die du als völlige Leere kennst. Die Farbe des mitternächtlichen Himmelsgewölbes steht für den Ursprung in der Dunkelheit, aber auch für alle zerstörerische Gewalt, in der einst alles wieder verschwinden wird, wenn die Himmelsfeuer nicht mehr brennen können. Da Darxandria dem schöpferischen, sowie dem Licht verbunden war, schickte der Bewacher des Turmes nur jene aus, die das Leuchten der Sonne als ihre Farbe tragen. Mit diesem Wissen ausgestattet wird es dir nun leicht fallen, zu finden, was dich herführte oder zumindest etwas zu erfahren, was dir und den dir Verbundenen helfen wird, das gemeinsame Ziel irgendwann zu erreichen. Wenn du deinen Weg gemacht hast und wieder bei mir eintreffen wirst, werde ich dir verraten, wie du in deine Welt zurückfinden und das dir überlassene Geschenk unseres beinahe erloschenen Volkes nutzen kannst. Also dann!" Wieder machte Garoshan diese fortweisende Armbewegung. Dann zerfloss er übergangslos und wurde zu jenem silbernen Leuchtstoff, der nun jeden Kubikzentimeter des Zylinders ausfüllte. Da war Julius sonnenklar, daß er von Garoshan erst einmal nichts mehr erfahren würde. So entspannte er sich und konzentrierte sich auf die gerade erlernte Zauberkunst. Als er die ihm eingeprägten Denkmuster in seinem Bewußtsein aufkommen ließ, fühlte er, wie eine merkwürdige Kraft seinen Körper regelrecht auflud, in alle Fasern seines Leibes drang und ihn von einem Moment zum anderen schwerelos machte. Er drückte sich vorsichtig vom Boden weg. Dann erkannte er, daß er im Grunde keine Muskelkraft aufbringen mußte und drückte sich durch reine Konzentration auf die in ihm nun fest eingeprägten Gedankenformeln nach oben, schob sich zur Seite und änderte die Fluglage. Es war ein fremdartiges, aber auch herrliches Gefühl, nun in dünner Luft auf- und abzusteigen, ohne einen Besen zwischen den Beinen zu haben oder ohne in einem Flugzeug zu sitzen. Es war ihm auch so, als berge ihn die Luft um ihn herum und trüge ihn wie Wasser, ohne daß die Luft selbst ihre Eigenschaften einbüßte oder sein Körper leicht wie ein Wasserstoffballon werden mußte. Er probierte seine neuen Kenntnisse erst einmal mehrere Minuten aus, erkundete nun alle drei Raumdimensionen, in denen er durch die Kugelhalle glitt, sich dabei durch sanfte Bein- und Armstellungsverlagerungen in die Stimmung für den gewünschten Richtungswechsel brachte, den er dann wie bei einem Fernlenkzauber eben nur auf sich selbst anwandte. Als er sicher genug war und nun fast schon nicht mehr mitbekam, wie er Flugrichtung und -geschwindigkeit steuerte, solange er auch in die Richtung wollte, machte er sich auf die Suche nach jener Ianshira. Doch jetzt hatte er das Problem, das eine Blatt im dichten Laubwald zu finden, das für ihn die richtigen Informationen enthielt.

 

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"Zeit für Tubby Winke-winke!" Tönte es blechern aus einem aus dem Boden gewachsenen Telefonhörer. Blanche Faucon rümpfte erneut die Nase. Martha hatte ihr angeboten, ihr zu zeigen, was Babette und ihre kleine Schwester sich gerade einen Stock weiter unten ansahen. Da Martha die Sendung wohl selbst noch nie angesehen hatte, wirkte sie nun etwas erschüttert.

"Ich bin froh, bereits vorher gelernt zu haben, daß die Menschen Ihrer Lebenswelt wesentlich intelligentere Werke hervorzubringen im Stande sind", sagte Madame Faucon, als der Abspann lief und ein babyhaft grinsender Sonnenball unterging. "Allerdings muß ich den Erfindern dieses fragwürdigen Fernbildtheaters zu Gute halten, daß sie ja ausschließlich für sprachlich unausgegohrene Säuglinge konzipiert haben. Dennoch stimmt es mich sehr mißfällig, daß meine Enkeltöchter mit dergleichen bedacht werden sollen, um sich an die Lebenswelt ihres Vaters zu gewöhnen. Allein schon die letzte Szene mit diesem Hör- und Sprechteil eines Fernsprechapparates gibt mir doch sehr zu denken. Da wird diesen Marionetten von einem nicht sichtbaren Jemand ein eindeutiger Befehl erteilt, den diese natürlich bedenkenlos ausführen, eben als Marionetten. Irgendwie fehlt es da an menschlicher Wärme und Nähe."

"Oh, da haben wir beide ähnliche Gedanken, Blanche. Allein die Vorstellung, daß Kinder im Säuglingsalter ja besonders gut geprägt werden können und so lernen könnten, daß ein durch einen Telefonhörer gegebener Befehl unbedingt ausgeführt werden muß, macht sie doch leicht zu manipulieren. Wenn diese Kinder, die heute mit dieser Sendung aufwachsen später mal allein im Haus sind und das bei uns doch schon allgegenwärtige Telefon klingelt, könnte jeder, der anruft die Kinder zu allem treiben, eben weil die Stimme ja aus diesem Apparat kommt und nicht von einem Menschen herrührt, mit dem sich Kinder ja doch irgendwie auseinandersetzen können, ob er böse oder friedlich aussieht, ihnen zu groß ist oder wie auch immer aussieht, riecht oder sich bewegt", sagte Martha dazu. "Außerdem erinnert mich das sehr drastisch daran, wie oft mein Mann Julius nur durchs Telefon eine gute Nacht gewünscht und ihn zum Schlafengehen aufgefordert hat, weil er selbst mal wieder Nachtarbeit machen mußte und Julius mit zwei Jahren nicht begreifen konnte, warum er und ich nicht zusammen bei ihm waren, wenn er ins Bett gehen sollte."

"Nun, sagen wir es so, daß es der sozialen Prägung Ihres Sohnes keinen irreparablen Schaden zugefügt hat, daß er lernen mußte, daß sein Vater nicht immer zu Hause war, um ihn selbst zu Bett zu bringen, wenngleich ich es immer sehr schön fand, wenn mein Mann und ich Catherine zu Bett brachten und in den Schlaf sangen. Dabei war es an meinem Mann, Gutenachtgeschichten zu erzählen und sie mit gezauberten Bildern und fernbewegten Möbeln zu untermalen, während ich dann den Gesangsteil bestritten habe. Hugo war was Töne und Noten anging bedauerlicherweise ohne Grundtalent, wobei er was koordinierte Bewegungen und Zusammenhänge anging immer sehr begabt war", seufzte Madame Faucon. Im Grunde waren sie und Martha ja beide Witwen. Daran änderte auch nicht, daß Marthas Mann, Julius' Vater, sie und den Jungen harsch abgelehnt hatte und die Ehe als solche für aufgelöst erklären ließ. Auch, daß Richard Andrews nicht wirklich ums Leben gekommen war, jedoch alle bisherigen Erlebnisse vergessen hatte, änderte nichts daran, daß Martha Andrews ihn doch sehr geliebt und verehrt haben mußte. Dann kam noch hinzu, daß beide Frauen, die Computerprogrammiererin und die Hexenlehrerin, ihre Ehemänner durch bösartige Zauberwesen verloren hatten.

"Ich hoffe, Sie nehmen es Babette und Joe nicht übel, wenn sie sich diese Fernsehsendung ansehen, wobei ich bei Joe denke, daß es ihn schon sehr nerven könnte."

"Das ist davon abhängig, was Babette, die ja doch schon etwas geistige Reife erlangt haben sollte, um zu erkennen, was wichtig und was überflüssig oder schädlich ist davon zurückbehält und ob Claudine nur derartigen Bild- und Geräuschmustern ausgeliefert ist oder auch das für Kinder wichtige im Umgang mit Erwachsenen und anderen Kindern erlernen darf. Falls nicht, werde ich frühzeitig genug einschreiten, Martha. Doch auch wenn meine Tochter Catherine heute Morgen etwas unbedacht vorgegangen ist schätze ich ihre Fähigkeiten als Mutter und Fürsorgerin weiterhin hoch genug ein, um ihren Töchtern die nötige Führung zu geben, die auch die nötige Zwischenmenschlichkeit beinhaltet."

Von unten dröhnte unvermittelt das Titellied der Teletubbies von Babette leicht neben der Tonart mitgesungen.

"Aufhören, Babette! Schon schlimm genug, daß du dir diesen Mist mit Claudine ankuckst!" Brüllte Joe dagegen an. Doch Babette sang weiter. "Lass das, Babette! Schluß damit, zum Donnerwetter! Hör mit diesem Scheißdreck auf!"

"Das letzte hätte er nicht sagen sollen", knurrte Madame Faucon verärgert. "Ihr unflätige Wörter vorzurufen macht es nicht respektabel, sondern ungehörig", sagte Julius' Hauslehrerin. Als dann die Musik abbrach und Babette offenbar mit ihrer Mutter debattierte, meinte Martha Andrews:

"Wollen Sie noch hierbleiben oder wieder nach Beauxbatons, um zu warten, ob Julius sich wieder meldet?"

"Madame Maxime hat mir sehr energisch zu verstehen gegeben, daß ich mich in Beauxbatons erst dann wieder sehen lassen darf, wenn "Die angerichtete Unordnung" beseitigt ist und Julius Andrews sich wieder zurückgemeldet hat, Martha. Im Klartext heißt dies, sollte Julius sich nicht wieder bei uns einfinden, bin ich die längste Zeit dort angestellt gewesen. Aber natürlich will ich auch so, daß Ihr Sohn sich wohlbehalten wieder einfindet, Martha. Dessen dürfen Sie gewiß sein."

"Albericus Latierre kommt mich nachher abholen, falls sich in der nächsten Stunde nichts neues ergibt", sagte Martha Andrews. "Wollen Sie wirklich nicht mitkommen, Blanche?"

"Danke der Nachfrage! Nein, Martha. Ich hege gewisse Prinzipien, die auch durch diesen Sonderfall nicht außer Kraft gesetzt sind. Eines dieser Prinzipien lautet, meine Distanz zu den Latierres nicht zu verringern, seitdem ich lernen mußte, daß längst nicht alles herrlich und ehrlich bei dieser Familie abläuft. Das mag für Sie im Moment nicht einsehbar sein, und ich fürchte, Ihr Sohn empfindet die Direktheit und Freizügigkeit dieser Sippschaft als gute Ergänzung zu der ihm beigebrachten Gründlichkeit und Vernunft. Doch ich persönlich werde keinen Fuß in die Wohnräume von Ursuline oder ihren direkten Abkömmlingen setzen. Ob ich irgendwann mal, sollte Ihr Sohn befinden, Mildrid Latierre zur Mutter seiner Kinder und Ihrer Enkelkinder zu machen, von diesem Prinzip abrücken kann, weiß ich heute noch nicht. Ich werde mich bei Catherine Aufhalten und dort der Dinge harren, die da hoffentlich kommen mögen. Das wird Joseph hoffentlich auch die nötige Ruhe wiedergeben, um mit seiner größeren Tochter gesitteter zu reden, auch wenn ich ihm beipflichten muß, daß Babette doch etwas kultiviertere Musik schätzen lernen sollte."

"Gut, dann hoffe ich mal, daß wir beide heut noch einen Grund haben, uns zu freuen", sagte Martha Andrews mit belegter Stimme. So ganz geheuer war ihr das immer noch nicht, und daß sie die Hexe, die ihren Sohn erneut in eine unübersichtliche Lage geschickt hatte noch höflich anzusprechen hatte machte ihr doch gut zu schaffen. Wie würde sie reagieren, wenn Julius nicht mehr zurückkehrte? Nein, diese Frage wollte sie sich nicht stellen. Denn das hieße, daß sie sich vorstellen konnte, daß er nicht mehr zurückkehrte und sich dann auch irgendwie damit abzufinden lernen könnte. So blieben die beiden Frauen noch eine gewisse Zeit zusammen, wobei Martha ihrer Besucherin noch anspruchsvollere Fernsehsendungen bieten konnte, sofern am Morgen schon anspruchsvolles Fernsehen gefragt war. Dann meldete sich die Haustürklingel.

"Tun Sie mir bitte den Gefallen und lassen mich zuerst zu meiner Tochter hinunter, bevor Sie die Tür öffnen oder hinuntergehen!" Bat Madame Faucon ihre Gastgeberin. Diese sah sie zwar verständnislos an, nickte aber. Madame Faucon flohpulverte mal eben in die Wohnung in der unteren Etage. So könnte sie von überall hergekommen sein, dachte Martha. Außerdem umging sie damit das Treppenhaus und setzte sich nicht der Lage aus, die Latierres zu begrüßen. Martha fragte sich, was der sonst so erhaben auftretenden Hexe mit den Latierres widerfahren sein mochte, daß sie eine derartige Verachtung gegen Ursuline zeigte. Doch an und für sich ging es sie nichts an, dachte Julius' Mutter, widerrief diesen Einwand jedoch sogleich wieder. Die Art, wie sich Blanche Faucon in die zugegeben auch für sie fragwürdige Verbandelung zwischen Millie und Julius einzumischen versucht hatte betraf sie unmittelbar. Das war über die berufliche Distanz einer Lehrerin viel zu weit hinausgegangen.

"Wir warten bei uns darauf, daß Julius sich wieder einfindet", sagte Hippolyte Latierre zur Begrüßung, als sie vor der Haustür standen. Dann stiegen sie in den VW-Bus ihres Mannes und fuhren die paar Straßen bis vor das Geschichtsmuseum, bogen in eine Einfahrt ein, die wie ein für einen Moment aufklappendes Maul wirkte und glitten durch einen Tunnel hinüber in die Rue de Camouflage, wo Albericus mit einem Raumsprung in eine torlose Garage überwechselte.

Martine und Millie erwarteten Martha Andrews im sechseckigen Salon. Martha fragte Mildrid, ob sie wieder Verbindung mit Julius habe. Diese schüttelte bedauernd den Kopf.

"Der Anhänger pulsiert jetzt auch nicht mehr. Aber ich denke, er ist nur wo, wo wirklich alle Fernzauber abgefangen werden. Hat Kö..., öhm, Madame Faucon sich noch mal bei dir gemeldet?"

"Natürlich, weil sie mir mitteilen wollte, was bisher herauskam und daß ihr beiden euch wohl auch mit diesen Anhängern unhörbare Nachrichten zuschicken könnt. Ich hoffe nur, ihr beiden treibt damit keinen Unsinn, also daß ihr irgendwas anstellt, was unüberlegt ist oder am Ende Ärger einbringt", sagte Julius' Mutter respekterheischend.

"Ich werde nichts tun oder sagen, was Julius Ärger macht. Es sei denn, er will das so", erwiderte Millie unbeeindruckt. "Vorausgesetzt, Julius kommt überhaupt zurück."

"Das will ich doch sehr schwer hoffen", knurrte Martha Andrews und erntete ein beruhigendes Lächeln von Millie.

"Hast du irgendwelche Termine, Martha?" fragte Hippolyte.

"Ich hätte an und für sich an einer Präsentation arbeiten müssen, also einem mit Hilfe des Computers unterstützten Vortrag über moderne Medien der nichtmagischen Welt. Aber Julius ist mir im Moment wichtiger. Ich kriege das schon mit Madame Grandchapeau hin, wenn ich deshalb in Verzug geraten sollte."

"Weil Madame Maxime möchte, daß der Minister davon nichts mitbekommt", sagte Hippolyte. "Irgendwie habe ich den Eindruck, daß die würdige große Dame Angst um ihren hohen Stuhl hat."

"Nun, zu verdenken wäre es ihr nicht, sollte sich herausstellen, daß Sie meinen Sohn in diese gefährliche Lage geraten ließ", erwiderte Martha Andrews und schluckte gerade noch hinunter, daß Madame Faucon ihr eröffnet hatte, nicht mehr in Beauxbatons weiterunterrichten zu dürfen, falls Julius nicht mehr auftauchte. Auch wenn sie die Haltung der Lehrerin den Latierres gegenüber nicht verstand, so wollte sie doch nicht, daß Madame Faucon bei der Familie ihrer womöglich zukünftigen Schwiegertochter an Ansehen verlor.

 

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Von mir hörst du kein Wort über Ianshira oder was du sonst wissen willst", schnarrte eine Frauengestalt in dunkelblauer Robe, die sich zehn Meter über der unteren Polwölbung vor Julius gezeigt hatte. Er hatte sie gefragt, wo Ianshira sei und dann, ob sie ihm sagen könne, wo er mehr über Skyllians Krieger erfahren könnte. Garoshan hatte wohl recht, daß die hier versammelten Altmeister nach eigener Weltanschaung befanden, wem sie was sagten und wem nicht, und Julius trug ja die Siegelaura Darxandrias, die jetzt zwar für Menschenaugen unsichtbar war, aber wohl in einer Nanosekunde allen hier herumexistierenden Altmeistern offenbart worden war, als Garoshan sie für einige Sekunden sichtbar gemacht hatte. So bedankte er sich für die Information und flog weiter. Diese neue Kunst, ohne Flügel, Flugbesen oder anderem Fluggerät durch die Luft zu gleiten, mal schneller und mal langsamer, war ihm tatsächlich nun in Fleisch und Blut übergegangen. Doch bisher hatte er von den fünfzig Altmeisterinnen und Altmeistern, denen er begegnet war welche aus der mitternachtsblauen oder blutroten Fraktion getroffen. Womöglich waren die Hüter des Schöpferischen alle in den obersten Regionen der Kugelhalle zu finden. So stieg er ohne Anflug von Erschöpfung bis zum oberen Scheitelpunkt auf. Dabei merkte er, daß hier oben nur wenige Glaszylinder angebracht waren. Im Scheitelpunkt selbst war ein Zylinder befestigt, um den herum nur jenes weiße Baumaterial zu erkennen war, aus dem die Termitenbaugebäude in der Stadt bestanden. Als Julius sich dem Zylinder näherte und nun in einen Schwebezustand überging, zog sich die silberne Substanz im kristallenen Behälter zusammen, formte einen älteren Mann im silbernen Gewand, der einen langen, weißen Bart besaß. Julius wunderte sich nicht, daß der Altmeister mit den Füßen zur Decke des Zylinders ausgerichtet war, während sein Kopf dem etwas breiteren, versenkten Sockel entgegengerichtet blieb. Der Jungzauberer wollte gerade wieder weiterfliegen, weil das hier ja auch keine Meisterin war, als der Einwohner des Zylinders ihm heftig zuwinkte.

"Na, junger Freund! Du wirst doch nicht unverrichteter Dinge an mir vorbeifliegen wollen!" Rief er. Wie bei den bisher angetroffenen Altmeistern klang seine Stimme sphärisch. Julius verhielt und wandte sich dem in seiner früheren, körperlichen Erscheinungsform projizierten Altmeister zu, der ihn irgendwie an Professor Dumbledore erinnerte, dann aber auch irgendwie den Eindruck noch größerer Erhabenheit ausstrahlte. Julius hatte in einem Bilderbuch für Kinder mal einen solchen weißbärtigen Mann gesehen, den er erst für den Weihnachtsmann gehalten hatte, bis seine Oma Gladys gelacht hatte und meinte, daß es sich um Vater Zeit, den Hüter aller Tage, Stunden, Minuten und Sekunden gehandelt habe. Dem zugeordnet war dann noch die in blattgrüne Kleider gehüllte Mutter Natur mit ihren Blumen auf dem Kopf, den schillernden Perlen um den Hals und den wasserblauen Stiefeln, die wie entspringende Quellen aussahen und von Vögeln, Fischen und bunten Landtieren umringt war.

"Möchtet Ihr mir sagen, wo ich Altmeisterin Ianshira oder eine wie sie finden kann?" Fragte Julius.

"Im Moment nicht, junger Freund. Denn wahrlich solltest du, bevor du gezielte Fragen stellen kannst ein wenig mehr Antworten kennen, die dir Darxandrias Selbst noch nicht geben wollte oder nicht konnte, weil ihr nicht alle Geschehnisse bekannt sind. Sie kam leider nie zu mir, um darüber etwas zu erfahren. Sonst hätte sie womöglich früher schon gewußt, welche Macht ihre Erzfeinde hatten, die sich dem davongejagten Hochkönig Iaxathan angeschlossen hatten, der den Rat der Zehn zerschlagen und Altaxarroi in ewige Angst und Dunkelheit hüllen wollte."

"Seid Ihr wie Garoshan, ein Sprecher dieses Konzils?" Fragte Julius.

"Nnnnein", sagte der gerade sichtbare Altmeister. "Ich bin eher der stillschweigende Schreiber, der alles notiert, was gesagt und beschlossen wird, um es für die Nachwelt im allgemeinen und die nächste Zusammenkunft im besonderen festzuhalten. Ich bin Altmeister Kantoran, der Hüter der Ereignisse, Erkunder der Zeit und Meister der Beobachtung. Ich bewahre alle Kunde über die Dinge, die geschahen und gerade jetzt geschehen, um sie denen, die Geduld und Wissensdurst mitbringen zu zeigen. Garoshan hat das Siegel Darxandrias bei dir gefunden. Dabei verriet er uns auch, daß du eine alte Anwendung der übergeordneten Kraft erlernt hast, die nur wenigen Gelehrten vertraut ist. Denn dein Leib ist zwei Jahre älter als dein inneres Selbst, in dem ein ohne Umweg über die Sinne beigebrachtes Wissen eingelagert ist. Da ich der mit abstand kundigste Erforscher der Zeit und ihrer Lenkung bin ist es an mir, zu fragen, wer dir diese Kunstfertigkeit beigebracht hat, den Augenblick um dich herum zu fesseln und außerhalb der Zeit zu handeln, zum Preise, daß dir dafür nach Wiedereintritt in den Zeitstrom viele Lebenstage auf einmal schwinden."

"Das weiß ich nicht", sagte Julius, obwohl er einen Verdacht hatte, daß Minister Grandchapeau ihm irgendwie die Erinnerung an den Zeitpakt eingetrichtert hatte, damit er etwas hatte, um später einmal aus tödlichen Gefahren herauszukommen, was er bisher auch zweimal nötig gehabt hatte. Kantoran lachte. Dann sagte er:

"In deinem Wachdenken ist es nicht enthalten, wer dir dieses für wahr übermächtige und kraftzehrende Wissen überließ. Doch wähne ich da eine Quelle, die dir wohl aus einer Gefälligkeit heraus diese hohe Kunst beibrachte. Doch du bist zu mir gekommen, weil du dachtest, der räumliche Drehachsenpunkt dieser Halle beherberge die Altmeister des Lichtes und der Schöpfung. Dem ist nicht so, junger Freund. Denn genau an den Drehachsenpunkten dieser Halle des Wissens wohnen jene Altmeister, die sich dem Gleichgewicht und der reinen Beobachtung verschrieben haben. Sie sind die Träger der Gewänder aus Gold und Silber, die das Licht des Tages- und des Nachtgestirns am besten widerspiegeln können. Was der alte Garoshan dir dort unten erzählt hat, daß es nur die Strömungen des Wissens und Schaffens gab, stimmt nicht ganz, und offenbar wollte er es mir überlassen, dir das zu sagen."

"Dann ist Garoshan auch ein Beobachter der Ereignisse?"

"Nein, er ist der Mittler zwischen uns und Wissenssuchern wie dir, Julius Andrews. Er muß befinden, wie viel Wissen der Suchende in sich aufnehmen kann und welcher der drei hauptsächlichen Strömungen des Wissens und Schaffens der Suchende zugetan ist. An ihm kann niemand vorbei. Denn die Wände dieser Halle lassen alle höheren Künste versagen, sich daran festzuhalten oder ohne die Weisung Garoshans zu fliegen."

"Moment, Altmeister Kantoran", wandte Julius ein. "Wenn jemand den Zauber schon konnte ..."

"War dieser nur dann wirksam, wenn Garoshan den Suchenden begrüßt hatte. Die meisten jedoch finden auch dann nicht den Weg zu mir, weil sie sich von unten nach oben vorantasten, bis sie finden, was sie suchen. Da dies meistens für den Suchenden mehr als erhofft aber gerade wenig genug ist, kehrt er oder sie dann schnell wieder zurück in die Außenwelt. Ich hüte dann nur die geschehenen Ereignisse und bewahre, was der Suchende mit dem hier erworbenen Wissen und Können verrichtete. Du suchst nur welche von der sonnengelben Zunft, weil du findest, daß du nur von ihnen alles erfahren wirst. Ich fürchte, das wirst du nicht, weil doch einiges an Wissen den Altmeistern der Mitternacht genehm ist und sie daher das Vorrecht haben, darüber Kunde zu geben. So wirst du auch von mir nur erfahren, was geschehen ist, ohne zu wissen, wie es geschah. Aber allein das zu wissen wird dir mehr bringen als die Suche nach Ianshira", sagte Kantoran sehr überzeugt. Julius wußte zwar nicht, was er mit einer Geschichtsstunde anfangen sollte, bei der er nicht lernte, warum wer was getan hatte und wie er oder sie es angestellt hatte. Doch die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß die Vergangenheit einer Sache oftmals das gegenwärtige Verhalten erklärte. So trat er näher an Kantoran heran. Dieser forderte ihn auf, beide Hände an seine Wohnstatt, also den Glaszylinder zu legen. Julius tat es ohne Argwohn. Doch als er im Nächsten Moment meinte, von einer mörderischen Gewalt aus dem Körper gezerrt und zusammen mit Kantoran, der seinem Zylinder ebenfalls entwunden wurde durch eine Flut von Blitzen und huschenden Schatten flog, bereute er es schon. Ihm war, als hielte der Altmeister seine rechte Hand und führe ihn durch diesen unendlichen Raum ohne Boden, Wände oder Decke, bis er sagte:

"Hier fangen wir an." Damit standen sie beide an einem weißen Sandstrand. Julius konnte in der Ferne ein paar Delphine durch das blaue Meer springen sehen. Die Sonne schien wie im tiefsten Süden von einem wolkenlosen, azurblauen Himmel herab.

"Hier sind vor sechzehntausend Sonnenkreisen meine Urvorfahren an Land gekommen", sagte Kantoran. Seine Stimme klang jetzt so, wie eben jemand klingt, wenn er draußen am Strand steht. Julius nickte und entdeckte die Fußspuren. Es waren nackte Abdrücke von relativ kleinen Menschen.

"Dieses Land, Altaxarroi, war mit Abstand die größte Ansammlung jener Kraft, die deinesgleichen Heute unter dem Begriff Magie kennen, Julius Andrews. Dies bewirkte nicht nur, daß die ersten Siedler rasch lernten, daß ihre Träume und Wünsche greifbare Auswirkungen hatten, sondern förderte auch die Entwicklung des Geistes als solchen schneller als an anderen Orten, wo zwar auch Ströme der Kraft wahrzunehmen waren, jedoch nicht derartig gebündelt wie hier. Komm, wir besuchen die ersten Siedler!" Sagte Kantoran dann noch und winkte Julius hinter sich her. Als hätten sie Siebenmeilenstiefel an oder würden nach jedem Schritt unspürbar apparieren überwanden sie innerhalb von wenigen Sekunden eine solch große Entfernung, daß sie auf einmal in einer kniehohen Steppe standen und das Meer weder zu sehen, noch zu hören war. Insekten zirpten, summten und sirrten, und in der Ferne hörte Julius einen lauten Ruf, den er nicht verstand. Womöglich war es noch keine richtige Sprache.

Dort kommen Jäger, die einen Elefanten aufgestöbert haben. Es sind nur drei Jäger, doch sie reichen aus, das Tier zu erlegen", sagte der Hüter der geschehenen Ereignisse. Da polterte tatsächlich ein graues Ungetüm von afrikanischem Elefant heran, wie Julius sehen konnte ein kapitaler Bulle. Er wollte schon ausweichen. Doch Kantoran lachte nur und hielt seine Hand. Mit lautem Trompeten preschte der aufgebrachte Koloss einfach durch die beiden Besucher hindurch, als bestünden sie aus reiner Luft. Julius begriff und ärgerte sich ein wenig. Das hier war nur eine Erinnerung, eine Rückschau. Sie waren nicht wirklich durch die Zeit gereist. Was hier passierte, ignorierte sie einfach, weil es Julius in dieser Zeit eben noch lange nicht geben würde. Dann kamen die drei Elefantenjäger. Julius sah sofort, daß sie nur kurze Speere führten. Doch die Geschwindigkeit mit der sie liefen war beachtlich, als würden sie wie Gazellen über die Steppe galoppieren. Dann warf einer den Speer von sich. Die anderen Beiden riefen dabei was aus. Der Speer flog weit und weit und jagte den Elefantenbullen, der zur Seite sprang. Doch der Speer folgte ihm wie eine Hitzequellen suchende Rakete. Ja, so ähnlich mochte es auch sein, dachte Julius, als das so weit fliegende Wurfgeschoss sein Ziel fand und tief in den Rücken hineinfuhr. Der Elefant trompetete vor Schmerz und Wut. Er warf sich herum, versuchte, mit dem Rüssel an das ihn quälende Ding heranzukommen. Da warf der zweite Jäger den Speer. Julius schätzte die Entfernung zwischn achtzig und hundert Meter ein. Er wußte zwar den aktuellen Weltrekord im Speerwerfen nicht, aber die simple Wurfwaffe flog bestimmt doppelt so weit. Sie machte kurz vor dem Einschlagen noch einen Schlenker nach links und erwischte das Beutetier voll an der Schläfe. Nun eindeutig tödlich verwundet zuckte der Elefantenbulle noch einmal zusammen und stürzte dann jeder Kraft beraubt zu boden. Die drei Jäger johlten triumphierend und wetzten los, schneller als ein Olympiasprinter. Julius fragte, ob diese Kraft der Männer nur eine körperliche Ausprägung der hier wirksamen Magie war. Doch Kantoran lachte.

"Nicht nur, Julius. Du hast ja auch gesehen, daß ihre Waffen nicht nur das Ziel trafen, das so weit fort war und sogar noch auszuweichen versucht hatte, sondern daß die zweite Waffe gezielt in den Kopf des Tieres hineinfahren wollte, beziehungsweise, von den Wünschen ihres Werfers getragen dorthin flog. Die Fernlenkung unbelebter Körper und die willentliche Steigerung von Laufgeschwindigkeit und Gewandtheit waren die ersten sicheren Ausprägungen der hier nutzbaren Kraft. Eine ganze Generation später waren die Menschen hier bereits in der Lage, ohne Zünder und Steine Feuer zu machen, indem sie ihre Hände über die Feuerstelle hielten und sich konzentrierten. Sie konnten Wasser aus dem tiefsten Erdreich heraussprudeln lassen und mit einer mächtigen Geste gefährliche Raubtiere in die Flucht treiben. Zwar wirkte die Kraft auch auf einige Tiere hier. Doch im Wesentlichen gediehen damit gewirkte Dinge eher bei Menschen." Kantoran hüpfte in die Höhe und nahm Julius mit. Sie flogen einmal nach oben. Dann änderte sich übergangslos die Landschaft. Julius konnte nun mehrere Männer sehen, die mit reinen Handbewegungen große Felsblöcke durch die Luft fliegen ließen. Ein anderer Mann legte seine Hände auf bereits herbeigeschaffte Steine und knetete sie dann einfach wie feuchten Ton durch.

"Das ist jetzt einhundert Sommer nach der Besidlung, Julius. Die Menschen hier bauen die erste Stadt. Wie erwähnt hat die Wahrnehmung und Benutzung der Kraft auch die geistigen Fähigkeiten enorm gesteigert. Sie konnten nun auch Dinge verändern." Dann machten sie noch einen Zeitsprung. Jetzt waren es die besagten fünf Generationen später, und aus dem land war eine Ansiedlung geworden, die dem alten Griechenland Ehre gemacht hätte. Julius hörte in ein Gespräch eines Mannes und seiner Söhne hinein. Dabei erfuhr er, daß es mittlerweile sogar Schulen gab, wo die, die die meiste Zauberkraft in sich vereinten, im Umgang damit unterwiesen wurden. Er hörte dabei auch, daß sich die hier wirksame Kraft nicht gleichmäßig auf alle Menschen verteilte. Auch vor sechzehntausend Jahren gab es schon Menschen, die Zauberkräfte hatten und solche, die keine hatten. Er erfuhr auch, daß die letzten Schamane, die behauptet hatten, die besonderen Gaben seien ein Geschenk der Geister und Dämonen, und sie müßten damit behutsam umgehen, von den ersten Stadträten wegen Einschüchterung der Bevölkerung zu Gefängnisstrafen oder der Verbannung in andere Länder verurteilt worden waren.

"Haben Eure Vorfahren herausgefunden, warum hier mehr Magie wirksam ist als anderswo?" Fragte Julius.

"Sie bezogen es auf den Himmelsberg in der Mitte Altaxarrois. Dort, so ergründeten die Gelehrten aller Strömungen, sei die Kraft wie von einem großen Magneten eingefangen worden. Das Metall aus dem Himmelsberg, Orichalk, wurde als bester Träger der Kraft erkannt. Im Laufe der Jahrhunderte nahmen Wissen und Können sprunghaft zu." Kantoran belegte das mit einem weiteren Zeitsprung, der seiner Aussage nach dreihundert Jahre weiterging. Hier glaubte Julius nun, in einer Welt zu sein, die eigentlich erst in der Zukunft möglich sein mochte. Über ihm flogen silberne Objekte, die er als Muschelbarken erkannte. Auf den nun glatten Straßen der imposant ausgebauten Stadt rollten pferdelose Wagen oder schwebten schlanke, kanuartige Gefährte mit einem rosigen Metallboden. Dann ging auf einmal die Sonne unter, und wie eingeschaltet leuchteten an den Straßen große Lampen auf, wie Julius sofort sah keine Kerzen oder Gaslaternen, sondern Leuchtkörper, die Thomas Edison erfunden haben konnte.

"Sie erlernten, das Licht der Sonne in besonderen Steinen oder Gläsern einzufangen und darauf zu bringen, bei Nacht wieder herauszukommen", sagte Kantoran. Julius staunte. Dann hörte er wieder ein Gespräch mit, in dem die dritte Hochkönigin seit Anbeginn der Zeitrechnung erwähnt wurde. Sie sollte morgen von den Menschen ihrer Provinz gewählt und dann feierlich im Zehnerrat willkommengeheißen werden. Die Art, wie das Gespräch geführt wurde klang nach einem Gespräch wie im neunzehnten Jahrhundert, wenn sich Leute über die Zeitungsmeldungen unterhielten.

"Hatten deine Vorväter Nachrichtenverbreitungsmittel?" Fragte Julius.

"Nur unter den nun immer deutlicher hervortretenden Trägern der Kraft, Julius Andrews. Die einfachen Menschen konnten gerade einmal die Sonnenlichtgläser zum leuchten oder verdunkeln bringen. doch ich wollte dir zeigen, daß bald darauf die Eintracht zwischen den Völkern dieses Erdteils zu zerbrechen begann", sagte der Hüter der geschehenen Dinge. Da waren sie auch schon mitten in einer zauberschlacht. Fliegende Ungeheuer, Julius bekannten Drachen ähnlich, lieferten sich eine wilde Schlacht mit Lenkern großer, vier- sechs- oder achtflügeliger Luftschiffe. Dabei sah Julius jene weißgelben Energiestrahlen zwischen Flugapparaten und Flugdrachen zucken, die er bei seiner Erkundung von Gregorians Bild aus den goldenen Schußapparaten hatte schlagen sehen können. Er fragte, wie diese Vorrichtungen funktionierten. Doch Kantoran schüttelte den Kopf und sagte, daß er ihm nur zeigen würde, was geschehen sei, aber nicht darauf einginge, wie es möglich war.

"Die Verehrer des alles beendenden Dunkels wurden zunächst besiegt, Julius Andrews. Allerdings mußten die Hüter des Lichtes und der Schöpfung dafür an die Ostküste, wo es nur vier große Städte gab. Die Meister des Lebendigen und der Elemente bestanden darauf, daß das Licht nicht überwiegen dürfe, wolle es das Dunkel nicht wieder herausfordern. So regierten vier Generationen lang zehn Hochkönige aus den Reihen der blutroten Zunft und sorgten für eine friedliche Ausdehnung des Reiches nach westen, wo ebenfalls Ureinwohner lebten, die jedoch nur wenig von der Kraft besaßen und dem Geisterglauben verhaftet blieben. Die Hochkönige verstanden es, die gute Beziehung dieser Leute zur Natur und ihr Bestreben, mehr Lebensraum zu besiedeln und vermischten sich zum Teil mit den Ureinwohnern. Die mächtigsten Träger der Kraft wurden jedoch ihre Fürsten. Da kommt einer von ihnen, um dem Hochkönig Xaltamoran III. seinen Bericht zu erstatten." Julius sah eine vierflügelige Konstruktion, die wie eine silberne Riesenlibelle aussah und sich zum Zentrum der Stadt hinbewegte. Mit einem einfachen Schritt standen Kantoran und Julius am Landepunkt und sahen den hochgewachsenen, hellhäutigen Passagier des Fluggerätes, der mit unterwürfiger Körperhaltung vor einem in Orange und Gold gekleideten Mann mit goldbrauner Hautfarbe und dunkelbraunem Haar stand. Als hätte Julius' Linos magische Ohren oder eines seiner Langziehohren ausgeworfen hörte er das Gespräch:

"Großer des Feuers, Hochkönig Xaltamoran III.. Dein treuer Diener Ishkatar meldet: Im Westlande ist alles ruhig. Doch ich fürchte, Euch und Eure neun erhabenen Bruderkönige darauf hinweisen zu müssen, daß die einfachen Völker, die nicht mit der Kraft gesegnet sind, unsere Vorherrschaft aberkennen werden, wenn wir nicht so leben wie sie. Wir sind zwar deren neue Götzen und Götter geworden. Doch wenn wir nun alles, was sie von ihrem Geisterglauben her für richtig halten verleugnen und Städte wie deine erhabene Stadt Yanxotaran in ihrem Lande nachbauen, werden sie uns vertreiben. Denn wahrlich, nur die im Erz des Himmelsberges enthaltene Kraft bewahrt uns dort drüben vor der Unterwerfung."

"Lass einige von diesen Leuten herüberschaffen, damit wir uns ihrer Annehmen!" Hörte Julius den Hochkönig knurren. "Unsere Zahl wächst, und weil die ungesegneten Untertanen sich leicht von den Mitternächtigen aufwiegeln lassen, wir hätten ihnen die Kraft vorenthalten, um uns selbst damit zu bereichern, müssen wir bald eine große Anzahl von ihnen umsiedeln, wenn unser Friede dauerhaft bleiben soll."

"Was ist in den östlichen und südöstlichen Landen?" Fragte Ishkatar.

"Das ist nicht deine Obliegenheit, Ishkatar", raunzte ihn der König dafür an. Dann hüpfte Kantoran mit Julius, und die Szene wechselte ohne Überblende.

"Nun sind weitere fünfhundert Jahre vergangen, Julius Andrews. Es stellte sich heraus, daß nur wenige Gesandte der Hochkönige in den anderen Ländern ihre Stärke behielten. Doch weil auch die Anzahl der unbegabten Menschen zunahm, wurde ein weiteres Zeitalter begonnen, das der weltweiten Siedlungen. Hier siehst du den Grundstein für eine Fernstraße." Julius staunte, als er sieben offenbar hochbegabte Magier dabei beobachtete, wie sie in mehreren angestrengten Ritualen blaue und rote Lichtkreise schufen, die sie durch silberne Lichtfäden miteinander verbanden. Bald schon war von den ersten Kreisen nichts mehr zu erkennnen. Es sah so aus, als würde eine Rohrleitung aus dicken Segmenten ohne Baggerarbeiten im Erdreich versenkt. Dann folgte noch eine Luftschlacht. Wieder kamen jene Energiestrahlwaffen zum Einsatz, die gegen das wilde Feuer der blauen Drachen eingesetzt wurden. Dabei sah Julius auch ein paar golden schimmernde Drachen, die gleißend blaue Blitze spien.

"Dies ist der Anfang eines mehr als ein Jahrtausend lang schwehelnden Brandes, der dann, als er richtig aufloderte, innerhalb von einem Jahrzehnt unser erhabenes Reich in die Tiefe des Meeres gezogen hat." Julius sah einen Flammenstoß aus dem Maul eines der Drachen entweichen, der so grell war, als brennen zehn Sonnen darin. Er fürchtete schon, daran zu erblinden, bevor ihm klar wurde, daß dies alles im Moment nur in seinem Bewußtsein ablief und nicht mit seinen körperlichen Sinnen wahrgenommen wurde.

"Das Tausendsonnenfeuer, Julius. Die schlimmste aus der Kraft und Schaffenswut geborene Verheerungsquelle. Ihr Erfinder gehörte der blutroten Zunft an. Doch weil sein Werk so verheerend wirkte, daß damit ganze Städte in einem Feuersturm vernichtet werden konnten, wurde die diese Kraft hervorbringende Substanz geächtet. Doch das half nicht viel. Bald hatten die Mitternächtigen diese Waffe ebenso wie die Hüter des Lichtes, die behaupteten, nach einem wirksamen Gegenmittel zu suchen."

"Atomenergie?" Fragte Julius, dem schwante, daß die Atlanter mit Magie an eine der heftigsten Urkräfte des Universums gerührt hatten.

"Mehr als was ich dir sagte wirst du nicht von mir erfahren, Julius Andrews. Also nützen deine Fragen nichts. Nur so viel. Die goldenen Flugechsen, die du siehst, wurden gegen die lebendigen Schreckenswesen der Mitternächtigen erschaffen. Die Kunst, Metall mit Lebendigkeit zu füllen, ohne dafür jemanden zu töten, ist zu diesem Zeitpunkt bereits über zweihundert Jahre bekannt. Die Straßen umspannen nun den ganzen Erdenkörper. An allen Punkten dort fanden sich kleinere Städte. Doch weil zur Sicherung der Statthalter größere Ansammlungen von Orichalk dorthin gebracht werden mußten, wurde nach etwa fünfhundert Jahren beschlossen, diese Städte nicht zu erweitern, sondern nur noch mit gewöhnlichem, wenn auch den urwüchsigen Menschen dieser Zeit überlegenen Waffen zu kämpfen wie geschmiedete Schwerter, Pfeil und Bogen."

Wieder machte der Ereignisbewahrer mit Julius einen virtuellen Zeitsprung vorwärts. Dabei sah Julius sie wieder, die Skyllianri.

"Die Herrschaft der blutroten Zunft ist nun über eintausend Jahre vorbei. Nur noch Mitternächtige und Sonnenlichterne haben den Zehnerrat inne. Die Meister der Elemente versuchen, zwischen diesen zu vermitteln, wobei welche auf beiden Seiten zu finden sind. Wir befinden uns nun im ersten Jahundert von Darxandrias Herrschaft. Khalakatan, der Hort des Wissens und der Ruhe, wurde von ihr zur unbewohnbaren Stadt ausgerufen. Dort sollten nur noch die geistigen Güter und die altmeister zu finden sein. Die goldenen Flugechsen, die du gesehen hast, wurden alleine der Gemeinschaft von Feuer und Erde unterstellt und sollten nicht mehr eingesetzt werden, weil ihre Flammen zu verheerend gewirkt haben. Doch dort siehst du Skyllian, den sie auch Sharanagot, den Schlangenmeister, nannten. Achte auf den Gegenstand in der rechten Hand des Meisters." Julius sah den Herrscherstab, der aussah wie mehrere übereinandergewickelte Schlangen um eine holzstange, deren Vorderende ein metallener Schlangenkopf mit halb geöffnetem Maul und dessen Endstück ein aufgerollter Schlangenschwanz war. Sharanagot selbst war ein hochgewachsener, drahtiger Mann mit weizenblondem Haar und grünen Augen, ein an und für sich beeindruckender Mann, fand Julius, wäre da nicht dieses listige Funkeln in den Augen gewesen. Mit einem Schwung des Zepters und einem Zischen, daß Julius als "Voran ihr Krieger", verstand, obwohl es garantiert Parsel war, das er nicht verstehen konnte, brachte er hundert der scheußlichen Kreaturen dazu, das Stadtzentrum anzugreifen. Da flüchteten die Menschen. Julius sah, daß einige disapparierten. Andre benutzten Fluggefährte. Wieder andere versuchten, mit roten, blauen oder grünen Blitzen aus pyramidenförmigen Kristallen, die wohl Zauberstabvorläufer waren, die Bestien abzuwehren. Doch es mißlang. Dann, als die Stadt so gut wie verloren war, preschte ein hochgewachsener Mann in rotgoldener Rüstung auf einem himmelblauen Drachen heran, der in der rechten Hand ein brennendes Schwert hielt. Julius erkannte diese Szene, obwohl er sie beim letzten Mal von oben her gesehen hatte. Weitere Drachen flogen an und stürzten sich auf die Monster. Dann kamen noch riesige, hellgraue Vögel herangeschossen. Julius vermeinte, sie aus blauen Leuchtsphären herausstoßen zu sehen. Die Tiere stürzten sich auf die Schlangenkrieger und bohrten ihre Schnäbel in die Rücken der Angreifer, die sich wehrten, aber dann wie gefangene Regenwürmer in den Himmel hinaufgetragen wurden, wo sie unter lauten Schmerzensschreien ihre ungeheurliche Gestalt verloren und zu gewöhnlichen Menschen wurden. Doch die Vögel waren gnadenlos zu ihren Feinden. Als die ehemaligen Schlangenkrieger sich laut vor Schmerzen zurückverwandelt hatten, schüttelten die Vögel sie von ihren schnäbeln, nur um damit unbarmherzig zuzuschnappen und die Gefangenen eben wie einen erbeuteten Regenwurm zu zerquetschen. Julius meinte, sein Magen würde gleich revoltieren. Doch dann sah er noch etwas. Menschen mit Flügeln, an die zwei Meter große, gefiederte Menschen mit mächtigen Schwingen, wie Engel aus dem Weihnachtsbilderbuch. Er sah pechschwarze Vogelmenschen mit langen Schnäbeln im ansonsten menschlichen Gesicht, braune Menschen mit Adlerschnäbeln und ebensolchen Schwingen und zwei in blaue und gelbe ärmellose uniformen gehüllte goldgelb gefiederte Wesen, die aus großer Höhe die Schlacht verfolgten. Doch die Schlangenkrieger waren nicht die einzigen Unholde, die auf den Straßen herumliefen. Große menschenähnliche Gestalten, die aussahen als trügen sie undurchdringliche Schatten um sich herum, stampften durch die Gassen. Doch die geflügelte Streitmacht des Drachenreiters mit dem Feuerschwert trieb sie zurück. In der Ferne hörte Julius einen lauten Donner. Er blickte sich um und sah eine pinienförmige Rauchwolke, in der es heftig blitzte. Dann konnte er den Vulkankegel wachsen sehen. Rotglühende Lava formte den immer höher aufwachsenden Feuerberg, aus dem immer wieder mit dumpfen Schlägen und lautem Zischen mehrere hundert Meter hohe Flammenfontänen brachen.

"Gib mir dieses verfluchte Schlangenzepter, Skyllian, und ich werde bei Ailanorar ein gutes Wort für dich einlegen!" Rief der hühnenhafte Drachenreiter mit einer weittragenden Baritonstimme.

"Niemals werde ich meine Krieger in den Staub werfen, Yanxothar, du alter Drachentreiber. Meine Krieger werden weitermachen, auch wenn das Federvieh Ailanorars es wie gewöhnliche Würmer auflesen kann. Denn meine Krieger können sich beliebig vermehren wie des Meisters Knechte der Nacht, die vom Blut deiner Untertanen trinken."

"So muß ich dich wohl selbst niederwerfen, Skyllian!" Rief Yanxothar und befahl einem reiterlosen Drachen, Skyllian anzugreifen. Doch dieser stieß mit dem Zepter in den Boden und beschwor damit eine riesenhafte schwarze Schlange herauf, die wie aus dem Boden wachsend aufstieg und dann den Drachen mit einem Kopfstoß erwischte. Das drachenfeuer verpuffte wirkungslos an Skyllian, dessen Herrscherstab eine giftgrüne Aura verbreitete, die ihren Herrn und Meister schützte.

"Es kann kein Werk der Kraft an mich rühren. Auch dein Schwert nicht, Yanxothar!" Rief Skyllian. Die große Schlange, die er aus reiner Erde geschaffen hatte, griff nun Yanxothars Drachen an, der jedoch den Angriff mit einem kraftvollen Biss an den Hals der Schlange abwehrte. Ein Feuerstoß trennte dem magischen Kriechtier endgültig den flachen Schädel ab. Mit lautem Knall zerplatzte das gliederlose Monstrum zu Staub. Yanxothar fegte nun auf seinem Drachen heran und hieb mit dem brennenden Schwert nach Skyllian, der einfach so im Boden versank wie in Wasser.

"Du warst schon immer ein Wurm, Skyllian. Doch ich rufe die Feuer aus dem Bauch der großen Mutter Erde, die dich wieder herausbringen werden. Also komm freiwillig!"

"Niemals!" Hörte Julius es aus der Tiefe. Yanxothar stieß mit der Flammenklinge wie mit einem heißen Messer durch Butter in den Boden. Da erschien Skyllian hinter ihm und ließ das Zepter vorschnellen. Doch mit einer schnellen Drehbewegung ließ der Feuermagier sein Schwert nach hinten ausschlagen und traf das zum zubeißen geöffnete Schlangenmaul am vorderen Ende. Laut fauchend zuckte der Herrscherstab zurück. Die auf ihm gewundenen Schlangen fielen fast wie zu Tode erschrocken ab. Die Spitze glühte weiß auf. Skyllian schrie ebenfalls vor Schmerzen auf. Offenbar stand er mit seinem magischen Artefakt in körperlicher Verbindung, dachte Julius. Dann schossen drei der grauen Vögel von oben herab. Skyllian ließ sich fallen, berührte mit dem immer noch glühenden Zepter den Boden und war einfach unter der Erde, ohne ein Loch zu graben. Offenbar konnte er mit diesem Ding so locker im Boden verschwinden wie ein Taucher unter Wasser. Womöglich konnte er so auch sehr leicht im Erdreich vorankommen. Die ihn eigentlich als sicheres Ziel anfliegenden Vögel machten eine so halsbrecherische Wende, daß ein Kampfjetpilot wohl nicht nur vor Neid blaß geworden wäre und brausten mit wie bei Kolibris wild surrenden Flügeln nach oben davon. Mit lautem Knall fegte ein grauer Riesenvogel in einer blauen Lichtsphäre über sie hinweg. Offenbar hatte das gefiederte Geschwader die Spur des Schlangenmeisters verloren oder wußte genau, wo dieser nun hin wollte. Yanxotahr blickte sich um. Die Stadt war fast leer.

"Auch wenn mein Urahn sie erbaut hat, dessen Namen ich trage, werde ich, um Skyllian vielleicht doch zu vernichten das große Werk vernichten müssen, um aller Altaxarroin wegen." Er hob das Schwert an und rief etwas, das Julius als "Feuer aus der Erden Bauch, fahret auf mit Glut und Rauch!" verstand. Dann erzitterte die Erde, wölbte sich, brach unter Julius und Kantoran auf und wurde zu einem Krater.

"Hups, das Ende von Yanxotharan wollten wir eigentlich nicht miterleben", sagte der Bewahrer der geschehenen Ereignisse. So machte er unbeeindruckt von dem gerade um ihn und Julius losbrechenden Vulkan einen großen Schritt nach vorne, hüpfte dann einmal mit ihm und stand vor einem großen runden Berg. Hinter sich hörten sie lautes Tosen und Brausen. Julius blickte sich um. Da kam eine mehr als einhundert Meter hohe Wasserwand auf sie zugerast. Julius hatte bereits von Tsunamis gehört, jenen verheerenden Flutwellen, die einem starken Erdrutsch auf dem Meeresgrund oder einem Seebeben folgten. Doch was da auf sie alle zutoste war mit abstand das gewaltigste Exemplar einer solchen Riesenwelle, daß er sich je hatte vorstellen können. Er fragte, ob das durch die Vulkanbeschwörung gekommen sei.

"iaxathan wurde von Darxandria, Yanxothar und anderen dazu getrieben, sein körperliches Dasein aufzugeben. Doch seine Schattenkrieger haben tief im Meer das Tausendsonnenfeuer entfacht und damit die Wassermassen zurückgedrängt, den Boden aufgerissen und damit ein äußerst verheerendes Beben ausgelöst, dessen Auswirkung du nun siehst. Vor uns liegt Khalakatan. Die Stadt ist gegen alle Widrigkeiten der Elemente gefeit und wird das Erbe weiterhüten. Wir Altmeister bewahren die Stadt vor dem Zerfall, auch wenn sie in den Tiefen des Meeres verschwindet." Die letzten Worte sprach er zwar sehr laut. Doch gegen das Donnern des heranstürmenden Tsunamis hatten sie keine rechte Chance. Julius wußte, daß ihnen die Riesenwelle nichts anhaben konnte, wie ja auch der Vulkanausbruch gerade eben noch oder vor etlichen Jahren ihnen nichts angehabt hatte. Doch der Geschichtsbewahrer aus der Halle des Wissens befand wohl, daß Julius nicht in Echtzeit sehen mußte, wie Atlantis wirklich unterging. Er deutete noch auf den westlichen Horizont, wo Julius einen schwachen Silberstreifen sah. Dann schwebten sie unvermittelt mehrere hundert Meter über dem Grund und sahen im Zeitraffertempo, wie mehrere Monsterflutwellen den langgezogenen Inselkontinent mit einem etwa zweitausend Meter hohen Berg in der Mitte überrollten. Der Boden senkte sich dabei immer mehr ab. Weitere Flutwellen fraßen mehr als zehn Kilometer breite Gebiete von den Küsten ab. Hier und da stießen weiße Rauchsäulen aus den Wassermassen, bildeten sich kleine Vulkane, die jedoch dem aufgewühlten Wasser nichts mehr entgegensetzen konnten. Im Gegenteil. Das Wasser stürzte in die Schlote und reagierte mit dem heraufbeschworenen Magma zu einer explosiven Mischung. Weitere Beben erschütterten den Inselkontinent. Der große Zentralberg bröckelte ab, bis auch er in den tobenden Wellen versank. Dann schien es, als würde die gesamte Landmasse wie auf einer Fahrstuhlplattform abgesenkt. Altaxarroi oder Atlantis versank nun in den Fluten des Meeres.

"Also doch kein Komet oder Asteroid", dachte Julius, dem die verschiedenen Deutungen vom Untergang des einst so prächtigen und hochentwickelten Reiches durch den Kopf spukten. Das was da passiert war war Menschenwerk gewesen. Größenwahn gepaart mit mächtigen magischen Kräften und eventuell damit verbunden der Zugriff auf atomare Energien, wenn sie nicht sogar ... Nein, das wollte Julius dann doch nicht recht glauben. Doch welche nukleare Sprengladung war stark genug, einen Kontinent, der mindestens doppelt so groß war wie Australien im Meer verschwinden zu lassen.

"Durch den Aufruhr der Elemente geriet die ganze Erde ins Taumeln, Julius Andrews. Die vereisten Gebiete anderer Kontinente tauten dabei auf, und das Meer stieg weiter. Viele konnten über die alten Straßen flüchten, bevor die Endpunkte, die direkt in Altaxarroi waren vernichtet wurden. Dabei waren auch Skyllian, Yanxothar, sowie einige Knechte Iaxathans und die engsten Vertrauten von Darxandria, die wie ihr großer Erzfeind beschlossen hatte, ihr Selbst in einem für sie vorbereiteten Gegenstand einzulagern. Was du da gesehen hast, hat in Wirklichkeit zwei Jahre gedauert. Ich habe mir nur die Freiheit genommen, die Ereignisse in beschleunigtem Ablauf zu zeigen. Für die restliche Welt war der Untergang ähnlich verheerend. Durch die Verlagerung des Orichalk wurde die Unruhe der Elemente noch verstärkt. Die entkommenen hatten nur wenige Großbarren des Himmelsbergerzes mitnehmen können. Die Kraft verteilte sich nun über den ganzen Erdenball. Doch hin und wieder traten besonders mächtige Träger der Kraft in das Licht der Weltgeschichte, wissende, die das vergangene in sich trugen, aber auch ahnungslose, die mit dem, was sie fanden nicht so recht umzugehen wußten. Das Tausendsonnenfeuer wurde seitdem nie wieder von altaxarroi-Gelehrten entfacht. Doch wie du gesehen hast, ruhen die goldenen Drachen der Bruderschaft von Feuer und Erde innerhalb des Turmes der vereinten Gewalten. Mögen sie ruhen und wie wir als Mahnmal und Erbe einer am Ende mit der eigenen Größe nicht mehr fertig werdenden Menschengattung fortbestehen!"

"Woher weiß man, daß Skyllian sein Erbe, wohl dieses Zepter, irgendwo versteckt hat und daß es nicht nur das Zepter ist?"

"Das obliegt nicht mir, dies zu beantworten", sagte Kantoran. "Ich habe dir nur einen Bruchteil unserer Geschichte gezeigt. Den Anfang, die Blütezeit und das jähe Ende. Trage diese Bilder in dir und versuche, die Menschen deiner Zeit davon abzubringen, ähnliches zu wiederholen! Ich weiß, daß die Menschen, die nicht mit der Kraft gesegnet sind, andere Wege fanden, große Kräfte und verheerende Feuer zu entfachen und damit die gesamte Welt an den Abgrund der völligen Entvölkerung zu treiben. Doch wie Garoshan dir bereits sagte, Julius Andrews: Uns Altmeistern ist es unmöglich, in die Leben und Entscheidungen der lebenden Menschen einzugreifen. Womöglich ist es der endgültige Preis für unser Wissen und unser Fortbestehen, daß wir eines Tages die einzigen bewußten Wesen auf einer ansonsten toten Welt sein werden, wenn die heute lebenden Menschen ihre Erfindungen und Kenntnisse unbedacht verwenden oder sie sogar von vorne herein zur Zerstörung entwickeln. Suche nun Ianshira, um sie zu fragen, was du sie fragen willst, Julius Andrews!" Das waren Kantorans letzte Worte an die Adresse des Jungzauberers. Dann fühlte dieser wieder seine Hände am Zylinder, in dem gerade eine silberne Substanz jeden Kubikzentimeter freien Raum auszufüllen begann. Julius löste sich von den Bildern der Vorzeit und auch von dem Zylinder und glitt leicht verunsichert wieder nach unten, vorbei an in der oberen Kugelhalle spärlichen Altmeisterinnen und Altmeistern. Einer in mitternachtsblauem Gewand, der trotz seiner schwarzen statt blonden Haare irgendwie Draco Malfoy ähnelte fragte Julius, ob er noch länger sinnlos herumsuchen wolle. Er bräuchte doch nur zu fragen. Jeder wüßte doch von allen alles. Julius überlegte, ob es eine Falle sein mochte und fragte, was denn dafür von ihm verlangt würde.

"Nun", setzte der Altmeister an, der sich Julius als Kianshagar vorgestellt hatte, "Mit dem, was ich dir bieten kann würdest du hoffnungslos überfordert sein, weil du zu viel belangloses Zeug mit dir herumträgst. Wenn ich dir die ersten dreizehn vierzehn Jahre deines Lebens von den Schultern nehmen darf, wirst du von mir alles erfahren, was du wissen willst. Du willst doch wissen, wo das Zepter von Skyllian ist und den schwächlichen Narren der es hat davon abhalten, seine Macht zu rufen, oder?"

"Ja, das will ich. Aber meine ersten vierzehn Lebensjahre dafür herzugeben ist mir dann doch ein zu hoher Preis", knurrte Julius. Er dachte an alles, was er gerade in diesen vierzehn Jahren erlebt hatte, seine Eltern, seine Freunde Lester und Malcolm, ja auch Moira Stuard. Sicher, das Sanderson-Haus mit seinen Wespen hätte er gerne abgegeben. Aber das gehörte doch genauso zu seinem Leben wie die Einschulung in Hogwarts, die erste Begegnung mit Madame Faucon, der erste Besuch in der Rue de Camouflage und die Zeit in Millemerveilles. Nein, seine vierzehn ersten Lebensjahre würde er nicht hergeben. Für wie dumm hielt ihn dieser offenkundige Schwarzmagier da im Glaszylinder? Er setzte sich schnell ab, verfolgt vom gehässigen Lachen des Altmeisters. "Vernebel dich wieder, Schweinepriester!" Grummelte Julius, während er weiter nach Ianshira suchte. Dabei traf er einige Dutzend Meter weiter unten auf eine Feuermagierin, die Yanxothars Gesichtszüge und dessen roten Haarschopf trug und in einem orange-goldenen Kleid, das wie gewebte Feuerzungen aussah erhaben und hell dastand.

"Ianshira wartet auf dich, Träger des Siegels von Darxandria", sagte sie, als er es wagte, ihr näherzukommen. Sie lächelte, nicht überlegen, sondern wohlwollend. "Ich darf dir zwar nicht sagen, wo genau sie zu finden ist, wurde aber von ihr gebeten, dir etwas über meinen Bruder Yanxothar zu erzählen, sofern du mir die richtigen Fragen stellst."

"Wie heißt Ihr?" Fragte Julius die Feuermagierin, deren goldbrauner Hautton dem Darxandrias glich, nur daß sie dunkle Augen hatte. Sie wirkte irgendwie jugendlich, wenngleich er in diesen dunklen Augen, die wie schwach glimmende Kohlen leuchteten die Bürde und Erfahrung eines langen Lebens glimmen sah.

"Ich bin Kailishaia, dritte Tochter des Aronxothar und Pilaia, Schwester des Yanxothar", sagte die Altmeisterin. Julius bekundete höflich, daß er erfreut sei, sie kennenzulernen. Dann fragte er:

"Hat Euer Bruder das von ihm geschmiedete Schwert mit seiner eigenen Seele belebt?"

"Ja, hat er. Nur wer sich ihm ebenbürtig erweist oder in allen Fasern seines Selbst sein Erbe ist kann die Klinge erringen und führen", sagte Kailishaia.

"Blieb Yanxothar bis zu seinem körperlichen Ende treuer Gefährte von Darxandria?" Wollte Julius wissen.

"Ja, er blieb ihr treu, auch als er bei den Nachfahren des Untergangs in Ungnade fiel, weil seine Werke die Verheerung beschleunigt hatten."

"Warum konnte der Anhänger der dunklen Macht, der sich Voldemort nennt das Schwert erobern?" Fragte Julius.

"Weil er nicht mit seinem ganzen Selbst mit Yanxothar rang. Etwas von ihm, daß er auslagerte, verhalf ihm zum Sieg."

"Wer hat das Schwert jetzt?"

"Im Moment ein wacher Feuerberg auf einer der Inseln, die ihr Hawaii nennt. Doch welche Insel und welcher Berg dies ist werde ich dir nicht verraten, weil kein Mensch dort hingelangen kann. Also denke nicht daran, das Schwert zu holen, wenn du nicht im glutflüssigen Gestein vergehen willst!"

"Dann ist es da für immer versteckt?" Fragte Julius mit einer Mischung aus Erleichterung und Wehmut, womöglich etwas gleichwertiges wie dieses Schlangenzepter in Besitz zu nehmen.

"Der, der es dort verbarg, wird eines Tages befinden, es wieder an sich zu nehmen. Denn er ist kein natürlicher Mensch mehr", sagte Kailishaia.

"Wie kann ein friedliebender Träger der Kraft sich die Gunst Eures Bruders erwerben, ohne dafür sein Leben oder die Seele aufgeben zu müssen?" Fragte Julius.

"Mut, Beharrlichkeit, geistige Beweglichkeit und die Bereitschaft, das eigene Leben zu geben, um anderen zu helfen, werden von ihm anerkannt. Sollte dir jener, der die Klinge versteckte damit zum Kampf gegenübertreten, so sprich die Worte

"aulalhischa Faianshaitargesh, Erstarret ihr Feuer des Himmels und der Erden!"

Julius stutzte. Das erste Wort kannte er aus der Zeitpaktformel. Also hieß aulalhischa erstarre oder erstarret.

"Sollte es dir doch vergönnt sein, die Klinge meines Bruders zu erringen, ohne daß er dein inneres Selbst darin behält, lass das erste Wort weg, wenn das Schwert gerade nicht entflammt ist!" Fügte Kailishaia noch hinzu. Dann erzählte sie Julius noch auf einige Fragen, wie ihr Bruder zum größten Feuermagier seiner Zeit geworden war. Doch dann befand sie, daß er nun Ianshira suchen sollte und zerfloss wieder zu silbernem Dunst innerhalb des Glaszylinders.

Julius glitt nun weiter durch die Kugelhalle. Im Moment empfand er die Suche nach Ianshira als interessant. Er traf zwar auch einige Altmeister, die Darxandrias Weltanschauung entsprachen. Diese sagten ihm aber nur, was er schon wußte, nämlich daß die Skyllianri der Erde verhaftet waren und gegen die meisten Zauber gefeit waren. Auf seine Fragen, ob sie ihm erzählen konnten, wo die Krieger schliefen oder ob Voldemort das Zepter schon benutzt hatte, bekam er immer die Antwort, daß sie nichts sagen konnten, was ein Geheimnis der Mitternächtigen war. Nach wohl einer weiteren Stunde fand er endlich, wen er suchte. Ianshira war klein und kugelrund, besaß tiefschwarzes Haar und hellgrüne Augen. Sie trug ein sonnengelbes Gewand mit goldenen Halbmonden an den Säumen. Als er sie begrüßt hatte sagte sie:

"Ich wollte dich sprechen, Julius Andrews, weil Garoshan mir mitgeteilt hat, welche ungewöhnlichen Kräfte du für dein Junges Alter schon erlebt und bewirkt hast. ich selbst bin eine Base Darxandrias und habe in dem Land, daß ihr heute Albanien nennt ein Jahrhundert lang ein ganzes Volk regiert, bevor ich beschloss, mein Wissen und meine Kenntnisse in die Halle des Wissens zu bringen und mich dem gläsernen Konzil anzuschließen. So stelle deine Fragen!"

"Wo schlafen die überlebenden Skyllianri?" Fragte Julius.

"Dies ist Wissen der Mitternächtigen, die der dunklen Seite zugeordnet sind. Die Orichalkregel verbietet es mir leider, dir das genaue Versteck zu sagen."

"Hat der, der das Zepter an sich gebracht hat seine Macht schon benutzt?"

"Bisher hat er nur den Pakt mit Sharanagot Skyllian besiegelt, dessen Krieger eines Tages zu wecken. Doch wann er dies tut hat er noch nicht beschlossen. Selbst dann dürfte ich es dir nicht sagen."

"Was ist die Stimme Ailanorars und wo finde ich sie?"

"Das waren jetzt zwei Fragen, Julius Andrews. Stelle mir bitte einzelne Fragen!" Maßregelte Ianshira ihn milde lächelnd.

"Was ist Ailanorars Stimme?" Fragte Julius.

"Es ist ein aus Mondlichtglanz gefertigtes Blasinstrument, das Ailanorar erschuf, um die von ihm erschaffenen Wolkenhüter und ihre Wärter zu rufen und auch die Kraft der Winde zu lenken", sagte Ianshira.

"Wo finde ich dieses Instrument?" Fragte Julius, der sich bestätigt fühlte.

"Es liegt auf dem roten Felsen auf der großen Wüsteninsel."

"Wie komme ich da hin?" Fragte Julius aufgeregt.

"Nicht bevor nicht die Sonne über dem sütlichen Eisland erwacht ist und dortWache hält", sagte Ianshira. Julius stutzte. Das südliche Eisland, das war zweifelsohne die Antarktis. Doch dann hieß das, daß er vor November nicht zu jenem roten Felsen gelangen konnte, besser, er würde dann dieses Blasinstrument nicht finden. Abgesehen davon wußte er dann immer noch nicht, wie er es benutzen sollte. Genau diese Frage stellte er Ianshira.

"Genau dies ist uns Altmeistern bisher nicht bekannt geworden. Ailanorar vermochte, sich stets unbeobachtbar zu halten. Somit können auch wir nicht auf ihn zurückschauen. Er nahm das Wissen um sein Geheimnis mit, als er wie meine Base sein Selbst in sein Herrschaftszeichen einlagerte. Es ist möglich, daß Darxandria dies weiß, doch auch sie vermag, ihr wirken zu verhüllen. Doch wenn sie dich herschickte, so wird sie wohl wissen, wie du jenen Gegenstand benutzen kannst. Frage also weiter!"

"Wenn ich erst dann an diesen Gegenstand herankomme, wenn über dem südlichen Eisland die Sonne erwacht ist, wie kann ich bis dahin gegen die Skyllianri bestehen oder meinen Gefährten sagen, wie sie bestehen können?"

"Da du bereits von einer starken Kraft des Lebens und der Liebe durchströmt wurdest, vermag ich, dir vier wirksame Künste beizubringen, mit denen du dich gegen ihre Übergriffe und die der Knechte jenes einfältigen Narren behaupten kannst. Denn die Skyllianri selbst sind gegen jede zerstörerische Kraft gefeit und werden durch die Macht der Erde gegen die anderen Elemente geschützt. Doch gegen die Worte des Friedens, der Liebe und der Umkehr des Vernichtungswillens können sie nur sehr begrenzt bestehen." Sagte Ianshira. Julius fragte, welche Zauber das seien.

"Wenn du sie lernen willst, sage dies laut und vernehmlich!" Forderte Darxandrias Base. Julius sagte:

"Ich möchte die vier Zauberkünste lernen, um mich und meine Gefährten vor bösen Wesen besser schützen zu können."

"So lege wie bei Kantoran deine Hände an die Außenseite meiner Behausung!" Forderte Ianshira ihn freundlich lächelnd auf. Julius hatte das Erlebnis mit dem Hüter der Ereignisse noch gut in Erinnerung. Dennoch fühlte er kein Unbehagen und befolgte die Anweisung.

Es war, als würde er innerhalb eines Sekundenbruchteils in einem geräumigen, von frei in der Luft schwebenden Leuchtkörpern in warmes, weißgelbes Licht getauchtem Saal auf einem weichen hellblauen Teppich stehen. Doch er trug nicht mehr die Jeans und die Jacke, sondern einen luftigzarten, weißen Umhang mit kleinen gelben Sonnensymbolen. Neben ihm stand Ianshira in jenem langen sonnengelben Gewand.

"Dies ist die Halle der Unterweisungen, wie ich sie bei der Erkundung meiner Kräfte häufig besucht habe", sagte Ianshira, und ihre Stimme klang für Julius wie aus der weitläufigen Halle. "Fangen wir also mit den Unterweisungen an! Zunächst das Wort der Todeswehr", begann sie und holte aus ihrem Gewand jenen pyramidenförmigen Kristall hervor, den Julius in den Zeitreisevisionen Kantorans bereits gesehen hatte. Der Kristallkörper leuchtete schwach rot auf, als Ianshira ihn in die rechte Hand nahm und eine der vier Spitzen auf einen Punkt der Gegenüberliegenden Hallenwand richtete. Sie forderte Julius auf, seinen Zauberkraftausrichter hervorzuholen. Der Schüler griff in das Gewand und förderte seinen hölzernen Zauberstab zu Tage. Offenbar wollte ihm die Altmeisterin den Umgang mit vertrauten Zauberhilfsmitteln beibringen. Dann begann sie, ihm das Wort der Todeswehr zu erklären, das in Verbindung mit einem sich abwendenden Angreifer für eine kurze Zeit die Mordlust des Gegners vertreiben konnte. Julius sog die Erklärungen mit den Ohren auf wie ein trockener Schwamm, hing mit seinen Augen an jeder Handbewegung, Fingerstellung und Auslenkung des Magieausrichters. "Katashari!" Rief sie immer wieder, wobei sie jede Silbe gesondert betonte. Sie erklärte ihm, daß es nicht auf das Wort allein ankam, sondern auf die Einheitliche Ausrichtung von Körper, Geist und Zauberkraftausrichter. Nur wenn all dies abgestimmt sei, würde der damit abgewehrte Gegner vorübergehend seine Tötungsabsicht verlieren, könnte dann keine Handlung ausführen, die ihm, also Julius oder den im Blickfeld des Feindes stehenden Gefährten das Leben nehmen würde. Julius fragte, ob diese Handlung der Gegenfluch zu Avada Kedavra sei, den Worten des Todes.

"Nein, es ist eine vorbeugende Maßnahme. Wenn dein Feind bereits eine übernatürliche Gewalt aufgerufen hat, die den sofortigen Tod herbeiführt, bevor du diese Gegenwehr ausgeführt hast, fällst du oder jeder in der Ausrichtung des Gegners dem tödlichen Angriff zum Opfer", sagte Ianshira. "Hinzu kommen dann noch zwei Dinge: Du mußt dich tatsächlich in tödlicher Gefahr befinden oder Angst vor dem Tod dir wichtiger Gefährten haben, um die Todeswehr anwenden zu können. Außerdem hängt die Wirkungsdauer von der Willenskraft des Gegners ab. Ist er vom Tod besessen und dir gegenüber mächtiger in der Anwendung der Kraft, wirkt die Todeswehr womöglich nur weniger als fünf Minuten der dir geläufigen Zeitrechnung. Danach ist er oder sie für einen halben Tag mit dem Wort der Todeswehr nicht mehr zu besänftigen." Sie ließ von ihrem Zauberkristall aus mehrere furchterregende Geschöpfe aus weißem Nebel entstehen, die Julius direkt attackierten. Er wehrte sich mit dem Zauberwort Katashari, was er als "weiche Tod" verstand. Die heraufbeschworenen Kreaturen lösten sich erst auf, wenn er das Wort korrekt aussprach und auch sonst die vorgegebenen Bewegungsabläufe und Gedankenverknüpfungen zusammenwirkte.

"Auch ist wichtig, daß du in dem Moment, wo du diese mächtige Anwendung benutzt nicht von Haß und Tötungswut ergriffen bist", erklärte die Altmeisterin des Lichtes noch. Dann erschuf sie weitere große Kreaturen aus weißem Nebel, die Julius durch den neuen Zauber bannte. Er zählte gar nicht erst, wie oft er wiederholte, was Ianshira ihm beigebracht hatte. Irgendwann jedoch nickte sie und sagte, er habe nun oft genug ausgeführt, was sie ihn geheißen habe. Dann ging sie ohne Pause zum nächsten Zauber über, dem Raum des Friedens, mit dem ein abschließbarer Raum für eine volle Stunde gegen den Zutritt böswilliger Wesen versperrt werden konnte. Diesen Zauber zu begreifen erforderte von Julius sehr viel Konzentration und Geduld. Doch seltsamerweise fühlte er sich nicht erschöpft, als er nach weiteren ungezählten Wiederholungen, in denen er in einer kleinen Kammer gezaubert hatte die nächste Übung machen sollte. Jedesmal, wenn für wenige Sekunden eine Wand aus goldenem Dunst um sie herum entstand, nickte sie.

"Wichtig ist, daß du immer daran denkst, daß in diesem Raum jemand ist, den du schützen willst. Wenn du es geschafft hast, den goldenen Hauch sichtbar werden zu lassen, kannst du für eine volle Stunde den Raum verlassen und die darin zurücklassen, die deinen Schutz erhalten sollten. Doch sie müssen dann in diesem Raum verbleiben. Verlassen sie ihn, zerstreut sich die schützende Kraft wieder. Wende diese Kunst also besser dann an, wenn du einen gegen körperliche Gewalten abschließbaren Raum findest, in dem mindestens ein von dir schützenswertes Lebewesen du selbst eingeschlossen anwesend ist!" Erklärte Ianshira. Dann ging sie zur nächsten Übungseinheit über, dem Verjagen des Feindes, mit dem ein böswilliges Wesen unabhängig von der eigenen Körpermaterie durch alle festen Hindernisse bis außerhalb der Rufweite des Verteidigers befördert wurde. Julius erinnerte sich, daß es den Golemabschreckzauber gab. Ianshira vermutete, daß es ein Überbleibsel dieses Zaubers gewesen sein mochte. Da Julius die Formel für die Golemabwehr noch gut kannte, befand sie, daß er jetzt wohl auch die eigentliche Feindvertreibungsformel benutzen konnte und ließ sie ihn mehrmals vorsprechen, bevor er unterstützt von dem Gedanken an einem vor hellem Licht zurückschreckenden Raubtier mit einer wegscheuchenden Stoßbewegung die dreiteilige Zauberformel sprach, immer schneller, bis er bald nicht mehr zwischen den einzelnen Silben trennen mochte. Als er auch diese Übung mehr als zehn oder zwanzigmal wiederholt hatte brachte Ianshira ihm noch den Zauber der Umkehr bei, der wirkende Flüche oder Sperren in ihr Gegenteil umkehrte oder, sofern sie nicht tödlich waren, auch denjenigen, der sie erzeugt hatte richteten. Hierbei warnte sie ihn jedoch, daß er im räumlichen Verhältnis vom umzukehrenden Zauber Kraft aufwenden mußte, also je größer der von der umzukehrenden Magie erfüllte Raum war, desto erschöpfender war die Umkehrung selbst. Julius dachte für sich, daß sie ihm diesen Zauber wohl nicht beibringen würde, wenn sie sich nicht sicher war, daß er ihn entweder nur bei kleinen Sachen bräuchte oder auch mit größeren behexten Flächen und Räumen fertig werden könnte. Um Übung mit diesem Zauber zu bekommen baute Ianshira magische Barrieren vor ihm auf, die er mit den erlernten Worten für sich selbst durchlässig machen konnte. Die Base Darxandrias erklärte die Übungen erst für beendet, als er weniger als zwei Sekunden brauchte, um die ihn zurückhaltende Barriere umzupolen, daß er sie durchschreiten konnte.

"Nun wiederholen wir noch einmal alle vier Künste, die du gelernt hast!" Sagte Ianshira, als er endlich genug geübt hatte. Als er nach je fünf Durchgängen der vier erlernten Zauber unvermittelt wieder neben dem Glaszylinder schwebte, in dem Ianshira ihre Nachlebenform aufbewahrte, fühlte er, wie starke Energien ihn durchpulsten.

"Die Macht der Halle durchströmt deinen Leib und dein inneres Selbst, um dich wach und aufnahmebereit zu halten", sagte Ianshira, nun wieder mit der sphärisch klingenden Stimme jedes bisher angetroffenen Altmeisters. Julius nickte. Zwar dachte er, daß der Trank ihm noch genug Ausdauer verlieh, aber vielleicht brauchte er die draußen ja wieder. Da fiel ihm etwas ein, daß ihm jetzt, nachdem er so viel neues und brisantes erlernt hatte, einen gewissen Schrecken einjagte. Was wäre, wenn jemand dieses Wissen aus seinem Geist ziehen mochte, wenn er sich nicht gut genug abschirmte?

"Wovor fürchtest du dich?" Fragte Ianshira. Er gestand es ihr ein. Sie lächelte freundlich.

"Keiner, der zu uns in die Halle des Wissens kommt, kann dazu gezwungen werden, gegen seinen Willen preiszugeben, was er oder sie hier erfahren hat. Dieselbe Macht, die uns hier erhält und der Orichalkregel unterwirft bewahrt das erworbene Wissen im Geiste dessen, der es erfragt hat."

"Gibt es noch etwas, was du mir über die Skyllianri sagen kannst?" Fragte Julius.

"Nur, daß sie in ihrer reinen menschlichen Gestalt gegen alle Gifte, das Feuer und unbelebten Waffen gefeit sind und in ihrer furchteinflößenden Gestalt nicht nur gegen die meisten Ausprägungen der Kraft gewappnet sind, sondern auch arglose Mitmenschen durch ihren Blick erstarren lassen können. Jedoch sind sie der Erde verhaftet, was heißt, daß sie auf Gewässern oder im freien Fluge angreifbar sind. Doch weil sie dies wissen, werden sie sich davor hüten, sich in entsprechende Mißlichkeiten zu bringen. Mehr kann und darf ich dir nicht sagen", erklärte Ianshira. "Alles weitere, wie du von hier wieder dorthin zurückkehren kannst, und wie du unsre altehrwürdigen Straßen nutzen kannst, obliegt Garoshan. Lebe wohl und achte das Leben deiner Mitmenschen, Julius Andrews!"

"Danke für die Zauberformeln!" Sagte Julius. Ianshiras Projektion zerfloss zu silbernem Licht. Der Jungzauberer brachte sich mit der von Garoshan erlernten Flugmagie zu eben diesem Altmeister zurück.

"Nun heißt es, dich mit dem dir auferlegbarem Wissen zurück zu den deinen zu entlassen", sagte Garoshan erhaben klingend. "So höre und verinnerliche dir die Wörter, die du nutzen kannst, um unsere alten Straßen zu benutzen!"

"Moment, bevor ich hier weggehe möchte ich gerne noch etwas wissen", sagte Julius. "Warum wurde ich draußen angegriffen, als ich herkam? Wird mich wieder irgendwer angreifen, wenn ich jetzt wieder da rausgehe?"

"Jetzt, wo der Turm dich als willkommenen Gast einließ und du von uns begrüßt wurdest, werden die Wächter dich nicht mehr behelligen. Sie sind dazu da, unbefugte Besucher, die durch Zufall einen Lotsenstein benutzen konnten, nicht ohne Gegenwehr zu uns vordringen zu lassen. Außerdem prüfen sie Mut und Entschlossenheit des Wissenssuchers und vor allem seine Fähigkeit, sich schnell auf sie einzustellen. All das hast du bewiesen und wurdest in den Turm eingelassen. Wenn du nun wieder hinausgehst, wird dich niemand mehr behelligen. Also merke nun auf!"

Julius hörte insgesamt achtundvierzig Wortpaare und bekam dabei Bilder gezeigt, wie das Zielgebiet aussah, in dem der jeweilige Ausgang lag. Dann lernte er noch, wie er nicht nur sich selbst, sondern bis zu drei weitere Lebewesen mit auf eine solche Reise nehmen konnte. Ashmirin hieß ein Leben, Daimirin zwei, Giarmirin drei und Godjamirin bedeutete vier lebendige Wesen. Er wiederholte die Wörter fünf Mal, wobei er immer den Bildausschnitt wie um sich herum in den Raum gezaubert sah. Dann sagte Garoshan noch:

"Du hast von Ianshira vier mächtige Wehrzauber erlernt. Für dein junges Alter ist es beachtlich, daß sie dir den Raum des Friedens und die Umkehr von böswilligen Kräften beigebracht hat. doch bedenke dabei, daß du außerhalb dieser Halle deiner eigenen geistigen und körperlichen Ausdauer unterworfen bist! Selbes gilt für das, was ich dir selbst beibrachte. Wenn du aus dem Turm heraus bist, so wirst du merken, wie es anstrengt, auch nur einige Dutzend Schritt weit durch die Luft zu fliegen, wenn du es noch nicht oft genug getan hast. Deshalb wende dieses Wissen nur solange an, bis dein unbelebtes Flugwerkzeug wieder erholt genug ist, um dich mit der ihm eingewirkten Kraft zum großen Tor zurückzubringen, durch das du unsere erhabene Stadt wieder verlassen kannst. Lebe also wohl, Julius Andrews!"

"Vielen Dank für alles", sagte Julius. Garoshan lächelte noch einmal. Dann löste sich sein Körper wieder in jenes silbern leuchtende, gasartige Etwas auf, das den großen Glaszylinder ausfüllte. Julius nickte den versammelten Altmeistern noch einmal zu, die nun wieder nur dieses silberne Licht ausstrahlten und diesen leisen Dreiklangton erklingen ließen. Er trat zum unteren Scheitelpunkt der Kugelhalle hin und kniete nieder. Wie er gelernt hatte sprach er das Wort für Ausgang und sank durch jenen Silberdunst, der die Halle von der Treppe trennte. Dann ging er auf eigenen Beinen hinunter, wo der Trupp der goldenen Krieger wartete. Der Transportkorb war auch noch da. Julius warf einen Blick auf seine Uhr und erschrak. Er hatte zehn Stunden in der Halle zugebracht, wenn seine Uhr hier noch nach normaler Zeit lief. Doch gerade deshalb fand er, daß er jetzt keine Zeit mehr verlieren wollte. So bestieg er schweigend den gläsernen Förderkorb. Seine metallischen Begleiter kletterten ebenfalls in den Beförderer, der dann ohne hörbares Kommando abhob und in den Tunnel hineinraste, der erst in einer immer weiteren Spirale auseinanderlief und dann wieder enger wurde. Dann raste der Korb durch die Tunnel und Schächte zurück in die Halle, wo die rasante Reise gestartet war. Unterwegs betrachtete Julius noch einmal die goldenen Drachenungeheuer. Waren es wirklich diejenigen, die jenes gleißendhelle Feuer speien konnten, das am Ende auch Atlantis oder Altaxarroi vernichtet hatte? Hatten diese Übermagier, die am Ende ihrem Allmachtswahn verfallen waren tatsächlich eine Form der Atomenergie nachempfunden oder gar das herstellen und verwenden können, was heutige Wissenschaftler als Antimaterie bezeichneten? Julius wollte es eigentlich nicht wissen, solange diese Vernichtungskraft mit den Altaxarroin vergangen war. Zumindest hoffte er, daß niemand, der den Leuten in mitternachtsblauen Gewändern sympathisch war, diese Superwaffe bekommen konnte. Mochten diese Drachen ruhig weitere Jahrtausende schlafen! Er hoffte, sie nicht in Aktion erleben zu müssen. Dann fiel ihm etwas ein, was ihn ärgerte. Warum hatte er nicht gefragt, wo das Entschmelzungsschwert aufbewahrt wurde, das angeblich in der natürlichen Welt existierte? Er sagte dem Truppführer, er müsse noch einmal in die Halle des Wissens. Doch der goldene Krieger hörte nicht auf ihn.

"Heh, ich muß noch eine Frage an die Altmeister stellen."

"Sie haben dir alle Fragen beantwortet, die wichtig waren. Denn sonst hätten sie dich nicht entlassen", sagte Ashsanmiridia, die Sprecherin der goldenen Frauengestalten in Sonnengelb. "Mehr wirst du erst dann erfahren, wenn es dringlich und wichtig ist und mindestens ein Mondwechsel stattgefunden hat."

"Und es gibt keine Möglichkeit, nachzufragen?" Wollte Julius wissen.

"Sie haben alle deine Fragen beantwortet und werden erst dann wieder für dich zu sprechen sein, wenn die Fragen, die du hast sehr dringlich sind."

"Die frage von mir wäre sehr dringlich", sagte Julius nur. Doch der Truppführer verneinte das.

"Dann hättest du daran gedacht, als du in die Halle eingetreten bist", erwiderte Ashsanmiridia kühl. Julius verstand. Die Altmeister wollten ihm nur die unmittelbar drängenden Fragen beantworten und ihn mit dem nötigen Wissen ausstatten. Als er in der Halle gewesen war, war er geistig mit ihnen in Verbindung getreten. Zwar hatte er immer nur einen Altmeister zur Zeit wahrgenommen, was aber nicht heißen mußte, daß sie ihn nicht alle überwacht hatten. So nahm er die Erkenntnis hin, daß er vorerst nichts über jenes Kurzschwert erfahren würde. Doch das hieß ja nicht, daß er nicht von anderen mehr darüber hören oder lesen konnte. So blieb er ruhig, bis der Korb seinen rasanten Flug durch Schächte, Hallen und Tunnel beendete. Er bestieg die silberne Plattform. Der Truppführer und Ashsanmiridia begleiteten ihn, während die übrigen Krieger und Dienerinnen am Fuß der Hohen Plattform zurückblieben.

"Wir sind nun für dein Wohlergehen zuständig", sagte der Truppführer. "Deshalb werden wir dich in deine Welt begleiten."

"Öhm, ich fürchte, daß geht nicht", sagte Julius, dem der Gedanke, mit zwei uralten, aber allen anderen Robotern und magischen Automaten überlegenen Metallgeschöpfen irgendwo hinzugehen nicht sonderlich behagte.

"Wir sind für dein Wohlergehen zuständig", wiederholte Ashsanmiridia. "Daher werden wir dich begleiten."

"Dort wo ich hingehe habe ich mehrere gute Freunde und Fürsorger, die auf mich aufpassen. Wenn ich euch mitbringe, werden sie Angst bekommen und vor euch davonlaufen", erwiderte Julius. Er wendete Occlumentie an, falls die beiden künstlichen Wesen seine Gedanken mithören konnten. Denn er wollte nicht mit diesen beiden absolut überragenden Geschöpfen an seiner Seite in seine Welt zurückkehren. Dann sagte er noch: "Ich muß meinen Gefährten erst alles erzählen, wo ich war, und auch, daß ich euch begegnet bin. Werden sie keine Sorgen haben, kann ich zurückkehren und euch nachholen. Ich denke, in einem Tag kann ich wieder zurückkommen."

"Es wird dich wohl nur einen Vierteltag kosten, unser Dasein zu erläutern und unsere Aufgabe so zu vermitteln, daß niemand, der dir gutes will sich vor uns fürchten muß", sagte der Truppführer. "Doch besser ist es, wenn wir dich begleiten, auf das die Erläuterung noch schneller erfolgen kann."

"Ein Vierteltag ist wenig. Denn ich muß alle um mich versammeln, die mir wichtig sind. Vile von denen haben gerade anderswo zu arbeiten. Da muß ich warten. Einige leben in einem Land, wo jetzt tiefe Nacht ist. Sie sollen schlafen können. Wenn ihr also euren Auftrag ausführen wollt, ohne meine Gefährten zu vergraueln, muß ich mehr Zeit haben", sagte Julius.

"Ein Vierteltag. Kehre dann zurück und nimm uns mit dir!" Sagte Ashsanmiridia und sah Julius merkwürdig durchdringend an. Er stemmte sich mit Occlumentie dagegen, falls dieses Androiden-Mädchen ihn mit Mentalmagie angriff, um ihn für ihre Aufgabe empfänglicher zu machen. Er sagte dann ruhig:

"In sechs Stunden hole ich euch ab. Kehrt solange dorthin zurück, wo ihr die Jahrtausende gewartet habt!"

"Wir werden auf dich warten", sagte der Truppführer. Dann gingen er und seine Gefährtin die Treppenstufen wieder hinunter. Julius wartete eine Minute, bis sie wohl in die geheime Kammer unter der Plattform eingetreten waren. Dann kniete er sich nieder und berührte mit Kopf und Lotsenstein die Plattform. Unvermittelt fühlte er sich wieder durch einen blau-roten Turbostaubsaugerschlauch gezogen und landete außerhalb des mächtigen Turmes. Er sah sich rasch um. Die vorhin angerückten Erdkreaturen waren verschwunden. Gut so! Er versuchte, auf seinem Besen aufzusitzen. Doch dieser war weiterhin unbrauchbar. So wendete er die neue Flugzauberei an. Doch als er einige dutzend Meter ohne Zuhilfenahme des Besens geflogen war, fühlte er, daß dabei wirklich Ausdauer von ihm abging. Doch er flog weiter, bis der Turm hinter ihm gerade so dick wie ein junger Baumstamm erschien. Julius landete und holte seinen Besen heraus. Dieser fühlte sich warm an und vibrierte wie wild. Er versuchte, aufzusitzen. Zuerst ruckelte der Besen. Doch dann hob er einfach mit Julius ab. Im schnellen Tempo ging es weit oberhalb der Bauwerke zum großen Tor zurück. Jetzt hatte er es sehr eilig. Schließlich landete er unter dem hundert Meter hohen Rundbogen. Dann fiel ihm ein, daß er hier das Naviskop ausprobieren konnte. er hatte es wie den Goldblütenhonig und sein magisches Vielzwecktaschenmesser eingesteckt. Er holte es heraus und nordete es ein. Dann ließ er es arbeiten. Zu seiner Verwunderung zeigte es ihm tatsächlich einen Wert an. Er merkte sich die Koordinaten. Wenn er wieder in seiner Welt war wollte er sie mit dem Atlas nachprüfen. Doch auch so war es schon beachtlich. Dann aber nahm er den Lotsenstein und rief "Ashmirin!" Danach rief er die beiden Wörter, die ihn mit dem Ausgangspunkt seiner magischen Reise hierher verbanden. Als er dann wieder durch jenen rot-blau-silbern flackernden Tunnel aus Licht dahinglitt, dachte er daran, was für ein abgedrehtes Abenteuer er nun schon wieder hinter sich gebracht hatte. Doch er dachte auch daran, daß er das eigentliche Ziel der Mission nicht erreicht hatte, eine schnelle Abwehr gegen jene Macht zu finden, die nun von Lord Voldemort kontrolliert wurde. Erst wenn es auf der Südhalbkugel der Erde Frühling oder Sommer war konnte er zu jenem roten Felsen auf der großen Wüsteninsel. Damit war hundertprozentig der berühmte Ayers Rock gemeint, der soweit er von Bill Huxley und Aurora Dawn wußte bereits von den Ureinwohnern als Heiligtum verehrt wurde. Mehrere Monate, in denen Voldemort die schlafenden Krieger aufwecken und in Marsch setzen konnte. Doch warum sollten ihm die Altmeister die Wahrheit verschweigen? Er würde nachprüfen, wo die anderen Endpunkte lagen. Doch dabei wollte er dann nicht alleine durch diesen magischen Verbindungstunnel reisen. Er überlegte nur, wie er Madame Faucon und seiner Mutter beibringen konnte, daß er wohl auch dieses Musikinstrument beschaffen mußte, das Ailanorars Stimme genannt wurde. Würden sie ihn dann begleiten wollen oder ihn alleine losschicken? Doch bis dahin hieß es wohl warten. Warten und hoffen, daß bis dahin nicht schon viel zu viel Schaden angerichtet wurde.

Als er für wenige Augenblicke über eine goldenen Plattform am Startpunkt in den Pyrenäen schwebte, atmete er auf. Hier gehörte er hin. Er legte den Lotsenstein schnell wieder in eine seiner Taschen, bevor dem Stein noch einfiel, ihn sofort wieder zurückzubringen. Er dachte nämlich nicht daran, die goldenen Androiden um sich herumspringen zu lassen. Das würde ihn bei allen Freunden und Verwandten als einen abgedrehten Typen rüberkommen lassen. Er hoffte nur, daß die goldenen Wesen nicht aus eigener Kraft aus der geheimnisvollen Stadt verschwinden konnten, um ihn zu suchen. Womöglich würden sie dann die Ausstrahlung seines Lotsensteins anpeilen. Also galt es, ihn in den nächsten sechs Stunden möglichst aus seiner Reichweite zu befördern. Andererseits brauchte er ihn doch mal, wenn er die anderen Ausgangspunkte der alten Straßen besuchen wollte. Doch zuerst galt es, zu Hause anzurufen, daß er wieder da war.

Er freute sich, als er das rote Herz warm und weich pulsieren fühlte. die Verbindung mit Millie war doch wieder hergestellt. Er legte das Schmuckstück an seine Stirn und dachte:

"Millie, ich bin jetzt wieder raus aus der Stadt und da, wo Madame Faucon mich abgesetzt hat.

"Wo genau ist das?" Fragte seine Freundin, in deren Gedankenstimme große Erleichterung mitschwang. Julius holte das Naviskop heraus und praktizierte aus der mitgeführten Schrumpfbibliothek den magischen Atlas heraus. Dann stellte er die genauen Koordinaten fest und prüfte sie im Atlas auf der Südeuropakarte nach. Er teilte Millie die genauen Koordinaten mit und erwähnte auch die drei am nächsten sichtbaren Berge.

"Gut. Ich werde Madame Rossignol informieren und damit auch deine Saalvorsteherin", mentiloquierte Mildrid.

"Alles klar", dachte Julius zurück und beendete die Gedankenverbindung. Dann prüfte er die Koordinaten nach, die er in Khalakatan erhalten hatte. Es wunderte ihn nicht, daß er mitten im Atlantik gelandet war. Den Daten nach war er zweitausend Kilometer westlich von Afrika und genau zwei Breitengrade über dem Äquator unterwegs gewesen. Die alte Stadt hatte dem dort wohl vorherrschenden Wasserdruck spielerisch standgehalten. Womöglich lag sie sogar unter Geröllmassen, tief unter der Erde.

Es dauerte keine Minute, da apparierte Madame Rossignol bei ihm, sah ihn erst erleichtert und dann etwas tadelnd an. Sie besah ihn von oben bis unten. Dann knallte es laut, und Hippolyte Latierre erschien mit ihrer zweitjüngsten Tochter am linken Arm aus leerer Luft. Keine fünf Sekunden danach ploppte es leise, und Professeur Faucon trat wie aus dem Nichts heraus zu Julius hin. Zum Schluß apparierte auch noch Catherine Brickston.

"Hallo, Julius", grüßte Catherine lächelnd. "Geht es dir gut?"

"Ich finde, diese und alle anderen Fragen sollten wir anderswo besprechen", schnarrte Madame Faucon, die mißbilligend die Schar der hier versammelten Hexen anblickte.

"Stimmt, hier wird's langsam Kalt, sagte Julius und deutete auf die gerade hinter einer Bergspitze verschwindende Sonne, die die Gipfel der Pyrenäen wie in flammenlosem Feuer erglühen ließ.

"Zehneinhalb Stunden", knurrte Madame Faucon. "Was ist in dieser Zeit ... Aber das gehört zu den Fragen, die wir anderswo klären sollten", fügte sie noch hinzu.

"Seine Mutter ist noch bei uns", sagte Hippolyte Latierre unbeeindruckt von Madame Faucons mißbilligendem Blick. "Sie wird ihn sofort sehen wollen."

"Sie wissen genau, daß Ihr Haus für diese Besprechung nicht in Frage kommt", knurrte Madame Faucon sehr verbittert. Millie lächelte hinter ihrem Rücken.

"Gut, dann bei mir", sagte Catherine beschwichtigend. Da krachte es wie ein Kanonenschlag, und Madame Maxime stand wie aus dem Boden geschossen da.

"Also doch", knurrte die Schulleiterin von Beauxbatons und warf allen Anwesenden von oben herab einen kritischen Blick zu. "Es hat sich doch als nützlich erwiesen, bei Madame Rossignol zu wachen. Schön, daß Sie wieder zurück sind, Monsieur Andrews."

"Das muß sich erst erweisen, ob es eher schön oder nur beruhigend ist", wandte Hippolyte Latierre unbeeindruckt ein. Die auch sie weit überragende Halbriesin funkelte sie bedrohlich an und fauchte dann:

"Natürlich werden wir uns alle in Beauxbatons treffen. Nur wir aus der magischen Welt."

"Ich finde", setzte Madame Latierre unbeeindruckt an, "daß das keine Beauxbatons-Angelegenheit ist. Wundere mich eh, daß Professeur Faucon Sie damit behelligt hat."

"Natürlich geht es mich etwas an, was eine meiner Angestellten mit einem der mir anvertrauten Schüler in der Akademie begonnen hat und in die Ferien hinein fortsetzt", schnaubte die nun wohl noch etwas mehr als drei Meter groß wirkende Madame Maxime ungehalten. "Es ist eher unverantwortlich, Sie und Ihre Tochter Mildrid damit zu behelligen", fügte sie noch hinzu. Millie verzog zwar das Gesicht, wagte aber nichts dazu zu sagen.

"Da meine Tochter diesen jungen Mann, den Sie beide für gefahrvolle Missionen einzuspannen pflegen zu einem Teil ihres Lebens machen möchte geht es zumindest sie etwas an, und da sie minderjährig ist auch mich und meinen Mann. Ich bin mit dem Haus der Brickstons als Treffpunkt einverstanden, da Professeur Faucon ja Vorbehalte gegen mein Haus hegt."

"Leute, am besten klärt ihr das ohne mich", knurrte Julius und machte Anstalten, seinen Besen zu besteigen, um einfach so davonzufliegen. Da krachte es in gewisser Entfernung, und etwas mit großen, leuchtenden Augen kroch brummend den Berghang hinauf. Dann erkannte Julius die Vorderfront des VW-Busses der Latierres. Madame Maxime fuhr herum und machte mit ihren kinderkopfgroßen Händen wegscheuchende Bewegungen. doch der veilchenblaue Kleinbus ließ sich nicht verjagen. Er knatterte unbeeindruckt heran und kam leise quietschend zum Stehen. Dann schwangen die Vordertüren auf.

"Ich hörte, ich könnte hier jemanden abholen", rief Albericus Latierre mit seiner hohen Stimme aus dem Fahrzeug.

"Hups, woher haben Sie denn gewußt, wie Sie herkommen können?!" Rief Julius, froh, von dem aufgekommenen Zuständigkeitsstreit abgelenkt zu sein.

"meine Tochter hat mir die Breiten- und Längengrade mitgeteilt. Mit genug Anlauf kann ich genau an angesagten Kreuzungspunkten auf festem Land rauskommen", sagte Millies Vater. Dann kletterte er aus dem Fahrzeug und begrüßte alleAnwesenden. Dann maß er Madame Maxime mit seinem Blick und verglich ihre Abmessungen mit der Höhe seines Busses.

"Wenn Sie in Krabbelhaltung reinklettern kann ich Sie auch mitnehmen, Madame Maxime", sagte Monsieur Latierre amüsiert grinsend.

"Sie wagen es, mir in Anwesenheit Ihrer Tochter derartig unverschämt zu kommen?" Schnaubte Madame Maxime. Julius hörte jedoch nicht darauf, weil er gerade seine Mutter ansah, die aus dem Bus geklettert war. Sie eilte auf ihn zu. Madame Rossignol winkte sie wortlos heran.

"Ich bin froh, daß du wieder da bist. Ist dir was passiert?" Fragte Martha Andrews besorgt. Julius schüttelte den Kopf. Dann sprach Professeur Faucon:

"Da sich die Frage, ob Madame Andrews zu unserer Unterredung hinzugeholt werden soll oder nicht soeben erübrigt hat schlage ich vor, daß wir hier und jetzt darüber sprechen, was Ihnen, Monsieur Andrews, während der knapp elf Stunden widerfahren ist und welche Erkenntnisse Sie gewonnen haben. Allerdings sollten wir Vorkehrungen gegen unerwünschte Beobachter treffen."

"Einverstanden", erklärte Madame Maxime.

Professeur Faucon zog einen etwa zwölf Meter durchmessenden Kreis, in den sie sehr bedacht magische Runen einzeichnete und bezauberte diesen dann mit einigen Formeln. Julius wußte, daß auch unter freiem Himmel Abwehrzauber gegen Fernbeobachtung und -Bbelauschung gewirkt werden konnten. Der Bus stand nun innerhalb des magischen Kreises. Madame Maxime schnaubte zwar ungehalten, als Monsieur Latierre die hintere Rückbank zusammenklappen und im Boden des Busses versinken ließ, zwengte sich dann aber doch in das Fahrzeug hinein, wobei sie peinlich darauf achtete, ihren wadenlangen Rock aus dunkelblauem Satin nicht zu beschmutzen. Als sie dann alle im Bus saßen und alle Türen geschlossen hatten berichtete Julius seine Erlebnisse, während Madame Rossignol ihn untersuchte, Millie und seine Mutter ihn sehr genau im Blick behielten und Madame Faucon immer wieder von ihm zu ihrer Vorgesetzten blickte, die wie ein drei meter großes Riesenbaby im Vierfüßlerstand dahockte und ebenfalls alles mithörte.

"Mit anderen Worten, die ganze Aufregung mit diesen Träumen war leider umsonst", faßte Madame Faucon den Bericht zusammen, den Julius damit beendet hatte, wie er noch mehr über die alten Straßen erfahren und dann die Stadt verlassen hatte.

"Ja, weil dieses Dings sich nicht mal eben holen läßt", knurrte Millie. "Diese Darxandria hat ihn für nix und wieder nix kirre gemacht."

"Ich würde das zwar anders ausdrücken, Mademoiselle Latierre", schnarrte Madame Faucon, "aber vorerst muß ich Ihnen zustimmen. Wenngleich ich als Fachlehrerin für den Schutz vor bösartiger Magie durchaus einen Erfolg in dieser Reise erkenne."

"Was soll denn daran erfolgreich sein?" Fragte Martha Andrews. "Sicher, mein Sohn ist unbeschadet zurückgekehrt und hat gerade erzählt, daß er in einer Art großer Halle auf unsterbliche Überlebende dieses alten Reiches gestoßen ist und von ihnen verschiedene neue Zauber erlernt hat. Aber dieses Artefakt, um das es ging kann noch nicht geborgen werden, und bis dahin kann jener Dunkelmagier, der Professor Dumbledores Tod auf dem Gewissen hat treiben was ihm gefällt. Außerdem gefällt es mir nicht, daß Julius nun die Hauptlast der Bekämpfung dieser Gefahr aufgebürdet bekommen hat, unabhängig davon, was er gelernt hat oder nicht."

"Sie können versichert sein, Madame Andrews, daß wir nicht beabsichtigen, Ihren Sohn alleine gegen diesen Verbrecher und die ihm wohl zugefallene Macht ankämpfen zu lassen", warf Madame Maxime ein. "Soweit ich nun weiß, können wir diesen Stein auch benutzen, falls Ihr Sohn uns verraten kann, wie wir damit den ihm beschriebenen Ort aufsuchen können. Ich gehe davon aus, daß er so vernünftig ist."

"Ich fürchte, Madame, der Stein ist nun endgültig auf ihn geprägt", wandte Professeur Faucon ein. "Ich kenne Artefakte, die nur dem Gehorchen, der gelernt hat, ihre Macht zu wecken. Aber zumindest werden Catherine oder ich ihn begleiten, wenn es darum geht, das Artefakt zu bergen."

"Dann läuft eh das Schuljahr", warf Julius ein. Millie nickte nur.

"Ich hoffe nur, daß wir dich nicht noch mehr in Gefahr bringen, weil wir uns haben erzählen lassen, was dir passiert ist", sagte Martha Andrews, der siedendheiß einfiel, daß Geheimnisse auch gefährlich für den werden konnten, der sie hütete oder weitergab.

"Ich habe es so verstanden, Mum, daß keiner was von mir erfahren kann, dem ich es nicht freiwillig erzähle. Das ist wohl so wie der Fidelius-Zauber, der bestimmte Sachen geheimhalten kann", sagte Julius dazu. "Denn sonst hätte ich es wohl nicht erzählen können. Zumindest haben mir die ganzen Altmeister das so erzählt", antwortete Julius.

"Wohl auch nur dann, wenn du denen, denen du was erzählen willst vertrauen kannst", sagte Catherine. "Ich kann es gut nachempfinden, daß die Magier des alten Reiches sich gründlich abgesichert haben, daß das von ihnen vermittelte Wissen nicht unkontrolliert weitergegeben wird."

"Dem schließe ich mich an", sagte Madame Faucon. "Gerade dann, wenn sehr mächtige Zauber und weltbewegende Kenntnisse gehütet werden ist es wichtig, sich gegen Mißbrauch abzusichern. Nun, dann verbleibt uns nur die Hoffnung, daß der mordlüsterne Zauberer, der bereits jetzt schon zu mächtig ist, das ihm zugefallene Machtmittel nicht ausschöpfen kann, bevor wir uns dagegen wappnen können. Zu warten ist mir zwar auch zu wider. Doch ich muß erkennen, daß die Hüter des alten Wissens schon sehr genau festgelegt haben, wie viel Macht heute lebende Zauberer und Hexen in Händen halten dürfen oder nicht, insbesondere nach dem, was Julius uns gerade über die Rückschauvisionen erzählt hat."

"Dann hatten diese Leute einen magischen Weg gefunden, Atomexplosionen zu erzeugen oder übergeordnete Energien in unser Universum überschlagen zu lassen?" Fragte Martha ihren Sohn.

"So was in der Richtung, Mum", seufzte Julius.

"Dann gilt für uns bis auf weiteres Stillschweigen zu bewahren und so zu leben, als hätte es diesen Ausflug nicht gegeben", meinte Madame Rossignol. Alle nickten. Millie sah Julius an, der sie beruhigend ansah.

"Ich werde das nicht in die Zeitung bringen, was ich geträumt und heute erlebt habe", sagte Julius entschlossen. Millie nickte.

"Gut, dann schweigen wir, sofern es nicht wirklich eine alte Form des Fidelius-zaubers ist", setzte Madame Maxime den Schlußpunkt. Dann ermahnte sie Professeur Faucon und Julius: "Lassen Sie beide sich nicht einfallen, vor Schuljahresbeginn noch einmal derartige Eskapaden zu veranstalten!" Keiner sagte darauf etwas. Erst eine Minute später schlug Monsieur Latierre vor, wieder in die Zivilisation zurückzukehren. Dieser Vorschlag wurde von allen bereitwillig angenommen. Professeur Faucon ließ nach mehrmaligen Zauberformeln den Schutzkreis um den Bus wieder verschwinden, damit keiner zufällig darauf kam, daß hier jemand etwas merkwürdiges angestellt haben mochte. Dann fuhr Monsieur Latierre mit dem Bus rückwärts den Berghang hinunter. Martha sah mehrmals ängstlich in den Rückspiegel, wenn der Kleinbus knapp am Abgrund oder hohen Felsvorsprüngen vorbeituckerte. Als Monsieur Latierre ein kleines Plateau erreichte, auf dem er den Bus wenden konnte, meinte er:

"Jetzt bitte alle gut festhalten! Ich muß einen gewissen Anlauf nehmen, um den Sprung nach Paris zu machen." Dann gab er Gas. Motorkraft und Schwerkraft ließen den Kleinbus mit hoher Geschwindigkeit zu Tal schießen. Dann, als sie fast in eine unübersichtliche Kurve hineinrasten, sprang der Bus mit lautem Knall vorwärts und sauste nun über eine der vielen Ringstraßen von Paris.

"Ich frage mich immer noch, wer Ihnen damals die Genehmigung erteilte, ein derartiges Fahrzeug führen zu dürfen", knurrte Madame Maxime, als Monsieur Latierre kunstvoll zwischen den vielen anderen Fahrzeugen hindurchwedelte wie ein Slalom-Skifahrer zwischen den Torstangen.

"Dankbare Stellen, Madame Maxime. Mehr müssen Sie nicht wissen, falls Sie nicht regelmäßig bei mir mitfahren möchten", erwiderte Millies Vater darauf nur.

"Ich denke nicht daran", schnaubte die Schulleiterin von Beauxbatons ungehalten. Sie fühlte sich in dieser Baby-Krabbelhaltung und trotzdem mit den Knien auf dem Boden und dem Rücken unter dem Dach eingezwengt.

Eine halbe Stunde später bremste der VW-Bus vor dem Haus der Brickstons. Madame Faucon, ihre Tochter und die Andrews stiegen aus.

"Madame Maxime war ein wenig ungehalten, als ich Sie heute morgen darüber informierte, was dir passiert ist", sagte die Lehrerin, als sie in Catherines Arbeitszimmer saßen. "Aber ich möchte dich bitten, mir im nächsten Schuljahr die von dir erlernten Zauber beizubringen. Nachdem, was du angedeutet hast, übersteigt das, was du gelernt hast selbst meine nicht unbescheidenen Kenntnisse. Bisher ging ich immer davon aus, den tödlichen Fluch nur durch Ausweichen und präventive Maßnahmen entrinnen zu können. Daß es möglich sein soll, seine Anwendung als solche zeitweilig zu erschweren wußte ich nicht. Aber ansonsten kenne ich natürlich schon diverse Zauber, um einen Raum für böswillige Wesen unbetretbar zu machen und Flüche mit spezifischen Zaubern aufzuheben."

"Ich kann Ihnen sehr gerne die vier neuen Zauber beibringen, Madame Faucon. Ianshira meinte nur, daß sie am besten wirken, solange der, der sie anwendet niemanden tötet."

"Nun, weder du noch ich haben wohl bisher in unserem Leben willentlich getötet, nehme ich doch sehr stark an", sagte Madame Faucon darauf etwas verdrossen. Julius sah sie daraufhin abbittend an und nickte. Dann fügte sie noch hinzu: "Aber wenn ich diesen Hinweis mit den mir bekannten Erkenntnissen vergleiche verstehe ich, wie sie es meint. Wer kein Leben nimmt sondern es achtet kann seinen Geist anders auf derlei Zauberkunststücke ausrichten als solche, die ihre Seele mit absichtlichen Tötungen belastet haben. Denn wenn stimmt, was du uns heute erzählt hast, entziehen sich diese Zauber jedem hassenden, lebendsfeindlichen Zeitgenossen."

"Ich hoffe, ich brauche das vorerst nicht auszuprobieren, ob ich wirklich was gelernt habe oder das doch nur geträumt habe", seufzte Julius. Dannn fragte er, woher Madame Faucon das gewußt hatte, daß die vieläugigen Kugelmonster mit Novalunux so vortrefflich abgewehrt werden konnten.

"Das liegt an zwei Sachen, Julius. Zum einen ist ein Myriaklop die Zusammenballung vielschichtiger Elementarzauberkräfte. Um diese Zusammenballung jedoch zu einer stabilen Daseinsform zu zwingen wandten die Schöpfer dieser Wesen, die ihr Wissen, wie du heute bewiesen hast, wohl schon von den Überlebenden des alten Reiches erworben haben, eine Kombination aus astralen Zaubern an, die mit dem Zusammenhalt der Sonne und der Planeten in Verbindung stehen. Da Novalunux ein Feld negativer Astralenergie erzeugt, wechselwirkt es mit den freigesetzten Kräften eines Myriaklopen, der ansonsten gegen alle spezifischen Elementarzauber gefeit ist. Dabei verstärkt sich Novalunux, strebt der Quelle der zusammengeballten Astralenergie zu und saugt diese in sich auf, bis der Zauber die Quelle umschließt und alles auf den Angreifer zurückwirft. Seitdem das bekannt wurde, ist nie wieder ein Myriaklop erschaffen worden. Vor fünfhundert Jahren wurden die letzten zehn dieser Geschöpfe ausgelöscht. Seitdem verlassen sich zauberer, die Beobachter oder Wächter brauchen auf magische Tierwesen wie Greife, Sphingen oder Drachen", erklärte Madame Faucon im Stil einer Lehrerin. "Womöglich hast du diesen Altmeistern eine interessante Lektion erteilt, als du mit den modernen zaubern ihre alten Wächter ausgeschaltet hast", fügte sie dann triumphierend lächelnd hinzu und umarmte Julius.

"Was meinen Sie, soll ich mit dem Lotsenstein machen?" Fragte Julius. "Soll ich Ihn Ihnen wieder überlassen oder irgendwo unterbringen, vielleicht in Gringotts?"

"Es ehrt mich, daß du mich fragst, was du mit dem dir überlassenen Machtmittel anfangen magst. Ich persönlich würde sehr gerne die Endpunkte dieser alten Straßen aufsuchen, da ich wissen möchte, ob an diesen Ausgangsstellen noch andere wichtige Dinge oder Erkenntnisse verborgen liegen. In Gringotts würde ich dieses Artefakt nur dann lagern, wenn du es für etliche Monate nicht mehr hervorholen möchtest. Andernfalls müßtest du immer mehrere Stunden veranschlagen, es zu holen und wieder zurückzulegen. Ich konnte es in Beauxbatons in meinen dort zugewiesenen Schlafräumen gut verwahren. Im Moment würde ich jedoch vorschlagen, es in Millemerveilles unterzubringen."

"Dann bewahren Sie es bitte für mich auf!" Sagte Julius und gab seiner Lehrerin ohne Argwohn den runden Stein mit den silbernen Verzierungen. Er summte immer noch leise. Womöglich wechselwirkte er mit der Magie der alten Straßen oder dem Raum-Zeit-Gefüge als solchem.

"Gut, ich verwahre es. Falls du mir gestattest, mit dir und ihm zusammen die erwähnten bestehenden Haltepunkte aufzusuchen, können wir es ja vor Ferienende noch einmal benutzen. Ansonsten müssen wir eben ausharren, bis es auf der Südhalbkugel Frühling oder Sommer ist", erwiderte Madame Faucon. Dann verabschiedete sie sich von Julius Andrews und ihrer Tochter Catherine.

Martha Andrews sah ihren Sohn beim gemeinsamen Abendessen immer wieder an, als wolle sie ihm was wichtiges oder vertrauliches erzählen. Doch dann schüttelte sie den Kopf und schwieg. Julius befand irgendwann, daß er sie fragen sollte. Dann sagte sie:

"Ich habe mich andauernd gefragt, ob ich wirklich immer alles wissen will, was dir so aufgeladen wird oder nicht. Ich finde, ich kann besser schlafen, wenn ich weiß, daß du das, was du lernst und tust gründlich genug tust, um dich nicht unnötig in Gefahr zu bringen und falls doch, zu wissen, wie du bestehen kannst."

"Ich kann dir nicht versprechen, daß ich keine Sachen mehr mache, die du nicht mitbekommst, Mum. Aber ich leg's auch nicht darauf an, nur noch in gefährliche Sachen reinzuschliddern", erwiderte Julius darauf. Seine Mutter nickte dazu nur.

Abends in seinem Bett mentiloquierte er noch einmal mit Millie.

"Madame Maxime meinte noch zu mir, wir sollten das keinem auf die Nase binden, daß die Herzanhänger uns ganz locker miteinander mentiloquieren lassen", hörte er Millies Gedankenstimme in seinem Kopf. Er schickte zurück:

"Klar, sonst könnten ja auch andere Paare sich damit eindecken oder auf uns eifersüchtig werden. Liegt mir auch nichts dran, daß jeder das weiß."

"Mir auch nicht, Monju. Ich hoffe nur, diese Träume lassen jetzt nach. Nicht daß ich wieder von Temmie verschluckt werde. Dann kriegte ich ja echt Probleme, wenn ich bei Tante Babs auf den Hof gehe."

"Das war ja nicht Temmie, sondern Darxandria. Die hat sich ja nur in Temmie verwandelt, damit sie dich in meinen Traum mit reinholen konnte", korrigierte Julius seine Freundin.

"Deinen Traum. Dann hätte die dich ja wohl in meinen Traum rübergeholt", widersprach Millie. Dann fragte sie, ob er zu diesem Quodpot-Spiel hinwollte. Er bejahte das. Ein einfaches Spiel zu sehen würde ihn von den wirklich welttbewegenden Sachen ablenken, in die er jetzt schon wieder verwickelt war.

"Dann klär das mit den Foresters, wie deine Mutter und wir beide da hinkommen!" Forderte sie noch. Dann wünschte sie ihrem Freund eine angenehme Nachtruhe. Julius bedankte sich und wünschte ihr dasselbe. Danach drehte er sich um und schlief nach wenigen Minuten tief und Fest.

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