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Julius Andrews - Auf seinem Weg in die Zaubererwelt von Thorsten Oberbossel

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Als Julius Andrews den Bahnhof Kings Cross verließ, wußte er bereits, daß seine Eltern vor die Ferien eine Reihe von Hausaufgaben gesetzt hatten. Daß er aber von der Sommersonne, die vom Himmel herab strahlte ganze vier Tage hintereinander nichts haben würde, konnte er sich nicht vorstellen.

Am ersten Tag sollte er seiner Mutter die Anwendungen eines Datenverarbeitungsprogramms vorführen und ein eigenes Berechnungsprogramm für Planetenbahnen schreiben. Am zweiten Tag galt es, eine Arbeit über salzbildende Elemente und Metallsalze zu schreiben. Am Dritten Tag mußte Julius sich über die Gesetze der Mechanik und der Umwandlung von elektrischen Strom in mechanische Arbeit auslassen. Am vierten Tag schließlich sollte er die Grundlagen der Elektrizitätslehre darlegen. Als sein Vater ihm sagte, daß er die Fragen bis auf wenige Ausnahmen korrekt beantwortet hatte und wohl keinen Nachhilfelehrer bräuchte, atmete Julius tief durch und hoffte, in den Ferien doch noch zu viel Spaß zu kommen, auch wenn er nicht zu der Quidditch-WM durfte.

Am sechsten Juli fragte er vorsichtig:

"Ich weiß nicht, ob es dafür noch zu früh ist, aber ich möchte nur fragen, ob ihr was dagegen habt, wenn ich ein paar Schulkameraden zum Geburtstag einlade?"

"Gut, damit haben wir gerechnet", sagte Martha Andrews. "Aber das geht deswegen wohl nicht, weil dein Vater und ich dir zum Zwölften eine Urlaubsreise schenken wollen, weil du trotz unserer Zusatzaufgaben so ein gutes Zeugnis nach Hause gebracht hast", antwortete Martha Andrews. Julius schwante schon arges, als sein Vater ergänzte:

"Ja, wir haben uns überlegt, ob du nicht für eine gewisse Zeit auf dem Kontinent ausspannst. Deine Mutter hat Joe Brickston und seine Familie gefragt, ob sie nicht bereit wären, dich für einen halben Monat aufzunehmen. Joe hat uns geantwortet. Hier, lies das bitte!"

Julius nahm das Stück Papier und las die Computerschrift, die wohl tatsächlich von Joe Brickston stammte.

 

Hallo, Julius!

Ich wurde vor kurzem von deinen Eltern gefragt, ob meine Familie und ich dich in den großen Ferien bei uns aufnehmen können. Ich habe nichts dagegen, dich bei uns wohnen zu lassen. Auch Catherine und Babette würden sich freuen, wenn du zu uns kommen kannst. Das wetter hier ist im Moment zwar leicht trübe, aber das bessert sich erfahrungsgemäß zur Julimitte hin immer auf. Schicke uns deine Antwort per E-Mail oder ruf uns an!

Joe Brickston

 

Julius überlegte kurz. Dann grinste er.

"Warum nicht? Abgesehen davon, daß ich nicht weiß, was die Kleine davon hält, daß ich in ihrem Revier herumlaufe, hätte ich nichts dagegen. Ich habe mich mit Catherine, Joe und Babette gut unterhalten. Das einzige Problem war Catherines Mutter, weil sie eben kein Englisch sprach."

"Joe war nicht gerade überzeugt davon, sie mitzubringen", warf Martha ein. "Aber er sagte auch, und Catherine bestätigte das noch, daß ihre Mutter in einem Ort bei Marseille lebe, nicht mit Joe zusammen."

"Auf jeden Fall hättet ihr dann eine brauchbare Erklärung dafür, weshalb ich nicht zur Quidditch-WM gehen kann. Ich frage mich nur, was meine Schulkameraden sagen, wenn sie nichts von mir hören?"

"Die werden sich denken, daß du deine Ferien ohne Leute von dieser Schule genießen willst, zumal wir bestimmt nicht gerade den Eindruck vermittelt haben, daß wir uns allzusehr mit dieser sogenannten Zivilisation beschäftigen wollen", warf Richard Andrews ein und sah dabei sehr ernst aus, als verbitte er sich jeden Widerspruch. Julius nickte nur bestätigend.

"Außerdem: Haben die dich zu ihren Geburtstagen eingeladen?" Wollte Mr. Andrews noch wissen.

"Sicher! Die feierten zwar im kleinen Kreis, aber bei neun von zehn Feiern war ich dabei. Wäre also gesellschaftlich notwendig, wenn ich auch ..."

"Ich habe diesen Professor Snape und diese McGonagall noch vor mir. Ich glaube nicht, daß alles, was wir unter gesellschaftlicher Notwendigkeit kennen, in der Welt von Leuten, die lange Umhänge tragen und Blumen in ihrem Büro haben, die die Farbe wechseln, eins zu eins unseren Vorstellungen entspricht", äußerte sich Mr. Andrews abfällig.

"Was sollen wir Joe sagen?" Fragte Martha Andrews. Julius sagte dazu nur:

"Warum nicht? Ich fahre hin. Catherine und Joe wollten mir sowieso mal die Stadt Paris zeigen. Soll noch aufregender sein als London. Soll ich sie anrufen?"

"Ja, heute abend", sagte Richard Andrews und klang dabei so, als habe er soeben die beste Nachricht seines Lebens gehört.

Am Nachmittag traf Julius noch mit Moira Stuard zusammen, mit der er die Grundschule besucht hatte. Sie berichtete ihm von einer Ausgrabung, an der ihr Vater teilnehmen würde. Es ginge um ein altes Druidengrab im Norden Englands. er sagte dazu nur:

"Wenn er das Zaubertrankrezeptbuch von Miraculix findet, sag mir bescheid!"

"Ignorant!" Antwortete Moira darauf verärgert.

Am Abend rief Julius bei Joe und seiner Familie an. Babette war am Apparat. Julius gönnte sich das Vergnügen, die nun siebenjährige Junghexe auf Französisch zu begrüßen und darum zu bitten, mit ihrem Vater oder ihrer Mutter zu sprechen. Richard Andrews stand neben ihm und wunderte sich nur. Als dann Joe an den Apparat kam sprach Julius wieder Englisch:

"Hallo, Joe. Ich habe mit meinen Eltern gesprochen und euren Brief gelesen. Wann kann ich bei euch vorbeikommen?"

"Hmm, Catherine hat dein Zimmer schon fertig. Wenn du willst, können deine Eltern dich morgen bei uns abliefern. Kommst du mit dem Auto oder mit dem Zug?"

Julius fragte seinen Vater, wie er nach Frankreich reisen solle. Richard Andrews sagte laut genug, so daß Joe es hören konnte:

"Hol Julius morgen vom Flughafen Charles DeGaulle ab. Ich kann von der Firma her freigehaltene Plätze buchen, auch für Privatflüge, solange ich sie selbst bezahle. Das geht schneller als der Zug oder die Fähre."

"Ich hab's gehört, Julius. Wann genau?"

Julius reichte seinem Vater den Hörer und hörte kurz zu, wie Richard Andrews mit Joe sprach. Dann stutzte er, als er hörte:

"Paßt dir zehn Uhr eurer Zeit?"

Es folgte eine für Julius unhörbare Antwort, die von seinem Vater mit einem Kopfnicken gewürdigt wurde. Dann sagte Mr. Andrews:

"Okay! Dann kommt ihr morgen zum Flughafen. - Wie? Hausaufgaben? - Neh, der Junge hat keine Hausaufgaben mehr auf. Die hat er mit mir zusammen erledigt. Jetzt hat er Ferien. - Gut, OK, Joe. Schöne Grüße an Catherine und die Kleine!"

Richard Andrews legte den Telefonhörer wieder auf die Gabel und wandte sich an seinen Sohn:

"Du hast es gehört, Julius. Morgen mußt du früh raus, wenn du ins Flugzeug nach Paris willst."

"Hätte ich nicht auch später da ankommen können?" Maulte Julius. Er wußte, daß ein Flug auf den Kontinent mindestens zwei Stunden benötigte und er mindestens zwei Stunden vor Abflug am Flughafen sein sollte, um die Bordkarte zu kriegen. Rechnerisch mußte er also um fünf Uhr früh am Flughafen ankommen.

"Ich kriege nur zwei Maschinen für morgen. Die Frühmaschine und die am späten Abend, die um elf Uhr landet. Insofern sei froh, daß du morgen noch was vom Tag hast."

"Was sollte das denn mit den Hausaufgaben, Paps? Sicher haben wir Aufgaben auf. Professor Sprout will von uns einen Aufsatz über nordirische Zauberkräuter haben, Professor McGonagall will von uns eine Zusammenfassung der Vivo-ad-Invivo-Verwandlungen haben, und dein spezieller Freund Snape hat uns einen Aufsatz über tierische Gifte und Gegengifte aufgehalst. Die Dinger konnte ich noch nicht schreiben, weil die Sonderprüfungen hier dazwischenkamen."

"Wenn ich sage, daß du meiner Meinung nach Ferien hast, dann freu dich darüber, Junge!" Versetzte Richard Andrews gereizt. Martha Andrews kam aus der Küche und sagte:

"Wenn du nach Frankreich fährst, kannst du wohl kaum Zauberbücher und deine Pergamente mitnehmen. Stell dir vor, die Kleine findet die Sachen und zeigt sie Joe und Catherine!"

"Joh, Mum! Ich stell mir das höchst amüsant vor", erwiderte Julius und mußte sich beherrschen, nicht loszulachen, wenn er daran dachte, wie Joe aus allen Wolken fallen würde, wenn er erfuhr, daß der achso behütet und gestreng aufgezogene Direktorensohn auch ein Zauberer war. Julius sagte nur:

"Wie ihr wollt. Aber du erklärst es Snape, wenn ich bei der Rückfahrt schlecht wegkomme, weil ich den Aufsatz nicht beibringen konnte."

"Snape ist weit weg, Julius. Der ist mir genauso egal wie diese runde Kräuterhexe Sprout oder diese Gewitterhexe McGonagall. Wir schicken dich ja auch nicht für die ganze Ferienzeit weg, sondern nur für zwei Wochen. Dann kannst du immer noch die Hausaufgaben erledigen, die diese Weltfremden haben wollen", sagte Richard Andrews. Seine Frau nickte nur bestätigend. Julius ließ sich nicht anmerken, daß er der Sache nicht so recht traute. Sicher, seine Mutter würde ihn nicht belügen, zumal sie mit der Zaubererwelt im allgemeinen und Hogwarts im Besonderen ihren Frieden geschlossen hatte. Aber sein Vater würde nicht so einfach darauf verzichten, Julius nicht mehr dorthin zurückkehren zu lassen, wo er das letzte Jahr so erfolgreich eine Zaubererausbildung begonnen hatte. Aber er sagte nichts dazu. Er wußte, daß die Posteulen ihn überall finden würden, wenn Gloria, die Hollingsworths oder Pina ihm schreiben wollten. Aurora Dawn würde, so dachte sich Julius, höchstpersönlich bei seinen Eltern auftauchen. Und das war es wohl, was seine Eltern verhindern wollten. Ihm den Besuch der Weltmeisterschaft zu verbieten war eines, aber Aurora Dawn zu hindern, ihn mitzunehmen was anderes.

Julius ging noch am Abend daran, einen Koffer zu packen. Dabei half ihm seine Mutter. Als die Wäsche verstaut war, sah Julius auf die Zauberbücher, den Zauberstab und den Stimmungsfarbring, die in seinem Schrank verstaut lagen. Dann sagte er:

"Den Stab sollte ich nicht hier lassen, Mum. Paps könnte ihn verlegen, wenn du weißt, was ich meine."

"Ist der das wertvollste der Sachen, die du gekriegt hast?" Wollte Martha wissen.

"Sieben Galleonen, wenn du weißt, wieviel das ist", antwortete Julius. Martha Andrews stutzte. Dann deutete sie auf den Zauberstab und sagte:

"Pack ihn in das Rohr von deinem Schnorchel, den du zum zehnten Geburtstag gekriegt hast. Ihr geht bestimmt mal schwimmen, Joe, Catherine, Babette und du. Dein Vater muß davon nichts wissen, daß du ihn hier hattest."

"Okay, Mum", erwiderte Julius vergnügt und versteckte den Zauberstab in einem zusammenschiebbaren Rohr, mit dem er schnorcheln konnte. Dann half seine Mutter ihm dabei, den Koffer zu schließen und wünschte ihm eine gute Nacht.

 

 

 

Julius wurde von seinem Vater persönlich geweckt. Der digitale Wecker neben Julius Bett zeigte 03.15 Uhr Londoner Zeit.

"Aus den Federn, die Nacht ist um!" Kommandierte Mr. Andrews. Julius räkelte sich und schoß dann unvermittelt aus dem Bett auf. Sein Vater schrak zurück, als sein Sohn wie aufgezogen an ihm vorbeirannte und das Badezimmer enterte. Richard Andrews wurde nicht schlau aus dem Verhalten seines Sohnes. Er sah die Badezimmertür an, bis Julius frisch geduscht und mit geputzten Zähnen herauskam.

"Was ist denn mit dir los?" Fragte Richard Andrews.

"Nichts. Ich bin nur gut im Aufstehen. Wenn wir trainieren wollten, mußte ich auch früh raus. Außerdem hatten wir einmal Nachtschicht mit Professor Sprout. Sie hat uns die nachtblühenden Schattenblattbüsche vorgeführt. - Aber das interessiert dich ja sowieso nicht."

"Da hast du recht", erwiderte Richard Andrews leicht gereizt. Dann ging er selbst ins Badezimmer.

Julius mußte sich einen richtigen Anzug mit Krawatte anziehen, so wollte es sein Vater haben. Martha Andrews hatte dem nichts entgegengesetzt. Immerhin hatte sie Julius genug Pullover, T-Shirts und Jeans eingepackt. So machte sich Julius keine Gedanken, daß er in Paris nicht wie ein Abziehbild eines englischen Geschäftsmannes herumlaufen mußte, wenn ihm nicht danach war.

Nach dem Frühstück ging es im Auto zum Flughafen Heathrow, wo die Flugkarte hinterlegt war. Julius wunderte sich nicht, daß er nur die Hinflugkarte hatte, weil die Flüge, die sein Vater organisieren konnte, nur deshalb billiger und schneller zu kriegen waren, weil nur ein Flug bezahlt wurde und erst beim Rückflug abgeklärt wurde, wann dieser stattfinden sollte, um dort auch die billigere Lösung zu nehmen.

Julius genoß es richtig, sich durch das Gewühl von Menschen aller Altersgruppen zu bewegen. Er sah junge Familien mit Kinderwagen oder quängelnden Kleinkindern, Kinder, die nicht älter als er waren, wie sie mit ihren Eltern vor dem Flugschalter standen, sowie halbwüchsige Jungen und Mädchen, die in kleinen Gruppen mit geschulterten Rucksäcken einen Flugschalter belagerten. Durchsagen aus den Lautsprechern verkündeten Abflugzeiten und Ankommende Flüge, riefen nach Passagieren, die sich an der Information einer Fluglinie einfinden oder schnell durch eines der Ausgangstore zu ihrer wartenden Maschine begeben sollten. Julius sah zwei Frauen, die wohl so alt wie seine Eltern waren, wie sie sich gestenreich um irgendwas stritten. Julius vermutete, daß es Schwestern waren, die mehr unfreiwillig als freiwillig zusammen verreisen wollten.

"... Haben Sie die Papiere für den Jungen?" Fragte die Schalterangestellte der Fluglinie, mit der Julius alleine nach Paris fliegen sollte. Richard Andrews legte den Paß seines Sohnes auf den Tresen und gab der Schalterangestellten mit den hochgesteckten graublonden Haaren mehrere Blätter Papier. Die Frau hinter dem Flugschalter las die Papiere durch, nickte und gab Richard Andrews einen Bleistift, der an einer kurzen Plastikkette an seinem Halter gebunden war.

"Bitte unterschreiben Sie die Abholberechtigung für Madame und Monsieur Brickston!" Bat die Angestellte der Fluglinie den Vater eines angehenden Zauberers. Richard Andrews unterzeichnete die Bestätigung dafür, daß sein Bekannter Joe Brickston und dessen Frau Julius bei Vorlage ihrer Ausweise vom Flughafen abholen durften und reichte das Stück Papier zurück. Die Angestellte nickte erneut und reichte das unterschriebene Blatt Papier an ihre Kollegin weiter, die das Telefon und das Faxgerät betreute. Die Kollegin nickte und legte das Stück Papier auf die Glasplatte des Faxapparates. So würde in wenigen Minuten die Zweigstelle der Fluglinie in Paris erfahren, daß Julius mit dem nächsten Flug eintreffen würde, und daß er nur von einem Ehepaar Brickston abgeholt werden durfte. Julius kannte diesen Vorgang von Lester, der das vor zwei Jahren mal erlebt hatte. Nun würde er selbst ohne erwachsene Begleitung fliegen. Das empfand er schon als Abenteuer.

 

"In Ordnung, Mr. Andrews. Ihr Sohn wird gleich von einem unserer Mitarbeiter abgeholt und zum vorzeitigen Einstieg ins Flugzeug gebracht. Bitte warten Sie dort drüben auf ihn!" Erklärte die Angestellte und deutete auf eine Gruppe leerer roter Stühle. Julius begleitete seine Eltern zu den freien Plätzen und wartete dort eine Viertelstunde. Dann erschien ein junger Mann in der vorgeschriebenen Uniform der Fluglinie und begrüßte die Andrews'.

"Du fliegst also alleine, junger Freund?" Julius nickte bejahend. Dann verabschiedete er sich von seinen Eltern, wobei er sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte, daß sein Vater ihn ausgerechnet zu einer Hexe schicken würde.

Der Mitarbeiter der Fluglinie brachte Julius mit einem Zehnertrupp anderer Jungen und Mädchen zwischen neun und vierzehn Jahren zur Paßkontrolle und der Sicherheitsschleuse. Julius ging lässig durch die elektronische Barriere und wartete auf der anderen Seite auf den Mitarbeiter der Fluglinie, der die ihm anvertrauten Kinder zum richtigen Ausgang dirigierte. Julius fiel ein Mann Mitte fünfzig auf, der die Schar der unbegleiteten Kinder beäugte und dann ihn, Julius, kurz anblickte und mit dem Kopf nickte, als habe er die Bestätigung für etwas erhalten. Julius sah möglichst unauffällig zu dem Fremden hinüber und glaubte, den Saum eines violetten Umhangs unter einem grauen Mantel hervorlugen zu sehen. Da fiel ihm wieder ein, was Professeur Faucon ihm bei ihrem Besuch in den Osterferien gesagt hatte, daß sie und ihre Familie nicht nur von den Grenzern der Muggel registriert worden seien. Sicher, er konnte es sich auch nur eingebildet haben, weil er mit etwas in dieser Richtung gerechnet hatte. Doch war er sich sicher, daß der unauffällig im Hintergrund stehende Fremde irgendwas mit der Zaubererwelt zu schaffen haben könnte. Und warum sollte er ausgerechnet nur ihn mit einem Kopfnicken ansehen, während die anderen Kinder schon auf dem Weg durch das Tor waren?

Draußen heulten die laufenden Motoren startbereiter Flugzeuge und erfüllten die Luft mit Kerosingeruch. Julius fühlte sich angenehm erregt, als er die Airbus A320 sah, auf die die Gruppe unbegleiteter Kinder zuging. Die Metallstufen der fahrbaren Treppe hinauf ging es in die Maschine hinein. Dort teilten die Flugbegleiter die Kinder den auf den Bordkarten ausgedruckten Sitzplätzen zu. Julius bekam einen Fensterplatz.

Als dann die übrigen Passagiere einstiegen blieben die beiden Sitze neben Julius leer. Er sah nur, wie in den Reihen vor und hinter ihm Männer in Anzügen platznahmen. Dann fiel es Julius ein, daß er ja in der Geschäftsleuteklasse saß. Wo sonst würde sein Vater einen freien Platz ergattern können?

Der Flug verlief störungsfrei. Es gab ein umfangreiches Frühstück, und Julius konnte eine Tasse heiße Schokolade trinken.

Nach der Landung holte eine Frau im Alter von Julius Mutter die unbegleiteten Kinder vom Flugzeug ab und brachte sie durch einen Verbindungstunnel in das Ankunftsgebäude, wo Julius seinen großen Koffer von einem rundherumlaufenden Fließband herunterwuchtete. Wieder bemerkte er jemanden, der unauffällig in der Menge stand, jedoch den Eindruck vermittelte, die Ankömmlinge genau zu beobachten. Es war eine junge Frau, so um die zwanzig Jahre mit kurzen schwarzen Haaren. Wieder nickte sie Julius zu, als dieser mit seinem schweren Koffer von der Gepäckausgabe fortging, hinter dem Mitarbeiter der Fluglinie her. Julius konnte zwar keinen Umhang erkennen, den die Frau unter ihrem durchschnittlichen Kostüm trug. Dafür glaubte er, eine längliche Ausbeulung in ihrer dunklen kurzärmeligen Jacke zu erkennen, die wie ein eingesteckter Zauberstab aussehen mochte. Falls die Frau wirklich eine Grenzbeamtin der Zaubererwelt war, war Julius nun registriert. Denn er war sich sicher, daß Catherine den Besucher bestimmt gemeldet hatte. So verlangte es Abschnitt 225 des Zauberergesetzes, der internationale Besucher aus der Zaubererwelt behandelte.

Julius wartete mit den übrigen Kindern in der Ankunftshalle und sah, wie ein Kind nach dem anderen von Erwachsenen abgeholt wurde, Eltern, Großeltern, Onkeln und Tanten, älteren Geschwistern oder sonstigen Abholberechtigten. Als Julius alleine in der Wartehalle stand, bewacht von zwei Mitarbeitern des Flughafens, kam Catherine Brickston angelaufen. Sie sprach kurz mit einem der Flughafenmitarbeiter, zeigte ihren Ausweis vor und erhielt ein Nicken zur Antwort. Der Mitarbeiter deutete auf Julius. Doch das war nicht nötig, weil Catherine ihn schon ansteuerte.

"Hallo, Catherine. Schön daß du mich abholst", sagte Julius in gut gelerntem Französisch. Catherine sah ihn erst erstaunt, dann freudestrahlend an und erwiderte:

"Hallo, Julius! Wer hat dich auf die Idee gebracht, meine Sprache zu lernen?"

"Eine Klassenkameradin von mir. Sie hat ein tolles Sprachlernbuch mit Begleitcasetten zum Hörverständnis. Ich hoffe, ich kann mich hier über Wasser halten."

"Nur wenn meine Mutter zu Besuch kommt. Ich muß die Abholbestätigung noch unterschreiben, dann gehen wir zum Ausgang. Joe fährt mit Babette um den Flughafen herum, weil die Parkplätze hier teurer sind als das Benzin. Und das will was heißen", sagte Catherine und ließ sich von einem Mitarbeiter des Flughafens einen Bleistift geben, mit dem sie die Abholbestätigung unterschrieb. Dann nahm sie Julius' Koffer auf und schleppte ihn zu einem Gepäckwagen, den sie bereits organisiert hatte.

"Babettes Schulzeit fängt im August an. Du hast bis zum ersten September Ferien?" Wollte Catherine wissen, wobei sie nun englisch sprach.

"Jawohl", bestätigte Julius.

"Es ist nur schade, daß wir uns nur eine Woche sehen. Ich habe der Kleinen und mir Karten für zwei Spile bei der Weltmeisterschaft besorgt. Wieso darfst du da eigentlich nicht hin?"

"Frag mich bitte nicht sowas, Catherine", seufzte Julius.

"Ich verstehe. Du könntest Gefallen an diesem Sport finden", erwiderte Catherine lächelnd.

"Dann wäre es schon zu spät, um mich noch davon abzubringen. Vielleicht errzähle ich dir das mal, wenn wir eine Stunde ungestört sind", schlug Julius vor.

"Ja, morgen. Joe will mit Babette nochmal aufs Land zu einem Kinderbauernhof. Er ist leicht eifersüchtig, daß ich Babette zur Quidditch-WM mitnehme und er zu Hause bleiben muß", sagte die Frau von Joe Brickston, die wie Julius zur Zaubererwelt gehörte.

"Am besten sagst du Joe nichts davon, daß du etwas Französisch kannst. Dasß du Babette gestern am Telefon begrüßt hast, habe ich damit begründet, daß man ja die Standardsätze schnell lernen kann. Mir liegt etwas daran, daß Joe nicht mitbekommt, daß dich unser Besuch mehr beeindruckt hat, als gewöhnlicherweise zu erwarten war", sprach Catherine auf Julius ein. Dieser nickte und antwortete:

"In Ordnung. Vielleicht war es verkehrt, Babette mit meinem Wissen zu konfrontieren."

Vor dem Haupteingang zur Ankunftshalle hielt der Wagen von Joe Brickston. Babette saß auf dem Rücksitz und winkte Julius. Catherine deutete auf die Beifahrertür und öffnete die hintere Tür neben Babette. Julius öffnete die Beifahrertür, während Joe aus dem Wagen kletterte und den Koffer in den Kofferraum wuchtete. Dann ging die Fahrt schnell weiter vom Flughafen weg.

"Hallo, Julius!" Begrüßte Joe den Besucher aus England. Babette plapperte auf Französisch:

"Hallo, Julius, wie geht es dir? Hast du wirklich unsere Sprache gelernt?"

Julius zwang sich dazu, keine Regung zu zeigen, die verraten konnte, daß er Babette klar verstehen konnte, wenngleich der Dialekt leicht unterschiedlich zu dem des verzauberten Sprachlernbuches klang. Julius sagte:

"Oh, Babette, ich kann deine Sprache nicht so toll wie sich das angehört hat. Ich habe nur gelernt, was ich sagen muß, wenn ich jemanden anrufe, falls ich mich verwählt habe. Dann natürlich die Wörter für Mum und Dad und guten Tag und auf Wiedersehen."

"Das ist auch eine komische Sprache, Julius. Ich lebe schon acht Jahre hier und kann gerade soeben einkaufen gehen, ohne Schnecken statt Kirschmarmelade zu kriegen", wandte Joe ein.

"Du hast ja auch eine Frau, die für dich einkaufen geht und eine Schwiegermutter, die gut kochen kann", meldete sich Catherine von der Rückbank zu Wort.

"Zum kochen habe ich deine Mutter nicht nötig, Catherine. Du hast gut bei ihr gelernt. Wenngleich ich nicht immer wissen möchte, was du so in das Essen hineintust. Aber lassen wir das! Wir möchten Julius nicht erschrecken."

"So schnell haut mich nichts mehr um, seitdem ich mit ein paar Freunden aus Jux ein paar Ameisen gegessen habe", erwiderte Julius und grinste gehässig.

"Iiii!" Gab Babette entsetzt von sich. Catherine lachte darüber nur.

"Seitdem ich diese Froschschenkel probiert habe, die es auf der Party deiner Mutter gab, halte ich manche Diät durch", bemerkte Joe zu Catherine, während er den Wagen durch den chaotischen Stadtverkehr der französischen Großstadt bewegte und immer wieder aufpassen mußte, nicht angefahren zu werden oder einem plötzlich bremsenden Vordermann in das Heck zu fahren.

"Wo haben die alle ihren Führerschein her?" Stellte Joe eine Frage, auf die er keine Antwort erwartete.

Eine halbe Stunde fuhren sie, bis sie in eine ruhige Vorstadtsiedlung einbogen. An ordentlich gepflegten Vorgärten vorbei ging es zu einem zweigeschossigen Haus aus rotem Backstein, an das eine Garage angelehnt war. Joe fischte eine Fernbedienung aus dem Handschuhfach und ließ damit das weißlackierte Garagentor nach oben schwingen.

"Sesam, öffne dich!" Sagte er dabei beschwörend.

"Hast du heute deinen witzigen Tag erwischt?" Wollte Julius wissen und grinste.

"Manchmal mache ich das, um Babette zu beeindrucken", flüsterte Joe.

"Wenn es sein muß", entgegnete Julius Andrews nur, während der Wagen fast ohne zu bremsen durch das offene Garagentor fuhr. Dann erst stoppte Joe Brickston den Wagen und sagte:

"Willkommen im Hause der Brickstons, Julius Andrews. Schade, daß deine Eltern nicht mitkommen konnten."

"Die müssen beide arbeiten", sagte Julius nur.

Durch eine Türe in der Rückwand gelangten die vier in das Wohnhaus. Hier zogen sie ihre Straßenschuhe aus und schlüpften in Pantoffeln. Dann ging es eine mit einem geblümten Läufer bedeckte Treppe hinauf in den ersten Stock des Hauses. Hier lagen das Wohnzimmer mit einer Nische zum essen, die Küche und das Badezimmer für die Hausbewohner. Julius besah sich alle Räumlichkeiten, die durch große Bilder an den Wänden wohnlicher gestaltet wurden. Eine Etage höher lagen zwei Gästezimmer mit großen breiten Betten und kleinen Beistelltischen, sowie ein eigenes Badezimmer und einen Toilettenraum. Catherine wies auf das Gästezimmer links von der Treppe und sagte:

"Das habe ich für dich vorbereitet. Da ist ein kleiner Schreibtisch drin und ein Radiogerät mit Batterien, falls du Musik hören möchtest."

"Alles klar, Catherine", sagte Julius und besah sich sein Zimmer.

Catherine hatte ein Bild von einem großen Segelschiff an der Wand über dem frisch bezogenen Bett angebracht. Das Flügelfenster wies nach Osten, so dasß die Morgensonne hereinfallen mußte. Auf dem Schreibtisch lagen bunte Schreibstifte herum. In einem Tontopf standen mehrere bunte Blumen in frischer Erde. Julius öffnete kurz eine der beiden Schreibtischschubladen und fand dort tatsächlich Pergamentrollen vor und ein kleines Tintenfaß.

Auf dem Beistelltisch neben dem Bett stand eine elektrische Nachtischlampe. Außerdem konnte eine Lampe mit drei Glühbirnen benutzt werden, die unter einem weißen Schirm von der Decke herabhing.

Als Joe mit Babette in den Wohnbereich hinunterrannte, fragte Julius Catherine flüsternd:

"Hast du die Pergamentrollen extra in den Schreibtisch gelegt?"

"Ja, habe ich. Vielleicht fällt dir ja noch etwas ein, wenn du für deine Schule was aufschreiben mußt. Ich denke nicht, daß in wenigen Tagen wichtige Aufsätze so gründlich geschrieben werden können", flüsterte Catherine zurück.

"Darüber sprechen wir dann morgen", erwiderte Julius flüsternd.

Julius verstaute seine Sachen, wobei er darauf achtete, seinen Zauberstab so zzu verstecken, daß Babette nicht auf die Idee kommen konnte, ihn zu suchen. Dann nahm er nochmal eine kurze Dusche und zog sich gewöhnliche Sachen an. Catherine hatte ihm gesagt, daß er nicht wie ein Handelsvertreter herumlaufen müsse und hatte ihm den feinen Anzug ordentlich in den Schrank gehangen.

Julius rief von einer Nische im Wohnzimmer aus seine Eltern an und teilte ihnen mit, daß er gut angekommen sei. Sein Vater klang richtig erleichtert und trug Julius auf, die Brickstons zu grüßen.

Nach einem kurzen Mittagessen unternahmen Joe und Julius einen Rundgang durch die Wohnsiedlung. Julius lernte, wo der Supermarkt zu finden war, entdeckte zwei Straßencafés und einen Fußballplatz, auf dem halbwüchsige Jungen herumbolzten.

"Wenn du was besonderes haben willst, frag einfach Catherine oder mich", bot Joe an. Dann sagte er zu Julius:

"Wir beide bleiben zwei Wochen allein hier. Catherine hat eine Einladung bekommen, zu der nur sie und Babette reisen dürfen. Die Leute, zu denen sie fährt, sind sehr eigensinnig. Es ist die Art von Leuten, mit denen auch meine Schwiegermutter verkehrt."

"Soso, und ich dachte schon, sie fährt zum Endspiel der Fußball-WM nach Amerika", erwiderte Julius.

"Nein, nicht dahin", stieß Joe schnell hervor, als habe er sich erschreckt.

Abends bekam Julius einen ersten Eindruck von der französischen Küche, als er mit den Brickstons ein fünf-Gänge-Menü zu sich nehmen durfte. Um neun Uhr forderte der lange Tag für Julius seinen Tribut. Julius verabschiedete sich von den Brickstons und ging schlafen.

In der Nacht hörte Julius kurz, wie jemand unter seinem Zimmer ein Fenster öffnete und nach wenigen Minuten wieder schloß. Er vermutete, daß Catherine Eulenpost bearbeitet hatte. Er drehte sich im Bett herum und schlief weiter.

 

 

Nach dem Frühstück mit Weißbrot und Marmelade, Schokolade und Kaffee verließen Joe und Babette das Haus. Joe hatte Julius gefragt, ob er mitkommen wolle. Doch Julius hatte erwidert, daß er aus dem Alter heraus sei, mit kleinen Kindern auf einem Bauernhof herumzulaufen und Kühe, Schweine und andere Tiere zu betätscheln. Joe nahm diese Aussage als erwartet hin und fuhr mit seiner Tochter davon.

Julius bot an, Catherine in der Küche zu helfen und fand dadurch die Gelegenheit, mit der Tochter von Professeur Faucon zu sprechen, ohne Angst vor unerwünschten Mithörern zu haben.

"Mein Vater hat behauptet, ich hätte schon alles erledigt, was ich erledigen sollte. Dabei habe ich erst nur das geschafft, was er mir aufgegeben hat, um zu beweisen, daß ich auch das Muggelwissen nicht vernachlässigt habe", erklärte Julius, während er dem Geschirr zusah, wie es sich selbst abwusch und mit einem scharfen Messer Karotten zerschnitt.

"Moment! Deine Eltern haben dich daran gehindert, deine Hausaufgaben zu machen?" Wollte Catherine wissen.

"Nicht direkt. Sie sagen, ich könnte sie machen, wenn ich wieder nach Hause fahre. Aber zwei Aufsätze sind heftig umfangreich, wenn ich alles schreiben soll, was ich zusammenfassen kann. Unser Zaubertranklehrer will drei Rollen über tierische Gifte und Gegengifte haben, unsere Kräuterkundelehrerin hat mir durch die Blume angedeutet, daß sie von mir mindestens vier Rollen zu den nordirischen Zauberkräutern erwartet und unsere Verwandlungslehrerin besteht auf einer umfassenden Abhandlung über Vivo-ad-Invivo-Verwandlungen. Aber den ratter ich im Vorbeigehen runter. Viel gibt's ja da nicht zu", beendete Julius die Aufzählung seiner Hausaufgaben mit einer gewagten Bemerkung.

"Was möchtest du jetzt hören, Julius? Dasß Verwandlungen nicht eben so abgehandelt werden sollten, oder daß du nicht weißt, wovon du da sprichst? Letzteres würde ich dir nicht unterstellen. Meine Mutter hat nämlich erfahren, daß du in allen Fächern überdurchschnittlich gut abgeschnitten hast, insbesondere Kräuterkunde und auch Verwandlung.

Woran liegt es denn, daß deine Eltern sich dagegen sträuben, dich zum Zauberer ausbilden zu lassen?"

"Nachdem ich ihm auf Anfrage meiner Verwandlungslehrerin gezeigt habe, wie ich Objekte verändern kann, habe ich bei meinem Vater etwas in den Augen gesehen, daß ich für Todesangst halte. Er denkt wohl, daß ich ihn eines Tages in irgendwas glibberiges verhexen könnte, wenn er mich wütend macht. Wahrscheinlich geht er davon aus, daß ich nicht mehr lernen soll, als mich zu beherrschen, um nicht unbewußt loszuzaubern, wie Babette."

"Babette und unbewußt zaubern? Lege es nicht darauf an, dich mit ihr zu streiten! Sie beherrscht schon Schrumpfzauber und Fernlenkung, ohne Zauberstab. Wenn ich nicht immer aufpasse, stellt sie irgendwas an. Ich kann sie nur dadurch kontrollieren, daß ich ihr immer erzähle, was mit Hexen und Zauberern passiert, die ohne darüber nachzudenken ihre Kräfte anwenden. Ich habe ihr von den Dementoren erzählt, die böse Zauberer einfangen und einsperren. Deshalb beherrscht sie sich meistens, wenn sie mit vielen Muggeln zusammen ist", erklärte Catherine.

"Dementoren? Hör mir bitte auf mit denen. Ich wäre am liebsten gleich in den Zug zurück gestiegen, als ich einem solchen Monster das erstemal begegnet bin. Vielleicht hast du davon gehört oder gelesen, daß Hogwarts von diesen Unwesen bewacht wurde, weil sich dort ein geflüchteter Askaban-Gefangener herumgedrückt hat."

"Stand groß im Miroir Magique, unserer Version eures Tagespropheten", erwiderte Catherine.

"Sie haben ihn auch erwischt. Aber dann ist er irgendwie wieder abgehauen", erzählte Julius.

"Das haben wir auch gelesen. Maman hat sogar darüber gegrinst, als sei der Flüchtling kein gefährlicher Verbrecher, sondern ein Wohltäter, der unschuldig vor Gericht gestellt wurde wie Edmond Dantés. Aber der Name sagt dir wohl nichts", entgegnete Catherine Brickston.

"Du meinst den Grafen von Monte Christo. - Habe ich als Film gesehen, ein Jahr bevor ich nach Hogwarts kam", erwiderte Julius.

"Lies lieber das Buch. Das ist besser, wenn du dich mit diesem Helden auseinandersetzen willst!" Empfahl Catherine. Dann sagte sie noch:

"Du hast nur Aufgaben für Kräuterkunde, Zaubertränke und Verwandlung? Ich dachte, die angehenden Zweitklässler kriegen auch Geschichte der Zauberei auf."

"Nein, wir haben nur die drei Sachen. Außerdem interessiert mich Geschichte der Zauberei nicht. Ich habe damals nicht gelebt, und was heute passiert zählt nur für mich."

"Noch so einer, der erst bei der ungünstigsten Gelegenheit erfährt, daß er vielleicht doch mal in die Geschichtsbücher hätte kucken sollen. Aber ich werde mich nicht zu sehr darüber auslassen, damit nicht wieder wer sagen kann, daß ich ja nur wegen meiner beruflichen Interessen dieses Fach empfehle."

"Du arbeitest irgendwo im Archiv für Zaubereigeschichte?"

"So was ähnliches. Ich prüfe im wesentlichen Berichte aus bruchstückhaften Quellen und leite die Suche nach alten Artefakten, die Gefahr laufen, von Muggeln gefunden zu werden. Im Moment arbeite ich mit einem Kollegen eures Zaubereiministeriums daran, Objekte aus einem alten Druidengrab ausfindig zu machen, daß vor kurzem von Muggelarchäologen gefunden wurde."

Julius zwang sich, nicht loszuplappern, daß er davon gehört hatte, das der Vater seiner alten Schulkameradin ein Druidengrab untersuchte.

"Ist denn schon was schlimmes passiert?" Fragte Julius.

"Sicher. Manche Muggel verstarben, weil sie unwissend mit verfluchten Gegenständen herumhantiert haben. Andere wurden von eingekerkerten Seelen böser Magier gezwungen, für sie zu arbeiten. Alles ist drin. Wer da nicht die geschichtlichen Hintergründe kennt, kann schnell in einen Alptraum hineingeraten, aus dem er oder sie nicht mehr aufwacht."

"Trotzdem halte ich das mit Koboldaufständen und Werwolfversammlungen für überflüssigen Kram. Außerdem, wenn es Experten dafür gibt, muß das nicht jeder können."

"Du meinst, weil jemand einen Besen fliegen kann, ohne zu wissen, was ihn flugfähig macht, beziehungsweise ein Auto fahren kann, ohne zu wissen, wie es funktioniert, wäre das mit der Geschichte genauso? Wenn du das denkst empfehle ich dir, dich niemals in alte Gemäuer zu begeben. Falls da nämlich irgendwas herumspukt und du nicht nachgeforscht hast, weshalb es dort spukt, könntest du Probleme kriegen. Um die technische Welt heranzuziehen: Joe beschwert sich immer wieder, wie wenig die Leute doch von Computern wissen, wenn sie damit arbeiten. Es ist zu einfach geworden, etwas in Gang zu setzen, aber schwieriger, es wieder abzustellen."

"... Oh Herr, die Not ist groß! Die ich rief die Geister, werd ich nun nicht los!" Sagte Julius Zeilen eines alten Gedichtes her.

"Oh, interessant. Das Gedicht kennst du also. Ich habe es Babette in der französischen Version vorgelesen. Die deutsche Originalversion muß noch besser sein, sagt Maman. Es ist dafür, daß es von einem Muggel gedichtet wurde, für beide Welten sehr lehrsam."

"Ich habe es in einem alten Schulbuch gefunden. Es faszinierte mich nur, weil man die Story von jenem Zauberlehrling auf einen anwenden kann, der mit Maschinen umgeht, die er nicht richtig bedienen kann", sagte Julius.

"Zumindest ist das eine gute Grundlage für echte Zauberschüler, nicht sofort alles können zu wollen, wenn sie nicht wissen, was dabei passieren kann.

"Kann sein", sagte Julius nur.

Mittags saß er mit Catherine bei Tisch und erzählte ihr von Hogwarts. Er hörte sich an, daß Beauxbatons, die französische Zaubererschule, ebenfalls mehrere Schulhäuser besaß, deren Bewohner sich durch bestimmte Eigenschaften auszeichneten. Außerdem war dort eine noch strengere Disziplin vorgeschrieben. So mußten alle Schüler in bestimmten Arbeitsgruppen sein, für Musik, Gartenpflege, Malerei oder Sprachen. Julius hörte interessiert zu, wie Catherine ihre Schulzeit dort beschrieb. Dann fragte er:

"War deine Mutter damals schon Lehrerin dort?"

"Sicher. Aber ich habe da nie einen Vorteil von gehabt. Im Gegenteil: Sie hat mich besonders drangsaliert, wenn ich in ihren Fächern nicht Bestleistungen ablieferte. Der lange Schatten einer großen Persönlichkeit ist eiskalt, habe ich gelernt. Stell dich niemals freiwillig in den Schatten eines anderen!"

"Bei meinen Eltern geht das schonmal nicht, obwohl mein Vater es gerne gesehen hätte, daß ich nach der Schule ebenfalls zum Doktor der Chemie ausgebildet worden wäre, womöglich mit einer Berufung an eine Nobeluni wie Oxford oder Cambridge."

"Du hast behauptet, dein Vater wäre derjenige, der sich dagegen wehrt, daß du zaubern lernst. Ich habe von Joes alter Bekannten eher gedacht, daß sie was gegen deine neue Ausbildung haben könnte."

"Weil sie nur logisch denkt? - Gerade deswegen hat sie es ja auch hingenommen, daß ich nach Hogwarts gehe. Sie hat gesehen, wie jemand gezaubert hat und mich auf einem Besen fliegen sehen. Das brachte sie zur Einsicht, daß ich eben sowas beherrschen muß um nicht dumm aufzufallen", sagte Julius.

"Ja, ich konnte ja auch nicht mit ihr über Hogwarts reden. Womöglich hätte ich dann mehr erfahren. Aber die Begründung könnte passen: Ich habe es gesehen, also muß ich es hinnehmen."

"Dann war da ja noch der Elternsprechtag, den die Lehrer von Hogwarts ermöglicht haben. Ich habe mit Klassenkameraden eine Quidditch-Vorführung gezeigt und auf Anfrage meiner Lehrer gezaubert. Mein Vater hat es sich dabei mit Professor Snape verscherzt, weil er dessen Unterricht für blanken Unsinn erklärt hat."

"Oh! Ich habe Severus Snape einmal gesehen, mit meiner Mutter auf einem Kongreß zur Bekämpfung der schwarzen Magie. Maman flüsterte mir zu, daß er nur deswegen Professor sei, weil er einen Stein bei Dumbledore im Brett habe. Sie klang dabei nicht gerade wohlwollend."

"Vielleicht kriegt Snape demnächst den Job, Verteidigung gegen die dunklen Künste zu unterrichten. Unser bisheriger Lehrer mußte aus gewissen Gründen kündigen."

"Wen hattet ihr denn?"

"R. J. Lupin. Vielleicht kennst du den auch?"

"Glückspilz! Der ist sehr kompetent, was sein Spezialgebiet angeht. - Den Grund für seine Kündigung kenne ich wohl. Allerdings wundert es mich, daß er das ganze Jahr durchhalten durfte."

"Weil er eben so gut ist, Catherine. Wenn die Sache mit Black nicht passiert wäre, hätte der auch weiterhin unterrichten dürfen."

"Dumbledore weiß schon, wen er engagiert, zumindest was die Befähigung angeht."

"Hmm, denke ich nicht, ohne respektlos zu klingen. Im letzten Jahr hatten die in Hogwarts einen angeberischen Playboytypen, der anscheinend nichts auf die Reihe gekriegt hat", widersprach Julius.

"Ach neh! Gilderoy Lockhart! Kenne ich auch. Ich war mal so idiotisch, drei seiner Bücher zu lesen. Dabei viel mir auf, daß er Sachen gemacht haben will, die selbst bei Zauberern nicht klappen konnten. Seitdem ist er unten durch bei mir. Maman hatte recht damit, daß Bücher alleine keine Befähigung verraten. Naja, ich konnte die Wälzer loswerden."

"Reden wir nicht weiter von der Schule", bat Julius. "Wen wollt ihr euch bei der Weltmeisterschaft ansehen, und wie kommt ihr dahin?"

"England, Norwegen und Schottland. Ich fahre am 14. Juli mit Babette von hier los, durch den Kanaltunnel, den die Muggel gebaut haben. Du weißt, daß dieser Tag in Frankreich für die Muggel ein Feiertag ist?"

"Ja, weiß ich. "Es lebe die Revolution!" "Kopf ab dem König!" "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!"" Stieß Julius entschlossen aus. Dann fragte er, wie Catherine und Babette weiterreisen würden, wenn sie in England angekommen wären.

"Von England aus nutzen wir einen Schnellzug, um in die Nähe des Stadions zu fahren. Das dauert wohl drei Tage insgesamt. Ich wollte nachher noch in die Rue De Camouflage, um Reiserucksäcke, Zelte und Standardmedikamente gegen Schürfwunden, Erkältungen, Durchfall und Blutergüsse zu besorgen. Du kannst ja mitkommen."

"Ist das die französische Winkelgasse?" Wollte Julius wissen.

"Genau. Der Eingang liegt jedoch nicht oberirdisch, sondern in einem verlassenen Metrobahnhof. Mann kann auch mit Flohpulver hinreisen. Hast du das schonmal gemacht?"

"Schonmal", sagte Julius nur beiläufig klingend.

"Dann machen wir das so. Joe kommt nicht vor fünf Uhr zurück, da der Hof mindestens vier Stunden Autofahrt von hier entfernt liegt und Babette in Tiere vernarrt ist, um in einer Stunde wieder wegzukommen. Dann zeige ich dir unsere schöne Einkaufsstraße, damit du nicht nach Hause fährst und erzählst, man hätte dir nichts geboten."

Es klopfte leise ans Küchenfenster. Als wenn Catherine schnell zum Telefon wollte, sprang sie auf, war keine Sekunde später am Fenster und klappte es auf. Drei Eulen schwirrten herein und warfen Briefumschläge auf den freigeräumten Küchentisch.

"Huch! So auffällig? Wieso fliegen die eigentlich tagsüber?" Wunderte sich Julius, als der Waldkauz, der Steinkauz und die kleine graue Eule wieder verschwunden waren.

"Warum sollten sie nicht tagsüber Post zustellen? Man muß nur schnell genug sein, um sie ein- und wieder auszulassen", antwortete Catherine.

"Den Waldkauz und den Steinkauz kenne ich. Könnte sein, daß die was für mich hatten", vermutete Julius und betrachtete die Briefumschläge. Tatsächlich trug einer der Umschläge das Wappen von Hogwarts und in smaragdgrüner Tintenschrift die Adresse:

Julius Andrews im großen Gästezimmer von Familie Brickston Rue de Liberation 13 Paris Frankreich

"Hast du unser Ministerium informiert, daß ich bei euch wohnen würde?" Erkundigte sich Julius.

"Ich habe das Büro für Auslandsbesuche angeschrieben und dich angemeldet. Sie teilten mir in der Nacht vor deinem Abflug mit, daß sie deine Abreise und Ankunft registrieren würden. Wahrscheinlich wurden eure Beamten entsprechend informiert. Womöglich sind dir unsere Grenzbeamten nicht gleich aufgefallen. Aber ich habe Elise Vendredi am Flughafen wiedererkannt. Sie wird dich wohl registriert haben."

"Eine junge Frau, so um die zwanzig Jahre, mit kurzen schwarzen Haaren? Also doch!" Erwiderte Julius und freute sich hemmungslos, nicht danebengelegen zu haben, als Catherine nickte.

"Woran hast du denn gemerkt, daß sie ..? Sicher, der Zauberstab. Neunzehn Zoll sind nicht leicht zu verbergen."

"Ui! Wie dem auch sei. Die von der Schule haben offenbar schnell geschaltet, wo ich bin und mir jetzt schon die Liste für die nächsten Schulsachen zugeschickt. Vielleicht wollten sie sichergehen, daß Joe nichts davon mitkriegt."

"Und wer hat das Steinkauzweibchen geschickt?" Wollte Catherine wissen.

"Eine Schulfreundin von mir. Vielleicht wollte sie mir den Vogel nach Hause schicken, und der ist direkt über den Kanal gekommen, weil er mich persönlich und nicht mein Elternhaus aufsuchen sollte. Tatsächlich, der Brief ist von ihr", sagte Julius als er den zweiten Umschlag betrachtet und "Gloria Porter und Familie" darauf gelesen hatte. Der dritte Eulenbrief war an Catherine Brickston gerichtet, sah aber irgendwie amtlich aus.

Julius las zunächst den Brief von Gloria Porter.

 

Hallo, Julius!

Ich habe Trixie losgeschickt, um dir mitzuteilen, daß meine Eltern vorgeschlagen haben, daß sie mit mir und unseren Klassenkameraden deinen Geburtstag bei uns hier im Haus ausrichten möchten. Deine Eltern sagten meiner Mutter am Telefon, daß du verreist bist und wollten nicht damit herausrücken, wohin genau. Aber ich denke, daß Trixie dich finden wird. Sollte sie dich bei Tag antreffen wird sie sich nicht lange bei dir aufhalten und erst nachts zu dir kommen, um eine Antwort mitzunehmen, falls du mir schreiben willst. Dein Vater war nicht gerade höflich zu meiner Mutter, möchte ich dir nur sagen. Er hat sich noch nicht einmal für die Mitnahme nach Hogwarts bedankt und uns als hinterweltlerisches Pack bezeichnet. Aber vielleicht ändert er seine Meinung ja nochmal. Ich hoffe, daß die Muggel, zu denen du geschickt wurdest, dir die Möglichkeit geben, an deinem Geburtstag wieder nach Hause zu kommen. Deine Eltern wären auf jeden Fall natürlich auch eingeladen, auch wenn sie Muggel sind. Das Familienzugehörigkeitsgesetz erlaubt ja den Zugang von Muggeleltern zu bestimmten Orten, wie der Winkelgasse oder unserer Wohnstraße, solange er nur sechs Stunden andauert. Aber das hast du ja selbst gelesen.

Schöne Grüße auch von Betty und Jenna. Sie haben mir gleich zu Ferienbeginn geschrieben, daß ihre Eltern sehr froh waren, daß sie in Zaubertränke und Kräuterkunde, sowie Astronomie so gut abgeschnitten haben.

Da du den Tagespropheten ja nicht beziehst wollte ich dir schreiben, daß in Nordengland ein Muggelgeschichtsprofessor namens Stuard ein Grab eines alten Druiden auskundschaftet, der mit Dairon vom Dunkelwald zusammengearbeitet hat, einem schwarzmagischen Druiden, der vor 2150 Jahren England tyrannisiert hat, ähnlich wie Du-weißt-schon-wer in unserem Jahrhundert. Rita Kimmkorn, eine sensationslüsterne Reporterhexe will die Ausgrabungen beobachten, bevor sie die Quidditch-Weltmeisterschaft besucht.

Schreib mir bitte!

Gloria

 

 

Julius' Gesicht mußte wohl genauso viel gesagt haben, als wenn er den Brief laut vorgelesen hätte. Denn Catherine fragte:

"Was hat deine Schulfreundin so tolles und so erschütterndes zu berichten, wenn ich fragen darf?"

"Sie wollte wissen, was ich an meinem Geburtstag anfangen wolle, der ja Mitte Juli ist. Dann hat sie mir geschrieben, daß im Tagespropheten etwas über eine von Muggelarchäologen vorgenommene Ausgrabung steht. Den Wissenschaftler kenne ich beinahe persönlich. Ich war mit seiner Tochter in der Grundschule."

"Moment mal! Geht es um das Druidengrab im Norden von England?"

"Ja, richtig!" Bestätigte Julius vorsichtig.

"Das steht im Tagespropheten. Wer hat denn da wieder nicht dichtgehalten? Das kläre ich nachher noch. Hat deine Schulfreundin da noch mehr zu geschrieben?"

"Ja, hat sie. Der Druide, dessen Grab da ausgebuddelt wird, soll mit einem Dairon zusammengearbeitet haben, der damals ein mächtiger Schwarzmagier gewesen sein soll. Ich kenne ihn nicht. Aber wenn Gloria, so heißt das Mädchen, meint, der Typ soll wie vol..., ähm, der dunkle Lord gehaust haben, nehme ich das mal als gegeben hin."

"Da hast du aber gerade nochmal die Kurve gekriegt, wie? Immerhin gehöre ich zu den Leuten, die durch den Terror des dunklen Lords und seiner Anhänger geliebte Angehörige verloren haben. Und wasdiesen Dairon angeht, so hast du hier und jetzt den klaren Beweis dafür, daß unsere Geschichte nicht nur dummes Zeug ist, daß keinen mehr interessiert. Ich habe leider kein englischsprachiges Buch über ihn in meiner geheimen Zauberbibliothek. Aber ich frage bei Gelegenheit mal meine Mutter, ob sie den Band "Dunkle Imperien" noch zu Hause hat."

"Der steht in unserer Bibliothek in der verbotenen Abteilung. Wenn sie ihn hat, wird sie ihn mir nicht geben wollen", warf Julius ein.

"Du kennst also Professor Stuard? Vielleicht ist das nützlich für uns, ich meine, meine Abteilung und womöglich den Rest der Zaubererwelt. Vielleicht kriegst du eher mit, wenn er etwas findet als unsere Leute."

"Eine Rita Kimmkorn vom Tagespropheten hat sich schon an die Sache drangehangen, schreibt meine Schulfreundin."

"Das sollte sie lassen, diese Rita Kimmkorn. Denn die Untersuchung des Druidengrabes unterliegt der Geheimhaltung. Da wird ihr auch die Pressefreiheitsklausel im Zauberergesetz nichts nützen."

"Glorias Steinkauz will mich diese Nacht nochmal aufsuchen, um eine Antwort mitzunehmen. Soll ich ihr etwa schreiben, daß ich bei euch bin?"

"Ist das die junge Dame, die dir in den Osterferien vorgelesen hat, wer meine Mutter ist? Kuck nicht so blöd! Maman hat mir die Geschichte natürlich erzählt, als ich mit ihr allein war."

"Genau die ist das", antwortete Julius kleinlaut.

"Gut, dann schreibe ihr so, daß nur sie weiß, wo du bist. Da unser Besuch ja nicht im Tagespropheten stand, hat sie wohl gut dichthalten können. Bestell ihr schöne Grüße, daß sie dir gerne noch weitere Zusammenfassungen zu diesem Thema schicken möchte!" Wies Catherine den Zauberschüler an.

Julius nickte und nahm den prallen Briefumschlag von Hogwarts. Er öffnete ihn vorsichtig und zog drei Seiten Pergament heraus. Auf der obersten Seite stand:

 

 

Sehr geehrter Mr. Andrews,

wie uns zur Kenntnis gelangte, sind Sie zur Zeit ein Gast von Madame Brickston, der Tochter einer hochgeschätzten Kollegin aus Frankreich und ihres Muggelehemannes. Da Monsieur Brickston wohl davon ausgehen soll, daß Sie ein Mitglied der nichtmagischen Welt sind, stellen wir Ihnen die Liste für die im nächsten Schuljahr benötigten Schulsachen bereits jetzt zu, damit Sie frühzeitig daran gehen können, die notwendigen Dinge zu erwerben.

Wir hoffen, daß Ihnen der Aufenthalt in Frankreich die nötige Erholung für das Nächste Schuljahr, sowie die Möglichkeit, die von uns gestellten Hausaufgaben exzellent zu erledigen bietet und verbleiben

mit freundlichen Grüßen

Professor McGonagall, stellvertretende Schulleiterin

 

 

"Mist!" Fluchte Julius und schnippte die gelesene Seite auf den Esszimmertisch.

"Na, nicht fluchen!" Tadelte Catherine den Jungen so, als wenn sie seine Mutter wäre.

"Die setzen voraus, daß ich bei euch meine Hausaufgaben machen und sie mit der vollen erreichbaren Punktzahl abliefern kann. Jetzt stehe ich aber voll im Regen."

"Maman hat im Moment viel zu tun. Sonst würde ich sie sofort fragen, ob sie .. aber sie würde meinen, daß du deine Sachen selber erledigen solltest."

"Wie denn, ohne Bücher?"

"Das ist nicht das Problem. Wenn wir in die Rue de Camouflage reisen, können wir uns welche in der Leihbücherei ausleihen. Die haben englische Schulbücher da, für Beauxbatons-Schüler, die englisch lernen wollen und vergleichende Schulbücher lesen möchten. Da sind bestimmt auch deine Erstklässlerbücher dabei."

"Das gibt aber einen bürokratischen Aufwand, mich bei euch in eine Ausleihliste eintragen zu lassen", wandte Julius ein und erhielt ein heftiges Kopfschütteln zur Antwort.

"Ich lasse die Bücher auf meinem Namen laufen und bringe sie nach der Quidditch-Weltmeisterschaft zurück. Die Ausrede zieht nicht", erwiderte Catherine lächelnd.

"Ich habe kein Problem damit, meine Hausaufgaben zu machen, solange ich hier bin. Ich weiß ja auch nicht, wann ich zurückfliegen soll. Vielleicht habe ich dann keine Zeit mehr, um meine Aufgaben zu erledigen", sagte Julius.

Catherine nahm die auf den Tisch geworfene Seite und überflog sie kurz. Dann sagte sie:

"Du hättest wirklich schlechte Karten, dich auf deine Eltern rauszureden. Ich habe Professor McGonagall zwar noch nicht persönlich getroffen, aber einige Aufsätze von ihr in "Verwandlung Heute" gelesen. Meine Mutter steht sich mit ihr sehr gut, beinahe freundschaftlich. Das heißt, daß sie mindestens eine ähnliche Auffassung von Erziehung und Ausbildung vertritt wie Maman. Haben Sie dir die Liste für das nächste Schuljahr geschickt?"

"Ja, haben sie. Aber ich glaube, das hole ich mir alles, wenn ich wieder zu Hause bin."

Julius studierte die Liste der Ausrüstungsgegenstände und Bücher und stutzte, als er las:

"... Im nächsten Schuljahr benötigen sämtliche Schüler zu den oben aufgeführten Büchern und Lehrmitteln einen Festumhang für besondere Anlässe."

Julius las diesen Abschnitt nochmal laut vor. Catherine sah so aus, als würde sie das überhaupt nicht verwundern.

"Du kommst in die zweite Klasse, junger Mann. Da muß man sich gesellschaftlichen Verpflichtungen stellen. Außerdem wird es bei euch im nächsten Schuljahr sehr interessant und wichtig zugehen. Aber das erzähl niemandem, daß du das von mir hast. Maman würde mich allein für diese Andeutung in einen alten Putzlumpen verwandeln und ihr ganzes Haus damit schrubben. Denn es ist ein höchst geheimes Unterfangen, solange keine ministeriale Veröffentlichung darüber stattfindet."

"Und für diese geheime Kommandosache brauchen wir Festumhänge?"

"Oui, Monsieur", erwiderte Catherine. Dann sagte sie noch:

"Wenn du schon einmal in der Hauptstadt der Mode bist, solltest du dir den Festumhang hier holen. Ich weiß zwar nicht, was deine Eltern für dich ausgeben würden, aber für vier bis sechs Galleonen kriegst du auf jeden Fall was schickes in deiner Größe, und wenn deine Eltern mit ihrem Reichtum prahlen wollten, könntest du sogar einen Seidenumhang für zwanzig Galleonen mit goldenen Manschettenknöpfen kriegen."

"Um Himmels Willen. Erstens würden Meine Eltern für keinen Zaubererumhang soviel geld ausgeben, nicht einmal eine Galleone, und zweitens habe ich nicht vor, mit Kleidung zu protzen. Ich bin kein Slytherin."

"Du willst doch nicht etwa einen Umhang aus dem Gebrauchthandel anziehen, den sie dir für vier Sickel nachwerfen? Das wäre aber peinlich."

"Die Frage ist sowieso akademisch, weil ich kein Geld hier habe. Nix Zauberbücher, nix Zauberergeld", versuchte Julius, die lästige Diskussion zu beenden. Doch Catherine schüttelte wieder den Kopf und sagte:

"Du kannst nicht von hier wegfahren, ohne einen guten Umhang mitzunehmen. Abgesehen davon, daß deine Eltern geschrieben haben, daß wir dir eine schöne Geburtstagsfeier ausrichten sollten, kriegst du natürlich auch ein Geschenk von uns. Da Joe dir bestimmt keinen Umhang schenken wird, tu ich es. Heute nachmittag besorgen wir ihn dir. Ende der Debatte!"

"Das wollen meine Eltern bestimmt nicht. Ich hatte ja noch nicht einmal ein Gastgeschenk für euch dabei, weil es meinem Herren Vater nicht schnell genug gehen konnte, mich loszuwerden."

"Was nicht heißt, daß du nichts von uns kriegen darfst. - Woher kennst du eigentlich das Wort "Eine Sache ist sowieso akademisch"?"

"Das habe ich von meinen Eltern, wenn sie etwas, was sowieso nicht funktionieren würde, durchgespielt haben, um ihre Vorstellungskraft zu testen."

"Soso, dann frage ich mich, wieso sie sich nicht vorstellen konnten, daß du einmal Zauberer werden wirst?"

"Kein Kommentar", erwiderte Julius nur darauf.

"Akzeptiert", gestand Catherine dem Jungen zu und räumte mit ihm zusammen den Tisch ab.

Die große Wanduhr im Flur zeigte drei Uhr nachmittags, als Catherine mit Julius zusammen in das Erdgeschoß des Hauses ging, wo neben dem Arbeitszimmer von Joe ein Partyraum eingerichtet war, mit einem offenen Kamin in einer Ecke. Catherine holte einige Holzscheite herbei, schichtete sie auf und zog ihren Zauberstab.

"Incendio!" Rief sie. Sofort prasselte ein Feuer im Kamin. Die mit einem Muggel verheiratete Hexe tippte mit dem Zauberstab gegen eine Kachel unterhalb des Kamins, die sofort aufschwang. Dahinter glitzerte ein Döschen, daß Catherine herausfischte und öffnete.

"Wir müssen in das Foyer des Zauberkunstmuseums. Das ist der einzige Kamin in der Rue de Camouflage, der öffentlich zugänglich ist. Sage einfach Rue de Camouflage, dann landest du dort. Willst du zuerst?"

Julius nickte und entnahm dem Döschen eine Prise Flohpulver, warf es ins Feuer und wartete, bis die Flammen zu einer smaragdgrünen Feuerwand aufgeschossen waren. Dann trat er entschlossen hinein und rief laut und deutlich:

"Rue de Camouflage!"

Sofort erfaßte ihn ein mächtiger Sog und riß ihn davon, so daß alles um ihn herum zu einem Wirbel aus Feuer und flüchtig vorbeirasenden Kaminen verschwamm. Ein ohrenbetäubendes Brausen war das einzige, was Julius die nächsten Sekunden lang hörte. Dann, mit einem unsanften Ruck, prallte er auf den Boden eines Kamins und purzelte unkontrolliert aus ihm heraus, wobei er gegen jemanden prallte.

"Hoppla! Werfen Sie mich nicht um, junger Mann!" Sprach eine Frauenstimme auf Französisch.

Julius entschuldigte sich kleinlaut und öffnete die Augen. Er sah, daß er mit einer erwachsenen Hexe im dunkelgrünen Glitzerumhang zusammengestoßen war, die ein Mädchen von fünf Jahren an der Hand führte. Links neben ihr standen noch zwei Mädchen, eines in Julius' Alter, das ein bordeauxrotes Kleid trug, und eine Sechzehnjährige in einem pastellfarbenen Umhang.

"Maman, der trägt ja Muggelsachen!" Plärrte die Fünfjährige in einem französischen Dialekt, den Julius gerade noch so verstehen konnte. Die Frau im Glitzerumhang zischte tadelnd und zog das kleine Mädchen mit sich weiter. Julius sah die älteren Mädchen, die Frau und das kleine Mädchen an und schloß aus der bei allen vieren vorhandenen pechschwarzen Haarfarbe, den dunkelbraunen Augen und der braungetönten Hautfarbe, daß sie zur gleichen Familie gehörten, eine Mutter mit ihren drei Töchtern. Julius fiel an der Frau, die gerade auf die gläserne Eingangstür zuschritt auf, daß ihre Fingernägel kurz und brüchig waren, wie bei Professor Sprout. Die Mädchen hingegen hatten lange Fingernägel.

"Ist dir was passiert, Julius?" Fragte Catherine, die gerade aus dem Kamin kam, auf Englisch. Julius verneinte nur und sah, wie die Hexe, bei der er zu Gast war, sich die feine Asche von der Kleidung klopfte.

"Ich hätte nur gerade fast einer Mutter von drei Töchtern die Beine weggezogen, als ich aus dem Kamin geplumpst bin", sagte Julius lässig klingend.

"und bist aufgefallen wie ein bunter Hund, wie?" Vermutete Catherine mit einem Lächeln im Gesicht.

"Wie kommst du denn darauf?" Wollte Julius wissen.

"Weil du hier der einzige Bist, der wirkliche Muggelkleidung trägt. Selbst mein Kostüm wird noch als Zaubererweltkleidung anerkannt. Aber ich hätte dich vorwarnen können, daß der Kamin hier eine hohe Austrittsgeschwindigkeit besitzt. Aber den brauchen wir nachher sowieso nicht mehr zu benutzen. Wir fahren nachher mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurück, falls Joe früher nach Hause kommen sollte."

"Und das verbrannte Feuerholz?"

"Ist mit uns zusammen aus dem Kamin verschwunden. Aber das mußt du nicht wissen", sagte Catherine.

Julius folgte seiner Gastgeberin durch das weitläufige Foyer, in dem nicht nur ein Kamin für ankommende Zauberer bereitstand. Der Junge aus London wunderte sich darüber, daß dieses Museum von außen nicht zu sehen sein sollte. Catherine erklärte ihm, daß es von draußen wie eine verfallene Lagerhalle aussah, die unter Denkmalschutz gestellt worden sei.

Ähnlich wie bei der Winkelgasse, mußte Catherine an einer kunstvoll verzierten Marmorwand einen bestimmten kleinen Stein mit dem Zauberstab berühren, um ein Tor auf eine Mit Kopfsteinen gepflasterte Straße zu öffnen. Julius las auf dem der magisch geschaffenen Öffnung gegenüberstehenden Schild die goldenen Worte "Bien venu à la Rue de Camouflage!"

Die breite Straße faszinierte Julius, wie ihn auch die Winkelgasse in London fasziniert hatte. Und obwohl die beiden Straßen ähnliche Bedeutungen für die Zaubererwelt besaßen, unterschieden sie sich doch in der Auslage der Geschäfte und dem Schmuck der Häuser. Julius erkannte richtige Wohnhäuser und Bürogebäude. Straßencafés und die Auslagen von Bekleidungsgeschäften zogen Massen von Hexen und Zauberern an, die in den buntesten Umhängen oder langen Kleidern, vom Spitzhut bis zum Zylinder alle Kopfbedeckungen ausführend die Straße Bevölkerten. Er lauschte auf die Unmengen von Wortfetzen, sog die Gerüche von Backwaren, Kaffee oder Tee in seine Nasenflügel ein und bestaunte die Ruhe, die in diesem Gewühl vorherrschte. Ihm entging nicht das protzige Marmorgebäude in der Mitte der Straße und mußte nicht erst die meterhohen Goldlettern GRINGOTTS lesen, um zu wissen, daß dieser Prachtbau die französische Zweigstelle der Zaubererbank beherbergte. Neben der Bank stand ein weiterer Bau, allerdings schmaler, aber aus dunklem Marmor. Ein kupferfarbener Schriftzug unter der französischen Nationalflagge verriet Julius, daß hier der Hauptsitz des französischen Zaubereiministeriums angesiedelt war.

"Das ist unser eigenes Rathaus", kommentierte Catherine das Ministeriumsbauwerk. Julius zählte dessen Stockwerke und kam auf zehn.

"Gringotts ist ein wenig höher gebaut, wie?" Fragte Julius.

"Na klar. Die Kobolde haben sich hier eben viele Büros eingerichtet. Außerdem beherbergt die Bank auch Schlafräume für die menschlichen Mitarbeiter, die ihren Geschäften nachgehen. Aber sonst ist die Bank so eingerichtet wie die in London, habe ich mir sagen lassen."

Catherine geleitete Julius zum Hauptportal des Bankgebäudes, wo zwei Kobolde in mit Glitzerknöpfen verzierten Uniformen die Besucher begrüßten. Catherine wechselte ein paar Worte mit einem der Türsteher. Julius vermutete, daß es Koboldisch war, denn diese schnelle Sprache konnte nicht von Menschen erfunden worden sein. Die Kobolde ließen die Besucher in das Bankgebäude. Catherine suchte einen Schalter auf, an dem im Moment kein Betrieb war und bat um einen Wegführer zu ihrem Verließ.

Julius Andrews stellte fest, daß die Transportmittel in London nicht anders waren als in Paris, nur mit dem Unterschied, daß die selbstfahrenden Schienenbahnen eine Windschutzscheibe besaßen. Der Kobold, der sie begleitete, öffnete das Verlies von Catherine Brickston. Julius blieb höflich zurück. Ihn ging es ja nichts an, wieviel die Tochter von Professeur Faucon verwahrte. Er hörte sie nur kurz mit Geldstücken klimpern, dann kehrte sie mit einem kleinen Lederbeutel voller Münzen zurück. Die Verliestür schloß sich wieder, und mit der selbstfahrenden Bahn ging es zurück nach oben.

"Ich hole gleich die Schulbücher für Babette. Trifft sich gut, daß ich jemanden dabeihabe, der der Zaubererwelt nicht so abgeneigt ist wie Joe."

"Was für eine Schule ist denn das eigentlich? Lernen die da schon zaubern?"

"Nein, das nicht. Aber dort gehen nur Zaubererkinder hin, um dort Lesen, Schreiben, Rechnen und Besenflug zu lernen. Joe wollte sie in eine Muggelschule schicken, um ihr auch den Umgang mit technischen Geräten beizubringen. Doch Maman und ich haben uns durchgesetzt. Wir genießen einen gewissen Ruf in der europäischen Zaubererwelt. Wenn meine Tochter da in einer Muggelschule auffallen würde, wäre das ein Skandal."

"Joe hat sicher gesagt, daß ihm das total egal ist, oder?"

"Ganz genau. Aber das ist mir wiederum egal."

Julius merkte, daß er in seinen gewöhnlichen Straßenkleidern wirklich sehr auffällig war, als er mit Catherine den Laden für Grundschulbedarf betrat und mehrere Kinder zwischen fünf und acht Jahren ihn anstarrten. Catherine handelte mit der mondgesichtigen Hexe hinter dem Ladentisch einen Festpreis aus und ließ sich die zehn Einstiegsbücher geben. Julius sah, daß die vielen bunten Bilder genauso lebendig waren wie die Gemälde in Hogwarts oder die Fotos im Tagespropheten. Nach einer Viertelstunde standen Catherine und ihr junger Gast wieder auf der Einkaufsstraße und schlenderten zu einem Laden für Kinderbekleidung. Doch Catherine verzichtete nach einer kurzen Durchsicht der ausgestellten Ware darauf, einen Satz Schulumhänge zu kaufen.

"Die kriege ich auch selber hin. So schwer ist das nicht, die aus entsprechenden Stoffen zu machen. Ich bin ja nicht knauserig, aber zehn Sickel für einen einfarbigen Kinderumhang erscheinen mir doch etwas überteuert. Aber da drüben liegt Madame Esmeraldas Boutique für besondere Anlässe. Die haben gute Festumhänge im Angebot. - Heh, Julius! Träum nicht!"

Julius' Blick war von einem Zauberer auf einem Rennbesen gefesselt worden, der vor einem Laden für Quidditchzubehör mit einem Rosselini-Raketenaufstieg über die Dächer der Häuser hinweggestiegen war und nun Loopings, seitliche Rollen, Drehungen und übergangslose Richtungsänderungen zeigte, während ein in ockergelbem Umhang gekleideter Zauberer vor dem Laden ausrief:

"Der Ganymed 9, der Stolz der französischen Zaubererwelt, Messieurs Dames! Mit diesem Vielzweckbesen liegt Ihnen die Welt zu Füßen! Ob Sie nun einen flotten Renner für hochsportliche Quidditchturniere wollen, einen zuverlässigen Transporter für schwere Sachen suchen oder ein ausdauerndes Fluggerät für lange Reisen wünschen, der Ganymed 9 bietet Ihnen alle diese Vorzüge, ohne Umrüstung!

Der Besen beschleunigt innerhalb von 10 Sekunden von 0 auf 200 Stundenkilometer, kann sich bei jeder Geschwindigkeit um jede Achse drehen und besitzt ein hohes Maß an Sicherheitskomfort! Er kann mit einer Last von 300 Kilogramm beladen werden und kann acht Stunden bei einer Reisegeschwindigkeit von 180 Stundenkilometern fliegen und benötigt nur eine Ruhepause von einer Stunde zwischen zwei Etappen! Die bislang gemessene Höchstgeschwindigkeit liegt bei 300 Stundenkilometern, ausgehend von einer Person mit normalem Körpergewicht!

Der Ganymed 9! Preis auf Nachfrage!"

"Feuerblitze sind doch noch etwas besser", stellte Julius laut fest.

"Hast du denn schon einen in Aktion gesehen?" Fragte Catherine.

"Ja, habe ich. Ein Sucher von Hogwarts hat so einen Besen und hat damit den Quidditchpokal geholt. Insofern weiß ich, was ein Feuerblitz bringt."

"Der Ganymed ist auch erst ein Vierteljahr draußen. Womöglich wurde er dem Feuerblitz in vielen Details nachempfunden und verbessert. Aber ich wollte dir ja auch einen Umhang besorgen, da ich davon ausgehen kann, daß du von deinen Eltern einen Rennbesen kriegst."

"Wovon träumst du nachts", grummelte Julius so leise, daß Catherine es im Stimmengewirr und den sich ständig wiederholenden Anpreisungen des Ganymeds nicht verstehen konnte.

Julius schwankte zwischen dem Drang, das Angebot abzulehnen und dem schlechten Gewissen, undankbar zu erscheinen, als er mit Catherine vor der Boutique anlangte und eine hochgewachsene zierliche Hexe mit strohblonder Kurzhaarfrisur begrüßt wurden. Julius stellte sich vor, daß diese junge Hexe, die bestimmt nur 20 Jahre alt sein mochte, in der Muggelwelt als Spitzenmodell durchgehen würde. Sie begrüßte zunächst Catherine, dann sah sie Julius an. Dieser entschied sich dafür, Catherines Angebot anzunehmen und ließ sie die Verhandlung mit der pummeligen Hexe mit schwarzgrauem Haar führen, die mit ihrem Zauberstab wie mit einem Taktstock ihre Angestellten dirigierte.

"Wo kommt der junge Herr her?" Verstand Julius die Chefin der Boutique, als sie sich an Catherine wandte. Catherine erwiderte:

"England. Er besucht Hogwarts."

"Verstehe. Da trifft es sich aber gut, daß Sie mal in eine wahre Kulturstadt reisen konnten, Monsieur. Immerhin kriegen Sie hier hochwertigere Festbekleidung als in London", sagte die Inhaberin des Bekleidungsgeschäftes in einem stark mit französischem Akzent beladenen Englisch. Julius erwiderte:

"Kann ich nicht beurteilen. Ich bin bisher um langweilige Parties herumgekommen und brauchte keine Festumhänge." Klugerweise vermied er es, auf seine Abstammung hinzuweisen. Nachher gab die Alte noch was von sich, daß ihn ärgerte, obwohl er keinen Grund dazu hatte.

"Bei uns gilt der Grundsatz: ""Gute Kleidung fördert die Stimmung". Wir finden für jeden Charakter die passende Hülle, ohne gegen bestehende Konventionen verstoßen zu müssen. Die Frage ist nur, wieviel sie anlegen möchten."

"Darüber habe ich nicht zu befinden", erwiderte Julius und sah Catherine an, die nickte.

"Ich gehe davon aus, daß der junge Mann etwas für festliche Abende sucht, für Bälle oder Feiertage. Das heißt, daß die optische Harmonie stimmen muß, nicht der Eindruck von materiellem Wohlstand. In diesem Falle hätte ich was zwischen drei und sechs Galleonen anzubieten, Falls Ihnen das konveniert, Madame", hörte Julius die Inhaberin leise mit Catherine sprechen. Er verstand alle Wörter so deutlich, als habe er nie eine andere Sprache als Französisch gesprochen. Er dachte schon daran, ob das Sprachlernbuch nicht eine Art schleichender Gedächtnisveränderung bei denen bewirkte, die mit ihm arbeiteten. Catherine dachte kurz nach und sagte:

"Wenn die Qualität dem Preis entspricht und mein junger Gast mit der Auswahl zufrieden ist, habe ich keine Probleme damit, einen Preis in der von Ihnen erwähnten Preisspanne zu zahlen, Madame Esmeralda."

Die Geschäftsinhaberin nickte zufrieden und winkte einer jungen Hexe in bunter Kleidung. Sie kam sofort herbei. Madame Esmeralda gab der Angestellten eine kurze Anweisung und zog sich dann in die Mitte des Ladens zurück, von wo aus sie ihre Angestellten und die Kunden überblicken konnte.

Julius ließ sich von der jungen Hexe zu einem Raum führen, der hinter einer goldeingefaßten Kristalltür lag. Hier standen sechs bunte Blumen in silbernen Töpfen. Julius erkannte sie sofort, weil sie unvermittelt ihre Farbe wechselten. Catherine wurde gebeten, vor der Kristalltür zu warten.

"Ich sehe Ihnen an, daß Sie diese Blumen kennen, Monsieur. Können Sie sich vorstellen, wozu wir sie hierhaben?" Fragte die Hexe mit warmer Altstimme. Julius schluckte und antwortete:

"Das sind die Regenbogenkelchblumen. Die passen sich farblich der Stimmung der Menschen an, die in ihrer Nähe herumlaufen oder sie anfassen. Wollen Sie damit feststellen, welche Farben zu mir passen?"

"Ganz richtig", bestätigte die Angestellte von Madame Esmeraldas Boutique.

"Sie müssen mit jeder Hand eine Blume berühren. Das machen Sie bei allen sechs Blumen. Die Farben, die dabei am häufigsten auftauchen, sind mit einer positiven Stimmung von Ihnen gekoppelt. Dann gehen wir zu einer Auswahl von Festumhängen in der entsprechenden Farbe und finden dort den für Sie passenden Umhang. Keine Sorge! Hier ist noch nie ein Zauberer oder eine Hexe herausgegangen, ohne einen Umhang zu besitzen, der am besten zu ihm oder ihr gepaßt hätte. Die Regenbogenkelchblumen sind unser Erfolgsrezept und nebenbei patentrechtlich als Auswahlhilfe geschützt."

"Soso", antwortete Julius.

Der Hogwarts-Schüler tat, was ihm geraten worden war und faßte die sechs Blumen nacheinander an. Dabei kam heraus, daß fünf von sechs Blumen ein Weinrot als Hauptfarbe annahmen. Julius stellte für sich selbst fest, daß ihn diese Farbe am meisten entspannte. Die junge Hexe, die die Farbgebung der Blume mit einer Ansammlung von Buntstiften nachprüfte, nickte ihm zu.

Als sie den ausschlaggebenden Farbton gefunden hatte, blätterte sie in einem Warenregister nach dem Lager, wo derartige Festumhänge aufbewahrt wurden. Dann wies sie eine andere Hexe an, fünf Umhänge aus dem Lager zu holen.

Julius probierte die Festumhänge an, die leicht und fließend seinen Körper umspielten, wenn er sie anzog. Beim vierten Umhang stellten Catherine, die Hexe, die ihn bediente und er gleichermaßen fest, daß der Umhang sich am besten seinen Bewegungen anpaßte. Julius vollführte auf Anweisung der Boutique-Hexe mehrere Sprünge, Verbeugungen, Tanzschritte und Kniebeugen.

"Das Material ist sehr Flexibel. Es wurde mit getrockneten Lotosblumenblättern und dem Haar aus Einhornschweifen zusammen verwoben und besitzt daher wie die meisten unserer anspruchsvolleren Produkte eine Bewegungsanpassung und eine garantierte Unbeschmutzbarkeit. Hinzu kommt noch die hohe Reißfestigkeit und schwere Entflammbarkeit, da bei der Einfärbung Feuersalamanderblut in den Färbersud gegeben wurde. Dies nur, um Sie davon zu überzeugen, daß fünf Galleonen und vierzehn Sickel wahrlich nicht überbezahlt sein dürften" hob die Verkaufshexe nochmal die Eigenschaften des Festumhanges hervor.

"Ich nehme an, daß die von Ihnen umrissenen Eigenschaften für alle die Umhänge gälten, die Sie uns gezeigt haben?" Wollte Catherine wissen.

"Der Selbstreinigungseffekt ist allen gemeinsam. Aber bei einigen Umhängen sind zusätzlich noch magische Einstecktaschen mit hoher Zuladungskapazität eingearbeitet, oder sie verfügen über die Fähigkeit, ihren Träger über Wasser zu halten oder bei einem Sturz von einem Besen sachte auf den Boden zu bringen. Angelique Liberté hat mehrere solcher Umhänge."

"Die war in der Hexenwoche von vor einem Vierteljahr. Sah aber irgendwie seltsam aus, mit dem rosa Kleid und der roten Mütze", bemerkte Julius dazu.

"Rosa ist ihre kreativste Farbe. Aber zurück zu Ihnen, Madame und Monsieur:

Wünschen Sie eine weitere Vorführung aus unserem Warenangebot, oder haben Sie sich entschieden?"

"Catherine, du hast noch eine Chance dir das zu überlegen. Meinetwegen mußt du nicht soviel Geld für mich ausgeben."

"Der Umhang, den du da anhast, der paßt dir doch und ist schön fließend, oder?"

"Ja, aber .."

"Dann ist die Sache klar. Du kriegst den von mir zum Geburtstag, oder zumindest als Anerkennung deiner guten Fortschritte in Hogwarts. Einverstanden?" Wandte sich Catherine Brickston an den jungen Hogwarts-Schüler. Dieser überlegte kurz, dann sagte er:

"Catherine, wenn ich den nicht brauche, und ich ihn in den nächsten Jahren auch nicht brauche, ist das doch zuviel Geld, wenn er mir nicht mehr passen sollte, wenn ich ihn brauche. Die Schule hat bestimmt nicht erwartet, daß die Schüler übermäßig anspruchsvolle Festkleidung anziehen."

"Sie können den Umhang solange tragen, bis Sie sechs Größen weitergewachsen sind. Je nach Ihrem Wachstum können Sie zwischen zwei und fünf Jahre diesen Umhang tragen. Seine Fasern passen sich in gewissen Grenzen dem Wachstumsfortschritt des Trägers an, ohne Sitz und Geschmeidigkeit zu verlieren", wandte die Verkaufshexe ein. Julius sah Catherines entschlossenen Blick, der verhieß, daß sie ihm den Umhang kaufen wollte, wenn er sagte, daß er paßte. Außerdem vermutete der Hogwarts-Schüler, daß sie mehr über den Verwendungszweck wußte als sie angedeutet hatte. Er nickte schließlich zustimmend und sagte:

" "Danke, Catherine. Zumindest hatte ich das Gefühl, was für mich passendes auszusuchen und nicht nur danach zu gehen, was anderen an mir gefällt."

"Ist schon in Ordnung. Wenn jemand ein gewisses Alter erreicht hat, sollte man ihm schon eine gewisse mitbestimmung zuerkennen, was die Kleidung angeht. - Bitte packen Sie uns den Umhang knitterfrei ein, Mademoiselle!" Wandte sich Catherine bei ihren letzten Worten an die junge Verkaufshexe. Diese nickte und half Julius aus dem Umhang. Sie legte das Kleidungsstück säuberlich zusammen, so daß keine Falte oder Knitterung entstand und trug es zur Kasse. Dort zahlte Catherine die geforderten fünf Galleonen und vierzehn Sickel, ohne auch nur einmal darüber nachzugrübeln, ob sie das richtige getan hatte. Dann verschwand der Umhang in einer geräumigen Jutetasche.

"Das darf ich weder Joe, noch meinen Eltern erzählen, daß mir jemand mal soeben einen Festumhang für fast sechs Galleonen gekauft hat", sagte Julius zu Catherine, als sie wieder auf der Rue de Camouflage entlanggingen.

"Deine Eltern haben uns drei, Joe, Babette und mir, vor vier Jahren mit in den Urlaub genommen, ohne zu fragen, was wir dafür bezahlen wollten. Joe und ich haben versucht, deinem Vater einen gewissen Betrag zurückzugeben, zumal die Kleine manchen Unsinn angestellt hat, wie du wohl noch weißt. Aber er wollte es nicht haben. Jetzt habe ich meine Schuld beglichen, auch wenn er es erst recht nicht gewollt hätte, seinem Sohn zaubererweltliche Anstandskleidung zu geben. Und es braucht auch keiner zu wissen, daß der Umhang nur fünf Galleonen gekostet hat. Wenn da ein Markenzeichen einer führenden Modefirma eingeprägt worden wäre, hätte man es auch für den sechsfachen Betrag verkaufen können."

"Das gibt es bei euch auch? Ich dachte, diesen Unsinn machten nur die Muggel", wunderte sich Julius.

"Ein wenig Unfug hat auch bei uns Einzug gehalten, Julius. Markenprotzerei ist keineswegs eine Erfindung der Nichtmagier allein. In Beauxbatons laufen genug Junghexen und -zauberer herum, die sich was auf ihre Familien einbilden. Wenn wir nicht wie alle führenden Zaubererschulen Schuluniformen eingeführt hätten, wäre bei uns niemand in der Lage, an etwas anderes zu denken, als daran, wie er dem Konkurrenten kleidungsmäßig das Wasser reichen könnte. Das hat schon was für sich, daß wir in der Zaubererwelt von diesem Markenunsinn mehr Abstand bewahrt haben."

"Ja, und Macht ist ja nicht immer eine Frage des guten Anzugs. Wenn jemand mit maßgeschneiderten Klamotten rumläuft, heißt das nicht unbedingt, daß er die Sachen selbst bezahlt hat, oder daß sie ihm immer gehören", warf Julius ein, der sich genau vorstellen konnte, was Catherine meinte. Vielleicht hatte sie ihm auch deswegen geraten, seine normale Straßenkleidung zu tragen, um nicht wie ein Handelsvertreter herumzulaufen.

In der Apotheke versorgte sich Catherine noch mit den Standardmedikamenten, die in kunstvoll gearbeiteten Flaschen verkauft wurden. Julius fragte den Apothekenzauberer noch:

"Haben Sie auch Sonnenkrauttinktur?"

"Zur Zeit nicht. Nur in Millemerveilles kriegt man das. Da wird es auch eher benötigt", antwortete der Zauberer und strich das Geld ein, daß Catherine bezahlen mußte.

"Du willst doch wohl nicht behaupten, daß bei euch oben eine ernste Sonnenbrandgefahr besteht, Julius."

"Das nicht. Aber mich hätte schon interessiert, wieviel so ein Fläschchen gekostet hätte."

"Ungefähr zehn Sickel pro Pfund. Ich habe das Kraut selbst schonmal gekauft, weil es auch als Bestandteil anderer Zaubertränke genommen werden kann."

"Du machst Zaubertränke? Doch nicht, wenn Joe dabei ist", wunderte sich Julius.

"Natürlich nicht. Ich traue nur den Muggelärzten nicht über den Weg. Gegen alles ist ein Kraut gewachsen. Wenn ein Muggelarzt was verschreibt, lese ich, wie es wirken soll und stelle den entsprechenden Trank her. Joe darf die Muggelmedizin schlucken."

Die lezte Station war die Leihbücherei, die in einem roten Backsteinhaus untergebracht war und mindestens das zehnfache an Büchern enthielt, daß die Schulbücherei von Hogwarts aufzubieten vermochte. Hexen und Zauberer in regengrauen Umhängen wuselten herum und fischten nach gewünschten Büchern. Julius sah sogar eine Posteule, die ein in einen Lederbeutel eingedrehtes Buch forttrug. Catherine war hier gut bekannt, und so kam es, daß keine Minute nach ihrem Eintritt zwei Hexen in ihrem Alter herangeglitten kamen und sich kurz verneigten. Catherine erläuterte kurz und schnell sprechend das Anliegen, daß ihr Gast aus England seine Schulbücher nicht mitnehmen konnte, um nicht aufzufallen. Eine Hexe lachte nur und sagte:

"Diese Muggeleltern sollten sich nicht so anstellen. Aber wir haben die Bücher alle da. Welches Schuljahr hast du beendet, Junge?"

"Das erste. Ich brauche nur ...", setzte Julius an. Doch die beiden Hexen disapparierten unvermittelt. Keine Minute später tauchten sie mit einem Schwung von Büchern wieder auf. Catherine lachte und sagte:

"Die haben dir alles geholt, was ihr wohl lesen mußtet."

"Danke!" brachte Julius nur heraus, als er nachzählte und feststellte, daß tatsächlich alle Bücher, die auf seiner ersten Liste für Hogwarts gestanden hatten, herbeigeholt worden waren. Catherine bekam eine Liste mit den entliehenen Büchern vorgelegt und unterzeichnete sie mit schwungvoller Hand. Dann bekam Julius eine unauffällige Tragetasche, in die alle Bücher hineinpaßten. Als Julius die Tasche zumachte, sah sie so aus wie eine gewöhnliche Aktentasche, ohne jede Ausbeulung. Julius hatte sich im ersten Jahr Hogwarts das Wundern abgewöhnt. Und eine Tragetasche, die schier unendlich viel Fassungsvermögen zu haben schien, ohne daß sie besonders prall aussah, kannte er schon von Aurora Dawn.

Zum Schluß besuchten sie noch einen Laden für magische Reiseartikel. Julius staunte über die dünnen Leinenschlafsäcke, die so bezaubert waren, daß man darin immer eine angenehme Temperatur aufrechterhielt, ob im ttropischen Hochsommer oder im polaren Winter, wie es ein Verkaufszauberer bei Julius' staunendem Blick ohne gefragt zu werden verkündete. Julius begutachtete mit der Sachkenntnis eines erfahrenen Campers die kleinen und großen Zelte, Rucksäcke in verschiedenen Farben und Größen, sowie selbstzündende Zunder, die einfach nur auf aufgeschichtetes Holz oder Stroh geworfen werden mußten. Catherine suchte sich ein rot-weiß-blaues Kuppelzelt mit der dazugehörigen französischen Landesflagge aus, daß hübsch zusammengepackt in einem Regal angeboten wurde. Catherine fragte den Verkäufer etwas, was Julius wegen der Schnelle ihrer Aussprache nicht ganz verstand. Der Verkaufszauberer zupfte am Kragen seines senffarbenen Umhangs und erwiderte:

"Madame, dieses Komfortzelt beinhaltet ausgepackt und fachgerecht aufgebaut ein Elternschlafzimmer, ein Kinderzimmer, eine Wohnküche mit Kochstelle und ein Badezimmer mit selbstheizendem Duschwasserkessel. Für zwanzig Galleonen ist dies eine ideale Anschaffung für reisefreudige Familien. Bauen Sie das Zelt zunächst in Ihrem Garten auf! Richten Sie es dann mit den zusätzlichen Möbeln Ihrer Wahl ein und falten Sie es dann wieder zusammen!"

Julius starrte den Verkäufer an und gab ein irritiertes "Häh?" von sich. Catherine sprang sofort ein und erklärte dem nun verdutzt dreinschauenden Verkäufer:

"Er kommt aus einer Stadtfamilie, die nicht viel vom Campen hält."

"Achso", gab sich der Verkaufszauberer mit der Antwort zufrieden und handelte mit Catherine. Sie schaffte es, den Kaufpreis für das Zelt auf fünfzehn Galleonen zu senken, da sie noch einen großen Rucksack und selbstreinigendes Kochgeschirr erstand. Der Verkäufer fragte bei seinem Chef nach, ob der Handel klarginge, was vom Chef erlaubt wurde. Danach gingen Catherine und Julius wieder aus dem Laden.

"Der hätte dich fast für einen Muggel gehalten, weil du das mit unseren Zelten nicht kennst. Woher auch? Du wirst noch lernen, daß in unserer Welt Dinge von außen kleiner wirken können als sie von innen her sind. Ich zeige dir das nachher", sagte Catherine.

Durch das Foyer des Museums ging es eine ausgetretene Steintreppe hinunter zu einer rostigen Eisentür. Catherine tippte mit ihrem Zauberstab an das obere Schanier, worauf die Tür geräuschlos nach außen schwang und ihnen den Weg in einen unbeleuchteten Tunnel freigab.

"Von hier aus müssen wir bis zur nächsten betriebsbereiten Metrostation. Von da aus können wir bis kurz vor unsere Straße mit der U-Bahn fahren", sagte Catherine und holte aus ihrer Jackentasche eine gewöhnliche Taschenlampe.

"Fällt weniger auf als wenn ich kurz vor der erleuchteten Station den Zauberstab wegstecken müßte, sagte sie. Julius folgte die Metro-Schienen entlang, die spröde und rostzerfressen wirkten. Als sie um die dritte Kurve nach der Eisentür bogen, sah der Hogwarts-Schüler kaltes flackerndes Neonlicht wie einen fernen Stern vor sich aufleuchten. Sie hatten die Muggelwelt fast wieder erreicht.

Ohne Schwierigkeiten mengten sich die Beiden in den Strom ankommender Fahrgäste und wechselten auf einen Bahnsteig, von dem aus es in einem überfüllten Metrowagen durch kalte neonbeleuchtete Betonröhren ging, bis sie an einer Station ankamen, von der aus es nicht mehr weit zu Catherines und Joes Haus war.

Joe und Babette waren noch nicht wieder zurückgekehrt. So konnte Julius die Tasche mit den geliehenen Büchern gut verstauen. Dann Las er noch die Liste der Bücher, die er für das zweite Schuljahr besorgen sollte und kramte den Brief in seinen Koffer, so tief, daß ihn dort niemand sehen konnte.

Anschließend zeigte ihm Catherine, was es mit dem verzauberten Zelt auf sich hatte. Julius staunte, als er es mit Catherine aufgebaut hatte und den ersten Blick hineinwarf.

Was von außen keine zwei Meter durchmaß, war innen eine geräumige Wohnung mit einer Diele, von der aus es in die Schlafzimmer, die Wohnküche und das Badezimmer ging. Julius bekam Stielaugen, als er die wie aus Marmor gehauenen Badezimmerbestandteile sah, den großen Waschtisch, die Toilette und die kleine Duschwanne, die mit einem farnkrautgrünen Vorhang zugehangen werden konnte. Er staunte, daß in diesem Badezimmer der Schall genauso widerhallte, wie in einem gewöhnlichen Muggelbadezimmer ohne Vorlagen oder Handtücher.

Catherine trug aus dem Haus alles in das aufgebaute Zelt, was sie mitnehmen wollte. Dann falteten sie und Julius es zusammen, ohne das Ausbeulungen verraten hätten, daß nun mehrere Teppiche, Handtücher, Messer, Gabeln, Teller und Tassen, Bettbezüge und ein paar sich bewegende Wandbilder verstaut worden waren. Julius hob das ordentlich wieder zusammengefaltete Zelt auf und empfand keinen Unterschied zwischen vorher und jetzt.

"Zwanzig Galleonen sind aber ein stolzer Preis", bemerkte Julius.

"Die Quidditch-Weltmeisterschaft treibt die Preise hoch. Manche Händler verdienen sich auch hier dumm und dämlich. In England selbst würde ein Zauberer so ein Zelt nicht unter vierzig Galleonen kriegen. Zumindest jetzt nicht", antwortete Catherine und räumte die gekauften Reiseartikel fort.

"Maman, ich bin wieder da!" Rief Babette laut von unten her. Julius hörte, wie Catherine die siebenjährige Nervensäge mit den schwarzen Zöpfen begrüßte und sich mit Joe unterhielt. Julius öffnete die Tür und ging nach unten, um Joe und Babette zu begrüßen.

"Und, hast du dich gelangweilt?" Fragte Joe den Jungen.

"Neh. Wir haben uns Kleiderläden angeguckt, ein Sportgeschäft besucht und für mich ein paar englische Bücher beschafft, damit ich hier was zum lesen habe", sagte Julius.

"Was denn für Bücher?" Wollte Joe wissen. Julius erfand ein paar Titel, die ihm glaubwürdig erschienen. Darunter auch einige Bücher aus der Scorpio-Taurus-Reihe, aus der er zu Ostern eins gelesen hatte.

 

"Du liest immer noch diesen Comic-Krempel?" Fragte Joe etwas verächtlich klingend. Julius nickte und sagte:

"Das ist kein Krempel. Immerhin regen sie die Phantasie an und machen neugierig auf technische Geräte."

"Stimmt, ist allemal besser als irgendwelcher Fantasy-Kram."

"Das habe ich nicht gesagt. Ich lese auch gerne Sagen und Geschichten über Krieger, Hexen und Werwölfe", wandte Julius ein.

"Du glaubst doch nicht etwa an Hexen und Werwölfe?" Fragte Joe. Julius überlegte, welche Antwort die unverbindlichste sei und sagte:

"Ich muß doch nicht daran glauben, um Geschichten darüber zu lesen. Aber es ist schon interessant, welche Vorstellungen sich die Erfinder von Geschichten machen. Da gibt es die klassische Hexe auf dem Besen, den Typischen Zauberer mit langem Bart, Umhang und Spitzhut, oder die moderne Hexe in einer technischen Welt, die teleportieren kann und mit anderen in Gedanken sprechen kann. Sehr vielseitig."

"Was ist denn telepotieren?" Wollte Babette wissen, die neugierig zugehört hatte.

"Das ist, wenn du dich woanders hinwünschst und plopp von einem Augenblick zum anderen von einem Ort verschwindest und da auftauchst, wo du dich hingewünscht hast. Dann kann man das natürlich auch machen wie im Raumschiff Enterprise, wo Leute mit einem Strahl in ihre winzigsten Teile zerlegt und weggeholt werden, um von einer Maschine an einem vorbestimmten Ort wieder zusammengesetzt zu werden", erklärte Julius. Joe schüttelte nur den Kopf und sagte:

"Schwachsinn. Es mag vielleicht möglich sein, daß unser Geist noch einiges interessante bereithält, doch solche Tricks wirds wohl nicht geben, zumindest nicht bei normalen Leuten."

"Es sei denn, es sind Mutanten, Außerirdische oder eben Zauberer", warf Julius gehässig ein. Babette kicherte belustigt, weil ihr Vater sich kurz schüttelte. Catherine rief aus der Küche:

"Laß den Kindern doch ihre Vorstellungskraft, Joe. Du weißt doch selbst, wie schwer es fällt, andere Begebenheiten hinzunehmen, wenn man sich einmal festgelegt hat."

"Ist ja gut, Catherine. Ich bin nun einmal ein Faktenmensch."

"Soso", kam es vielsagend aus der Küche. Catherine werkelte mit Geschirr herum und hantierte wohl mit Töpfen, weil es klapperte und schepperte.

"War eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter?" Wollte Joe wissen.

"Nein!" Antwortete Catherine durch die offene Küchentür.

"Dann will auch keiner was von mir. Ich muß nämlich noch arbeiten. Morgen muß ich dieses Programm fertig haben, von dem ich dir erzählt habe", sagte Joe. Julius griff das Stichwort auf und fragte, ob er den neuen Computer seines Gastgebers mal in Aktion ausprobieren könne, was diesen von unangenehmen Gedanken abbrachte.

Nach dem Abendessen führte Joe voller Stolz die beiden Computer vor, die er besaß. Auf einem konnte er Programme testen, während er auf dem anderen Textverarbeitung und elektronische Post bearbeiten konnte. Julius ließ sich zeigen, wie er an sein elektronisches Postfach kommen konnte und fand dort eine E-Mail von Moira vor. Sie schrieb:

 

Hallo, Julius!

Ich hege die Hoffnung, daß du diese Nachricht von mir noch zu lesen vermagst, bevor das nächste Schuljahr beginnt. Deine Eltern berichteten uns, daß sie dich zu Bekannten in die Sommerferien geschickt haben.

Mein Vater steht kurz davor, das von mir bei unserer letzten Begegnung erwähnte Druidengrab zu eröffnen. Er ist bereits vollkommen darauf fixiert, was dort alles zu finden sein wird und diskutiert nur noch dieses Thema mit uns, wenn wir abends bei Tisch sitzen und essen. Mir will nicht in den Sinn, weshalb er sich derartig mit einer rein mythischen Kultstätte auseinandersetzt. Der wissenschaftliche Wert eines solchen Grabes kann doch, finde ich, nur darin zu suchen sein, daß bestimmt werden kann, zu welchem frühgeschichtlichen Zeitpunkt es angelegt wurde und mit welchen religiösen oder alltäglichen Beigaben es versehen wurde. Aber mein Vater ergeht sich förmlich in wilder Schwärmerei, ob da nicht als magisch zu bezeichnende Artefakte vorhanden sein könnten, womöglich sogar solche, die im Verruf stehen, mit einem Fluch beladen zu sein. Ich hielt meinen Vater eigentlich immer für auf Tatsachen ausgerichtet. Doch im Moment stehe ich vor der Situation, dieses Bild von ihm korrigieren zu müssen.

mit freundlichen Grüßen

 

Moira Stuard

 

Julius schrieb als Antwort, ob sie denn wisse, wie der Druide geheißen haben soll, dessen Grab ihr Vater gerade untersuchte. Er ahmte dabei Moiras gestelzte Schreibweise nach und hoffte, daß ihr mal klarwerden würde, daß sie nicht mehr ganz normal schrieb für ihr Alter. Dann schickte er die Nachricht los und sah Joe zu, wie er sein Programm fertigstellte.

In der Nacht, alles im Haus lag schon seit Stunden im Bett, klopfte etwas an Julius' Fenster. Er schnellte im Halbschlaf hoch und öffnete das Fenster, um Trixie, den weiblichen Steinkauz von Gloria Porter hereinzulassen. Julius fischte schnell nach einem Bleistift und einem Stück Papier und schrieb:

Hallo, Gloria!

Ich kann dir im Moment nicht auf dem üblichen Weg schreiben, da meine Eltern der Meinung waren, mich wie ein Osterei vor der Zaubererwelt verstecken zu müssen. Sie haben mir sogar gesagt, ich bräuchte meine Hausaufgaben nicht mitzunehmen. Das ist vor allem um die Aufgabe von Professor McGonagall schade. Aber vielleicht findet sich doch noch eine Möglichkeit, nicht ganz dumm dazustehen.

Au revoir!

 

Julius faltete den Zettel so klein, daß er locker in Trixies Schnabel paßte, ohne zu weit überzustehen. Dann ließ er die Eule zum Fenster hinaus.

 

 

Die nächsten Tage verliefen für Julius wie für einen gewöhnlichen Paris-Touristen. Er bestieg den Eiffelturm, besuchte die großen Boulevards und Parks der Stadt und besuchte das Grab von Kaiser Napoleon. Julius sagte dabei:

"so ein kleiner Gnom hat die halbe europäische Welt aufgemischt. Das muß man sich mal wegtun." Eine französische Stadtbesucherin, die offenbar Englisch verstand, warf Julius einen mißbilligenden Blick zu, was diesen rot anlaufen ließ.

Julius Eltern riefen zwischenzeitlich an und erkundigten sich, wie es ihm ging. Julius erzählte alles, was er mit Catherine, Babette und Joe erlebte, verschwieg jedoch, daß er bereits Post von Hogwarts bekommen hatte.

Am zwölften Juli traf Post für die Brickstons ein, und Joe holte den Umschlag aus dem Briefkasten. Julius, der mit Babette den ihr geschenkten Zauberwürfel zu ordnen versuchte, hörte nur, daß Joe seiner Frau sagte, es sei ein Brief aus England. Der Gast der Brickstons vermutete, daß Bekannte von Joe geschrieben hatten, vielleicht dessen Verwandte. Das brachte ihn darauf, die Kleine auszuhorchen, wie es ihr denn bei ihren englischen Großeltern gefallen hatte. Babette grinste gemein und sagte:

"Oma und Opa Brickston sind zwar sehr nett, aber auch leicht reinzulegen. Ich hatte viel Spaß mit denen. Aber das ist ein Geheimnis", flüsterte sie nur. Julius wollte nicht auffallen und fragte lieber:

"Aber deine Grandmère ist nicht so dumm?"

"Neh. Die ist sehr klug. Aber sie kann leicht böse werden, wenn jemand nicht tut, was sie will. Papa hat immer Krach mit ihr, weil sie ihm immer sagt, was er tun soll. Und wenn er nicht will, dann macht sie, daß er Angst vor ihr kriegt."

"Ich fand deine Oma eigentlich ganz in Ordnung. Aber so richtig konnte ich sie ja nicht kennenlernen, weil ich ja eure Sprache nicht richtig kann, weißt du?" Entgegnete Julius.

"Sie hat mir gesagt, daß du schlauer bist als du zugeben willst. Stimmt das?"

"Was soll ich denn da zu sagen? Wenn ich nein sage, hieße das ja und wenn ich ja sage, würde ich ja sagen, daß ich anderen was vorspiele."

"Häh?!" Versetzte Babette.

"Achso, das ist noch zu hoch für dich", tat Julius seine Antwort als zu schwer ab und grinste. Babette sah ihn durchdringend an. Julius vermeinte, den ersten Ansatz des strengen Blicks wiederzuerkennen, mit dem ihm Madame Faucon in den Osterferien zu verstehen gegeben hatte, ihr in die Küche zu folgen, wo sie sich ihm offenbart hatte, was ihre Natur und ihre Sprachkenntnisse anging. Julius widerstand dem vorwurfsvollen Blick und sagte:

"Stimmt doch. Du ..." Weiter kam er nicht. Denn in diesem Moment ertönte ein verwunderter, auf Französisch geäußerter Ausruf Catherines.

"Wie kommt er denn darauf?! Kann ich mir nicht vorstellen!"

"Er wollte es uns nicht sagen. Und Martha hat es nicht mitbekommen, weil ...", antwortete Joe ebenfalls auf Französisch, wurde jedoch wieder von seiner Frau unterbrochen:

"Sagt er, Joe. Das ist ziemlich starker Toback. Ich glaube das nicht."

"Glaub doch was du willst! Wir sind doch für deine Mutter und dich und euresgleichen nur blöde Muggel."

"Komm mir bitte nicht so, Joe!" Empörte sich Catherine über Joes Unterstellung. Julius setzte ein verwundertes Gesicht auf, während Babette hinterhältig grinste. Dann hörten sie, wie Catherine Brickston weitersprach:

"Es kann sein, daß dir jemand Angst machen will. Aber ich denke nicht, ..."

"Nicht so laut, Catherine. Die Kinder", zischte Joe, dem die plötzliche Stille im Haus aufgefallen war.

"Wie du meinst, mein Lieber. Aber ich denke, ihr beiden verrennt euch da in etwas."

"Die reden von deinen Eltern", kicherte Babette. Julius meinte:

"Marthas gibt es viele. Aber was bitte sind Muggel?"

"Na du, Papa und deine Eltern und meine Oma und mein Opa in England und noch viele mehr", tönte Babette belustigt. Julius tat so, als wäre er darüber wütend und schnaubte:

"Nur weil wir eure merkwürdige Sprache nicht können. Gut, dann bin ich eben ein Muggel!"

"Heh, was habt ihr da oben für Probleme?" Fragte Catherine auf Englisch. Julius hörte Schritte die Treppe heraufkommen. Er fürchtete, zu weit gegangen zu sein, hielt dies aber vor Babette geheim, indem er sich zur Tür umwandte und der Sechsjährigen den Rücken zudrehte.

Catherine trat in den Raum und sah erst ihre Tochter, dann Julius an.

"Babette hat mich einen Muggel genannt. Wenn das die Bezeichnung für echt zivilisierte Leute ist, die nicht Frösche und Schnecken essen, dann nehme ich diese Bezeichnung gerne hin", preschte Julius vor.

"Babette, stimmt das?"

"Sicher. Er ist doch ein Muggel. Der weiß doch nicht, was das heißt", plärrte Babette, wurde jedoch kleinlaut, als ihre Mutter sie tadelnd ansah. Joe kam die Treppe hoch und sah herein.

"Worum ging der Streit?" Fragte der Studienfreund von Julius' Mutter.

"Nichts. Ich habe nur ein paar Wörter gehört, die sehr wütend klangen. Darunter war "Muggel". Ich fragte Babette, was das sein soll, und sie sagte, daß du das wärest, deine Eltern, meine Eltern und ich", erwiderte Julius kalt.

"Babette redet manchmal einen Quatsch daher", knurrte Joe. "Gib da nichts drauf."

"Das war ungezogen Babette. In zwei Tagen wollen wir zur Weltmeisterschaft fahren. Böse Mädchen kann ich da nicht mit hinnehmen", sagte Catherine auf Französisch zu ihrer Tochter. Julius sah, wie Babette zusammensank und ihr Gesicht in den Händen vergrub.

"Nein, du willst sie mir doch nicht alleine hierlassen, Catherine", seufzte Joe und sah flehend seine Frau an.

"Vielleicht nehme ich Julius dafür mit."

"Das darfst du nicht, hast du gesagt. Sonst hätte ich ja diesem Unsinn auch beiwohnen können", wandte Joe ein.

"Weil du denkst, daß es Unsinn ist. Aber lassen wir das!" Erwiderte Catherine. Dann sprach sie Julius auf Englisch an:

"Also, junger Mann! Ich würde mich nicht über Babettes Auslassung aufregen. Du bist fünf Jahre älter als sie. Mach dir nichts aus dem Geschwätz eines kleinen Mädchens!"

"Ich bin nicht klein! Ich geh' bald zur Schule!" Protestierte Babette lauthals auf Englisch.

"Dann hör auf, so einen Unsinn zu reden!" Verlangte ihre Mutter. Joe sah Julius an und sagte:

"Die beiden regen sich auf, weil sie in zwei Tagen wegfahren. Kümmer dich nicht drum!"

"Ich habe den Namen Martha rausgehört. Hat meine Mum was geschrieben?" Versuchte Julius, eine Frage zu klären, die er sich im Moment am meisten stellte.

"Martha? - Nein, nicht Martha. Das muß ein Verhörer gewesen sein", sagte Joe.

Babette sagte darauf nichts. Der immer noch drohende Blick, mit dem ihre Mutter sie in Schach hielt, zwang sie zum schweigen.

"Achso!" Erwiderte Julius. "Dann habe ich mich halt verhört."

Joe nahm diese Antwort dankbar zur Kenntnis und verließ mit Catherine das Spielzimmer.

Den restlichen Tag verbrachte Joe mit Julius zusammen vor dem Computer, während Catherine und Babette ihre Sachen zusammenlegten.

Als der Tag anbrach, an dem Catherine und Babette abreisen wollten, hörte Julius noch, wie sie Joe fragte:

"Und du willst tun, was er dir geschrieben hat, ohne zu prüfen, was los ist?"

"Wie soll ich das. Sie sind weggefahren, eben um nicht erreicht zu werden, wenn die ihnen draufkommen."

"Soll ich nicht Julius mitnehmen? Ich bekäme sicher noch einen Platz für ihn."

"Du bist mir eine. Erst sagst du, da dürfen nur Euresgleichen hin. Und dann willst du Julius mitnehmen. Der gehört doch nicht zu euch. Dafür ist der Junge viel zu normal. Außerdem stand da klar und deutlich, daß er nicht nach England darf, bis ich eine Nachricht kriege."

"Wie du meinst, Joe. Es war nur ein Angebot, um die Sache noch ohne großes Trara zu klären."

"Du kennst unsere chaotische Welt nicht. Ich weiß nichts von dem, was bei deinen Bekannten und Verwandten los ist. Insofern vertrau mir bitte."

"Wie du meinst, Joe", hörte Julius Catherine sagen, bevor sie nach ihrer Tochter rief.

Babette hüpfte leichtfüßig die Treppe hinunter. Ihre Mutter holte die zwei großen Reisetaschen aus der Diele und rief nach Julius. Der Junge verließ das Wohnzimmer und trat vor Catherine hin.

"Ich wünsche dir noch eine angenehme Zeit hier in Frankreich, Julius. Womöglich sehen wir uns erst einmal nicht mehr. Schade, daß du nicht mitkommen kannst. Doch dir wird bestimmt nicht langweilig werden."

Sie umarmte Julius flüchtig und drückte ihm einen Kuß auf die rechte Wange. Dann winkte sie Babette, die sich mit einem lauten Abschiedsgruß hinter ihrer Mutter her aus dem Haus stürzte.

"Eine bezaubernde Zeit wünsche ich euch!" Rief Julius beschwingt. Joe fuhr erschrocken zusammen, während sich die Haustür schloßß.

"Frechdachs!" Tadelte Joe den Gast aus England.

"Wieso, ich war doch ganz höflich", widersprach Julius. Joe machte ein Gesicht, als wisse er nicht, was er darauf antworten sollte. Offenbar fand er nichts brauchbares und schwieg deshalb.

"Heute ist Feiertag in Frankreich. Ich habe mir diesen Militärzirkus schon zweimal angesehen. Aber wenn du möchtest, Julius, gehe ich gerne mit dir noch einmal hin", sagte Joe. Dann fügte er noch hinzu:

"Zu Essen habe ich schon gekauft. Da ich nicht so außergewöhnlich kochen kann wie Catherine, hoffe ich, daß du nicht allzu enttäuscht bist. Aber verhungern werden wir nicht."

"Ich würde mir die Truppenparade gerne ansehen", sagte Julius. Joe nickte. Dann fragte er den Jungen, ob er auch mit seinen Bekannten aus den Nebenhäusern mitgehen könne, weil die ja auch immer die Truppenparade sehen würden. Julius nickte nach kurzem Nachdenken.

Joe rief seine Nachbarn an und kehrte mit einem Lächeln zurück.

"Therese und Albert nehmen dich bis heute Nachmittag mit. Albert spricht gut Englisch."

"Ist gut, Joe. Danke."

"Ich muß hier noch was erledigen. Das kann ich nun in Ruhe tun", erklärte Joe noch.

Julius wurde wenige Minuten später in einem seegrünen geräumigen Renauld abgeholt.

Es war ein wunderbarer sonniger Tag, als Julius mit Millionen pariser Bürgern und Touristen die imposante Truppenparade zur Feier der französischen Revolution bestaunte. Panzer, Wagen und Flugzeuge paradierten über die breiten Boullevards. Julius vergaß für eine halbe Stunde, daß er ein Zauberer war und staunte über die imponierende Ansammlung von Kriegsmaschinen. Therese und Albert, die Nachbarn von Joe Brickston, unterhielten sich mit ihm über England und Frankreich, wobei sie - natürlich - die ansicht vertraten, daß Frankreich eine höhere Kultur und Weltgröße erreicht habe. Julius verneinte dies nicht direkt, räumte jedoch ein, daß England durch seine Seefahrt die ganze Welt erst richtig erkundet und besiedelt hätte.

Am Nachmittag kehrten Therese und Albert mit Julius zum Haus der Brickstons zurück.

Schon von draußen hörte Julius ganz deutlich die hellen Schläge eines Hammers auf Stein. Julius klingelte und wartete, bis Joe ihn einließ.

"Was baust denn du hier um?" Fragte Julius direkt heraus, während er den Rucksack in die Küche bugsierte.

"Ich führe nur eine überfällige Arbeit aus, Julius. Wir haben im Partyraum einen offenen Kamin. Den habe ich gerade zugemauert, mit drei Schichten. Wir brauchen den nicht, und durch den zog es immer, wenn es Winter wurde", antwortete Joe Brickston mit verschmitztem Lächeln, das zu so einer harten Arbeit gar nicht passen mochte.

"Dann hast du Babette erklärt, daß es keinen Weihnachtsmann gibt? Oder wieso baust du seinen üblichen Zuweg zu?"

"Babette glaubt zwar noch an den Weihnachtsmann, aber nicht an den amerikanischen, der durch den Kamin kommt. Deshalb konnte ich das Ding zumachen. Jetzt hatte ich endlich den Freiraum dafür."

"Wieso? Ist dir die Kleine immer auf den Füßen herumgetrampelt?" Stichelte Julius.

"So ähnlich. Entweder hatte Babette was. Dann war da Catherine und ihre Verwandtschaft. Schließlich hielt mein Chef mich noch auf Trab. Als Nichtfranzose bist du hier zu doppelter Leistung verpflichtet, um die gleiche Anerkennung zu kriegen."

"Sagt das dein Chef, oder Madame Faucon?" Bohrte Julius keck nach.

"Beide. Beide sagen das. Nur daß meine werte Frau Schwiegermutter eine etwas gefühlsbetontere Art an sich hat, mir zu sagen, was sie von meiner Leistungsfähigkeit hält."

"Ich bewundere dich. Echt. Du lebst in einem fremden Land, bei einer Familie, die dich womöglich nicht für voll nimmt und mußt noch doppelt ranklotzen, um die gleiche Anerkennung zu kriegen. Ich glaube, ich könnte das nicht", sagte Julius.

"Ich bewundere deine Direktheit, Julius. Erwachsene hätten sich da schön geschlossen gehalten, um mich nicht mit Sachen wie: "Das hast du dir ja ausgesucht" oder "Hättest du es besser bleiben lassen" und dergleichen zu traktieren."

"Davon habe ich keine Ahnung. Ich bin noch jung und unschuldig, was schlechte Dinge angeht", seufzte Julius.

"Ist auch gut so", erwiderte Joe.

"Catherine hat gesagt, daß sie mit der Kleinen eine Weltmeisterschaft besuchen will. Ich dachte, die Fußball-Weltmeisterschaft ist so gut wie vorbei. Außerdem findet die in Amerika statt."

"Das ist eine exotische Sportart, zu der nur die wirklichen Bewunderer hingehen. Die haben dieses Jahr ihre Weltmeisterschaft in England. Die Leute wollen da unter sich sein. Catherine ist da schon seit ihrer Kindheit für und konnte Babette als einzigen Besuch mitnehmen", erklärte Joe, und Julius freute sich innerlich, wie schwer es dem Gastgeber fiel, diese Behauptung auszusprechen.

Der restliche Nachmittag klang damit aus, daß Joe Brickston und Julius Andrews einen langen Waldlauf weit außerhalb der Stadt unternahmen. Julius lief Joe immer wieder davon, so das dieser Mühe hatte, mitzuhalten.

"Meine Güte, was macht ihr bloß für Sport an eurer Schule?" Keuchte Joe, als Julius am Rande einer Lichtung auslief.

"Fußball, Laufen, weitsprung und Geräteturnen", erwiderte Julius.

"Soso", konnte Joe darauf nur erwidern.

Nach der Rückkehr ins Haus der Brickstons nahmen die beiden erstmal eine Dusche und trafen sich dann bei belegten Baguettes in der Küche. Sie unterhielten sich über Fußball, wer wohl die Weltmeisterschaft in Amerika gewinnen würde und welches neue Betriebssystem für Personalcomputer auf dem Markt war. Dann meinte Julius noch:

"Haben meine Eltern eigentlich gesagt, wann ich wieder zurückfliegen soll? Ich habe nämlich Anfragen von meinen Freunden, wie ich meinen Geburtstag feiern will. Und ich denke, daß ich das ihnen schuldig bin, weil sie mich auch zu ihren Geburtstagen eingeladen haben", erkundigte sich Julius ungehemmt.

"Wenn ich das richtig mitbekommen habe, haben deine Eltern beide im Moment zu tun. Ich sollte dich wohl erst Ende Juli nach Hause schicken", sagte Joe, so schnell und sicher, als habe er diese Frage schon lange erwartet. "Wir feiern deinen Geburtstag hier bei uns. Ich mache irgendwas klar, von dem ich weiß, daß es dir gefällt. Langweilen wirst du dich nicht. Deinen Freunden wird schon kein Zacken aus der Krone fallen, wenn sie sich nicht auf deine Kosten amüsieren dürfen."

"So, so einfach tust du das ab, daß ich mir im ersten Schuljahr Freunde gesucht habe und jetzt dumm dastehe, weil ich mit ihnen nicht feiern kann. Die müssen mich doch für bescheuert halten oder für egoistisch. Wie war denn das bei dir? Hast du nie mit deinen Freunden gefeiert?!" Begehrte Julius auf. Er versuchte, die aufsteigende Wut zu unterdrücken. Doch so ganz gelang ihm das nicht. Er schnaubte noch:

"Das sieht meinen Eltern ähnlich, mich vor meinen Kameraden blöd aussehen zu lassen. Bravo! Und ich Depp steige auch noch in ein Flugzeug und lasse mich hier absetzen. Du willst doch wohl nicht behaupten, daß du 'ne tolle Fete organisieren kannst! Ich will nicht undankbar erscheinen. Aber ich finde es gemein, daß ihr Erwachsenen euch einbildet, genau zu wissen, was wir in unserer Freizeit zu tun und zu lassen haben. Nun denn. Ich bin nicht so durchgeknallt, mich über Sachen aufzuregen, die ich längst nicht mehr umbiegen kann. Aber erwarte bitte keine Freudentränen von mir, wenn an meinem Geburtstag deine Überraschung steigt."

"Was kann ich dafür, daß deine Eltern keine Zeit haben, einen Haufen Halbwüchsiger im Garten herumtoben zu lassen", polterte Joe, der nicht wußte, wie er sich anständig aus der Sache herausreden konnte. "Dein Vater hat bei seinem letzten Anruf gesagt, daß es gut ist, daß du hier bei uns bist. Er muß noch was für die Firma erledigen und Martha hat ein Ausbildungsseminar, sagt Richard."

"So, sagt mein Vater", grummelte Julius. "Du hast es eben schon gesagt, daß meine Eltern keine Zeit dafür haben, wenn meine Freunde und ich im Garten herumtoben. Deshalb hätte ich vielleicht woanders gefeiert, wo meine Eltern nicht hinter uns hätten aufräumen müssen. Die beiden haben euch doch erzählt, daß ich nur mit Abkömmlingen hoher Leute zusammen bin. Da hätte es bestimmt Möglichkeiten gegeben."

"Julius, reg dich nicht weiter auf. Ich finde das auch nicht gerade toll, daß dein Vater dich in den Ferien nicht bei sich haben wollte. Catherine und ich hofften, dir eine angenehme Zeit bereiten zu können."

"Nur, daß Catherine sich jetzt in England amüsiert. Ausgerechnet da, wo meine Freunde wohnen, und du mich am Hals hast. Super!"

"Catherine wollte dich ..., aber lassen wir das!"

"Was wollte sie mich? Wollte sie mich etwa mitnehmen. Du sagtest doch, daß wo sie hingeht, sei ein Ding für einen besonderen Club, zu dem nicht einmal du als Ehemann Zutritt hast", preschte Julius vor und konzentrierte sich darauf, sein Gesicht nicht verraten zu lassen, daß er Joe in die Enge zu treiben hoffte.

"Was weiß ich, warum du da mitgehen solltest. Ich habe gesagt, daß sie sich unseretwegen nicht in Schwierigkeiten bringen soll mit ihren Leuten. Nachher bekommt sie noch einen Verweis, weil sie gegen die Regeln verstoßen hat."

"Sehr großzügig."

"Ich durfte deinen Eltern nicht sagen, daß Catherine und Babette nicht die ganze Zeit hier bei uns bleiben können. Aber wir schaukeln das schon", beteuerte Joe. Julius sah dem Vater einer siebenjährigen Junghexe an, daß er zwischen dem Drang, Julius eine runterzuhauen und dem Drang, einfach die Küche zu verlassen schwankte.

"Na gut, Joe. Wie gesagt. Du kannst nichts mehr daran drehen, daß ich hier bin. Aber ich würde gerne mit meinen Eltern telefonieren, um mich doch mal persönlich zu überzeugen, ob das alles sein muß. Ich hatte schöne Tage bei euch bis jetzt. Und ich möchte noch weitere schöne Tage haben. Aber an meinem Geburtstag wollte ich an und für sich zu Hause sein."

"Kann ich verstehen", sagte Joe, wohl eher, weil er glaubte, das sagen zu müssen. Julius überhörte das und ging zum Telefon. Ihm war natürlich klar, was los war. Er sollte bis nach dem 21. Juli fortbleiben. Dann hätte Aurora Dawn ihn abholen wollen. Das er länger hierbleiben sollte, war ihm ja schon klar gewesen. Aber mit welcher Unverfrorenheit seine Eltern seine Freundschaft mit Gloria, Kevin, Pina und den Hollingsworths zerstören wollten, gefiel ihm trotzdem nicht. Er nahm den Hörer von der Gabel und wählte die Nummer seiner Eltern. Doch dort erwischte er nur den Anrufbeantworter und sprach kurz eine belanglose Botschaft auf: "Hallo, Paps, hallo Mum, mir geht es soweit gut. Schade, daß ich euch nicht direkt erreichen kann. Tschüs!"

Dann ging er auf das Zimmer, daß ihm die Brickstons zur Verfügung gestellt hatten.

Julius hatte das Fenster einen Spalt breit offen stehen gelassen. Vor dem Fensterbrett lagen drei Umschläge. Julius' Laune besserte sich merklich auf. Er hockte sich hin und las die drei Briefe vom Boden auf. Dann schob er leise den kleinen Metallriegel in die Schließöse am Türrahmen, so daß die Tür von außen nicht mehr zu öffnen war und setzte sich aufs Bett. Er schaltete das kleine Radio ein, das Catherine ihm ins Zimmer gestellt hatte und suchte sich einen Popmusiksender auf dem UKW-Band. Dann öffnete er den ersten Briefumschlag, der aus rosa Pergament bestand und befreite eine zusammengefaltete Pergamentseite daraus. Er las:

 

Hallo, Julius!

Wir finden es schade, daß du nicht zu den Porters kommen kannst, weil du von deinen Muggeleltern fortgeschickt wurdest. Gloria hat uns geschrieben, daß du bei Bekannten deiner Eltern bist, aber nicht, wo das ist. Wir wollten dir auch nur mitteilen, daß wir versteehen, daß es nicht an dir liegt, wenn du uns an deinem Geburtstag nicht bei dir haben kannst. Aber Unser Geschenk schicken wir dir trotzdem. Gloria wird Ihre Eltern dazu überreden, Cook als Posteule zu nehmen, weil er groß genug ist, es zu tragen.

Gestern haben wir erfahren, daß wir leider nicht zur Quidditch-Weltmeisterschaft können, weil unsere Eltern beide auf eine Auslandsreise gehen müssen. Wir sind derweil bei einer Tante von uns untergebracht, die in Leeds wohnt. Aber unsere Eltern wollten dir noch was gutes tun, weil du uns bei Snape und Sinistra aus dem Groben herausgehalten hast. Mach dich also auf was gefaßt!

Wir sehen uns spätestens im Zug!

Betty Hollingsworth Jenna Hollingsworth

 

Julius freute sich. Nicht, daß die beiden Hufflepuffs ebensowenig zur Quidditch-Weltmeisterschaft konnten wie er, sondern darüber, daß sie ihm schrieben. Eulen fanden die Empfänger von Briefen eben doch überall.

Der Zweite Brief kam von Kevin Malone, Julius Trainingspartner im Quidditch, Bettnachbarn und gutem Freund. Er schrieb:

 

Hallo, alter Rumtreiber.

Wie mir von Gloria und den Hollingsworths zu Ohren kam hast du es erfolgreich geschafft, dich vor einer Geburtstagsfete zu drücken. Unverschämtheit! Dabei hätte ich dir gerne ein Ständchen auf meinem Dudelsack vorgespielt. Meine Cousine hat ihn wieder repariert, nachdem er bei einer noch ausbaufähigen Konzertprobe auf fliegendem Besen abgestürzt ist. Gwyneth sagt, ich sollte entweder spielen oder fliegen. Beides gleichzeitig ginge nicht.

Meine Eltern haben mir einen Sauberwisch 10 versprochen. Das ist der drittschnellste Rennbesen, den der Markt im Moment anbietet. Ich habe noch was von einem französischen Manövrierkünstler gelesen, einem Ganymed 9. Aber meine Eltern sagen, daß ich nur englischsprachiges Qualitätsmaterial kriegen soll. Ich wollte zwar auch einen Feuerblitz, aber meine Eltern haben da nur drüber lachen können und mich gefragt, ob der es wert sei, daß wir alle verhungern müßten, so teuer wie der ist.

Bis dann!

Kevin Malone

 

Julius nahm den dritten Brief, von dem er wußte, daß er von Gloria Porter kommen mußte. Er öffnete den Umschlag und fischte zwei Seiten Pergament heraus. Auf der einen war ein Vorschlag, wo Julius an die Schulbücher herankommen konnte, die er nicht hatte mitnehmen dürfen. Julius Grinste darüber nur. Dann nahm er den zweiten Pergamentbogen und las:

Bonjour mon ami!

Danke für das kleine Rätsel, das du mir aufgegeben hast. Ich habe es sofort gelöst.

Ich kann mir denken, daß deine Gastgeberinnen nicht wollen, daß alle Welt erfährt, daß du bei ihnen wohnst. Das respektiere ich. Ich wollte dir auch nur schreiben, daß du dich glücklich schätzen kannst, deine Hausaufgaben an kompetenter Stelle machen zu können.

Das mit den Schulbüchern ist kein Problem. Ich habe mich mal umgehört und erfahren, daß es da, wo du jetzt untergebracht bist, eine umfangreiche Leihbücherei für Zauberbücher gibt, die auch alle je in Hogwarts benutzten Bücher führen soll. Ich denke auch, daß unsere Lehrer schon wissen, wo du bist, falls sich die beiden Damen an unsere Gesetze gehalten haben, was Ehrensache ist. Also wirst du wohl schlecht vor McGonagall oder gar Snape hintreten können und sagen:

"Tut mir leid, aber meine Muggeleltern haben mir das Hausaufgabenmachen verboten!"

Ich schicke dir was an deinem Geburtstag, falls du dort noch länger bleibst.

Erhol dich gut!

Gloria

 

 

Julius legte sich ins Bett, nachdem er die Briefe gut in seinen Sachen versteckt hatte.

Der nächste Tag verlief ereignislos. Joe erhielt nur ein paar Anrufe von seinen Arbeitskollegen, die etwas wichtiges mit ihm zu bereden hatten. Zum Mittagessen gab es Bratkartoffeln mit Catchup, und Julius fragte sich, ob er tatsächlich noch mehrere Wochen so zubringen sollte. Das einzige, worauf er sich freute, war das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft, das zwei Tage später stattfinden sollte.

Julius fragte Joe, ob er nicht alleine zum Fußballplatz draußen um die Ecke gehen könne. Joe sagte dazu nur:

"Da spielen nur kleine Kinder oder die Rabauken über sechzehn. Die würden dich nicht mitspielen lassen."

Julius beschloß, aus seiner Lage Nutzen zu schlagen und verbrachte den Nachmittag damit, die Hausaufgaben für Snape zu schreiben. Er war gerade bei seinem Schlußsatz, als das Telefon klingelte. Joe ging dran und meldete sich. Julius hörte, wie Joe sagte:

"Hallo, Richard. - Ja, dem Jungen geht's soweit gut. Catherine ist im Moment mit der Kleinen weg, und der Junge hört Radio im Gästezimmer. - Nein, ich habe ihm nichts gesagt. - Ich halte mich dran. - Wo ist Martha gerade? - Achso! - Wie, du bist für die nächsten Tage nicht erreichbar? - Da konntest du dein Handy nicht mitnehmen? - Ich verstehe, du Urlaubsreifer. Dein Chef könnte meinen, dich bei irgendwas zu stören. - Ja, mach ich. - Bis dann! - Nein, ist nicht nötig, Richard. Ich verstehe das vollkommen. Ich würde auch nicht untätig ... - Ich verstehe. Gut, dann bis nach eurem wohlverdienten Urlaub!"

Julius hörte, wie Joe den Hörer einfach wieder auflegte. Wenn es seine Eltern waren, warum hatten sie ihn nicht sprechen wollen?

"Joe! Waren das Mum und Paps?!" Rief Julius nach unten. Joe rief:

"Ja, aber sie hatten nur noch für ein Pfund Telefongeld. Sie sind zur Zeit nicht zu Hause!" Rief Joe zurück.

"Wieso wollten sie mich nicht sprechen?" Wollte Julius wissen.

"Eben weil ihnen das Geld ausging! Ich sagte ihnen, daß du oben im Zimmer Radio hörst. Das hat ihnen gereicht!" Kam Joes Antwort von Unten. Julius hörte, wie der Vater von Babette die Treppe heraufkam. Sogleich ließ er die Pergamentrollen mit der bereits getrockneten Tinte unter das Bett fallen. Keinen Augenblick zu früh. Denn in diesem Moment klopfte Joe an die Zimmertür. Julius sprang leise auf und schob den Riegel zur Seite. Dann bat er Joe herein.

"Ich dachte, du hörst dir diesen Krachmusiksender an. Was hast du denn gemacht?" Wollte Joe wissen. Julius deutete auf ein Buch, daß unverdächtig auf einem Regal lag und nichts mit Zauberei zu tun hatte.

"Meine Lehrer haben gesagt, ich solle mehr lesen, um meinen Schreibstil zu verbessern und meine Rechtschreibung zu trainieren", sagte Julius und freute sich, daß Joe sich entspannte. Joe nahm das Buch und legte es murrend wieder ins Regal.

"Hat dir Catherine das da hingelegt?" Forschte er nach. Julius nickte.

"Damit verbesserst du deinen Stil nicht. Du verhedderst dich nur in einer merkwürdigen Rechtschreibung, wenn du diesen Sprachlernwälzer liest. Wieso kam sie darauf, dir das französisch-englische Wörterbuch hinzulegen?"

"Vielleicht, damit ich doch ein wenig mehr lerne als nur: "Hallo, Babette, ist deine Mama da?" auf Französisch zu fragen", versetzte Julius.

"Ich habe zwei tolle Romane, die auch Kinder und Jugendliche lesen können. Ich gebe dir einen davon. Catherine hat Nerven, dir die Ferien so heftig zu verderben", sagte Joe und griff erneut nach dem Buch.

"Wie du meinst", stimmte Julius dem Computerexperten zu.

Joe verließ mit dem Buch das Zimmer und kam wenige Minuten später mit zwei kleinen Büchern zurück, die er auf das Regal legte. Dann zog er sich wieder zurück, um Julius nicht beim lesen zu stören. Er sagte nur noch:

"Um sieben essen wir."

Julius überflog nur kurz die Buchtitel und grinste, als er "Die Schatzinsel" von Stevenson und "Moby Dick" las. Dann legte er die beiden Bücher zurück und widmete sich wieder den Hausaufgaben. Er las nochmal, ob er wirklich alles richtig zusammengefaßt hatte, dann ging er daran, die Aufgabe für Professor Sprout zu erledigen.

Es war bereits fünf vor sieben, als er die letzte Zeile aufs Pergament schrieb. Er hatte tatsächlich mehr über die nordirischen Zauberkräuter zusammentragen können, als er im ersten Moment geglaubt hatte. Er sah der Tinte beim trocknen zu und wartete auf den Ruf von Joe, daß das Abendessen fertig sei. Zu riechen war nichts. Offenbar wollte Joe etwas kaltes zubereiten. Dann war es sieben Uhr. Julius rollte die Pergamentrollen zusammen und verstaute sie in seinem Koffer. Dann verließ er das Zimmer und stieg die Treppe hinunter.

Joe hantierte mit fertigen Baguettes herum. Julius sah, daß der Tisch in der Küche gedeckt war.

"Für zwei Leute brauchen wir das Zeug nicht von einem Zimmer zum anderen zu tragen", erklärte Joe. Julius nickte zustimmend und setzte sich hin.

Sie hatten gerade zu essen begonnen, als es an der Tür klingelte.

Joe grunzte mißbilligend und stand auf, während Julius eine mit Salami, Käse und Tomatenscheiben belegte Baguettehälfte weiteraß. Er lauschte, als Joe an die Haustür trat. Er bekam mit, wie sein Gastgeber kurz aufstöhnte und dann die Tür öffnete.

"Hallo, Joe! Darf ich hereinkommen?" Hörte der Hogwarts-Schüler eine wohlbekannte Frauenstimme auf Französisch fragen und verschluckte sich vor heftiger Überraschung fast an einem Bissen. Joe antwortete:

"Ich habe gerade Besuch und bin beim Abendessen. Aber komm ruhig herein!"

Julius hörte, wie die Schritte von zwei Leuten von der Haustür her durch die Diele klangen, wie raschelnd und klappernd Mäntel an der Garderobe verschoben wurden, um womöglich einen Mantel aufhängen zu können, bis dann Joe in die Küche zurückkam und flüsterte:

"Meine Schwiegermutter ist gekommen. Ich weiß nicht, was sie will. Aber sei höflich zu ihr, auch wenn du ihre Sprache nicht kannst!"

Professeur Faucon, gekleidet in einen rubinroten Umhang, betrat die Küche und sah etwas bedauernd auf den Küchentisch und die Anrichte. Dann sah sie Julius und fing seinen Blick mit ihren saphirblauen Augen ein, die ihn an die Augen Catherines erinnerten, von der Willensstärke des Blickes her aber doch eher Professor McGonagall glichen.

Die Mutter Catherines begrüßte Julius auf Französisch, und Julius, der schnell noch einen Krümel hinunterschlucken konnte, erwiderte den Gruß. Dann sagte Joe auf Französisch zu seiner Schwiegermutter:

"Julius kann deine Sprache nicht, Blanche. Ich werde für ihn übersetzen."

Dann fragte er, ob er ihr etwas zu trinken anbieten könne. Sie sah sich kurz in der Küche um und wünschte sich ein Glas stilles Mineralwasser. Joe stutzte kurz, dann sagte er ihr, daß er welches aus dem Keller holen müsse und ging zur Küchentür hinaus.

Als er die Treppe hinunterging, stand die Hexe von Beauxbatons leise auf, wobei sie ihren rechten Zeigefinger auf die Lippen legte und trat an die Vorratsschränke. Sie inspizierte die eingelagerten Konserven und Fertigsachen. Dann öffnete sie den Kühlschrank und warf einen kurzen Blick auf die gekühlten Fertiggerichte. Anschließend fiel ihr prüfender Blick auf das Mittagsgeschirr, das in der Spüle lag. Mißbilligend den Kopf schüttelnd nahm sie wieder Platz und flüsterte Julius auf Englisch zu:

"Hat Catherine euch nichts brauchbares zusammengestellt?"

"Joe hat mich einkaufen geschickt", flüsterte Julius, dem klar war, daß die Hexe nicht wollte, daß Joe von ihren guten Sprachkenntnissen Wind bekam. "Ich habe das alles besorgt."

"Wenn er damit glücklich wird", erwiderte Professeur Faucon und wandte ihren Blick der Küchentür zu.

Eine halbe Minute später kam Joe mit zwei Literflaschen Wasser zurück und holte ein Glas aus dem Schrank. Er wollte seiner Schwiegermutter etwas Wasser einschütten, doch sie nahm ihm wortlos eine der Flaschen aus den Händen und bediente sich selbst. Joe verzog zwar das Gesicht, sagte jedoch keinen Ton und setzte sich ruhig hin.

"Ich habe einen Brief von Catherine bekommen", eröffnete die Lehrerin der Zaubererschule von Beauxbatons ein Gespräch in französischer Sprache. Julius verstand zwar nicht alle Wörter korrekt, aber worum es ging. Joe antwortete auf Französisch:

"Wie? Hat sie dir einen dieser Hexenvögel geschickt? Die ist doch erst gestern losgefahren."

"Wenn du unsere Posteulen meinst, lieber Schwiegersohn, dann hast du recht", erwiderte die Hexe etwas ungehalten. Dann sagte sie:

"Sie schrieb mir, daß es kurz vor ihrer und Babettes abreise eine Meinungsverschiedenheit zwischen ihr und dir gegeben haben soll, was euren derzeitigen Gast betrifft." Sie beherrschte sich, nicht direkt Julius anzusehen oder mit einer Geste auf ihn zu deuten. Joe sah Julius kurz an, dann sah er seiner Schwiegermutter in die Augen, was diese dazu veranlaßte, ihn sehr energisch anzustarren. Joe erbleichte und wandte den blick wieder von ihr. Dann sagte er hastig:

"Was sie dir geschrieben hat, ist längst vom Tisch. Es ging nur darum, daß die Eltern von dem Jungen uns baten, ihn bis zum Ende der Ferien hierzubehalten, obwohl eine kürzere Zeit vereinbart war und .."

"Das Ende seiner Ferien ist am einunddreißigsten August, Joe. Am ersten September muß er wieder in die Schule fahren. In dem Brief seiner Eltern hieß es jedoch, so Catherine, daß ihr ihn bis zum dritten September bei euch behalten sollt."

"Das muß ein Mißverständnis sein", versuchte sich Joe schnell aus der Zwangslage herauszureden, in die die Beauxbatons-Lehrerin ihn getrieben hatte. Sie sagte nur laut:

"Catherine hat mir eine Kopie dieses Briefes zugeschickt, und das Datum konnte ich eindeutig lesen. Außerdem habe ich Verbindungen zu Leuten, die eure primitive Sprache gut lesen können. Ich weiß also, daß Monsieur Andrews ohne Wissen seiner Frau beschlossen hat, daß ihr den Jungen zwei Tage länger als erlaubt hierbehalten sollt. Dann holte sie ein Stück Papier aus einer Tasche ihres Umhangs und entfaltete es zu einer normalen Briefseite, die sie Julius hinlegte.

"Komm, Blanche, das ist doch .."

"Mund Halten!" Blaffte die Hexe ihren Schwiegersohn an. Julius nahm das Stück Papier und las, daß es ein Brief seines Vaters war. Er erkannte dessen Handschrift genau und nickte, weil ihm nun klarwurde, welche Geheimniskrämerei Catherine und Joe betrieben hatten.

"Frage den Jungen, ob dies die Handschrift seines Vaters ist oder nicht!" Forderte die Beauxbatons-Lehrerin. Julius sagte, als wäre es ihm gerade eingefallen:

"das ist ja die Handschrift von meinem Paps. Wie komt Madame Faucon denn daran?"

"Das ist unsinn, Julius. das kann nicht die Handschrift von deinem Vater sein. Woher sollte sie den Brief denn haben?"

"Werden wir ja gleich sehen", sagte Julius kühl und las den Brief laut vor:

"Hallo, Catherine, hallo Joe!

Ich bin bei unserer Übereinkunft nicht in der Lage gewesen, euch eine sehr ernste Angelegenheit zu erläutern, über die ich nicht einmal mit meiner Frau sprechen konnte, weil sie mir das nicht abnimmt und mich für einen Paranoiker hält.

Ich ging im letzten Jahr davon aus, unseren Sohn Julius in einer hochanständigen und über alle Maßen seriösen Lehranstalt untergebracht zu haben. Ich glaubte an ein pädagogisch gut geschultes Lehrpersonal ohne Hang zu irgendwelchen Absonderlichkeiten."

Julius stutzte kurz. Dann las er weiter.

"... Doch nun weiß ich, daß die halbe Lehrerschaft von einer obskuren pseudoreligiösen Organisation unterwandert ist, deren erklärtes ziel es ist, möglichst viele Jugendliche aus reichem Elternhaus mit ihrer Irrlehre zu berieseln und in ihrer Gemeinschaft einzugliedern.

Ich erfuhr davon, als sich bei Julius Verhaltensauffälligkeiten zeigten, weil er in den Ferien nicht seinen üblichen Lieblingsbeschäftigungen nachging und stattdessen Bücher mit merkwürdigen Inhalten las. Ich nahm ihm einmal eines davon weg und überflog den Text. Dies allein gab mir schon Anlaß zur Besorgnis. Nun erschloß sich mir auch die strickte Isolation, in der die Schüler unterrichtet wurden, ohne elektronische Massenmedien oder Telefonverbindung.

Ich habe Recherchen angestellt und dabei ergründet, daß diese angebliche Glaubensgemeinschaft schon mehrere Lehranstalten infiltriert hat, um sich über die dort unterrichteten Jugendlichen Zugang zu einflußreichen Personen zu verschaffen.

Als zu Beginn der Sommerferien Julius mit einem Zeugnis zurückkehrte, das im Vergleich zu den vorherigen nur von Bestleistungen strotzte, war mir klar, daß man ihm Honig um den Bart schmieren wollte. Deshalb beschloß ich, daß er nicht mehr dorthin zurückkehren soll.

Da ich vor den Ferien Post erhalten habe, daß in der Zeit von Juli bis Mitte August ein Treffen der neuen Schüler außerhalb der Schulzeit geplant sei, ging ich davon aus, daß Julius dort endgültig auf die dubiosen Lehren eingeschworen werden sollte. Deshalb bitte ich euch, ihn bis einschließlich dritten September bei euch zu behalten. Wir, Martha und ich, werden uns ins Ausland absetzen, um eventuellen Nachstellungen der Sektierer zu entgehen. Wenn wir euch schreiben, daß ihr Julius wieder zurückschicken könnt, ruft bei uns an!

Laßt den Jungen nicht allein in der Stadt herumlaufen und mit wildfremden Leuten sprechen, sofern sie englisch können!

Ich verlasse mich auf euch.

Richard"

Julius schluckte merklich, nachdem er den Brief im Stil eines Automaten heruntergerattert hatte. Joe, der zwischendurch versuchen wollte, ihm den Brief zu entwenden, wurde stets von seiner Schwiegermutter durch einen tadelnden oder warnenden Blick abgehalten.

"Dafür hat mein Vater mehrere Tage gebraucht, um dir das zu schreiben?" Fragte Julius nach einer Minute eisigen Schweigens. Joe sagte nur:

"Mann, dein Vater macht sich Gedanken um dich, daß du in die Fänge von irren Gangstern geraten könntest und .."

Madame Faucon räusperte sich sehr energisch und sagte mit einer eiskalten Betonung auf Französisch:

"Dieser Brief ist eine schlichte Lüge, Joe. Ich erkenne an, daß Julius' Eltern dir und Catherine verheimlichen wollten, daß Julius nicht auf eine gewöhnliche Schule geht, weil sie davon ausgehen mußten, daß ihr ihnnen nicht glauben würdet. Aber sei gewiß, daß ich weiß, wo Julius genau hingeht, was er dort lernt, und vor allem, warum er dort lernt."

"Du? Kannst du jetzt auch in die Zukunft sehen?" Brach es aus Joe heraus. Dann sagte er auf Englisch:

"Julius, ich muß Richard glauben. Er würde nie etwas behaupten, wenn er nicht sicher ist, daß alles stimmt, was er sagt. Sein Ruf als Wissenschaftler und Firmenleiter ..."

"Mein Vater will, daß ich nicht mehr in die Schule gehe, weil er hofft, daß man mich dann in Ruhe läßt und nur das lernen läßt, was er für normal hält", erwiderte Julius. Dann sah er die französische Hexe an und sagte:

"Catherine hat ihre Mutter hergeschickt, weil sie Angst hat, daß du etwas tun könntest, daß gegen unsere Gesetze ist."

"Gegen unsere Gesetze? Dein Vater kann dich noch nach dem ersten September in eine andere Schule schicken, wenn sicher ist, daß du nicht von diesen Leuten ..."

Madame Faucon griff in eine andere Tasche des Umhangs und fischte zwei weitere Dokumente heraus. Dann fragte sie Julius nochmal, ob das wirklich die Handschrift seines Vaters sei, was Joe übersetzte, nachdem er versucht hatte, sich durch Schweigen zu widersetzen und wieder streng angesehen wurde.

"Oui, Madame", entgegnete Julius ruhig. Dann breitete die Hexe die beiden Pergamentstücke zu gewöhnlichen Briefseiten aus und las einen Brief laut vor, der von Catherine geschrieben worden war, daß sie eine Kopie des gerade gelesenen Briefes an sie, also Madame Faucon und das französische Ministerium für Zauberei geschickt hatte. Darin hieß es auch, daß nochmal überprüft werden sollte, ob der Absender des Briefes wirklich Richard Andrews war. Dann las sie den zweiten Brief vor, in dem stand, daß sie, Professeur Blanche Faucon, im Rahmen internationaler Amtshilfe ermächtigt wurde, die Sache zu überprüfen und gegebenenfalls den Jungen Julius Andrews in ihre Obhut zu nehmen. Joe, der Julius eine kurze Übersetzung der Briefe geliefert hatte, starrte die Hexe an und redete schnell auf sie ein, so schnell und pausenlos, daß Julius ihn nicht klar verstehen konnte. Er hörte nur heraus, daß die Hexe, die sich von ihm beim Vornamen ansprechen ließ, nichts mit Julius zu schaffen hätte, und daß sie mit dieser Amtshilfesache doch wohl absoluten Mumpitz verzapft hätte. Professeur Faucon ließ den Redeschwall über sich ergehen bis Joe eine Atempause einlegen mußte. Dann sagte sie ruhig, und Julius verstand alles genau:

"Sage dem Jungen, er soll seine Sachen zusammenpacken und in zehn Minuten hier antreten! Er soll auch die geliehenen Bücher mitbringen, die Catherine ihm besorgt hat! Ich werde ihn mit nach Millemerveilles nehmen. Es wird Zeit, daß er in anständige Gesellschaft kommt und ist für ihn lebenswichtig, von nun an besser ernährt zu werden. Die Giftmischerei, die ihr Muggel Fertignahrung nennt, wird ihm nur schaden, wenn er noch über einen Monat davon essen muß. Außerdem beleidigt sie unsere Ernährungskultur auf schamloseste Weise."

"Nein!" Stieß Joe auf Französisch aus. "Ich werde dem Jungen nicht sagen, daß er sich dir und euresgleichen ausliefern soll. Er ist keiner von euch und würde nur noch wahnsinnig werden, wenn er beispielsweise eine echte Hexe auf einem Besen fliegen sähe. Mach, daß du fortkommst!"

"Julius, dein Muggelgastgeber wagt es, meinem Auftrag Widerstand zu leisten. Du hast, wenn ich das richtig mitbekommen habe, alles verstanden, was ich vorgelesen habe", sagte die Hexe immer noch Französisch sprechend. Julius nickte und erwiderte akzentfrei:

"Ich habe Sie verstanden, Professeur Faucon. Sie wurden gemäß Abschnitt 49 des internationalen Zauberergesetzes dazu aufgefordert, in Ihrer Eigenschaft als beamtete Lehrerin zu überprüfen, ob mein nichtmagischer Vater versucht, mich von meiner Schule fernzuhalten. Dies würde, wenn ich das Zauberergesetz richtig gelesen habe, gegen den Abschnitt 324, Unterabschnitt d) verstoßen."

Joes Gesicht nahm fast die Farbe der kalkweißen Küchenwand an. Er schluckte hörbar und rang sich nur einen Satz ab:

"Das kann nicht sein!"

"Tut mir leid, Joe", sagte Julius nun wieder auf Englisch, "die Dame hat allen Grund, sich um mich zu kümmern. Du hättest auf deine Frau hören und mich mit ihr mitgehen lassen sollen. Dann wäre dir dieser Ärger erspart geblieben. Ich geh jetzt meine Sachen packen." Dann sprach er nochmal auf Französisch:

"Allerdings weiß ich nicht, ob Sie wirklich berechtigt sind, mich in Gewahrsam zu nehmen. Mir ist die Sache nicht ganz geheuer."

"Ich nehme Sie nicht in Haft, sondern in meine Obhut, Monsieur Andrews. Im Grunde genommen verbinde ich einen dienstlichen Auftrag mit dem Nachkommen einer Bitte, die Catherine an mich gerichtet hat. Und jetzt bring deine Habseligkeiten herunter!"

Julius sprang wie von einer Feder geschnellt von seinem Stuhl auf und lief aus der Küche, noch ehe Joe ihm den Weg verstellen konnte. Mit großen Sätzen hastete er die Treppe hinauf und verschwand im Gästezimmer, wo er schnell noch den Riegel vorlegte, bevor Joe an die Tür klopfte.

"Julius! Die Alte spinnt. Du kannst keiner dieser Absonderlichen sein, weil du keine Zauberer als Eltern hast und normal gelernt hast. Julius. Die alte Hexe hat dir nichts zu befehlen. Komm wider raus und laß sie uns gemeinsam rausschmeißen!"

Julius erwiderte nichts dazu, sondern räumte die Sachen aus dem Schrank aufs Bett, faltete die Pullover, Hosen und Hemden so gut es in der kurzen Zeit ging und bekam alles in den Koffer. Die Hausaufgaben legte er oben auf. Den Zauberstab zog er aus dem Schnorchel heraus und steckte ihn unter den Pullover, den er gerade trug. Dann prüfte er, ob alle Bücher, die er in der magischen Leihbücherei ausgeborgt hatte, in der verzauberten Tragetasche waren und legte den weinroten Festumhang auf die zusammengepackten Kleidungsstücke. Dann schloß er den Koffer und freute sich, ihn fast ohne Anstrengungen und ordentlich aussehend gepackt zu haben. Er entriegelte die Zimmertür und trat wieder hinaus auf den Flur, wo er hörte, wie die Hexe ihren Muggelschwiegersohn anfuhr, was Julius nicht verstehen konnte, weil sie zu schnell für ihn sprach. Dann hörte er Joe rufen:

"Julius bleibt hier. Mach, daß du fortkommst, oder ich leg dich um, du Hexe!"

Julius hörte das Klicken einer Handfeuerwaffe, die entsichert wurde. Der Junge trat an die Treppe heran und setzte den Koffer auf den Absatz. Wie gebannt starrte er hinunter, wo er Professeur Faucon sah, wie sie mit seitlich herabhängenden Armen vor Joe stand, der angespannt und in Schrittstellung dastand, eine Pistole auf seine Schwiegermutter richtend.

"Ich mag solche Spielchen nicht, Joe. Steck diese Waffe wieder fort und lass uns in Frieden die Sache zu Ende bringen."

"Nimm deine Hände Hoch, Hexe! Ich weiß, daß du ohne deinen Zauberstab nichts anstellen kannst. Und ich werde dir eine Silberkugel verpassen, wenn du eine falsche Handbewegung machst."

Julius stutzte. Hatte er sich verhört? Joe hatte doch nicht tatsächlich von Silberkugeln gesprochen, als wolle er einen Werwolf angreifen. Doch das laute Lachen von Professeur Faucon bestätigte, daß er wohl nicht etwas falsches gehört hatte. Dann fing sich die Hexe wieder, hob ihre Hände langsam hinter den Kopf und sagte:

"Joe, es tut mir leid um Catherine, daß sie es mit dir aushalten muß. Aber vielleicht lernst du noch, uns zu respektieren, ohne daß wir gleich zu radikalen Maßnahmen greifen müssen."

"Du kannst mir jetzt keine Angst Machen. Los, geh zur Haustür und dann verschwinde!"

Die Hexe blieb ruhig stehen und schien Joe mit ihrem Blick zu fesseln. Dann hörte Julius, wie sie anfing, ein merkwürdiges Lied zu singen, mit kräftiger, aber sanft klingender Stimme. Joe versuchte, die Pistole hochzureißen und gegen die ungebetene Besucherin abzufeuern. Doch seine Bewegungen wurden langsamer, als würde die Waffe in seiner Hand von Ton zu Ton um ein Pfund schwerer. Auch Julius wurde von der merkwürdigen Singerei betroffen. Die Töne drangen durch seine Ohren in seinen Verstand ein und ließen ihn immer träger arbeiten. Wie durch immer stärkeren Nebel konnte Julius das Geschehen beobachten, ohne selbst etwas tun zu können. Joe versuchte sein Gesicht aus der Blickrichtung der Hexe abzuwenden. Doch auch dies gelang ihm nicht mehr.

"Nein! Lass das bitte!" Flehte er mit immer schwächer werdender Stimme. Dann fiel ihm die Pistole aus der Hand und landete neben ihm auf dem Boden. Er taumelte und fiel nach hinten über. Schlaff schlug sein Körper auf dem dicken Teppich im Flurbereich hin. Doch Joe schien dies nicht mehr zu spüren. Er lag da, als habe er sich zum schlafen niedergelegt.

Julius, der die Szene durch einen immer dichteren Nebel vor seinen Augen verfolgt hatte, stand wankend am Treppenrand, als die Hexe zu singen aufhörte. Sie drehte sich schnell um und zog ihren Zauberstab hervor. Schlagartig verschwanden die Nebelschwaden vor Julius Augen, und er fühlte, wie vom Zauberstab der Hexe eine starke Kraft in ihn einströmte.

"Das fehlte mir noch, daß du dieses Cretins wegen die Treppe herunterfällst und ich dich erst vom magischen Notdienst behandeln lassen muß", sagte die Hexe auf Englisch. Dann richtete sie den Zauberstab auf den Koffer, der Neben Julius stand und beschwor ihn mit dem Accio-Zauber zu sich hin. Mit einer Berührung des Zauberstabes brachte die Hexe diesen zum schweben und forderte Julius auf, zu ihr zu kommen. Julius, der immer noch von dem magischen Lied beeindruckt war, mit dem die Lehrerin von Beauxbatons Joe außer Gefecht gesetzt hatte, ging langsam hinunter und trat vor die Hexe hin.

"Ich gehe davon aus, daß Joe den Kamin mal wieder zugemauert hat, um böse Hexen fernzuhalten, die unangemeldet in sein Haus kommen könnten. Ich räume ihn wieder frei und mache Feuer, damit wir auf dem schnellsten Wege nach Millemerveilles reisen können."

"Ist das eine Zauberersiedlung?" Fragte Julius auf Englisch. Professeur Faucon nickte bestätigend und ging schnurstracks in den Partyraum, wo sie mit einem grünen Lichtkegel aus dem Zauberstab die Mauersteine in der Kaminöffnung zerbröseln ließ. Danach warf sie einige Holzscheite hinein und beschwor ein Feuer in den Kamin. Sie tippte mit dem Zauberstab an die geheime Kachel, hinter der Catherine dasFlohpulver aufbewahrte. Ohne Probleme holte sie die kleine Dose heraus und warf zwei Prisen des Zauberpulvers in die Flammen. Sofort änderte sich das Feuer und schlug als smaragdgrüne Flammenwand nach oben.

"Sag einfach "Maison du Faucon", wenn du ins Feuer trittst!" Wies die Hexe den Zauberschüler an. Julius nickte und trat in die Flammenwand, die wie eine warme Brise auf ihn wirkte.

"Maison du Faucon!" Rief er und wurde sofort vom Sog der Flohpulver-Kraft davongerissen.

Julius purzelte keine zehn Sekunden später aus einem reich verzierten Marmorkamin heraus und landete weich auf einem flauschigen Teppich. Unverzüglich sprang er wieder auf und gab den Kamin frei. eine Minute später landete die Hexenlehrerin mit lautem Fauchen im Kamin und ließ den verhexten Koffer in den Raum hineinschweben.

"Catherine schrieb mir, daß du sehr gut mit Flohpulver reisen kannst. Von wem hast du es gelernt?"

"Von einer Cynthia Flowers, die als Sekretärin in Hogwarts arbeitet. Aber was geschieht jetzt mit Joe?"

"Nichts. Er wird von der aufgehenden Sonne geweckt. Ich gehe davon aus, daß er nicht die Polizei rufen wird, da er weiß, daß sie ihm nicht glauben wird. Deine Eltern sind wirklich unerreichbar. Catherine hat mir ihre Telefonnummer geschrieben. Ich habe es versucht, sie anzurufen und nur eine Maschine zu hören bekommen, die wohl Gespräche aufzeichnen soll. Ich unterließ es, etwas mitzuteilen und kam zu euch."

"Ich dachte, man würde sein Gedächtnis korrigieren", sagte Julius, der sich an entsprechende Vorschriften bei Zauberei in der Muggelwelt erinnerte.

"Du hast unsere Gesetze studiert, wenn ich das eben richtig mitbekommen habe. Sagt dir der Abschnitt 888 c) nicht etwas?"

"Moment!" Antwortete Julius und dachte kurz nach. Dann zitierte er, in englischer Sprache:

"Abschnitt 888 c): Wenn eine Person der nichtmagischen Welt mit einer Person der Zaubererwelt eine familiäre Beziehung unterhält (Ehe, Elternschaft, Geschwisterschaft), entfällt bei in Anwesenheit dieser Person gewirkter oder an dieser Person gewirkter Magie die Verpflichtung zur Korrektur der damit zusammenhängenden Gedächtnisinhalte, da diese Person auch ohne magische Eigenschaften gesetzlich ein Teil der Zaubererrwelt ist."

"Richtig. Und dies bedeutet, daß mein werter Schwiegersohn, da er mit Catherine verheiratet und der Vater einer angehenden Hexe ist, nicht der üblichen Geheimhaltungsprozedur unterworfen ist, ja sogar im Rahmen der Zauberergesetze bestraft werden kann. Ich hätte ihn auch für eine festgeschriebene Dauer in ein ihm unangenehmes Etwas verwandeln können. Sicherlich wird man ihm eine Geldbuße abverlangen, wenn ich geschrieben habe, daß er mich daran zu hindern versucht hat, meinem Auftrag nachzukommen, ja mich sogar mit einer Waffe bedroht hat. Es waren tatsächlich Silberkugeln in der Pistole. Ich habe sie kurz vor meiner Abreise untersucht. Der Kerl wollte mich wie einen Werwolf angreifen."

"Womöglich hat er gehört, daß Werwölfe die besten Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste sein können", witzelte Julius und vergaß sofort das Lachen, als er den warnenden Blick der Hexe sah.

"Das finde ich nicht lustig", schnaubte sie nur. Um sie zu besänftigen, wechselte Julius wieder zur französischen Sprache über und fragte:

"Wie sind Sie denn angekommen, falls ich fragen darf?"

"Ich bin per Flohpulver in die Rue de Camouflage gereist und von dort mit der Muggel-U-Bahn gefahren, wie Catherine und ich das schon immer getan haben, wenn wir wußten, daß ihr Haus nicht auf direktem Weg zu erreichen war oder Joe Besuch hatte, der nichts von uns mitbekommen durfte. Catherine und ich haben nämlich das Haus gegen fremde Zutrittszauber gesichert, damit nicht einfach wer hineinapparieren kann oder daraus ungebeten disapparieren kann. Bei meiner Enkelin weiß man nämlich nicht, wann sie versuchen könnte, zu verschwinden. - So, und jetzt folge mir in dein neues Gästezimmer!"

Julius begleitete die Hexe zu einem gemütlich eingerichteten Raum, an dessen Wände Gemälde mit sich im Winde wiegenden Bäumen und darin herumfliegenden Vögeln hingen. Ein Himmelbett mit königsblauem Baldachin stand an einer holzgetäfelten Wand. Zwei Flügelfenster boten einen Blick nach draußen. Julius roch frische Waldluft, als seien die Fenster gerade erst wieder geschlossen worden.

"Du kannst den Umhang in den Schrank hängen, den Catherine dir geschenkt hat. Deinen Zauberstab gib mir bitte, damit ich ihn für dich aufbewahre. Es war klug, ihn dem Zugriff deines ignoranten Vaters zu entziehen. Man findet nicht so leicht Ersatzstäbe, die mit einem Zauberer vollkommen harmonieren."

Julius händigte seinen Zauberstab aus, ohne jedes Widerwort. Er spürte, daß er nun auf Gedeih und Verderb dem Wohlwollen dieser Hexe ausgeliefert war.

"Deine Muggelsachen kannst du im Koffer lassen. Ich werde dir einige Umhänge aus Catherines Schulzeit umfärben, damit du anständig angezogen herumlaufen kannst. Ich habe nämlich nicht vor, dich hier einzusperren und ständig zu beaufsichtigen. Nebenan ist das Badezimmer, wo du dich waschen und alle zwei Tage ein Bad nehmen kannst. Gegessen wird in meiner Wohnküche, die dem Zimmer von dir schräg links gegenüber liegt. Ich selbst schlafe direkt im Zimmer gegenüber von diesem Raum, also komm nicht auf die Idee, mitten in der Nacht noch Lärm zu machen!

"Ja, Madame Faucon", bestätigte Julius, wobei er sich der Französischen Sprache bediente.

Die Hexe ließ ihn allein in seinem neuen Gästezimmer. Julius dachte nochmal daran, was sie ihm gesagt hatte. Er verstand die Worte "wo du dich waschen und alle zwei Tage ein Bad nehmen kannst" als "Wo du dich waschen und alle zwei Tage ein Bad nehmen sollst". Doch das war kein Problem für ihn. Womöglich würde ihn die Hexe nur bis zur Rückkehr von Catherine bei sich wohnen lassen. Dann wollte er sich es auch nicht mit ihr verscherzen, auch wenn es bedeutete, daß er sich vielleicht tief ducken mußte, um ihr alles rechtzumachen.

Er dachte an seinen Vater und dessen Versuch, Julius bei Catherine und Joe festzusetzen, bis der erste Schultag verstrichen war. Julius schmunzelte bei dem Gedanken daran, daß dies wohl der allerletzte Versuch gewesen war, ihn von Hogwarts fernzuhalten und war froh, daß Catherine es gedeichselt hatte, daß Julius nicht wegen Schulschwänzerei von der Zaubererpolizei festgenommen werden würde, wenn er den Abfahrtstermin verpaßte.

Er hängte den weinroten Umhang in den Schrank und sortierte die Hausaufgaben auf dem Schreibtisch. Er ordnete die Bücher aus der magischen Leihbücherei in ein Regal ein, das über dem Schreibtisch angebracht war. Dann ging er in das buntgekachelte Badezimmer und sah sich dort um. Frische flauschige Handtücher reihten sich zu einer Parade an einer Edelholzstange an der Wand. Eine große weiße Badewanne nahm eine Seite des Raumes ein. Ein weißes Waschbecken mit einem feuerroten Drachen und einem türkisfarbenen Vogelkopf als Wasserkräne hing unter einem etwa einen Meter breiten Spiegel. Julius sah sein Spiegelbild an und fröstelte, als der Spiegel in der Landessprache wisperte:

"Du solltest dir nochmal die Haare kämmen und dir Gesicht und Hände gründlich waschen, bevor du zum Abendessen gehst."

Julius trat an das Waschbecken und fand ein Stück Seife, das neben dem Drachenkopf-Wasserhahn lag. Er drehte den Hahn auf und ließ sich das heiße Wasser über die Hände rinnen, bevor er den Vogelkopf-Wasserhahn aufdrehte und das Becken vollaufen ließ. Dann suchte er sich einen der frischen Lappen und wusch sich, wie der Badezimmerspiegel es ihm empfohlen hatte. Danach fragte er den Spiegel, wo hier ein Kamm sei, was für einen roten Kamm wohl der Aufruf gewesen war, zu ihm zu kommen und ihm von Zauberhand durchs Haar zu fahren, um dann auf seinen Platz zurückzukehren.

Ein Gong verkündete, das Julius zum Abendessen gehen sollte. Frisch gewaschen und gekämmt verließ er das Badezimmer und betrat die gemütlich eingerichtete wohnküche, gespannt, was er nun noch vorgesetzt bekam.

Die Küche mochte so um die zehn Meter lang und vier Meter breit sein. Sie bot eine Essecke mit bis zu sechs Stühlen an einem eiförmigen Tisch. In einem Kamin prasselte ein munteres Feuer ohne Qualmentwicklung. Ein bauchiger Herd mit einer bronzefarbenen Ofenklappe und vier großen Platten teilte die Küche in zwei gleich große Raumabschnittte. Links vom Herd war ein großes rundes Spülbecken unter zwei Wasserhähnen, wie Julius sie im Badezimmer gesehen hatte. Über Herd und Spülbecken war ein fünftüriger Küchenschrank angebracht. Auf der Seite, wo der Kamin lag, konnten sich noch acht Erwachsene Personen in Zweiersesseln niederlassen. Ein kleiner Tisch konnte zu der Sitzgruppe gestellt werden. Darüber hinaus war der Raum mit Vorratsschränken gut ausgefüllt.

 

Julius sog den Duft frisch gebackenen Kuchens ein, zu dem noch der Duft einer frischen Suppe hinzukam, mit Kräutern gewürzt und mit Gemüse aller Arten zusammengestellt. Auch konnte er Kartoffeln erschnüffeln, sowie irgendeine Sorte Fleisch, daß in Olivenöl gebraten worden sein mußte.

"Setz dich, Julius!" Forderte Madame Faucon ihren Gast auf. Julius nahm Platz und sah, wie von den Anrichten volle Tabletts herüberschwebten und auf dem Tisch landeten. Terinen und Schüsseln verströmten den Dampf heißer Köstlichkeiten.

"Ich gehe davon aus, daß du noch Hunger hast", vermutete die Beauxbatons-Hexe mit der Stimme einer behütsamen Großmutter. Doch Julius vermeinte eine Aufforderung darin zu hören, bloß nicht zu schnell satt zu sein. Tatsächlich hatte er jetzt, wo die frischen Sachen auf dem Tisch standen, wieder richtigen Hunger.

Als er das Silberbesteck in den Händen hielt und den ersten Löffel von der Suppe genossen hatte, fühlte er sich merklich besser.

Schweigend nahmen Professeur Faucon und Julius Andrews das mehrgängige Abendessen ein. Als der Junge dann noch zwei Stücke Kuchen zum Nachtisch verzehrt hatte, bedankte er sich. Dann sagte er:

"Ich fürchte, ich kann Ihnen dafür nichts anbieten, um diese Mühe zu belohnen."

"Ich erfülle nur einen Auftrag, den jedoch so, daß du dabei profitieren kannst. Hier hast du genug Zeit, dich um deine Schularbeiten zu kümmern und Jungen und Mädchen deiner Art zu treffen. Kinder sollten nur dann isoliert gehalten werden, wenn sie sich strafbar gemacht haben und dann nur, um ihnen eine wertvolle Lektion zu erteilen. Du hast dir nichts zu Schulden kommen lassen. Es gibt nur vier Sachen, die du hier einhalten möchtest:

Erstens sprechen wir hier alle Französisch. Wenn du die Sprache noch nicht perfekt kannst, ist das nicht schlimm. Dagegen läßt sich was unternehmen.

Zweitens sprichst du mich bitte nur mit Madame Faucon an. Mein Professorentitel ist für die Schule reserviert. Ich lege wert auf ein gleichförmiges Verhältnis zu meinen Nachbarn in Millemerveilles. Ich stehe aber gerne zur Verfügung, falls du Hausaufgaben überprüfen lassen möchtest und kann dir auch Bücher zum lernen geben, welche du auch in Hogwarts ausleihen könntest.

Drittens interessiert es in diesem Dorf keinen, daß du einer Muggelfamilie entstammst. Du brauchst es also nicht zu erwähnen. Du bist der Gast meiner Tochter, die sich leider verkalkuliert hat und mich bat, dich vorübergehend aufzunehmen. Ich färbe dir fünf Umhänge aus Catherines Schulzeit um, damit du ortsüblich korrekt gekleidet herumlaufen kannst.

Viertens gelten folgende Zeiten:

Um sieben Uhr wird in diesem Haus aufgestanden. Das Frühstück verläuft zwischen halb acht und acht Uhr. Danach darfst du dich deinen Hausaufgaben oder irgendwelchen Freizeittätigkeiten widmen. Ich selbst kann nicht immer um dich herumlaufen, da ich gewisse Dinge noch vorbereiten muß, die mit dem nächsten Schuljahr zusammenhängen. Du kannst dich ruhig im Ort bewegen. Dazu kommen wir aber morgen noch.

Um zwölf Uhr gibt es Mittagessen. Wo immer du dich vorher aufhältst, teile dir die Zeit so ein, daß du pünktlich wieder zurückbist und mit mir essen kannst. Anschließend kannst du dich wieder frei beschäftigen, jedoch bitte im Rahmen einer angemessenen Lautstärke.

Abends um sieben gibt es dann nochmal Abendessen. Ich pflege um zehn Uhr zu Bett zu gehen. Es wäre vielleicht nicht verkehrt, wenn du das auch tun würdest.

Hinzu kommt, daß du gerne meine Posteulen mitbenutzen darfst, wenn du deinen Freunden aus Hogwarts schreibst. Vermeide jedoch die Erwähnung, daß du bei mir untergekommen bist! Mir ist die Angelegenheit sowieso schon peinlich genug, daß ich einem ignoranten Muggel erlaubt habe, meine Tochter zu heiraten. Wird dir das gelingen, dich an diese Regelungen zu halten?"

"Ich bin ein Internatskind. Ich habe gelernt, bestimmte Zeiten einzuhalten", erwiderte Julius. Die Lehrerin sah ihn etwas vorwurfsvoll an, nickte jedoch und lächelte dann wohlwollend.

Julius hoffte, daß er nun zumindest ein paar ruhige Tage verbringen konnte, vielleicht auch mit körperlichem Training. Doch wielange würde er hierbleiben müssen?

Das hing nicht mehr an ihm, sondern an Professeur Faucon und ihren Vorgesetzten.

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