Julius hatte von Madame Rossignol eine Tasche mit den für ihn angeschafften Kleidungsstücken bekommen. Denn mit einem Meter einundneunzig waren die Sachen aus seinem Koffer nicht mehr passend.
"Millie Latierre, ich rufe dich!" Sprach er laut und erfreut, das wieder ganz offen tun zu können in das Armband an seinem rechten Handgelenk.
"Julius, wunderbar, du darfst wieder alleine herumlaufen!" Freute sich Millie, kaum daß ihr räumliches Abbild vor ihm entstanden war. "Caroline, Leonie und ich sind unten am Strand. Hast du passende Badesachen?"
"Strand? Sind die aus meinem Saal auch da? Ich sehe hier keinen."
"Madame Maxime hat die DQ-Regel für heute aufgehoben, weil Stranderöffnung ist. Hat sie dir das nicht gesagt?"
"Hätte sie mir wohl, wenn Madame Rossignol mich noch eine Woche mit ihr zusammen hätte rumlaufen lassen. Badezeug habe ich noch nicht in der größe. Aber ich kann so runterkommen."
"Wir warten", sagte Millie. Dann verschwand ihr Abbild auch schon wieder. Julius brachte schnell die Tasche mit seinen neuen Sachen in den Schlafsaal der Fünftklässler. Dabei fiel ihm ein, daß er da ja noch die Leihgabe von Béatrice drin hatte. Madame Maxime hatte ihn durch einen Blumenstrauß ersucht, sie bei Madame Rossignol abzuliefern, ohne darum gebeten oder noch mal ersucht werden zu müssen. Er freute sich eh, daß er in den Ferien wieder richtig mit seiner Frau zusammen sein würde. Er stellte die Reisetasche mit den einundzwanzig paar neuen Socken, dito vielen Unterhosen und zwölf Unterhemben, drei kurzen und ebensovielen langen Schlafanzügen, drei Schul-, zwei Arbeits- und drei Sonntagsumhängen neben seine Reisetasche. Dann beeilte er sich, auch noch zur Stranderöffnungsfeier zu kommen.
Er hatte nicht mit Jubel oder großem Applaus gerechnet. Doch die meisten am Strand, die ihn sahen klatschten begeistert in die Hände, als er aus dem Teleportal heraus auftauchte. Er nickte allen dankend zu und strahlte jeden an, der ihn erfreut anstrahlte. Dann sah er seine Frau im fließenden Beauxbatons-Schulmädchensonntagskostüm. Sie winkte ihm zu.
"Hui, so aus der Nähe siehst du jetzt richtig prächtig aus", grüßte sie ihn und umarmte ihn flüchtig, wegen der vielen Beobachter. Leonie und Caroline prüften ihn mit den Blicken an Jungen interessierter Hexenmädchen und pfiffen verwegen.
"Holla, wolltest du beim Schmusen nicht mehr auf die Trittleiter?" Fragte Caroline ihn, sicher, daß der Lärm der versammelten Schülerschaft das nicht in beamtete Ohren dringen lassen konnte.
"Ich wollte nicht, daß meine Frau mit zwanzig schon an Hexenschuß leidet, wenn sie sich immer zu mir runterbeugen muß", parierte Julius die Anspielung.
"Jetzt gibt es echt keinen Grund mehr, zu behaupten, wir beide paßten nicht zusammen", meinte Millie ihren Klassenkameradinnen zugewandt.
"Neben Madame Maxime wirkte deiner doch auch schon recht ordentlich", flachste Leonie. Julius fragte sie daraufhin, wo sie den "ihren" gelassen habe.
"Der schwimmt, der alte Wasserratz. Ich geh dem gleich hinterher. Aber Caro und Millie wollten noch was über die Zubereitungszeiten für den Entfrostungstrank haben, mit dem Fixie uns in der letzten Stunde beauftragt hat. Wir sind ja schon voll im ZAG-Stress."
"Ich auch schon, Leonie", erwiderte Julius lächelnd. "Einzelunterricht kann ziemlich schlauchen."
"Und du hast echt kein Badezeug? Das muß aber ganz schnell geändert werden", meinte Millie. Julius sah sich um. Ein Drittel der Schüler war Schwimmen. Strandaufsicht führten Corinne Duisenberg und Deborah Flaubert. Die anderen saßen im Sand und schwatzten über das schöne Wetter und genossen die frische Meeresluft.
"Madame Rossignol hat mich für zwanzig Minuten ausgeblendet. Wie hat Madame Maxime den Strand eröffnet?" Wollte Julius wissen.
"Indem sie eine schulweite Ankündigung gemacht hat. Wenn du noch bei ihr hättest bleiben müssen, wäre sie bestimmt mit dir hergekommen. Ui, da kommt sie doch", sprudelte Caroline und deutete auf das Teleportal. Julius wußte nicht, wie froh er mal darüber war, die Schulleiterin aus mehr als hundert Metern Entfernung zu sehen. Andererseits hatte er ihr immer noch sehr zu danken, weil sie ihm geholfen hatte, er selbst zu werden. Im Grunde war sie etwas wie eine zweite Mutter für ihn. Und er könnte heute seinen zweiten Geburtstag im Jahr feiern. Aber den würde er dann doch eher am dritten Februar feiern.
"Ich glaube, die will noch mal mit dir reden, Julius", wisperte Millie. Julius nickte und ging los. Madame Maxime winkte ihm, aber auch Millie. so folgte diese ihm.
"Ich habe eigentlich damit gerechnet, daß Sie noch einmal zu mir kommen, um von mir die Bewertung dieser Ihrer Bewährungsprobe entgegenzunehmen, Monsieur Latierre", sagte sie leicht verdrossen. Doch weil sie dabei lächelte, war es wohl nicht so schlimm. Julius straffte sich und entschuldigte sich, daß er nicht gewußt hatte, daß die Zeit bei ihr von ihr extra bewertet würde.
"Nun, abgesehen davon, daß bei mir noch etwas von Ihnen steht, daß Sie ganz bestimmt mitnehmen wollten, ist es wohl so, daß ich Schüler in Ausnahmesituationen bewerte, ob und wie sie mit dieser Ausnahmesituation zurechtkamen. Dies wurde auch Mademoiselle Constance Dornier zu Teil, auch wenn ich leider eingestehen muß, daß sie sich in dieser Ausnahmesituation nicht so vorbildlich betragen hat wie Sie, wenngleich die letzten drei Wochen sie doch noch in einen wohlwollenden Bereich befördert haben. Aber das möchte ich gerne mit Ihnen bei mir besprechen und Ihnen das übergeben, was Sie in tagelanger Arbeit hergestellt und eingerichtet haben."
"Das hätte ich mir dann wohl sonst nach dem Mittagessen abgeholt. Muß ja eh sehen, wo ich es hinstellen kann. Im Schlafsaal fiele es auf. In den Koffer möchte ich es wohl erst packen, wenn wir wieder abreisen, falls es da überhaupt hineinpaßt."
"Du kannst das doch bei Madame Rossignol oder Professeur Faucon unterstellen", brachte Millie weitere Möglichkeiten zur Sprache. Madame Maxime nickte ihr sehr wohlwollend lächelnd zu.
"Ist Professeur Faucon denn schon wieder von ihrer Reise zurück?" Fragte Julius. Er erinnerte sich noch, daß sie einen Tag nach Voldemorts Ende um Sonderurlaub gebeten und eine Vertretungsliste für ihre Stunden vorgelegt hatte. Es ging wohl um die Angelegenheit, wegen der Professeur Tourrecandide schon seit Ende April nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden war.
"Ich hoffe sehr, daß sie in den nächsten Tagen zurückkehrt. Sie sagte etwas, daß es nicht an einem Tag erledigt werden könne", erwiderte Madame Maxime. Julius entsann sich, daß sie das so vor ihrer Abreise erwähnt hatte.
Zusammen mit Mildrid ging Julius noch einmal ohne Wandschlüpfsystem in die Räume von Madame Maxime. Im kleinen Arbeitszimmer, wo auch der Neotokograph unter dem Schreibtisch eingebaut war, schloß die Schulleiterin die Tür und bat die beiden Schüler, sich zu setzen.
"Nun, Monsieur Latierre", setzte sie an, "Sie hatten die durch keine Übung oder Lesegrundlage vorzubereitende Aufgabe, vom dritten Februar dieses Jahres bis heute, den zwölften Mai 1998, in meiner unmittelbaren Nähe zu leben, unter der Auswirkung Ihnen verabreichten Fremdblutes zu bestehen und dabei trotzdem die Ihnen aufgetragenen schriftlichen oder praktischen Hausaufgaben zu verfertigen. Alles in allem haben Sie für diese außergewöhnliche Situation und Anforderung trotz der zu erwartenden Unbeherrschtheiten und des emotionalen Ungleichgewichtes sehr diszipliniert und in ständigem Bewußsein der Konsequenzen Ihres Handelns ihre Arbeit erledigt und sich den zugefallenen Anforderungen gestellt und damit bewiesen, daß Sie trotz allem bereits geistig sehr weit gediehen und ein würdiger Schüler dieser Akademie sind. Deshalb freut es Sie sicherlich, daß nach allen vergebenen Bonus- und Strafpunkten, von mir noch einmal dreihundert Bonuspunkte für Sie ausgesprochen werden dürfen. Ihre Mutter und Ihre Fürsorgerin in magischen Angelegenheiten, sofern diese nach Ende der Sommerferien noch als solche benötigt wird, haben gerade eben von mir die Eulen mit der schriftlichen Gesamtbewertung zugeschickt bekommen. Ich freue mich, daß Sie die Zeit in meiner Obhut sinnvoll und kreativ für sich ausschöpfen konnten und damit keinerlei Verschwendung entstand. Herzlichen Glückwunsch!"
"Dreihundert Bonuspunkte", staunte Julius, während Millie ihn sehr erfreut anstrahlte.
"Wie haben Sie das im einzelnen ausgewertet? Ich meine, das ist doch was anderes, als einen wissenschaftlichen Versuch aufzubauen und durchzuführen", sagte Julius, nachdem er diesen Bonuspunkteschub verdaut hatte.
"Wie Sie wissen, verfüge ich über ein gut funktionierendes Gedächtnis. Daher konnte ich immer dann, wenn Sie zur allwöchentlichen Untersuchung waren, alle am Tage im Kopf notierten Stichpunkte in Reinform abschreiben, aus denen sich eine zuverlässige Übersicht wöchentlicher Entwicklungen unter Berücksichtigung herausragender Vorfälle ergab, die ich nach einem von meinem Vorvorgänger Bercelius Rousseau ausgearbeiteten Punkteverteilungssystem in den Kategorien allgemeines Verhalten, Bewältigung von Anforderungen und Umgang mit Ausnahmeereignissen verrechnen konnte. Hierbei wird auch das Alter einbezogen, um herausragendes Wohl- und Fehlverhalten genauer eingrenzen zu können. Das System als solches wäre jetzz zu Umfangreich, es zu erklären. Aber es basiert auf Erfahrungswerten, Beobachtung und Berechnungen. Jedenfalls durfte ich Ihnen nach der Gesamtbewertung diese hohe Summe an Bonuspunkten zuerkennen, die ja gemäß der Sonderregelungen für Sie beide ja dann auch zu ihrem Bonuspunktekonto hinzuaddiert werden, Madame Latierre." Millie nickte sanft. Doch ihr Gesicht verriet, daß sie das schon einberechnet hatte. "Was den Verbleib des von Ihnen hergestellten und eingerichteten Denkariums angeht, Monsieur Latierre, so bin ich gewillt, Madame Latierres Vorschlag aufzugreifen und Ihnen zu empfehlen, es bei Professeur Faucon unterzubringen, wenn diese wieder da ist. Oder Sie stellen es bei Madame Rossignol unter, so daß Sie beide es benutzen können, wenn Ihnen etwas dort unterzubringendes widerfährt oder durch den Kopf geht." Julius und Millie nickten. Julius nahm das Angebot an und nahm das in blauen Samt eingeschlagene Granitbecken, daß doch ein stattliches Gewicht hatte, obwohl es zu fünf Achteln ausgehölt war. Millie half ihm beim tragen. Er verabschiedete sich von Madame Maxime, entschuldigte sich noch einmal für die Unannehmlichkeiten und bedankte sich, daß sie ihm geholfen hatte. Dann rückten seine Frau und er ab.
"Das Hilfsmittel von Tante Trice geben wir besser auch gleich ab, Millie. Madame maxime möchte nicht daß wir es weiter haben", flüsterte Julius seiner Frau zu, als sie durch das Bildertor heraus waren.
"Hast du ja angedeutet", erwiderte Millie. Gut, daß ich das immer mithabe, damit es keiner in meinem Koffer finden kann", wisperte sie verwegen.
Madame Rossignol nahm das Denkarium in ihre Obhut und stellte eine Empfangsbestätigung für die silberne Sonderunterkleidung aus. Sie würde sie noch heute an Mademoiselle Béatrice Latierre zurückschicken, mit einem kollegialen Beiwort, inwieweit die Hilfsmaßnahme therapeutisch nutzbringend war. Dann stellte sie das Denkarium in einen in die Wand eingelassenen Schrank, in dem sie die giftigsten Zutaten für Tränke und Heilsalben aufbewahrte. "Nicht, daß ich Ihr Denkarium für giftig oder gefährdend erachte. Aber da ist es am sichersten aufgehoben", erläuterte die Heilerin. "Wenn Eure Verpflichtungen es erlauben, könnt ihr mich ja darum bitten, es für eine weitere Einlagerung oder eine Sitzung mit dem, was schon darin enthalten ist benutzen zu dürfen. Und jetzt wieder raus mit euch! - Deine Badesachen hast du noch nicht mitgenommen, Julius. Ich wollte sie dir erst geben, wenn sicher ist, daß die Therapie abgeschlossen ist. Aber wenn heute alle Welt Strandtag hat."
"Ich schicke gleich erst meine Eule nach Hause. Ist ja schließlich Muttertag", sagte Julius.
"Komisch, daß ich das nie so recht mitbekomme", erwiderte die Schulheilerin amüsiert. "Liegt wohl daran, daß es doch eher ein Muggelfeiertag ist."
"Wie Valentin?" Fragte Julius.
"Sagen wir es so, in den Staaten und England wird der Tag wohl häufig gefeiert. Und jetzt raus!" Millie und Julius brauchten sich das nicht zweimal sagen zu lassen.
Julius schrieb am Strand den Brief und ließ nach dem Mittagessen seine Eule damit losfliegen.
Hallo Mum!
Heute hat Madame Rossignol endlich das Ergebnis bekommen, das sie Wollte. Sie hat mich zwanzig Minuten lang durch einen Schockzauber bewußtlos gehalten, ohne, daß ich selbst aufgewacht wäre. Das beweist, daß Madame Maximes Blut nicht mehr so stark in mir wirkt, daß ich davon noch weiter beeinflußt werde. Heute ist auch der Schulstrand wieder aufgemacht worden. Ich bin gerade mit Millie hier und werde nach dem Mittagessen noch schwimmen, um zu sehen, ob ich das noch kann.
Ich hoffe, es geht euch gut. Wann fährst du wieder nach Paris zurück?
Bis dann denn!
Julius Latierre
P.S. Alles gute zum Muttertag!
So verflog der Sonntag. Julius mußte die Fragen seiner Schlafsaalkameraden beantworten, wie er bei Madame Maxime gelebt hatte. Was er in den Stunden gemacht hatte, wo er nicht irgendwelche Hausaufgaben erledigen mußte und ob er sie niemals richtig nackt gesehen habe. Er lachte, als Robert diese Frage stellte.
"Wenn sie das gewollt hätte, hätte ich auch neben ihr im Bett liegen müssen. Sie wollte das aber nicht, und ich fand das in Ordnung, meine Frau nicht im ersten Ehejahr schon zu betrügen. mehr werdet ihr von mir nicht erfahren."
"Na ja, immerhin konntest du der schlecht aus dem Weg bleiben", grummelte Robert. Gérard sagte dazu nur:
"Wenn Julius nicht schon verheiratet wäre, hätte sie sich ihm bestimmt so gezeigt, damit er ihr nicht mehr vom Haken springen kann."
"Das überhöre ich mal, Gérard", sagte Julius. "Oder willst du die Ehre haben, die ersten von mir wieder zugeteilten Strafpunkte zu kriegen?"
"Wie viele wären das denn", scherzte Gérard.
"Wenn ich dir das sage bekämst du sie ja. Willst du das?"
"Lieber nicht. Ich habe in den letzten Monaten schon genug gesammelt, daß ich fast meinen DQ verhauen hätte. Das hätte Krach mit Céline gegeben, wenn die jetzt jeden Nachmittag an den Strand will." Die anderen grinsten. Dann legten sie sich hin und zogen die Bettvorhänge zu. Julius drehte sich in seine Decken ein und sah noch einmal Auroras Bild an, das gerade auch von Viviane Eauvive besucht wurde. Beide Hexen lächelten. Endlich wieder im eigenen Bett, ohne Gitter drum herum!
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Julius freute sich, als er am Montagmorgen gleich in der ersten Stunde im Klassenverbund bei der neuen Zaubertierlehrerin Agrippine Fourmier antreten durfte. Millie hatte ihn immer auf dem Laufenden gehalten. So wußte er, daß sie nach den Baumwächtern und Murtlaps heute die Meeresschlange Gigahydrophis Hippocranius durchnehmen und hierzu an den schuleigenen Strand gehen würden, wo sie mit Mittelmeerzaubertierkundlern des Ministeriums ausgewachsene Exemplare dieser für die Seemannsgeschichten von Seeungeheuern herhaltenden Geschöpfe besichtigen und beobachten durften. So hatten sie alle unter ihren Arbeitsumhängen Badesachen an, als sie sich vor dem Unterrichtsraum für praktische Magizoologie trafen. Da Julius ja gestern schon am Strand gewesen war wußten ja alle, daß er in den letzten Monaten merklich an Größe zugelegt hatte. Dennoch meinte Caro zu Julius, als er neben seiner Frau stand: "So sieht das noch imposanter aus." Dann kam auch schon Professeur Fourmier um die Biegung des Ganges.
"So, alle da? Wunderbar. Schön, Monsieur Latierre, daß Sie nun auch wieder im allgemeinen Klassenverband mitlernen dürfen!" Sie lächelte Julius wohlwollend an. Sie wußte ja schon durch die von ihm abgelieferten Hausaufgaben und die Gespräche am Lehrertisch, was er so wußte und wie er sich ausdrücken konnte.
"Tauchen wir heute wieder, wie damals mit den Hippocampi?" Fragte Plato Cousteau, einer der Mitschüler aus dem weißen Saal.
"Ich weiß aus den Aufzeichnungen Monsieur Piverts, daß er das mit Ihnen tat. Aber wir benutzen ein Boot mit Glasboden, um die Unterwasserbebewegungen von Gigahydrophis hippocranius zu beobachten. Bitte folgen Sie mir!" Sie wandte sich um und marschierte mit ausgreifenden Schritten los. Julius befürchtete schon, daß die Lehrerin ihre magischen Beine nicht so gut zurückhalten konnte und er bald würde rennen müssen. Tatsächlich gab sie ein Tempo vor, daß den Haufen der ZAG-Schüler zu einer langen Reihe auseinanderzog, bei der die vorderen die waren, die am besten mithalten konnten. Julius, der durch die Gynmnastik- und Laufübungen genauso gut in Form geblieben war wie mit einem Schwermacher konnte mit seiner Frau locker mithalten, während Estelle und Belisama in leichten Trab verfielen. So erreichten sie den Standort des schuleigenen Teleportals. Die Lehrerin öffnete dieses und winkte allen, hinter ihr herzulaufen. Schlagartig standen sie am Strand, wo die Wellen laut rauschend den Sand überspülten, und salzwasserhaltige Luft um ihre Köpfe wehte. Im Moment blies ein kühler Mittfrühlingswind die Gischt auf den Strand. Dann sahen sie das blau-grün angestrichene Boot mit dem Steuer im Heck und der Galleonsfigur eines Seesterns am Bugspriet. Julius suchte Segel oder Ruder, da er bestimmt keinen Motor zu erwarten hatte. Tatsächlich wuchs mittschiffs ein schlanker Mast etwa zehn Meter auf, der durch eine Rahe abgeschlossen wurde. Wasserblaue Segel lagen eingerollt um den Mast. Drei Zauberer mit brauner Haut und in wasserblauen Umhängen standen an Bord bereit. Auf einen Zauberstabwink hin spross eine Planke aus dem Rand der Steuerbordwand heraus und legte sich leise knirschend auf den feuchten Sand. Die Schüler folgten ohne weitere Aufforderung der Lehrerin über die Planke an Bord. Jetzt sahen sie alle, daß nur der aus dem Wasser ragende Teil des Bootes aus Holz bestand. Der Boden bestand aus nach unten gewölbtem Glas, so daß sie meinten, direkt auf den Meeresgrund sehen zu können.
"Da frag ich mich doch echt, wozu ich das Badezeug anhabe", grummelte Caroline Renard, als sie auf den Bänken rechts und links saßen. Professeur Fourmier nickte den drei Zauberern zu und stellte sie als Marinemagizoologen des Zaubereiministeriums vor. Einer von ihnen bemannte das Steuerrad, während die beiden anderen mit Zauberstabschwüngen die Segel setzten. Die Planke wurde wieder eingezogen. Julius sah seine Frau an und wisperte ihr zu, daß das so war wie der Ausflug mit den Foresters und Redliefs im vergangenen Sommer. Er freute sich, wieder mit den anderen zusammen lernen zu dürfen. Madame Maxime hatte ihn schon ein wenig über Gigahydrophis hippocranius abgefragt. So meldete er sich zusammen mit Millie, Leonie und Plato, als gefragt wurde, wer bereits etwas näheres zum heutigen Unterrichtsthema erzählen konnte. Julius durfte antworten.
"Bei Gigahydrophis hippocranius, der großen Meeresschlange, handelt es sich um ein durch unterseeische Magie entstandenes, reptilienartiges Wesen, das der Scamander-Einteilung nach auf Stufe Trippel-X rangiert, weil es trotz seiner Größe von bis zu dreißig Metern und dem mähnenlosen Pferdekopf kein Ungeheuer im Sinne von Menschen gefährdend ist, sondern ein eher scheues Meerestier, das nach Möglichkeit die Nähe von Menschen meidet und sich zudem durch die Fähigkeit, seine Haut den Licht und Bodenverhältnissen anzupassen auch sehr gut tarnen kann. Man weiß von den Gigahydrophidien nur, daß sie lebendgebärend sind, daß die Weibchen wohl ein halbes Jahr tragen und nur zwei Junge zur Welt bringen, die bei der Geburt jedoch sehr dick und träge wirken, was viele Magizoologen vermuten läßt, daß es während der Trächtigkeit zu vorgeburtlichem Kannibalismus zwischen den Jungtieren kommt und nur die zwei schnellsten und stärksten dabei übrigbleiben." Er machte eine Pause, um zu überdenken, ob er noch mehr beisteuern konnte. Leonie hob noch einmal die Hand.
"Das mit dem Intrauterinen Kannibalismus wurde mittlerweile bestätigt, als der ägyptische Marinemagizoologe Serapis Al-Andaluz ein Muttertier mit einem Einblickspiegel untersuchen und die sich in ihrem Leib entwickelnden Jungen betrachten konnte. Dabei wurde er Zeuge, wie ein kleines, leichtfertiges Junges von einem größeren Geschwister lebendig verschlungen wurde. Insgesamt konnte er noch fünf Junge erkennen, wobei das Weibchen gerade erst die Mitte der Tragzeit erreicht hatte. Deshalb, so Al-Andaluz, verfügten die gerade geborenen Tiere über die Fähigkeit, kleine Fische zu jagen, was sie von der Mutter größtenteils unabhängig macht. Tatsächlich müssen die männlichen Jungtiere zusehen, daß sie in sieben Monaten aus dem Revier der Mutter verschwinden, weil sie sonst von dieser getötet und womöglich auch gefressen werden. Junge Weibchen bleiben vier Monate länger bei der Mutter, bis die Geschlechtsreife einsetzt und sie sich eigene Reviere suchen. Die Gigahydrophidien leben als Einzelgänger und tauchen höchst selten aus dem Meer auf. Für magische Anwendungen ist die alle zwei Jahre abgeworfene Haut sehr praktisch, weil die in ihr enthaltenen Substanzen zur Herstellung wasserbeständiger Farben und regendichter Planen und Zelte gebraucht werden kann. Allerdings ist es sehr schwer, diese Haut zu bergen, weil die Gigahydrophis in der Tiefsee ihre Haut abwirft."
"Sie haben vergessen, zu erwähnen, wie groß die Jungen bei der Geburt werden, Mademoiselle Poissonier", erinnerte Professeur Fourmier daran, daß das noch nicht erwähnt worden sei. "Sieben meter lang und anderthalb Meter dick", fügte Leonie dann noch hinzu. Alle verzogen die Gesichter. Die Jungen mußten sich diese Riesenbabys vorstellen, und die Mädchen dachten wohl an die Schmerzen, die die Mutter auszuhalten hatte. Julius fragte sich, ob diese Riesenschlangenbabys schon größer als der größte Alligator oder das größte lebende Krokodil waren. Er hatte von Aurora Dawn gehört, daß in Australien viele auch tödliche Unfälle mit Meereskrokodilen passierten.
"Nun, Madame Latierre, können Sie uns dann noch erzählen, wovon sich Jungtiere und Erwachsene ernähren?"
"Die Meeresschlangen fressen kleinere Fische, während die Erwachsenen auch mal größere Raubfische wie Haie und Barrakudas jagen. Was aber nicht nach Fisch riecht sehen sie nicht als Beute an. Zwischendurch weiden sie auch Algenwälder ab, um pflanzliche Nahrung zu bekommen", erwähnte Millie.
"Gut. Für jeden von Ihnen zehn Bonuspunkte", beschloß Professeur Fourmier die Befragung. Dann schilderte sie noch den Lebensraum der großen Schlangen, kam darauf, daß sie wohl auch am Grund der Tiefsee leben konnten, wo sie meistens auch den Hautwechsel und die Geburten verrichteten.
"Darf ich dann fragen, wie die mit den Druckunterschieden klarkommen?" Fragte Julius.
"Die Haut ist zwischen den Häutungen sehr dehnbar und kann daher bei geringerem Druck wie eine Ballonhülle erweitert werden", sagte die Lehrerin. "Ansonsten besitzen sie vier Schwimmblasen, um den Auftrieb zu regeln und können ihre Atmung von Lungen auf Kiemen umstellen. Sie müssen also nicht zwangsläufig auftauchen wie Wale oder Robben. Wenn sie aber auftauchen, können sie bis zu zwei Stunden ungefährdet an der Luft bleiben. Meistens tauchen sie aber schnell wieder ab, wenn sie sich beobachtet fühlen."
"Noch eine Frage zur Tarnung", wandte Julius ein. "Ich habe ja erwähnt, daß die Tiere sich für Augen tarnen können. Aber wie sieht das mit Schallwellen aus. In meinem Geburtsland Großbritannien suchen die seit Jahrhunderten schon nach einem Seeungeheuer im schottischen Hochlandsee Loch Ness. Dabei fahren Muggel auch mit Booten, in denen Echolote eingebaut sind, Ortungsgeräte, mit denen Schallwellen ins Wasser abgestrahlt und deren Echos gemessen werden, um Tiefe und Hindernisse zu vermessen. Sonar nennen die Muggel dieses Ortungsverfahren, was übersetzt und zu voller Länge ausgebreitet Schallgestützte Navigation und Abstandsermittlung heißt. Diese Riesenschlangen müßten geniale Sonarziele abgeben. Aber der Umstand, daß Muggel die damit bisher nicht geortet haben läßt mich vermuten, daß sie das irgendwie umgehen können. Wie genau bitte? In den mir zur Verfügung gestellten Büchern steht davon leider nichts."
"Das, was Sie als Sonar bezeichnen existiert ja schon längst bei Meeressäugern und manchen Fischen, wie auch bei Fledermäusen. Es gibt da noch keine verbindlichen Erklärungen. Aber es könnte sein, daß die Schlangen für Schallwellen durchlässig sind, ähnlich wie reine Luft es für Licht ist. Dadurch können potentielle Beutetiere die Gigahydrophis nicht mit diesem Echolotverfahren wahrnehmen, bis sie erwischt werden." Sie wandte sich an den Zauberer am Ruder: "Jacques, wissen Sie, ob das zutrifft?"
"Diese Ortungsmethode kann von uns noch nicht immitiert werden, Agrippine. Ein Delphin-Animagus aus Griechenland will das demnächst ausprobieren. Zum Glück fressen die Gigahydrophidien nur echte Fische und keine Säugetiere."
"Delphin-Animagus", dachte Julius, wohl nicht als einziger. Schon interessant, sich vorzustellen, daß derartige Zauberer damit Studien von Meerestieren betreiben konnten, die Menschen bleibende Zauberer und Hexen auch mit Kopfblasen und Dianthuskraut nicht so gut hinbekamen und dabei auch noch Sonar benutzen konnten. Sie waren so sehr in das Gespräch vertieft, daß sie nicht bemerkten, mit welcher Geschwindigkeit das Boot über das Meer flog. Erst als einer der Segelsetzer mit einer Zauberstabbewegung einen Anker über Bord springen und ins Wasser plumpsen ließ erkannten die meisten, daß sie den Schulstrand nicht mehr sehen konnten. Sie blickten nun auf den gläsernen Boden, wo sie zusehen konnten, wie der Anker seinen Weg nach unten nahm und im Dunkel der Meerestiefe verschwand. Dann blies Jacques, der Steuermann, in etwas, das Julius an ein Didgeridoo denken ließ. Ein sehr tiefer Ton drang in alle Ohren, in den Boden des Bootes und wohl auch weit in die Tiefe des Meeres. Dabei meinten alle, immer tiefer hinuntersehen zu können. Da konnten sie sie sehen, zwei lange Gebilde, die sich durch das Wasser schlängelten und langsam nach oben stiegen.
"Huch, haben Sie die auf diesen Ton abgerichtet?" Fragte Plato Cousteau, als Jacques für einige Sekunden nicht in sein Instrument blies.
"Das ist nicht einfach und geht auch nur bei Männchen, weil dieser Ton wohl von paarungswilligen Weibchen ausgestoßen wird", erwiderte Jacques.
"Vor allem Weib-chen", warf Caroline ein, als sie die beiden Geschöpfe sah, die nun weiter auftauchten. Professeur Fourmier wies sie leise aber unmißverständlich zurecht und erlegte ihr für unerlaubtes Zwischenrufen zehn Strafpunkte auf. Dann konnten sie die beiden Gigahydrophidien durch den Glasboden sehen. Sie schillerten silbern, blau und grün. Das, so die Lehrerin, sei die Werbungsfarbe der Männchen, während die Weibchen ihre Parrungsstimmung durch besagten Ton und eine augenfällige hellblaue Ringmusterung am Hinterleib bekundeten.
"Wenn einer von den Burschen das Boot umschmeißt dann gute Nacht", unkte Estelle Messier. Auch sie erhielt für unerwünschtes Zwischenrufen zehn Strafpunkte. Julius erkannte, daß die Lehrerin wohl gerne Zuckerbrot und Peitsche als Unterrichtsmittel benutzte. Am Lehrertisch hatte sie das nicht raushängen lassen, wohl auch, weil Madame Maxime die absolute Alphastellung besaß und alleine für die Vergabe von Straf- oder Bonuspunkten zuständig war, solange Julius mit ihr zusammen bei Tisch sitzen mußte.
Als die beiden Schlangenwesen mit suchend hin und her schwenkenden Köpfen auftauchten bangten alle, daß die Männchen gleich wütend würden, weil sie keine paarungswillige Artgenossin fanden. Doch sie blieben ruhig. Womöglich lag es daran, daß das Meer den Schall so weit trug, daß die Geräuschquelle bis zu mehreren Dutzend Kilometern entfernt sein konnte. Julius hob die Hand und fragte leise, ob Muggelschiffe mit ihren Motoren die Männchen nicht irritieren konnten. Er sollte dann andeuten, welche Geräusche die Antriebsvorrichtungen machten und ahmte das Rattern eines großen Dieselmotors nach.
"Dadurch können die paarungswilligen Männchen schon unterscheiden, was für sie interessant ist, Monsieur Latierre, weil paarungswillige Weibchen diesen Ton ununterbrochen mehrere Sekunden ausstoßen können", erläuterte Professeur Fourmier. Die beiden gerufenen Männchen schlängelten sich suchend durch das Wasser und blieben dabei weit genug weg vom Boot. Doch von unten tauchten noch mehrere Männchen auf.
"Oha, da haben wir was angerichtet", grummelte Jacques. "Ich wollte euch eigentlich nur ein Männchen rufen und dann das diesen Meeresabschnitt bewohnende Weibchen suchen. Aber so wie das aussieht, hat sie wohl vor uns schon häufig den Lockruf ausgesendet. Und jetzt kommen alle Männchen aus dem Umkreis von tausend Quadratkilometern herbei."
"Dann sollten wir vielleicht doch besser ...", setzte Professeur Fourmier an, als in der Ferne ein Pferdekopf auf einem schuppigen Schlangenhals aus dem Wasser herausstieß und die bleichgrünen Augen auf das Boot richtete. "Die einzige Zeit, wo die erwähnte Scheue nur mittelbar geäußert wird ist die Paarungsstimmung von weiblichen Tieren. Sind sie empfängnisbereit, können sie gegenüber vermeindlichen Konkurrentinnen auch sehr aggressiv auftreten. Da wir gerade den Ruf ausgeschickt haben ... Jacques, Etienne, Bauduin, weg hier!" Die drei Zauberer nickten heftig und zauberten bereits, daß der Anker an seiner Kette zurück ins Boot schnurrte, die Segel sich neu aufspannten und das Boot wendete. Jetzt konnte Julius das auf sie zuschießende Weibchen genau erkennen. Es war silbrig-grün geschuppt und durchpflügte die Wellen auf der Suche nach der angeblichen Konkurrentin. Dabei schwammen bereits mehrere der gerufenen Männchen auf sie zu. Julius dachte, daß das interessante Bilder gebe, wenn ein Wettersatellit oder ein militärischer Beobachtungssatellit genau diese Region überflog. Dafür, daß die Schlangenwesen als recht scheu bezeichnet wurden warfen sich die beiden Männchen sehr ungestüm an das einzige Weibchen dieser Gegend ran. Julius und Millie zwinkerten sich gegenseitig zu. Auch ohne Mentiloquismus erkannten sie, was sie alle mit dem Boot gerade ausgelöst hatten.
"Ich hörte, daß die südamerikanischen Anakondas regelrechte Paarungsknäuels bilden", brachte Leonie nach Erhalt der Sprecherlaubnis zur Sprache. "Ist das hier auch so?"
"Da wir von diesem Akt meistens nichts mitbekommen, da er eher in tieferem Wasser stattfindet, können wir das nicht genau sagen", erwiderte Professeur Fourmier. Da versanken vier zusammengeknäuelte Schlangen auch schon unter Wasser. Drei weitere Männchen nahmen Kurs auf das Gebilde. "Schreiben Sie sich das alle auf, daß diese Tiere offenbar Kollektivkopulation betreiben!" Forderte die Lehrerin ihre Schüler auf. Zumindest würde das erzürnte Weibchen jetzt mit so vielen Verehrern am Hals nicht mehr hinter ihnen herschwimmen. So stoppte das Boot auch wieder, als das Weibchen und sein zusammengerufener Anhang abgetaucht waren.
"Na, ob wir das beobachten können?" Fragte Jacques. Keiner empfand es als voyeuristisch, einer Riesenmeeresschlange bei der Fortpflanzung zuzusehen. Es war ja kein Mensch. So konnten sie durch den Boden des Bootes sehen, wie die verknäuelten Gigahydrophidien immer tiefer hinabsanken, und dabei rhythmisch pulsierten.
"Oha, kann die so viele auf einmal aushalten?" Fragte Plato Cousteau.
"Offenbar schon", erwiderte Professeur Fourmier. Als nach zehn Minuten nichts mehr von den Schlangen zu sehen war, befand sie, andere Meerestiere zu suchen und dabei noch einmal über das Hippocampus-Gestüt zu fahren, da wohl in den nächsten zwei Stunden nicht mehr mit dem Auftauchen der Riesenseeschlangen zu rechnen sei. So fuhr das Boot zu der Stelle, wo unter Wasser ein Gestüt der Pferdewesen mit Fischhinterleibern angelegt war. Von oben hatten sie zwar nur einen Oberflächlichen Überblick, konnten dabei aber ihr erworbenes Wissen um diese Tiere gut anbringen. So verging dann doch der Großteil der Stunde, bis sie wieder zurückfuhren.
"Da Sie alle ZAG-Kandidaten sind werden wir die letzten Wochen bis zu den Prüfungen mit Wiederholungen verbringen, was Ihnen sicher sehr entgegenkommt", beschloß Professeur Fourmier, aus der Improvisation einen weiteren Ablaufplan zu machen. "Bis nächste Woche erwarte ich von Ihnen schriftlich eine Aufstellung aller magischen Wassergeschöpfe, die Sie kennenlernen und studieren durften!" Alle nickten. Wiederholungen in diesem Fach konnten nicht schaden, auch wenn die anderen Lehrer es wohl als nötig ansahen, den Unterricht bis vor die Prüfungen noch mit neuem Zeug vollzustopfen.
Das ging in Zauberkunst bereits gut weiter, wo sie bei Professeur Bellart die höheren Elementarzauber weiterlernten, die Julius bereits auszuführen gelernt hatte. Danach war noch Kräuterkunde, wo Professeur Trifolio den Schülern des weißen und grünen Saales die Handhabung von Spitzwurzlern erklärte, knollenartigen Pflanzen, die grasartige Gewächse auf der Oberseite besaßen, mit denen sie das Sonnenlicht einfingen, aber unterirdisch rankenartige, mit messerscharfen Auswüchsen besetzte Wurzeln besaßen, mit denen sie sich durch das Erdreich wühlen konnten. Zog man sie ohne Handschuhe heraus, konnten sie sich rasch in das Fleisch von Armen und Händen verkrallen, was sehr schmerzhaft und auch gefährlich war, da diese Pflanzen jede Flüssigkeit aufsogen, die ihre Wurzeln erreichten, was ihnen den Beinahmen Vampirknollen eingetragen hatte. An und für sich gehörten diese Pflanzen schon zur Kategorie gefährlicher Pflanzen, wußte Julius. Doch so selten sie in Südeuropa und Nordafrika vorkamen, so selten geschahen auch Unfälle mit diesen Gewächsen. Das Fruchtfleisch wurde in der Zaubertrankbraukunst für Muskelheilungen verwendet, wenn einfache Verletzungsheilzauber nicht ausreichten. Sie waren also die für Muskelneubildung zuständige Entsprechung von Skele-Wachs, das neue Knochen bilden konnte.
Mittags konnten sie Professeur Faucon wieder am Lehrertisch sehen. Ihr Sonderausflug war also beendet. Ihr Gesicht verriet, daß es jedoch kein erfreulicher Ausflug gewesen war. Julius erinnerte sich wieder daran, daß Professeur Tourrecandide noch vermißt wurde. Er würde jedoch morgen bei Verwandlung nicht davon anfangen. Wenn es was gab, was alle wissen sollten, dann würde die Lehrerin es verraten.
Nachmittags stand dann noch Geschichte der Zauberei auf dem Programm, wo sie es von den Beschlüssen zur Reinheit des Goldes für Zauberergeld hatten, um die Galleonen als internationale Währung beizubehalten und damit auch das Münzmonopol der Kobolde und den Frieden mit diesen Zauberwesen zu gewährleisten. Das schlug sich dann auch auf die Wechselkurse von Goldbarren, Edelsteinen und Silber nieder, weil vorher südafrikanische Kobolde die Galleonen größer machten, sie aber in England und Frankreich den selben Gegenwert besaßen und daher Unstimmigkeiten zwischen den Zauberern auslösten, weil die europäischen Kobolde zwei Galleonen für eine südafrikanische Goldmünze hergaben.
"Erst im neunzehnten Jahrhundert erkannten die Kobolde, daß sie sich damit selbst in ihrer Kompetenz beschnitten, wenn sie unterschiedliche Münzgrößen zuließen, wenn es möglich war, daß Zauberer die südafrikanischen Riesenmünzen aufspalteten und als Rohgold in Gringotts abgaben, wobei sie manchmal drei Galleonen für eine Südafrikagalleone erhielten. Seitdem wurde Gringotts eine Weltinstitution, die Goldmünzen prägt, aber auch den Weltgoldbestand aller Filialen ausgleicht. Zu welchen Transferbedingungen ist leider eine koboldinterne Vereinbarung und der Gemeinschaft von Hexen und Zauberern unbekannt", erläuterte Professeur Pallas. "Wir können nur festhalten, daß seit 1850 die Goldgalleone, aufgeteilt in siebzehn Silbersickel zu je neunundzwanzig Bronzeknuts, die globale Währung in der Zaubererwelt ist und durch die Kobolde in eigener Verantwortung sichergestellt wird, daß alle Münzen von Gewicht und Größe her einheitlich sind. Durch die Prägenummern können nicht nur die Prägetage, sondern auch der Münzstandort und der Name des prägenden Koboldes ermittelt werden, so daß auch herauszufinden ist, woher eine uneinheitliche Münze stammt", führte Professeur Pallas aus. Zauberer und Hexen erhielten die Möglichkeit, ihren Goldvorrat wiegen und ihn wertgleiche Münzen umarbeiten zu lassen, wobei die Kobolde eine Bearbeitungsgebühr von zehn Prozent des vorgelegten Goldgewichtes einkassierten. Das hätte fast zu einem neuen Krieg zwischen Zauberern und Kobolden geführt. Die Zwerge, die sich bei dieser Münzreform berufen fühlten, das Münzmonopol der Kobolde zu durchbrechen, wurden per Gesetz verpflichtet, ihre Goldvorräte ausdrücklich bei Gringotts prüfen und gegenwerten zu lassen. Damit wollte die magische Gemeinschaft den völligen Wertverlust durch Zugangsverweigerung zu den Verliesen verhindern, was auch gelang."
"Na ja, aber die Gefahr besteht doch", setzte Laurentine an, nachdem sie durch Handheben ums Wort gebeten hatte, "daß gerade dieses Münzmonopol der Kobolde uns alle von diesen Wesen abhängig macht. Ich meine, wir hätten es doch wohl fast erlebt, als in Julius' Heimat dieser Irre an der Macht war, den hier keiner gerne beim Namen nennt. Die hätten doch alle Verliese zugeschlossen, damit bloß kein Zauberer mehr an sein Gold kommt. Die Wirtschaft der Muggelwelt ist nicht auf ein Münzmonopol ausgelegt, wenngleich das schon stimmt, daß verschiedene Währungen Probleme beim Umrechnen und Raum für Spekulationen mit Währungen machen. Meine Eltern und ich waren häufig in Spanien oder Italien. Mein Vater hat in Deutschland das Reisegeld in D-Mark abgebucht, weil diese Währung in Spanien und Italien lieber gesehen ist als der Franc, dafür halten die einem beim direkten Umtausch auch gleich einiges an Prozenten ein. Wird Zeit, daß wir die Euro-Währung kriegen.""
"Höchst interessante Idee, das mal im Vergleich zur Zaubererweltwährung zu erörtern, Laurentine. Falls deine ZAG-Verpflichtungen es zulassen, könntest du mir bis zur letzten Stunde im Schuljahr ein Referat über die Entwicklung der europäischen Währungen im Vergleich zu dir bekannten Währungen anderer Kontinente und die Erfahrung, die sich für die Muggel daraus ergaben erstellen? Ich weiß, dies ist eigentlich nicht Stoff der Zaubereigeschichtsstunden, kann jedoch im Vergleich zu den Erfahrungen, die die magische Gemeinschaft mit ihrer Währung gesammelt hat sehr gut herangezogen werden", griff Pallas diesen Einwurf auf. Laurentine verzog das Gesicht und überlegte wohl, ob sie diesen verbindlichen Vorschlag annehmen oder ablehnen sollte. Sie wandte dann noch ein, daß das ein Thema für mehrere Referate sei, allein schon was die Entwicklung in Frankreich oder der Bundesrepublik Deutschland anginge, auch weil irgendwann ja beschlossen wurde, das leichtere Papiergeld nicht mehr mit einem wertgleichen Gegengewicht in Gold oder Silber decken zu müssen. Das wäre dann auch für sie etwas zu hoch, da sie sich im Bankwesen nicht sonderlich auskenne, um ein derartiges Referat mit den nötigen Informationen auszufüllen.
"Also grundsätzlich möchtest du das schon zusammenfassen, Laurentine?" Fragte die Lehrerin.
"Wird schwierig, weil ja die anderen Fächer genauso wichtig sind und ich gerne einiges noch mal wiederholen möchte, bevor die Prüfungen sind", erwiderte Laurentine vorsichtig. Zwar galt Pallas als wesentlich lockerer als die anderen. Doch manche Vorschläge konnten leicht Anweisungen sein, wußten hier alle. So sagte sie zu.
Nach der Doppelstunde sagte Céline zu Laurentine: "Toll, jetzt mußt du extra wegen deines Einwandes noch ein Extrareferat hinkriegen."
"Weißt du, Céline, das wird in der letzten Stunde vor den Ferien sein und damit auch in der letzten Stunde Zaubereigeschichte überhaupt. Oder denkst du, trotz aller Theatereinlagen und greifbaren Beispiele will ich das nach den ZAGs weitermachen? Die anderen Sachen werden in den UTZ-Jahren schwieriger. Wenn ich da ein Fach weniger habe nutze ich das aus", erwiderte Laurentine. Céline nickte. Auch sie würde wohl keine Zaubereigeschichte mehr haben, wenn die ZAGs gelaufen waren. Julius fragte sich, ob es ihm nicht doch was brächte, dieses Fach zu behalten. Andererseits waren die wirklich interessanten Sachen in der Zaubereigeschichte so lange her, daß das in keinem heutigen Buch drinstand. Da hatte er eine bessere Informationsquelle als den Unterricht.
"Ist schon angenehmer, nicht mehr auf eine Trittleiter zu müssen, wenn ich muß", verriet Julius Robert, mit dem er nach dem Abendessen kurz das Jungenklo der Grünen besuchte. "Obwohl das erst etwas mehr als einen Tag her ist kommt mir das jetzt schon wieder so weit weg vor."
"Ich stell mir das auch komisch vor, zum Pieseln auf 'ne Leiter klettern und einen Zwischensitz runterklappen zu müssen", meinte Robert. "Aber interessant wird's ja wohl doch gewesen sein, mitzukriegen, was wir anderen nie mitkriegen können, oder?"
"Ja, das war es zwischendurch echt", gestand Julius ein, ohne auf Einzelheiten einzugehen.
"Na ja, ich hätte wohl nicht die Nerven gehabt, drei Monate mit der Maxime zusammenzuhängen", gestand Robert seinem Klassenkameraden ein.
"Ich kann froh sein, daß ich nur da durch mußte und nicht als Schlangenmensch geendet habe oder durch abgedrehte Zauber echt zu ihrem Baby habe werden müssen."
"Infanticorpore? Uaaa!" Entgegnete Robert und verfehlte beinahe das Becken. Julius dachte nur, daß es auch noch extremer hätte laufen können. Doch davon wollte er Robert nicht auch noch was erzählen.
Er war froh, wieder im Schach-Club mitspielen zu dürfen, auch wenn das Turnier bereits so gut wie erledigt war. Jedenfalls bot ihm das eine gute Entspannung. Die nächsten Wochen würden ungleich schwieriger werden, wußte er.
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Die erste Stunde bei Professeur Faucon empfand Julius als anstrengend. Nicht weil sie ihm Sachen abverlangte, die eigentlich schon UTZ-Standards waren, sondern weil sie regelrecht verknirscht aussah und jedesmal, wenn sie ihn ansah den Eindruck vermittelte, als habe er ihr was getan. Doch weil sie merkte, daß ihr Blick ihm sowas vorgeben mochte, sah sie ihn nach einer Sekunde immer so an, wie sie ihn und die anderen immer ansah, wenn sie erwartete, daß sie alle das gaben, was sie konnten und nicht nur, was sie meinten, bringen zu müssen, um genug Ruhe zu haben. Er unterdrückte den Wunsch, sie offen zu fragen, ob er oder sonst wer aus seiner Umgebung etwas getan hatte, was ihr nicht gefiel. Dann solle sie das bitte sagen. Was Tourrecandide anging hatte nichts in den Zeitungen gestanden. Da ging es gerade um die ausstehenden Verhandlungen gegen die erwiesenen Betreiber der Friedenslager und die Debatte um einen Entschädigungsanspruch gegenüber erwiesenen Todessern, nachdem die Lage in Großbritannien nach der Tyrannei der Todesser und der überschwengichen Freude über das Ende Voldemorts langsam zum Alltag zurückkehrte. Zaubereiminister Shacklebolt hatte bereits Kontakt zu Zaubereiministern in aller Welt aufgenommen und hatte sogar schon Besuch aus Deutschland, Spanien und Österreich empfangen. Die Besucher wwaren alle unversehrt in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Der Fluch der Feindesvernichtung war mit Voldemorts Ende erloschen.
Nach dem Mittagessen fanden die Bewohner des grünen Saales mehrere Aushänge in ihrem Aufenthaltsraum vor. Es waren Qualifikationsanforderungen verschiedener Firmen und Behörden der Zaubererwelt, sowie eine von Professeur Faucon eigenhändig verfaßte Mitteilung. Julius hatte sie schon mehrmals zu sehen bekommen. Das gehörte zum Vorlauf der ZAGs wie Kerzen auf den Geburtstagskuchen. Doch diesmal galt diese Mitteilung für Laurentine, Céline, Gérard, Robert und ihn selbst. So las er sie nun mit der entsprechenden Wertschätzung:
Sehr geehrte ZAG-Kandidaten!
Nun haben Sie es endlich erreicht, daß Sie beweisen dürfen, was Sie in den vergangenen fünf Jahren erlernt und verinnerlicht, erprobt und erwiesen haben. Sie stehen unmittelbar vor der wichtigen Zwischenprüfung zum Erwerb der allgemeinen Zauberergrade (ZAG), die Ihnen und der magischen Gemeinschaft zeigen, wofür Sie Talent, Befähigung und Einsatzbereitschaft in die Waagschale werfen konnten. Selbstverständlich setze ich bei Ihnen aus dem grasgrünen Saal ein sehr breites Band an Befähigungen und Interessen voraus und erhoffe für Sie, daß Sie durch die Prüfungen nicht zu vorschnell auf einen eng begrenzten Bereich der magischen Tätigkeiten eingeschränkt werden. Denn Sie wissen sicherlich, daß wir vom Lehrkörper die Auswahl der UTZ-Schüler an bestimmte Mindestanforderungen knüpfen müssen, um zu gewährleisten, daß die Qualität der Ihnen zu vermittelnden Ausbildung auf hohem Niveau bleibt und Ihnen damit größtmögliche Erfolgsaussichten für Ihr berufliches, aber auch privates Leben als vollwertiges Mitglied der magischen Gemeinschaft gewährt wird. Insofern sind die ZAGs eigentlich die wichtigsten Hauptprüfungen, die Sie hier in Beauxbatons bestehen, weil hierbei ermittelt wird, in welche Richtung Sie Ihre künftigen Anstrengungen lenken und welche Zukunft Ihnen dadurch offenstehen mag. Sicherlich haben Sie sich bereits gefragt, was Sie nach erfolgreichem ZAG- und UTZ-Examen tun möchten. Die einen fühlen sich der Zauberkunst zugeneigt und werden darauf ausgehen, derartige Berufs- oder Studienwege anzutreten. Für andere mag es eher der Umgang mit magischen Tieren oder Pflanzen sein, oder das Kreativität, Talent und Disziplin vereinende Feld der Transfiguration sein, wo jene, die darin den nötigen ZAG erwerben, in den höheren Verwandlungen bishin zur vollständigen Selbstverwandlung unterwiesen werden. Anderen könnte eine berufliche Karriere im Schutz der magischen Mitmenschen offenstehen. Wie erwähnt erhoffe und erwarte ich, daß Sie alle möglichst viele hochwertige ZAGs erwerben, um einen großen Entscheidungsspielraum zu behalten. Denn, Mesdemoiselles et Messieurs, Die erfolgreiche Teilnahme an den ZAG-Prüfungen stellt einen reinen Gewinn für Sie persönlich dar. Sie lernen und arbeiten nicht für uns Lehrerinnen und Lehrer, sondern für Ihre ganz eigene Zukunft, die Möglichkeiten, ein eigenes, vielseitiges und einträgliches Leben führen zu können und dabei weitere Zugewinne zu erzielen, nicht nur was materielle Güter angeht, sondern auch den geistigen Reichtum betrifft. Wissen und Anerkennung gehören genauso zum Leben dazu wie das tägliche Brot und das schützende Dach über dem Kopf.
Unabhängig davon, ob Sie wissen, was sie nach den UTZs unternehmen möchten oder nicht und ebenso unabhängig davon, was Sie bereits darüber wissen, welche Ausbildungsgrundlagen sie dafür mitbringen müssen oder nicht, bietet die Akademie von Beauxbatons jedem ZAG-Kandidaten eine ausführliche Beratung bei dem Vorsteher des von Ihnen bewohnten Saales an. Verstehen Sie dieses Angebot nicht als verpflichtend, sondern als hilfreiche Möglichkeit, Ihren Werdegang nach den ZAG- und UTZ-Prüfungen mit sicherem Gespür und genauer Überlegung planen zu können. Falls Sie dieses von der Akademie unterbreitete Angebot wahrzunehmen wünschen, senden Sie mir bitte innerhalb der nächsten zwei Schultage eine Eule oder übergeben Sie mir einen Zettel mit einer Bitte um Terminabsprache mit Datum und Unterschrift. Sie werden dann innerhalb der zwei folgenden Schultage per Eulenpost oder direkter Übergabe eine schriftliche Bestätigung mit dem Termin erhalten, zu dem ich Sie beraten kann. Ich weise Sie jedoch darauf hin, daß ich in dem Moment, wo Sie den Termin von mir erhalten, davon ausgehen muß, daß Sie sich pünktlich einstellen und ihn nicht versäumen und somit den gleichen Bedingungen unterworfen sind, die Ihre Teilnahme am Unterricht regeln. Der Beratungstermin überwiegt alle anderen außerschulischen Verpflichtungen und Absprachen. Sollten Sie befinden, daß Sie eine derartige Unterredung nicht wahrzunehmen brauchen, verzichten Sie darauf, mich um einen Termin zu bitten! Ich werde niemanden dazu zwingen, sich beraten zu lassen. Allerdings gilt dieses Angebot nur für ZAG-Kandidaten kurz vor der Prüfung. Nachträgliche Beratungswünsche werden von mir und meinen Saalvorsteherkollegen nicht mehr entgegengenommen.
Ich wünsche jeder und jedem von Ihnen, daß Sie an den kommenden Prüfungstagen wohl auf sind und den Lohn für Ihren Fleiß und Ihre Aufmerksamkeit erwerben, den Sie verdienen.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Blanche Faucon
"Gehst du dahin?" Fragte Laurentine, die sich auf die Zehenspitzen gestellt hatte, um über Julius' nun breite Schultern hinweg mitlesen zu können.
"Ups, du hättest doch einfach nur sagen müssen, daß du das auch lesen willst, Laurentine", sagte Julius leicht verstört. Dann antwortete er: "Ich gehe dahin. Jeanne und meine Schwägerin Martine haben unabhängig voneinander erwähnt, daß bei diesen Beratungen auch rauskommt, wo es in den Fächern noch gelb oder gar rot blinkt und wo es schon grün ist. In Hogwarts suchen sich die Lehrer die Schüler auch nach der Höhe der ZAGs aus. Da ist Akzeptabel alleine nicht ausschlaggebend. Snape - wo immer ihn sein Tun letztendlich hingebracht hat - wollte für Zaubertränke nur Leute mit einem Ohne-Gleichen-ZAG in Zaubertränke, hat Aurora Dawn mir erzählt. Deshalb waren bei dem in ihren UTZ-Jahren auch nicht gerade viele Leute im Kurs. Professor McGonagall hat für den UTZ-Unterricht Verwandlung einen ZAG "Erwartungen übertroffen" sehen wollen. Flitwick war im Punkte Zauberkunst schon mit einem Akzeptablen ZAG zufrieden. Zauberkunst gehört ja doch irgendwie zum Alltag, egal was du nach der Schule so machst. Wenn ich zur Beratung gehe, kriege ich das auch raus, was die Lehrer hier als Mindesthöhe ansetzen. Drunter durch laufen ist wohl bei denen auch nicht."
"Denkst du, daß ist auch hier so?" Fragte Laurentine. "Ähm, hat Belle Grandchapeau mal was drüber gesagt, mit welchen ZAGs sie die Fächer gemacht hat, bei denen du mitlernen mußtest oder durftest?"
"Nöh, die Frage habe ich nicht gestellt. Ich ging einfach davon aus, daß sie die ZAGs bestanden hat und sich dann locker aussuchen konnte, welche Fächer sie nehmen wollte", erwiderte Julius. "Wie erwähnt möchte ich das von Professeur Faucon wissen, was ich wo schon sicher habe. Außerdem darf ich ja nicht mehr nur für mich alleine planen. Stell dir vor, Millie will Hausfrau sein, dann muß ich sie, mich und alle Kinder mitversorgen, die wir dann haben werden. Da kann ich mich nicht mit einem popeligen Beruf für zehn Sickel die Stunde an ein Fließband oder was immer stellen."
"Die haben Gold wie die Amis in Fort Knox", grummelte Laurentine. "Die könnte eher dich ins Haus setzen und dich durchfüttern und bei der Gelegenheit noch so viele Kinder von dir kriegen wie deine Schwiegeroma", sagte Laurentine und zog Julius von der Wand weg, weil Robert und Céline auch mal lesen wollten. Julius ließ es sich gefallen, daß sie ihn an einen gerade freien Tisch lotste und ihm einen Stuhl zuwies. Als beide dann saßen sagte sie noch: "Wahrscheinlich möchte sie aber haben, daß du was machst, wofür du lebst. Nur die willige Drohne zu sein liegt dir ganz sicher nicht."
"Ich denke auch nicht, daß Millie echt nur Hausweibchen sein möchte. Du etwa?"
"Moment, ob ich denke, daß sie das sein will oder ob ich das sein will, Julius?"
"Stimmt, war mißverständlich", erkannte Julius und legte sich fest, ob sie einfach nur im Haushalt arbeiten wollte.
"Abgesehen davon, daß ich eh nicht mehr das machen kann, was meine Eltern von mir verlangt haben, nämlich nach der Zaubereiausbildung noch einen Hochschulreifegrad der Muggelwelt zu erwerben und damit eine rein magielose Ausbildung zu machen liegt mir auch nichts daran, als reine Hausfrau zu leben. Das habe ich nicht in den Erbanlagen. Meine Mutter mag zwar etwas verwöhnt sein, weil Opa viel Geld mit seinem Musikgeschäft macht und Papa bei Ariane Space eine Menge Geld verdient. Aber sie hat auch studiert und mehrere Sprachen gelernt und das nicht, um die Bedienungsanleitung koreanischer Fernseher oder japanischer Waschmaschinen lesen zu können. Außerdem, und das wissen du und Céline ja ganz genau, möchte ich Claires Andenken bewahren und etwas machen, wofür sie viel Zeit bei mir gebraucht hat, um es mir beizubringen, obwohl sie da häufig einem Betonkopf gepredigt hat."
"Ich denke auch daran, daß Sie möchte, daß ich das, was ich von ihr mitbekommen habe anbringe, um anderen damit zu helfen oder einfach nur Spaß zu machen, ohne andere Leute zu schädigen. Aber daraus sehe ich, daß du auch hingehen möchtest."
"Ich hoffe nur, daß Professeur Blanche Faucon dann etwas besser drauf ist als heute morgen. Ich habe echt gedacht, ich hätte mal wieder was verkehrt gemacht, obwohl ich mich in den letzten anderthalb Jahren ja echt mehr reingehängt habe als ich eigentlich wollte."
"Das Ding mit Voldemort hat sehr tiefe Erinnerungen wieder hochgespült, Laurentine. Ich denke, sie muß jetzt an vieles denken, was in den letzten Jahren so gelaufen ist. Irgendwer soll mal den Spruch gebracht haben, daß das traurigste nach einer verlorenen Schlacht eine gewonnene Schlacht sein soll."
"Der kleine dicke Korse war das, Julius, Napoléon Bonnaparte."
"Hui, woher hast du das so genau?"
"Von meinem Opa väterlicherseits. Der war als ganz grüner Junge an der Westfront und hat für Führer Schreihals Paris eingenommen. Dabei sind ein paar Kameraden von ihm gefallen. Als die Alliierten ein paar Jahre später Paris zurückerobert haben, sind noch ein paar Kameraden gefallen, einer davon bei der Landung in der Normandie."
"Toll, wie mein Großonkel, dessen Vornamen ich bekommen habe", erwiderte Julius bekümmert.
"Du könntest aber recht haben, daß Professeur Faucon jetzt an alle die denken muß, die sie an diesen irren verloren hat und sich fragen, warum der überhaupt so groß werden konnte, wenn ein ganz junger Zauberer den dann fertigmachen konnte."
"Na ja, dieser ganz junge Zauberer hat dafür mehrmals seinen Allerwertesten riskiert und bestimmt noch was machen müssen, um überhaupt stark genug zu sein, um gegen den großen, bösen Hexenmeister antreten zu können. Tja, und dann hatte der wohl auch noch ein Riesenglück, daß dieser Mistkerl sich mehrmals kräftig überschätzt hat." Beinahe hätte er Laurentine gesagt, daß er es ja live hatte mitverfolgen können. Doch das mit der Zweiwegespiegelverbindung wollte und durfte er nicht rumgehen lassen. Für ihn war das dann Aurora Dawn gewesen, die ihm das berichtet hatte. Daß sie für ihn mit Hogwarts in Kontakt war wußten hier eh alle.
"Also ich gehe dahin", stellte Laurentine mit entschlossener Miene klar. "Wenn es noch was gibt, was ich bei den Prüfungen besser hinkriegen kann, sollte ich das machen, allein schon, um das endgültig mit meinen Eltern klarzukriegen, daß ich hier auch die UTZs mache."
"Ach, wollen die immer noch nicht, daß du hier fertig lernst?"
"Professeur Pallas und Professeur Fixus haben meinen Eltern angedeutet, daß ich bei mehr als der hälfte aller Fächer verzockten ZAGs entweder das Jahr noch mal neu machen muß oder entlassen werde. Jetzt träumen meine Eltern natürlich davon, daß ich die Akademie so satt habe, daß ich die ZAGs verhaue und dann von ihnen hier weggeholt werden kann um vielleicht doch noch in einem Privatunterricht auf die Hochschulreife hingepaukt zu werden. Aber da haben die sich gründlich geschnitten. Jetzt sehe ich zu, daß ich mehr als die Hälfte der ZAGs auch kriege, und wenn's ein rein Bestanden in Zaubereigeschichte ist. In Astronomie bringe ich wohl einen guten bis sehr guten ZAG hin, genau wie du. Die anderen Fächer könnten gerade so gehen, falls ich nicht ein Superformhoch habe und die mir Sachen vorlegen, die ich locker bringen kann."
"Auf Glück und Formhoch hoffen wir ja alle. Das ist ja längst nicht sicher, daß ich alle ZAGs im grünen Bereich nach Hause bringe, auch wenn Madame Maxime mir dann einen Heuler schicken sollte, wenn ich nur einen verbocke. Deshalb will ich ja auch zur Beratung, um zu wissen, wo ich vielleicht noch was stemmen muß. Pech für mich ist nur, daß die Lehrer mich in den letzten Monaten nur nach den abgegebenen Hausaufgaben bewerten können."
"Ich denke schon, daß Madame Maxime denen einen Abschlußbericht gibt, ob sie dich für ZAG-tauglich hält. Sonst hätte sie dich wohl gestern nicht mehr laufen lassen."
"Gut, das mit den Ringen lag nicht an meinen Leistungen, sondern an der Bluttransfusion, Laurentine."
"Weiß ich doch. Aber wenn die jetzt, wo du für wieder ausbalanciert erklärt wurdest, findet, daß du die ZAGs verhauen könntest, hätte sie dich noch ein paar Wochen bei sich behalten, um dir das nötige beibringen zu können." Julius mußte unwillkührlich nicken.
"Bébé, machst du schon klar, wann ihr beide zusammen hingehen könnt?" Fragte Céline, als sie zu ihnen herüberkam.
"Die würfelt eh aus, wen sie aufruft", sagte Julius. "Könnte also auch sein, daß du und ich hintereinander drankommen. Ich weiß ja auch gar nicht, wie lange die für jeden einzelnen einräumt. Wir sind zusammen acht Leute und sie hat noch die Hausaufgaben und den Freizeitkurs. Den wird sie wohl nicht als Termine verplanen, was heißt, daß am Donnerstag keine Beratung stattfindet. Die ZAGs fangen am ersten Montag im Juni an, und heute ist der vierzehnte Mai. Ich gehe auch davon aus, daß die Wochenenden keine Termine angesetzt werden, weil sie sonst nicht geschrieben hätte, daß die Termine alle Freizeitverpflichtungen überlagern. Somit bleiben ihr nur sechs Tage, weil die zwei Wartetage für die Eulenpost und zwei Tage für die Antwort abgezogen werden müssen. Unterricht, Essen und Schlafen abgezogen blieben pro Tag vielleicht anderthalb freie Stunden, macht zusammen neun Stunden. Durch acht Personen ergibt das eine Stunde sieben Minuten und dreißig Sekunden. Piep!"
"Hui, mir wird schwindelig", seufzte Céline, während Laurentine Julius vergnügt angrinste.
"Na ja, aber ich werde wohl keine eins komma eins zwo fünf Stunden brauchen, um mit ihr zu klären, was ich mal machen will und ob ich mir das gleich abschminken kann oder nicht", erwähnte Laurentine dann noch.
"Schon gar nicht, wenn du dir anguckst, was die ganzen Leute haben wollen, die Berufsangebote hier ausgehängt haben", erwiderte Julius und deutete auf die bunten Zettel am schwarzen Brett. Dabei war auch ein Ausbildungsangebot der Delourdesklinik, sowie ein in Grasgrün gehaltenes Schreiben Camille Dusoleils und ein goldgerahmtes Angebot von Gringotts. Er wartete, bis die anderen Klassenkameraden das Angebot Professeur Faucons gelesen hatten und betrachtete dann die Aushänge der Firmen und Behörden:
Büro für den Kontakt zur magielosen Welt sucht Mitarbeiter mit guten Kenntnissen im Bereich der magielosen Welt, sowie praktischer Zauberkunst, Verwandlung und Apparitionslizenz. Als Charaktereigenschaften werden Einfühlungsvermögen, eine schnelle Auffassungsgabe, Geduld und viel Humor empfohlen", las Julius Laurentine und Céline vor. Laurentine grummelte, während Céline meinte, daß das wohl hinkommen würde. "Als hätten die das für dich ausgehängt, Julius. Du hast auf jeden Fall mehr Humor als Bébé", feixte Céline Dornier. Laurentine grummelte wieder.
"Ich denke, meine Mutter wird da weiterarbeiten, wenn Sandrines Mutter sie aus dem Schuldienst freigibt."
"Dann kommt die erst mal zu uns rüber", meinte Céline. "Oder stimmt das nicht, daß deine Mutter durch irgendwas selbst zur Hexe geworden ist, nachdem sie mehr als zwanzig Jahre als Muggel gelebt hat?"
"Sie hat es vor Gericht ausgesagt, daß sie eigene Zauberkräfte erworben hat, die weit nach der Geburt aktiviert wurden. Aber sie wird nicht nach Beauxbatons kommen. Laut der Heilerverordnungen dürfen die auch Leuten, die durch irgendwas erst nicht und dann doch wieder Zaubern können Grundtraining geben. Auf das berufen sie sich ja schon, seitdem Pétain vor Gericht stand."
"Die Heiler. Da könntest du wohl auch einsteigen. hier! Die Delourdesklinik bietet eine Ausbildung für jeden einfühlsamen und aufmerksamen Adepten, männlich oder weiblich, der oder die in den Fächern praktische Zauberkunst, Angewandte Alchemie, Herbologie, Protektion gegen destruktive Formen der Magie, und Transfiguration UTZs über Akzeptabe erringt. Geduld und Durchsetzungsvermögen werden hier als nötige Charakterzüge vorausgesetzt. Na ja, Durchsetzungsvermögen müßtest du vielleicht noch verbessern, wenn du aus Beauxbatons raus bist." Julius mußte gegen den ersten Eindruck grinsen. Wollte Laurentine ihn wieder mit dieser Schrumpfgeschichte aufziehen? Dann sagte er:
"Die meinen das auch so, daß du dir von durchgeknallten und paanischen Leuten nicht vorschreiben lassen darfst, was du wann zu machen hast. Da habe ich mehrere an der Hand, die mir da raten können, ob das was für mich ist."
"Oder hier", sagte Céline, auf einen blauen Zettel deutend. "Ganymed sucht Besenentwickler. Voraussetzungen: UTZ Ohne Gleichen in Zauberkunst, Protektion gegen destruktive Formen der Magie und angewandte Alchemie, sowie mindestens 1000 nachgewiesene Flugstunden, Teilnahme am Schulquidditch, mindestens erfolgreich und Apparitionslizenz mit mindestens 80 Punkten."
"Wie, will dein Vater nicht mehr arbeiten?" Fragte Laurentine.
"Aber hallo, die haben im Moment volle Auftragsbücher für den Zehner, und sie entwickeln ja schon die nächste Besengeneration, nachdem durchgesickert ist, daß in den USA dieser sprungfähige Besen von Bronco in Serie gegangen ist."
"Dann kannst du auch gleich in die Liga rein", meinte Robert, der ebenfalls an das schwarze Brett herangetreten war. "Die Pelikane suchen einen Jäger, die Dijon Drachen suchen einen Hüter, und die Mercurios suchen einen Reservejäger. Oh, Polonius Lagrange wechselt ja zu den Drachen rüber. Hat sich bei deinen Fast-Nachbarn wohl nicht wohlgefühlt, wie?"
"Vielleicht haben die ihn auch nur abblitzen lassen, weil er der Superstar der Liga war und meinte, alleine die ganzen Spiele gewinnen zu können", knurrte Julius. Er wußte natürlich um die verschiedenen Reibereien zwischen Bruno Dusoleil und Polonius Lagrange, Belisamas und Seraphines Vetter. Offenbar hatten die von den Mercurios überdacht, daß ein Superstar eine Mannschaft eher schwächen als stärken konnte. So sagte er nur, daß er sich das mit dem Quidditch überlegen würde, um dann Camille Dusoleils runde Handschrift zu lesen:
An alle die, die in diesem Jahr die Zauberergrade in Beauxbatons erwerben möchten!
Sicherlich haben Sie alle sich schon gefragt, warum Sie die ganzen Jahre mit magischen Pflanzen vertraut gemacht wurden, einige davon sehr gefährlich, andre einfach nur eklig. Womöglich fragen Sie sich auch, ob es sich wirklich lohnt, einen Zauberergrad in Kräuterkunde zu erwerben. Dazu haben Sie das Recht. Andererseits haben Sie gelernt, daß viele der Pflanzen wichtige Heilstoffe enthalten oder einfach nur schöne Zierpflanzen sind, die bei richtiger Pflege Gärten und Parks schmücken. Falls Sie jedoch zu denen gehören, denen es sehr viel Spaß macht, die magischen Pflanzen zu pflegen oder zu erforschen, und wenn Sie geduldig sind und Freude am Lebendigen haben, interessiert es Sie vielleicht, daß in Millemerveilles ein wunderschöner Zaubergarten ist, der mit vielseitigen Zauberkräutern bepflanzt wurde und immer wieder erhabenes wie überraschendes zu bieten vermag. Wenn Sie also denken, in Zauberkräuterkunde eines Ihrer Lieblingsfächer gefunden zu haben, und zudem noch gut in Zauberkunst und apparieren sind, sprechen Sie nach den UTZs doch bitte bei mir vor
Camille Dusoleil, Millemerveilles
"Diesmal doch eher formal", stellte Julius fest. Er wußte auch, daß Camille meistens in fröhlichen Sätzen über ihre Arbeit schrieb. Daher wunderte es ihn ein wenig, daß sie sich diesmal so förmlich ausdrückte. Konnte daran liegen, daß sie gerade im Wochenbett lag, sofern Madame Matine sie dort hatte festbinden können. Außer diesen rein privaten Anzeigen bot das Ministerium noch Stellen in den Abteilungen Strafverfolgung, Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe und internationale magische Zusammenarbeit an. Für ZaG-Kandidaten war das zwar ein wenig früh, derartige Stellen anzubieten. Doch durch Didiers Diktatur und die Übergriffe der Schlangenmenschen fehlte dem Ministerium fachkundiges Personal, wußte Julius. Es gab einiges, was ihn ansprach. Aber im Ministerium arbeiten, nachdem, was er mit überängstlichen oder machtgierigen Leuten erlebt hatte? Falls er an so einen Vorgesetzten geriet könnte er finden, daß er lieber den Zehn-Sickel-Job machen würde. Doch davor mußte er eh die UTZs schaffen. Aber einen Zehn-Sickel-Job boten die hier nicht an, stellte er schmunzelnd fest. Dann meinte er zu den anderen: "Jede Menge Zeug, was hier möglich ist. Am besten klären wir das einzeln mit Professeur Faucon."
"Vor allem mußt du ja noch fragen, was deine Frau vorhat. Wenn die dich nicht auf einen Testbesen steigen lassen will, bevor bei der nicht das vierte oder fünfte Kind zur Türe rausgekullert ist, kannst du das Angebot von Ganymed vergessen. Und Millie weiß auch, wie gefährlich die Pflanzen in der grünen Gasse sein können", feixte Robert.
"Frage doch Céline, was sie möchte, das du tust!" Erwiderte Julius. Céline funkelte ihn zwar dafür an, mußte dann aber verhalten grinsen. Robert grinste überlegen und meinte: "Célines Eltern wollen erst wissen, was ich im Monat nach Hause bringe, bevor sie ihr erlauben, mich auf den Besen zu holen."
"Klar, Robert", grummelte Céline. "Hast dich von meinem Vater schön einschüchtern lassen."
"Ist doch klar, daß der nicht will, daß du wen heiratest, mit dem du kein eigenes Haus haben kannst", erwiderte Robert verdrossen. Offenbar hatte der sich wirklich von Célines Vater einschüchtern lassen. Julius hielt sich da schön raus. Er wollte nicht in einen Streit zwischen festen Freunden reingezogen werden. Viel zu wichtig empfand er es, jetzt eigenständig entscheiden zu können, wo er wann hinging und daß er sich wieder frei unterhalten konnte, ohne zu überlegen, ob Madame Maxime ihm dafür Strafpunkte verpassen würde oder nicht. Es gab eben Sachen, die wurden erst dann richtig geschätzt, wenn sie für eine bestimmte Zeit nicht möglich waren. Das hatte er zwar schon sehr schmerzlich lernen müssen, als sein Vater und Claire für ihn unerreichbar aus der Welt verschwanden. Um so mehr freute er sich jetzt über die zurückerhaltenen Freiheiten.
"Wann schickst du deine Eule los, Julius?" Fragte Laurentine ihn, als sie sah, daß er sich von Robert und Céline zurückzog, die nun in einen leisen aber wohl unaufschiebbaren Streit gerieten.
"Gleich noch, Laurentine. Kommst du mit?" Sie nickte ihm bejahend zu.
Nachdem Julius seine Eule Francis mit der Anfrage nach einem Termin mal eben zu Professeur Faucons Sprechzimmer losgeschickt hatte, warf er sich auf die Hausaufgaben, um vor dem Zauberwesenseminar noch was wegzuschaffen. Das Seminar würde die erste Gelegenheit sein, Madame Maxime wieder näher als zwanzig Schritte zu kommen. Sollte er sie fragen, ob sie das Riesenbabybett und den Zwischensitz im Badezimmer schon hatte ausbauen lassen? Dumme Frage, dachte er. Das war so schnell hingestellt worden und konnte noch schneller wieder abgebaut werden. Also brauchte er die Frage gar nicht zu stellen.
Im Zauberwesenseminar ging es noch einmal um die Riesen. Madame Maxime wirkte dabei wieder sehr angespannt, als müsse sie aufpassen, nicht zu explodieren.
"Es ist nun mittlerweile erwiesen, daß bei der nun fraglos historisch zu nennenden Schlacht um Hogwarts drei männliche Riesen beteiligt waren, von denen einer durch einen Erstickungszauber umkam, während die beiden verbliebenen bis zum Ende jenes Zauberers, der sich Lord Voldemort nannte - Jetzt müssen Sie sich nicht mehr so erschrecken!" Viele der Anwesenden außer Millie und Julius waren bei der offenen Nennung des Namens zusammengefahren. "Was wollte ich sagen? Ach ja! Die beiden verbliebenen Riesen hielten sich bis zum Ende des Massenmörders in der Nähe von Hogwarts auf und konnten später von den Experten für die Beseitigung gefährlicher Geschöpfe in den Bergen Schottlands gestellt werden. Ihre Beseitigung erschien den Ministeriumszauberern angebracht. Nun erhielt ich gestern eine Mitteilung, daß es am vierten Mai in einem Dorf im schottischen Hochland zu mehreren Zwischenfällen mit marodierenden Riesen kam. Dabei wurden mehr als fünfzehn von ihnen mit magischen Waffen wie verstärkten Eisenspeeren und Armbrustbolzen erschossen. Alle männlichen Riesen fielen dem Vergeltungsschlag, der als sicherheitsrelevante Maßnahme ausgegeben wurde, zum Opfer. Es wird jedoch sehr stark angenommen, daß es mindestens ein weibliches Exemplar geschafft hat, den Kämpfen zu entgehen."
"Entschuldigung, Madame Maxime", bat Julius ums Wort. Sie nickte ihm zu. "Wenn die Riesen eine Hilfstruppe für diesen Lord Voldemort darstellen sollten - Och nöh, Leute!" Wieder zuckten viele zusammen. "Dann frage ich mich, warum die meisten von denen nicht an der Schlacht teilgenommen haben. Die hätten hogwarts doch in Schutt und Asche legen können."
"Das ist eine Frage, die ich gerne selbst beantwortet bekäme", sagte Madame Maxime. "Wie erwähnt erhielt ich diese Mitteilung erst gestern. Wahrscheinlich ist es zumindest, daß er die Zerstörung von Hogwarts nicht beabsichtigte und er wegen des einmal ausgelösten Gewaltrausches der riesen nicht alle von ihnen hatte dabei haben wollen." Julius nickte. Sie wirkte dabei immer noch so, als müsse sie jedes einzelne Wort genau überdenken. Offenbar ging ihr das Schicksal dieser Riesen näher als sie selbst zugeben würde.
"Wir haben im Zaubereigeschichtsunterricht gelernt, daß die reinrassigen Riesen unberechenbar sind. Und die Angelegenheit, warum Julius hier drei Monate bei ihnen wohnen mußte, um nicht sich und uns aus irgendeiner Laune heraus umzubringen zeigt doch, daß Sie und alle Zauberwesenexperten das immer befürchten müssen", wandte Corinne ein und sprach schnell weiter. "Wie solten wir Ihrer Meinung als Expertin für Zauberwesen nach mit den Riesen umgehen?"
"Nun, es gibt einen Grundsatz, der für Menschlichkeit und Achtung der Mitgeschöpfe steht: Leben und leben lassen", antwortete Madame Maxime leicht verknirscht. Doch dann sagte sie ohne mitschwingende Gefühlsregung: "Wir können nicht ganz sicher sein, es bei reinrassigen Riesen - ich werte Ihre Betonung auf dieser Unterscheidung als Hinweis, daß sie nicht reinrassige Riesen für intelligent und nicht für wilde Tiere halten - ebenso keine wilden Tiere sind. Sicher, sie sind ohne nach außen wirkbare Zauberkraft und legen ein äußerst brutales Gebahren an den Tag. Doch es wäre sicher kein Problem, Kolonien in den für Menschen unzugänglichen Regionen der Erde einzurichten, in denen sie ihr eigenes Leben führen dürfen, ohne zur Gefahr für Menschen zu werden. Für mich ergibt sich eine Doppelmoral, daß Drachen eigene Reservate haben dürfen, bei den Riesen aber häufig, wenn auch nicht von Ihnen allen hier, nach restloser Ausrottung der ganzen Art gerufen wird. Sicher wird der ein oder andere jetzt einzuwenden wagen, daß sich drachen nicht so einfach töten lassen und eine Unterbringung in einem Reservat leichter sei. Aber ähnliches dürfte auch den Riesen zustehen. Mir ist bewußt, daß diese Lebewesen sehr gefährlich sind und daher tunlichst nicht in unmittelbarer Nähe von menschlichen Ansiedlungen leben dürfen. Aber ich möchte Sie alle bitten, diese Geschöpfe nicht als von vorne herein böse einzustufen, nur weil sie dem archaischen Gesetz des Stärkeren und der Macht durch Gewalt unterworfen sind. In der Menschheitsgeschichte gab es genug Perioden, wo Menschen diesem Gesetz problemlos unterworfen waren. Hätte damals wer befunden, daß Menschen eine lebensunwerte Species sind, wären viele Errungenschaften der Menschheit nicht gemacht worden. Wir wissen im Grunde zu wenig über die Herkunft und Kultur dieser wesen, auch wenn das Wort vielleicht sehr euphemistisch klingt. Daher ist es aus rein wissenschaftlichen Erwägungen sehr wichtig, diese Wesen nicht bis zum letzten Exemplar von der Erdoberfläche zu tilgen. Es ist schon schlimm genug, daß sie im großen Verband dazu neigen, sich gegenseitig zu massakrieren. Kleinere Reservate mit Familien, bei denen die Rangordnung nicht jeden Tag neu ausgefochten werden muß, könnten die Lösung sein."
Julius mußte sich sehr zurücknehmen, etwas dazu zu sagen. Sein Wissen über Madame Maximes Abstammung hier und jetzt hervorzukramen könnte sie als groben Undank oder Anmaßend verstehen. Dann wären seine dreihundert Bonuspunkte sehr schnell wieder weg. So hörte er sich nur an, was die anderen sagten. Immer wieder blickten ihn Kameraden fragend an. Offenbar wollten sie von ihm wissen, ob er nicht etwas mehr dazu beitragen konnte. Doch solange Madame Maxime ihn nicht dazu auffforderte, hielt er sich zurück. Dann war das Seminar auch schon zu Ende. Sie alle bekamen für ihre Teilnahme zwanzig Bonuspunkte.
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Julius merkte in den nächsten Tagen, wie anstrengend das für die anderen war, sich auf die anstehenen ZAG-Prüfungen vorzubereiten. Sie mußten alles hervorkramen, was sie in den fünf Jahren hier gelernt hatten. Als stellvertretender Saalsprecher der Grünen mußte er aufpassen, daß seine Kameraden nicht unter der ganzen Last zusammenbrachen, sich aber auch nicht gegenseitig an die Gurgel gingen. So mußte er einen Streit zwischen Irene Pontier und Gérard Laplace beenden, weil Irene Gérard vorgehalten hatte, in den verbleibenden Wochen nicht die Versäumnisse der letzten fünf Jahre aufholen zu können. Immer wieder galt es auch, verunglückte Zauberkunstübungen im grünen Saal zu bereinigen. Und das galt nicht nur für die ZAG-Kandidaten. Wie er selbst das hinkriegen wollte, noch genug zu wiederholen, wenn er andauernd schlichten, Zauber umkehren und kleinere Verletzungen kurieren mußte war ihm ein Rätsel. Denn Giscard hielt sich auffallend zurück. Sicher, der mußte auch üben, um die alles entscheidenden Prüfungen zu bestehen. Außerdem tauchten von irgendwo her scheinbare Gedächtnisverstärkungstränke auf, die vor allem Julius als Pflegehelfer und Zaubertrankinteressenten beunruhigten. Die meisten Tränke stellten sich als harmlose Mischungen heraus, die nur überteuert angeboten wurden. Einen wirklichen Gedächtnistrank erwischte er nicht, weil die meisten davon lange zu brauen waren und in mehreren Kesseln zugleich angesetzt werden mußten. Er warf die Autorität des Pflegehelfers und stellvertretenden Saalsprechers in die Waagschale und drohte jedem, der derartige Mixturen braute oder in Umlauf brachte mindestens zweihundert Strafpunkte und Putzdienst bei Madame Rossignol an. Giscard bestätigte diese Maßnahme.
Wie erfrischend empfand er da einen Brief von Babette. Sie schrieb ihm, daß sie das zweite Spice-Girls-Album endlich hören könne und jetzt wisse, wie sehr sie ihre CD-Sammlung vermißt habe.
Auch in den anderen Sälen herrschte der übliche Prüfungsstress. Bei den roten kam es vermehrt zu Raufereien, nicht nur zwischen Jungen. Brunhilde und Bernadette kamen mit den Strafpunkten nicht nach. Julius kapierte nun, daß die Roten sich ihre schlechten Positionen bei der Jahresendwertung wohl immer in diesem Zeitraum sicherten. Allerdings mißfiel ihm im Unterricht und auch durch Millies mentiloquistische Gutenachtbotschaften, daß Bernadette mit Strafpunkten um sich warf, die aus den unteren Klassen schnell zu Putzarbeiten anhielt, nur weil deren Erscheinungsbild ihr nicht paßte und überließ Brunhilde häufig allein den roten Saal, um sich in der Bibliothek durch die Schulbücher zu wühlen. Als sie es in der Mitte der zweiten Woche nach Julius' Rückkehr in den allgemeinen Schulbetrieb wieder einmal auf Millie abgesehen hatte, weil die angeblich so gehässig zu ihr hingesehen hatte und ihr dafür gleich fünfzig Strafpunkte aufpackte, fragte er bei der Saalsprecherkonferenz doch einmal nach, ob Bernadette mit der Belastung nicht klarkomme, daß sie so überempfindlich reagieren müsse. Diese konterte schnippisch, daß er ja nur deshalb das ansprach, weil sie seine ach so geliebte Ehefrau bestrafen mußte.
"Sie haben es grundsätzlich auf meine Frau abgesehen, Mademoiselle Lavalette, weil diese Ihre Auffassung von Strebsamkeit nicht teilt und Sie finden, ihr jetzt, wo sie mit mir verheiratet ist, unangebrachte Strafen auferlegen zu müssen. Das Thema war hier schon mal, wenn ich mich richtig erinnere." Alle anderen nickten. Brunhilde und Céline sagten dann vor der Versammlung aus, daß Bernadette sich im Unterricht immer bissiger betrage, keine anderen Meinungen zuließ und gerne damit kam, daß sie stellvertretende Saalsprecherin sei.
"Fünfzig Strafpunkte, nur weil jemand einen nicht so freundlich ansieht sind eindeutig zu viel", bestand Julius auf eine Überprüfung der Strafe.
"Das sagst du doch nur, weil du diese Punkte auch abbekommst", knurrte Bernadette, die hier geltenden Anredeformalitäten vergessend.
"Befolgen Sie tunlichst die gültigen Sprachregelungen hier, Mademoiselle Lavalette", wies Madame Maxime sie zurecht. "Außerdem drängt sich mir durch Ihre Aussage gerade der unangenehme Verdacht auf, daß Monsieur Latierre recht haben könnte, daß Sie Ihrer Saalkameradin Mildrid Latierre absichtlich mehr Strafpunkte als angemessen zuerkennen, weil Sie damit auch das Bonuspunktekonto Monsieur Latierres belasten können, dem Sie sowohl der Zugehörigkeit als auch der Gleichrangigkeit wegen keine Strafpunkte für was auch immer zuerkennen können. Fünfzig sind definitiv zu viele für ungezogenes Ansehen eines Saalsprechers, Mademoiselle Lavalette. Zu den übrigen Vorhaltungen, die Ihnen hier gemacht wurden erinnere ich Sie daran, daß wir Ihre Auffälligkeiten bereits besprochen haben und wir vom Kollegium bereits ankündigten, sie dafür schriftlich zu ermahnen. Da Sie vor lauter anderen Dingen in Ihrem Kopf nicht mehr daran denken können erhalten Sie demnächst die angedrohte schriftliche Ermahnung. Zudem ergehen an Sie einhundert Strafpunkte und die Suspendierung Ihres Saalsprecherinnenstatusses bis zum Ende der anstehenden Prüfungen. Sie wurden gewarnt. Dies ist der zweite grobe Fehler, den Sie sich geleistet haben. Leisten Sie sich einen dritten, sofern wir Ihnen die Saalsprecherwürde wieder zusprechen, gehört Ihre Ausbildung in Beauxbatons der Vergangenheit an. Haben wir uns da verstanden?"
"Ich soll mich von dieser überheblichen Göre, die nur wegen ihrer Herkunft meint, Sonderrechte zu genießen dumm anglotzen lassen?" Fragte Bernadette entrüstet. "Deren Schwester, die selbst mal Saalsprecherin gewesen war, hat sich auch was auf ihre Herkunft eingebildet."
"Dann leiden Sie unter Minderwertigkeitskomplexen?" Fragte Professeur Faucon, die der Versammlung als Stellvertretende Schulleiterin beiwohnte. Bernadette schüttelte verärgert den Kopf. "Dann darf ich davon ausgehen, daß Sie sich anmaßen, befinden zu können, wer welcher Herkunft auch immer welche Rechte genießen darf oder nicht?" Fragte die Verwandlungslehrerin weiter. Bernadette errötete. Dann sagte sie leise, daß sie zumindest den Eindruck habe, daß Mildrid sich ihrer Herkunft wegen was einbilde. Das wurde jedoch von Brunhilde und den beiden Saalsprechern der Roten widerlegt. Millie trete zwar mit der Gewißheit auf, einer wichtigen Familie anzugehören, würde sich anderen gegenüber jedoch nicht als überheblich zeigen. Das gab den Ausschlag, Bernadette noch einmal einhundert Strafpunkte aufzuerlegen und ihr alle Freizeitkurse bis zum Schuljahresende zu verbieten. In der Zeit sollte sie Schuldiener Bertillon zur Verfügung stehen und Parks und Schulgebäude ohne Zauberkraft sauberhalten.
"Einen Irrtum einzuräumen gehört zu den schwierigsten und mutigsten Schritten, die ein Mensch tun kann, insbesondere, wie sehr andere zu ihm oder ihr aufschauen und davon ausgehen, es mit einer erfahrenen und besonnenen Person zu tun zu haben", seufzte Madame Maxime. "Aber wenn Sie, Mademoiselle Lavalette, nicht zeigen, daß Sie die Konsequenzen ihrer Handlungen tragen und ihr Verhalten ändern können, zwingen Sie mich dazu, Ihre Ernennung zur stellvertretenden Saalsprecherin als Fehleinschätzung einräumen zu müssen. Und derartiges fällt dann nicht nur auf mich, sondern auch auf Sie zurück, Mademoiselle. Wie erwähnt erhalten Sie eine schriftliche abmahnung. Unter Umständen könnten zwei ZAGs von Ihnen annulliert werden, unabhängig davon, wie gut Sie sie bestehen. Das liegt jetzt ganz bei Ihnen."
"Moment, Madame, wenn ich Putzdienst bei Monsieur Bertillon habe kann ich mich nicht auf die Prüfungen vorbereiten. Das ist zu hart."
"Soll ich Ihnen noch einmal hundert Strafpunkte auferlegen?" Bellte Madame Maxime ungehalten. "Jeder weitere Einspruch oder Ungehorsam wird Ihre Lage nur verschlimmern. Haben Sie das verstanden?" Alle hielten sich mit schmerzverzerrten Gesichtern die Ohren zu. Bernadette nickte wild entschlossen. "Gut, dann übergeben Sie mir bitte Ihre Saalsprecherinnenbrosche!" Bernadette löste die Silberbrosche und gab sie ab wie befohlen. Das hieß dann aber auch, daß sie sofort den Besprechungssaal zu verlassen und sich bei Schuldiener Bertillon einzufinden hatte, um sich von diesem einteilen zu lassen. "Wie eine chaotische Blaue", schnarrte Bernadette noch. Corinne und ihre Stellvertreterin mußten darüber nur grinsen. Madame Maxime blieb jetzt ruhig.
"Monsieur Latierre, ich hebe fünfundvierzig der Ihrer Frau zu unrecht erteilten Strafpunkte auf, da ein verächtliches Ansehen einer Saalsprecherin schon eine Form von Respektlosigkeit darstellt. Bitte erklären Sie ihr das später!" Julius nickte. Brunhilde fragte, ob sie bis zum Schuljahresende noch eine Stellvertreterin zugeteilt bekomme. Madame Maxime schüttelte den Kopf. Dann lief die Besprechung weiter, wobei es auch um die weiteren Prüfungsvorbereitungen ging, aber auch um die Stimmung nach dem Ende Voldemorts. Denn viele, deren Verwandte im Sternenhaus-Massaker umgekommen waren, verlangten nun offen nach Entschädigung. Dann sprach Professeur Faucon ein Thema an, daß Julius schon lange mit Bangen erwartet hatte.
"Madame Maxime, wie ich Ihnen mitteilte, wird Professeur Tourrecandide dieses Jahr nicht in der Prüfungsgruppe für die ZAGs und UTZs dabei sein. Zumindest bin ich froh, daß sie noch am leben ist, wenngleich das, was ihr widerfahren ist, sie seelisch doch stark belastet und sie daher Monsieur Descartes um die krankheitsbedingte Freistellung gebeten hat. Er hat Monsieur Delamontagne als Experten für Protektion gegen destruktive Formen der Magie vorgeschlagen. Würden Sie diesen als Prüfer in Beauxbatons willkommen heißen?"
"Nun, ich erhielt bereits die schriftliche Ankündigung von Monsieur Descartes, weil er ja für die Prüfungsgruppe zuständig ist und habe ihm nach kurzer Bedenkzeit zugesagt, daß Monsieur Delamontagne, obgleich er bisher kein Lehrer an der Akademie war - was eigentlich Grundvoraussetzung als Prüfungsmitglied ist - Professeur Tourrecandide vertreten darf. Ich werde heute Nachmittag noch meine Genesungswünsche an Professeur Tourrecandide übermitteln", erwiderte Madame Maxime. Arnica Dulac fragte behutsam, was Professeur Tourrecandide zugestoßen sei.
"Nur so viel: Sie war einer arglistigen Täuschung aufgesessen und geriet in einen Hinterhalt, dessen Folgen ihr Selbstwertgefühl und ihre körperliche Unversehrtheit dauerhaft verändert haben", sagte Professeur Faucon. "Ob sie im nächsten Jahr wieder zu den Prüferinnen gehören wird kann ich nicht mit Sicherheit sagen", entgegnete Professeur Faucon.
"Mehr müssen Sie auch nicht wissen, Mesdemoiselles et Messieurs", fügte Madame Maxime dem noch hinzu. Julius fühlte, daß die Nachricht, daß Professeur Tourrecandide noch lebte, nicht so gut klang, wenn es gleichzeitig hieß, daß sie körperlich und seelisch beeinträchtigt war. Doch jetzt wilde Vermutungen anzustellen war grundverkehrt. Er erinnerte sich noch, daß es um etwas ging, daß Anthelia an sich bringen wollte, um noch mächtiger zu werden. Insofern - und jetzt verstrickte er sich doch in einer Vermutung - hatte die wohl was angeleiert, daß Leute glauben sollten, sie habe vor, etwas an sich zu bringen. Oder sie hatte was auch immer längst an sich gebracht und nur darauf gewartet, daß jemand sich ihr in den Weg stellte, um dann in eine Falle hineinzulaufen. Was genau stimmte konnte er jetzt nicht erkennen. Da müßte er wohl schon Anthelia fragen. Und ob die es ihm sagen würde war zweifelhaft.
Nach der Saalsprecherkonferenz traf er Millie am Strand. Diese hatte das mit Bernadettes Absetzung schon gehört, weil ihre Tante Patricia sie ohne Brosche bei Bertillon gesehen hatte.
"Die könnte jetzt meinen, sich an dir zu rächen, Millie. Paß also gut auf, daß die dich nicht zu Sachen bringt, die dich von der Akademie kegeln!" Julius hoffte, daß seine Warnung unbegründet blieb.
"Die weiß genau, daß nur die Silberbrosche mich davon abgehalten hat, der passende Antworten zu geben. Wenn sie die wiederkriegt, dann wohl nur, wenn Leonie, Caro oder ich nicht gut genug dafür erklärt werden. Frage mich eh, weshalb Bernie die abbekommen hat."
"Das tust du schon, seitdem sie die bekommen hat", wandte Julius nur ein. Dann gingen beide schwimmen. Julius genoß es, seine Körperform auszureizen und stellte fest, daß er mit seinem größer gewordenen Körper und dem ständigen Kraft- und Beweglichkeitstraining erhebliche Fortschritte gemacht hatte. Millie kam zwar noch gut mit ihm mit, hatte jedoch keine Chance mehr, ihn zu überholen.
Nachmittags wiederholte Julius Sachen aus den ersten zwei Schuljahren, wofür er die Aufzeichnungen aus Hogwarts heranzog. Gloria würde jetzt wohl auch im Prüfungsstress stecken. Sollte er sie mal mit dem Spiegel anrufen? Seit er wieder frei herumlaufen konnte hatte er sie noch gar nicht kontaktiert. Er rechnete die Uhrzeit hier in die in Kalifornien um und dachte daran, daß sie ihn besser anrufen sollte, wenn sie wußte, daß er noch oder schon im Bett war. Da sie das bisher nicht getan hatte, mußte sie wohl sehr heftig in den Prüfungsvorbereitungen stecken.
Bernies vorübergehende Suspendierung sprach sich rasch in Beauxbatons herum. Robert und Gérard feixten, daß zum Saalsprecher wohl doch mehr gehörte als nur gute Noten in möglichst vielen Fächern. Was mit Professeur Tourrecandide war behielten die Saalsprecher für sich. Madame Maxime sollte das ruhig verkünden, wenn sie das für richtig hielt. So verging ein weiteres Wochenende in der Akademie.
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"Umbridge hat zu fliehen versucht, Julius", berichtete Aurora Dawn am Montag. "Professor McGonagall hat es von Minister Shacklebolt persönlich gehört, als sie wegen der Aufräum- und Ausbauarbeiten in Hogwarts herumgegangen sind."
"Ach, und sie haben sie wo erwischt?" Fragte Julius.
"Sie wollte mit einem Frachtschiff außer Landes reisen. Die Grundkraftspürer des Ministeriums, jetzt mit neuen Leuten besetzt, haben sie in Dover aufgespürt. Sie hat versucht, sich mit Zauberkraft zu wehren. Dann kamen noch Dementoren angeschwebt und haben versucht, sie zu befreien. Offenbar hat dieses Weib sich mehrere von denen zu Freunden gemacht. Jetzt sitzt sie zusammen mit den Malfoys, Carrows und Rabastan Lestrange in Askaban."
"Weißt du auch, was mit den Muggelstämmigen aus dem Zug passiert ist?"
"Da laufen jetzt die Verhandlungen zwischen Weasleys Abteilung und dem Muggelverbindungsbüro, wie die Eltern davon überzeugt werden können, daß ihre Kinder doch wieder nach Hogwarts gehen dürfen. Die sind natürlich traumatisiert, weil sie fast ein Jahr von den Dementoren bewacht wurden und dadurch ihre schlimmsten Erinnerungen immer wieder nacherlebt haben. Die Kollegen im St. Mungo haben alle Hände voll zu tun, zumal sie mit weniger Personal auskommen müssen, solange nicht ganz geklärt ist, ob die Heiler, die den Todessern geholfen haben, freiwillig oder unter Zwang gehandelt haben. Mit anderen Worten: Sie suchen Kollegen, die während der Todesserherrschaft ihren Amtseid vergessen haben."
"Es gab auch bei den Muggeln immer schon Ärzte, die in Diktaturen mithalfen, den machthabern unliebsame Leute verschwinden zu lassen, Aurora", seufzte Julius. "Es gab sogar welche, die unter dem Schutz der Machthaber unzulässige Versuche mit Menschen gemacht haben, um bestimmte Theorien zu bestätigen oder neue Arzneien auszuprobieren, die höchst bedenklich waren. Keine Berufsgruppe ist wohl wirklich unfehlbar."
"Da muß ich dir wohl zustimmen, Julius. Genau das ist ja der Schaden, den Du-weißt-schon-wer uns vererbt hat. Die Heiler in England und Irland haben viel Vertrauen verloren. Alleine schon der Umstand, daß die muggelstämmigen Hogwarts-Anfänger immer noch nicht zu ihren Eltern dürfen zeigt ja, wie reparaturbedürftig die Gesellschaft ist. Hinzukommt, daß einige von diesen Kindern keine Eltern mehr haben, weil Umbridge sie hat auslöschen lassen."
"Mord? Hätte ich der zutrauen sollen", knurrte Julius.
"Es ging darum, daß einige der Elternpaare gerade wieder nachwuchs erwarteten und die Todesser herauskriegen wollten, ob die Eltern bereits Magie gestohlen hatten. Dabei starben Väter und Mütter. Das wird ein sehr schweres Stück Arbeit, irgendwas wie ein Leben danach herzustellen. Womöglich hat dieser Psychopath damit schon die Saat für künftige Dunkelmagier gelegt, die sich für das ganze Leid rächen wollen. Dann könnte es nach der Reinblütigkeitswut eine Aktion Muggelstämmiger geben, die alle reinblütigen Familien auslöschen wollen. Und viele von denen waren auch nur Opfer."
"Mir gefällt das nicht, was du da sagst, aber ich danke dir, daß du mir das gesagt hast. Hier in Frankreich laufen ja jetzt auch alle möglichen Sachen, um einen blindwütigen Rachefeldzug der Friedenslagerinsassen zu verhindern. Minister Grandchapeau hat heute morgen in den Zeitungen verlauten lassen, daß er die Leute von der Insel zur Verantwortung ziehen will, weil die durch seine Entführung den ganzen Salat angerührt haben."
"Und du weißt immer noch nicht, was genau mit Professeur Tourrecandide passiert ist, Julius?"
"Diesmal hat es keiner für richtig gehalten, mir was zu erzählen, Aurora. Körperlich dauerhaft verändert kann in der Magie alles heißen, unheilbar entstellt, verwandelt oder durch Altersveränderungszauber noch älter oder wieder zum Baby zurückverjüngt. Irgendwas ist ihr passiert, und das hat sie aus der Bahn geworfen."
"Viviane wollte es mir auch nicht erzählen, weil sie fürchtete, daß ich dir das erzählen würde. Aber Lady Medea hat sowas anklingen lassen, daß sie sich in ein Land verirrt hat, in dem kein magischer Kampf geduldet wird."
"Aha, gehörst du jetzt auch zu Medeas Gefolge?" Fragte Julius verächtlich.
"Ich kann da nichts für, daß die mir was erzählt. Sie muß das ja nicht."
"Neh, sie macht das nur, weil sie weiß, daß mir das wichtig ist, um mir zu zeigen, daß ich sie und ihre in der natürlichen Welt lebenden Mitschwestern doch brauche."
"Dann sollte ich das vielleicht lassen, dir Sachen von ihr auszurichten", grummelte Auroras Bild-Ich. Julius schüttelte verhalten den Kopf und entschuldigte sich, falls Aurora den Eindruck bekommen hätte, sie dürfe ihm nichts mehr erzählen. Dann fragte er: "Haben sie die Riesenspinne gefunden?"
"Australien ist groß, Julius. Sie hat bisher nicht zugeschlagen oder versucht, aus dem Land zu entwischen. Vielleicht kann sie außerhalb ihres bisherigen Wohnbereiches auch nichts mehr anstellen und muß als Raubtier im Busch weiterleben. Aber die Suche läuft noch."
"Nicht daß wir die eines Tages vor der Tür haben", erwiderte Julius beklommen. "Ich meine, das war meine Schuld, daß die überhaupt freigekommen ist. Da gönne ich die keinem von euch oder uns."
"Wenn wir sie erwischen behandeln wir sie wohl wie ein magisches Raubtier, sagt Ministerin Rockridge." Julius nickte. Vielleicht war das wirklich besser so.
"Was macht deine Mutter?" Fragte Aurora Dawn noch. Julius erzählte ihr, daß sie immer noch in Millemerveilles sei, obwohl Joe und Catherine mit ihren Kindern schon wieder nach Paris zurückgereist seien. Das haus dort stehe noch mit allem was sie zurückgelassen hatten.
"Dann wohnt sie jetzt in Professeur Faucons Haus?"
"Zusammen mit Madeleine L'eauvite", erwiderte Julius. "Offenbar will Professeur Faucons Schwester meine Mutter noch in diesem Jahr zu uns in die ZAG-Prüfungen treiben."
"Deiner Mutter würde ich zutrauen, daß sie die dieses Jahr schon macht", erwiderte Aurora grinsend. Dann verabschiedete sie sich von ihm. Er erwiderte den Abschiedsgruß und schlief dem kommenden Tag entgegen.
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Sehr geehrter Monsieur Latierre,
vielenDank für Ihr Interesse an einer Aussprache über die Ihnen offenstehenden Möglichkeiten nach erfolgreich absolvierter Zaubereiausbildung. Sie können sich denken, daß gerade Ihre Zukunft mit den bereits von Ihnen geäußerten Leistungen, aber auch im Bezug auf Ihre bisherigen Erlebnisse und Erfahrungen, die leider nicht alle erbaulich waren, mein gesondertes Interesse findet und ich daher sehr froh bin, daß Sie das Ihnen und den anderen ZAG-Kandidaten unterbreitete Angebot nutzen möchten, sich von mir in Ihren Möglichkeiten beraten zu lassen. Ich darf vorausschicken, daß Ihrerseits kein Grund zur Besorgnis besteht, daß sie keine Möglichkeiten hätten, eine für Sie und uns anderen konstruktive und produktive Laufbahn einzuschlagen. Über ihre vielleicht bereits existierenden Berufsziele und Erwartungen werden wir beide uns dann persönlich unterhalten. Ihr diesbezüglicher Termin ist der zweiundzwanzigste Mai, 17.15 Uhr in meinem Sprechzimmer. Ich räume Ihnen genau wie den übrigen Kandidaten eine Sprechzeit von dreißig Minuten ein. Da wir unsere Termine im Kollegium einander mitgeteilt haben, weiß Professeur Fixus zum Zeitpunkt, da Sie diesen Brief erhalten bereits bescheid und gibt Ihnen für diesen Nachmittag frei. Wir sehen uns dann also am kommenden Mittwoch.
Bis dahin verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Prof. Blanche Faucon
Julius steckte den Brief sorgfältig fort, als er am Dienstagmorgen beim Frühstück saß. Robert hatte bereits heute um vier Uhr Nachmittag seinen Termin. André würde wohl noch Bescheid bekommen, bevor die ZAG-Prüfungen angesetzt waren.
Nach der Post trafen auch die Zeitungen ein. Julius sah Professeur Tourrecandides Bild auf Seite eins. Die Schlagzeile lautete
LANGJÄHRIGE LEHRERIN VON BEAUXBATONS TRITT NICHT ZUR PRÜFUNG AN
"Komische Überschrift", bemerkte Robert, der bei Julius mitlas, daß Professeur Tourrecandide nach einem nervenaufreibenden Einsatz für die freie Zaubererwelt ihre Teilnahme an der ZAG- und UTZ-Prüfergruppe für dieses Jahr abgesagt habe, da sie sich von den Folgen aller Ereignisse des verstrichenen Jahres erholen müsse und die Folgen ihres letzten Einsatzes, zu dem sie keine weiteren Ausführungen machen wollte, mehrere Monate Erholung benötige, die sie in ihrem durch Unortbarkeitszauber gesicherten Landsitz irgendwo in der Bretagne genießen wolle. Dem reibungslosen Ablauf der diesjährigen ZAG- und UTZ-Prüfungen stehe dies jedochnicht im Wege, da auf Empfehlungen von Madame Maxime, Monsieur Descartes und Professeur Faucon der durch seine Einsatzbereitschaft zur Wiederherstellung der freien Zaubererwelt bekannt und beliebt gewordene Monsieur Delamontagne als Experte für destruktive Zauberkräfte und deren Abwehr einspringen würde, zumal die parallele Prüfung mehrerer Kandidaten eh mehrere Prüfer zugleich in einem Fach betreffe.
"Dann könnte die Champverd mich auch in Verwandlung prüfen?" Fragte Robert. Julius erwähnte, daß sie das bei ihm vor zwei Jahren schon getan habe.
"Na ja, aber wenn die sich damit nicht so auskennt", meinte André.
"Tja, dann hätte ich meine vierzehn Punkte im Zeugnis vor zwei Jahren nicht verdient", stellte Julius fest. "Dafür, daß die Lehrer vielleicht nicht gerade auf diesem oder jenem Gebiet spitzenmäßig ausgebildet sein müssen haben wir ja die Theorie am Vormittag. Frag dich mal besser, welchen Prüfungsplan wir haben."
"Ist das nicht immer der gleiche?" Fragte Robert.
"Natürlich nicht", wandte Gérard ein. "Die würfeln den immer neu aus, damit sich die Kandidaten - dieses Jahr also mal wir - nicht auf bestimmte Prüfungstage festlegen können. Das du nicht meinst, dich bis zum letzten Freitag der Prüfungswochen auf das Fach Drachenpopelsuchen vorbereiten kannst und dadurch die anderen Prüfungen vermasselst. Die wollen, daß wir alle die Vorbereitungen bis zum ersten Montag im Juni hinkriegen. Was dann läuft läuft oder stürzt ab. Bums!"
"Du tust so, als hättest du keine Probleme zu erwarten, Gérard", knurrte Robert. "Dabei klemmt das bei dir in Verwandlung hinten wie vorne. Wenn dich da die Champverd als Prüferin erwartet, kannst du nur hoffen, daß die dir nur den Kinderkram der ersten und zweiten Klasse abverlangt."
"So nicht, mit dem Finger auf mich zeigen und dabei vergessen, daß es bei dir im April heftig bei Fluchabwehr gequietscht hat wie 'n rostiges Eisentor. Da kannst du dann froh sein, daß die Tourrecandide dieses Jahr zu viel Stress mit Didier und den Schlangenleuten um die Ohren hatte, als sich dann noch von dir ..."
"Auszeit!" Bellte Julius unvermittelt. "Ihr fahrt echt keine besseren Ergebnisse ein, wenn ihr euch vorher gegenseitig runtermacht", fügte er noch hinzu. "Ich habe auch den Kopf mit dem Zeugs voll, was ich mal vor drei Jahren irgendwann gemacht habe und weiß nicht, ob das alles klappt, wenn mich wer fragt, ob ich ihm oder ihr dieses oder jenes vorzaubern soll. Ich denke mal, das ist schon gut so, daß wir erst am Montag wissen, in welcher Reihenfolge die Prüfungen ablaufen. Die ganz großen hier machen dann die UTZs. Für die geht es dann darum, wo die ihre Galleonen verdienen oder ob die besser reich heiraten."
"So wie du?" Fragte André.
"Meine Mutter hat den Silberlöffel noch, den die Hebamme mir bei der Geburt aus dem Mund geholt hat, damit ich mich beim Schreien nicht dran verschlucke", konterte Julius. Ein zu erwartendes "Häh?!" aus drei Jungenmündern war die Reaktion. "Achso, kennt ihr nicht. Bei den Muggeln in England und wohl auch Amerika heißt es, daß wenn ein Ehepaar reich ist, daß schon deren Kinder mit silbernen oder goldenen Löffelchen im Mund geboren werden. Ich wollte nur sagen, daß ich das echt nicht nötig habe, reich zu heiraten. Aber sogesehen hatte Millie das auch nicht nötig, sich einen Typen mit viel Gold zu sichern. Damit haben wir das Thema hoffentlich durch, sonst muß ich hier noch den großen Sack mit dem roten S drauf aufmachen und was draus verteilen."
"Also ich bleibe dabei, daß mir keiner vorhält, wo es bei mir knirscht, bei dem es selbst quietscht und knirscht", bestand Gérard darauf, sich von Robert keine Vorträge anhören zu müssen.
"Gut, das nehmen wir zur Kenntnis", bestätigte Julius. Damit hatte er seinen Saalsprecherverpflichtungen hoffentlich genug Zeit geopfert.
Julius dachte daran, was in den beiden letzten Jahren Ende Mai passiert war. Erst die Galerie des Grauens, und letztes Jahr der Tod von Dumbledore. Und dieses Jahr hatte es nun endlich den erwischt, der diese ganzen Katastrophen über die Menschheit gebracht hatte, ein armer Wicht eigentlich, und doch gefährlicher als eine Atombombe. Er sah ihn vor sich, wie er in der Bildprojektion der Zweiwegspiegelverbindung hinten überfiel, die scharlachroten Augen verdreht hatte. Er hatte befürchtet, dieses Horrorgesicht immer wieder in seinen Träumen sehen zu müssen. Doch dem war nicht so. Überhaupt erinnerte er sich an keine konkreten Träume mehr, seitdem Madame Maximes Blut nicht mehr so stark in ihm gewirkt hatte. Würde er je wieder träumen, jetzt, wo er Ailanorars Stimme gefunden und geweckt und die Schlangenmenschen indirekt vernichtet hatte? Sicher würde er träumen. Nur sein Gehirn hatte sich wohl darauf eingestellt, nur noch die stärksten Eindrücke davon zu behalten. Er machte sich Sorgen um wilde Träume? Die würden bestimmt noch kommen, wenn die Prüfungen anstanden.
"Fertig machen zum Unterricht!" Erfolgte das übliche Kommando Madame Maximes. Der Tag rief. Einer näher heran an die Prüfungen.
"Du bist auch am Mittwoch dran?" Fragte Céline Julius, als sie nach Zauberkunst zum Mittagessen gingen. Julius bestätigte das.
"Robert ist ja heute Fällig. Macht ihr heute Nachmittag noch Quidditchübungen?"
"Giscard sagt, daß die bis nach den Prüfungen flach fallen. Verstehe ich zwar, aber so kann ich im Sommer erst einmal zusehen, wie ich auf dem Besen fliege, wo ich durch Madame Maximes Blutübertragung fast zwanzig Zentimeter länger geworden bin."
"Besser als kürzer", erwiderte Céline. "Bébé möchte wissen, ob du dann vielleicht mit uns noch einmal die Theorie der Vivo-ad-Vivo-Verwandlung durchgehen kannst. Sie meinte, du hättest da vor zwei Jahren schon geniale Tabellen gehabt."
"Die habe ich immer noch. Wo treffen wir uns dann?"
"Im grünen Saal ist günstiger. Der kleine Leseraum in der Bib ist ja von den UTZ-Leuten belagert."
"Okay, dann heute Nachmittag Theorie der Vivo-ad-Vivo-Verwandlung", erklärte sich Julius einverstanden.
"Und Millie hat keinen Prüfungsvorbereitungsstress?" Fragte Céline.
"Schon, aber irgendwie fühlt sie sich dabei nicht so unter Druck wie einige andere.
"Wie geht es Madame Dusoleil?" Fragte Céline.
"Die ist jetzt wieder aus dem Wochenbett raus, hat mir gestern ein Bild von der Kleinen zugeschickt", sagte Julius. Er holte Chloés Bild aus seinem Brustbeutel. Das kleine Mädchen mit dem schwarzen Flaum winkte lächelnd in die Kamera.
"Sieht noch etwas bleich aus, nicht so braun wie die Mutter", bemerkte Céline. Julius erklärte ihr, daß sich das wohl bald einränken würde.
"Wenn ich bedenke, daß Claire auch mal so ausgesehen hat", seufzte Céline. "Das ist echt schade, daß sie nicht mehr da ist." Julius fühlte, wie ihn diese Erinnerung traurig machte. Doch das war gar nicht nötig, traurig zu sein.
"Sie ist doch immer bei uns, wenn wir das machen, was sie gerne gemacht hat", sagte er deshalb noch. Céline nickte.
Am Nachmittag, nachdem Julius sich mit Sandrine und den anderen Klassenkameraden im Unterricht alte Runen bei Professeur Milet mit einer langwierigen Übersetzung herumgeschlagen hatte, betrat er auf dem für alle Bewohner üblichen Weg den grünen Saal durch die sich auflösende und wieder schließende Wand. Da sah er, wie Giscard Moureau in der Saalmitte stand und mit seinem Zauberstab ein in einer Messingschale tanzendes Feuer, eine schwebende Holzscheibe, eine Wassersäule und zwei sich einander jagende Zigarrenschachteln dirigierte. Er sah angestrengt aus, lächelte jedoch dabei.
"Jau, Giscard, vier auf einmal. Du bist gut", lobte Antoine Lasalle aus der sechsten Klasse den Saalsprecher. Dieser machte rasch eine Schwenkbewegung und ließ Feuer und Wassersäule zusammenfallen. Dann ließ er die Holzscheibe fallen und nahm das magische Eigenleben aus den Zigarrenschachteln.
"Hui, ich habe das bisher nur bei einigen gesehen, daß sowas geht, simultan zu zaubern", sagte Julius anerkennend. "Kriegt ihr das in der siebten oder schon im sechsten Jahr?"
"Das ist sozusagen der letzte Schliff, bevor sie dich auf die UTZ-Prüfungen loslassen", sagte Giscard. Yvonne Pivert vollführte derweil sowas wie eine Modenschau im Zeitraffer. Alle zwei Sekunden wechselte sie ihre Kleidung.
"Simultanzauberei, wollen die von dir wohl nächstes Jahr schon sehen", meinte Laurentine, die sich Giscards Übung auch angesehen hatte. Julius mußte nicken. Wenn das möglich war, dann würden sie es ihm wohl auch abverlangen, bevor es in der siebten im Unterricht drankam.
An einem freien Tisch saßen Céline, Laurentine und Julius zusammen und gingen die theoretischen Grundlagen für die Verwandlungen von Tieren in andere Tiere und Pflanzen durch. Laurentine kapierte es eher als Céline, wie man vorherberechnen konnte, wie schwierig es war, ein kleineres in ein größeres Lebewesen zu verwandeln. Währenddessen machten Giscard und seine Klassenkameraden weiter Übungen mit simultan ablaufenden Zaubern. Einmal jubelte Giscards Klassenkamerad, weil ihm fünf Sachen zur gleichen Zeit gelangen. Giscard schuschte ihn an und deutete auf die Tische, an denen die ZAG- und UTZ-Kandidaten saßen. Gegen fünf fragte Pierre Marceau, ob Julius Zeit habe. Da alle Grundlagen soweit besprochen waren überließ er Céline und Laurentine seine Tabelle zu den Größenunterschieden.
"Wo klemmt's?" Fragte er Pierre, während gerade ein kalter Sturmwind aufkam, der immer wilder durch den Aufenthaltssaal brauste.
"Ey, mach den Sturm weg!" Schimpfte André Deckers, dem seine Unterlagen wegzufliegen begannen.
"Meteolohex recanto!" Rief Giscard dem Sturm zu. Dieser flaute für einen Moment ab, um dann wieder anzuschwellen und immer lauter durch die Ritzen an den Fenstern und Türen zu heulen begann, während alles Mögliche durch die Gegend segelte.
"Das gibt's doch nicht, daß ich den damit nicht wegkriege. Meteolohex recanto maxima!" Rief Giscard. Für einen Moment säuselte nur ein sachter Wind, um dann langsam wieder zum Sturm anzuwachsen. "Wer war das?" Schnaubte der Saalsprecher, als der magische Sturmwind wieder auf Orkanstärke anstieg.
"'tschuldigung, Leute, ich habe wohl was verbockt!" Rief Felix Mercier aus Giscards Klasse. "Wollte eigentlich nur eine stehende Luftsäule und einen Schwebezauber simultan bringen."
"Und hast dabei die Elementarbalance der Luft verschoben", grummelte Giscard.
"Elementa recalmata!" Rief Julius unvermittelt, wobei er seinen Zauberstab gerade so noch in den brausenden Wind halten konnte. Mit einem lauten Zischlaut verebbte der Sturm zur Flaute. zwei Sekunden vergingen, ohne daß er sich wieder aufbaute. Nach zehn Sekunden waren alle sicher, daß das Unwetter nicht mehr wiederkam.
"Genialer Effekt, zieht nicht so viel Kraft und macht doch eine Menge Wind", meinte Mercier.
"Super, macht eine Menge Wind", blaffte Giscard. "Lass dir den patentieren."
"Ist schon!" Rief Céline dazwischen.
"Hätte ich mir denken können", knurrte Giscard. Yvonne, der fast ihre Kleider vom Leibe gerissen worden waren, funkelte Felix finster an. "Du hättest mir mit diesem Brausewind fast alle Sachen runtergerissen und wohl nicht nur mir. Zwanzig Strafpunkte wegen fahrlässiger Pfuscherei mit höheren Elementarzaubern."
"Ey, Giscard, darf die mir Strafpunkte geben?" Fragte Felix.
"Ja, darf sie. Sei froh, daß es nur zwanzig sind. Ich hätte wohl noch einmal so viele und magielosen Putzdienst draufgelegt", sagte Giscard. Dann winkte er Julius, der Pierre Marceau am Arm hatte, der im Orkan fast von den Füßen gerissen worden wäre.
"Was war denn das für ein Zauberstück, wenn ich fragen darf?" Wandte sich der Saalsprecher der Grünen an seinen Stellvertreter.
"Den hat mir, ganz ohne das eigentlich zu wollen, ein Strafverfolgungszauberer in den Staaten beigebracht, als ich mit Gloria Porters Oma nach meinem Vater gesucht habe und das einigen Herren im dortigen Zaubereiministerium nicht geschmeckt hat. Der löscht alle Elementarkraftzauber in Ausrichtung des Zauberstabes aus. Zieht aber dafür gut Kraft. Bin froh, daß ich immer gut esse und trainiere."
"Warum hat der gegriffen und mein Wetterzauber-Aufhebungszauber nicht."
"Da fragst du mich was. Obwohl, könnte sein, daß der Sturm nicht primer als Wetterzauber losgelassen wurde, sondern ein Sekundäreffekt war. Was wollte Felix noch mal zaubern?"
"Eine stehende Luftsäule und einen Schwebezauber simultan. Die haben sich wohl verheddert."
"Oha, dabei muß dann was entstanden sein, das freie Luft andauernd beschleunigt, bis entweder die Schallgeschwindigkeit erreicht wird oder alle Luftmassen in einem geschlossenen Raum in Bewegung sind."
"Ich denke eher, daß durch den Schwebezauber eine Luftverdrängung stattfand, die durch die Luftsäule immer stärker angefacht wurde. Also kein eigentlicher Bewegungszauber", vermutete Yvonne und schnippte mit dem Zauberstab, daß ihre Haare wieder ordentlich lagen. Pierre fragte dann vorsichtig:
"Passiert sowas immer, wenn ihr Großen eure meisterprüfungen vor euch habt?"
"Abgesehen davon, daß die UTZ-Prüfungen eher Gesellenstücke sind passiert sowas eigentlich gar nicht, weil wir Großen unsere Magiebalance kennen und ordentlich beherrschen", sagte Giscard.
"Ey, meine ganzen Hausaufgaben sind irgendwo verteilt", motzte ein Viertklässler.
"Ja, und mein Arithmantikbuch fliegt da hinten rum", blaffte Nicholas Brassu aus der dritten Klasse.
"Wir helfen einsammeln", bot Julius an und ging zu Nicholas hin. Ungesagt holte er Nicholas' Arithmantikbuch per Aufrufezauber zu sich und gab es ihm. Dann half er den anderen auch indem er sie bat, seine linke Hand zu halten. Was das sollte wollte Yvonne dann wissen, die den kleineren Mädchen bei der Frisurreparatur half.
"Habe ich auch von Madame Jane Porter, Yvonne. Du kannst einen magisch befähigten durch Körperkontakt als eigenkraftverstärkung benutzen. Außerdem konnte ich so seine Sachen einwandfrei zusammen herholen", sagte Julius.
"Ich nehm dich gleich mit zu Professeur Faucon und schlage ihr vor, daß du bei uns die nächsten Tage mitlernst und die UTZs machst", erwiderte Yvonne grinsend. Giscard kam noch hinzu und sagte: "Dieser Elementarkraftaufhebungszauber steht in keinem der Standardschulbücher drin."
"Wie gesagt, den habe ich auch nur deshalb mitbekommen, weil den einer gegen eine von mir gebaute Feuerwand geworfen hat", sagte Julius. Pierre stupste ihn sacht an und sagte leise:
"Ähm, ich wollte nur noch von dir wissen, Julius, wie das mit den Grünschirmen ist. Diese Pilze sehen im Buch nicht so aus wie in echt."
"Grünschirme, in der ersten? Trifolio macht aber mehr Dampf als Sprout. Wir hatten die erst in der zweiten. Sei es drum! Also, die Pilze sind wie der Name sagt grasgrün, wachsen an steilen Wiesenhängen, weshalb die auch Abhangshüte heißen. Sie zerbröseln, wenn jemand ohne Magie sie pflückt. Pflückt sie jemand mit Magie, dann muß er oder sie sie schleunigst in eiskaltes Wasser legen, weil sie sonst wie Schwämme Wasser aus der Luft ansaugen und zu zwei Meter großen Exemplaren wirken. Allerdings wird die Luft dann so trocken, daß sie in den Lungen brennt, weil deren Feuchtigkeit ja auch rausgezogen wird. Ist dann ähnlich als wenn du reines Chlorgas einatmest. Wenn du die aber sofort in eiskaltes Wasser, also knapp über null Celsius versenkst, können die sich nicht vollsaugen. Die Pilze sind wichtige Bestandteile von Zaubertränken, die gegen Blasenleiden helfen. Schreib dir das mal auf!"
"Gruselig. Die Dinger kriegen wir morgen. Trifolio wollte nur, daß wir uns da schon mal drüber klar werden. Jetzt kapier ich auch wieso", sagte Pierre und suchte Gabrielle, die finster zu Felix Mercier hinüberblickte, weil dessen Sturmwind ihre Haare verstruwelt hatte. Doch jetzt floß es wieder um ihre Schultern herum wie eh und je.
"Die Dinger werden auch in den Reisewindeln verbacken. Die Pilze werden dafür in einen total trockenen Raum ausgekippt, wo sie sich von der Eiswasserkur erholen", sagte Yvonne noch. "Dann blähen die sich auf, bis keine feuchtigkeit mehr da ist. Dann läßt man die unter Zufuhr von Hitze austrocknen und zerschnippelt die zu dünnen Streifen. Die kommen dann in die Reisewindeln rein, wird noch mit einem Zauber auf menschliche Ausscheidungen abgestimmt und kann dann eine Woche lang ohne Wechseln wirken."
"Ups, machst du Industriespionage?" Fragte Julius.
"Neh, ich will in die Patentabteilung rein. Da habe ich mir diverse Erfindungen mal zuschicken lassen. Mein Onkel kennt da Leute. Aber pssst! Muß nicht jeder wissen. Außerdem kann ich nicht alles analysieren. Forcas' Verrücktheiten sind zwar patentiert, aber so gut abgesichert, daß sie jeder unbefugten Bestimmungsart widerstehen. Sonst gebe es ja schon längst Mittel gegen den Flaschenschneesturm oder die Sandsturmsäcke."
"Dagegen hilft der Elementa Recalmata wohl auch nicht", wandte Julius ein. Sonst wäre es ja für die Todesser und die nun unselig von der Erde vertilgte Bellatrix Lestrange einfach gewesen, seine Unwetterzauber aufzuheben.
"Hallo zusammen, was ging denn hier ab?" Fragte Robert, der gerade durch die wand hereintrat und das noch nicht ganz aufgeräumte Chaos nach dem Sturm sah.
"Ach, nur ein kleiner Orkan im Saal. Nichts wirklich schlimmes", meinte Antoine Lasalle, der wohl gerade dabei war, seine Notizen zu ordnen.
"Solange Céline ihr Parfüm nicht mit einem Flaschenschneesturm verwechselt", meinte Robert lässig und suchte Julius' Blickkontakt. Céline trat jedoch dazwischen und knuffte ihrem Freund in die Seite. Dann ließ sie von ihm ab und kehrte zu Laurentine zurück, die Julius' Tabellen gerade wieder ordnete.
"Und, was spricht Professeur Faucon?" Fragte Julius.
"Was mir Sandrines Süßer heute morgen schon um die Birne gehauen hat, daß ich entweder in den nächsten anderthalb Wochen mal gründlich in mich gehen und alle Flüche und Gegenflüche dieses Jahres nachvollziehe oder sie im nächsten Jahr gar nicht erst zu fragen brauche, ob ich weiter bei ihr lernen darf. Sei es drum! Dann muß es eben auch ohne Fluchabwehr gehen."
"Nur, wenn Voldemort kein Testament gemacht hat, wer sein Nachfolger wird", warf Julius ein und erzielte die erhoffte Wirkung, nämlich daß Robert zusammenschrak und bleicher wurde als seine Freundin von Natur aus war.
"Wenn du diese Brosche nicht anhättest müßte ich dir glatt sagen, was für ein ... Okay, kapiere es, dieses Zeug ist wichtig. Aber ich kann doch nicht alle Sachen vom April in den bleibenden Wochen ausprobieren, um zu sehen, wo es da bei mir geklemmt hat. Dann gehe ich eben in die Handelsabteilung rein und schreibe Berichte über den Verkauf von Zaubergegenständen. Mit Verwandlung wird das bei mir gerade so was. Dann könnte ich auch in die Spielzeugfertigung rein, wo sie animierte Puppen und Plüschdrachen bauen. Zauberkunst fluppt und Kräuterkunde hängt wohl von meiner Tagesform ab, ob ich das im nächsten Jahr besser lassen soll, weil Professeur Trifolio sich in den Kopf gesetzt hat, nur O-ZAG-Abschlüsse bei sich weiterlernen zu lassen. Aber für die Handelsabteilung brauche ich dummerweise Zaubereigeschichte, frag mich warum!"
"Okay, warum?" Nahm Julius grinsend die Aufforderung wahr.
"mann! Okay, sie meinte, weil es eben vorkommen könne, daß Sachen verkauft würden, die aus uralten Familien stammen und es daher wichtig sei, methodische Quellenstudien zu beherrschen, um die Ursprungsfamilien herauszufinden, weil es ja durchaus Sachen aus Sardonias Zeit sein könnten, die irgendwann irgendwas anstellen."
"Vielleicht klappt das mit der Fluchabwehr doch noch. Für den Selbstschutz verdammt wichtig, kann ich nur aus eigener Erfahrung sagen", warf Julius ein. Robert glaubte ihm das. Die Kisten mit Hallitti und Bokanowski waren ja schließlich durch die Zeitung gegangen. Daß er noch eine von Todessern gesprengte Party nur überlebt hatte, weil er die Fluchabwehr konnte, verriet Julius nicht.
"Nicht noch mal, Felix!" Rief Giscard, als sich wieder ein Sturm aufbaute. Julius zückte schnell den Zauberstab und rief erneut: "Elementa Recalmata!" Wusch! Der Sturm erstarb sofort wieder.
"Am Spieß oder auf dem Rost, such's dir aus, Felix", schnaubte Louiselle, eine Klassenkameradin Yvonnes.
"Ich wollte das wissen, woran das lag, Mädels. Eure Frisuren sitzen ja noch."
"Jetzt komm ich aber nicht mehr drum rum, Felix. Vierzig Strafpunkte wegen wiederholter Fahrlässigkeit beim Aufruf höherer Elementarzauber und drei Tage zauberstablosen Putzdienst."
"Kann er Bernie schön grüßen", grummelte Julius Yvonne zugewandt, die nun mit Carmen bei ihm stand.
"Hast du wegen der ZAGs viel um die Ohren, oder kannst du mir das vielleicht erklären, was Madame Rossignol mit der progressiven Putrifikation gemeint hat. Ich meine, ich weiß, was das ist, aber nicht, warum das so ist", sagte Carmen.
"Klar, das Ding, daß du nicht beliebig häufig aus einem Stück Nahrung unendlich viele machen kannst. Das liegt an den einzelnen Zellen in den Nahrungsmitteln. Je öfter sie kopiert werden, desto schlechter werden sie. Kopie von einer Kopie einer kopierten Kopie, Carmen. Deshalb kannst du nicht hunderte von Fleischstücken aus demselben Schnitzel machen."
"Wegen der DNS?" Fragte Carmen. Julius stutzte. Carmen war doch ein reines Hexenmädchen. Doch er nickte. Das mußte es ja schließlich sein. Dann fragte er, woher sie diese Abkürzung kannte.
"Von Marie. Sie gab mir mal ein Heft, in dem was über die kleinsten Zellen eines Lebewesens drinstand. Habe zwar nicht alles kapiert, nur daß die wegen dieses DNS-Kerns nicht beliebig oft geteilt werden können."
"Okay, verstehe. Jedenfalls war das ja damals der Grund, daß Argon, Patricia, Millie, die anderen und ich die Gründersäulen aufmachen mußten, um immer frische Lebensmittel zu kriegen", erwähnte Julius. Wieder was, wofür Voldemort auf der einen und die Elfenbeininsulaner auf der anderen Seite verantwortlich waren.
"So, bevor mich noch wer was fragen möchte guck ich mir noch einmal die Zaubertiere in der Menagerie an", dachte Julius und verließ den grünen Saal. Felix starrte ihm zwar enttäuscht hinterher, konnte ihn aber nicht aufhalten.
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"Darf ich diesmal mitgehen, wenn du mit den anderen weggehst, Julius?" Frage ich Julius, der gerade sehr angespannt ist, weil sie in einigen Sonnen wohl zeigen müssen, was sie gelernt haben, um dann dafür belohnt oder bestraft zu werden. Prüfung heißt das, hat er mir erzählt.
"Goldi, ich weiß, daß du mich immer beschützen möchtest und ich dich dieses Jahr wirklich auch häufig gut gebrauchen konnte. Aber die sagen mir, daß es nicht geht, solange ich bei Leuten wohne, die nicht die Kraft haben, die du singen hören kannst. Die denken dann, du seist was ganz gemeines und wollen dich entweder einsperren oder totmachen, wenn sie dich sehen. Außerdem stinkt es da, wo meine Mutter wohnt nach Qualm aus den Autos, also den Kästen mit Rädern, die selber fahren können."
"Kästen, du meinst diese schnellen, rundbeinigen Brummtiere mit den Sonnenaugen", antworte ich. Julius macht diese Wackelbewegung mit dem Kopf, die zeigt, daß das stimmt, was jemand gesagt hat oder er was machen will, das jemand von ihm gemacht haben möchte.
"Stimmt, die hast du ja gesehen, als du meintest, von hier ausbüchsen zu müssen und mich in Millemerveilles gefunden hast. Vielleicht zeige ich dir mal so ein Auto von innen."
"Da kann man reingehen?" frage ich.
"Das sind Sachen, um sich schneller als auf den Füßen am Boden bewegen zu können. Da kann man reingehen", sagt mir Julius. Ich will dann so ein Auto-Brummding sehen.
"Kein Problem, wenn ich dich mal mitnehmen darf", sagt Julius dann noch. Dann sieht er auf dieses runde Glitzerding an seiner linken Vorderpfote, das tickt und dabei leise mit einer Kraft singt, die sachte schwingt. Es sagt ihm wohl, daß er jetzt zu den anderen hineingehen und dort sein Essen bekommen soll. Sie jagen ja nie selber. Er sagt das, was sie immer sagen, wenn sie voneinander weggehen und läuft zum großen Steinbau zurück. Er ist wirklich kräftiger geworden, als er mit dem Weibchen Olympe zusammen war. Mildrid wird sich ganz sicher sehr freuen, mit ihm weiter zusammensein zu können.
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Der Mittwoch verlief mit Zauberkunst, einer Doppelten Doppelstunde Zaubertränke und Arithmantik. Dann wäre an und für sich die Zaubertrank-AG drangekommen. Doch heute würde Julius seine Berufsaussichten mit Professeur Faucon erörtern. Was wollte er wirklich nach Beauxbatons machen? Die Frage hatte er sich zwar immer gestellt, aber eigentlich nie so recht beantwortet. Vielleicht war es gut, daß er sie von jemand anderem gestellt bekommen würde. Die halbe Stunde Sprechzeit sollte hoffentlich reichen, um das abzuklären. Er war sich zwar sicher, Zauberkunst, Verteidigung gegen die dunklen Künste, Kräuterkunde und Zaubertränke behalten zu wollen. Aber was sollte er nach der Schule genau machen?
Céline war vor ihm im Besprechungsraum Professeur Faucons. Millie war bei der Zaubertrank-AG. Sie würde morgen, während er im Fortgeschrittenenkurs Verwandlung zu tun hatte, ihren Termin bei Professeur Fixus haben. Sollte er heute behaupten, er lege sich nicht gleich fest, solange Millie nicht wisse, was sie machen wolle? Nein, das wollte er dann doch nicht. Seine Mutter war arbeiten gegangen wie sein Vater auch. Und trotzdem hatten sie ihn beide irgendwie großziehen können. Sicher, da gab es ja den Kindergarten und irgendwann die Grundschule, tja, und noch ein paar Jahre später Hogwarts. Wenn er wirklich jetzt schon für eine Familie mitplanen mußte, auch wenn das erste Kind wohl erst in zwei Jahren auf den Weg gebracht würde, mußte er sowas vielleicht mal ansprechen, wie zwei arbeitende Elternteile in der Zaubererwelt eine Familie betreuen konnten. Ob Professeur Faucon ihm da was sagen konnte? Ausprobieren mußte er es.
Bis viertel nach fünf vertrieb er sich die Zeit im grünen Saal mit Wiederholungen. Bald kamen die Prüfungen. Sicher, er war im letzten Jahr schon auf ZAG-Stärke geprüft worden und hätte diese Prüfung eigentlich schon als Bestanden zählen lassen müssen. Aber jetzt galt es. Das war jetzt kein Ausloten mehr, sondern ein klarer Test.
Kurz vor dem vereinbarten Termin wandschlüpfte er in den Korridor, der zu Professeur Faucons Sprechzimmer führte. Als er dort eintraf las er auf dem wandlungsfähigen Türschild: "Laufende Besprechung. bitte draußen warten!" Er hörte Célines Stimme durch die geschlossene Tür. Professeur Faucon hatte heute keinen Klangkerker nötig. Er nahm auf einem der Stühle Platz, die weit genug von der Tür fort waren, um nicht lauschen zu können. Er hörte nur Professeur Faucons Stimme leicht ungehalten sagen: "Das ist doch wohl nicht ihr Ernst, Mademoiselle Dornier." Dann kam bei seinen Normalo-Ohren nur Gemurmel an. Sicher hätte er jetzt das Langziehohr aus dem Brustbeutel holen können, um genauer zu verstehen, was Céline nicht ernst meinte. Doch er hatte selbst gelernt, wie wichtig Privatsphäre war. Es dauerte auch nicht mehr lange, bis Céline den Raum mit "Vielen Dank für Ihre Ratschläge, Professeur Faucon und dann bis morgen im Unterricht!" verließ.
"Nehmen Sie sich das sehr gut zu Herzen, was wir besprochen haben, Mademoiselle Dornier", sagte Professeur Faucon. Dann erblickte sie Julius und winkte ihm zu. Er ging an Céline vorüber. Sie grüßten einander stumm. Dann trat Julius in das Sprechzimmer ein, von dem aus er schon in manches haarsträubende Abenteuer aufgebrochen war. Auch jetzt würde es in diesem Zimmer um sein Leben gehen, allerdings nicht im Sinne von Leben und Tod, sondern im Sinne von, was mache ich mit meinem Leben?
"nehmen Sie bitte Platz! Möchten Sie eine Tasse Tee?" Begrüßte die Lehrerin ihren Ausnahmeschüler. Julius sagte "Ja, bitte gerne!" Er wartete, bis Professeur Faucon ihm ein dampfendes Teekännchen, eine auf einer geblümten Untertasse reitende Porzellantasse mit Kräutermustern und einen kleinen Teller Gebäck auf den kleinen Tisch platziert hatte. Er wartete, bis Professeur Faucon sich ebenfalls eine Tasse hingezaubert und ihm und sich die Tasse gefüllt hatte. Dann sah sie ihn genau an. Er verschloß seinen Geist. Sie lächelte jedoch gutmütig. Das bekam wirklich nicht jeder zu sehen, wußte er aus langjähriger Erfahrung mit ihr. "Ich freue mich, daß wir beide heute dieses Gespräch führen können. Denn es zeigt, daß Sie das erste wichtige Zwischenziel in Ihrem Leben endlich vor sich haben. Hinzu kommt der Ihnen und mir vertraute Umstand, daß es keinesfalls so sicher ist, daß jemand, dem große Lasten aufgebürdet werden, diese sicher trägt, bis er sie an ihrem Bestimmungsort übergeben kann. Ihnen wurde von etwas, daß die einen Gott, die anderen Schicksal nennen mögen, eine große Begabung in die Wiege gelegt. Sie haben stark ausgeprägte Zauberkräfte und erfuhren, ja auch durch mich, eine gesonderte Beanspruchung deswegen, die Sie doch mehrmals in sehr bedrohliche Situationen geführt hat. Nichts desto trotz haben Sie Ihren Weg bis heute aufrecht beschritten und gezeigt, daß Sie würdig sind, die allgemeinen Zauberergrade an dieser traditionsreichen und renommierten Lehranstalt, der Beauxbatons-Akademie, erwerben zu dürfen. Daß ich sehr zuversichtlich bin, daß Sie mehr als die Hälfte der möglichen ZAGs erringen werden, teilte ich Ihnen ja schon in der Terminankündigung mit. Sie belegen derzeit neben den Grundausbildungsfächern die Wahlfächer alte Runen, Arithmantik und praktische Magizoologie. Es dürfte Sie nicht wundern, daß ich erstaunt war, daß Sie das Studium der nichtmagischen Welt nicht antreten wollten, konnte aber durch die Erfahrung mit Ihnen und Gespräche mit Ihrer Frau Mutter erfahren, daß dieses Fach Sie wahrlich gelangweilt hätte und Sie nicht auf eine leicht erwerbbare Bestnote ausgehen wollten. Das ehrt Sie als Mensch und Zauberer, daß Sie bereits wissen, daß es im Leben nicht nur auf Bestnoten ankommt, wenngleich diese den meßbaren Grad Ihrer Leistungsfähigkeit bezeichnen. Nun, die Zusammenstellung ihres Stundenplanes eröffnet Ihnen eine große Auswahl an künftigen Laufbahnen. Deshalb möchte ich Sie bitten, mir die Frage zu beantworten, ob Sie bereits etwas genaues ins Auge gefaßt haben, das Sie nach dem zu erwarten erfolgreichen Abschluß Ihrer Ausbildung hier tun möchten."
"Die Frage habe ich mir wirklich häufig gestellt. Sie kennen ja auch die Leute, mit denen ich Kontakt habe. Darunter sind drei Heilerinnen, ein Zauberschmied, eine Kräuterkundespezialistin, eine für die Abwehr dunkler Künste und eine Tierwesenexpertin. Wenn ich meine eigene Mutter noch dazunehme könnte ich noch eine Expertin für den Umgang zwischen Muggelwelt und Zaubererwelt anführen", holte Julius weit aus. Dann beantwortete er die Frage. "Sicher ist das mit der magischen Heilkunde was anspruchsvolles und ehrenhaftes. Doch die Ausbildungsbedingungen und die Vorschriften für das Privatleben schrecken mich doch irgendwie ab. Ich meine, ich hörte von Mademoiselle Béatrice Latierre und Ms. Aurora Dawn unabhängig voneinander, daß ausgebildete Heiler ihre Zunftführung fragen müssen, ob sie diesen oder jenen Partner haben und auch mit diesem eine Familie gründen dürfen. Gut, jetzt kann man mir das mit der Partnerwahl nicht mehr so einfach vorenthalten. Aber trotz der vielseitigen Ausbildung und Praxischancen stört mich diese Bevormundung dann doch. Außerdem müßte ich da wohl Ohne-Gleichen-UTZs in Verwandlung und Protektion gegen destruktive Zauberkräfte erreichen, wenn ich Madame Rossignols Arbeit beurteile."
"Woher rührt Ihre Furcht, diese hohen Bewertungen nicht erringen zu können?" Fragte Professeur Faucon. "Liegt es an Ihnen oder an der Fachkraft, die den Unterricht in diesen Fächern erteilt?"
"Wohl daran, daß ich weiß, wie kompliziert das nach den ZAGs wird, da ich ja schon in fortgeschrittener Verwandlung ausgebildet werde", sagte Julius.
"Ja, und das sicher nicht, weil die zuständige Fachlehrerin, die ich besser als jeder andere hier in Beauxbatons kenne, der Meinung huldigt, daß Sie derartige Anforderungen nicht erfüllen, Monsieur Latierre. Und ebenso verbindlich wie im Studienfeld Transfiguration kann ich sehr zuversichtlich betonen, daß Sie auch in der Protektion wider destruktive Formen der Magie die hohen Anforderungen erfüllen, die an Sie gestellt werden. Ich hoffe doch, daß es keine persönlichen Differenzen sind, die Sie mit der Lehrerin haben." Julius schluckte, weil er das Augenzwinkern seiner Saalvorsteherin sah. Sie hatte doch sowas wie Humor. So sagte er ganz ruhig:
"Ich hoffe, ihr bis jetzt keinen Anlaß dazu geboten zu haben und wollte lediglich jedes Mißverständnis vermeiden, daß ich mir etwas auf die bereits möglichen Leistungen einbilden würde."
"Nun, dann kommen wir also zurück zur magischen Heilkunst, in der Sie durch Ihren Pflegehelferstatus ja doch schon eine gewisse Vorbildung besitzen. Es trifft zu, daß magische Heiler einer strengen Selbstdisziplinierung unterworfen sind. Ich gehe davon aus, daß die Heilerinnen in Ihrem außerschulischen Bekanntenkreis Ihnen erläutert haben, daß diese strenge Selbstbeschränkung und Vorsicht nötig ist, weil der Beruf des Heilers ein Beruf gegenseitigen Vertrauens ist. Will jemand einem Patienten ohne Zwang und von oben herab eine gesunde Lebensweise aufzeigen und ihn davon überzeugen, muß er oder sie mit gutem Beispiel vorangehen. Das heißt zwar nicht, daß Heiler wie Mönche und Nonnen asketisch und frei von Liebeserfahrungen leben müssen. Aber sie müssen sich jeden Tag darüber klar sein, daß ihr Tun ihr Bild prägt und dieses Bild der Schlüssel zu einem guten Verhältnis zu ihren Patienten ist. Fürchten Sie also darum, kein vergnügliches Leben führen zu dürfen, wenn Sie der Heilerzunft beitreten, Monsieur Latierre?"
"Sagen wir es so, ich stünde jeden Tag unter Beobachtung und müßte Leuten Fragen beantworten, die eigentlich Privatsache sind."
"Grundsätzlich besteht die Gefahr der fließenden Grenze zwischen Privat- und Berufsleben in fast jedem Beruf. Selbst ich als Lehrerin bin gewissen Verhaltensnormen unterworfen, um Ihnen und Ihren Mitschülern ein gutes Vorbild zu sein. Ähnliches ist bei den Heilern der Fall. Aber Sie haben mir jetzt erzählt, was Sie sich wohl eher nicht als Berufsweg aussuchen möchten, wenngleich da das letzte Wort wohl erst nach den UTZs fallen dürfte. Was kommt Ihnen denn als erwünschtes Berufsziel in den Sinn?"
"Ich arbeite gerne mit Zaubertränken, -pflanzen und Zaubertieren. Vielleicht gibt es einen Beruf, ähnlich dessen, was bei den Magielosen Menschen Biologie genannt wird, also Leute, die die lebendige Natur erforschen."
"Nun, sicher gibt es kombinierte Forschungsbereiche, wo das Miteinander von magischen Pflanzen und Tieren oder die Lebensweise Magischer Wesen studiert und dokumentiert wird. Abgesehen davon würde das jedoch Ihre Kreativität außer Acht lassen. Ehrlich gesagt wäre das eine unverzeihliche Ignoranz bestehender Möglichkeiten. Ich will Ihnen zum besseren Verständnis einmal vortragen, welche bisherigen Rückmeldungen mir von den anderen Fachkollegen über Sie zugegangen sind." Sie holte eine grüne Mappe aus ihrem Wandelraumschrank, auf der JULIUS LATIERRE GEB. ANDREWS - BEWERTUNGSAKTE zu lesen stand. Julius wartete höflich und geduldig, bis Professeur Faucon die letzten Seiten aufgeschlagen und überflogen hatte. Dann las sie laut vor:
"ZAG-relevante Grundeinschätzung von Professeur Mirabelle Bellart: Monsieur Latierre ist ein sehr aufmerksamer und mit einer großen Auffassungsgabe begüteter Jungzauberer, der die ihm aufgebürdete Verantwortung, mit einem höheren Zaubertalent leben zu müssen, in diszipliniertem Lerneifer umsetzt, wobei er Zauber der UTZ-Klassen bereits nach wenigen Ansetzen fehlerfrei ausführen und bereits alle grundlegenden Zauber nonverbal wirken kann. An seinem Fleiß hege ich keinen Zweifel, da er seine Hausaufgaben immer mit der gebotenen Gründlichkeit und Umfassendheit erfüllt und zudem sehr hilfsbereit auftritt, wenn er um seine Meinung oder Kenntnisse gebeten wird. In seinem derzeitigen Stadium der Ausbildung kann ich ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Zauberergrad in Zauberkunst über Akzeptabel vorhersagen. Jeder darunter würde mich in arges Erstaunen versetzen." Sie machte eine Pause und tippte dann eine andere Stelle auf der Seite an. "Professeur Fixus äußert sich in Ihrer Einschätzung so, daß Sie wohl vom väterlichen Erbe her ein großes Gespür für Rezepturen und Zusammensetzungen, Wechselwirkungen und Abwandlungen erworben haben. Natürlich weiß sie wie alle anderen Saalvorsteher von Beauxbatons, was Ihre früheren Lehrer in Hogwarts geschrieben haben. Ihr erster Zaubertranklehrer, möge er den Frieden finden, der ihm auf Erden nicht vergönnt war, ließ sich ja auf Grund von Abstammungsvoorbehalten eher abwertend über diese Talente und Voraussicht Ihrerseits aus. Doch Professeur Fixus bescheinigt Ihnen in dieser Bewertung, daß Sie auch durch Ihre Teilnahme an der Alchemie-AG sowie den wenigen Unterrichtsstunden, die Sie einmal in der UTZ-Klasse zubringen mußten, keine Schwierigkeiten haben werden, einen ZAG mindestens Erwartungen übertroffen zu erringen und geht sehr stark davon aus, Sie in den kommenden beiden Schuljahren als UTZ-Schüler im Unterricht begrüßen zu dürfen. Professeur Trifolio atestiert Ihnen ein großes Interesse in seinem Fachbereich, merkt jedoch an, daß Sie offenbar immer noch gehemmt sind oder durch andere Verpflichtungen zu sehr ausgelastet sind, um die Ihrem Interesse gebührende Höchstleistung zu erbringen. Allerdings geht auch er davon aus, daß Sie seinen Anforderungen genügen werden und ein Ohne gleichen im Zauberergrad Kräuterkunde erwerben werden. Professeur Paralax lobt Ihre profunden Grundkenntnisse und Ihr Interesse, sein Fach auch anderen verständlich zu machen und geht ebenfalls von einem ZAG über Akzeptabel aus. Vielleicht sollten wir Ihre Kenntnisse und Interessen für den Weltraum in die weitere Berufsberatung einbeziehen, da meiner Erfahrung nach viele Schüler nach Erwerb der Zauberergrade Astronomie nicht mehr als Unterrichtsfach besuchen möchten." Wieder pausierte sie. Julius hätte zu gerne gefragt, welche Anforderungen die bereits erwähnten Lehrer an ihre UTZ-Schüler stellen würden. Doch noch standen einige Lehrer aus.
"Sie haben den Kollegen Dedalus ja in den letzten drei Monaten besser kennenlernen dürfen als die meisten anderen Schüler und wissen daher, daß es ihm suspekt ist, wenn jemand sowohl sportlich als auch geistig sehr aktiv und geübt ist. Dennoch beurteilt er Ihre Leistungen auf dem Quidditchfeld und Ihren Mannschaftsgeist als sehr vorbildlich und hegt keine Bedenken, Sie Talentsuchern der französischen Quidditchliga zu empfehlen, sollten diese in zwei Jahren nach vielversprechenden Abgängern fragen. Ich habe einige erlebt, die nach ihrer Schulzeit erst einmal ihre Wildheit über einem Quidditchfeld ausgelebt haben und sich heute in lukrativen Anstellungen der Besenflug- und Sportorganisationen befinden. Ihre Schwiegermutter ist da das beste Beispiel, um nicht all zu privat zu argumentieren. Es ist ja in der Zaubererwelt oft doch so, daß gute Beziehungen fehlende Talente ersetzen. Wer beides hat kann in eine vielfältige Zukunft blicken, in der mehr als ein Weg begehbar ist."
"Naja, Professeur Dedalus meinte immer, mich provozieren zu müssen, um zu sehen, ob ich nicht doch mal irgendwann über den Tisch lange und ihn vom Stuhl haue", grummelte Julius. Professeur Faucon nickte verdrossen dreinschauend, sah ihn dann aber wieder freundlich an.
"Professeur Laplace beurteilt Ihre kombinatorischen und logischen Fähigkeiten sehr wohlwollend und wäre nicht überrascht, Sie nach den ZAGs in ihrem Unterricht zu begrüßen, wenngleich nur wenige ZAG-Kandidaten Arithmantik als UTZ-Fach belegen. Sollte es also darauf hinauslaufen, daß Sie womöglich der einzige Sind, der die UTZ-Jahre Arithmantik belegen möchte, müßten wir uns wohl was einfallen lassen", fuhr Professeur Faucon fort. Julius nickte. Doch er hatte bereits befunden, Arithmantik nach den ZAGs nicht mehr weiterzumachen, dann wohl eher alte Runen. Zu der betreffenden Fachlehrerin kam sie nun auch.
"Professeur Milet konnte bei Ihnen eine gute Aufnahmefähigkeit erkennen und schätzt Ihre Einsatzbereitschaft, die alten Runen zu entziffern, wohl auch, weil Ihnen bekannt ist, daß damit mächtige Zauber und Verbindende Zauberkraftelemente dauerhaft wirksam gemacht werden können. Sollten Sie also in die Fachrichtung der Thaumaturgie oder der höheren Protektion gegen destruktive Formen der Magie einschwenken, empfehle ich Ihnen, den Unterricht in Alte Runen weiterzubesuchen. Professeur Milet ist bereit, jeden, der oder die den Zauberergrad bestanden hat als Schüler zu akzeptieren. Will sagen, ein Akzeptabel im Zauberergrad alte Runen eröffnet Ihnen bereits die Fortsetzung Ihrer Ausbildung."
"Hmm", machte Julius. Professeur Faucon sah ihn an und warrtete. "Ich habe das ja gelernt, als ich das Denkarium gebaut und bezaubert habe, wie wichtigdie Runen sind. Außerdem gibt es noch viele Texte, die in Runen geschrieben sind. Ich werde das Fach dann wohl weitermachen, wenn der ZAG das hergibt."
"Tja, Sie haben wie viele andere auch das Problem, in den letzten zwei Jahren fünf Lehrer im Fach praktische Magizoologie erlebt zu haben, so daß eine verbindliche, auf Kontinuität bauende Bewertung nicht erfolgen konnte. Professeur Armadillus lobt einerseits Ihre Sorgfalt im Umgang mit Tierwesen, beschwerte sich jedoch über die unerlaubte Besichtigung von Goldschweifs Kindern, wo er durch besagte Knieselin ja schwere Kopfverletzungen erlitt und sich später herausstellte, daß er seine Sorgfaltspflicht versäumt hat. Madame Maxime bescheinigt Ihnen eine gute Disziplin und vorbildliches Verhalten, sowie die Bereitschaft, Konsequenzen Ihres Handelns hinzunehmen und geht davon aus, daß sie mindestens mit Erwartungen übertroffen abschneiden werden. Über Professeur Pivert brauchen wir nicht viele Worte zu verlieren, weil dessen Anstellung ja nicht von langer Dauer war. Er behauptet zwar, Sie hätten sich ungehörig und anmaßend betragen. Das konnte jedoch durch Madame Rossignol widerlegt werden, da diese ihnen auftrug, Professeur Pivert zur Umkehr anzumentiloquieren. Professeur Moulin hat bis zu seiner Kündigung ähnliche Charakterzüge in Ihnen gesehen wie Madame Maxime. Professeur Fourmier hatte ja leider keine Gelegenheit, Sie im Klassenverbund zu unterrichten, lobt jedoch Ihre systematische herangehensweise bei den Hausaufgaben, die Ihnen durchaus eine gute Anstellung in Firmen und Behörden sichert, die mit magischen Tierwesen arbeiten. Auch in diesem Zweig der praktischen Magie unterhalten Sie ja wohl verwandtschaftliche Beziehungen", sagte sie noch. Julius nickte. Aber seine Schwiegertante würde ihm nicht ohne weiteres die nötigen Türen offenhalten. Das sollte er erst einmal genauer ausloten, wenn Ferien waren.
"So verbleiben dann nur noch Ihre Beurteilungen in den Fächern Transfiguration und Protektion gegen destruktive Formen der Magie", setzte Professeur Faucon mit der Erwähnung ihrer eigenen Einschätzungen an. "Wie ich Ihnen zu Beginn dieser Unterredung bereits verbindlich versichert habe, besteht meinerseits kein Zweifel, daß Sie in den beiden Fächern mindestens einen Erwartungen-übertroffen-Zauberergrad erringen werden. Alles darunter wäre für mich erschreckend. Dann müßte ich erst mich und dann Sie fragen, woran das gelegen hat. Ich konnte sowohl im regulären Unterricht, wie auch in den Freizeitkursen klar und deutlich erkennen, daß Ihnen die praktischen, kreativen Zauberfächer mehr liegen, als Sie es sich wohl eingestehen wollen. Ich fürchte, diese Selbsteinschränkung Ihrerseits ist auf den Ihnen anerzogenen Grundsatz zurückzuführen, nicht unnötig aufzufallen. Ihr bereits erwähntes Zaubertalent macht dies jedoch sehr schwierig und damit frustrierend. Anstatt sich zu fürchten, aufzufallen, sollten Sie besser darauf setzen, Ihre Talente sinnvoll zu erkunden und auszufeilen, also auch mehr aus den Ihnen zustehenden Möglichkeiten machen. Ihre bisherigen Erfahrungen haben Sie natürlich besser als der gesicherte Schulunterricht gelehrt, wie wichtig gerade die Protektion wider destruktive Zauberkräfte ist. Daher sollte es in Ihrem persönlichen Interesse sein, diesen wichtigen Zweig der Magie bis zum ultimativen Test Zauberfertigkeiten fortzusetzen. Auch wenn Sie schon früh haben lernen müssen, daß nicht jeder Gegenzauber ein erfreuliches Ergebnis hervorbringt, ist die umfassende Kenntnis hochwertiger Defensivzauber mit unter überlebenswichtig, auch die eigene Kreativität kann dabei helfen, gefährliche Situationen zu überwinden. Was das Studienfeld Transfiguration angeht, so habe ich hier schon häufig Leute im ZAG-Jahr gehabt, die ernsthaft gefragt haben, was sie damit eigentlich machen sollen. Ich entsinne mich, daß meine Kollegin Professor McGonagall zu Hogwarts Sie einmal dahingehend belehrte, daß Verwandlungszaubereien die eigene Flexibilität, Kreativität und Konzentration fördern. Dieser Meinung schließe ich mich ohne jeden Vorbehalt an. Allein, daß Sie erkennen durften, wie die Umstellung von der Technik Wendels auf die Unittamos schnelles Nachdenken und Merkfähigkeit verlangt, aber auch sehr ansprechende Resultate hervorbringt. Auch wenn Sie beruflich keinerlei Verwandlungen auszuführen haben sollten ist es sicher nicht verkehrt, dieses Unterrichtsfach weiter zu besuchen. Allerdings muß ich wegen der Komplexität der Fächer die Anforderung auf einen Erwartungen-übertroffen-ZAG festlegen. Doch das ändert nicht meine Einschätzung, daß Sie in den beiden kommenden Jahren die beiden Fächer bedenkenlos beibehalten können, sofern Sie sich bei den Prüfungen keine Leistungsverweigerung herausnehmen oder durch etwas bewogen sind, auf ein Scheitern dieser Prüfungen hinarbeiten zu müssen." Dann gebot Professeur Faucon Ruhe und baute nun doch noch einen Klangkerker auf. Dann sagte sie: "ich weiß natürlich, daß egal, was Sie tun immer diese Verpflichtung über Ihnen schwebt, die Sie damals in der Festung der Morgensternbrüder übernahmen und in jener verborgenen Stadt besiegelten. Zwar sind Skyllians Krieger nun vergangenheit, und die sie jagenden Wertiger konnten von anderen Jägern überzeugt werden, besser in die alte Heimat zurückzuweichen. Aber ich fürchte, es gibt noch genug dunkle Vermächtnisse, die irgendwann enthüllt werden. Und ob Sie das jetzt wollen oder nicht, Sie werden wohl bei der Bewältigung entsprechender Krisen aktiv mithelfen, wenn Sie nicht zusehen möchten, wie etwas, dem Sie einhalt gebieten konnten, alle die Ihnen etwas bedeuten bedroht. Natürlich kann es auch helle Nachlässe geben, wie Darxandrias Wiederverkörperung ja beweist. In diesem Fall dürften Sie derjenige sein, der uns die gutartigen Hinterlassenschaften erschließt und damit die Menschheit vor einem Mißbrauch beschützt. Allerdings, und deshalb auch der Klangkerker, hat sich leider erwiesen, daß selbst die gutartigsten Zauber ohne Kenntnis dessen, wogegen sie gerichtet werden, fatale Auswirkungen haben können. Wäre mir eine ganz wesentliche Information bereits vor einem Monat übermittelt worden, könnten wir Professeur Tourrecandide als Prüferin für die ZAGs begrüßen. So ist sie jetzt in einem sehr demoralisierten Zustand, auch wenn das, was ihr widerfuhr, ihr einen Großteil Lebenszeit zurückgebracht hat. Näheres möchte ich ihr überlassen, falls Sie es für vertretbar oder geboten befindet, Sie über Ihre riskante Mission zu unterrichten. Wie gesagt, ein Bestandteil des fatalen Ausgangs war eine unüberlegte Bezauberung ohne über die mögliche Wirkung orientiert zu sein."
"Hat sie einen der vier alten Zauber benutzt?" Fragte Julius verlegen.
"Zwei davon. Aber wie erwähnt trägt sie die alleinige Schuld, voreilig gehandelt zu haben. Sie weist Ihnen keinerlei Schuld zu, nur weil Sie einen Zauber benutzt hat, den sie von Ihnen erlernt hat. ich wollte Sie lediglich darauf hinweisen, daß selbst gutartige Zauber verheerende Auswirkungen haben können, wenn sie gegen Ziele wirken, die darauf in einer unbekannten Weise reagieren und das dann auch noch an einem Ort, wo es riskant ist, überhaupt den Zauberstab anzuheben. Das hat unsere intrigante Widersacherin sich sehr schlau ausgerechnet."
"Hat Professeur Tourrecandide sie getroffen, ich meine die Wiederkehrerin?" Fragte Julius. Professeur Faucon nickte nur. Doch mehr wollte sie dazu nicht sagen. Sie sagte nur: "Wie auch immer, Sie haben ein schweres Erbe angetreten und müssen erwägen, ob Sie es zum Wohl oder zum Übel Ihrer Mitmenschen einsetzen werden, wobei Unterlassung und Ablehnung von Aufgaben ebenso schädlich wirken können wie direkte Angriffe auf Lebewesen."
"Ein Roboter darf keinen Menschen verletzen oder töten oder durch Untätigkeit zulassen, daß ein Mensch verletzt oder getötet wird", zitierte Julius das erste Asimov'sche Robotergesetz. "Gut, ich bin kein Roboter. Und die künstlichen Wesen, die mir bisher begegnet sind, kennen dieses Gesetz auch nicht. Aber ich verstehe zumindest, daß Unterlassung auch eine Form der Schädigung ist."
"Da sind wir uns also einig", sagte Professeur Faucon und hob den Klangkerker wieder auf. "Sie sehen also, daß Ihnen sehr viele Möglichkeiten offenstehen. Natürlich liegt es in der Natur der Sache, daß Sie nicht alle Fächer bis zu den UTZ-Prüfungen weitermachen wollen, weil die Vorbereitungen auf die Stunden und Prüfungen immer umfangreicher werden und manche freie Stunde doch schon nötig ist. Viele nehmen daher auch nicht mehr alle Tage ein Freizeitangebot wahr, weil sie durch die Zahl der Unterrichtsstunden gezwungen sind, die außerschulischen Aktivitäten zu begrenzen. Noch einmal zurück zu Ihren Interessen für Lebewesen und den Weltraum. Es gab und gibt immer auch einzelne Hexen und Zauberer, die sich als Naturforscher selbständig machten und der magischen Gemeinschaft auf diese Weise große Errungenschaften bescherten. Nehmen wir Monsieur Florymont Dusoleil. Er ist ein begnadeter Zauberschmied und hat unserer Welt schon große Erleichterungen beschert, die ihm in einem Ministerialbüro sicher nicht so spontan oder umfangreich eingefallen wären. Ähnlich könnten Sie vorgehen, wenn Sie einen Wohn- und einen Arbeitsplatz finden, an dem Sie Ihre Fähigkeiten und Interessen gleichermaßen sprießen und wirken lassen können. Aber dies, so dürfen Sie versichert sein, kostet Sie jede Menge Freizeit."
"So wie sich das gerade anläßt werde ich wohl nach den UTZs schon voll in der Familienplanung hängen", sagte Julius und brachte damit das Thema auf den Punkt, daß ihn draußen vor der Tür bereits beschäftigt hatte. "Im Grunde kann ich ja darauf hoffen, daß ich etwas finde, was mir sowohl Geld als auch Anerkennung einbringt. Allerdings möchte ich aber auch eine gewisse Freizeit haben, sollte das wirklich so sein, daß ich nach Beauxbatons eine eigene Familie haben werde. Meine Frau möchte wohl auch irgendwas einträgliches machen, aber dann wohl eher etwas, was sie nicht davon abhält, Mutter zu werden und zu sein. Zumindest hat sie mir das mal so erzählt. Ich habe Camille Dusoleils Aushang gelesen. Vielleicht war der eindeutig an mich gerichtet. Es wäre zwar ein sehr ruhiges, aber sicheres Leben."
"Nun, die werte Madame Dusoleil verfügt über einen großen Stab an versierten Helfern und wird sicherlich die nächsten zehn oder zwanzig Jahre keine personellen Engpässe befürchten müssen. Andererseits weiß ich durch eigene Gespräche mit meiner lebensfrohen Nachbarin, daß sie gerne Leute mit Kenntnissen und Interesse um sich hat, um nicht mit stupiden Blattschneidern leben zu müssen. So ähnlich hat sie sich mir gegenüber einmal ausgedrückt", sagte Professeur Faucon. Julius dachte daran, daß Camille Professeur Trifolio für einen Fachidioten hielt. Er sah in Pflanzen nur wissenschaftliche Studienobjekte und lebte ausschließlich für die Erforschung und den Unterricht in magischer Kräuterkunde.
"Sie erwähnten meine Schwiegertante Barbara Latierre aus der Tierwesenbehörde. Das wäre vielleicht auch was für mich", sagte Julius. Professeur Faucon nickte. "Doch wie erwähnt muß ich die Bedingungen dafür erst einmal genauer ausloten", fügte er noch hinzu.
"Quidditch?" Fragte Professeur Faucon.
"Da bin ich wohl durch meine ganzen Fußballerfahrungen nicht besonders für. In der Schule und privat kein Thema, da spiele ich das gerne. Aber wenn der Profi-Sport in der Zaubererwelt genauso gestrickt ist wie bei den Muggeln, habe ich vielleicht zehn Jahre, in denen ich von einem Verein zum anderen wechseln muß, riskiere bei Training und Spielen immer wieder die Knochen und kann nach dem Karriereende nur hoffen, bei den Verwaltungssachen der mannschaften was mitarbeiten zu können, wenn ich nicht Trainer oder Schiedsrichter werden will. Aurora Dawn hatte auch diese Wahl, hat sie mir erzählt. Sie wollte auch lieber gleich was lernen, das sie das ganze Leben lang machen konnte. Quidditch ist ja dann doch eher was für wenige Jahre."
Sie haben sicherlich recht. Es ist ein spannendes Spiel, solange nicht zu viele Leute Geld an den Spielern verdienen wollen", sagte Professeur Faucon. Dann sind wir wieder bei den Berufszweigen, die eine universelle Ausbildung erfordern, für die Sie sich eignen. Daß Sie bedenken wegen der Strengen Privatlebensvorschriften der Heiler hegen haben Sie mir ja bereits zu Beginn der Unterredung beschrieben. Desumbrateur, also jemand, der gezielt bösartige Hexen und Zauberer aufspürt und gegebenenfalls festnimmt. Das stünde auch noch zur Auswahl."
"Wie erwähnt kann ich nicht mehr ganz frei für mich alleine entscheiden", erwiderte Julius. "Aber wenn ich jetzt gefragt werde, was mir lieber ist, dann wohl doch eher was in der magischen Menagerie in Millemerveilles oder der Tierwesenbehörde, der grünen Gasse oder anderer magischer Gärten."
"Die Möglichkeit, als Kontakter zwischen magischer und nichtmagischer Welt zu fungieren würden Sie grundsätzlich ausschließen?" fragte Professeur Faucon Julius. Dieser wiegte den Kopf und sagte dann
"Nicht grundsätzlich. Ich sehe ja, was meine Mutter getan hat, um die Beziehungen zwischen magischer und nichtmagischer Welt zu verbessern und wohl immer noch dafür tut. Das wäre zumindest noch was, wo ich mich einbringen kann und all die Fächer weitermachen kann ... Jau, auch als Katastrophenumkehrzauberer kann ich mir jetzt was vorstellen", sagte Julius, dessen Augen leuchteten. Dabei könnte er sogar noch einen Trumpf in die Waagschale werfen. Wenn er Goldschweif mit auf die Einsätze nahm, konnte sie ihm Wege zeigen oder ihn vor zweifelhaften Personen warnen. Das wäre es doch. Vor allem würde Millie ihm da wohl zustimmen, weil sie wohl nicht gerade den übermäßig unterforderten Typen haben wollte, der in einem Dorf an Zauberpflanzen herumschnitt. Doch was sie wollte würde sie ihm wohl erst morgen Abend verraten, wenn überhaupt.
"Das Ministerium schreibt bereits viele Stellen neu aus, um die durch die Dementoren und die Schlangenkrieger ausgefallenen Mitarbeiter zu ersetzen. Falls Ihre eben geäußerte Begeisterung für die Umkehr magischer Unglücke und mutwilliger Behexungen die kommenden zwei Jahre übersteht, könnnte ich Ihnen einen Einstieg in diese Abteilung verschaffen", sagte Professeur Faucon. Julius nickte und trank weiter seinen Tee. Dann ließ er sich noch berichten, was es alles für Angebote gab. Doch es war nichts dabei, daß ihm wirklich viel besser gefiel als das Angebot, Katastrophenumkerhzauberer zu werden. Das hätte auch den Vorteil, daß er sofort mitbekam, wenn etwas wie Halliti oder Naaneavargia die Gegend unsicher machten. Dann war die genehmigte Sprechzeit auch schon zu Ende. Julius bedankte sich für die Aufmerksamkeit und die Beratung. Dann verließ er das Sprechzimmer. Im Korridor wartete niemand. Professeur Faucon erbot sich, mit ihm zum Speisesaal hinunterzugehen, wenn er Zeit hatte, auf sie zu warten. er empfand nichts dabei, daß die Lehrerin mit ihm in den Speisesaal gehen würde.
Unterwegs fragte er sie, ob die ZAGs wieder in der Aula stattfänden. "Wie immer, Monsieur Latierre. Außer dem Speisesaal ist kein Zimmer in Beauxbatons geräumig genug, um dort an die hundertfünfzig Personen zu verteilen. Sie besitzt einen rückwärtigen Warteraum, der früher als Garderobe genutzt wurde. Das erleichtert die Organisation der praktischen Prüfungen erheblich."
"Im Moment geht es mir auch gut genug für die Prüfungen. Ich hatte zumindest bisher keinen Alptraum wegen Prüfungsangst und so, und meinetwegen können die bösen Träume mich auch mal in Ruhe lassen. Ich habe in der Wirklichkeit schon genug Horror und Bosheit erlebt, als ich davon noch träumen müßte."
"Tja, das empfinde ich genauso, und dennoch sehe ich mindestens einmal im Monat meinen Gatten unter dem Todesfluch sterben. Zu wissen, daß die Bilder auf furchtbaren Erinnerungen beruhen macht sie im Traum noch bedrückender", seufzte Professeur Faucon. Julius räumte ein, einmal vor der ersten Prüfung hier in Beauxbatons abgedrehte Träume gehabt zu haben. Er unterließ es jedoch, diese genauer zu beschreiben, weil sie mittlerweile in die Hauptkorridore eingebogen waren, die zum Speisesaal von Beauxbatons führten.
"Und, wie war es?" Fragte Robert Julius.
"Im Grunde meint sie, könnte ich alle Fächer weitermachen und dann alles damit werden. Ich habe jetzt aber einen gewissen Überblick und auch eine konkrete Vorstellung. Drei Sachen habe ich zur Auswahl. Welche ich davon nehme, weiß ich wohl erst in zwei Jahren", entgegnete Julius.
"Céline kam ja ziemlich genervt aus diesem Sprechzimmer", setzte Robert das Gespräch am grünen Tisch fort. Julius nickte. Er hatte Céline ja gesehen.
"Ich weiß nicht, was Professeur Faucon ihr geraten hat. Und ich frage sie das auch nicht, weil das ihre Sache ist."
"Dann frage ich sie nachher, wenn Laurentine zu Professeur Faucon geht. Könnte ja durchaus sein, daß ich mich irgendwie auf was bestimmtes einrichten muß."
"Hört hört!" Mußte André dazu einwerfen. Doch Robert blieb ruhig und antwortete nur: "Du kannst eh machen, was dir Spaß macht. Aber wenn Céline mich im letzten Schuljahr auf den Besen heben sollte, sollte mir was eingefallen sein, womit ich meine Schwiegereltern beeindrucken kann."
"Da habe ich es einfacher. Einer oder einem kann ich alles recht machen, und der Rest glotzt mich verbittert an. Wenn ich Heiler werden sollte, gucken mich wohl meine Schwiegermutter und meine Schwiegertante Barbara komisch an. Mache ich eine Quidditchkarriere - was nach Professeur Faucon auch ginge - so könnte meine Schwiegermutter mir zwar die Tür aufmachen, die in die Liga führt. Aber das ist mir dann echt zu kurzlebig. Zehn oder fünfzehn Jahre höchstens herumflitzen und aufpassen, daß die Klatscher einen nicht unrettbar zerlegen, um dann in diesem Geldraffzirkus Quidditchliga als Trainer, Manager oder irgendwas anderes außerhalb der Mannschaft das Uhrwerk am laufen zu halten. Dann lieber was, womit ich auch in fünfzig Jahren noch was anfangen kann", sagte Julius zu Roberts Einwänden noch. Dann setzten sie ihr Abendessen fort, ohne sich noch einmal über die jeweiligen Berufsberatungen zu ereifern.
"Na, was sagte dir Professeur Faucon?" Fragte Céline ihren Klassenkameraden und Silberbroschenkollegen abends nach der Bettkontrollrunde im Aufenthaltsraum.
"Daß ich im Grunde alles erreichen könnte, falls ich nicht so dämlich bin, die ZAGs zu verhauen. Sie wollte wissen, ob ich bei den Heilern einsteige. Aber deren Lebensvorschriften sind mir zu strickt. Wenn die Zunft einen möglichen Lebensgefährten abklopft, ob der zu Heiler X oder Heilerin Y paßt, schreckt das doch wohl eher ab. Ich sehe es doch an Aurora Dawn und meiner Schwiegertante Béatrice. In die Liga gehe ich auch nicht rein, weil das mir zu schnelllebig ist, abgesehen davon, ob ich überhaupt wieder Quidditch spiele."
"Häh? Wieso solltest du kein Quidditch mehr spielen? Die Saison hier ist zwar abgesagt worden, aber doch nicht nächstes Jahr und das Jahr darauf", erwiderte Céline. "Allerdings brauchen wir im nächsten Jahr einen neuen Treiber und einen Kapitän", fügte sie noch hinzu. Dann nickte sie ihm, fortzufahren. Er erwähnte dann noch, daß er von den möglichen Fächern her wohl entweder was mit Zaubertieren machen oder vielleicht doch in die Katastrophenumkehrtruppe reingehen wolle.
"Onkel Bauduin wollte das auch mal, bis er rausgefunden hat, daß die da nur nach Einsätzen bezahlt werden und ein billiges Bereitschaftsgehalt von einer Galleone pro Tag kriegen. Wenn Millie dich echt als Vater ihrer vielen Kinder haben will muß schon was handfesteres ins Verlies geschaufelt werden. Vielleicht könntest du bei Forcas rein. Humor hast du doch und Ideen hast du doch auch, wie Claires Zauberlaterne zeigt."
"Willst du zu deinem Onkel in die Firma?" Fragte Julius, dem da gerade ein Verdacht kam, was Professeur Faucon so verärgert haben mochte.
"Du hast bestimmt mitgekriegt, daß mich unsere Saalkönigin gegen Ende ziemlich angefaucht hat. Sie meinte, daß ich zwar in Verwandlungen, Fluchabwehr und Zauberkunst gut sei, aber in Zaubertränken noch ranklotzen müsse, um den ZAG zu kriegen. Kräuterkunde ist nicht so mein Ding, und wie es in Arithmantik aussieht ist mir eh egal, weil ich nach dem Jahr das Fach sausen lasse. Ich fürchte, die werden mir bei mindestens fünf ZAGs die goldene Brosche ankleben, wenn Yvonne fertig ist. Dir kann das ja auch blühen."
"Ich war froh, nach dem ich von Madame Maxime weg war keine schlechten Träume gehabt zu haben, Céline. Die Aussicht auf die Goldbrosche könnte das wieder ändern. Aber wolltest du mir jetzt erzählen, was Professeur Faucon so knurrig gemacht hat oder lieber doch nicht?"
"'Tschuldigung, muß das wohl noch rausfinden, Sachen geordnet nachzuerzählen. Es ging da wirklich drum, wo ich mit den drei praktischen Zauberfächern hin könnnte. Da habe ich gesagt, daß mein Onkel Bauduin mit seinem Chef sprechen könnte, ob ich nicht bei denen unterkomme. Da war sie schon knurrig und meinte, ich hätte doch wohl sinnvolleres im Leben vor, als künftigen Schülergenerationen "haarsträubenden Unfug" anzubieten und deren Taschengeld einzustreichen, was sicher für wichtigeres benötigt würde. Da meinte ich ziemlich genervt, daß ich dann ja auch ins Haus der goldenen Rosen gehen könnte. Natürlich ist die dann richtig wütend geworden." Julius flüsterte die Frage, ob da die sogenannten Wonnefeen arbeiteten. Céline grinste und nickte. Julius schmunzelte dann und betrachtete Céline sehr prüfend, stierte sie sogar so an, wie er die Mädchen angeschmachtet hatte, als nach dem Angriff der Skyllianri die Schule wieder losgegangen war. Céline hielt dem stand. Dann meinte er: "Dann könntest du besser bei Madame Esmeralda anfragen, ob du als Model arbeitest. Allerdings müßtest du dir dann das Gesicht etwas rosiger machen. Ich kenne zwar keine Wonnefeen und werde wohl auf lange Sicht keine nötig haben, aber ich denke doch, daß die ein wenig mehr auf den Rippen haben müssen.""
"Ansonsten geht's aber mit meiner Figur?" Fragte Céline herausfordernd. Julius mußte jetzt überlegen, was sie hören wollte. Sagte er ihr, daß sie für eine Wonnefee mehr Brustumfang haben müsse, könnte sie sich beleidigt fühlen, vielleicht aber auch nicht, weil sie dann doch nicht auf solche Ausprägungen fixiert war. So sagte er nur: "Ich denke, als Vorführdame für Madame Esmeraldas neueste Garderoben würde Robert dich wohl eher schätzen als als Wonnefee. Vielleicht dürfen die nicht einmal heiraten, um jedem zur Verfügung zu stehen. Aber wenn Professeur Faucon das nicht besonders anständig findet, tun es Roberts Eltern wohl auch nicht."
"Auf jeden Fall habe ich das nicht geschafft, was ich wollte. Ich dachte, sie würde dann denken, daß es bei meinem Onkel die bessere Wahl sei. Von wegen. Die meinte, daß ich offenbar einen schlechten Scherz mit ihr trieb und ihre und meine Zeit dafür zu kostbar sei. Sie hat mir dann noch diverse Broschüren in die Hand gedrückt, um andere Berufsbilder kennenzulernen."
"Ups, mir hat die keine gegeben", sagte Julius.
"Klar, weil du an jeder Hand fünf Leute hast, die dich irgendwo unterbringen können, wenn du winkst. Claires Mutter umarmt dich ganz sicher, wenn du in der grünen Gasse anfängst, Mademoiselle Dawn und deine Schwiegertante Béatrice könnten dir die Tür zu den Heilern aufmachen, abgesehen davon, daß ich hörte, daß du über zwanzig Ecken mit den Eauvives verwandt bist. Dann könnte ich mir bei deiner Begeisterung für Zaubertränke und Zauberpflanzen noch vorstellen, daß Glorias Mutter dir eine Stelle in einem Entwicklungslabor freischaufeln kann, abgesehen davon, daß die Firma Villa Veneris dich auch gut unterbringen könnte, die in Südeuropa die führende Kosmetikfirma ist. Denen dürftest du dann nur nicht erzählen, daß du eine Konkurrentin von denen kennst. Immerhin hat Madame Porter doch mehrere Kunden hier in Frankreich gefunden, darunter die Ministergattin und ihre Tochter."
"Ja, das weiß ich noch", erwiderte Julius. Céline wußte ja auch woher und nickte.
"Und wenn du in Millemerveilles Wurzeln schlagen möchtest könntest du ja auch das machen, was Jeanne macht, obwohl die da wohl gerade voll besetzt sind."
"Oder in der Menagerie anfangen", sagte Julius. Céline nickte.Dann wisperte sie ihm zu, Robert nicht auf die Nase zu binden, daß sie Professeur Faucon gegenüber auch nur zum Scherz angedeutet habe, in das Haus der goldenen Rosen zu gehen. Julius versprach ihr, ihm nichts von dem Gespräch zu erzählen. Der sollte seine Freundin schon selbst fragen.
Als er nach einer Stunde Zaubereiwiederholung im so gut wie leeren Aufenthaltsraum in den Fünftklässlerschlafsaal zurückkehrte schliefen sie alle schon. Julius kroch in sein Bett und zog den Schnarchfängervorhang zu. Er blickte auf Auroras Gemälde, das im Moment unbesetzt war. Die sanften, langsamen Impulse des Herzanhängers verrieten ihm, daß Millie wohl schon fest schlief. Der Pappostillon war aber einsatzbereit. So gab er noch eine Nachricht für seine Schwiegermutter Hippolyte auf:
Hatte heute meine Berufsberatung mit Professeur Faucon.
Sie sagt, daß ich wohl alle ZAGs schaffe, wenn ich mich nicht hängen lasse.
Sie wollte wissen, ob ich Heiler werden möchte.
Das habe ich aber erst einmal ausgeschlossen, weil ich fürchte, daß die mir zu sehr ins Leben dreinreden werden.
Könnte mir aber auch eine Stelle in der Grünen Gasse, der Menagerie oder Florymonts Werkstatt vorstellen.
Ich habe jedoch auch überlegt, bei den Unfallumkehrmagiern einzusteigen.
Davon werden im Moment ja wieder welche gesucht.
Ich melde mich nach den ZAGs noch einmal.
Grüße an alle anderen!
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"Ich schrieb Ihnen Meerschweinchen auf den Zettel, nicht mehr Schweinchen", hörte Julius Professeur Faucon Plato Cousteau maßregeln, der offenbar bei seiner Tier-zu-Tier-Verwandlung irgendwas angestellt hatte, was an Stelle eines Meerschweinchens zwölf munter quiekende Ferkel hervorgebracht hatte. Constance Dornier, die heute mit Julius ein Zweiergespann bot, weil Millie und Patrice ihre Berufsberatung hatten, präsentierte sich gerade als gertenschlanke Blondine. Julius konnte noch einmal alle bisher erlernten Verwandlungsarten üben.
"Tut mir leid, ich habe wohl beim Zaubern an den Stall meiner Tante gedacht, wo hundert Meerschweinchen rumlaufen", erwiderte Plato reumütig.
"Das ist der Grund, warum die meisten Zaubereiunfälle bei Verwandlungen auftreten, die fehlende Konzentration auf das eine, erwünschte Ziel", belehrte Professeur Faucon den ZAG-Kandidaten aus dem weißen Saal.
"Dein Zettel ist durch. Du machst das im Spaziergang oder?" Bemerkte Constance und setzte eine weitere Selbstverwandlung an, nach der sie wohl völlig ungewollt Raphaelle Montferre ähnelte, nur das deren Augen einen dunkleren Grünton besaßen. "Ups, so viel Oberweite brauchte ich vor zwei Jahren", sagte Constance mit verrucht tiefer Stimme. Julius pfiff leise.
"Hui, Connie, wie hast du das denn hinbekommen?" Fragte er.
"Ah, noch jemand, die bei der Bezauberung wohl mehr als das zu erreichende Ziel im Kopf hatte, nicht wahr?" fragte Professeur Faucon, die gerade hinter einem der Ferkel her war.
"Ähm, könnte sein. Ich dachte an die Montferre-Zwillinge, deren Haarfarbe ich haben wollte."
"Und haben dabei vollkommen die Erscheinungsform ihrer Großmutter mütterlicherseits, Mademoiselle Perinelle Beaumont", grummelte Professeur Faucon. Machen Sie das umgehend wieder rückgängig!" Sie wirkte nicht gerade erfreut, offenbar nicht nur wegen der verpatzten Verwandlung. Constance korrigierte mit einem Verwandlungsumkehrzauber ihr Aussehen und wurde wieder zu der schlanken, schwarzhaarigen Junghexe, die ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Céline ähnelte. "Gut, die Rückverwandlung beherrschen Sie also. präsentieren Sie sich gleich bitte nur mit veränderter Haarfarbe!" Befahl sie dann noch und jagte den verbliebenen Schweinchen nach. Eines flitzte unter den Tischen durch zu Julius, der aus purer Neugier, was die vorher noch gewesen waren den Reverso-Mutatus-Zauber auf das Ferkel sprach. In einem Moment galoppierte ein quiekendes Ferkel auf kurzen Beinchen dahin, im nächsten Moment rollte ein großes Hühnerei auf dem Boden entlang.
"Aus Eiern Ferkel?" Fragte Julius. Professeur Faucon las das Ei auf und trug es zu Plato, wo bereits mehrere Eier lagen. Als dann noch das letzte Schweinchen bei Plato war, vollführte Professeur Faucon eine ausladende Zauberstabbewegung. Die Eier und das Schweinchen verschwanden in einem violetten Blitz. Danach hockte ein panisch gackerndes Huhn vor Plato.
"Kuriose Ausrutscher gibt's schon", dachte Julius.
"Das arme Hun. Jetzt muß es alle Eier legen, die zu ferkeln geworden sind", bemerkte Constance und konzentrierte sich auf ihre Haarfarbe. Das Schwarz wurde zu feuerrot. Weitere Veränderungen passierten nicht.
"Das führen Sie mir jetzt bitte auch vor, Monsieur Latierre", sagte Professeur Faucon, die irgendwie immer da auftauchte, wo gerade wer was verwandelt hatte, ohne apparieren zu müssen. Julius konzentrierte sich und stellte sich sein Haar und denselben Farbton vor. Er wollte gerade die ungesagte Verwandlung ausführen, als auch ihm Sabine Montferres Aussehen in den Sinn kam. Da ließ er es lieber bleiben. Erst im zweiten Ansatz, weil er sich eine feuerrote Couch vorstellte, aber die partielle Körperumwandlungstechniken ausführte, bekam er langes, feuerrotes Haar.
"Wieso haben Sie den ersten Ansatz abgebrochen, Monsieur Latierre?" Fragte Professeur Faucon.
"Weil mir fast das gleiche wie Mademoiselle Dornier passiert ist", erwiderte Julius. "Und ich bin mit meiner Anatomie sehr zufrieden."
"Es wäre dann wohl auch nicht mehr so einfach zu korrigieren gewesen, wenn sie eine Verwandte Ihrer Schwiegerfamilie geworden wären, und dann auch noch Perinelle", grummelte Professeur Faucon. Julius sagte leise, daß er diese Hexe bisher noch nicht kennengelernt habe. Die müsse doch noch leben.
"Das tut sie in der Tat", grummelte die Lehrerin. "Daß Sie sie bisher nicht kennengelernt haben liegt daran, daß sie häufig im Ausland unterwegs ist und keine Familienhexe ist. Mehr müssen Sie nicht wissen."
"Akzeptiert", sagte Julius dazu nur. Denn ihm fiel gerade jenes Bild ein, wie Dutzende von fast erwachsenen Hexen in einem gekachelten Raum spöttisch auf jemanden blickten, den Julius mit Absicht nicht anblicken wollte. Da war auch eine junge Rothaarige mit grünen Augen dabei. Wieso war die ihm schon damals nicht aufgefallen. Er konnte also verstehen, daß Professeur Faucon auf diese Perinelle nicht gut zu sprechen war. Auf Anweisung Professeur Faucons stellte er seine ursprüngliche Haartracht wieder her. Dann sollte er noch diverse Materialisationen vorführen und innerhalb von einer Minute möglichst viele Streichhölzer in Stecknadeln verwandeln. Als Professeur Faucon seine Fähigkeiten genug begutachtet hatte, setzte sie ihre Runde durch den Saal fort, wo einige Siebtklässler aus dem weißen Saal Selbstverflüssigung und Nebelform wiederholten. Für die stand in einigen Tagen die UTZ-Strecke an. Die ZAG-Prüflinge würden zeitgleich mit denen der UTZ-Klasse Theorie und Praxis überstehen. Deshalb würden sie wohl dritten Juni in der Aula antreten. Wenn er überlegte, daß er nur noch anderthalb Wochen hatte. Wo war bloß die Zeit geblieben? Als er mit Madame Maxime zusammengekettet war hatte er den Tag herbeigesehnt, wieder ohne sie herumlaufen zu können. Und das war auch schon fast wieder zwei Wochen her.
"Ob du wieder von Professeur Énas geprüft wirst, Julius?" Fragte Constance, als er einen weiteren Übungszettel studierte.
"Der hat was gesagt, daß er sich die UTZ-Prüfung mit mir reservieren will. Was die ZAGs angeht weiß ich das nicht."
"Professeur Tourrecandide kommt wohl nicht mehr wieder", sagte Constance. "Die hat mich letztes Jahr in Zauberkunst gehabt. Die ist schon sehr heftig drauf."
"Vielleicht kommt sie doch nächstes Jahr wieder", sagte Julius. Er wollte den Gedanken nicht ganz loswerden, daß das, was ihr passiert war, doch irgendwie von ihm verschuldet worden sein könnte. Immerhin sollte sie mit den alten Zaubern hantiert und dabei was wichtiges nicht mitbekommen haben, weshalb sie dieses Jahr nicht die Prüfungen abnehmen würde.
"In Verwandlung wurde ich schon mal von Professeur Champverd geprüft, gemäß Prüfungsverordnung 4 b.."
"Wegen dieser Prüfungssonderverordnung könnten die dich dieses Jahr in den praktischen Fächern schon auf UTZ-Standard prüfen, Julius. Ich frage mich eh, warum du noch alle praktischen ZAGs machen sollst, wo die meinen, daß du diese Prüfung schon bestandenhättest."
"Weil die mich eben nur praktisch geprüft haben und dann auch nur auf dem Niveau des ZAG-Jahres. Das ist doch was anderes", wandte Julius ein. Constance nickte.
Am Ende des Verwandlungskurses sammelte Professeur Faucon die Endprodukte ein und vergab Bonus- und Strafpunkte, wobei Constance und Plato wegen überschießender Zielvorstellungen fünf Strafpunkte abbekamen. Julius räumte trotz der vielen erfolgreichen Ergebnisse gerade zwanzig Bonuspunkte ab. Doch damit war er schon zufrieden.
Am Abend war noch die Zaubertier-AG, bei der Julius seine Frau traf. Sie strahlte ihn an und sagte ihm: "Professeur Fixus hat mir erzählt, daß ich wohl alle praktischen ZAGs, den von Zaubertränken und Kräuterkunde hinkriege. Astronomie und Zaubereigeschichte könnten danebengehen. Aber bei Pallas wollte ich eh nicht mehr weiterlernen. In Muggelkunde könnte es noch etwas besser laufen."
"Okay, dann treffen wir uns mal am Wochenende nach der SSK und gucken, was du gerne noch mal wissen möchtest", bot Julius an, der den Wink mit dem Zaunpfahl richtig deutete. Dann fragte er noch: "Und, was empfiehlt sie dir? Ich meine, du könntest ja Heilerin werden wie Tante Trice."
"Da war schon gar nicht die Rede von, weil ich angeblich nicht die nötige Geduld und Ruhe ausstrahle. Durchsetzungsvermögen ja, aber keine beruhigende Art. Wollte ich eh nicht werden. Womöglich fange ich bei der Monde des Sorciéres an, bei der Hexenwelt. Da komme ich auch bei rum, kann aus verschiedenen Sparten berichten und werde nicht durch unsere Kinder abgehalten, weiterzuarbeiten, was bei Quidditch und Berufen mit hohem Gefahrenwert doch der Fall ist. Sie verwies mich da auf Eure Saalvorsteherin, die wegen Catherine ja Lehrerin geworden sei, um nicht als Außeneinsatzhexe der Liga in irgendwelche tödlichen Situationen reinzurasseln."
"Kriegt man da viel Geld bei?" Fragte Julius.
"Abgesehen davon, daß ich was machen will, weil mir die Arbeit Spaß macht oder wichtig erscheint, gibt's wohl zweihundert Galleonen im Monat. Professeur Fixus meinte dazu nur, daß ich dann jedoch Schreibübungen machen und verschiedene Formulierungsarten einüben müsse, weil die bei der Festanstellung einen längeren Artikel als Bewerbungsunterlage haben wollen. Ich kläre es mit Gilbert, wie ich solche Übungen machen kann."
"Ich spiele mit dem Gedanken, bei der Katastrophenumkehrtruppe einzusteigen, obwohl ich eigentlich nicht unbedingt für einen Zaubereiminister arbeiten will. Aber die suchen jetzt neues Personal. Ich gehe davon aus, daß das in zwei Jahren immer noch gebraucht wird. Angeblich würden die Leute aber bei nicht stattfindenden Einsätzen mit einer Galleone pro Tag abgefunden."
"Sagt wer?"
"Céline meinte, ihr Onkel Bauduin hätte da auch schon einsteigen wollen, aber wegen des geringen Bereitschaftsgehaltes doch lieber bei Forcas angeheuert."
"Neh, ist klar, weil Forcas seinen Goldumsatz nicht mehr in Galleonen sondern Zentnern mißt", sagte Millie. "Laß dich bloß nicht davon abbringen, was zu machen, von dem du denkst, daß es dir wichtig und interessant ist. Geld ist nicht alles, Julius. Aber gefährlich ist das vielleicht auch, in der Umkehrtruppe zu arbeiten, weil du ja nie genau weißt, was genau angerichtet wurde. Hmm, und Muggelkunde bräuchtest du wohl auch, weil die Einsätze ja nicht selten in Muggelsiedlungen stattfinden. Aber wenn du das wirklich machen möchtest, und die UTZs das hergeben, warum nicht?"
"Ah, die Herrschaften, stimmen Sie Ihre Berufliche Zukunft aufeinander ab?" Fragte Professeur Fourmier, die soeben vor dem Zaubertierkundeklassenraum eintraf. Julius nickte. Die neue Lehrerin hatte ja in der Tierwesenbehörde gearbeitet, was wohl auch ein gefährlicher Job war.
"Ich hörte Ihre letzte Bemerkung noch, Madame Latierre, daß Wichtigkeit und Interesse des Berufes ausschlaggebend sind. Das ist richtig, auch und vor allem für die Motivation, jeden Morgen aufzustehen und einen anstrengenden Tag anzugehen. Nur des Geldes wegen ... Aber ich bin keine Saalvorsteherin und damit nicht für Ihre Berufsberatung zuständig." Dann begrüßte sie die Teilnehmer der Zaubertier-AG und führte sie im Geschwindschritt zum grünen Forst, der den Palast und die kleineren Parks von Beauxbatons ringförmig umschloß. Julius hatte sich schon einmal wegen der Thestrale in diesen Wald vorgewagt, in dem eine kleine Herde Einhörner, jede Menge Baumwächter und Volpertinger zu finden waren. Die wirklich gefährlichen Tiere wurden in gesonderten Gehegen aufbewahrt. vom Innenrand her war der Wald mit einer hohen Hecke abgesperrt. Nur ein schmales Tor führte hinein, das nur dann geöffnet wurde, wenn ein Lehrer mit seiner Klasse Erkundungen machte. Worum würde es heute gehen?
"Mit Madame Maximes Zustimmung ist es mir gelungen, eine kleine Kolonie Leprechans aus Irland hier anzusiedeln", sagte die Lehrerin. "Das taten wir, um das Spektrum der vorstellbaren Tierwesen zu erweitern, nachdem wir die unterirdischen Übersseekäfige und die heimische Zaubertierwelt ausgiebig vorstellen können. Allerdings erfordert der Umgang mit diesen Wesen viel Durchhaltevermögen und auch eine gehörige Portion Humor. Wer von Ihnen weiß, was die Besonderheit von Leprechans ist?"
"Eine Frage, Professeur, wieso kriegen wir die nicht im Unterricht?" Wollte Belisama wissen.
"Weil sie an und für sich Stoff des ersten Halbjahres sind und ich mich gerne an den üblichen Lehrplan halte", sagte Professeur Fourmier und wiederholte dann ihre Frage von eben. Alle zeigten auf.
"Freie Auswahl, wunderbar. Dann erzählen Sie uns das bitte mal, Mademoiselle Corinne Duisenberg!" Corinne stellte sich in Positur, was bei dem kleinen, runden Hexenmädchen irgendwie putzig wirkte. Dann sagte sie ruhig:
"Leprechans, eigentlich auch Leprechauns, können aus dem Nichts eine goldähnliche Substanz erzeugen, die sie in jeder beliebigen Form materialisieren und weitergeben können. Dieses Gold ist jedoch eine reine Irreführung. Es hat zwar für zwölf Stunden alle erkennbaren Eigenschaften von Gold, Es verschwindet jedoch nach besagten zwölf Stunden spurlos. Bei der letzten Quidditch-Weltmeisterschaft brachte die irische Nationalmannschaft diese Wesen als Maskottchen mit. Viele Leute haben dieses Gold eingesammelt und wunders gedacht, einen großen Schatz an Land gezogen zu haben. Tja, da wird es einige gegeben haben, die am nächsten Morgen komisch geguckt haben."
"Von den Todessern mal abgesehen, die die Abschlußfeier versaut haben", knurrte Apollo Arbrenoir dazwischen. Professeur Fourmier vergab ihm dafür zehn Strafpunkte und teilte Corinne zehn Bonuspunkte aus. Julius kannte das ja mittlerweile, daß die Lehrerin schnell mit Bonus- und Strafpunkten dabei war. Julius erinnerte sich eher an Kevin, der Ludo Bagman als Betrüger bezichtigt hatte, weil dieser seinen Eltern Leprechangold als Wetterlös anzudrehen versucht hatte. Deshalb bat er ums Wort und erzählte, daß ein irischer Mitschüler aus Hogwarts-Zeiten erwähnt habe, daß irische Hexen und Zauberer das falsche Gold erkennen konnten.
"Mademoiselle Duisenberg erwähnte, es habe für den Existenzzeitraum alle Eigenschaften echten Goldes. Allerdings stimmt das nicht ganz. Es gibt einen Zauber, mit dem das falsche Gold vom echten unterschieden werden kann, der von einem irischen Zauberer namens Brandon O'Connel erfundene Veraurum-Zauber, der auch nonverbal ausgeführt werden kann. Dabei muß man sich eine strahlende Sonne vorstellen, die über grünem Land steht und diese Sonne in Gedanken fragen, ob das ihre Tränen sind, was man in der Hand hält. Vielen Dank für diese wichtige Bemerkung, Monsieur Latierre. Fünf Bonuspunkte dafür."
"Moment, ein Gringottskobold hat mir nachdem ich mit meinen Eltern ratzfatz vom Kampfplatz der Todesser abgerauscht bin erzählt, sie hätten sich Leprechangold anderehen lassen", sagte Hannibal Platini, als er anständig ums Wort gebeten hatte. "Die können das also auch."
"Weil die Kobolde absolute Fachleute in der Metallurgie sind und die Herkunft und das Alter von Edelmetallproben bestimmen können und daher auch falsches von echtem Gold zu unterscheiden wissen", bemerkte Professeur Fourmier. Julius fragte dann, ob sie diesen Zauber von ihr lernen könnten oder Professeur Bellart fragen müßten.
"Wenn wir schon einmal hier sind, können wir ihn gleich lernen. Ich bin ja befugt, im Rahmen meines Unterrichtes oder Freizeitkurses die für die Arbeit mit Zaubertieren nötigen Zauber zu unterrichten oder bereits bekannte Zauber entsprechend abzustimmen. Sie halten den Zauberstab", wobei sie ihren eigenen locker in der rechten Hand mit dem hautfarbenen Handschuh hielt, "richten ihn auf das Goldstück oder die Ansammlung von Goldstücken aus, sagen "Monstrato Veraurum" und denken sich dabei wie erwähnt eine gleißende Sonne an blauem Himmel über grünem Land, wobei sie in Gedanken fragen, ob das die Tränen der Sonne sind. Leuchtet das Gold danach rötlich auf, ist es echt. Passiert nichts, ist es kein Gold, ob es jetzt von Leprechans stammt oder eine goldfarbene Metallmischung ist ist dabei unerheblich. Hat Jemand eine Galleone dabei?" Natürlich hatte niemand eine Galleone mit, da sie ja im Unterricht kein Geld brauchten. Doch Corinne hatte die Idee, die goldene Brosche der Saalsprecherin als Testobjekt zu benutzen. Da der Zauber keinen physischen Schaden anrichten konnte nickte Professeur Fourmier und führte den Zauber vor. Tatsächlich schimmerte die Brosche orangerot. "Je höher der Goldgehalt, desto näher am roten Licht erstrahlt der Bestätigungsschimmer", sagte die Lehrerin. "Nox!" Das Licht erlosch. So hatten die Malones das also schnell nachprüfen können, was Bagman ihnen da anderehen wollte. Als wenn die Lehrerin Julius' Schlußfolgerung gehört hatte sagte sie noch: "Nur kommen viele beim Anblick von Gold nicht sofort darauf, seine Echtheit zu prüfen. Bei der Weltmeisterschaft dürften viele gedacht haben, den Preis der Anreise und Eintrittskarten wieder herauszubekommen. Gold übt seit seiner Entdeckung eine fatale Wirkung auf den Verstand aus. Aber jetzt rufe ich uns die Leprechans herbei." Sie holte eine kleine Silberflöte, die Julius komischerweise an ein Baby von Ailanorars Stimme denken ließ aus ihrer Handtasche hervor und blies eine flotte Melodie aus hohen Tönen. Es dauerte keine Minute, da schwirrten zwanzig schnatternde Wesen ohne Flügel heran, die rote und grüne Kleidung trugen und verwegen auf die Schüler blickten. Sie schwirrten im Rhythmus der Flötenmelodie um alle herum, schienen sichtlich begeistert zu sein, Musik zu hören. Als die Lehrerin dann mit dem Spiel aufhörte, schnatterten die zwanzig kleinen Wesen aufgeregt durcheinander und segelten über sie alle hinweg, wobei einige der stärkeren Leprechans dünne Äste von Bäumen abbrachen und sie auf die AG-Teilnehmer herabregnen ließen. Dann schütteten sie aus unsichtbarer Quelle einen Regen aus Galleonen über sie alle aus. Obwohl sie alle wußten, daß es kein echtes Gold war, konnte Julius doch einen begehrenden Glanz in manchen Augenpaaren erkennen. Eher aus Neu- als aus Habgier bückte er sich und las einige Goldstücke auf. Mit dem neuen Zauber stellte er fest, daß es tatsächlich nicht dieselbe Reaktion zeigte wie Corinnes Brosche, die er wie mit dem Zauberfinder auch noch einma aufleuchten ließ. Die Leprechans schienen das nicht zu mögen, daß da wer ihr Gold prüfte, denn sie schwirrten auf Julius zu und machten rüde Gesten gegen ihn. Julius war darauf gefaßt, einen unerträglichen Pfeifton loszuschicken, mit dem Wichtel vertrieben werden konnten. Da hingen sie auch schon an ihm. "Sirennitus", dachte er und gab acht, nicht auf den Kopf eines Mitschülers zu zielen. Schrill schreiend fielen die Leprechans in Zauberstabausrichtung von Julius ab und schwirrten wie abgefeuerte Kanonenkugeln davon. Der Rest zog sich schnell auf die Bäume zurück, blieb jedoch in der Nähe.
"Wenn man es schafft, Leprechans wütend zu machen, ist das der beste Zauber, um sie loszuwerden", bemerkte Professeur Fourmier. "Es könnte sonst passieren, daß sie sich wie Wichtel gebärden und jemanden in die Luft oder auf einen Baum hochheben. Außerdem stiebitzen sie gerne glitzernde Gegenstände, wenn sie keine klare Anweisung haben, nicht zu stehlen. Ansonsten lieben Sie wie Sie hören und sehen konnten jede Art der Musik und können durch sie auch besänftigt werden." Zum Beweis spielte sie den kleinen, flugfähigen Wesen noch einmal was vor, worauf auch die aus dem Wald zurückkamen, die vor Julius' Pfeiftonzauber geflüchtet waren. Zwei Minuten lang spielte sie und brachte die kleinen Kerle dazu, in der Luft die verrücktesten Rollen, Schrauben und andere Figuren zu beshreiben. Dann hörte sie zu spielen auf und steckte die Flöte wieder fort. Die Leprechans starrten nun gierig auf die kleine Handtasche, in der das Instrument versunken war. Doch die Lehrerin blieb gefaßt, auch als drei Leprechans über sie herfielen und die Tasche fortzureißen versuchten, wobei sie von etwas total gepeinigt wurden und wie Fallobst zu Boden fielen.
"Paßt auf eure Wertsachen auf!" Sagte Professeur Fourmier. Julius fragte sich, ob er die kleinen Biester noch einmal mit dem Pfeifton abschrecken mußte, wenn sie ihm die silberne Brosche wegzureißen versuchen würden. Armbanduhr und Pflegehelferschlüssel waren durch Diebstahlschutz gesichert. Doch die Leprechans hatten es wohl verstanden, daß Klauen übel ausgehen konnte. Denn die auf dem Boden gelandeten rafften sich auf und liefen mit gesenkten Köpfen davon, ein Zeichen für die anderen, sich zurückzuhalten.
"Es ist nicht nur Habgier, warum die Leprechans meine Flöte haben wollen. Wie erwähnt und vorgeführt kann Musik sie beeinflussen. Wer also eine Flöte oder Trommel hat ist solange Herr der Leprechans, wie das Instrument in einem brauchbaren Rhythmus und einer Folge einigermaßen klarer Töne erklingt. Aber sie verleiden einem schlechte Musik, dann werfen sie mit verfaulten Früchten oder Kotbrocken, wenn sie welche finden."
"Können die sich nicht auch unsichtbar machen?" Fragte Millie. "Meine Tante hat das mal erwähnt, als sie die irischen Zaubertiere erforscht hat."
"Ja, können sie. Aber nur wenn sie vorher nicht gesehen wurden oder mindestens fünf Sekunden nicht angesehen werden. Sind sie dann unsichtbar, können sie jeden erdenklichen Schabernack treiben, bis jemand sie mit einer Hand zu fassen vermag und "Hab ich dich, Leprechan" sagt. Dann fällt die Unsichtbarkeit von ihnen ab und kann erst wiederhergestellt werden, wenn der Fänger seine Beute fünf Sekunden lang nicht mehr angeblickt hat und auch keinen Körperkontakt aufrechterhält. Sie sind auch fähig, unsere Sprache zu verstehen und in gewissen Grenzen zu sprechen. Will sie jemand beauftragen, muß er den Auftrag als Lied singen, wobei es nicht auf gereimte Verse, sondern die Melodie ankommt. Dieser angloamerikanische Unfug namens Rap wirkt also nicht als Befehlsträger."
Julius wollte schon fragen, woher sie sich sicher war, daß Rap Unfug sei. Doch jetzt eine Diskussion über gute und schlechte Musik anzufangen war keine Zeit, wenn es über diese auch den Muggeln bekannten Zauberwesen viel neues zu lernen gab.
"Wenn die so hinter Glitzersachen her sind besteht doch die Möglichkeit, daß sie nachts in den Palast reinfliegen", sagte Patrice Duisenberg. "Wie können wir da noch ein Fenster offen lassen?"
"Weil sie den von mir und meinem irischen Mitarbeiter zusammen gesungenen Befehl erhalten haben, niemals diesen Wald zu verlassen. Außerhalb des Forstes sind Ihre Wertsachen also sicher. Und wie Sie sich eines Überfalls erwehren können haben Monsieur Latierre und ich Ihnen ja an zwei Beispielen vorgeführt."
Nun ging es noch um die Geschlechtsbestimmung, denn Leprechans teilten sich genauso in Männlein und Weiblein wie die meisten anderen Angehörigen des magischen und nichtmagischen Tierreiches auf. Dabei erfuhren sie, daß die Weibchen obgleich menschenähnlich Eier legten, die Jungen dann aber säugten wie eben Säugetiere. Das erinnerte Julius an die Vogelmenschen und dachte an Pteranda, die er einmal im Traum gesehen hatte.
"Warum sind die nicht nackt?" Fragte Belisama und deutete auf die grünen und roten Sachen.
"Einmal Schutzbedürfnis, wie bei uns Menschen, zum anderen Abgrenzung gegenüber den anderen. Die mit mehr rotanteilen in ihrer Kleidung sind älter und damit ranghöher als die mit ausschließlich grünen Farbanteilen in der Kleidung."
"Also auch wie bei uns, wo Leute teure Sachen anziehen, um zu zeigen, daß sie das nötige Geld haben", wandte Hannibal ungebeten ein, wofür er zehn Strafpunkte abbekam, die er jedoch zwinkernd wegsteckte.
Als sie die Leprechans noch eine Weile erkundet und Julius auf direkte Aufforderung der Lehrerin ein paar englische Sätze mit ihnen gewechselt hatte, um deren gebrochene Sprachfertigkeiten vorzuführen, ging es zurück in den Palast.
"Morgen bin ich bei Faucon", sagte Laurentine. "Da bin ich echt gespannt."
"Wenn du ihr erzählst, daß du doch in die Muggelwelt zurückwillst wird das eine kurze Veranstaltung", meinte Robert dazu. Julius sah die muggelstämmige Mitschülerin ruhig an und sagte:
"Ich gehe davon aus, daß sie für dich schon eine Menge möglicher Berufe zusammengesucht hat, um dir zu helfen, in der magischen Welt klarzukommen und vielleicht auch deinen Eltern zu zeigen, was du alles machen kannst."
"Die werden wohl immer noch denken, mir hätten sie hier eine Gehirnwäsche verpaßt", grummelte Laurentine.
"So umständlich?" Fragte Julius verdrossen. "Didiers Truppe hat sich die besten Zauberer des Ministeriums durch den Imperius gesichert. Langwierige Bequatschung, chemische Beeinflussung oder elektronische Hilfsmittel, um den Willen zu umgehen sind da total unnötig."
"Häh? Jetzt habe ich echt einen moment gedacht, die Muggel nähmen Leuten das Gehirn raus und würden das in irgendwas waschen, um dessen Besitzer auf etwas bestimmtes festzunageln", sagte Robert verdutzt. Dann erkannte er, daß das wohl nicht so lief. Laurentine mußte jedoch amüsiert grinsen, während Céline verstört dreinschaute. Julius erläuterte dann, was er über das Thema Gehirnwäsche, besser Gedankenkontrollmechanismen wußte, wobei er einräumte, daß er wohl längst nicht alles wisse und das was er wisse schon schlimm genug rüberkäme.
"Dagegen ist Imperius ja noch richtig menschlich", wandte Robert ein. "Aber das sage bloß nicht, wenn Professeur Faucon zuhört."
"Sagen wir es so, bevor ich noch gezwungen sein könnte, Strafpunkte auszuteilen", setzte Julius an. "Einigen wir uns darauf, daß Imperius schneller und schmerzlos ausgeführt werden kann, es in letzter Folge jedoch immer darauf hinausläuft, jemanden dazu zu zwingen, etwas zu tun, was er oder sie bei klarem Verstand oder Gewissen niemals machen würde. Damit verliert Imperius jeden Anspruch auf Menschlichkeit. Ich hoffe, ich habe euch jetzt nicht zu heftig belehrt."
"Stimmt, mir vorzustellen, das ein einziges Wort und ein auf mich zeigender Zauberstab genügen würde, um mich dazu zu zwingen, die Tourrecandide zu ... heiraten ... ist alles andere als menschlich."
"Komm, laß die bitte aus dem Spiel!" Schritt Julius ein, als Gérard das gesagt hatte. "Wir wissen alle nicht, was die im Leben durchgemacht hat und wie oft die für uns alle Kopf und was sonst noch hinhalten mußte, um uns eine friedlichere, freiere Welt zu erhalten." Das sahen alle ein. Dann war auch schon wieder Schlafenszeit. Julius und Céline nutzten ihre Saalsprecherprivilegien und übten noch einige Zauberkunstsachen. Julius versuchte auch einmal, zwei Zauber simultan ablaufen zu lassen. Doch als ihm Giscard erklärte, daß man dafür einen Einleitungs und Ausführungsspruch bringen müsse, der die simultanen Zauberstücke einklammere, begriff Julius, daß er doch noch nicht zu den UTZ-Prüfungen gehen würde. So beschränkte er sich darauf, die Zauber der letzten fünf Jahre ungesagt zu wirken und auch einige der praktischen Zauber auszuprobieren, die in einem von Catherine geschenktem Buch drinstanden.
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Wer auch immer Professeur Bellart auf die Idee gebracht hatte, die Zauberkunst-AG-Stunde am Freitag als Grundkurs Kochen mit Zauberkraft zu veranstalten sorgte für eine kurze Diskussion, ob Jungen überhaupt sowas wie Küchenzauber können mußten oder sich nicht besser auf Fertigungs- und Eigenschaftsveränderungszauber festlegen sollten. Doch Professeur Bellart wies darauf hin, daß einige der UTZ-Schüler gerne wissen wollten, ob sie auf Muggelkochgerätschaften und -techniken angewiesen seien. Also wurden mehrere Eier gekocht, in dem die auf Granitblöcken stehenden Töpfe voll Wasser mit dem Zauberstab angestupst wurden, wobei "Coquento" gedacht oder gesagt werden mußte. Sofort war der Topf mit brodelndem, dampfendem Wasser gefüllt. Julius wußte, daß bei der Zaubertrankzubereitung dieser Siedezauber nicht benutzt werden durfte, da dessen Wirkung die Wirkung von Tränken verfälschen konnte. Für Küchenhexen und -zauberer war es dagegen ein genialer Erhitzungszauber wie das Aufwärmen von Sachen in der Mikrowelle. Wurde das kochende Wasser nicht mehr gebraucht, reichte ein Stupser mit dem Zauberstab und das Wort "Frigidum". Millie genoß es, ihrem Mann einige Kniffe zu zeigen, die sie sich von ihrer Mutter und ihrer Großmutter hatte zeigen lassen.
"Und so kannst du würzen, ohne den Gewürzstreuer in die Hand nehmen zu müssen", sagte sie ihm, während einige der Jungs sich einen Spaß daraus machten, aus dem Wasserdampf gruselige Nebelgestalten zu formen oder auf dem Wasser noch blaues Zauberfeuer tanzen zu lassen. "Salz inducio!" Sagte sie erhaben klingend und ließ aus dem Zauberstab Salzkörner in das Wasser rieseln. "Finis", sagte sie, als sie meinte, genug in den Topf geschüttet zu haben. "Du kriegst das bestimmt noch schneller hin, als ich dir das gerade zeige. Du mußt immer das nötige Gewürz zuerst sagen oder denken, also ungesagt machen, dann Inducio hinterherschieben und den Stab dabei über den Topf halten."
"Und was mache ich, wenn zu viel Salz oder sonst was reingeht?" Fragte Julius. Professeur Bellart, die die zu Paaren und Dreiergruppen um einen Topf gestellten Teilnehmer nacheinander aufsuchte, kam gerade bei ihnen vorbei und hörte die Frage noch.
"Feinarbeit gilt für die zauberei und für die Kochkunst gleichermaßen. Aber wenn Sie wirklich überwürzen und beim Abschmecken zu viel von etwas erkennen, können Sie das mit "Deegrado" mit der Voranstellung des Gewürzes verringern, wobei dieser Zauber nur einen Moment wirkt, während der Würzzauber, den Madame Latierre gerade vorgeführt hat, eben solange dauert, bis sein Ende befohlen wird. Die Menge des Würzens oder Entwürzens hängt von der Dichte des gewürzes im Behälter und der Zauberkraft des es verlangenden Zauberers ab. Verringerte Gewürzmengen kehren jedoch nicht in den Behälter zurück, sondern verschwinden im Nichts wie bei dem in Verwandlung gebräuchlichen Zauber für flüssige oder feste Objekte. Richtig versierte Zauberköche und -köchinnen können auf diese Weise ganze Kompositionen für Soßen in den Topf praktizieren. Die jedoch immer gültige Voraussetzung dabei ist, daß die Zutaten alle in einem Umkreis von zwanzig Schritten vorhanden sein müssen, weil sonst Gamps Gesetz gilt, demnach keine Nahrungsbestandteile aus dem Nichts erzeugt werden können. Bei Soßen geht es dann sogar, daß die Gewürzkomposition zusammen mit dem kochenden Wasser aus dem Zauberstab in den Topf gefüllt werden kann. Ich führe Ihnen das gerne mal vor", sagte Bellart, als ein weißes Phantom aus Wasserdamf seine noch warmen, feuchten Fangarme nach ihr ausstreckte. "Also ehrlich, Monsieur Brignon!" Rief die Zauberkunstlehrerin. "Das sind mal eben zwanzig Strafpunkte wegen groben Unfugs in einer Arbeitsgruppe." Sie zerstreute den Dampf mit einem Zauberstabwink, als der Sechstklässler der Blauen, der den Nebelgeist ferngesteuert hatte, verdrossen auf den Wassertopf blickte.
"Wenn Mildrid meint, sie müßte diese Küchenzauber können, kann die die von ihrer Mutter lernen. Und der Monsieur Latierre braucht das nicht zu können, weil seine Mutter einen Elektrostromherd hat, falls nicht stimmt, was die Zeitungen behaupten."
"Wer was wie lernen möchte unterliegt meiner Verantwortung, Monsieur Brignon", sagte Professeur Bellart. "Oder langweilen Sie sich zu sehr in meinem Kurs. Das wäre mir aber neu. Aber dem läßt sich sehr rasch und gründlich abhelfen, falls Sie lieber lernen möchten, was Sie alles ohne Zauberkraft verrichten können. Möchten Sie dies lernen?"
"Och, einiges kann ich schon", sagte Reinier Brignon darauf. Darauf hin bekam er noch einmal dreißig Strafpunkte und die Anweisung, sich unverzüglich bei Monsieur Bertillon zu melden, der ihm eine Tagesarbeit ohne Zauberkraftbenutzung zuweisen sollte. Brignon zog ab. Er war neben den Duisenbergs, Mésange Bernaud und seinem Klassenkameraden Auguste Lundi einer der fünf einzigen Blauen in der AG. Danach fuhr Professeur Bellart mit ihrer Küchenhexenvorstellung fort, ließ das brodelnde, gesalzte Wasser aus dem Topf verschwinden und ließ vor aller Augen einen breiten Strahl einer hellbraunen Soße in den Topf hineinfließen. Zarter, weißer Wasserdampf stieg in kleinen Wolken und Spiralen aus dem leicht sahnig wirkenden Gebräu. Danach durften alle mit kleinen Löffeln von der Soße probieren.
"Wie lange muß man üben, um das hinzukriegen?" Fragte Mésange Bernaud.
"Man sollte die Soße mehrmals ohne diesen Zauber zubereitet haben, um das Gefühl für sie zu bekommen", dozierte die Lehrerin. "Ist diese Routine vorhanden, ist die magische Ausführung eine Frage der Häufigkeit. Ich mache das jetzt schon seit mehr als zwanzig Jahren, also länger als Sie alle hier auf der Welt sind. Aber für Zauberkundige, die sich in der Küche betätigen wollen, kann die nötige Routine schon nach einem Jahr sitzen. Was ich heute mit Ihnen mache soll ja nicht als Unterricht zu verstehen sein, sondern als Anschauung, was mit Zauberkunst alles gemacht werden kann. Zum Beispiel Kartoffeln Schälen."
"Mit Zauberkraft, das geht?" Fragte Marie van Bergen.
"Wunderbar geht das. Ich hole mal eben fünf Kartoffeln", sagte die Lehrerin und apportierte fünf große Kartoffeln. "Putaminem detraheto!" Sagte sie auf eine absichtlich weit nach außen gelegte Kartoffel deutend, die mit einem lauten Rumpeln aus der blitzartig aufgerissenen Schale heraushüpfte und fast vom Tisch kullerte. Dann deutete sie auf die vier absichtlich auf einem Haufen zusammenliegenden Kartoffeln und rief: "Putamines detraheto!" Alle vier Erdäpfel sprangen aus ihren Schalen heraus. Julius führte dann nach einem fragenden Blick an Bellarts Adresse den Kleinschneidezauber Partisectum aus, um die geschälten Kartoffeln in Scheiben zu schneiden. Die Zerschnittenen Kartoffeln wurden auf die einzelnen Töpfe verteilt und einige Minuten lang gekocht, wobei Professeur Bellart herumging und das Salzen übernahm. Sie aßen die Kartoffelstücke. Corinne ließ die Schalen verschwinden und wischte mit Ratzeputz die Arbeitsflächen blitzblank. Dann lernten sie noch einige nützliche Zauber, um Teig zu rühren. Julius ließ sich dabei von seiner Frau anleiten. Als die Stunden vorbei waren dachte er daran, daß er wohl in zwei Jahren auch so und nicht anders würde kochen müssen, falls er mit Millie nicht doch in ein Muggelhaus umzog. Doch die beiden sicheren Mitbewohnerinnen Temmie und Goldschweif würden das wohl nicht zulassen, weil sie in einer Muggelumgebung einfach zu sehr als Zaubertiere auffielen, vor allem Temmie.
"Also, folgendes", begann Laurentine ihren kurzen Bericht über ihre Berufsberatung."Professeur Faucon empfiehlt mir ganz dringend, die auf Zauberstabbenutzung basierenden Fächer nach den ZAGs weiterzumachen, sofern ich die ZAGs schaffe. Sollte ich diese nicht hinbekommen und nur für Sachen wie Kräuterkunde, Zaubertränke und die Theoriefächer ZAGs kriegen, müßte sie sich ernsthaft überlegen, ob ich das Jahr wiederholen sollte. Sie meinte nämlich, daß ich unbedingt den Gebrauch des Zauberstabes üben müsse, um nach der Ausbildung egal wo nicht unangenehm aufzufallen. Offenbar haben meine Eltern der geschrieben und verlangt, daß ich nach den ZAGs die Schule wechsel und ziemlich voreilig behauptet, daß wenn ich zeigte, daß ich den Zauberstab eh nicht richtig führen könne, ich hier auch nichts mehr zu suchen hätte. Ich finde es echt schön von meinen Eltern, daß die mir jetzt noch mehr Druck machen als die Leute das hier schon tun. Ich würde denen gerne einen Heuler schicken. Aber zum einen weiß ich nicht, wie einer geht und zum anderen wohnen die in einer magielosen Gegend. Da bekäme ich Ärger mit dem Ministerium."
"Abgesehen davon, was rät sie dir, nach Beauxbatons anzufangen?" Fragte Julius, den das ja doch irgendwie auch etwas betraf.
"Vorausgesetzt, ich kriege das mit den Zauberstabfächern hin hat sie mir - wie du das vorausgesagt hast, Julius - ein dickes Bündel mitgegeben, wo ich mir was feines raussuchen kann. Da ist sogar ein Angebot von dieser Esmeralda bei, bei der mir diese Eingliederungshexe damals die ersten Schulsachen besorgt hat. Das wäre es doch, mein Opa im Musikgeschäft, mein Vater bei der ESA und ich im Modefach."
"Ist ja lustig", meinte Robert. "Als was denn, als Mannequin?"
"Es gibt genug Hexen, die Laurentines Statur haben", warf Céline sehr verbittert klingend ein, bevor Laurentine was sagen konnte. Diese grummelte dann was, daß es Zeit würde, daß auch richtig ernährte Models über den Laufsteg gehen sollten und nicht diese durch Drogen verhunzten Knochengerüste. Abgesehen davon könne sie vielleicht in die Schneiderei gehen.
"Wäre auch was", meinte Céline darauf. Gérard fragte dann noch, ob außer dieser Möglichkeit noch andere Vorschläge gekommen wären.
"Professeur Faucon selbst hat mir geraten, mich nicht von meinen Eltern davon abbringen zu lassen, meinen Weg in der Zaubererwelt zu gehen. Gerade, wo ich in den letzten zwei Jahren so gut mitgearbeitet hätte wäre es eine Verschwendung, das alles wieder aufzugeben, nur um "aus Angst geborenen" Abneigungen zu gehorchen und mir noch einmal so viele Jahre wie hier etwas anderes zum lernen anzutun. Außerdem bliebe ich auch in der Muggelwelt den Zaubereigesetzen unterworfen. Dann bring ich lieber alles was hier geht und such mir was in der magischen Welt, und sei es, daß ich bei Madame Dusoleil die Grashalme einzeln gießen muß." Julius staunte und freute sich über Laurentines Entschlossenheit. Als er sie vor nun bald drei Jahren kennengelernt hatte wollte sie auf jeden Fall keine Hexe sein und nichts dafür lernen oder vorführen. Irgendwie mußte Claires Übergang in die Daseinsform Ammayamiria den Schalter umgelegt haben, der das veränderte. Dann hätte er, Julius, indirekt ja sogar mitgewirkt, daß Laurentine ihr hier erlerntes nicht verdrängte. Doch im wesentlichen war es wohl schon vorher von Claire angeleiert worden wußte er. Es ging jetzt eben richtig auf, wie ein kleiner Baum, der vor Jahren gepflanzt worden war und jetzt die ersten Blüten trug. Dieser Vergleich paßte wirklich zu Claire.
"Schon heftig, daß deine Eltern das immer noch nicht wollen, daß du das lernst, wozu du fähig bist", wandte Céline ein. Julius nickte.
"Sie denken wohl, daß die mich jetzt hier so unter Druck setzen, daß ich zusammenbreche und alles vermassel", erwiderte Laurentine. "Aber den Gefallen tu ich denen nicht."
"Die werden eh denken, die ZAGs wären keine Benotung, sondern mal eben zusammengestellt, um Leute bei Laune zu halten", seufzte Julius. "mein Vater wollte es doch auch nicht glauben, daß die mir bessere Noten gegeben haben als ich in der Grundschule hatte." Die Anderen blickten ihn mitfühlend an. Dann sagte er entschlossen: "Jedenfalls ziehe ich das jetzt bis zum Lebensende durch, was ich in Hogwarts angefangen habe. Da sind schon zu viele Leute für mich eingesprungen, um das hinzukriegen, daß ich diese Ausbildung und alles was danach kommt hinkriege. Wenn du das genauso siehst, Laurentine, dann kriegst du das mit den ZAGs und UTZs hin." Céline strahlte ihn an, Robert tat so, als wolle er Beifall klatschen, und Gérard nickte nur. Laurentine straffte sich. So pummelig, wie Robert meinte war sie wirklich nicht mehr.
"Du hast völlig recht, Julius. Meine Eltern haben mir zwar eine ganze Menge gegeben, weswegen ich denen dankbar sein muß. Aber wenn ich das alles kann, was ihr hier könnt, dann wäre es wirklich die Totalverschwendung, damit nicht auch was machen zu sollen." Diesmal applaudierten sie alle leise aber mit ganzem Herzen.
Im Schlafsaal fand Julius eine Nachricht seiner Schwiegertante Béatrice vor, als er seinen Pappostillon hinter dem Schnarchfängervorhang berührte.
Titel: Verheiratete Heiler
Hallo Julius!
Falls du von mir oder Aurora Dawn den Eindruck hast, Heiler dürften nicht verheiratet sein, tut es mir leid.
Wer schon verheiratet ist kann trotzdem Heiler werden.
Ich will dich natürlich nicht dazu überreden, diese Ausbildung zu machen.
Ich wollte lediglich das Mißverständnis aufklären, ich dürfe als Heilerin nicht heiraten.
Aber ich hörte von Hipp, du könntest dir auch was bei den Katastrophenumkehrern vorstellen.
Die wollen aber Muggelkunde als in Beauxbatons erlerntes Fach haben.
Sicher hast du in dem Fach mehr Wissen und Erfahrung, als Beauxbatons dir beibringen könnte.
Aber Ministeriumsbehörden sind und bleiben bürokratische Pedanten.
Wenn du wirklich Vielseitig arbeiten möchtest, bleiben dir nur Heiler oder Desumbrateur.
Ansonsten machst du was, was deinen Interessen entspricht, aber nicht so umfangreich ist.
Aber zunächst machst du deine ZAGs.
Dann stehen dir womöglich hunderte von Türen offen.
Du hast ja in eine vielseitig vertretene Familie eingeheiratet.
Noch ein schönes Wochenende von Maman und den anderen!Béatrice Latierre
"Super, diese Mindestanforderungen. Als wenn das Papier zählt, um als Kundig zu gelten", dachte Julius. Dann schickte er mit "Antwort für Béatrice zu Verheiratete Heiler" zurück:
Hallo Béatrice!
Danke für deine Nachricht, die ich als Gutenachtlektüre lese.
Das mit den eindeutigen Lernnachweisen bei ZAGs und UTZs ist wirklich bedauerlich.
Dabei hat mir Professeur Faucon gesagt, daß ich wegen dieser uralten Erblast wohl häufiger mit mächtigen Zaubern zu tun bekäme.
Irgendwas werde ich schon finden.
Angebote sind ja genug da.
Ich muß ja eh zusehen, wo ich mit Millie, Temmie und Goldschweif leben kann.
Die Mondtöchter wollen ja, daß Millie und ich bald ans Kinderkriegen gehen.
Da brauchen wir dann wohl ein ganzes Haus mit großem Grundstück.
Das kostet Geld.
Ich möchte ja nicht auch noch bei deinen Eltern einziehen müssen.
Ich wünsche euch auch noch ein schönes Wochenende.Julius Latierre
Als Julius mit "Nachricht Ende" die Mitteilung abschloß und den bunten Postschmetterling seine Fanfare trötend aus dem Bild flattern sah, dachte er daran, daß seine Schwiegergroßmutter Millie, Temmie, Goldschweif ihn und alle ihre noch ungezeugten Urenkel wohl zu gerne im Sonnenblumenschloß unterkriegen würde. Temmie wohnte da ja jetzt schon. Dann drehte er sich in seine Lieblingsschlafstellung.
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Am Samstagmorgen bekam Julius einen Brief aus England. Er freute sich, als er die Handschrift erkannte.
Hallo Julius!
Ich wollte das sofort machen, als meine Mutter mit Olivia und mir von da weggehen konnte, wo wir fast das Jahr verbracht haben. Ich bin jetzt mit Mum und ihr bei uns bei Lady Genevra. Unser Haus wurde nämlich von Todessern niedergebrannt. Ich weiß, das liest sich jetzt schlimm und traurig. Aber Mum hat schon Kontakt mit dem neuen Zaubereiminister aufgenommen. Die kriegen vielleicht raus, wer das war und können die richtig zur Kasse bitten, um uns ein neues Haus hinbauen zu können. Für Mel und Mike wird das vielleicht eine große Umstellung sein, aber die, mit der wir jetzt die ganze Zeit zusammengewohnt haben, hat mit den beiden was ganz verrücktes angestellt. Prudences Tante hat nämlich rausgekriegt, daß Mel und Mike fast Squips geworden wären, vielleicht sogar richtige Hexen und Zauberer. Da hat die irgendso ein Ritual mit denen angestellt, bei dem sie sich mit nacktem Unterkörper auf die Füße von jemandem setzt und so einen Spruch dauernd wiederholt. Prudences Tante Patience hat Mel und einen Tag später Mike bei den Schultern gehalten. Nach diesem irgendwie abgedrehten Ritual hatten die beiden Zauberkräfte. Prudence erzählte mir, daß dieses Ruhepotential von ihnen klar zeigt, daß sie wohl Zauberstäbe benutzen und auf Besen fliegen könnten. Das war so um den zehnten Januar herum. Wir haben den beiden dann unsere Zauberstäbe ausgeliehen. Aber diese altehrwürdige Hexe meinte, daß die sich wohl eigene Zauberstäbe zulegen sollten, wenn wir hier je wieder herauskämen. Bill Huxley hätte fast Krach mit seiner Verlobten gekriegt, weil ihm ein Besucher namens Tim erzählt hat, daß Aurora Dawn immer noch unverheiratet ist und auch eine Hexe ist. Aber das hat sich wieder eingeränkt. Lag wohl daran, daß Ms. Borrows da wohl schon von Mr. Huxley ein Kind im Bauch hatte. Sie sind keine magisch weckbaren Leute, hat unsere Gastgeberin festgestellt. Onkel Ryan hat sich irgendwie mit Tante Gerty zusammengetan. Wir fanden das am Anfang ziemlich fies, das ja gerade mal einige Monate her war, daß wir auf dieser verfluchten Party waren. Mike hatte sich immer wieder mit Chester wegen Prudences Tante Patience, obwohl Olivia rausgekriegt hat, daß Mike sich eher für Prudence interessierte. Ich habe gedacht, daß das mit den beiden eh nichts würde. Tja, und im März kam dann raus, daß Prudence von Mike ein Baby kriegt. Doll was? Prudence hat mir erlaubt, dir das zu schreiben, falls du in den Ferien die Alte Heimat besichtigen darfst und uns mal besuchen möchtest. Prudence ist mit Mel und Mike noch da, wo wir alle lange gewohnt haben. Bill ist mit seiner Lynn unter anderem Namen nach Australien unterwegs. Womöglich sind die schon da angekommen, wenn du den Brief hier liest. Wie das mit Mike und Prudence weitergeht muß noch geklärt werden, weil Mike ja noch nicht volljährig ist. Aber er ist ja offiziell auch schon längst tot. Kann mir vorstellen, daß er bei ihren Eltern unterkommt, bis klar ist, als wer er Prudence heiratet. Weil darauf bestehen die Eltern. Tante Gerty konnte nicht viel gegen sagen, weil das Verhältnis mit Onkel Ryan ja da auch schon längst bekannt war.
Die Powders sind ja auch jetzt zu viert. Da ist ja vor Halloween noch ein kleiner Junge angekommen. Die werden wohl nach Kanada rüberfliegen, wenn klar ist, wie sie heißen werden. Vielleicht kann Mr. früher-Powder dann wieder mit Laserstrahlen arbeiten.
Wir sind auf jeden Fall jetzt wie erwähnt in Schloß Hidewoods und lesen hier die Zeitungen der letzten Monate. Viel Schwachsinn steht da drin. Und jetzt suchen sie die Todesser, die bei der Schlacht von Hogwarts noch nicht draufgegangen sind.
Wenn du wieder was von Gloria hörst, grüß die bitte schön von mir und auch Olivia!
Danke und bis hoffentlich in den Ferien! Achso, du darfst wohl im Juni die ZAGs machen. Viel Glück und Erfolg dabei auch für Millie. Öhm, die hat aber noch nichts Kleines unterm Umhang, oder? Okay, ich freue mich, wenn du vor den ZAGs noch Zeit zum Antworten findest. Wenn nicht, dann eben danach!
Pina Watermelon
"Holla die Waldfee!" Stöhnte Julius laut, als er diesen Packen Nachrichten gelesen hatte. Da war ja einiges passiert im Whitesand Valley. Und wieder waren zwei Kinder mehr unterwegs zur Erde. Aber Prudence und Mike Leeland? Irgendwie konnte er sich das nicht so recht vorstellen. Es sei denn, Sophia Whitesand hatte mit Liebestrank oder ähnlichem nachgeholfen. Aber wozu? Abgesehen davon klangen Liebestränke irgendwann mal ab. Gut, dann würde Prudence trotzdem Mutter, auch wenn sie Mike nicht mehr begehren sollte. Aber das war echt ein starkes Stück. Das mußte er mal mit Professeur Faucon besprechen. Vielleicht durfte er mit Sophia Whitesand reden, falls die immer noch den Zweiwegespiegel hatte, den er ihr gebracht hatte. Dabei fiel ihm auf, daß dieses Baby von Prudence seine Entstehung irgendwie ihm zu verdanken hatte, ja und das von Bill Huxley dann wohl auch. Viel Zeugs in so wenigen Zeilen, geschrieben von einem jungen Mädchen zwischen Kind und Frau.
"Was heftiges aus deiner Heimat?" Fragte Robert.
"'ne Klassenkameradin von mir, die sich mit ihren Eltern im August vor den Todessern absetzen mußte. Deshalb haben die denen das Haus abgefackelt,und jetzt, nachdem sie aus ihrem Versteck rauskommen durften, müssen die bei der Patin ihrer Mutter unterkommen, bis ein neues Haus gebaut werden kann", faßte Julius das zusammen, was seine Äußerung gerade schon genug rechtfertigte.
"Oha, schon fies, sowas mitzukriegen. Aber dafür leben die immer noch. Diese Todesser hätten die bestimmt umgebracht. Weißt du denn warum überhaupt?"
"Die Mutter von meiner Klassenkameradin ist eine Muggelstämmige. Das reichte Umbridge und Genossen doch schon aus", grummelte Julius.
"Na klar. Dann durften die auch keine Eulen schicken, weil die vielleicht abgefangen worden wären. Oder hat die schon eine zu schicken versucht, als Didier noch auf dem Ministerstuhl saß?" Fragte Gérard.
"Neh, das war die allererste Eule, nachdem sie aus dem Versteck rauskonnten", sagte Julius. "Die hatten da einen eigenen Garten und wohl auch Zugang zu Metzgern, die ihnen Fleisch geliefert haben, wenn die nicht so vegan leben wollten wie Brittany Forester", erwähnte Julius dann noch. Robert und Gérard nickten.
Die Saalsprecherkonferenz drehte sich um die Prüfungsvorbereitungen. Germaine Fontchamp hatte einmal Panik gehabt, weil sie mit ihrem Wiederholungsplan nicht zurechtkam, und die Blauen machten sich gegenseitig runter, weil sie Angst vor den Prüfungen hatten, das aber nicht zugeben wollten, so Corinne, die ja spüren konnte, wie sich Leute fühlten.
"Es ist jetzt amtlich, daß Monsieur Delamontagne von Monsieur Descartes den Status des Prüfers erhält", verkündete Madame Maxime. Die von der Ausbildungsabteilung konzipierten Prüfungspläne werden wie üblich von den Saalvorstehern in der letzten von ihnen geleiteten Stunde vor Prüfungsbeginn oder falls nötig in den Wohnsälen selbst ausgehändigt und verkündet. Dies nur für die Damen und Herren, die dieses Jahr zum ersten Mal die Aufgaben der Saalsprecher wahrnehmen und daher vielleicht sehr nervös sein könnten. Bewahren Sie stets kühlen Kopf! Gehen Sie bitte mit gutem Beispiel voran! Bekanntermaßen ist die letzte Woche immer die spannungsreichste des Jahres."
"Wie damals mit den Säulen", dachte Julius. Da hatten sie Bunkerkoller geschoben. Jetzt war es Prüfungsstress.
Nach der Konferenz traf er sich mit Millie und Leonie zur Besprechung von Muggelkundesachen. Bernadette hatten Millie und Leonie in der Bibliothek abgehängt.
"So'n Ding hat deine Mutter ja auch in Paris", sagte Millie, als sie es vom Staubsauger hatten, ein Beispiel für moderne Haushaltsgeräte. Da in Beauxbatons ja kein elektrischer Strom verfügbar war unterdrückte Julius die Idee, ein solches Gerät heraufzubeschwören.
"Wie heißt dieses Ding mit den sich schnell drehenden Rührstäben jetzt, Mixer oder Quirl?" Fragte Leonie, die wie Millie an Julius' Lippen hing.
"Mixer kommt aus dem Englischen und wurde wohl in vielen Ländern als Wort angenommen. Quirl oder Rührgerät wäre wohl die genaue Übersetzung. Ist besonders beliebt bei kleinen Kindern, wenn Kuchen gebacken wurde und die Rührstäbe voller Teig sind. Den lecken die dann gerne ab, bevor die Rührstäbe gespült werden."
"Hii, nicht gerade eine angenehme Vorstellung. Aber ich habe bei meiner Maman ja auch schon häufig die Rührlöffel abgelutscht, wenn sie den Teig in der Form und die Form im Ofen hatte."
"Und jetzt erzähl uns bitte noch mal, wieso diese lauten Flugmaschinen fliegen können. Hat Paximus zwar nicht direkt gefragt, aber eure Ex-Verweigerin hat da was von Strömungsgesetzen und einem Monsieur Bernoulli erzählt, der das in Rechenformeln gepackt hat." Julius holte aus seiner Schrumpfbibliothek das Buch "Die Maschinen der Muggel" und suchte eine einfache Erklärung heraus, die er den beiden Mädchen beim Vorlesen übersetzte. Von sich aus erwähnte er, daß das Bernoulli'sche Prinzip sagte, daß je stärker ein Strom aus Luft oder Wasser sei, um diesen herum der Druck abfalle. "Frisbees funktionieren ähnlich, nur das die sich dabei noch drehen und damit die Tragfläche mehr Weg zurücklegt, was heißt, daß mehr Luft darum herumfließt und den Auftrieb damit steigert", sagte er dann noch. Er ließ die ganze Mathematik weg, die er eh selbst erst einmal genauer hätte nachlesen müssen. Es reichte ja, zu wissen, daß Flugzeugflügel so geformt waren, daß die Luft an der Oberseite schneller und an der Unterseite langsamer entlangströmte, wodurch die gesamte Maschine angehoben wurde, je schneller sie vorwärts flog um so stärker.
So verbrachte er einen ganzen Nachmittag mit seiner Frau und Leonie. An und für sich hätte er für die von ihm selbst besuchten Fächer noch lernen können. Aber dann hätte er auch als stellvertretender Saalsprecher zur Verfügung gestanden und wohl wieder jüngeren Mitschülern bei den Hausaufgaben helfen oder anderen ZAG-Kandidaten bei der gegenseitigen Annerverei zusehen müssen.
Abends hatte er noch gelegenheit, mit Céline, Laurentine und Robert Verwandlungssachen durchzugehen. Er merkte dabei, daß das Ausführen der Zauber einfacher war als das Erklären, warum sie eben so ausgeführt werden mußten und wer dazu welche schlauen Ideen und Gesetzmäßigkeiten beschrieben hatte.
"Langsam könnte Gérard von Sandrine loskommen. Es ist gleich zehn", meinte Céline nach einem Blick auf die Standuhr. Julius nickte.
"Ruf Sandrine doch einfach und frage, ob ihr Süßer noch bei ihr ist", schlug Robert mit Blick auf Julius' Pflegehelferarmband vor. Doch dieser schüttelte den Kopf.
"Das fange ich nicht an, Mitschülern nachzuspionieren. Auch mit der Silberbrosche habe ich nicht alle Rechte", sagte er. "Höchstens könnte ich fragen, wo Sandrine ist. Wenn sie mir das nicht erzählen möchte, geht es mich dann auch nichts an. Also lasse ich es."
"Kapiere ich", grummelte Robert. "War ja nur ein Vorschlag."
"Wenn er in fünf Minuten ... Ups!" Julius sprach nicht weiter, weil sein Armband zitterte. Er legte den Finger an den weißen Schmuckstein und hoffte, daß es nicht Millie war. Es war Madame Rossignol.
"Sandrine hat Gérard gerade bei mir abgeliefert. Kreislaufzusammenbruch wegen Übernervosität. Prüfungsstress. Er bleibt die Nacht über bei mir. Ich habe da nämlich den Verdacht, daß er noch was eingenommen hat, um seine Konzentration zu stärken. Hol dir bei mir bitte die Krankmeldung für Giscard ab!"
"In Ordnung, Madame Rossignol", sagte Julius schnell, bevor er die Verbindung unterbrach.
"Gérard und Prüfungsstress?" Fragte Robert. "Der tat doch immer so gelassen in den letzten Wochen."
"Ich hole die Krankmeldung. Da ich eh ein bißchen über die Zeit bleiben darf, wenn jemand noch draußen ist oder krank gemeldet wird, kann ich ihm ja schöne Grüße ausrichten", sagte Julius und stand auf.
Als er nach dem Wandschlüpfen in Madame Rossignols Sprechzimmer ankam verabschiedete sich Sandrine gerade.
"Der ist doch ein Idiot", schnaubte sie. "Der hat von irgendwoher was, um sich länger wach zu halten, um möglichst lange die Aufgaben durchgehen zu können. Jetzt liegt er hier und keucht."
"Da hatte er ja noch Glück, daß eine Pflegehelferin bei ihm war", sagte Julius.
"Das kommt jedes Jahr vor, daß einige Schlauberger meinen, sich durch Aufputschtränke länger wach zu halten", schnaubte Madame Rossignol. "Ich hoffe, ihr zwei macht sowas nicht. Sonst gibt es sehr heftigen Krach mit mir, wenn ich euch wegen sowas behandeln muß."
"Nein, ich benutze sowas nicht", beteuerte Sandrine. Julius meinte nur, daß die Vorstellung, die Prüfungen schaffen zu müssen und sein Sporttraining ihn wohl wach genug hielten.
"Ich habe ihm Blut und Urinproben entnommen. Morgen analysiere ich, ob das wirklich nur Überstress war oder die Folgen eines Hilfsmittels."
"Ich habe sichergestellt, daß bei uns im Saal nichts rumgeht, was nicht von Ihnen verordnet wurde", beteuerte Julius, der fühlte, daß ihm die Schuld an Gérards Zusammenbruch gegeben werden könnte. Immerhin war er am Nachmittag nicht im grünen Saal gewesen. Wenn Giscard auch nicht da war, dann konnte ihm als Pflegehelfer noch was blühen. Aber er konnte schließlich nicht mit allen Händchen halten.
"Hier ist die Krankmeldung, Julius", sagte Madame Rossignol immer noch sehr verdrossen wirkend. Julius nahm das Pergament und fragte, ob er Gérard besuchen könne. "Der liegt im Bett und soll jetzt schlafen, und zwar bis morgen früh um neun. Könnte sein, daß er einige Stunden aufholen muß."
"Elf Stunden am Stück?" Fragte Sandrine.
"Kann manchmal nicht schaden", erwiderte Madame Rossignol. Sandrine nickte und wandschlüpfte aus dem Sprechzimmer. Julius tat es ihr nach, als er der Heilerin noch eine gute Nacht gewünscht hatte.
"Ist meinem Vater auch passiert, eine Woche vor den UTZs. Der meinte dann, den Stoff der letzten zwei Jahre in drei Wochen nachholen zu müssen", sagte Giscard, als er die Krankmeldung erhielt und unterschrieb. "Ich bringe die morgen zu Professeur Faucon", sagte er dann noch.
Julius befand, daß es vielleicht nicht das schlechteste sei, anstatt noch weitere Sachen durchzupauken auch zur üblichen Schlafenszeit sein Bett aufzusuchen.
"Hoffentlich hat Gérard nix unerlaubtes geschluckt. Sonst kriegt der noch Ärger", sagte Robert.
"Sein Pech", meinte André. "Ich habe auch einen Brummschädel von der Büffelei. Aber wenn ich mir noch was einwerfen würde liege ich entweder unter einem Tisch oder auch im Krankenflügel."
"Dann hoffen wir mal, daß wir die richtige Mischung zwischen Lernen und Essen, Arbeiten und Schlafen finden, bevor es den nächsten aus den Latschen wirft", wandte Julius ein.
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In der Nacht vom Samstag auf den Sonntag träumte er zum ersten Mal seit der Zeit bei Madame Maxime wieder was einprägsames. Er sah sich als Ascanius Eauvive in den alten Klassenräumen sitzen und wurde von Orion dem Wilden befragt, der bei jeder falschen Antwort eine dreischnürige Peitsche über ihn hinwegklatschen ließ. Dann fand er sich in Whitesand Valley, wo er Sophia Whitesand Sachen vorzaubern mußte. Einen besonders schweren Feuerzauber, der für eine Weile bunte Leuchtkugeln hervorbringen konnte, verpatzte er jedoch. Darauf verfügte Sophia Whitesand, daß er besser noch einmal von vorne anfangen sollte und rief Prudence herein, die unvermittelt anwuchs, bis er zwischen ihren haushohen Beinen stand und von einem wilden Sog nach oben gerissen wurde. Er erwachte gerade noch, bevor er meinte, im Unterleib der ehemaligen Mitschülerin zu verschwinden. Der dritte Traum bestand im wesentlichen darin, daß er von Skyllianri die Stufen zu einem Galgen hinaufgetrieben wurde. Auf jeder Stufe mußte er eine Frage beantworten. War die Antwort richtig, durfte er eine Stufe zurück nach unten. War sie falsch, mußte er eine Stufe weiter nach oben, wo Dolores Umbridge mit einer Schlinge in der Hand wartete. Er gab sich Mühe, alle Fragen richtig zu beantworten. So schaffte er es eine Weile, am Fuße des Galgens zu stehen. Doch irgendwann waren die Antworten nicht mehr korrekt, und er mußte hinaufsteigen. Er dachte dann, daß er den Krempel abkürzen und in die Tiefe springen sollte. Dieser Entschluß endete mit einem Fall in tiefste Schwärze.
"Gérard schläft durch und ich habe jetzt diese Alpträume", dachte Julius, als er um drei Uhr hellwach im Bett lag. Doch irgendwie schaffte er es, wieder einzuschlafen. Als er dann von den gemalten Mexikanern geweckt wurde, fühlte er sich noch müde. Doch was half es? Er stand auf.
Den Sonntag ließ er etwas ruhiger angehen. Außerdem war ja wieder Pflegehelferkonferenz. Gérard hatte sich soweit erholt, daß er aus Madame Rossignols Obhut entlassen werden konnte. Sie hatte keine verdächtigen Rückstände bei ihm finden können. Also war es nur ein Zusammenbruch wegen Überanstrengung gewesen.
Am Nachmittag wurde er von Professeur Faucon in ihr Sprechzimmer gerufen. Er hoffte, daß es nichts mit den Prüfungen zu tun haben würde. Immerhin sollten sie alle die Ablaufpläne ja in der letzten Stunde vor den Prüfungen erhalten, also am Freitag Nachmittag, wo sie Fluchabwehr hatten.
"Jemand möchte Sie direkt sprechen, Monsieur Latierre", sagte Professeur Faucon. Julius nickte und nahm einen kleinen Spiegel mit einer Rose als Markierung entgegen. Dann sprach er hinein: "Madam Whitesand?" Im Glas erschien nun das Gesicht der altehrwürdigen Hexe mit der Halbmondbrille und den gleichen stahlblauen Augen, wie sie ihr Vetter Albus Dumbledore besessen hatte.
"Ich wollte dir kurz vor Antritt deiner ZAG-Prüfungen persönlich noch einmal danken, daß du uns damals allen geholfen hast und dir viel Glück und Erfolg wünschen. Pina wollte dir schreiben, hat sie angedeutet. Ob sie das, was sich hier in den letzten Monaten ereignet hat alles zusammenbringen und in wenigen Worten Wiedergeben kann möchte ich besser nicht vermuten."
"Sie meinen, daß Sie die Leeland-Geschwister durch ein merkwürdiges Ritual magisch aktiviert haben? Zumindest hat Pina das geschrieben. Wie kamen Sie denn darauf?"
"Weil ich erfuhr, daß soetwas tatsächlich schon mal gemacht wurde. Ich habe die Leeland-Geschwister ausgiebig beobachtet und festgestellt, daß sie in der Welt ihrer Eltern keinen Tritt mehr fassen würden, wenn sie mit dem ganzen Wissen zurückkehren. Eine Gedächtnisveränderung hätte sie abrupt aus der heilen in eine zerstörte Welt hinübergeschleudert, in der ihr Vater von einem zum anderen Augenblick tot war. Selbst wenn ich ihnen andere Identitäten eingeprägt hätte, wäre es für sie eine fremde Welt geblieben. Ein guter Zufall ließ mich erkennen, daß Melanie und Mike möglicherweise magisch aktiviert werden könnten. Ich erfuhr nämlich, daß es vor vierhundert Jahren einen Zauberer in Hogwarts gab, der nach seiner Schulzeit nur Squips gezeugt hat. Diese wuchsen dann erst mit dem Wissen um die Zaubererwelt auf, verheimlichten es aber ihren Kindern gegenüber, so daß im Laufe der Generationen keiner mehr wußte, daß es unsere Welt gibt. Aber das unweckbar scheinende Ruhepotential blieb erhalten. Mag sein, daß Melanies oder Michaels Kinder mit neuen Zauberkräften aufgewachsen wären. So konnte ich reinen Gewissens die beiden aktivieren, zumal sie zu dem Zeitpunkt noch unberührt waren. Jungfräuliche Körper und Seelen verdauen jenes Ritual, das dir sehr wohl bekannt ist, wesentlich besser, beziehungsweise nehmen mehr magische Energie auf. Bei erwachsenen, die bereits Nachwuchs bekommen haben, wirkt es dann eher gut, wenn zwischen Spenderin und Empfänger oder Empfängerin eine verwandtschaftliche Beziehung besteht." Julius mußte seine Selbstbeherrschungsformel denken, um nicht zu zeigen, daß er sehr wohl wußte, wer diesem Ritual sonst noch so unterzogen worden war. Na ja, warum Mike dann darauf kam, genug Mut zusammenzunehmen und meiner Urenkelin Prudence erst den Hof zu machen und sie dann in freudige Erwartung zu versetzen kann ich nicht genau sagen. Mag sein, daß beide durch das Ritual erkannt haben, daß der Altersunterschied kein Grund für eine harmonische Beziehung sein muß." Julius nickte. Das stand ja auch in dem Brief. "Jedenfalls erfuhren wir erst durch Professeur Faucon, daß unser selbsterwähltes Exil nun aufgegeben werden kann. Es wird mir schwerfallen, mich an weniger Leute hier zu gewöhnen. Aber die Leelands und Prudence sind noch hier. Hortensia hofft wohl darauf, daß sie bald wieder ein eigenes Haus und Grundstück hat, nachdem die Todesser ihnen das eigene Heim niedergebrannt haben. Ich denke, ich werde mit meinen verbliebenen Gästen demnächst in die Winkelgasse gehen, wenn ich weiß, daß Mr. Ollivander seinen Laden wiedereröffnet hat."
"Dann ist ja einiges bei Ihnen passiert", sagte Julius. Natürlich ging er davon aus, daß Professeur Faucon nicht nur über die Wandlung seiner Mutter von der gewöhnlichen Muggelfrau zur neuen Hexe berichtet hatte, sondern auch über den Angriff der Skyllianri, vielleicht sogar über die Zeit bei Madame Maxime. So wunderte er sich nicht, daß sie ihm viel Mut und eine beachtliche Portion Durchhaltevermögen bekundete, daß er den ganzen seelischen Belastungen so gut standgehalten hatte, die ihm seit Februar aufgebürdet worden seien. Näheres führte sie dann nicht aus, nur daß im Juni und Juli wohl die ersten Prozesse gegen erwiesene Todesser stattfinden sollten. Julius erwähnte, daß in Frankreich auch noch Prozesse liefen, um zu klären, wer Didier freiwillig oder unter dem Imperius-Fluch geholfen hatte. Danach verabschiedeten sich der Zauberschüler und die Meisterhexe, die Professeur Faucon noch ausrichtete, Professeur Tourrecandide zu grüßen. Dann reichte Julius den Zweiwegespiegel wieder zurück.
"Es ist schon sehr erstaunlich, was in der Abgeschiedenheit für Dinge geschehen können", sagte Professeur Faucon. Julius fragte sie leise, ob sie Madam Whitesand erzählt hatte, was mit seiner Mutter geschehen war.
"Ich hielt es für geboten, falls die Übergriffe der Todesser, Dementoren und Schlangenmenschen unsere Existenz aufs äußerste bedroht hätten, das Wissen um die postnatale Erweckung von Zauberkraft einer würdigen Adresse anzuvertrauen. Sie weiß nicht, daß du die Skyllianri bekämpft und die Riesenvögel gerufen hast. Sie ahnt jedoch, daß dir ein mächtiges Erbe aufgeladen wurde", sagte die Lehrerin. Julius blickte noch einmal den Klangkerker an, den sie nach seinem Eintritt errichtet hatte. Dann fragte er, ob sie Glorias Spiegel schon benutzt habe.
"Ich sprach mit ihr heute Morgen um sechs Uhr. Da sie erst dann mit dir sprechen möchte, wenn der letzte Tag vor den Prüfungen ansteht nur so viel: In Amerika bedroht diese apparierfähige Brutkönigin Zauberersiedlungen. Wishbones Abschottungspolitik wurde nach Riddles Ende unnötig. Er muß jedoch wegen der Handelssperren und der nicht einhaltbaren Sicherheitsgarantien um sein Amt fürchten. Eine Heilerin in fortgeschrittenem Alter machte öffentlich, daß sie im November letzten Jahres von einem gebildeten Muggel ein Kind empfing und damit doch noch zu Kindersegen kommen würde." Sie schnaufte kurz. Offenbar gefiel ihr diese Nachricht nicht. Julius vermutete, daß es daran läge, daß sie uneheliche Liebschaften nicht guthieß. "Die Heilerzunft wird ihr wohl noch etwas erzählen. Aber an der Tatsache ist nichts mehr zu ändern."
"Wie alt ist diese Heilerin?" Fragte Julius.
"vierundsechzig Jahre alt, damit kommt sie beinahe an das Alter deiner Schwiegergroßmutter heran. Offenbar wollte sie auch nur die Saat eines gebildeten Mannes, um sich einen Kinderwunsch erfüllen zu können. Soviel zu den sittenstrengen und moralisch einwandfreien Heilerstatuten. Vielleicht wird man sie aus der Zunft ausstoßen. Aber wenn sie der Meinung ist ... Soviel zu den wichtigsten Nachrichten aus Übersee."
"Es ist wohl viel passiert in der Welt", bemerkte Julius dazu. Professeur Faucon nickte. Danach durfte er gehen.
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Die letzte Woche vor den Prüfungen war geprägt von in stillen Ecken hockenden Schülern, die noch auf den letzten Drücker die Zauber von vor vier Jahren wiederholten, sich gegenseitig über theoretische Sachen abfragten oder nervös in den Parks herumliefen, um genug Luft zu kriegen, um weiterzulernen. Der Krankenflügel verzeichnete mehrere Schwächeanfälle, drei Prügeleien zwischen gereizten ZAG- oder UTZ-Schülern aus den Sälen Blau und Rot und Zauberunfälle, die auftraten, weil manche nicht so recht bei der Sache waren. Julius erlebte noch den ein oder anderen Vorprüfungstraum, jedoch ohne Naaneavargia oder andere Ungeheuer, mit denen er schon zu tun gehabt hatte. Meistens ging es darum, daß er in einem überfüllten Raum stand und hingehaltene Fragezettel auszufüllen hatte. Dann kam der Freitag und mit ihm die letzte Stunde vor den Prüfungen. Sie lief so ab wie üblich, bis kurz vor dem Ende Professeur Faucon zu ihrer ZAG-Klasse sprach:
"Sehr geehrte Damen und Herren! Nun haben Sie noch ein Wochenende, bevor Sie die für Ihre weitere Ausbildung entscheidenden Zwischenprüfungen ablegen werden. Aus eigener Erfahrung aus meiner Schulzeit hier und aus der langjährigen Erfahrung mit mehreren Schülergenerationen vor Ihnen möchte ich Ihnen empfehlen, sich nicht in einer art Torschlußpanik auf scheinbar noch nicht so recht sichere Punkte der bisherigen Ausbildung zu stürzen, um sie noch im letzten Moment zu erörtern. Wer es in den letzten vier Jahren nicht erlernt hat, die nötigen Vorbereitungen rechtzeitig zu beginnen, der wird durch zwei verbleibende Tage auch nicht viel sicherer sein. Im Gegenteil. Sie verlieren unter Umständen kostbare Stunden der inneren Kräftigung und bereiten sich im schlimmsten Fall auf Dinge vor, die in den Prüfungen nicht abgefragt werden. Daher rate ich Ihnen allen, legen Sie ab morgen die Bücher fort und lassen Sie sie verborgen, bis die Prüfungen vorbei sind. Sie erhalten zwar gleich noch den detaillierten Prüfungsablaufplan. Doch dieser dient nur dazu, sich die Reihenfolge der Prüfungen einzuprägen. Zum Ablauf noch einmal offiziell, daß Sie alle mit den UTZ-Kandidaten zusammen in der Aula examinniert werden. Morgens findet der theoretische Teil statt. Sofern es sich um ein praktisches Fach handelt, erfolgen an den Nachmittagen die praktischen Einzelprüfungen. Nachdem dies alles erläutert ist, übergebe ich Ihnen nun die verbindlichen Ablaufpläne. Das weitere wird Madame Maxime wie jedes Jahr am Morgen der ersten Prüfung bekanntgeben." Sie überreichte jeder und jedem einen silbern umrandeten Pergamentzettel, auf dem in großen, goldenen Buchstaben ZAG-PRÜFUNGSPLAN stand. Julius nahm ihn und las
Montag, 3. Juni 1998: Zauberkunst
Dienstag, 4. Juni 1998: Studium der nichtmagischen Welt (Vormittags), alte Runen (ab 14.00 Uhr)
Mittwoch, 5. Juni 1998: Magische Alchemie
Donnerstag, 6. Juni 1998: Wahrsagen (nur Vormittags)
Freitag, 7. Juni 1998: Protektion gegen die destruktiven Formen der Magie
Montag, 10. Juni 1998: Herbologie
Dienstag, 11. Juni 1998: Transfiguration und Materialisation
Mittwoch, 12. Juni 1998: Praktische Magiezoologie
Donnerstag, 13. Juni 1998: Zaubereigeschichte (Vormittags), Arithmantik (ab 14.00 Uhr)
Freitag, 14. Juni 1998: Astronomie (Himmelsbeobachtung zwischen 23.00 und 01.00 Uhr)Wir von der Abteilung für magische Ausbildung und Studien wünschen Ihnen allen einen erfolgreichen Prüfungsverlauf bei bester Gesundheit.
Cicero Descartes
"Hiermit darf ich Ihnen allen ein erholsames Wochenende und viel Erfolg bei den anstehenden Prüfungen wünschen. Wie erwähnt sind diese die ausschlaggebenden, um ihre weitere Schulausbildung genau festlegen zu können. Also entspannen Sie sich und schöpfen Sie Ruhe und Kraft!" Die Kandidaten dankten und verabshiedeten sich. Als Julius sich zum Hinausgehen wenden wollte, winkte ihm Professeur Faucon noch einmal, zu verharren. Als die Tür hinter den Anderen zufiel sagte sie ruhig:
"Womöglich erscheint es Ihnen etwas gemein, vielleicht aber auch als verständlich und notwendig. Bitte überlassen Sie mir bis zum Ende der Prüfungen Ihren Herzanhänger und die miniaturisierte Bibliothek, die sie stets mitführen. Da Professeur Fixus und ich wissen, daß Sie über die Herzanhänger mentiloquistische Botschaften auch in Beauxbatons austauschen können und bei den Prüfungen keinerlei Nachschlagewerke erlaubt sind, verstehen sie hoffentlich diese Maßnahme." Julius zeigte sein Verständnis, indem er widerspruchs- aber auch wortlos die geforderten Sachen herausgab. Erst als Professeur Faucon den Anhänger und die Centinimusbibliothek übernommen hatte fragte er, ob Professeur Fixus das Gegenstück in Verwahrung nahm. Die Lehrerin bestätigte es und bekundete ihr Wohlwollen, weil er von "Verwahrung" und nicht "Beschlagnahme" gesprochen hatte. Denn im Grunde hatte sie seine Sachen eingezogen und nicht erbeten. Doch der Ton machte die Musik, wußte Julius wohl schon recht gut. Was hätte es ihm gebracht, zu schwören, das rote Herz nicht im Unterricht an die Stirn zu drücken, wo jeder hätte sehen können, daß er mentiloquieren wollte? So verließ er leicht bedröppelt den Klassenraum für Protektion gegen destruktive Formen der Magie. Er wunderte sich, daß Professeur Fixus bei der letzten Zaubertrankstunde nicht schon ... Aber die würde wohl gleich zu ihren Kandidaten reingehen. Weit genug weg vom Klassenraum rief er Millie über das Armband an.
"Professeur Fixus wird dann wohl gleich kommen. Tante Trice schrieb es mir, daß die diese Maßnahme bringen würden. Besser als wenn wir die Herzen nicht mehr wiederkriegen. dann bis gleich in der Zaku-AG!" Julius bestätigte das und ging durch den Palast. Irgendwie fehlte ihm jetzt schon dies sachte Pulsieren auf seinem Brustkorb, diese warmen Ströme, dieses Mitfühlen mit jemandem, den er liebte, auch wenn er mit derartigen Begriffen nicht um sich warf. Doch da lag ein Weg vor ihm, der sein Weg war. Sicher würde er viele auch schwere Wege mit Millie und anderen zusammengehen. Doch dieser Weg durch die ZAG-Prüfungen durfte nur von ihm beschritten werden. Dann in zwei Jahren noch mal zu den UTZs.
Während der Zauberkunst-AG machten die Teilnehmer mit dem Grundkurs Kochen mit Zauberkraft weiter. Da Laurentine jetzt auch wieder dabei war, konnte diese von Céline die wichtigsten Kunstgriffe für Anfänger schnell erlernen.
"Dann kriegen wir beim Abendessen aber nichts mehr runter", meinte Julius, als Millie ihm fast spielerisch vorführte, wie sie innerhalb von fünf Minuten einen Gemüseeintopf mit Räucherwürstchen zusammenzauberte. Wo hatte sie das geübt? Die Frage flüsterte er ihr zu.
"Tja, da uns keiner den Zettel mitgab, daß wir in den Ferien nicht zaubern durften, konnte ich mit Ma und Oma Line wunderbar üben", raunte sie ihm leise zu. Dabei mußten sie aufpassen, sich nicht zu sehr zu nähern.
"Probieren darfst du aber schon, Julius. Könnte ja schließlich sein, daß wir den häufiger zusammen machen", sagte sie dann halblaut, das ruhig einige mehr das mithören konnten. Julius erinnerte sie und sich an seine Reise nach Hogwarts, wo er Professeur Faucon beim Kochen assistiert hatte. "Da konntest du wirklich was lernen", erwiderte Millie grinsend und versetzte den Inhalt des Topfes in eine ruhige Eigendrehung, daß nichts anbrennen konnte, auch wenn unter dem Topf kein richtiges Feuer glühte. So ging es reih um, daß die Schüler ihre ersten Versuche probierten.
"Wo kommt das Gemüse eigentlich her, daß Sie hier materialisieren?" Fragte Laurentine. "Ich hörte, daß Nahrungsmittel nicht aus dem Nichts erzeugt werden können."
"Die Gewürze sind von mir hier im Kursraum untergebracht worden, um sie per Zauberstab beizugeben. Die Fleischstücke und Gemüsesorten hole ich aus der Schulküche", erläuterte Professeur Bellart. Laurentine ließ sich von Céline einen Bratenzauber erklären, mit dem man Würste oder Frikadellen in nur anderthalb Minuten knusprigbraun hinbekam. Der ganze Kursraum war mit Bratenduft, Wasserdampf, Brodeln und Brutzeln erfüllt. Hier und da mußte nachgewürzt oder Gewürzüberschuß zurückgenommen werden. Doch kurz vor dem Abendessen hatten sie alle eine gute Vorspeisengrundlage in ihren Mägen.
"Dann hättet ihr doch gleich für uns alle mitkochen können", scherzte André, als Julius erzählte, daß er wohl nicht viel Hunger hatte. Doch dann aß er doch noch von den professionell zubereiteten Speisen aus der Schulküche.
Beim Duelltraining am Abend stellte Professeur Faucon Julius mit Deborah Flaubert zusammen und sah zu, wie die beiden Pflegehelfer sich eine ausgeglichene Übungsrunde lieferten. Deborah war offenbar noch nicht gut in ungesagten Zaubereien, und Julius wollte nicht zu heftig austeilen, um nicht doch einen Zufallstreffer zu riskieren.
Im Bett merkte Julius noch einmal, daß ihm dieses sanfte Pulsieren fehlte, das normalerweise vom Herzanhänger ausging. Eine gewisse Unruhe beschlich ihn. Jetzt würde er bis zum fünfzehnten Juni nicht mehr mitbekommen, wie Millie sich fühlte. Sie hatte seine Gefühle geteilt, als er sie schwer bis gar nicht beherrschen konnte. Jetzt vermißte er die sanften Lebenszeichen, und er vermutete, daß es ihr mit ihm genauso ging. Doch jetzt den Pflegehelferschlüssel als Ersatz zu benutzen traute er sich dann doch nicht.
"Zumindest haben sie dich noch bei mir gelassen", sagte er Auroras Bild zugewandt. Doch dessen Bewohnerin war mal wieder unterwegs, vielleicht in Australien, vielleicht aber auch schon wieder in England, wenn Auroras Eltern ihr Haus noch vorfanden.
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Natürlich hielt sich keiner so recht an Professeur Faucons Ratschlag, daß Wochenende zur inneren Kraftauffrischung zu nutzen. Julius konnte sich den bangen Fragen seiner in Kräuterkunde weniger bewanderten Mitschüler nicht so einfach entziehen. Nur die SSK bot ihm eine Möglichkeit, an was anderes zu denken.
Am Sonntag schaffte er es, sich für zwei Stunden von dem Trubel um die Prüfungen abzusetzen und mit Millie einen Spaziergang durch die Parks zu machen und über die Familien zu reden. Julius übergab ihr heimlich Pinas Brief zum lesen. Sie verzog das Gesicht, legte die Stirn in Falten und lachte dann, als sie das mit Mike und Prudence las.
"Wenn das die Prudence ist, die mit Virginie Rochfort geborene Delamontagne befreundet ist bin ich mal gespannt, was Madame Delamontagne dazu sagen wird."
"Die darf jetzt zusehen, wie sie mit ihrer Tochter in Kontakt bleibt. Während Madame Maxime und ich bei Didiers Verurteilung waren, kam ja der kleine Roger Phoebus Rochfort an."
"Stimmt, du hattest mir was zugedacht, daß Virginie jetzt einen Jungen hat. Aber wie der hieß hattest du nicht erzählt."
"Die offizielle Anzeige ist ja auch noch nicht raus, Millie", sagte Julius und sicherte, ob sie keiner belauschte.
"Unser Gastprüfer wird sich wohl freuen, daß sein ganzer Einsatz geholfen hat, daß sein Urenkel fröhlich durch die Vordertür ins Leben gekrabbelt ist. Tja, und deine ehemalige Mitschülerin Prudence wird dann also im Dezember einen weiteren Zauberer oder eine Hexe auf unseren Planeten legen."
"Ich müßte ihr eigentlich einen Brief schreiben und gratulieren. Aber erstens weiß ich nicht, ob sie das wirklich so richtig will, und zweitens muß ich ihr das nicht auf die Nase binden, daß Pina mir das geschriebn hat."
"Sie schreibt doch, daß du das wissen darfst, steht hier", erwiderte Millie und tippte auf den entsprechenden Satz. Julius nickte. Nur jetzt wollte er nicht in die Eulerei, weil er dann sicher in die Letzte-Minute-Vorbereitungshektik hineinrasseln würde. Er hatte sich intensiv auf die Prüfungen vorbereitet, als er bei Madame Maxime war. Millie hatte wohl die praktischen Zauber auch raus. Und was vor fünf Tagen nicht ins Hirn ging würde heute erst recht nicht reingehen.
"Bernie hat sich wohl in der Bib eingebuddelt", sagte Millie. "Seitdem die die Silberbrosche nicht mehr trägt hat die sich sehr klein und unauffällig verhalten. Es ist doch wirklich schade, daß Leute sich an irgendwelchen Kennzeichen klammern, um sich was zu trauen. So kann sie sich jetzt ohne schlechtes Gewissen um ihre Vorbereitungen kümmern. Sie hat's ja leider hingekriegt, daß niemand sie mehr zu irgendwas fragt. Da war Leonie richtig froh, daß du sie bei unserer Vorbereitungssitzung dabei haben wolltest. Dann stehen wir am Dienstag wenigstens gut da."
"Das hoffe ich für euch. Morgen geht's erst einmal mit Zauberkunst los."
"Wenn die uns nicht aus Versehen die UTZ-Unterlagen hinlegen kriege ich die wohl hin", sagte Millie. Julius hoffte, daß er auch nur die Standard-Prüfungsbögen vorgelegt bekommen würde.
Céline knurrte Julius an, als er kurz vor dem Abendessen im grünen Saal auftauchte. "Mann, du hättest uns echt noch helfen können. Robert stand auf einem dicken Schlauch wegen der Bildillusionszauber, Laurentine wollte das noch mal mit dem einfarbigen Licht wissen, und Jasmine macht sich bald in das Höschen, weil sie vergessen hat, wie Wingardium Leviosa richtig ausgesprochen wird. Das habe ich alles beantworten dürfen. Immerhin konnte ich das wohl, weil wir die Zauber dann auch ausprobiert haben."
"Céline, am letzten Tag noch voll reinzuhauen bringt es wirklich nicht mehr. Du kriegst dann nur noch mehr Panik", schnaubte Julius, dem diese tadelnde Art Célines nicht gefiel. Sie hätte doch auch mit Robert spazieren gehen können. Aber offenbar hatte sie selbst noch Bammel, was vielleicht wichtiges nicht noch einmal angetippt zu haben. Doch jetzt konnte er eh nichts daran ändern. Mochten sie ihn wie damals Hercules für ein Kameradenschwein halten oder nicht.
Doch außer Céline kümmerte es keinen der erwähnten Hilfesuchenden, daß Julius nicht greifbar gewesen war. Robert sagte ihm, daß er Céline gerne noch zu einem ruhigen Gespräch in einen Pavillon ausgeführt hätte. Doch die wollte nicht raus, weil sie Angst hatte, vielleicht was wichtiges zu verpassen. Gérard hatte sich wie Julius und Millie einen entspannten Nachmittag mit seiner Freundin Sandrine gegönnt.
Abends schlug Giscard vor, daß alle ZAG- und UTZ-Kandidaten früh genug zu Bett gehen sollten. Seine Klassenkameraden grinsten nur. Die ZAG-Leute kamen eh vor elf ins Bett. Da mußten die Siebtklässler nicht auch so früh in den Schlafsaal. Julius nahm den Vorschlag jedoch an.
Als er jedoch im Bett lag vibrierte der Zweiwegespiegel, der ihn mit Gloria verband. Wo hatte die sich dazu hin zurückgezogen?
"Ich wollte dir nur für morgen und die nächsten Tage viel Erfolg wünschen, Julius. Bei uns ist das jetzt so, daß wir die Prüfungen zwar mitmachen, allerdings könnte es Wishbone einfallen, die Ergebnisse nicht anerkennen zu lassen, weil wir ja nicht hier sein durften und demzufolge nicht in Thorntails waren und deshalb ja dann auch keine Prüfungen ablegen konnten."
"In den Staaten möchte ich echt nicht richtig leben. Du weißt echt nicht, welchen Idioten die in ihr Zaubereiministerium setzen", grummelte Julius. Dann berichtete er im Kurzstil von den letzten Vorbereitungswochen und erwähnte auch Passagen aus Pinas Brief.
"Prudence wird Mutter? Und dieser Mike Leeland ist nicht älter als du? Was sagt deine Angetraute denn dazu?"
"Was schon: Nächstes Jahr krieg ich auch was kleines von dir", erwiderte Julius.
"Ist klar, nachdem was Constance mir über ihre frühen Mutterfreuden erzählt hat."
"Mit dem kleinen Unterschied, daß Millie sich richtig darauf freut und es lieber heute als in zwei Jahren angehen will."
"Wieso ausgerechnet zwei Jahre? Laßt euch doch Zeit, bis ihr wißt, womit ihr den oder die kleine versorgen könnt!"
"Deshalb kucken wir ja jetzt schon, was wir in zwei Jahren machen", sagte Julius noch. Gloria verzog zwar das Gesicht, mußte aber anerkennen, daß Millie ihren sonst eher für geistige Sachen zu habenden Schulfreund mit den fleischlichen Genüssen des Lebens vertraut gemacht hatte und zumindest so konsequent war, dabei auch Nachwuchs einzuplanen. So wünschten sie sich noch einmal gegenseitig viel Erfolg bei den Prüfungen und beendeten die Spiegelverbindung.
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Julius konnte sich an keinen Traum erinnern, als er am Morgen des Tages X aufwachte. Heute ging es wirklich um was. Doch er fühlte sich sicher und ruhig, die gefragten Sachen entweder vorführen zu können oder die Theorie zu kennen.
Die Aufregung lag über allen ZAG-Kandidaten, als sie zum Frühstück marschierten. Julius nahm genug zu sich, um einen fünf-Stunden-Marathon durchzuhalten. Als Madame Maxime wie die beiden Jahre zuvor die Wichtigkeit der Prüfung und das keine Schummelsachen zugelassen sein erwähnt hatte, traten die acht Prüfer ein. Julius achtete nur auf Professeur Champverd, Professeur Énas und Professeur Delamontagne. Würde er bei einem von denen geprüft?
"Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei den Prüfungen", sagte die Schulleiterin, von der Julius jetzt mehr wußte als die Schüler, die sie nur als Schulleiterin kennengelernt hatten.
Kurz vor acht erreichte er zusammen mit seinen Jahrgangskameraden und den Siebtklässlern die Aula. Die Wände und Decke, die verschiedene Landschaftsillusionen erzeugen konnten, sahen nun wie die getäfelten Wände eines Ballsaales in einem Schloß aus. Waren das vielleicht die Originalwände? Große Öllampen strahlten mit dem Sonnenlicht einen goldenen Glanz aus. Alles in allem hieß dieser Raum sie willkommen. Er zeigte nicht, daß hier über das Schicksal jedes einzelnen befunden wurde. Zuversicht war ja auch so wichtig, erkannte Julius.
Professeur Faucon führte die Oberaufsicht. Die acht Prüfer vom Ministerium saßen strategisch verteilt da, wohl um zu überwachen, daß doch keiner schummelte. Dann erhielt Julius seinen Prüfungsbogen. Er las, daß es ein ZAG-Bogen für 1998 war. Damit galt es jetzt. er las die erste Aufgabe.
Aufgabe 1
Woher leitet sich das Zauberwort Lumos im damit aufgerufenen Zauber her?
"Geht schon gut los", dachte Julius. Dann fiel es ihm jedoch ein, daß er das im Lehrbuch der Zaubersprüche Band 1 in einem Absatz gelesen hatte. So schrieb er hin, daß es ursprünglich zwei Wörter gewesen seien, nämlich luminosus und Os. Das wären die lateinischen Wörter für leuchtend und Mund gewesen. Daraus habe sich in der Zeit ein einziges Zauberwort gebildet, weil bereits der Gedanke an die Wirkung den Zauber verstärke. In Aufgabe zwei wollten sie von ihm wissen, wie der Schwebezauber gewirkt wurde und ob er gewichtsabhängig wirke oder nicht. Er schrieb, daß der Schwebezauber die Bindung an die Schwerkraft aufhebe, also das Gewicht aufhob. Hierbei sei das Gewicht nur beim Aufruf des Zaubers wichtig, danach aber die Größe des zum schweben zu bringenden Objektes entscheidend. So ging es dann weiter, bis die Frage kam, was der räumliche Widerstand sei und wie er berechnet werden müsse. Das war ein Heimspiel für den Rechenkünstler. Dann ging es noch um verschiedene Zauber auf einem Objekt, niedere Elementarzauber, zu denen Lumos als flammenloser Feuerzauber genauso gezählt wurde, aber auch Nebelzauber, Windstöße und Funken. Die Gefühlsbeeinflussungszauber wie Beruhigung, Aufmunterung oder Verwirrung wurden ebenso abgefragt wie der Schweigezauber und der Rauminhaltsvergrößerungszauber. Er durfte ausführen, warum Edelmetalle gute Speicher für Zauber seien, jedoch nicht verwandelt werden könnten. So vergingen die fünf Stunden bis zum Mittagessen. Dann sammelte Professeur Faucon mit "Accio Dokumente" alle Unterlagen ein.
Beim Mittagessen spachtelten die Prüflinge richtig. Es war ihnen anzumerken, daß die volle Konzentration auf die Fragen sichtlich geschlaucht hatte.
"Lagrange, Belisama, Laplace, Gérard, Latierre, Julius, Latierre, Mildrid Ursuline und Lavalette, Bernadette bitte eintreten", gebot Professeur Bellart, die den Nachmittag beaufsichtigte. Bernadette warf Millie und Julius einen provozierenden Blick zu. Doch die beiden ignorierten das. Sie verließen die Seitenkammer, in der alle Prüflinge versammelt standen.
"Sie gehen bitte zu Professeur Moureau, Mademoiselle Lagrange! Sie gehen zu Professeur Énas, Madame Latierre! Sie dürfen zu Professeur Champverd, Monsieur Latierre, und Sie bitte zu Professeur Perignon!" Kommandierte Professeur Bellart leise.
Als Julius mal wieder Virginies Großmutter gegenüberstand, begrüßte er sie respektvoll. Sie grüßte zurück und trug den Namen des Prüflings in ein Notizbuch ein.
"Bei Ihnen wurde auf Anfrage der Schulleitung und bestätigung der Ausbildungsabteilung vorausgesetzt, daß Sie die Mehrheit der in Frage kommenden Zauber ungesagt ausführen können. Daher gilt für Sie, nach Möglichkeit keine lauten Zaubersprüche zu formulieren. Und spekulieren Sie bitte nicht darauf, ich besäße kein ausreichend gutes Gehör mehr!" Stellte Professeur Champverd gleich klar, daß die Latte für Julius doch höhergelegt worden war. Er nickte unterwürfig und erhielt seine erste Anweisung: "Heben Sie diesen Tisch an und bewegen ihn ohne körperliche Berührung in diese Ecke dort!" Sie deutete auf eine freigeräumte Stelle im Saal und einen klobigen Steintisch, den sie bei der Anweisung enthüllt hatte. Julius konzentrierte sich und hob den Tisch ungesagt an, ließ ihn mit sachten Zauberstabbewegungen durch den Raum gleiten wie einen Papierflieger und stellte ihn ohne lautes Geräusch auf den Boden. Dann sollte er in einem Kessel ein wasserdichtes Feuer beschwören, mehrere Fernlenkzauber ausführen, einen Fingerhut so behexen, daß er zehn Eimer Wasser fassen konnte, ohne äußerlich größer zu werden, sowie Zerreiß- und Reparaturzauber vollführen und mit einem Aufrufezauber eine Pappschachtel aus einem Stapel herauszaubern. Er durfte eine Bildillusion heraufbeschwören und einen Frosch zum schweigen bringen, ohne ihn zu töten. Er zog eine Feuerwand vor sich hoch, ließ diese zusammenfallen und Brachte einen Farbwechselzauber auf einem Stück Holz an. Als so die zehn Minuten Prüfungszeit vergangen waren sagte Professeur Champverd: "Vielen Dank für Ihre Einsatzbereitschaft, Monsieur - Latierre. Sie verzeihen mir bitte, daß ich mich an Ihren Nachnamen erst einmal gewöhnen muß. Es kann ja durchaus eintreten, daß wir uns in einer der nächsten Prüfungen wiedersehen."
"Jederzeit, Professeur Champverd", erwiderte Julius. Dann ging er in Richtung des Aulaausgangs, der in den übrigen Palast zurückführte. Hier traf er mit Belisama zusammen, die vor Anstrengung gerötet auf ihn gewartet hatte. "Und, hat Professeur Champverd dir Sondersachen abverlangt?"
"Eigentlich nicht, Standard, aber alles one Worte", wisperte Julius. Dann sah er seine Frau aus der Aula kommen.
"Du hattest recht, Julius. Der ist ein Scherzbold, dieser Professeur Énas. Der hat von mir verlangt, Ballettschuhe einen schnellen Tanz hinlegen zu lassen und danach eine Bildillusion von einem tanzenden Nashorn mit grünen Punkten heraufzubeschwören. Ansonsten alles das, was wir schon hatten. Und hat Virginies Oma dir Sondersachen aufgeladen?"
"Den Marmortisch durch die Gegend schweben lassen und ein paar zerfledderte Umhänge wieder tragbar zu machen. Ansonsten alles, was ich in den fünf Jahren an Sachen so gelernt habe."
"Also doch höhere sachen?" Fragte Belisama.
"Nichts, was im Unterricht bis heute nicht drangekommen wäre meine ich", erwiderte Julius leise, während sie bereits auf dem Weg nach draußen waren.
Abends sprachen sie über die Theorieaufgaben, und das Robert den Aufrufezauber vermasselt hatte. Ansonsten hatte wohl jeder und jede den Eindruck, die Prüfung geschafft zu haben.
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Dienstag Morgens hatte Julius frei. Er ließ sich nicht in Versuchung führen, noch was für die Nachmittagsprüfung alte Runen zu überfliegen. Er ließ die Prüfung auf sich zukommen und hatte bei der Beschreibung der Runen, der Lage zum Leser und ihrer Verbindungen durch das Denkariumsprojekt noch die passenden Erläuterungen parat. Dann solte er einen zehnseitigen Text aus Runen übersetzen. Als er fast in eine Falle gestolpert war, weil eine Rune dabei war, die den gesamten Texthintergrund anders auslegte, verwarf er die erste Übersetzung und schrieb eine, von der er sich sicher war, daß sie stimmte. Sichtlich geschlaucht ging er nach dem Einsammeln der Prüfungsunterlagen zum Abendessen. Er ging sehr gerne um zehn Uhr ins Bett. Denn morgen sollte er wieder die ganzen anderen wecken.
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Sichtlich lockerer als am Montag noch stand Julius um halb sechs auf und las bis zum Sechs-Uhr-Schlag der Standuhr in einer Ausgabe der Monde des Sorcières, in der auch die merkwürdige späte Schwangerschaft dieser Heilerin Leda Greensporn diskutiert wurde. Julius erinnerte sich an eine Eileithyia Greensporn, die als Heilerin arbeitete. So las er Ledas bemerkung:
"Ich bin froh, daß es dem Kind bis jetzt gut geht und ich freue mich schon auf die Geburt, weil das für mich etwas erhabenes ist, einen neuen Menschen auf der Welt zu begrüßen. Die Zunft wird wohl noch nachhaken, wem ich diese späte Freude verdanke. Aber ich werde dieser Anhörung ohne schlechtes Gewissen entgegensehen, weil ich weiß, daß ich das richtige tue."
"Hätte nicht viel gefehlt, und ich wäre vielleicht mit Béatrice zusammengekommen", dachte Julius. Er betrachtete das Farbfoto und stutzte. Die sah ähnlich aus wie diese Daianira Hemlock, die einem ihm unbekannten Rang in den Staaten besaß, und die Millie für gefährlich hielt. War die etwa mit der verwandt? Wie zur Antwort auf die Frage meinte Julius, das mit der unverhofften Mutter lebendig fotografierte Baby die Bauchdecke aufwerfen sehen zu können, während Leda Greensporn ihn anstrahlte, nicht nur erfreut, sondern irgendwie überlegen, als trüge sie mit diesem Kind die Rettung der Welt heran oder habe einen Sieg über jemanden errungen. Bei dem Gedanken wurde ihm jedoch anders. Dann hatte sie entweder das Kind durch Manipulationen oder hatte sich selbst künstlich befruchtet. Möglich war es auch, daß sie eine bestimmte Person aus der Zaubererwelt dazu angestachelt hatte, sie zu schwängern, diese Person das aber nicht mehr wußte. So blieb nur das Abwarten. Ende Juni anfang Juli sollte es soweit sein. Sicher würde die Illustrierte wieder darüber berichten.
Beim Frühstückkam Post aus Paris. Babette schrieb ihm. Ihre Rechtschreibung hatte sich sehr verbessert.
Hallo Julius!
Maman sagt, du hättest jetzt die ZAG-Sachen zu machen und fändest das wohl eh egal. Aber ich bin ziemlich traurig. Geri will aufhören. Ich meine, die haben das schon vor einigen Tagen im Radio gesagt, daß sie die Spice Girls verlassen will. Die sagen dann auch, daß die dann alle nicht mehr zusammenbleiben wollen. Angeblich hätte Geri Krach mit Mel B gehabt oder wollte nicht immer Ginger Spice bleiben. Heißt das nicht Ingwergewürz? Jedenfalls meint Maman, ich sollte wohl die nächsten Wochen fleißig lernen. Dafür flohflutsche ich ja jeden Tag rüber nach Millemerveilles, weil Madame Dumas gesagt hat, daß ich die Klasse da auch zu Ende bringen soll. Aber die haben keinen Dunst von den Spice Girls oder warum ich das nicht toll finde, daß Geri mit denen schlußgemacht hat.
Wenn dich das jetzt genervt oder gelangweilt hat, schreib mir das ruhig. Vielleicht schickt Maman ja noch mal was ab.
Dann mach gut weiter mit den ZAGs.
Viele Grüße auch von Tante Madeleine, deiner Maman, meiner Maman und Papa
Babette Brickston
"Und, was wichtiges?" FragteRobert.
"Das war von Babette. Um das so beantworten zu können, daß es nicht platt oder überheblich rüberkommt möchte ich erst die ganzen Prüfungen durch haben."
"So heftig kann das doch nicht sein, was Babette schreibt", meinte Gérard.
"Für sie ist das wichtig. Und sie schreibt auch, daß sie es kapiert, daß ich im Moment andere Sachen habe. Aber wenn die ganzen Kisten zu sind, schicke ich der eine hoffentlich gute Antwort." Er dachte, daß es auch Pierre Marceau interessieren würde. Doch der hatte auch Prüfungen. Und ihm mit einer an und für sich nebensächlichen Nachricht zu kommen könnte dem die restlichen Prüfungen verhageln. Das mußte ja doch nicht sein!
Zuversichtlich setzte sich Julius mit den anderen in der Aula an seine kleine Arbeitsbank. Rechts von ihm saß Yvonne Pivert. Auch die UTZ-Kandidaten hatten Zaubertränke. Doch sie saßen zehn Meter auseinander, so daß Zetteltauschen und Flüstern nicht gegangen wären, vom Abschreiben sowieso nicht zu reden. Er beschrieb zwei einfache Zaubertrankrezepturen, füllte fehlende Zutaten aus oder strich fehlerhafte Angaben an und korrigierte diese in der Hoffnung, nicht selbst einen Fehler gemacht zu haben. Wesentlich entspannter als nach der Runenprüfung kam er aus der Theorrie für Zaubertränke heraus. Seine Klassenkameraden blickten nicht so siegreich aus der Wäsche. Als dann am Nachmittag die einfache Aufgabe angesagt wurde: "Brauen Sie den Durodermis-Trank!" fühlte sich Julius sofort an den zweiten Schultag in Beauxbatons zurückversetzt. Damals hatte er das Rezept auch auswendig hersagen können. So überlegte er, welche Zutaten er brauchte. Er schrieb sie sich auf und ging zur Ausgabetheke, wo Professeur Fixus und Professeur Champverd bereitstanden. Er gab ihnen den Zettel und ließ sich die Zutaten in einem verschließbaren Behälter geben. Damit kehrte er zu seinem Kessel zurück, prüfte, ob jemand gemeint hatte, etwas hineinzuwerfen, fand nichts und legte los. Als er nach der vorgeschriebenen Zeit das optimal gefärbte Ergebnis vor sich hatte, winkte er einem der Prüfer, Professeur Énas. Der kam mit zwei Probenflaschen, einer für die Kommission, und einer für die Akademie. Julius beschriftete beide, als er die beiden Proben abgefüllt hatte. Den Rest ließ er mit "Evanesco" verschwinden. Bei einigen der ZAG-Stufe gab es blubbernde oder qualmende Irrläufer. Germaine Fontchamp schlugen sogar grüne Flammen aus dem Kessel heraus. Damit war der Trank und der einzige gültige Versuch komplett gescheitert. Julius bedauerte sie ein wenig. Immerhin gehörten sie beide zu den zwölf Nachfahren der Gründer von Beauxbatons. Ein gewisses Gruppengefühl sollte da doch erlaubt sein.
Bernie hat mal wieder so überlegen geglotzt", meinte Millie, als Julius sie kurz vor dem Abendessen noch antraf. "Dabei haben wir den wohl alle gut in Erinnerung, zumindest ihr Grünen und wir Roten."
"Stimmt, das war der erste, den ich hier bei euch gebraut habe", sagte Julius.
"Nicht nur gebraut, sondern auch mit Rezept für die Tafel angesagt", erinnerte sich Millie. Mehr Erinnerungen an jene schicksalhafte Stunde wollten sie dann doch nicht teilen. Denn Laurentine kam um die Ecke und zeigte das V-Zeichen.
"Diesmal habe ich den so hingekriegt wie du den angesagt hast, Julius. Den würde ich jetzt sogar trinken, ohne zur Qualle zu werden." Millie mußte darüber grinsen.
Nach dem Abendessen freute sich Julius über die Holzbläser-AG, die ihn aus dem für ihn doch noch einfachen Prüfungstag heraustrug und auf eine geruhsame Nacht vorbereitete.
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Da am Donnerstag die Wahrsagen-Schüler geprüft wurden und es keine weitere Theorieprüfung am Nachmittag gab hatte Julius frei. Am Freitag ging es dann wieder knallhart weiter. Denn die Prüfungsaufgaben für die Abwehr und den Schutz vor schädlichen Zauberkräften waren trockenste Teorie. Flüche und Gegenflüche nach Wirkungsweise einteilen, und zwar nicht nur so, sondern absteigend von tödlich gefährlich bis unangenehm oder lästig. Dann sollte die Entfluchung eines Gebäudes geschildert werden. Es wurde gefragt, welchen Fluch Wasserdampf meidet. Das konnte nur der Decompositus-Fluch sein. Dann kamen noch die drei Unverzeihlichen einzeln dran. Flüche wie Infanticorpore und Contrarigenus, Intercorpores permuto und andere Ganzkörperveränderungsflüche. Dunkle Kreaturen, Vampire, Dementoren, aber auch Wichtel und Hinkepanks galt es zu beschreiben, auch die Töchter des Abgrundes, über die Julius nun doch etwas mehr wußte. es ging auch um Bannzauber und magische Sperren. Er erwähnte auf die Frage, welche er schon kennenlernen mußte die Alterslinie um den Feuerkelch und jene Barrieren, mit denen die Todesser Wege verstellten und keinen durchließen, dazu noch die Arrestaura, wobei es ihn in den Fingern juckte, auch den Haßdom über dem Haus der Sterlings zu erwähnen. Er tat es jedoch nicht. Er erwähnte lieber den Sanctuafugium-Zauber, der jedoch nur von damit vertrauten Magiern aufgerufen werden mußte.
Am Nachmittag stand er wieder mit Belisama, Millie und Bernadette in der Wartekammer. Als sie freien Prüfern zugeteilt wurden wurde Bernadette ihrem eigenen Großvater Cephyrus zugeschoben, während Millie mit Professeur Dujardin zu tun bekam, Belisama zu Professeur Énas ging und Julius zu Professeur Delamontagne.
"In Ordnung, junger Monsieur Latierre. Alles soweit es geht ungesagt! Immer auf die Deckung achten und schnell reagieren!" Befahl Delamontagne ohne weiteres Wort, daß Julius ihm einst selbst vier mächtige Zauber beigebracht hatte. Dann ging es auch schon los. Während sich Giscard mit Professeur Moureau ein Duell in einem kleinen abgeriegelten Kreis Lieferte, beharkten sich der Großmeister der Flüche und Gegenflüche mit so wilden Schlägen und Gegenschlägen, daß es um sie herum toste, fauchte, prrasselte und pfiff. Nach dem Reaktionstraining wurden einzelne Flüche und Gegenflüche abgefordert, die auf ein einfaches Eisenstück geschickt wurden. Dann sagte Delamontagne: "Ich erfuhr, daß Sie einen vollgestaltlichen Patronus hervorbringen können. Zeigen Sie mir den bitte!" Julius konzentrierte sich. An was sollte er denn denken. Da kam ihm wieder das Glücksgefühl in den Sinn, als er das letzte Mal den Quidditchpokal gewonnen hatte. "Expecto Patronum!" Rief er. Erst war es eine Wolke aus silberweißem Licht, dann brach sie aus dem Zauberstab heraus, die aus magischem Licht bestehende Version der Flügelkuh Artemis. Sie stieß mit ihrem gehörnten Kopf gegen die Decke und galoppierte los. Zum Glück war sie für gute Menschen ungefährlich. Alle, die die Temmie-Patrona noch nicht kannten, starrten verblüfft bis erschrocken auf die gigantische Erscheinung. Da weder ein Dementor, noch etwas mit einem Patronus zu vertreibendes im Raum war, verschwand die Temmie-Patrona nach nur drei Sekunden wieder. "Exzellent", konnte Delamontagne dazu nur bemerken. "Einfach nur exzellent. Damit ist Ihre Prüfung zu Ende."
Julius bedankte sich für die interessanten ersten fünf Minuten der Prüfung. Danach verließ er die Aula. Wochenende! Das würde er genießen.
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Viele nutzten das Wochenende noch einmal für Vorbereitungen. Doch Julius wußte sich wieder früh genug abzusetzen. So blieb er auch gelassen ohne überlegen dreinzuschauen, als erst die Theorie und dann die Praxis in Kräuterkunde anstand. Diesmal prüften vier Fachlehrer zu gleich. Julius hatte keine Probleme mit Alraunen oder Bubotublern, Snargaluffs oder fangzähnigen Geranien. So ging auch dieser Tag zu Ende.
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Die schwerste Prüfung war für Julius die Verwandlungsprüfung am Dienstag. Denn hier wurden unzählige Theorien, Zauberstabbewegungsvorgaben und mögliche Fehlergebnisse abgefrat. So wurde gefragt, warum es leichter war, eine kleinere Pflanze in ein größeres Tier zu verwandeln, wo eine entsprechende Tier-zu-Tier-Verwandlung schwerer ausfiel. Er hatte dafür eine Minute gründlich nachdenken müssen, bis er die seiner Meinung nach korrekte Antwort hinschrieb.
Am Nachmittag trat er wieder bei Professeur Champverd an, weil Professeur Énas gerade Giscard aus der UTZ-Klasse prüfte. Das wurde für ihn wieder ein Heimspiel, weil er letztes Jahr schon von Énas so intensiv geprüft wurde. Nur, daß sie ihn diesmal keine Gesetze oder Wirkungstheorien abfragte. Deshalb sagte sie am Ende: "Sie haben das ja schon einmal überstanden. Leider durften wir keine höheren Verwandlungen abfragen, weil wir sonst mit denen aus der UTZ-Gruppe über Kreuz gekommen wären. Noch eine erfolgreiche Restwoche, Monsieur Latierre." Julius wollte jetzt einwerfen, daß sich die füllige Hexe seinen Namen gemerkt hatte. Vor allem wo er am Montag so gut mit Zauberkräutern umgesprungen war. Doch er unterließ es.
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Bei der Prüfung über Zaubertiere hätte sich Julius fast von einem Nebensatz in der Frage nach den Wachstumsraten erwachsener Flubberwürmer irritieren lassen. Ansonsten kam er sowohl im theoretischem wie praktischem Teil zurecht. Nachmittags mußten sie Knarls einsammeln, Niffler davon abhalten, glitzernde Sachen abzureißen und die Geschlechtsreife von Volpertingern ermitteln.
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"Welche bis heute geltende Übereinkunft trafen die Teilnehmer der Zaubereikonferenz 1342 in Hogsmeade?" Julius überlegte. Hatte er das wirklich schon mal gelernt? Dann wohl bei Binns. Er ließ die Frage aus, bis er alle Antworten gegeben hatte. Doch die eine Frage konnte er danach immer noch nicht beantworten und verzichtete auch auf's Raten. In dem Fach brauchte er keinen ZAG zu kriegen.
Am Nachmittag war es schon anstrengender, einen gesamten Lebenslauf eines Menschen von der Geburt bis zum hundertsten Geburtstag arithmantisch vorherzuberechnen und dabei diverse Kontakte mit anderen Menschen einzubeziehen. Als er nur noch wild flimmernde Zahlen und Zahlensysteme vor Augen hatte, erlöste ihn die Ansage Professeur Paximus', der gerade Aufsicht führte, daß noch fünf Minuten verblieben. Er schaffte es kurz vor dem Einsammeln, einen ordentlichen Schluß unter die Berechnung zu setzen. Dann atmete er auf. Im Grunde hielt er das, was er da berechnet und durchgespielt hatte für blanken Unsinn. Wenn er allein sein Leben betrachtete, war darin schon so viel außergewöhnliches passiert. Das konnte doch kein Arithmantiker so voraussagen.
"Morgen noch Astronomie, und dann sind wir durch, Leute!" Freute sich Julius. Laurentine und Céline wirkten betrübt. Offenbar hatten sie die Arithmantikprüfung versaut. Doch dann strahlte Laurentine. Astronomie würde für sie wie für Julius ein Heimspiel sein.
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Es fiel gerade den beiden Astronomiebegeisterten aus dem grünen Saal leicht, die Fragen über die Planetenumlaufbahnen, Zusammensetzungen und Mondsystemen, Sternbilder und Sterntypen flüssig zu beantworten. Abends hockten dann sämtliche ZAG-Kandidaten und die drei verbliebenen UTZ-Kandidaten auf dem flachen Dach des Palastes und peilten Sterne oder Planeten an, trugen sie in Sternenkarten ein oder stellten fest, welche Sternbilder gerade sichtbar waren. Danach waren alle rechtschaffend müde, aber überglücklich. Die ZAG-Prüfungen waren gelaufen!
Das Wochenende nach den Prüfungen war die reinste Feierstimmung. Zwar mußten die unteren Klassen noch auf ihre Endergebnisse warten, aber zumindest hatten sie irgendwie dieses verrückte Jahr überstanden. Sicher, leider hatte es auch Verluste gegeben. Golbasto, der Sucher der Violetten, würde nicht mehr wiederkommen, und viele Leute waren durch die Schlangenmonster oder Entomanthropen verstört. Julius fragte sich immer mal wieder, was genau mit Professeur Tourrecandide passiert war. Würde er das je erfahren?