"Willst du wirklich deinen Onkel in England anrufen um zu fragen, was das mit deinem anderen Onkel sollte, Monju?" Fragte Millie ihren Mann am Morgen nach der Feier. Julius überlegte noch einmal. Was brachte es ihm, wenn er seinen Onkel Charles anrief? Würde er erfahren, was mit seinem Onkel Claude passiert war? Wußte sein Onkel Charles überhaupt genug, um ihm was zu erzählen? Almadoras Worte spukten wie rastlose Geister durch seinen Kopf, er solle das mit seinem Onkel denen überlassen, die mächtiger waren. Das schrie doch eigentlich danach, daß Claude Andrews, der überhebliche Anwalt und ältere Bruder seines Vaters, mit den Mächten aus der Zaubererwelt zusammengerasselt war. Er dachte an die Vampirin Nyx, von der er wußte, daß sie durch einen mächtigen Zaubergegenstand zur Supervampirin geworden war und jetzt meinte, das Erbe des Atomvampirs Volakin antreten zu müssen. Er dachte an die Schwestern Hallittis, die noch auf der Erde herumliefen. Sie würden einen, in dessen Körper unweckbare Zauberkräfte steckten, sicher allzugerne in ihren Bann ziehen. Falls sein Onkel Claude mit einer von denen zusammengetroffen war hing der vielleicht jetzt als deren Marionette an ihren magischen Fäden wie damals Julius' Vater. Doch er dachte an Almadoras eindringliche Ermahnung, sich nicht freiwillig als Köder für wen auch immer anzubieten. Also was brachte es nun, seinen Onkel Charlie anzurufen und mit ihm zu reden, wenn er dabei erfuhr, daß Onkel Charlie auch nichts genaues wußte? So schüttelte er den Kopf und sagte: "Stimmt, ich sollte meine Zeit nicht damit verplempern, jemanden was zu fragen, der am Ende noch weniger weiß als ich. Wenn was mit meinem Onkel Claude passiert ist, was mit der Zaubererwelt zu tun hat, dann kriegen wir das eh früher mit, als uns lieb ist. und wenn er sich mit Muggelverbrechern angelegt hat dann sollte ich froh sein, daß Mum und ich da nicht mit reingezogen werden. Mum hat diese Einkerkerungsmaschine immer noch nicht vergessen, und ich sehe meine Mutter immer wieder an diesen ganzen Medizinapparaturen dranhängen, weil keiner wußte, ob sie diese Gefangenschaft unbeschadet überstanden hat."
"Ich wollte dir nicht einreden, deinen anderen Onkel nicht anzutelefonieren, Monju", erwiderte Millie darauf. "Ich wollte nur wissen, ob es dir was gebracht hätte."
"So gesehen wüßte ich das eh nur dann, wenn ich ihn anrufen würde, Mamille. Aber es stimmt schon, daß ich dabei wohl nicht mehr mitkriege. Abgesehen davon muß mein Onkel Charlie nicht wissen, daß ich jetzt ein eigenes Telefon habe. Also lassen wir es besser."
"Nur, damit du nicht nachher andauernd daran denkst, wenn wir mit den Leuten hier Quidditch spielen", meinte Millie noch. Julius nickte. Dann entgegnete er: "Wenn ich auf dem Besen sitze muß ich eh an das Spiel denken."
Während des Frühstücks traf eine abgekämpft wirkende Posteule mit einem blau-weiß-roten Ring am rechten Bein ein und brachte die von Brittany per E-Mail erwähnte schriftliche Bestätigung, daß Julius' Mutter, er selbst und Millie im Haus von Brittanys Eltern übernachten würden. Damit hatten sie es nun amtlich, daß ihrer Reise nach Viento del Sol nichts mehr im Wege stand.
Um zehn Uhr trafen sich alle spielinteressierten und deren Zuschauer am Quidditchstadion von Millemerveilles. Julius bestaunte den Größenzuwachs der Tribüne. Baumagier waren in den letzten Monaten sehr fleißig gewesen und hatten das Stadion für hunderttausend Zuschauer ausgebaut. Die Weltmeisterschaft konnte also kommen. Jeanne Dusoleil hatte vorgegeben, für ihre Arbeitgeber, das Apothekerehepaar Graminis, noch einiges erledigen zu müssen, weshalb sie nicht am Spiel teilnehmen konnte. Das hatte sie erzählt, damit ihr Mann Bruno nicht argwöhnte, daß ihr Verzicht auf das Spiel andere Gründe haben mochte. Doch Jeanne wollte erst ganz sicher sein, ob Bruno und sie demnächst für weiteren Nachwuchs vorplanen mußten oder nicht. Zwar war sich Jeanne wohl sicher, wieder schwanger zu sein, wußte aber noch nicht, ob mit einem Kind oder gleich mehreren. Erst wenn sie das wußte sollte ihr mann es erfahren, so Jeannes an Julius mentiloquierte Absichten.
"César, zieh dich warm an", tönte Millie gegenüber dem leicht untersetzten Hüter der Millemerveilles Mercurios, der keine Probleme hatte, mit den Amateuren seines Heimatortes zu spielen. César Rocher lachte nur und meinte, daß er jetzt optimal eingestellt sei, um jeden Angriff abzuwehren und er gegen schnelle Jäger wie die der Drachen und der Pelikane gut ausgesehen habe. Julius bemerkte dazu, daß er da aber keinen Angreifer mit Doppelachsentechnik vor sich gehabt hatte. César grinste jedoch nur darüber.
Außer Barbara van Heldern, die wegen unübersehbarer Muttervorfreuden nicht mitspielen wollte oder durfte und deshalb bei Camille und ihrer Mutter Roseanne auf der Tribüne saß, trafen sich fast alle die auf dem Feld, gegen die und mit denen Julius schon in früheren Jahren gespielt hatte. Auch Virginie setzte sich auf einen Besen, obwohl ihre vollschlanke Frau Mutter ihr am Morgen noch davon abgeraten hatte, weil der kleine Roger noch zu klein war, um ohne seine Mutter auszukommen.
"Dann zeigt mal, was dieses Doppelachsending bringt!" Rief César herausfordernd, als Millie und Julius in einer Mannschaft zusammen mit Virginie, Nadine und Bruno aufflogen. Als dann das von Monsieur Castello geleitete Spiel in Fahrt kam, verging César das Grinsen sehr schnell. Denn er mußte ständig vor den Ringen hin und herfliegen, weil entweder Millie oder Julius mit halsbrecherisch anmutenden Richtungsänderungen auf ihn zurasten und immer wieder in engen Winkeln abwarfen. César bekam die Quaffel um die Ohren geschmettert. Mal trieb Julius den scharlachroten Ball links an ihm vorbei, obwohl er gerade eben noch nach rechts vor César aufgekreuzt war. Mal pfefferte Millie den Spielball gekonnt durch den Mittelring, weil sie César dazu verleitete, nach unten zu tauchen, um sie vor dem Abwurf zu blocken. So schaffte der Stammhüter der Mercurios bei zwanzig direkten Angriffen nur zwei glückliche Paraden. Bruno Dusoleil hielt sich vor dem eigenen Torraum auf, wo Virginie als Hüterin ziemlich unbeschäftigt herumschwirrte, weil Bruno Césars weite Abwürfe sofort auf einen der beiden Latierres umleitete, die mit Auroras Doppelachsenmanöver jedem Klatscher auswichen und fast unbeeindruckt Césars drei Torringe bestürmten. Nach einer halben Stunde Trommelfeuer mit insgesamt dreißig Toren erlöste Janine Dupont Césars Mannschaft durch Schnatzfang und bescherte ihr zumindest hundertfünfzig Achtungspunkte. "Kein Wunder, daß Dedalus dieses fiese Manöver nicht im Turnier haben wollte", ächzte César, dessen Spielerumhang schweißdurchtränkt war. Das vorhin noch so überlegene Grinsen war schon lange aus seinem runden Gesicht verschwunden. "Wenn die Australier mit diesem Manöver bei der WM antreten, dann gute Nacht", schnaufte er noch.
"Immerhin hast du jetzt mitbekommen, wo wir noch dran arbeiten können, Pummelchen", feixte Bruno Dusoleil. "Wenn wir zwei echt in die Nationalmannschaft reinrutschen wollen weißt du schon mal, wie schnell du vor den Ringen sein mußt."
"Klar, daß du das jetzt sagen mußt, Bruno. Du machst dir ja schon Hoffnungen auf die Kapitänswürde. Aber ich kriege das bis zum Sommer noch rein, gegen diese fiesen Angriffe zu punkten", entgegnete César.
Die Mannschaften wurden verändert, so daß Millie und Julius gegeneinander spielen mußten und Julius nun in Césars Mannschaft spielte, wobei er seine eingeübte position als sogenannter Abfangjäger vor dem Torraum besetzte und selbst mit der Doppelachse gegen Millies Vorstöße kontern mußte, wobei die beiden Eheleute fast zusammenkrachten. Immerhin kam César dabei besser als Hüter weg, weil er von insgesamt dreißig Torwürfen nur zehn kontern mußte und drei davon parieren konnte. Danach waren alle sichtlich geschafft und trafen sich nach dem Duschen und umziehen im Chapeau du Magicien, der Dorfschenke von Millemerveilles, zu einem zweiten Frühstück. Das hatten sie alle nötig, vor allem César, der Barbara van Heldern im Punkte Essensbedarf Konkrurrenz machte. Nadine Pommerouge stichelte, ob César jetzt auch für zwei mitessen müsse. Darauf erwiderte der gebeutelte Hüter: "na klar, für mich und meinen armen Besen, Nadine. Der hat ja fast den Geist aufgegeben, weil ich den heute ziemlich heftig rangenommen habe." Alle lachten über diese Bemerkung.
Die ehemaligen Schüler unterhielten sich mit denen, die noch in Beauxbatons waren über das bisherige Schuljahr und die neuen Lehrer und Mitschüler. Dabei verflog die Zeit so rasch, daß sie auch noch zum Mittagessen in der Schenke waren. Virginie unterhielt sich mit Julius und Millie über Prudence. Diese hatte ihr eine schnelle Eule geschickt, daß sie und ihr sehr junger Angetrauter ihren Sohn Perseus begrüßen durften. Virginie wollte von Julius wissen, ob das für ihn eher eine Aufmunterung war oder eine Abschreckung, daß Prudence schon so früh Mutter wurde.
"Sagen wir es so, ich kenne Prudences Mann einigermaßen. Für den war es wohl heftiger, sich auf alles einzustellen als für Prudence. Ich kann das nachempfinden, weil ich ja vor sechs Jahren auch mit komplett neuen Sachen zu tun bekam. Aber der hat in eine weitläufige Familie mit allen möglichen Berufen reingeheiratet und ist bestimmt froh, daß etwas greifbares nach dem finsteren Jahr von ihm in der Welt ist, wo er mit Prudence und einigen Anderen fast von den Todessern erledigt worden wäre", erwähnte Julius, der aufpassen mußte, nicht allzu viel zu verraten, was er über diese Sache mitbekommen hatte und woher er Prudences rechtlich noch minderjährigen Mann Mike kannte, der angeblich als Squip keine Chance auf Hogwarts gehabt hatte, bis bei ihm starke Zauberkräfte durchgebrochen waren und er jetzt auf Nachholprüfungen hinarbeiten durfte.
"Ich habe die Eule mit einer Einladung für die Osterferien zurückgeschickt", erwähnte Virginie. "Wenn ihr zwei wollt könnt ihr Aron, Roger und mich dann auch besuchen. Ihr wart ja noch nicht bei uns zu Hause", eröffnete Virginie. Julius und Millie nickten bestätigend. Damit war die Einladung für Ostern ausgesprochen, sofern Aron Rochfort nichts dagegen hatte. Dieser unterhielt sich gerade mit seinem Schwiegervater über die Zaubererweltpolitik, während Eleonore Delamontagne ihren Pflichten als Ratssprecherin nachkam und die letzte Sitzung des Dorfrates 1998 leitete.
Als Julius und seine Frau wieder im Apfelhaus waren und besprachen, wie sie das Gepäck für die Reise aufteilen wollten, läutete die magische Türglocke. Sandrine stand draußen. Sie wirkte leicht mißgelaunt. Julius wollte schon fragen, ob Millie oder er ihr was getan hätten. Doch er bat sie erst einmal herein und bot ihr einen Platz in der großen, runden Empfangshalle an.
"Habt ihr zwei auch diese Eule von der Familienfürsorge gekriegt?" Fragte Sandrine, nachdem Julius sie gebeten hatte, zu sprechen. Er schüttelte den Kopf, rief dann seine Frau, die gerade ihre Kleidung für die Reise nach Kalifornien zusammenstellte. Sie kam die von einer unzerbrechlichen Glaswand umfaßte Wendeltreppe herunter und begrüßte Sandrine, die leicht unterkühlt zurückgrüßte. "Wir haben so'n Brief nicht gekriegt, Sandrine. Was wollen die denn?"
"Es geht um Célines Nichte. Die Lépins wollen haben, daß sie bei Cytheras Erziehung mitreden können und klagen Constance an, ihnen ihre Enkeltochter vorenthalten zu haben", knurrte Sandrine Dumas. Julius stutzte. Millie war da direkter und erwiederte: "Dreister geht's nich', wie? Deren toller Sohn hat Constance geschwängert, sich nicht getraut, das zuzugeben und Connie dann noch beim Abgang aus Beaux an den Kürbis geworfen, sie solle an "diesem Balg" ersticken oder krepieren oder wie auch immer. Da haben wir's noch häufiger von gehabt, als Martine noch in Beaux war."
"tja, genau deshalb wollen die von der Familienfürsorge, daß Leute aus Beauxbatons zur Anhörung am neunundzwanzigsten hinkommen, weil ja da Schulferien sind und das noch in diesem Jahr klären, wie wir das mitbekommen haben, als Constance Cythera trug", entgegnete Sandrine. "Die Lépins fordern ein Kontaktrecht mit ihrer Enkeltochter und eine klar geregelte Mitsprache bei der Grundschulauswahl. Die Dorniers haben denen das angeblich ohne rechtliche Grundlage verweigert, weil sie wollen, daß Cythera nicht in dem Glauben aufwächst, unerwünscht zu sein. Denn, so Madame Dornier, daß die Eltern von Malthus jetzt drauf kämen, sich um ihre Enkeltochter kümmern zu wollen liegt nur daran, daß sie sauer auf ihren Sohn seien, daß der seine Zaubereiausbildung verpatzt hat und er deshalb nicht das machen kann, was sein Herr Papa für ihn, einen Violetten, schon ziemlich sicher ausgesucht hat."
"Achso, und die Träume der Eltern für Malthus soll jetzt dessen ungewollte Tochter ausleben, 'ne nette, gutsituierte Hexe heiraten, im Ministerium einen galleonenträchtigen Job annehmen und ein paar süße Kinder zeugen", feixte Julius. Millie sah ihn verwegen, Sandrine verlegen an. Dann bestätigte Sandrine, daß die Lépins in jeder Generation einen Ministerialbeamten gehabt hätten und vor hundertzwanzig Jahren sogar einen Zaubereiminister gestellt hatten. Julius fühlte sich bestätigt und bemerkte: "Sag ich doch, Cythera soll Zaubereiminister und Vater der nächsten Generation werden." Millie mußte nun kichern, während Sandrine ihn verdutzt ansah und fragte, ob er nicht wisse, daß Cythera ein Mädchen sei. Millie mußte nun lachen. Julius sagte, verwegen grinsend, daß sie es doch mitbekommen habe, daß er das sogar schon vor der Geburt mitbekommen konnte, welches Geschlecht Cythera hatte. Dann kapierte es auch Sandrine, wie Julius das eben gemeint hatte. Sie grummelte dann noch, daß sie und Gérard wie Deborah, , Laurentine und Jasmine zusammen mit Barbara van Heldern, Martine Latierre und Belle Grandchapeau als Zeugen geladen worden seien. Julius erwähnte dann, daß seine Frau und er keine solche Vorladung bekommen hätten. Millie sagte dann noch: "Klar, wo Martine dabei ist und denen erzählen kann, wie heftig das Connie runtergezogen und auf die falsche Spur gebracht hat, daß Malthus sie so abgefertigt hat, da brauchen die dich und mich nicht auch noch einzubestellen, Julius." Der angesprochene nickte bestätigend. Sandrine nickte auch und bat um Entschuldigung, wenn sie die beiden mit diesem Zeug behelligt haben sollte. Julius beruhigte sie damit, daß er sagte, daß er schon länger befürchtet habe, daß die Eltern von Malthus Lépin das nicht einfach hinnehmen würden, daß sie eine Enkeltochter hätten, die ihnen keiner zeigen wollte. Denn von den Schwestern Dornier wußte er schließlich, daß deren Eltern wollten, daß Cythera in einer behüteten Umgebung aufwuchs. Connie wollte Cythera erst mit acht Jahren erzählen, warum sie keinen Papa hatte, der bei ihr zu Hause wohnte und welche Großeltern sie hatte. Offenbar reichte den Lépins das nicht aus. Dann fiel ihm ein, daß die wohl mitbekommen hatten, daß Cythera nicht mehr in Beauxbatons aufwuchs, sondern bei ihren Großeltern mütterlicherseits. Das wollten die Lépins sich offenbar nicht länger bieten lassen, daß Cythera nur eine Oma und einen Opa haben sollte, wo die beiden doch noch lebten. Millie erwähnte dann noch, daß ihre Oma Line sich womöglich auch vor der Familienabteilung beschwert hätte, wenn ihr da jemand ein Enkelkind vorenthielte. Aber die hätte einem Sohn, der eine Hexe schwängern würde auch geraten, klarzukriegen, daß das Kind von ihm mitversorgt würde und sich bei der betroffenen Hexe entschuldigt. Hat Connie je eine Entschuldigung von Malthus' Eltern bekommen?"
"Ähm, hat Céline mir nichts von erzählt, weil ich das auch nicht gefragt habe", erwiderte Julius. Sandrine blickte nun etwas befreiter zu den beiden sie um Kopfeshöhe überragenden Eheleuten auf. Millie nickte Julius zu. Constance würde sowas wohl auch nicht freiwillig erzählen, oder doch? Dann meinte Julius, daß das Deborah eher wissen könnte, wenn Constance einen solchen Brief bekommen hätte oder eben Belisama.
"Hmm, wenn ich gefragt werde, wie ich das mitbekommen habe, und Malthus' Eltern sitzen da im Raum, dann frage ich mal, ob sie Constance beglückwünscht und für ihren Sohn um Verzeihung gebeten und ihre Hilfe versprochen hätten. Könnte interessant werden. Danke, Millie."
"Dann bedanke dich lieber bei meiner Oma Ursuline, weil die das gleich geklärt hätte, wenn ihr wer erzählt hätte, daß irgendeine Hexe von einem ihrer Söhne oder Enkel was kleines bekäme", wies Millie den Dank mit einem Lächeln zurück. Sandrine bestätigte dann noch mal, daß die Latierres keine Vorladung bekommen hätten und bedankte sich für die paar Minuten, in denen sie sich aussprechen konnte. Dann verließ sie das Apfelhaus wieder, weil die Dumas' am Nachmittag noch Gäste aus Avignon haben würden und sie sich dafür noch umziehen wolle. Beim Hinausgehen blickte sie Julius noch einmal an und sagte: "Wahrscheinlich weiß die Familienabteilung, daß ihr zu einer Hochzeitsfeier drüben bei den Amiländern seid. Meine Mutter hat übrigens noch nicht aufgegeben. Sie will mit Madame Nathalie Grandchapeau drüber verhandeln, ob deine Mutter nicht wieder in in unserer Dorfschule weitermacht. Offenbar hat sie das noch nicht raus, wie sie die Sachen unterrichten soll, die deine Maman den Kindern hier beigebracht hat."
"Da müßte meine Mutter sich wohl was ganz fieses leisten, damit sie gefeuert, also rausgeworfen wird. Und das würde dann im Abschiedszeugnis drinstehen. Ob sie dann als Lehrerin noch gut angeschrieben wäre ist fraglich, Sandrine. Grüß mir Gérard. Ähm, wie kommt denn Laurentine ins Ministerium rein?"
"Das klärt Célines und Connies Vater über das Muggelbüro mit den Hellersdorfs. Notfalls holt er sie mit dem neuen Ganni zwölf ab. Viel Spaß euch beiden. Bestellt der großen blonden Dame alles gute für die Ehe!" Julius bedankte sich für den zu übermittelnden Gruß und sah zu, wie Sandrine ihren Besen bestieg und im Hui davonbrauste.
"Daß sowas nur über Ämter oder Gerichte gehen kann", grummelte Millie. Julius konnte dazu nur beipflichtend nicken. Er bedauerte das auch, daß Kinder zu häufig zum Streitobjekt wurden. Immerhin war er ja auch ein Scheidungskind und gleichermaßen der Scheidungsgrund gewesen und ärgerte sich auch darüber, daß es nur so und nicht anders hatte laufen können. Vor allem, wenn er daran dachte, wie es am Ende für seinen Vater ausgegangen war. Dann dachte er an Umbridge. Mindestens war ihm dadurch diese Kröte erspart geblieben, und seine Mutter konnte nun das erlernte mit was neuem verbinden, was nicht nur ihr, sondern auch anderen half.
Den restlichen Nachmittag verbrachten Millie und Julius mit Reisevorbereitungen. Sie hatten die Hochzeitsgeschenke für Brittany und Linus in kleinen und großen Pakete verstaut. Julius hatte für die junge Braut einen dieser Aufbewahrungskästen aus Florymont Dusoleils zauberschmiede erworben, wo mehrere Sachen, die immer wieder benötigt wurden, verstaut werden konnten. Der kleine Kasten konnte dann auf den Besitzer geprägt werden und auf Zuruf an jeden nicht durch Apparitionswälle gesicherten Ort springen. Für Linus, den Julius noch nicht kannte, hatten die beiden ein Buch über die Geschichte der amerikanischen Muggelwelt und eine Abhandlung über die Maschinen der Muggel besorgt, damit dieser seinem Schwiegervater und dessen magieloser Verwandtschaft gegenüber nicht wie ein weltfremder Idiot dastehen mußte. Julius hatte sich erinnert, daß die Schulkinder in den vereinigten Staaten viel mit der Geschichte ihres Landes traktiert wurden und Millie gegenüber erwähnt, daß sie dafür aber wenig bis gar nichts über den Rest der Welt lernten, außer, mit wem die Staaten gerade Krach hatten und mit wem sie Geschäfte machten. Vielleicht hatte er aber bald die Gelegenheit, seine Ansichten zu überarbeiten. Millie hatte für Brittany Bücher über die Quidditchregeln und die bedeutendsten Mannschaften Europas besorgt, damit sie, falls sie im Sommer zur Weltmeisterschaft kommen wollte, genug Hintergrundinformationen hatte, um sich an den Spielen selbst zu erfreuen. Dabei erreichte Julius noch ein Anruf über die Zweiwegespiegelverbindung zu Gloria Porter.
"Ich wollte nur noch einmal wissen, wie ihr nach Viento del Sol rüberkommt", erwähnte Julius' ehemalige Klassenkameradin nach der Begrüßung. Julius beschrieb ihr die eingerichtete Direktverbindung und erkannte einen gewissen Ausdruck von Neid in Glorias Gesicht. "Wir reisen heute Abend mit dem fliegenden Holländer rüber, weil wir ziemlich viel Gepäck haben, da wir bei Tante Geri und Onkel Marcellus bis einen Tag vor der Rückfahrt nach Hogwarts wohnen werden. Hätten wir das gewußt, daß es eine Direktverbindung nach VDS gibt hätten wir eure gutgenährte Dorfrätin fragen können, ob wir mit euch zusammen übersetzen können."
"Hmm, außer Millie, meiner Mutter und mir ist außer den Steuerleuten keiner im Luftschiff drin, Gloria. Ich weiß nicht, wie schnell ihr umbuchen könnt. Sonst könntet ihr Madame Delamontagne noch fragen."
"Neh, laß mal, Julius! Die Fahrkarten sind schon bezahlt, und die Linie rückt ungern Geld wieder raus, wenn man nicht klar angeben kann, warum man die Reise nicht mitmachen kann", erwiderte Gloria leicht verdrossen. "Wir sehen uns aber dann wohl morgen Mittag da. Mandy und ihre Eltern reisen ja gleich weiter von East End Bay nach Viento del Sol."
"Die fahren also mit euch zusammen über den großen Teich?" Fragte Julius. Gloria nickte. "Mandys Großeltern und Anverwandte mütterlicherseits fliegen mit einem dieser Düsenflugmaschinen rüber und werden in San Francisco von den Leuten aus VDS abgeholt." Julius wunderte sich nicht schlecht. Da erfuhr er erst, daß Mandys Mutter eine Muggelstämmige Hexe war und ihre Verwandten ja schlecht mit Zaubererweltfahrzeugen verreisen konnten. Insofern würde es morgen und übermorgen sehr interessant werden, zu beobachten, wie magielose Hochzeitsgäste damit zurechtkamen. Brittanys Verwandten väterlicherseits würden ja auch dabei sein.
"Wir sind bei Brittanys Eltern im Rotbuchenhaus untergebracht, weil Brittany mit ihrem künftigen Ehemann ja im Bucheckernhaus die Hochzeitsnacht verbringen wird und da wohl keine Gäste beihaben möchte", bemerkte Julius mit einem gewissen Grinsen. Gloria lief an den Ohren rot an und erwiderte kühl:
"Dann könnten sie ja auch gleich auf dem Marktplatz von VDS die Ehe vollziehen. Abgesehen davon, daß ich mich immer noch frage, warum Britt Forester so früh heiraten muß. Aber ich komme dann immer darauf, daß mich das nicht betrifft und nichts angeht. Man sieht sich dann morgen in VDS, wenn ich auch nicht weiß, wann um deren Ortszeit genau."
"Dann bis morgen, Gloria. Grüß deine Eltern und Verwandten schön von Millie und mir", entgegnete Julius. Dann wollte er noch wissen, ob Prudence noch bei ihnen sei. "Die ist zu ihrer Tante Patience rüber, um sich von der Geburt zu erholen. Eigentlich wollte diese Madam Moonriver ja als Prudences Hebamme eintreten, hatte aber wohl irgendwie andere Termine einzuhalten, weshalb dieser alte Kratzbesen Newport bei uns war."
"Verstehe", erwiderte Julius nur darauf, wiederholte seine Grüße an Glorias Verwandte und sah, wie das Bild seiner früheren Schulkameradin aus dem Spiegel verschwand.
"Ich dachte schon, die fragt, ob wir für sie und ihre Verwandten noch Plätze in dieser superschnellen Himmelswurst klarmachen können", meinte Millie nach der Zweiwegespiegelunterhaltung. Julius stimmte ihr wortlos zu. dann fügte er noch hinzu: "Ich hätte kein Problem gehabt, Eleonore zu fragen, ob die Porters und Brocklehursts noch bei uns mitfahren dürfen. Aber wenn die erst in diesen Turm von den Redliefs reinwollen wäre das ja unsinnig, erst nach VDS zu flitzen, von da aus zu diesem Turm zu flohpulvern und dann wieder nach Vds zurückzuhüpfen. Die wollen erst ihr Gepäck unterbringen. Verstehe ich sogar. Dann werden die entweder per Flohpulver in das Gasthaus rüberkommen oder wo auch immer ein öffentlicher Kaminanschluß ist." Millie nickte.
Gegen neun kontaktfeuerte Julius noch einmal mit seiner Mutter und fragte sie, ob es probleme geben würde, wenn eine Martha Eauvive in die USA reisen wollte, wo eine Martha Andrews eingeladen worden sei.
"Ich habe das mit Antoinette und eurer Dorfrätin heute noch besprochen. Ich bin als Person eingeladen und nicht als Name", erwiderte Martha Eauvive darauf. "Der Papierkram für die magielose Registrierung ist dagegen wie eine Everest-Besteigung nach einem gemütlichen Picknick auf einem flachen Hügel. Catherine hat mir noch ein paar Sachen mitgegeben, damit wir da drüben nicht von unliebsamen Leuten wie dieser Nyx überrascht werden können."
"Was denn, das Silberkreuz von ihrer Schwiegermutter?" Fragte Julius belustigt, obwohl das Thema zu ernst war.
"Hmm, Catherine hat ihr echt angeboten, dieses religiöse Ding mit wirksamen Schutzzaubern aufzuladen, damit sie nicht noch einmal so kalt erwischt wird wie damals, wo sie meinte, Madeleine damit vertreiben oder vernichten zu können", erwiderte Martha Eauvive. "Neh, ich habe ein beruntes Medaillon mitbekommen, das mit einem Zauber namens Segen der Sonne und einem Ungierzauber belegt wurde und eines meiner alten Silberarmbänder mit diesem Curattentius-Zauber belegt bekommen, der in euren Armbändern drinsteckt. Aber ich hoffe, daß wir sowas da unten nicht brauchen." Julius dachte daran, daß sie damit auch nicht viel gegen die Verschmelzung zwischen Anthelia und Naaneavargia, eine der Abgrundstöchter oder eine durch diesen mächtigen Zaubergegenstand superstarke Vampirlady ausrichten konnten, wenngleich der Segen der Sonne letztere sicher für einige Zeit zurückschrecken konnte und der Ungierzauber den Blutdurst verleidete.
"Also kommst du morgen früh rüber, weil wir um zwölf Uhr von hier abreisen", klärte Julius noch einmal ab, daß seine Informationen mit denen seiner Mutter übereinstimmten. Diese bestätigte es. Martha Eauvive erwähnte dann noch, daß Madame Dumas nicht lockergelassen habe und sich mit Madame Grandchapeau gerade in einer gerade so noch in anständiger Form geführten Auseinandersetzung verstrickt habe, ob sie, Martha Eauvive, mit ihrem Wissen um die Muggelwelt nicht zur Förderung des magischen Nachwuchses beitragen müsse, als lediglich eine simple Nahtstelle zwischen der magischen und nichtmagischen Welt abzugeben. Millie, die der Unterhaltung gerade so noch zuhören konnte mußte darüber lachen, während Julius einwarf, daß seine Mutter eben einen sehr angenehmen und bleibenden Eindruck hinterlassen haben mußte. Seine Mutter bekräftigte jedoch, daß sie in dem Beruf, den sie gerade ausübte mehr ausrichten konnte, als als einfache Rechenlehrerin in einer Dorfschule zu arbeiten, wenngleich sie den Bewohnern von Millemerveilles dankte, daß man sie dort untergebracht und vor Didier und Pétain beschützt hatte. Dann beendeten sie das Kontaktfeuergespräch.
"Geneviève gibt offenbar nicht auf. Wenn Sandrine deren Sturheit im Blut hat darf sich Gérard warm anziehen. Dann holt die den nämlich in diesem Schuljahr noch auf den Besen", amüsierte sich Millie.
"Offenbar hat Geneviève von Madame Faucon gute Rückmeldungen bekommen, daß die von hier kommenden Erstklässler eine gute Grundausbildung bekommen haben", vermutete Julius. "Abgesehen davon kann ich alle drei verstehen, Geneviève, Mum und Madame Grandchapeau. Sandrines Mutter möchte eine gute Lehrerin in ihrem Aufgebot haben, damit die Kinder aus Millemerveilles nicht so scheinbar weltfremd gegenüber den Muggelstämmigen in Beauxbatons rüberkommen. Madame Grandchapeau nutzt das aus, daß sie nun auch Sachen im Internet anschieben kann, und Mum ist in ihrem Element, wenn sie Programme schreiben und durchlaufen lassen kann und würde da wohl nicht mehr drauf verzichten." Millie stimmte ihm zu. "Was Sandrine angeht weiß ich nicht, ob sie Gérard schon in diesem Frühling auf den Besen holt oder nicht doch lieber drauf wartet, bis sie beide vor den UTZs stehen. Die würde Gérard wohl nur dann so früh vor die Entscheidung stellen, wenn zwischen den beiden was im argen läge. und danach sah und sieht es für mich nicht aus."
"Hast du 'ne Ahnung. Ich kann mir vorstellen, daß Sandrine Gérard deshalb schon in diesem Mai auf den Besen gabelt, damit die wie wir im nächsten Schuljahr ein Ehepaarzimmer in Beaux kriegt. Du kriegst das als Mann nicht immer so mit wie ich als Jungweibchen, aber die guckt uns zwei immer so an, als wenn sie drauf lauert, daß Madame Faucon oder Madame Rossignol uns sagen, daß wir jetzt ein gemeinsames Zimmer beziehen sollen. Außerdem weiß Sandrine, daß uns nichts dran hindert, jetzt schon auf ein Baby hinzuarbeiten. Kann sein, daß sie mit der Vorstellung auch ziemlich gut klarkommt, mit einem kleinen Dumas unter ihrem Schulmädchenrock durch das kommende Jahr zu laufen. Aber du könntest auch recht haben, und Sandrine wartet bis kurz vor den UTZs, wenn sie beide klarhaben, was nach Beaux ansteht. Es sei denn, Sandrine will sich von ihrer Mutter hier als Nachwuchslehrerin ausbilden lassen."
"Ich hatte nicht den Eindruck, daß Gérard unbedingt da wohnen will, wo seine Schwiegereltern wohnen", meinte Julius. "Könnte noch ein interessantes Thema werden."
"Das mußt du dann mit ihm klären, wenn er deshalb Probleme mit seiner Silberbrosche kriegt", entgegnete Millie. Julius schluckte noch soeben hinunter, daß sie ja das Thema Sandrine und Gérard angefangen habe. So beließ er es nur bei einem Nicken und ließ sich von seiner Frau noch einige einfache Griffe auf dem Klavier zeigen, daß sie von den Whitesands bekommen hatten. Gegen elf Uhr zogen sich beide in ihr Schlafzimmer in der obersten Etage des Apfelhauses zurück.
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Die zigarrenförmige Silhouette des magischen Zeppelins strahlte so blau wie der fast wolkenlose Himmel über Millemerveilles. Die bleiche Wintersonne rückte langsam auf ihre Mittagshöhe. Martha Eauvive war von Madeleine L'eauvite per Flohpulver im Gasthaus von Millemerveilles abgeliefert wworden und hatte die letzten Kilometer bis zum westlichen Rand des Dorfes auf ihrem eigenen Besen fliegend zurückgelegt. Am Besen hatte sie ihre große Reisetasche hängen, in der genug Sachen für die nächsten drei Tage eingepackt waren. Madame Faucons Schwester hatte Julius mit einem schulmädchenhaften Grinsen verraten, daß seine Mutter das Festkleid, mit dem sie bei den Eauvives so nachhaltig aufgetrumpft hatte, auch eingepackt habe. Dann verabschiedete sich Madeleine L'eauvite noch mit den Worten: "Muß wieder zu Catherine und Joe zurück, um aufzupassen, daß Joes Mutter Babette und Claudine nicht zu willfährigen Dämchen umerzieht. Amüsiert euch gut ihr drei!" Danach flog sie auf ihrem eigenen Besen zurück zum Gasthaus, um von dort aus nach Paris zurückzuflohpulvern.
"Schön, mal wieder in die Heimat zu reisen", begrüßte einer der beiden in Millemerveilles lebenden Zauberer aus Viento del Sol, ein gewisser Jeff Pickles die drei einzigen Fluggäste dieser Reise über Atlantik und nordamerikanisches Festland. Er und sein Kamerad Norman Creekwater lebten mal hier und mal in VDS, weil sie alle Tage wieder mit einem der beiden bereitstehenden Luftschiffe übersetzten. Der Pendeldienst zwischen den Zaubererdörfern war trotz der wenigen Passagiere auf einen Flug täglich eingerichtet worden, um Nachrichten und Waren von dort nach hier und umgekehrt zu transportieren. Die französische Zaubererwelt profitierte von den billiger zu habenden Produkten, die nicht mehr unter die 20-Jahre-Klausel fielen, die regelte, daß in Amerika hergestellte Zaubergegenstände oder -tränke nicht beliebig nach Übersee ausgeführt werden durften, was Julius als Kind aus einer freien Handelsnation zwar sehr umständlich und hinderlich empfand, aber nicht wußte, wie er es den Leuten drüben klarmachen sollte, daß die Muggelwelt Wert auf einen freien Warenaustausch legte.
Martha, die bisher noch nicht mit diesem Luftschiff gereist war, kam sich in den tanzsaalgroßen Innenräumen recht verloren vor. So verzichtete Julius darauf, die beiden Piloten zu fragen, ob er bei ihnen in jener großen Kristallkugel an der vorderen Unterseite der Gondel sitzen durfte.
"Achtung, wir fliegen ab!" Rief einer der beiden amerikanischen Luftschiffer über die magische Bordsprechanlage, die seine Stimme wie von überall her klingen ließ. Hätte er das nicht gerufen, wäre niemandem aufgefallen, daß der magische Zeppelin abhob. Die Konnstruktion war mit dem Beharrungskräfte aufhebenden Innerttralisatus-Zauber belegt, der ihnen allen das Gefühl vermittelte, die fliegende Zigarre bewege sich keinen Millimeter. Tatsächlich jedoch schoß das Luftschiff so schnell in die Höhe und nach vorne, daß es nach wenigen Sekunden bereits weit über Millemerveilles dahinraste. Julius kannte das Geräusch, das erst einem Wummern und dann einem immer höher steigenden Sirrton entsprach und erklärte es seiner Mutter, daß das wohl der Superantrieb war, mit dem der Zauberzeppelin mit achtfacher Schallgeschwindigkeit fliegen konnte.
"Daran arbeiten sie in den Staaten angeblich auch, einem gepulsten Detonationstriebwerk, bei dem in rascher Abfolge kräftige Explosionen für den Schub sorgen", erwähnte Martha Eauvive. "Die Internetgemeinde diskutiert schon lange, ob dieses mysteriöse Flugzeug existiert oder nur eine Art Zukunftsdichtung ist. Ich bin darüber gestolpert, als ich das Suchwort "Aurora" in diverse Suchmaschinen eingespeist habe", begründete sie ihr Wissen. Dann sagte sie noch: "Womöglich arbeitet der Antrieb auf der Basis vorne eingesaugter und nach hinten verpflanzter Luftmassen und einer damit zusammenfallenden Vortriebskraft, weshalb diese Zigarre wohl ohne Rücksicht auf Luftströmungslinien supersonische Geschwindigkeiten erreichen kann."
"Wohl schon eher hypersonisch, Mum", korrigierte Julius seine Mutter. "Mit mehr als Mach fünf hängen wir alles ab, was in der magielosen Welt durch die Atmosphäre fliegt. Nur eine Weltraumrakete oder eine Raumfähre könnte uns noch einkriegen, hätte dann aber Probleme, weil die Antriebsenergie nur wenige Minuten verfügbar ist." Millie räusperte sich und deutete aus einem der großen Sichtfenster. "bevor ihr mich noch mit eurem technischen Zeugs überfordert wollte ich nur sagen, daß wir schon über dem Mittelmeer sind. Die da vorne in der Kugel haben also schon ziemliches Tempo angelegt."
"Wenn wir wirklich mit mehr als siebenfacher Schallgeschwindigkeit unterwegs sind", setzte Martha an, "Werde ich wohl gleich einen Rückwärtslauf der Sonne bestaunen dürfen." Millie und Julius nickten ihr bestätigend zu. "Weltraumfahrt war nie so mein Gebiet. Aber mir vorzustellen, die Tageszeit zu überholen und rein Uhrzeitmäßig weit vor der Abflugzeit anzukommen hat mich schon fasziniert. Aber das erleben Concordeflieger ja auch immer wieder."
"Wäre mal interessant zu wissen, wo man in zwei Stunden mit diesem Ding hinfliegen kann", wandte Millie ein. "Dann könnten wir vielleicht auch mal zu deiner großen Brieffreundin Aurora Dawn hinfliegen."
"Da klemmt es dann doch wieder", widersprach Julius und erwähnte die Reichweitenbeschränkung der magischen Luftschiffe. Martha Eauvive blickte derweil aus dem Fenster und bestaunte den düsteren Himmel über ihnen, unter dem sogar einige Sterne wie kleine Lampen hingen, nahm die bereits sichtbare Krümmung der Erde zur Kenntnis und betrachtete die sehr sehr tief unter ihnen dahinziehenden Wolken. Sie fragte dann noch, ob diesen Leuten klar sei, daß sie in großer Höhe eine gute Portion Strahlung aus dem Weltraum abbekamen und erfuhr von Julius, daß in Viento del Sol eine Strahlenschutzlackierung entwickelt worden sei, die über achtzig Prozent der einfallenden Strahlung abwies. "Nur, weil ich daran denken mußte, daß Mildrid ja irgendwann mit dir Kinder haben will und die Strahlung als Erbgutverändernd gilt", wandte Martha Eauvive ein.
"Falls du Lust hast kann ich vorne mal fragen, ob du denen beim fliegen zusehen darfst", bot Julius seiner Mutter an. Diese schüttelte jedoch den Kopf. Sie wollte nicht in diese Glaskugel, wo sie womöglich den Boden unter den Füßen nicht mehr sehen konnte. Dann würde sie wohl denken, gleich in die Tiefe zu stürzen. Sie wollte lieber den von ihr erwarteten Rücklauf der Sonne beobachten und dabei zusehen, ob sie überflogene Inseln wie die Kanaren oder Azoren erkennen konnte. Denn in Erdkunde habe sie mal eine sehr gute Klassenarbeit abgeliefert, als es um den Atlantik und seine Inseln gegangen war.
Die überschallschnelle Überfahrt über den Atlantik verlief ruckelfrei. Kunststück, wo der Zeppelin weit über jedem irdischen Wettergeschehen dahinjagte. Einmal meinte Julius im Norden krakenarmartige, grünlich-rote Ausläufer eines Polarlichtes zu sehen, die soeben noch über den gekrümmten Horizont in den stufenlos dunkler werdenden Himmel hinaufzüngelten. Doch das Spektakel hatte nur eine Sekunde gedauert, so daß er seine beiden Mitreisenden nicht mehr darauf aufmerksam machen konnte. Als die Sonne dann unter den östlichen Horizont rutschte erkannte Martha Eauvive, wie schnell sich die Sterne verschoben. Das Meer und das Land in der Tiefe waren eine fast dunkle Fläche, gerade so noch im schwachen Widerschein des nun auch sichtbaren Mondes zu erkennen. Julius machte eine helle Fläche aus, die nordwestlich von ihnen auftauchte, nach norden rutschte und dann im nordosten unter den Horizont stürzte. Das war ganz sicher eine Ostküstengroßstadt wie Boston oder New York gewesen.
"Hoffentlich sind da schon ein paar Leute wach, wenn wir landen", erwähnte Martha Eauvive, die wohl ausgerechnet hatte, daß sie gegen vier oder fünf uhr Morgens in Viento del Sol einfliegen würden. Julius vermutete, daß die dort wohl kaum erlaubt hätten, daß ein Luftschiff aus Millemerveilles so früh bei ihnen landete, wenn dabei alle aus dem Bett fielen.
Als sie dann dort landeten, wo Julius schon einmal mit einem magischen Luftschiff angelegt hatte, mußte seine Mutter sich sehr zusammennehmen, um die Leiter aus dem leicht schaukelnden Zauberzeppelin hinunterzuklettern. Unten wurden sie von sechs Personen empfangen. Da waren zum einen die drei Foresters, wobei Brittanys Vater etwas mißtrauisch auf das über ihm schwebende Luftschiff blickte, Lorena Forester, deren erleuchteter Zauberstab ihr weizenblondes Haar und das ihrer Tochter widerscheinen ließ, Brittany, die ihren hochgewachsenen, athletischen Körper in einen leichten, hellen Baumwollumhang gehüllt hatte, die ebenso hochgewachsene, hellblonde Quodpotkameradin Venus Partridge und ihr Vater Silvester, der zusammen mit Chloe Palmer als residenter Heiler arbeitete und ein junger Mann mit nachtschwarzem Haar, das er beinahe mädchenhaft lange bis auf die Schultern herabfallen ließ. Im spärlichen Licht der erleuchteten Zauberstäbe konnte Julius die Augenfarbe nicht wirklich erkennen, ging aber vom Gesicht und der Statur davon aus, daß sie hellblau sein mußten, die Augen von Linus Brocklehurst. Er verglich ihn, wo er ihn als wirkliche Person vor sich hatte, mit dem Aussehen seiner Cousine Mandy und stellte fest, daß zwischen den beiden doch ein großer Unterschied bestehen mochte, wo er Mandy immer mit hellbraunen Haaren und dunkelblauen Augen in Erinnerung hatte.
"Herzlich willkommen in Viento del Sol, Martha, Mildrid und Julius", begrüßte Mrs. Forester die Gäste aus Frankreich. "Ich freue mich, daß alles gelungen ist."
"Gut, das Ein- und Aussteigen ist bei diesem Fluggerät sehr gewöhnungsbedürftig", erwiderte Martha ehrlich. "Aber ansonsten schon beeindruckend."
"Fornax und Stella wollten eigentlich schon hier sein. Aber sie haben wohl nicht recht aus den Federn gefunden", warf Silvester Partridge vergnügt ein. "Sie baten uns darum, hier auf sie zu warten, um die Einreise offiziell zu bestätigen."
"Du hast noch ein bißchen an Größe zugelegt, Julius", säuselte Venus Millies Mann ins linke Ohr, als sie ihn nach französischer Landessitte zur Begrüßung umarmte. Julius fragte sie leise, ob sie nicht hätte warten können, ihn zu begrüßen.
"Ich bin zusammen mit Mel Redlief Britts Brautjungfer. Wwir hatten noch einiges wegen morgen zu klären. Deshalb habe ich gefragt, ob Dad und ich bei eurem Empfang dabei sein dürfen."
"Mel ist auch da?" Wollte Julius wissen.
"Neh, die ist vor vier Stunden wieder zu ihren Eltern zurück, weil die heute noch mal den Laden aufmachen wollte, bevor sie ihn bis Jahresende zuläßt. Sie meinte, viele Leute würden ihre Weihnachtsvergütung und Geldgeschenke nach Weihnachten auf den Kopf hauen. Da würden sie noch mal richtig viele Galleonen machen können." Julius verstand. Die große Umtauschorgie nach den Weihnachtstagen war auch in der Muggelwelt sowohl in England wie in Frankreich bekannt und beliebt. So konnte er verstehen, was Melanie Redlief bezweckte.
"Wir haben das leider zu spät mitbekommen, daß die Porters und Brocklehursts zusammen rüberkommen wollten, sonst hätten wir das noch hingekriegt, daß die mit euch zusammen im Luftschiff rübergekommen wären", sagte Brittany, als sie erst Martha, dann Millie und dann Julius begrüßt hatte. "Aber Mel erwähnte, daß sie eh erst ihr Gepäck bei den Redliefs unterstellen wollten. Wäre also ein Umweg geworden. Apparieren können die ja fast alle, von Mandys Großeltern mal abgesehen."
"Das ist ja überhaupt das spannendste", gab Julius zu, daß es ihn am meisten interessierte, wie die magielosen Anverwandten hergebracht werden sollten.
"Wir haben einen dieser Überlandbusse gemietet, der ohne magische Extras herumfährt. Der holt Mandys Großeltern, ihre Tante, den Onkel und die zwei Cousins aus San Francisco ab, wo auch meine Großeltern, mein Onkel und meine Tante ankommen. Wir haben das denen schon vor einem Monat so behutsam es ging beigebracht, daß wir hier ein besonderer Haufen von Leuten sind, damit die keinen Schock kriegen, wenn irgendwer meint, seine oder ihre Frisur durch einen Zauberstabwink aufzufrischen. Die Cartridges haben es persönlich genehmigt und Venus' Daddy hat's über seinen Onkel Flavius durchbekommen, daß die Familienstandsregeln für diesen Fall erweitert wurden. Dafür möchte Mrs. Cartridge aber gerne bei der Hochzeit dabei sein."
"Der Minister nicht?" Fragte Julius leicht belustigt.
"Der war nicht so begeistert, daß seine Frau herkommt, wo sie gerade das zweite Kind erwartet und keiner weiß, was diesen Hexen um die verschwundene, vielleicht verreckte Erbin Sardonias demnächst noch einfällt. Aber nachdem diese Zombieinvasion erledigt ist wollte Mrs. Cartridge unbedingt wieder unter die Leute. Es werden aber wohl ein paar getarnte Leibwächter mitkommen, um sicherzustellen, daß ihr bei uns nichts passiert. War dem guten Mr. Hammersmith auch nicht so recht, die eigenen Sicherheitstruppen dafür einzuspannen, um auch von uns aus abzusichern, daß Mrs. Cartridge und dem künftigen Junior nichts passiert. Aber der Minister hat im Herold und im Westwind verkündet, daß Wishbones zeit gezeigt habe, daß Abschottung und banges Versteckspiel eh nichts bringt und wir uns nicht zu Gefangenen von irgendwelchen Verbrechern oder Monstern machen lassen sollen."
"Recht hat er ja", stimmte Julius dem zu. Er hatte die Nachrichten noch im Kopf, daß in Afrika auf eine Botschaft und auf ein US-Kriegsschiff Sprengstoffanschläge verübt worden waren und einige nach Vergeltung und andere nach verschärften Sicherheitsmaßnahmen gerufen hatten, aber niemand wußte, gegen wen eine Vergeltungsaktion überhaupt zu richten sei.
Als Julius einige Takte mit Linus Brocklehurst sprechen konnte lag es ihm auf der Zunge, ihm sein Beileid für den Verlust seines Vaters auszusprechen. Doch irgendwie wußte er nicht, ob er das hier und jetzt anbringen sollte. So tauschten sie nur Worte zur Begrüßung aus. Linus erkundigte sich, ob Julius derjenige war, der Brittany das Doppelachsen-Flugmanöver beigebracht habe und fragte, ob er im selben Haus in Hogwarts wie seine Cousine Mandy gewesen sei. Dann deutete Linus auf den Uhrenturm, der in der nächtlichen Dunkelheit wie ein düsterer Strich vor dem gestirnten Horizont emporragte. Zwei Sterne bewegten sich von dort aus, wurden zu weißen Lichtpunkten und entpuppten sich als leuchtende Zauberstäbe. "Da kommen die Hammersmiths", sagte Linus dann.
Als die beiden Mitglieder des Dorfrates die Gäste aus Übersee formell willkommengeheißen hatten ergriffen Millie und Julius die mitgebrachten Flugbesen, an denen die Reisetaschen hingen. Auch Martha Eauvive erklomm ihren eigenen Flugbesen und folgte verhalten der sich bildenden Formation, die in Richtung Rotbuchenhaus aufbrach.
Das es auch in Viento del Sol Weihnachten gegeben hatte war an den vielen beleuchteten Schlitten zu sehen, die in den Gärten oder auf den Hausdächern standen. Julius machte sich den Spaß, einem drei Meter großen Schneemann über den Zylinder zu fliegen, der daraufhin ein mißgelauntes Grummeln von sich gab. Vor dem Rotbuchenhaus stand ebenfalls ein großer Schneemann wie ein weißer Torwächter. Im Garten stand eine Rentierherde aus einem tonartigen Material, darunter auch eines mit einer von selbst leuchtenden roten Nase. Also war die Geschichte von Rudolph auch in der amerikanischen Zaubererwelt bekannt. Vor den Fenstern schwirrten und flirrten blaue, grüne, goldene und silberne Feen herum und zwitscherten wie Vögel im Frühling. Daß hier eine Hochzeit stattfinden sollte war dem Haus von außen nicht anzusehen. Das bekamen die Gäste erst mit, als sie in der Empfangshalle standen. Goldene Luftschlangen und zwei aufblasbare Phönixe hingen unter der Decke. Das Wohnzimmer war ohne Weihnachtsbaum. Einige Möbel waren umgerückt worden, wohl um Platz für die zu erwartenden Gäste zu schaffen. Außerdem war hinter dem Haus ein provisorischer Wintergarten angebaut worden, in dem mehrere Tische standen, die jedoch noch nicht gedeckt waren. Der Wintergarten wirkte wie eine gläserne Pyramide, und Julius hatte das Gefühl, daß auf der Spitze des Anbaus noch was fehlte. Ansonsten waren der Garten und das Haus der Foresters so, wie er es von seinem letzten Besuch hier in Erinnerung behalten hatte.
Millie und Julius bekamen, nun wo ihre Volljährigkeit und ihre Ehe auch in den Staaten offiziell bekannt waren, das grüne Zimmer, in dem Millie schon einige Nächte zugebracht und dabei heimlich mit Julius zusammengelegen hatte. Martha bekam das Abendrotzimmer, in dem Julius bei Brittanys Quodpotpremiere gewohnt hatte. Dann tranken sie den Ortszeitanpassungstrank, um körperlich und seelisch auf die hier geltende Tageszeit abgestimmt zu werden und frühstückten mit Brittanys Eltern und den Brautleuten zusammen. Martha Eauvive erwähnte ihre Namensänderung und daß sie dadurch besseren Halt in der magischen Welt erhalten würde. Mrs. Forester baute einen Klangkerker auf und befragte Julius' Mutter zum Gewinn ihrer Zauberkräfte. Linus Brocklehurst unterhielt sich mit Julius und Millie über Hogwarts und Beauxbatons und erkundigte sich nach Cyril Southerland, den er zwar nicht mehr bei der Einschulung mitbekommen hatte, aber wußte, aus welcher Familie er stammte. Millie meinte, daß Cyril offenbar darauf ausging, eine der unverheirateten Lehrerinnen zu heiraten, so wie der älteren Hexen nachgestellt habe. Linus lachte darüber und entschuldigte sich, weil sein Lachen das Gespräch zwischen seiner künftigen Schwiegermutter und Martha Eauvive unterbrochen hatte. Dann meinte er: "Ich hörte das von meiner Cousine, die drei Jahre nach mir eingeschult wurde, daß der wohl meint, mit vierzehn schon eine Frau oder eine Geliebte an Land zu ziehen. Da ist der bei euch aber wohl ziemlich schlecht dran, oder?"
"Tja, so ganz aufgegeben hat er wohl noch nicht. Aber die meisten Mädchen bei uns, die schon älter als er sind haben entweder alle schon feste Freunde oder legen es nicht auf kleine Jungs an. Walpurgis wird bestimmt interessant, ob den eine einläd und in welcher Klasse die ist."
"Achso, dieser hexentag", meinte Linus. "Kann der die Einladung dann ausschlagen, wenn ihm dieses Mädchen nicht paßt?"
"Nur wenn er mindestens zwei Einladungen hat und eine andere Einladung annimmt. Das ist eine Ehre, wenn eine Hexe einen Zauberer einläd, mit ihr den Hexenabend zu verbringen. Wenn der sie zurückweist, ohne sich auf eine andere Einladung berufen zu können, ist der bei allen anderen Hexen unten durch", erklärte Millie. Julius nickte bestätigend. Catherine, Jeanne und vor allem Claire hatten ihm das auch schon gleich beigebracht, als die erste Walpurgisnacht für ihn anstand. Außerdem dachte er daran, daß seine angeheirateten Cousinen Callie und Pennie es wohl genießen würden, den Austauschschüler einzuladen, wo der sie immer hatte links liegen lassen.
Nachdem sie noch über Hogwarts und Ravenclaw gesprochen hatten schnitt Linus ein Thema an, über das er wohl ungern aber besser jetzt als später reden wollte:
"Ich weiß nicht, ob Mandy oder Britt es euch zweien erzählt haben. Aber als diese Monsterbiene noch durch unser Land geflogen ist hat die auch einmal das Dorf Cloudy Canyon überfallen. Wir haben uns alle im unterirdischen Quodpotstadion versteckt, wo eigentlich keiner reinapparieren konnte, wenn die Tür zu war. Aber irgendwie durchbrach dieses Mörderbiest den Antiapparierzauber und hat grausam zwischen uns aufgeräumt. Ich wollte die von ihr mitgeschleppten Abkömmlinge unschädlich machen. Dabei ist es dann passiert ..." Er beschrieb so leise er konnte und mit sichtlicher Anstrengung, wie er hatte ansehen müssen, wie seine Eltern von diesen Insektenwesen aufgegriffen worden waren und wie er versucht hatte, seinen Vater aus den Klauen einer schwarzhaarigen Monsterkreatur zu befreien, die jedoch zu schnell für ihn reagiert und seinen Vater als Schutzschild vor sich gehalten habe. "ich weiß nicht, warum ich nichts besseres wußte als den tödlichen Fluch. Aber als ich den ausrief drehte dieses Bienenflittchen meinen Vater gerade so, daß der voll von dem Fluch getroffen wurde. Das hat mich aus den Schuhen gehauen. Danach war für mich erst mal die Welt abgemeldet", beschrieb Linus seine schlimmste Erinnerung, wobei Julius sich fragte, warum Brittanys Bräutigam ihm und Millie so bereitwillig sein Herz ausschüttete, bis ihm klar wurde, daß hier in den Staaten alle davon wußten, es also in den Zeitungen gestanden haben mußte. So fragte er, nachdem Linus seine Erlebnisse vollständig erwähnt und eine höfliche Wartepause eingehalten hatte, ob außer dem versehentlichen Tod seines Vaters noch etwas nachgekommen sei. Linus erwähnte, daß es genug Zeugen gab, die gesehen hatten, daß er die Kreatur hatte treffen wollen und ja nicht alleine den Todesfluch aufgerufen habe. Daher habe der Zwölferrat der magischen Richter ihn von allen absichtlichen Tötungsvorwürfen freigesprochen. Aber er selbst habe lange gebraucht, um darüber hinwegzukommen. Auch wenn seine Mutter ihm gegenüber nie durchblicken ließ, daß sie ihm die Schuld am Tod seines Vaters gebe, merke er es doch gerade bei Feiern oder Familienzusammenkünften, wie sehr sie ihn noch vermissen mußte. Auch kamen von manchen Angehörigen noch merkwürdige Andeutungen herüber, daß er doch wunderbar mit dieser Lage zurechtkomme, wo er jetzt doch völlig frei von väterlicher Führung sein Leben leben konnte und Linus' Vater neben dem Grundstück in Cloudy Canyon noch einen großen Goldschatz vererbt habe, den er und seine Mutter sich nun teilen konnten. Millie, die die ganze Zeit wortlos zugehört hatte wandte sich dann an Linus:
"Wenn du keinen Hinweis hast, daß dein Vater dir persönlich vorwirft, du hättest ihn absichtlich umgebracht, kann dir das Gerede von den anderen doch gestohlen bleiben." Julius nickte verhalten und erwähnte dann seine Erlebnisse mit seinem Vater und Hallitti und auch, daß er sich schon gefragt habe, ob es seine Schuld gewesen sei, weil sein Vater ihn nicht in Hogwarts hatte lassen wollen und deshalb aus dem geschützten Haus ausgezogen sei, weil er sich nicht damit anfreunden wollte, daß sein Sohn ein Zauberer würde. Aber er habe dann erkannt, daß sein Vater nur großes Pech gehabt habe, ausgerechnet irgendwo in England dieser schlafenden Kreatur begegnet zu sein und sie dadurch geweckt habe. Die Schuldgefühle seien auch eher deshalb bei ihm so stark geworden, weil er nichts dagegen hatte tun können.
"Ich wurde von einer Psychomorphologin in der Honestus-Powell-Klinik wieder aufgerichtet. Wie hast du das hingekriegt, daß du mit dieser Kiste fertig wurdest?" Fragte Linus Julius. Dieser erwähnte seine Schulfreunde und vor allem die Dusoleils und Latierres, die ihm dabei geholfen hatten, mit seiner Lage zu leben und sich nicht schuldig zu fühlen. Linus nickte und machte Handzeichen, daß Millie und Julius sich zu ihm hinlehnen sollten, damit er flüstern konnte, während Mrs. Forester und Julius' Mutter sich mit Venus über die französischen Flugbesen unterhielten:
"Ihr habt euch ganz bestimmt gefragt, wieso Britt und ich so schnell heiraten wollten, auch wenn ihr es immer damit abtun konntet, daß es euch nicht betrifft, oder?" Flüsterte Linus. Millie und Julius nickten verhalten. "Eigentlich ist es der Grund, daß ich aus dem Haus raus will, in dem ich mit meiner Mutter gewohnt habe und nicht einfach wegziehen konnte. Außerdem haben Britt und ich uns nach dieser Sache von Cloudy Canyon immer wieder getroffen und drüber geredet, wie's weitergeht. Dann, so im letzten August, haben wir zum ersten Mal davon geredet, ob wir nicht zusammenziehen könnten. Da die hier aber genauso altbacken drauf sind wie die Leute aus meinem Geburtsort haben wir uns dann dazu entschlossen, zu heiraten. Meine Mom ist zwar nicht so ganz begeistert, kann aber nichts dagegen sagen. Abgesehen davon weiß sie auch, wie die Leute in Cloudy Canyon hinter meinem Rücken immer noch drüber herziehen, daß ich so blöd oder so kaltschnäuzig war, meinen eigenen Vater totzufluchen und versteht es, daß ich aus dem Dorf raus will, ohne wie ein Feigling rüberzukommen."
"Aus einem Ort wegzuziehen, in dem man sich nicht wohlfühlt ist keine Feigheit", warf Julius ein. Linus nickte zwar, flüsterte dann aber: "Tja, nur für die Tratschhexen und Gerüchtebrauer bei uns wäre das so rübergekommen, daß sie mich erfolgreich rausgegrault hätten. Das denken die vielleicht immer noch. Aber offen sagen wird das von denen keiner. Mom hat dann nämlich auch keinen Grund mehr, da wohnen zu bleiben. Sollen die sich doch die Mäuler drüber zerfleddern, daß wir das Gold und das Grundstück von Dad ausgeben, um anderswo glücklicher zu leben!"
"Ich habe mich eher gewundert, daß Britt jetzt schon heiraten will", gestand Millie leise ein. "Aber wenn Britt mir von sich aus erzählen will, warum, dann lasse ich sie das erzählen. Ansonsten soll es mich nicht weiter kümmern. Hauptsache, sie wird mit dem glücklich, den sie sich ausgesucht hat."
"Nur, damit ihr zwei die morgen bestimmt noch durch das Dorf getriebenen Nogschwänze versteht", begründete Linus seine freimütige Aussage über den Grund seiner Heirat. Julius wollte schon ansetzen zu fragen, warum ausgerechnet Nogschwänze, als Millie schon erwiderte:
"Solange die Nogschwänze aus dem Dorf raus und nicht ins Dorf reingetrieben werden, Linus. Sowie ich das von Venus gerade mitbekommen konnte, haben die mit eurer Entscheidung hier kein Problem, oder?"
"Na ja, Britt und ich müssen nur aufpassen, nicht so früh schon für kommende Generationen vorplanen zu müssen, wenn ihr versteht, was ich meine." Millie und Julius verstanden natürlich sofort, was er meinte. Dann sagte er laut genug, daß mögliche Interessenten es mithören konnten: "Auf jeden Fall wird das morgen eine ganz spannende Sache. Ich habe Großonkel Albert und Großtante Clarisse lange nicht mehr gesehen, war noch weit vor Thorntails. Will hoffen, daß die mit der Enthüllung echt so gut klarkommen wie Britts Großeltern."
"Die klarkommen?!" Rief Brittany, die ihren Namen gehört hatte. "Sicher bin ich mir da nicht, ob die nicht morgen arge Probleme kriegen, obwohl Mom und ich denen das so behutsam es ging beizubringen versucht haben."
"Ihr habt aber bis morgen Zeit", sagte Linus. "Mom ist wohl gerade an diesem Flugzeughafen und wartet auf Großonkel Albert und Großtante Clarisse."
"Deine Cousine hat doch geschrieben, daß ihre Mom das mit ihren Großeltern beredet hat", erwiderte Brittany. "Aber wie erwähnt weiß ich ja nicht, wie Dads Eltern, Onkel Maurice und Tante Vanny das wegstecken oder weggesteckt haben."
"Im Zweifelsfall wohnen die ja bei euch im Haus und kriegen es ja mit, wie ihr lebt. Außerdem habt ihr ja Glück, daß Julius und seine Mutter deren Welt kennen, um denen Sachen erklären zu können." Julius und seine Mutter tauschten einen Blick. Damit hatten sie beide schon gerechnet.
"Na ja, irgendwie müssen die sich aber damit anfreunden, daß es hier nicht so läuft wie im Chicago der Muggel", meinte Brittany. Ihr Vater fühlte sich darauf berufen, seinerseits was zu sagen.
"Damit wir das hier und noch mal klar haben, werte Tochter, sowie Lorena, Venus oder auch Mildrid und Julius: Meine Eltern sind keine Idioten, schon gar nicht weltfremd oder von hinterm Mond, keine kleinen Kinder, die erst noch lernen müssen, wie die Welt funktioniert und auch keine Zirkustiere, die für bestimmte Sachen dressiert werden müssen. Sie verdienen deinen Respekt genauso wie meine werten Schwiegereltern. Meinetwegen hätten du und deine Mutter diese Aufklärungsaktion nicht starten müssen, an der meine Mutter echt schwer zu tragen hat, weil sie doch fürchtet, ihren Sohn an eine Gruppe Außerirdische verloren zu haben. Ich hätte kein Problem damit gehabt, wenn meine Eltern aus dieser etwas zu frühen Hochzeit herausgelassen worden wären. Ende der Durchsage!"
"Klar, Dad. Ende der Durchsage! Aber wenn ich Oma Gail und Opa Ray nicht eingeladen hätte wärest du auch nicht zu meiner Hochzeit gekommen. Dannhätten sich hier alle die Mäuler zerrissen, was für eine armselige Braut ich sei, deren Vater es nicht verkraften könnte, sie vor den Zeremonienmagier zu führen, weil du es Oma Gail und Opa Ray gegenüber nie hättest erklären können, daß deine Tochter geheiratet hat, ohne ihre Verwandten einzuladen. Außerdem finde ich, daß sie es langsam erfahren sollten, was für eine Enkeltochter sie haben und daß wir genauso von der Erde kommen wie sie und du, Dad."
"Das wollte ich an und für sich nicht", grummelte Linus schuldbewußt, weil sich Vater und Tochter gerade am Rande einer wilden Auseinandersetzung bewegten. Mr. Forester sah seine Tochter sehr ungehalten an und drohte: "Ich kann dem ganzen immer noch fernbleiben, wenn ich es schon nicht verbieten kann."
"Dan, wenn du willst, daß wir Gail und Ray und Maurice und Vanny für voll nehmen, benimm dich bitte nicht selbst wie ein bockiges Kind!" Schnarrte Mrs. Forester. "Sonst können wir Linus und Britt gleich nach Las Vegas schicken, damit sie in einer dieser kommerziellen, kitschigen Hochzeitskapellen heiraten, wo dein Bruder Maurice geheiratet hat." Zong! Dachte Julius. Das saß wohl tiefer als ein Asteroideneinschlag in der Erdkruste. Denn schlagartig verfärbte sich Mr. Foresters Gesicht knallrot, und er schwieg, ohne von einem Schweigezauber oder Sprechbann getroffen worden zu sein. Als seine Frau den gelungenen Treffer zur Kenntnis genommen hatte nickte sie Brittany zu und sagte, daß sie morgen hier alle feiern würden und Oma Gail und Opa Ray schon damit klarkämen, wo ja außer Martha und Julius noch weitere Gäste da seien, die beide Welten kannten. Brittany nickte zustimmend.
Um die aufgeheizte Atmosphäre auf angenehme Temperaturen herunterzukühlen fragte Brittanys Mutter Martha und Julius zu den Flugmaschinen der magielosen Welt aus und worauf man zu achten habe, wenn man sich diesen Maschinen anvertraute. Das wiederum brachte Linus darauf, daß er seine Eltern am Flughafen von San Francisco treffen wolle, um die Verwandtschaft aus Großbritannien abzuholen. Er entschuldigte sich bei seiner Braut und den künftigen Schwiegereltern und wünschte allen noch einen schönen Tag. Er würde dann morgen zur vereinbarten Zeit vor dem Rotbuchenhaus warten. Danach verließ Linus das Haus und disapparierte außerhalb der Einzäunung.
"Können wir bei der Dekoration noch was machen?" Fragte Millie die Hausherrin.
"Ist schon fast alles fertig. Die Tischdecken und die Glücksballons hängen wir heute Abend raus, wenn Britt mit ihren Brautjungfern in ihrem Haus die letzte Nacht vor der Hochzeit zubringt", sagte Mrs. Forester. Ihr Mann war wohl von der unerwünschten Enthüllung noch ziemlich verstimmt und regte sich nicht.
"Bleibt der Frosty vor der Tür stehen oder kommt der anderswo unter?" Fragte Julius.
"Stimmt, den können wir nachher noch aufs Dach stellen, falls die Animationsmagie das zuläßt. Der Laden, wo wir den herhaben hat diese Dekorationsschneemänner mit Empfindungsimmitaten ausgestattet, daß die überfreundlich, mißmutig, schalkhaft, ängstlich oder verspielt sind. Manche von denen haben eine Kunstschneeausstoßbezauberung in ihren Händen und werfen ab und an mit Schneebällen nach Passanten. Unser Frosty hat ausgeprägte Höhenangst und stößt dann immer so tierhafte Angstschreie aus, wenn den wer anhebt."
"Wenn man das weiß überhört man's doch", erwiderte Millie. Mrs. Forester erwiderte, daß sie das nur sage, weil sie noch keinen Ringkampf mit einem störrischen Schneemann erlebt habe und nicht wisse, wie kalt sich die Arme und Hände von einem Zaubererwelt-Frosty anfühlten. Das konnte Millie nicht bestreiten. Mr. Forester meinte dazu noch:
"Ein aufblasbarer Frosty aus Chicago hätte es auch getan. Aber Lorena meint ja, diesen Weihnachtshokuspokus der Nachbarn mitmachen zu müssen und diese verhexten Sachen und diese dressierten Leuchtfeen benutzen zu müssen. Aber das Thema haben wir ja jedes Jahr."
"Weil Lino sonst fragt, ob Mom demnächst ihren Zauberstab auf den Kompost wirft", feixte Brittany. Ihr müßt mal Peggys Haus sehen, was da alles für Weihnachtszeug draußen und drinnen angebracht ist."
"Klar, mit einem Kind im Haus ist Weihnachten auch eine Verpflichtung", erwiderte Mr. Forester darauf. "Die Kleine glaubt ja noch an die Weihnachtselfen und den Typen im roten Mantel."
"Hast du sie gefragt?" Fragte Brittany ihren Vater. Dieser schüttelte den Kopf, beharrte dann aber darauf, daß zweijährige Kinder alle noch an Weihnachtsmann und Osterhasen glaubten. Julius hätte ihm bald widersprochen und erwähnt, daß Larissa Swann schon weit vor ihrer Geburt aufgehört habe, an den Weihnachtsmann und den Osterhasen zu glauben und vielmehr der Regenbogenvogel in eigener Person gewesen sei. Aber das wollte er dann doch besser für sich behalten. Denn Daniel Forester zu eröffnen, daß die kleine Larissa nicht die Tochter, sondern die Mutter war und wie das möglich war hätte ihn wohl doch aus dem Tritt gebracht.
"Was macht eure rasende Blitzreporterin eigentlich über die Feiertage?" Wollte Julius wissen.
"Die sucht mit denen vom Laveauinstitut nach Überresten der Armee, die im November versucht hat, das Land zu überrennen", antwortete Mrs. Forester. "Aber ich vermute stark, daß sie morgen bei der Hochzeit dabei sein wird. Ausladen konnte ich sie nicht, weil Brittany durch ihr Engagement in der Quodpotmannschaft quasi eine öffentliche Person ist und Linda Knowles hier im Ort wohnt, um es nicht mitzubekommen, daß sie hier feiert. Aber ich denke, sie wird sich zurückhalten."
"Wir hätten fast im Quodpotstadion gefeiert", warf Brittany Forester ein. "Aber die Stadionleute wollten für jeden Gast zwei Sickel pro Stunde Miete haben. Bei hundert Gästen für zwölf Stunden wären das zweitausendvierhundert Sickel geworden. Bißchen zu teuer." Brittanys Eltern nickten sehr entschieden. Julius wußte nun also, daß insgesamt hundert Gäste kommen würden. Außer Mr. Foresters Eltern und dem Bruder, der in Las Vegas geheiratet hatte mit seiner Frau zählte er noch alle Porters, Redliefs und Mandy mit ihren Eltern und Großeltern dazu. Dann würde wohl die komplette Quodpotmannschaft mit eventuellen Freunden, Verlobten oder Ehepartnern auflaufen, einige Leute aus dem Dorf, dann noch die angekündigte Ministergattin und Linda Knowles. Da Venus eine der Brautjungfern war würden deren Eltern und Geschwister und noch weitere Verwandte dazustoßen. So konnte man locker auf hundert Gäste kommen.
Bis zum Mittagessen vertrieben sich die Foresters und ihre Gäste die Zeit mit Geplauder über das, was nach dem Tod von Voldemort alias Tom Riddle passiert war. Martha Eauvive erwähnte die versuchte Invasion von Volakins Vampiren. Dabei erfuhren sie, Millie und Julius, daß die übermächtig gewordene Vampirin Nyx eine Erfindung aus der Muggelwelt an sich gebracht hatte, die Vampire mit einer reißfesten Schutzhaut umgab, die sie vor der sonst so schädlichen Sonnenstrahlung isolierten. Somit sei zu befürchten, daß die bleichen Blutsauger nun auch bei Tage herumlaufen konnten. Julius gab das zu denken. Es ging auch um Professeur Tourrecandides Verschwinden. Doch bisher habe man keine Spur von ihr gefunden. Julius hütete sich davor, seine diesbezüglichen Vermutungen auszusprechen. Er erwähnte auch nicht, daß er das Verschwinden der erfahrenen Lehrerin im Traum miterlebt hatte.
Nach dem Mittagessen, bei dem es sowohl rein pflanzliche Sachen als auch Fleisch- und Eierprodukte gab, ließ sich Julius' Mutter auf eine Schachpartie ein, während Julius und Millie ins Dorf wollten, um zu gucken, ob die Porters und Redliefs schon eingetrudelt seien. "Wenn Mel schon mit denen mit ist schick sie bitte zum Bucheckernhaus rüber!" Bat Brittany Julius und Millie.
"Kann morgen lustig werden", mentiloquierte Julius mit Hilfe der Herzanhänger. "Britts Vater fühlt sich hier immer noch wie ein Fremdkörper. Der hätte wohl am liebsten gehabt, wenn seine Eltern nicht mitbekämen, was mit seiner Familie ist."
"Das haben wir doch an Babettes und Claudines Großeltern gemerkt, wie heftig das reinhauen kann, wenn die nicht richtig eingeweiht werden, Monju", schickte Millie zurück, während sie an allen Frostys, Rudolphs und Lichterfeen im Ort entlangflogen.
"Gut, ich weiß auch nicht, ob ich das toll fände, wenn ich meinen Onkels das auf die Nase gebunden hätte, daß ich in eine Zauberschule ging. Na ja, so hat es sich eben auch ergeben, daß wir mit der restlichen Verwandtschaft nichts mehr zu tun haben", schickte Julius zurück. Millie antwortete darauf nicht. Sie deutete nur auf das silberne, kreisrunde Haus von Peggy Swann und wies Julius damit auf das Spektakel aus bunten Lichtern hin, die wie die Beiboote eines UFOs um das merkwürdige Haus herumschwirrten, die Farbe Wechselten oder zu einer unhörbaren Musik die Formationen änderten. Auf dem flachen Dach erstrahlte eine goldene Sonnenscheibe mit langen Strahlen. Julius legte es aber nicht darauf an, mit Peggy Swann oder gar Larissa Kontakt zu bekommen und flog den Uhrenturm an, der von mehreren Bändern aus bunt leuchtenden Lichtern umgürtet dastand. Auf der Spitze der Sonnenuhrsäule auf dem Dach des Turmes ritt die Nachbildung eines Kometen, ein silbern leuchtender Stern mit einem sehr langen, sanft wehenden Schweif, der im Minutentakt einmal um die hohe Säule rotierte.
"Wie bei den Muggeln. Je greller und bunter desto amerikanischer", knurrte Julius und mußte nach rechts ausbrechen, weil ein mit bunten Paketen beladener Rentierschlitten mit hellem Glockenspiel an ihm vorbeizischte. Auf dem kutschbockartigen Vorderteil des Schlittens hockten vier kleine Wesen mit großen Ohren, die in leuchtenden Tüchern steckten.
"Die haben echt Hauselfen als Weihnachtswichtel angestellt", knurrte Millie. "Abgedrehter geht's nicht mehr, oder?"
"Wenn du diesen Eispalast da hinten ausläßt nicht", erwiderte Julius und deutete auf ein Gebilde, das wie eine mittelalterliche Burg mit hohen Türmen aussah, jedoch aus riesigen, blauen und weißen Eisschollen zusammengesetzt schien. "Dauereis", stellte er fest. Millie betrachtete die Konstruktion auch und erkannte auf den Zinnen eine Kompanie Pinguine mit Trompeten, Schellentrommeln und Flöten.
"Ähm, wo wohnen Pinguine noch mal?" Fragte Millie mit hörbarer Stimme.
"Da wo's kalt ist", erwiderte Julius. Seine Frau grummelte, daß sie wissen wolle, ob am Nordpol oder Südpol. "Also in Echt wohnen Pinguine am Südpol, wo es keine Eisbären gibt, weil die am Nordpol wohnen. Aber am Nordpol soll, so haben sie es mir als Kind erzählt, auch die Heimatbasis von Santa Claus sein, den die Franzosen Papa Noel nennen."
"Dann gehören die Pinguine da nicht hin", stellte Millie fest. Julius wollte wissen, wem die Eisburg überhaupt gehörte und nahm Kurs auf das Winterbauwerk. Als sie dort eintrafen sahen sie Charlie Beam, den Wirt des Sonnigen Gemütes. Dieser erkannte die Gäste auch sofort und winkte ihnen zu.
"Ah, ich hörte, daß Sie uns auch beehren, die Herrschaften Latierre", grüßte der Besitzer und Betreiber der Herberge mit Saloon und Luxuszimmern. "Natürlich ist Ihnen der Palast des Schneekönigs aufgefallen", sagte er.
"Schneekönig?" Fragte Julius. Er kannte nur das Märchen von einer Schneekönigin, auch wenn immer wieder gesagt wurde, jemand freue sich wie ein Schneekönig.
"Vor zwei Jahren, also vor Wishbone und dieser Valery Saunders, haben wir hier den größten Frosty der Staaten hingestellt. Da haben wir zwanzig Gäste drin untergebracht, die mal eine ganz exklusive Wohnumgebung haben wollten. In dem Eispalast da wohnen jetzt dreißig Gäste."
"Aber die Frackträger da auf dem Wehrgang sind doch nur Attrappen, oder?" Wollte Julius wissen.
"Eine ganz geniale Erfindung von den Dexters. Sie spielen Fanfaren für jeden hier logierenden Gast und geben Weihnachtskonzerte. Tja, und im Innenhof haben wir die Eisfontäne, um die herum eine Familie aus Eisbären sitzt, eine täuschendechte Nachempfindung aus Kanada"."
"Wie teuer ist das, in dieser Anlage zu wohnen?" Fragte Julius.
"Eine Galleone pro Nacht plus vier Sickel für die Weinachtsmusik nach eigenem Wohlbefinden", gab der Gastwirt Auskunft. Er wollte gerade ansetzen, die beiden Besucher in die für jeden zugänglichen Räume zu führen, als ein Geräusch wie ein sanftes Glockenspiel erklang. Charlie Beam griff in eine Außentasche seines lindgrünen Umhangs und holte eine kleine Uhr hervor. Er grummelte was, daß er wieder in seine Herberge zurückmüsse und entschuldigte sich bei Millie und Julius. Die beiden bedankten sich für die kurze Beschreibung des Eispalastes und flogen weiter.
In der Nähe des Zaubergartens trafen sie auf Gloria Porter, die zusammen mit ihrem Vater die winterlichen Zauberpflanzen begutachtete. Myrna war mit ihren Eltern im Turm geblieben. Melanie würde nachher noch herüberkommen, da sie nicht nur Brautjungfer, sondern auch Kosmetikberaterin der Braut war. Sie unterhielten sich in einem der Pavillons über die Weihnachtstage. Julius offenbarte Gloria, daß seine Mutter nun einen anderen Familiennamen trug und sie trotzdem herüberkommen durfte.
"Danke für die Vorankündigung", erwiderte Gloria. "Dann weiß ich zumindest, wie ich deine Mutter richtig ansprechen muß. Dann gehört sie jetzt ganz zu den Eauvives. Wer weiß, wofür es gut ist."
"Hat meine Mutter auch gesagt", entgegnete Julius.
"Die ist jetzt bei Professor Forester und vertreibt sich den Nachmittag mit Schach?" Wollte Plinius Porter wissen. Julius bestätigte das. "Deshalb wollte die euch so früh schon da haben. Morgen wird es wohl ziemlich hektisch." Die Latierres nickten beipflichtend.
"Weißt du schon, wo Mandys Großeltern wohnen?" Fragte Gloria.
"Nein, das weiß ich nicht", antwortete Julius. "Aber ich denke, daß die nicht im sonnigen Gemüt unterkommen werden." Gloria grübelte einige Sekunden darüber nach und nickte dann.
Gloria flog als Socia hinter Julius mit zu den Foresters und besah sich die bereits fertige Dekoration. Sie begrüßte Julius' Mutter und Professor Forester und kündigte an, daß Melanie um sieben Uhr herüberkommen würde. Brittanys Mutter nahm dies zur Kenntnis.
Am Nachmittag trafen auch die Brocklehursts ein, die aus England angereist waren. Ihre US-amerikanischen Verwandten hatten sie bei sich in den Häusern oder im Gasthaus von Viento del Sol untergebracht. Julius durfte Amanda genannt Mandy und ihre Eltern begrüßen. Mandys hellbrauner Haarschopf und die dunkelblauen Augen verrieten nicht, daß sie eine Cousine des Bräutigams war. Julius, der zwei Jahre nach ihr in Hogwarts eingeschult worden war und durch das Wiederholungsjahr der Hogwartianer nun nur noch eine Klasse unter ihr war freute sich, mit der früheren Hauskameradin über die Neuigkeiten aus der alten Schule zu plaudern. Sie wußte von Gloria schon, daß Prudence einen Sohn bekommen hatte und erzählte Julius, daß die "Helden von Hogwarts", wie das Freundestrio Harry Potter, Hermine Granger und Ron Weasley, sowie die Angehörigen von Dumbledores Armee genannt wurden, bereits Anfragen aus dem Ministerium erhalten hatten. Denn jede Abteilung wollte sich damit schmücken, einen der großen, jungen Widerstandskämpfer zu beschäftigen. Mandy selbst hatte Glück, daß sie bei der Schlacht von Hogwarts gerade so einem Todesfluch von Bellatrix Lestrange entgangen war, der dafür einen Sechstklässler aus Hufflepuff erwischt hatte. "Professor McGonagall hat die Wand, auf der die DA immer ihre Aufrufe geschrieben hat, zur Gedenkwand erklärt. Mr. Greenporch, der neue Hausmeister, hat die ganzen Namen der in der Schlacht gestorbenen Schüler und Lehrer, aber auch die von draußen dazugestoßenen in die Wand eingraviert. Da sind immer wieder Leute hin, die Angehörige in der Schlacht verloren haben. McGonagall meint, daß durch diese Erinnerung viele erst recht gute Noten haben wollten, um sich denen würdig zu zeigen, die für sie und Hogwarts gestorben sind", erwähnte Mandy. Julius hatte es zwar auch schon von Aurora Dawns Vollportrait gehört, daß die Schüler sich mehr reinknieten als früher, empfand es aber noch eine Spur erhabener, es von einer Zeugin aus Fleisch und Blut zu hören, die die betreffende Wand immer wieder besuchen konnte.
"Hmm, hoffentlich verzeihen Sie mir die Neugier", setzte Julius behutsam an, "Aber Wie haben Sie die Hetzkampagnen der Umbridge-Bluthunde überstanden, solange Mandy in Hogwarts war?" Mr. Mortimer Brocklehurst sah seine Frau an, die zustimmend nickte und antwortete:
"Nun, als man mir, der ich im Desinformationsbüro der Abteilung für magische Geschöpfe tätig bin, vorübergehend einen Hohlkürbis und Schlagetot wie Orcus Burke vorgestellt hat, daß der meinen Job machen sollte war mir klar, woher und vor allem wohin der Wind weht. Ich habe dann mit meiner Frau und Mandy drüber gesprochen, ob wir da nicht besser ganz schnell unsichtbar werden. Mandy wollte aber auf jeden Fall nach Hogwarts. Daß sie Snape zum Schulleiter erhoben haben bekamen wir leider zu spät mit. Immerhin haben sie Mandy nicht aus dem Zug geholt, weil unsere Familie ja doch zu altehrwürdig ist. Meine Frau und ich haben aber kurz vor der Bekanntmachung dieser sogenannten Kommission den Absprung nach Belgien gemacht, mal eben über den Kanal nach Ostende übergesetzt, bevor die Bande um den Unnennbaren und seine Kettenhündin Umbridge uns gezielt suchten. Mandy blieb dann über Weihnachten in Hogwarts, hat sich schön unauffällig verhalten, obwohl die Carrows schon versucht haben, ihr was anzuhängen, um sie bestrafen und bei der Gelegenheit über uns ausforschen zu können. Da Sie ja bei der Verhandlung gegen Umbridge selbst zugehört und auch ausgesagt haben wissen Sie ja, wie das gelaufen ist." Julius nickte. In der Tat wußte er das. "Als dann Mandy schrieb, daß der Unnennbare erledigt sei konnten wir rüber. Meine erste Amtshandlung war die Inhaftierung von Mr. Orcus Burke, der offenbar nicht mitbekommen hat, daß sein Herr und Gebieter sich endgültig verhoben hat. Sie bekommen das nicht alles mit, junger Mann, weil einiges davon zu Geheimsachen erklärt wurde. Aber wir müssen noch viel über die Zeit aufarbeiten, vor allem, um vertuschte Morde an Muggeln zu klären. Da wir chronologisch vorgehen sind wir erst beim Februar."
"Dann werden Sie wohl bald auch mit einem gewissen Krater in London zu tun haben", knurrte Julius. Doch Mr. Brocklehurst bedeutete ihm, daß er davon schon erfahren habe und dies von den Strafverfolgern und Mr. Weasley vorrangig behandelt wurde. Wir vom Desinformationsbüro sollen nur klären, welche von unseren Leuten an der Vertuschungsaktion beteiligt waren", erwähnte Mr. Brocklehurst. Julius nickte. Vielleicht kam man denen auch drauf, die mitgeholfen hatten, sein Elternhaus im Erdboden versinken zu lassen. Er bedankte sich bei Mandys Eltern für die Auskunft. Sie hellte zwar seine Stimmung nicht unbedingt auf, dennoch fühlte er sich jetzt wohler, daß alle Fragen im Zusammenhang mit dem Krater in der Winston-Churchill-Straße restlos geklärt werden mochten.
Julius' Mutter war wieder in ihrem offenbar vorbestimmten Element, als Mandy ihr und Julius ihre Großeltern mütterlicherseits und deren magielose Geschwister vorstellte. Denn Martha Eauvive beschrieb den mit der Zaubererwelt völlig unvertrauten Besuchern die Besonderheiten von Viento del Sol und schlug eine Verständigungsbrücke zwischen den Gastgebern und den Gästen. Julius betrachtete derweilen den gecharterten Doppeldeckerbus, der veilchenblau mit rot-weißen Zierstreifen zwischen den Decks lackiert war. Damit waren die nichtmagischen Brocklehursts also von San Francisco hierhergefahren. Da sie nicht in einem magischen Gasthaus wohnen würden, wollten sie nach der ersten Begrüßungs- und Beschnupperungsrunde mit dem großen Bus weiter zu einem Landhotel fahren, in dem sie die drei kommenden Nächte verbringen würden. Mandys Großmutter mütterlicherseits gähnte, was wohl an der Zeitverschiebung lag. Julius fragte sie, wie der Flug über den Atlantik und das nordamerikanische Festland verlaufen sei und hörte sich an, daß sie für derartige Reisen schon zu alt sei, weil der Umstieg in New York erst unmöglich war und dann in großer Hektik erledigt werden mußte. "Und immer hatte ich Sorgen, daß mir so'n Drogensüchtiger meine Sachen stielt, junger Mann. Man hört ja so viel schlechtes von New York", sagte sie zum Abschluß.
"Na ja, die haben es in diesem Land nicht nötig, die Kinder aus unteren Bevölkerungsschichten besser auszubilden, und die rennen dann aus nur denen bekannten Gründen in jeden einladenden Sumpf rein, um ihre Frustration loszuwerden", versuchte Julius, die Situation der sogenannten unterprivilegierten Amerikaner zu rechtfertigen, obwohl er selbst Drogen und Kriminalität als nichts einbringend ablehnte. So sagte er dann noch: "Die geraten dabei noch mit Leuten zusammen, die das voll ausnutzen und denen einzureden schaffen, wie toll und erwachsen das ist, Heroin zu spritzen oder Crack durchzurauchen und beuten die dann komplett aus."
"Es gibt auch reiche Leute, die sich an dieses Teufelszeug dranhängen", widersprach Mandys Onkel William, der in London bei der Stadtpolizei arbeitete. "Ich habe immer wieder mit jungen oder älteren Leuten zu tun, die meinen, sie müßten Kokain schnupfen oder Amphetamine gegen Erschöpfung einwerfen, deren Eltern im Vorstand namhafter Firmen oder hochrangige Bank- oder Versicherungsangestellte sind. Aber wir sind wohl nicht hier, um über Drogenabhängigkeiten zu reden, oder?"
"Kommt darauf an, mit wem Sie sprechen, Sir. Mr. Forester, der Brautvater, ist Veganer. Der lehnt jedes berauschende Mittel ab, vom Kaffee bis zum Whiskey."
"Ach, deshalb hat mich der Gentleman so komisch angeguckt", knurrte Mandys Onkel und deutete auf seine Seidenkrawatte. "Wollen nur hoffen, daß wir morgen keine langen Ohren und Hasenzähne kriegen, wenn die nur Kaninchenfutter aufs Büffet stellen."
"Fängt schon super an", dachte Julius und sagte laut genug: "Soweit mir bekannt ist gilt auch in der zaubererwelt der vereinigten Staaten Demokratie. Es gibt also wohl auch Sachen für Fleischesser und Milchtrinker."
"Und Biertrinker?" Fragte William Brocklehurst herausfordernd.
"Das kann ich nicht genau sagen, weil ich hier auch nur Gast bin, Sir", entgegnete Julius darauf.
"Wunder mich eh, daß Linus sich auf eine einläßt, die nur Grünzeug ißt", raunte Mandy und peilte schnell in alle Richtungen, ob jemand das vielleicht in den falschen Hals bekommen haben mochte. Doch Brittany stand mit Gloria und Millie zusammen und ihr Vater war nicht da, da er auf seine Verwandten aus Chicago wartete. Julius fragte sich, ob Mandy nicht in gewisser Weise recht haben mochte, daß es für Linus noch ein heikles Thema sein würde, ob er Fleisch und Milchprodukte zu sich nehmen durfte oder nur das essen durfte, was seine Frau kochte. nachher fing der noch mit irgendeiner ein sogenanntes Bratkartoffelverhältnis an, weil die die Bratkartoffeln mit Eiern und Speck anrichtete. Aber was machte er denn jetzt? Er erklärte die Ehe schon für gescheitert, bevor sie überhaupt geschlossen worden war. Dazu hatte er und gerade er kein Recht, wo sie seine frühe Heirat mit Millie bis heute für eine unüberlegte Sache ansahen, die "ganz sicher" irgendwann in die Brüche gehen würde. Als hätte er seine Gedanken an Mandys Großonkel mentiloquiert meinte dieser: "Ich hörte, Sie seien schon mit der rotblonden Walküre dort drüben verheiratet. Dabei wirken Sie auf mich noch ziemlich jung."
"In der Zaubererwelt sind wir mit siebzehn schon volljährig. Wer Volljährig ist darf dann auch heiraten, Sir", erwähnte Julius. Dabei gelang es ihm, dem Muggel eine Wahrheit zu erzählen, ohne die Wahrheit über seine eigene Eheschließung auftischen zu müssen.
"Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten, junger Mann. Ich habe meine Frau ja auch schon mit zwanzig geheiratet. Aber damals mußten wir dafür noch zu den Schmieden von Gretna Green. Die gibt's ja so heute auch nicht mehr." William Brocklehursts Frau lief an den Ohren rot an und warf ihrem Mann einen tadelnden Blick zu. Dieser zuckte mit den Schultern und legte nach: "Warum so verschämt, Emily? Auch wenn unsere Eltern was dagegen hatten hat das bis heute gehalten. Guck mal, was wir jetzt geboten kriegen!" Die angesprochene blickte sich verlegen und eingeschüchtert um. Bisher hatte sie wohl von einer magischen Welt nicht viel mitbekommen, vermutete Julius. Das würde spätestens morgen ganz anders laufen.
"Also, so ganz kaufe ich das mit der Zauberei noch nicht ab. Sicher, es gibt Schamanismus und in der Karibik die Voodooanhänger", schnitt Mandys Großonkel ein anderes Thema an. "Aber außer einem vorbeifliegenden Schlitten, der durchaus auch mit nicht sichtbaren Propellern betrieben worden sein kann, ist mir hier bisher nix über den Weg gelaufen, das aus einem Märchenbuch oder aus Tolkiens Geschichten stammen kann."
"Das liegt wohl daran, daß wir Gesetze haben, unsere Zauberei nur unter uns anzuwenden, Sir", erklärte Julius. Dann holte er seinen Zauberstab hervor, zielte auf eine der Weihnachtskerzen, die gerade nicht brannten und entzündete diese mit einem konzentriert gedachten "Lumos!" Danach schrieb er mit Zauberfadenschrift "Sind Sie jetzt Überzeugt?" in die Luft. William Brocklehurst erbleichte, deutete auf die in der Luft hängenden silbernen Buchstaben und nickte. Julius wischte die geschriebenen Wörter mit einer lässigen Zauberstabbewegung wieder fort.
"Julius, wenn du Kerzenlicht möchtest darfst du sie gerne alle anzünden", hörte er Mrs. Foresters Stimme von Hinten. Die Hausherrin und Brautmutter ließ gerade ein Tablett mit vollen Gläsern vor sich herschweben. Offenbar hatte sie Julius' Demonstration mitbekommen.
"Ich wollte Linus' und Mandys Großonkel nur zeigen, daß er nicht verulkt wurde, Madam. Ich mach die Kerze wieder aus", rief er nach hinten. Dann winkte er der brennenden Kerze mit seinem zauberstab zu und dachte "Nox Kerze!"
"Ist das Antigravitation und ist die in das Tablett eingebaut oder Telekinese?" Fragte Emily Brocklehurst und versetzte Julius in Erstaunen. Er hatte damit gerechnet, eine biedere Hausfrau vor sich zu haben, die sich nicht für übernatürliche Sachen oder für heutige Wissenschaftler unmöglich erscheinende Technologien interessierte. Er erklärte, daß das ein telekinetischer Zauber sei, der Gegenstände transportierbar und fernsteuerbar machte. Richtige Antigravitation sei es, wenn ein Gegenstand oder Raum mit einem die Schwerkraft auslöschenden oder umkehrenden Zauber belegt würde. Er erwähnte in dem Zusammenhang die Flugbesen und auch die magischen Luftschiffe, mit denen er bisher gereist war. Seine Mutter erläuterte derweil Mandys Großeltern die Gemeinsamkeiten zwischen magischer und nichtmagischer Alltagswelt. Julius fragte, woher Mrs. Brocklehurst was von Antigravitation wußte.
"Wo andere Mädchen Pferdegeschichten verschlungen haben habe ich H. G. Wells und Asimov geschmökert", erwiderte Mandys Großtante. "Eigentlich wollte ich Physikerin werden. Bin dann aber doch Sekretärin geworden", sagte sie. Das reichte Julius als Begründung. So erwähnte er magicomechanische Spielsachen und Musiker, die mit Robotern vergleichbar waren und daß es auch für die scheinbare Lebendigkeit toter Objekte gesetzliche Bestimmungen gab, die sichern sollten, daß die Bezauberung nicht zum Schaden von Menschen ausgeführt werden durfte und darauf zu achten sei, daß die Bezauberung keine Abhängigkeit des Menschen von einem bestimmten Gegenstand herbeiführte, um ihn damit unterworfen zu halten. Dann ging es noch um die magischen Verkehrsmittel, ob es sowas wie Teleportation in der Zauberei gebe und warum sie, die nichtmagischen Verwandten, mit einem für Zauberer so umständlich anmutenden Ding wie einem Düsenflugzeug anreisen mußten, wenn sie auch gleich durch ein magisches Raumtor hätten gehen oder mit einem ähnlichem Überschallzeppelin hätten anreisen können. Auch das begründete Julius mit den Gesetzen der Zaubererwelt und der stillen Koexistenz, daß die eine Welt unbehelligt neben der anderen bestehen sollte und eben nur durch Verwandtschaftsbeziehungen in Berührung kommen durfte. Daraufhin warf Mr. Brocklehurst den Begriff Parallelgesellschaft ein und erwähnte, daß es das ja auch im Bezug auf Kulturkreise und Religionen gebe. Da mußte Julius eingestehen, sich nicht sehr intensiv mit zu beschäftigen, da er wegen der umfangreichen Zaubereiausbildung andere Lernanforderungen zu erfüllen habe, seine Mutter sich aber wohl ausgiebig damit befaßt habe und Mr. Forester sicher auch einiges dazu beisteuern konnte, ob er hier gut oder weniger gut zurechtkam.
So vergingen weitere halbe Stunden, bis Melanie Redlief eintraf und sich mit Brittany und Venus beriet. Die Gäste fuhren nach dem ersten Kennenlernen mit dem gemieteten Reisebus davon. Mandy und ihre Eltern und die magischen Anverwandten aus der väterlichen Linie reisten in die bereitstehenden Gästequartiere weiter. Brittany leistete ihrer Mutter und den drei Gästen aus Frankreich noch beim Abendessen Gesellschaft. Julius vermied es, die Frage nach der gemeinsamen Ernährungsweise auf den Tisch zu bringen. Das hatte Millie jedoch schon erledigt, wie er nach dem Abendessen und einer Schachpartie gegen die Hausherrin erfuhr, die sichtlich besorgt war, wo ihr Mann abblieb.
"Die haben einen Kompromiß geschlossen, Julius. Da Linus im Ministerium arbeitet ißt er da was er will oder läßt sich Essensgeld geben, um anderswo zu essen, mosert dafür aber nicht herum, wenn er bei seiner Frau ißt und da nur veganisches Zeug vorgesetzt kriegt", erläuterte ihm Millie, während sie und Julius sich zur Nacht umzogen. Martha Eauvive spielte noch mit der Hausherrin Schach, während Brittany mit Mel und Myrna Redlief und Venus Partridge ihre Brautjungfernnacht im späteren gemeinsamen Haus zubrachte, den letzten Abend als Brittany Forester. Sowas wie einen Polterabend, wie ihn anderswo Leute am Tag vor der Hochzeit feierten oder einen Jungesellinnenabschied mit Besuch fragwürdiger Tanz- und Vergnügungslokale fand bei Brittany nicht statt, zumal sie als Veganerin ja keinen Alkohol trank.
"Sagen wir's so, Mrs. Forester kommt mit ihrem Mann ja essenstechnisch auch irgendwie klar. Dann sollte das bei Britt und Linus auch klappen. Aber schon heftig, was dem passiert ist, oder?"
"Im Grunde was ähnliches wie das, was dir passiert ist, Monju. Deshalb will der wohl jetzt so schnell wie möglich von da weg, wo die ganzen Nachbarn über ihn tuscheln", erwiderte Millie, während sie ihr gebrauchtes Unterzeug mit einem gekonnten Fortpackzauber in einen Jutesack springen ließ, in dem sie die Schmutzwäsche sammelte. Julius bestaunte dieses Geschöpf, das da bis auf das silberne Pflegehelferarmband und den rubinroten, pulsierenden Herzanhänger unbekleidet vor ihm stand und mit einer Mischung aus Verspieltheit, Anmut und Verlockung ihren Zauberstab führte. Er stellte fest, daß sie ihm in Punkte ungesagter Haushaltszauber zumindest ebenbürtig geworden war. Das mochte die früh begonnene Übung mit ungesagten Zaubern bewirkt haben, vielleicht auch das Abschauen von ihrer Mutter, ihrer großen Schwester und anderen Hexen in der Verwandtschaft. Jedenfalls wirkte sie entspannt und zufrieden, als sie das getragene Zeug verstaut und die Reisetasche mit einem zauberstabwink verschlossen hatte.
"Morgen wird's bestimmt ein langer Tag", vermutete Julius. "Ich kann mir nicht helfen, aber bei der zusammentreffenden Verwandtschaft könnte es hier oder da zu kleinen oder großen Reibereien kommen."
"Wie kommst du da drauf?" Wollte Millie wissen. Julius erklärte es ihr, daß sich Mandys Muggelverwandte etwas abfällig über die vegane Lebensweise geäußert hatten und wohl auch einige nicht sonderlich gut damit klarkamen, in einer ihnen völlig fremden, ja bisher unmöglich erschienenen Welt zu feiern, sie aber im Moment wohl nach der Devise handelten, daß wer ohne zu maulen mitspielte schneller aus der Sache wieder rauskam.
"Wir haben auch noch nicht alle Gäste mitbekommen, die morgen da sind", stellte Millie fest. "Brittanys Großeltern aus der Muggelwelt sind ja noch nicht da. Ich dachte, die sollten schon beim Abendessen da sein."
"Probleme mit dem Flugverkehr, Millie. Wenn so viele Flugzeuge durch die Luft rauschen kommt es hier und da zu Staus in den Flughäfen und Verspätungen wegen nicht rechtzeitig gestarteter Zubringermaschinen und so. Konnte mein Vater eine Menge Lieder von singen."
"Kann er wohl demnächst wieder", mentiloquierte Millie mit Hilfe des Herzanhängers. Denn sie kannte die Wahrheit über Julius' Vater. Er schickte zurück, daß er hoffte, daß es ihm jetzt besser ginge als früher. Dann suchten beide das Gästebad auf und legten sich schlafen.
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Julius erwachte um ein Uhr Ortszeit, weil er etwas rumpeln gehört hatte. Dann vernahm er Stimmen, die im Flüsterton sprachen. Er hörte das Wort "Mom" heraus und erkannte, daß die Foresters aus Chicago eingetrudelt sein mußten. Millie lag ruhig atmend neben ihm. Ihre Wärme hüllte ihn ein und gab ihm das Gefühl absoluter Geborgenheit. Er unterdrückte das Verlangen, seine Hand auszustrecken und sie zu berühren. Doch sie hatten sich abgesprochen, daß sie während der Zeit bei den Foresters nichts anderes anstellen würden als nebeneinander zu schlummern. Außerdem wollten sie beide ihre junge Liebe nicht wegen übergroßer Häufigkeit in Langeweile ausarten lassen. So vertrieb er sich die Zeit bis zum Wiedereinschlafen mit Gedanken an das kommende Fest. Er hoffte, daß es nur eine Feier ohne Krach und Unmut werden würde und daß keine der bekannten Bedrohungen der zaubererwelt in dieses Fest hineinplatzte. Sicher würde es morgen dadurch erschwert, weil die Ministergattin sich mehr oder weniger selbst eingeladen hatte, weil sie die Geheimhaltungsbestimmungen hatte lockern lassen. Dennoch hoffte Julius, daß weder die Verschmelzung zwischen Anthelia und Naaneavargia, noch die Vampirlady Nyx oder ein neuer Dunkelmagier vom Schlage Voldemorts fand, diesen Tag für Brittany, Linus und ihre Gäste auf eine besondere Art unvergeßlich zu machen.
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Brittanys Großvater väterlicherseits gehörte offenbar zu denen, die mit wenig Schlaf auskamen. Denn als Julius am Morgen des neunundzwanzigsten Dezembers um sieben Uhr aufstand, hörte er einen Mann den er noch nicht kannte mit dem Hausherren in der Küche reden. Es klang nicht gerade nach einer friedlichen Vater-Sohn-Unterhaltung, eher nach einem dieser weltweit und kulturübergreifend immer wieder aufkommenden Reibereien zwischen den Generationen. Er hörte dabei heraus, daß Linus darüber im unklaren gelassen worden sei, daß Brittany außerehelichen Verkehr gehabt hatte und er, Daniel Forester, nicht richtig auf seine Tochter aufgepaßt habe. Julius befand, daß er deshalb vorerst nicht in die Küche gehen würde, um sich den beiden nicht als unfreiwilliger Zuhörer anzubieten. Er benutzte das Bad und zog sich an. Millie folgte ihm. Als beide öffentlichkeitstauglich angezogen waren, jedoch noch nicht ihre Festgarderobe trugen, wollten sie ein wenig Frühsport machen. Doch die Haustür war verschlossen. Da sie nicht wußten, ob sie als Nicht-Familienangehörige aus dem verschlossenen Haus herausdisapparieren konnten, blieb ihnen nichts anderes, als sich die Dekoration anzusehen, die Mrs. Forester am Abend noch vervollständigt hatte. Goldene Luftballons hingen wie riesige Weintrauben unter der Decke im Wohnzimmer und vor allem in der gläsernen Pyramide, in der nun auch die Tische mit blütenweißen Decken verhüllt waren. Julius konnte silberne Kelche und Goldrandteller aus hauchzartem Porzellan bestaunen, aber auch ein vergoldetes Podium, auf dem wohl nachher das Festorchester aufspielen würde. Er staunte überhaupt nicht, daß die von außen so kleine Glaskonstruktion innen wie ein Kongreßsaal so groß ausfiel. Rauminhaltsvergrößerung war für Millie und ihn ja bereits ein alter Hut. Millie deutete wortlos auf einen großen, kreisrunden Körper, der wie eine geschlossene Backform oder eine undurchsichtige Käseglocke aussah. Das Objekt durchmaß mindestens zwei Meter und wurde an der Oberseite durch einen zylinderförmigen Aufsatz gekrönt. "Da wird wohl schon die Hochzeitstorte drunterstecken", wisperte Millie. "Ich hab's mir von Ma erzählen lassen, daß Oma Line und Oma Lutetia so eine Conservatempusform benutzt haben." Julius staunte nicht schlecht. Welcher Ofen konnte eine zwei Meter durchmessende, bestimmt einen Meter hohe Torte fassen? und wie lange mußte so ein Backkunstwerk backen? Er wollte an die Form herantreten und nachschauen, als die durchsichtige Schiebetür aufglitt und eine ältere Frau hereinkam, die vom Gesicht und Haar her Professor Foresters Mutter sein mochte. "Na, ihr wollt doch nicht etwa schon an unsere Torte drangehen, bevor der Zeremonienmagier die Hochzeitsfunken versprüht hat, die Herrschaften", zischte sie die beiden an. Millie und Julius schüttelten ihre Köpfe. Julius entschuldigte sich für die Neugier und sprach die ihm noch nicht offiziell vorgestellte mit dem neutralen Madam an, weil er nicht wußte, wie Mrs. Foresters Mädchenname gelautet hatte. "Wintergate, Luella Wintergate", bügelte die Fremde Julius' Wissenslücke aus. "Ich bin Brittanys besenreitende Oma." Julius stellte seine Frau und sich vor, obwohl das eigentlich überflüssig war, da sie die einzigen Gäste jünger als zwanzig in diesem Haus waren. Sie erfuhren, daß Brittanys Großmutter ebenfalls in der Nacht eingetroffen war und ihrer Tochter bei der Abrundung der Hochzeitsdekoration geholfen hatte und sich fast mit Brittanys anderer Oma in der Wolle hatte, weil die "diesen Hokuspokus" für übertrieben hielt. Er erwähnte, daß er dann wohl auch schon ihre Enkeltochter gleichen Namens getroffen habe, als er vor mehr als einem Jahr in den Osterferien in Viento del Sol zu Gast war. Sie lächelte und erwähnte, daß Luella ihr das erzählt habe, weil ihr imponiert habe, daß Julius einen eigenen Kniesel habe. Julius erkundigte sich dann nach Buffy, der Riesenfroschdame. Brittanys Hexenoma lachte leise und erwähnte, daß ihr Sohn das Froschweibchen erfolgreich mit mehreren Männchen zusammengebracht habe, so daß ihre Enkeltochter keine weiteren Zungenküsse mehr bekommen habe. Julius erwähnte, daß Brittanys Vater wohl noch letzte ausstehende Meinungsverschiedenheiten klären müsse und sie deshalb nicht in die Küche gegangen wären. "Ich habe mit Lorena und Brittany einen gewissen Burgfrieden geschlossen, damit ihre Hochzeit nicht zum Stress wird", erwiderte Mrs. Wintergate. Dann schlug sie vor, daß sie besser noch warteten, bis die Hausherrin dem Vater-Sohn-Disput ein Ende machte und sie zum Frühstücken antreten durften. Millie und Julius nickten zustimmend und zogen sich wieder in ihr Zimmer zurück, um die Herren Forester nicht zu stören. Sie verließen das Zimmer erst, als Mrs. Forester laut durch das Haus rief: "Alle die schon auf sind bitte in die Küche zum Frühstücken!"
Es war schon eng in der Küche, obwohl sie relativ groß ausfiel. Brittanys Hexenoma verbarg ihr Gesicht hinter einer Ausgabe des Westwinds, während Mr. Forester Senior die Latierres und Martha Eauvive befragte, wie sie mit den ganzen Umstellungen klargekommen seien. Ab und an warf er Mrs. Wintergate einen kritischen Blick zu, weil diese sich zum Frühstück Rührei mit Schinken gemacht hatte und aus einer großen Tasse pechschwarzen Kaffee trank, während er Müsli mit Fruchtstücken aß und Pampelmusensaft statt einem Heißgetränk bevorzugte. Als Brittanys Großmutter dann noch Speckpfannekuchen verteilte konnte sich Brittanys Großvater nicht zurückhalten und bemerkte: "Schon mal dran gedacht, wie viele Schweine dafür in viel zu engen Ställen zusammengepfercht wurden, um das bißchen Speck anzusetzen, daß du da so beiläufig verkostest?"
"Schon mal dran gedacht, daß ich zehn Jahre älter als du bin, Raymond? Ich könnte deine große Schwester sein. Also hör bitte auf mit deinen missionarischen Tiraden! Die haben auf mich keine Wirkung. Abgesehen davon liegt es in der Natur des Menschen, daß er Fleisch ißt. Sonst wäre die Gattung Mensch wohl kaum über die letzte große Eiszeit hinweggekommen."
"Ich wollte dich nur an deine Vorbildfunktion für die jungen Leute hier erinnern, Luella", knurrte Raymond Forester. Seine Frau Abigail nickte heftig, während ein Mann, der Dan Forester so ähnlich sah, daß es nur sein Bruder sein konnte, keine Lust verspürte, in die aufkommende Debatte um ethisch vertretbare Lebensweisen einzugreifen. Er wirkte auch so, als sei er mit der Lebensweise seines Vaters auch nicht so ganz einverstanden, unterdrückte jedoch den Wunsch, auch von den duftenden Pfannkuchen zu probieren, obwohl ihm Mrs. Wintergate herausfordernd einen hinhielt. Millie und Julius hatten damit aber keine Probleme und ließen sich von Raymond Foresters tadelndem Blick auch nicht den Appetit verderben. Julius dachte nur daran, daß das noch lustig werden konnte, wenn nachher womöglich noch Steaks und andere aus Tieren gewonnenen Köstlichkeiten aufgeboten wurden. Brittanys Muggelweltgroßmutter fragte Millie und Martha, ob sie nachher lange Kleider oder diese Umhänge anziehen würden, wie sie sie an den hier herumlaufenden Hexen schon gesehen hatte. Millie vertröstete sie darauf, daß sie das in einer Stunde wissen würde. Martha Eauvive wußte wohl nicht, wie sie es der älteren Dame aus Chicago erklären sollte, daß sie ein regenbogenfarbiges Kleid anziehen würde. Zumindest meinte Julius, es so vom Gesicht seiner Mutter ablesen zu können.
Abgesehen von der kleinen Unstimmigkeit im Bezug auf Eierkuchen mit Speck verlief das Frühstück friedlich. Die Eltern dan Foresters ließen sich erzählen, wie Paris aussah und welchen Unterschied es zu amerikanischen Städten wie New York und Chicago machte. Julius erhielt die Bestätigung, daß wegen eines Zubringerfluges aus New York die Inlandsmaschine von Chicago nach San Francisco hatte warten müssen und dabei zwei Startfenster verpaßt habe. Millie wollte darauf wissen, was mit einem Startfenster gemeint war. Ihre Schwiegermutter erklärte es ihr, daß damit gemeint war, daß zu einer bestimmten Zeit nur eine bestimmte Anzahl Flugzeuge in einem vorgegebenen Luftraum unterwegs sein durfte. Maschinen, die nicht innerhalb dieses Zeitraums starten konnten mußten warten, bis das Flugaufkommen geringer wurde und sie in den vorgeplanten Luftraum einfliegen durften. Mr. Forester Senior knurrte darauf abfällig, daß die Mitglieder der Hokuspokuswelt wohl keine Probleme damit hätten, wo die doch auf Hexenbesen flögen und wohl auch das Beamen ohne Transporterraum beherrschten. Da Millie den Begriff von Julius schon längst erklärt bekommen hatte konnte sie darüber nur grinsen. Julius' Mutter glättete die aufkommenden Wogen damit, daß sie durchaus noch wußte, wie stark das Flugaufkommen der letzten Jahre geworden war und sie zumindest verstehen konnte, daß es Beschränkungen wie Startfenster gab, um keinen Stau in der Luft zu verursachen.
Nach dem Frühstück war allgemeines Umziehen angesagt. Julius blieb im Gästezimmer, während seine Frau es schaffte, vor Mrs. Wintergate das Badezimmer zu besetzen, um sich umzuziehen und zu schminken. Julius konnte sich mit seinem magischen Rasierer auch ohne Waschbecken trimmen. Die abgeschabten Stopeln ließ er einfach in ein heraufbeschworenes Schüsselchen fallen und ließ dieses nach der Rasur wieder verschwinden. Dann schlüpfte er in seinen grün-goldenen Maßumhang und rückte den dazugehörigen Zaubererhut zurecht. Als er fertig war traf er seine Frau, die ihr jadegrünes Kleid trug und ihre rotblonde Mähne mit einer goldenen Spange im Nacken zusammengesteckt hatte. Brittanys Großvater väterlicherseits warf einen kritischen Blick auf das Kleid und den Umhang und deutete dann auf Julius' spitzen Hut. "Ist das bei den Hexen und Hexenmeistern üblich, in geschlossenen Räumen den Hut auf dem Kopf zu tragen?" Fragte er. Julius nickte und wies darauf hin, daß sie auch in der Schule mit Hüten auf den Köpfen im Unterricht saßen, der meistens in geschlossenen Räumen abgehalten wurde. Er gönnte sich die Frechheit zu sagen: "Ist ja schließlich keine Kirche, wo wir lernen." Damit traf er offenbar bei den Eltern des Brautvaters einen schmerzhaften Punkt. Denn Mrs. Forester verzog das Gesicht und seufzte, daß es keine ordentliche Hochzeit sei, wenn das Brautpaar nicht vor einem christlichen Altar einander Treue schwor. Das wiederum brachte Mrs. Wintergate dazu, zu antworten, daß die sogenannten anständigen Christen die Zauberei ja als pure Sünde ansahen und es sich deshalb mit anständigen Hexen und Zauberern verdorben hätten und eine Zaubererwelthochzeit bindender sei als ein Amen in der Kirche und daß Raymond und Abigail das ja nachher erleben würden. Dan Forester schlug vor, daß sein Vater den mitgebrachten Zylinder aufsetzen möge, um zwischen den anderen Hutträgern nicht mehr aufzufallen als eh schon. Sein Vater hatte dafür nur einen abschätzigen Blick übrig. Dann sah er Millies grünes Kleid noch einmal genauer an und fragte mit einer mißtrauischen Tonlage, ob es aus Seide sei. Millie grinste überlegen und erwähnte, daß das Kleid aus rein pflanzlichen Fasern bestand, die ähnlich zart und fließend verwoben seien wie Seide und sie genau deshalb diesen Stoff gewählt habe, um der Braut nicht den Tag zu verderben, daß diese an viele tausend tote Seidenraupen denken mußte, wenn sie sie in diesem Kleid sah. Julius erwähnte dann auch, daß seine Festgarderobe keine tierische Faser enthielt, aber ein paar haardünne Goldfäden eingewoben worden seien, was Mr. Forester mit dem Wort "Neureiche Dekadenz oder was?" kommentierte. Martha Eauvive fühlte sich berufen, darauf hinzuweisen, daß sie ihren Sohn nicht zur Verschwendungssucht und Prahlerei erzogen habe, obwohl es finanziell möglich gewesen sei. Julius dachte dabei jedoch an die überkorrekten Anzüge, die seine Eltern ihm immer wieder aufgenötigt hatten und die bei seinen früheren Schulkameraden schon als überheblich und protzig rübergekommen waren. Doch das war in einem anderen Leben und daher heute nicht erwähnenswert. Mrs. Wintergate fragte Julius' Mutter, woher sie das bunte Kleid habe und erwähnte, daß ihre Großmutter selbst in so einem Kleid geheiratet habe, da sie bereits vor der Ehe von den Früchten der Liebe gekostet habe und sie daher nicht im reinen Weiß oder einem anderen makellosen hellen Farbton vor den Zeremonienmagier hatte treten dürfen. Das seien noch andere Zeiten gewesen. Darauf mußte Mr. Forester Senior sofort einwerfen, daß Brittany dann auch in einem dunkleren Kleid zur Hochzeit anzutreten habe, wo die doch gemeint habe, bestimmte Sachen vor dem erlaubten Zeitpunkt auszuprobieren, was seinem Sohn ein gequältes Stöhnen aber auch ein Kopfnicken abrang. Die Brautmutter machte dem aufkommenden Geplenkel jedoch sofort ein Ende, indem sie einwarf, daß die beiden Eheleute ein ganzes Leben vor sich hatten und jeder mit dem Vorleben des anderen vertraut sei und das das einzig wichtige sei und nicht, ob die Braut unberührt in die Ehe ginge oder nicht, zumal - wobei sie Ray und Gail Forester ansah - es bei den nichtmagischen Menschen heutzutage eh keine Rolle mehr spiele, wann bestimmte Erfahrungen gemacht würden. Dann deutete sie auf ihren Mann und hies ihn, nun doch loszufahren, um seine Tochter abzuholen.
"Haben Sie eine Hochzeitskutsche angemietet?" Fragte Julius herausfordernd. Mr. Forester schüttelte den Kopf und erwähnte, daß wegen Brittany und ihm kein Pferd zu arbeiten habe. Er habe von den Leuten hier die Erlaubnis, mit einem Auto zu fahren, solange die Hochzeitsfeierlichkeiten dauerten. Julius durfte das Hochzeitsauto besichtigen, einen schneeweißen Cadillac aus den fünfziger Jahren, das Sinnbild des amerikanischen Traums von großen Autos auf endlos erscheinenden Autobahnen. Da Dan Foresters Eltern nicht allein mit den Zaubererweltleuten bleiben wollten, zu denen sie ja Martha und Julius dazurechnen mußten, durften sie mit dem Brautvater mitfahren. Millie prüfte dann mit den anderen Hexen aus dem Rotbuchenhaus die Dekoration, während Julius mit Gloria über Zweiwegespiegel sprach. Die Porters und Redliefs würden in einer halben Stunde aufbrechen.
Fünf Minuten nach dem Gespräch mit Gloria fauchten drei Besucher aus dem Kamin im Rotbuchenhaus. Millie und Julius erkannten die junge Hexe Luella wieder und lernten deren Eltern, den weizenblonden Brandon Wintergate und seine Frau Joanna kennen, von der die junge Luella Haar und Augenfarbe geerbt hatte. Das junge Mädchen trug ein hellblaues Rüschenkleid und hatte das Haar zu einem strengen Zopf gebunden. Seine Mutter führte eine saphirblaue Ballrobe aus, während Ihr Mann einen limonengrünen Nadelstreifenumhang und sonnengelbe Halbschuhe trug. Er begrüßte Julius, nachdem die Latierres und Wintergates ordentlich von Mrs. Forester vorgestellt worden waren und erkundigte sich nach dem Knieselweibchen. Julius erwähnte locker, daß sie gerade erst wieder einen Wurf Junge bekommen hatte und er sie wohl diesen Sommer mitnehmen dürfe, wenn er siebzehn Jahre alt würde.
Dann apparierte noch ein hochgewachsener Zauberer im goldroten Festumhang und elfenbeinfarbenem Spitzhut, der so aussah wie eine verjüngte Ausgabe von Brittanys Zaubererwelt-Großvater. Das war James Wintergate, ein leidenschaftlicher Erforscher amerikanischer Zaubertiere. Er begrüßte seinen Schwager Brandon, dessen Frau und die zwischen Mädchen und Frau rangierende Luella, bevor er seine Eltern sah, die noch ein wenig an der Dekoration herumgewerkelt hatten. Seine Mutter sagte für alle im Umkreis von zwanzig Metern mithörenden vernehmlich: "Ich bin erleichtert, daß du es noch geschafft hast, dich zivilisiert zurechtzumachen, wo ich hörte, daß du diese Nacht erst aus dem Amazonas-Dschungel zurückkämst."
"Die wollten mich da nicht weglassen, Mom. Vor allem nicht diese nette, gertenschlanke Senhorita Elena Carmen Gilberto Torres, die eigentlich noch mit mir eine Runde um den Zuckerhut drehen wollte."
"Du erzählst mir seit zehn Jahren, daß du andauernd mit jungen Damen zu tun hast, James. Aber ich denke, auch dieses brasilianische Mädchen wird nicht zu dir hinziehen und die Mutter meiner Enkel", grummelte Mr. Wintergate. "Such dir endlich was übersichtlicheres als dieses herumkrauchen in Urwäldern!"
"Dad, jedem das seine. Abgesehen davon haben Brandon und Lorena dir schon Enkel beschert, und ich bin noch viel zu neugierig, um mir so'n Bürojob im ZTB zu suchen. Also bitte keine weiteren Diskussionen über meine Lebensführung, wo Britt heute heiratet. Wo is'n die eigentlich?"
"Wo wohl, in ihrem Haus, sich für die Hochzeit zurechtmachen, Junge", schnarrte Mrs. Wintergate, bevor sie erkannte, daß sie ihren Sohn noch wem vorzustellen hatte. Millie erwähnte nach der förmlichen Vorstellungsrunde, daß sie schon von ihm gelesen habe. Er habe doch die Beschreibung des südamerikanischen Schlangenfisches veröffentlicht. James Wintergate nickte und erwähnte, daß er dabei fast einen Fuß und eine Hand verloren habe, weil der Schlangenfisch noch gefährlicher sei als ein Schwarm Piranhas und nur deshalb noch nicht den ganzen Amazonas leergefressen habe, weil er vorzugsweise dort lebe, wo keine stationäre Magie wirke, weil sie die wohl wie störenden Lärm wahrnähmen. Das hätten die mit echter Magie hantierenden Schamanen erkannt und die Flußabschnitte, an denen ihre Stämme wohnten derartig mit Ritualen überladen, daß dieses aalartige Wasserwesen sich dort nicht mehr blicken ließe. "Tja, und weil dieser Schlangenfisch so magiescheu ist, paart der sich nur dann, wenn er kurz vor dem natürlichen Tod ist. Daher gibt es nur wenige Exemplare. Die Jungen werden häufig von Piranhas und Flußdelphinen erbeutet, bevor sie mehr als zwanzig Zentimeter lang sind und sich erfolgreich zur Wehr setzen können. Die zunehmende Wasserverschmutzung und Wildrodung des Regenwaldes führt aber zum Aussterben der Piranhapopulationen und begünstigt somit die gegen viele Gifte widerstandsfähigen Schlangenfische. Vor allem was die Blausäure im Wasser zu suchen hat verstehen nur die Muggel."
"Zyanid wird zur Goldgewinnung aus Wasser benutzt", antwortete Julius wie auf Knopfdruck. James Wintergate sah ihn verdutzt an. Julius erklärte ihm dann, warum die Goldgewinnung so umweltbedenklich sei. Er schrieb es sich auf und meinte dann noch, daß er nun zumindest wisse, was das Gift im Fluß solle, wenngleich es dort auch nach der Erklärung nichts verloren habe. Dem konnte Julius nur verlegen zustimmen, zumal die Goldsucher in Südamerika schon genug Schaden an der Tier- und Pflanzenwelt anrichteten und die dort noch verborgen lebenden Eingeborenen mit für diese tödlichen Krankheitserregern ansteckten. "Sagt Elena auch. Das ist meine brasilianische Assistentin, die neben der magischen Fauna auch die Flora erforscht." Millie und Julius nickten bestätigend.
Zehn Minuten später traf Linus Brocklehurst mit seinen Verwandten ein. Er trug einen makellosen, mitternachtsblauen Festumhang und einen nachtschwarzen Zaubererhut mit einem winzigen Phönix aus Gold an der Spitze. Kragen und Säume des Umhangs waren mit silbernen Halbmonden und Sternen verziert. Sein Trauzeuge war sein Cousin Keneth, der mit seinen Eltern aus Misty Mountain stammte und einen königsblauen Festumhang und einen dunkelbraunen Zaubererhut ohne Verzierungen trug. Per Apparition oder Flugbesen trudelten mehr und mehr der Gäste ein. Der Reisebus mit den Muggelweltverwandten der Brautleute würde wohl eine Viertelstunde vor der angesetzten Trauung eintreffen. Julius half der Brautmutter noch bei der Bestuhlung des Wintergartens. Hier kamen die praktischen Faltstühle zum Einsatz, die in durch einen Mittelgang getrennte Sitzreihen angeordnet wurden. Die bereits gedeckten Tische wurden an die Wand gerückt. Linus blickte zum goldenen Podium hoch. Dort oben würden er und Brittany in einer Stunde zu Mann und Frau erklärt werden. Julius sah ihm an, daß er mit dieser bevorstehenden Wendung wohl doch nicht so locker umging. Denn der Bräutigam wirkte verschüchtert oder betrübt. Deshalb sprach er ihn leise an:
"Lampenfieber?" Fragte er ihn vorsichtig.
"Wenn es der Begriff für das ist, was jemand vor einem großen Auftritt fühlt auch", erwiderte Linus. "Allerdings, wo ich jetzt die ganze Sippschaft von mir und von Britt auf einem Haufen zusammenkommen sehe, wird mir erst klar, was ich da vorhabe und ob das wirklich schon jetzt sein mußte."
"Sie brauchen nur mit Nein zu antworten, falls es Ihnen zu früh ist, Mr. Brocklehurst", machte Julius einen überaus unerhörten Vorschlag. Linus glotzte ihn dafür erst total verstört an wie vor eine Glaswand geprallt. Dann mußte er jedoch grinsen und sagte: "Wenn ich das je vorgehabt hätte wäre ich heute nicht hier. Es ist nur bedauerlich, daß Dad mir nicht zusehen kann."
"Ich denke doch, daß er irgendwie bei Ihnen ist", entgegnete Julius und erwähnte seinen Vater und den zu frühen Tod seiner ersten Freundin, von denen er jedoch sicher wußte, daß sie beide durch ihn und die Verwandten und Freunde weiterlebten und deshalb dabei waren, wo er geheiratet hatte. Linus erwiderte, daß er jetzt nicht wußte, ob ihn diese Vorstellung freuen oder beunruhigen sollte. Dann beschloß er, daß er das als beruhigende Vorstellung nehmen wollte.
Die Türglocke der Foresters läutete erneut. Linus lächelte: "Das werden Onkel Lucky und Großtante Hygia sein. Er war sich nicht sicher, ob er noch früh genug eintrudeln konnte, und sie mußte sich wohl eine Erlaubnis von Prinzipalin Wright holen, um für diesen Tag aus Thorny rauszukommen."
"Moment mal, die Hygia Merryweather?" Fragte Julius. Linus nickte. "Das hat mir keiner erzählt, daß sie Ihre Großtante ist", erklärte Julius sein Erstaunen.
"Stimmt, du hast sie ja zweimal getroffen, hat sie mir mal erzählt. Einmal als das mit deinem Vater war und dann noch mal hier in VDS", erwiderte Linus und erinnerte Julius daran, daß dieser ihn ruhig auch mit Vornamen und du ansprechen durfte. Dann folgte er seiner künftigen Schwiegermutter zur Tür, um die Gäste zu begrüßen. Die bereits im Haus wartenden Hochzeitsgäste wurden von Mrs. Wintergate gebeten, das Haus zu verlassen und sich zu zwei Reihen von wartenden aufzustellen. Julius erhaschte noch einen Blick auf die Schulheilerin von Thorntails und einen hageren Zauberer mit nachtschwarzem Haar, wie es Linus besaß. Der zauberer trug einen saphirblauen Umhang mit goldenen Sternen und einen sonnengelben Bowler. Seine Füße steckten in grasgrünen Lederstiefeln. Er wirkte irgendwie so, als sei er hier als Unterhaltungskünstler angestellt, so sehr strahlte er in die Runde der bereits versammelten Gäste. Das war also Madam Merryweathers Sohn? Dachte Julius erstaunt. Ihm fiel wieder ein, daß heiler und Heilerinnen entweder schon vor der Ausbildung verheiratet sein mußten oder nur mit Genehmigung der Zunft heiraten und Familien gründen durften. So vermißte er den Vater des zauberers. Aber sicher stand der irgendwo in der Menge derer, die sich nun zu beiden Seiten der Straße aufreihten. Julius gesellte sich zu Millie, links von Gloria und Myrna flankiert, die in goldenen Kleidern erschienen waren. Martha Eauvive ließ sich von Mrs. Forester zu den anderen über zwanzig Jahre alten Gästen dirigieren, wobei ihr buntes Kleid zwischen den einfarbigen, hellen Festkleidern und -umhängen schon fast schmerzhaft in die Augen stach. Doch offenbar hatte Julius' Mutter befunden, es darauf anzulegen, wohl auch, um bei einem möglichen Mißerfolg ihrer Vorführung Madeleine L'eauvite melden zu können, daß die Idee mit dem Regenbogenkleid nicht gut angekommen war.
"Mum hat die Braut schon gesehen. Sie kam noch dazu, um letzte Feinabstimmungen vorzunehmen", berichtete Gloria. Dann hörten sie das Rattern eines Dieselmotors von den Wänden widerhallend. Es dauerte dann nur noch zehn Sekunden, bis der große Bus um die Ecke bog und mit zischenden Bremsen vor dem Rotbuchenhaus hielt. Die Fahrgäste verließen den Bus so schnell, wie es die langen Kleider und schnieken Anzüge erlaubten. Sie wurden von den Zaubererweltverwandten herangewunken. Als die Muggelwelt-Brocklehursts vollzählig aufstellung genommen hatten ruckte der Bus wieder an und knatterte die Straße entlang weiter. Keine Minute zu früh. Denn Julius konnte nun das kraftvolle Orgeln eines Zwölfzylinders hören und sah den weißen Cadillac um die Ecke gleiten. Alle applaudirten, als Dan Forester den mit Tannengrün und Glöckchen geschmückten Hochzeitswagen in einem Ansatz vor der Tür parkte. Jetzt fehlte nur noch der Zeremonienmagier, dachte Julius. Da sah er, wie die Brautmutter eine kleine Silberglocke aus ihrem silbergrauen Festkleid holte und damit läutete. keine fünf Sekunden darauf apparierte ein untersetzter, Würde ausstrahlender Zauberer mit schwarzem Bart und kurzem Haupthaar, der einen blütenweißen Festumhang mit goldenen Kleeblättern trug. Auf dem Kopf trug der Ankömmling einen kegelförmigen weißen Hut mit goldenen Sonnensymbolen. Julius machte sich darauf gefaßt, gleich legilimentiert zu werden, wie es bei Jeannes und Barbaras Hochzeit der Fall war und wie Laroche es auch bei seiner eigenen Hochzeit getan hatte, um auszuschließen, daß diese Hochzeit unter Zwang, womöglich durch Imperius-Fluch, stattfinden mochte. Der Neuankömmling winkte mit der rechten, weiß behandschuhten Hand ins Publikum. Er trug sonnengelbe Stiefel mit schnabelartigen Spitzen und schien hier jeden magischen Gast persönlich zu kennen, zumindest jeden, der sich rühmen mochte, in den Staaten geboren zu sein. Er versenkte gerade noch eine ähnliche Silberglocke, wie sie die Brautmutter gerade geläutet hatte, in seinem weiten Festumhang, bevor er sich dem Hochzeitsauto zuwandte. Die Fahrertür klappte auf, und Dan Forester entstieg dem Cadillac. Er gingzunächst zur Beifahrertür und half seiner Mutter aus dem Wagen, die trotz der Größe des Straßenkreuzers Probleme hatte, sich aus dem Einstieg zu befreien. Er deutete auf die Gruppe der wartenden Gäste und öffnete die rechte Hintertür.
Erwartungsvolles Schweigen erfüllte den Platz vor dem Haus. Alle Blicke waren auf den Fond des weißen Autos gerichtet. Julius sah es innerhalb des Wagens hell glänzen. Dann schlängelte sich eine Gestalt im schneeweißen Brautkleid, dessen Material genauso fließend war wie das von Millies Festkleid, aus dem Cadillac hervor. Julius erkannte goldene Schuhe mit weißen Schnürbändern, bevor der Saum des Kleides so tief fiel, daß die Braut fast darauf trat. Vor ihrem Gesicht wehte ein hauchzarter Schleier, hinter dem Julius Brittanys Gesichtszüge wohl nur deshalb erahnte, weil er sie kannte. Auf dem Kopf trug sie einen silbernen Reif mit Saphiren und Smaragden. Julius fragte sich, wie viel dieser Reif gekostet haben mochte. Da erfuhr er von Millie, daß Brittany sich diesen Reif von ihrer Großmutter Luella ausgeliehen hatte. Brittany trat einen Schritt vor. Wie eine sich abrollende Schlange fiel nun eine wolkenweiße und ebenso zarte Schleppe über ihren Rücken und verschwand im inneren des Wagens, von wo nun Melanie Redlief, die ein hellblaues Kleid mit silbernen Verzierungen trug, den Kopf einzog und freihändig dem Wagen entschlüpfte, mit beiden Händen einen Teil der Schleppe haltend, deren Ende jedoch über Mels Rücken hinwegreichte und immer noch mit dem Ende im Wageninneren verborgen war. Erst als die ebenfalls in einem blauen Kleid mit silbernen Pentagrammen gehüllte Venus Partridge aus dem Wagen stieg konnte Julius sehen, daß die Schleppe am Ende noch aufgerollt war. Mühevoll zwengte sich nun noch der Vater des Brautvaters aus dem Fond des Cadillacs und zupfte an seinem durch das beengte Sitzen zerknitterten Anzug. Dan Forester deutete auf die Hintertür. Sein Vater klappte sie zu und schloß auch die Beifahrertür. Brittanys Vater trat auf die linke Seite und bot seiner Tochter den Arm zum Unterhaken. Brittany winkte den wartenden Gästen und präsentierte einen Strauß aus bunten Blumen, die sicher in einem der Gewächshäuser in Viento del Sol gezogen worden waren. Behutsam, um nicht auf den Saum des Kleides zu treten, schritt die Braut mit ihrem Vater auf den Eingang des Hauses zu. Ihre Mutter, die gerade so noch zwei kleine Tränen mit einem weißen Taschentuch abtupfen konnte, gesellte sich zu ihrer Tochter und ihrem Mann. Die beiden Brautjungfern hielten die Schleppe hoch, von der Julius nicht wußte, wie lang diese war. Das erkannte er erst, als die strahlende Braut über die Türschwelle trat und in ihrem Elternhaus zu verschwinden trachtete. Millie hakte sich rechts bei Julius ein, Gloria links, ohne daß ihm Zeit blieb, irgendwas dazu zu sagen. Sie folgten den Angehörigen des Brautpaares mit den anderen, nicht verwandten Gästen. Julius' Mutter hielt sich dabei in der Nähe von Plinius Porter und dessen Frau Dione, die wie ihre Tochter ein goldenes Kleid trug.
Sind wirklich hundert Leute", stellte Julius fest, als er die Türschwelle überschritten hatte. Gäste aus dem Dorf, die Verwandtschaft und die Besucher aus Übersee. Julius vermißte nur die eigentlich angekündigte Ministergattin Cartridge, der er in den vorletzten Osterferien begegnet war. Als habe er mit seinen Gedanken einen Apportationszauber oder Aufruf zur Apparition bewirkt erschien sie, gekleidet in einen sehr weiten, veilchenblauen Umhang zusammen mit einer Hexe und einem Zauberer, der Venus' Vater ähnelte, allerdings um mehr als zwanzig Jahre älter wirkte.
"Sie hat sich Flavius Partridge mitgenommen. Klar, wo dessen Großnichte eine der Brautjungfern ist", machte Myrna den Herold, als sie merkte, daß Julius Mrs. Cartridge erkannt hatte. Seinen Informationen nach trug sie bereits ihr zweites Kind. Daher wohl der weite Umhang. Unvermittelt trat die braunhäutige Chloe Palmer, die ortsansessige Heilerin und Hebammenhexe neben die Ministergattin. Dann konnte Julius noch eine Nachzüglerin sehen, die um die Ecke gelaufen kam, ein kleines Mädchen auf den Schultern tragend. Das rotblonde Haar war zu einem strammen Zopf geflochten, und der Körper in ein sonnengelbes Kleid gehüllt, während das kleine Mädchen ein ähnlich weißes Kleidchen trug wie die strahlende Braut, aber ohne Schleier und Schleppe.
"Na wunderbar, die auch noch", grummelte Julius an Millies Adresse und deutete mit dem Kopf auf die Nachzüglerin.
"Hat Britt doch erzählt, daß sie auch kommt", erwiderte Millie gelassen klingend. Dann mußten sie sich beeilen, weiter ins Haus zu kommen, weil von der Tür her die nächsten Gäste nachdrängten. Dann durchquerten sie den blitzblank geputzten Flur, das freigeräumte Wohnzimmer und betraten die gläserne Pyramide, in der die Zeremonie stattfinden würde.
Das Brautpaar und dessen Eltern und Großeltern platzierte sich in den hinteren Reihen, während die restliche Verwandtschaft in den vorderen Reihen Platznahm. Dazwischen durften sich die Gäste hinsetzen. So landete Julius wie beim Einmarsch auch beim Sitzen zwischen Gloria und Millie, was von Glorias Cousine Myrna mit einem merkwürdigen Grinsen bedacht wurde. Er mußte wieder einmal daran denken, ob es nicht auch zwischen ihm und Gloria zu einer Partnerschaft gekommen wäre, wenn sein Vater ihn nicht von Hogwarts hätte fernhalten wollen und er deshalb in Millemerveilles gelandet und Claire begegnet wäre und später durch die Machenschaften seines Vaters und Rodney Underhills dazu veranlaßt worden wäre, in Beauxbatons weiterzulernen. Doch er kam einmal mehr zu dem Schluß, daß irgendwelche Überlegungen, was gewesen wäre, wenn, ihm und allen, denen er wichtig war, nichts mehr einbrachten. So handelte er Glorias Beharren, neben ihm zu sitzen damit ab, daß er ihr als Freund immer noch viel wert war. Hinter ihm nahm seine Mutter zusammen mit Madam Merryweather und ihrem Sohn Platz. Glorias Eltern hatten sich rechts des Mittelgangs mit den Brocklehursts aus England und den beiden Ehepaaren Redlief zusammengesetzt.
"Sind wir vollzählig?" Erklang die Heldentenorstimme des anwesenden Zeremonienmagiers durch den dreieckigen Festsaal. Der Brautvater überblickte die versammelten Gäste, rechnete wohl kurz durch, ob alle da waren und bestätigte dann mit lauter, aber leicht bedrückt klingender Stimme, daß alle Gäste und das Brautpaar anwesend waren. Julius überlegte schon, ob er seinen Geist gegen legilimentisches Abtasten verschließen sollte, als der Zeremonienmagier bereits den prüfenden Blick auf die versammelten Gäste warf. Dabei stellte Julius fest, daß Gloria sich wie zur Abwehr eines Angriffes anspannte. Also blockte sie den abtastenden Rundblick wohl ab. Julius selbst entspannte sich und nahm es hin, daß er für zwei Sekunden Bilder von sich und Brittany vor seinem geistigen Auge sah, wie er mit ihr Quodpot gespielt hatte und auch, wie sie in einem Stadtbus der Muggel zusammensaßen. Dann war sein Geist im Hier und Jetzt zurück und konnte alle Eindrücke der Umgebung aufnehmen. Millie grinste, als der Zeremonienmagier sie genauer ansah. So dauerte es knapp fünf Minuten, bis der Zauberer in Weiß wieder das Wort ergriff:
"Im Namen der Familie Forester, der Familie Brocklehurst, sowie der gesamten magischen Gemeinschaft der vereinigten Staaten von Amerika begrüße ich Sie alle hier recht herzlich an diesem frohen Tage zwischen zwei Jahren, auf daß wir heute Zeugen werden, wie sich eine junge Hexe und ein junger Zauberer das heilige Versprechen geben möchten, ihr weiteres Leben gemeinsam zu leben, den Weg der Freude wie des Leids zu teilen und in gemeinsamer Anstrengung den Grundstein für eine neue zeit legen möchten, eine Zeit, die hoffnungsvoller ist, als jene, deren dunkle Schatten uns das letzte Jahr umgeben haben. Wir sind heute hier zusammengekommen, um Brittany Dorothy Forester und Linus Edward Brocklehurst zu fragen, ob sie diesen heiligen Bund schließen wollen, der das höchste Gut menschlichen Miteinanders darstellt." Raymond Forester grummelte leise. Alle wandten sich ihm zu. Doch er erkannte, daß er offenbar kurz davorstand, unangenehm aufzufallen. Deshalb machte er eine abbittende Geste dem Zeremonienmagier gegenüber, der dann mit seiner Ansprache fortfuhr. "auch wenn die Kraft der Liebe, die über jeden Zauber triumphiert und selbst den Tod bezwingt keine Worte braucht, um zu sein, so galt und gilt es doch als großer und erhabener Akt, diese Liebe vor zeugen zu bestätigen und sich einander anzuvertrauen. Denn genau das ist mit dem Begriff Trauung gemeint, daß sich zwei Liebende gegenseitig ihr Vertrauen aussprechen und einander versichern, in jeder Lebenslage für den anderen da zu sein, ein Quell der Kraft und der Ruhe, aber auch Empfänger und Empfängerin von Zuneigung und Achtung zu sein. Für mich als vom Staate Kalifornien beauftragter Zeremonienmeister der Zaubererwelt ist es immer wieder eine große Freude, junge Paare einander anzuvertrauen und ihnen somit das Tor zu einem erfüllten, gemeinsamen Leben zu öffnen." Julius sah, wie Ray Forester erneut zu grummeln ansetzte, von seiner Frau, die sich hier auch nicht sonderlich wohlfühlte, jedoch zurückgehalten wurde. "Millie stupste ihn an, um ihm zu zeigen, was hinter dem Zeremonienmagier vorging. Julius erkannte, daß gerade zwanzig Musiker, ein Zugpauker, zwei Schellentrommler, Flötenspieler und Blechbläser, Aufstellung nahmen, aber dabei weit außerhalb des möglichen Kreises blieben, in den das Brautpaar gleich eintreten würde. Dann lauschte er wie die anderen den letzten Worten der einleitenden Ansprache: "So sind wir alle, ob aus der magischen oder nichtmagischen Welt, erfreut und versichert, weil durch das Band der Liebe immer wieder neue Bündnisse geknüpft werden, die unsere Welt in Bewegung halten und sie sich weiterhin drehen lassen. Freude ist das einzige Gut auf dieser Erde, das durch die Teilung mit anderen eine Vermehrung erfährt, und das Leid verliert seine bedrückende Schwere, wenn es mit einem mitfühlenden, unerschütterlich an der Seite einherschreitenden Partner geteilt wird. So erhoben die Menschen das heilige Versprechen, füreinander dazusein zu einem der höchsten Güter der Welt, unabhängig davon, ob dieses Versprechen im Namen eines bestimmten Gottes gegeben oder lediglich zur Niederschrift von Beamtenhand ausgesprochen wurde. So will ich denn auch nicht zu lange zögern und bitte nun Brittany und Linus zu mir, um ihnen die wichtigste Frage ihres Lebens stellen zu dürfen." Er winkte den direkten Angehörigen des Brautpaares. Brittany erhob sich und hakte sich bei ihrem Vater unter. Linus mußte seine gerade einem stillen Weinkrampf ausgelieferte Mutter anstupsen, damit sie mit ihm aufstand. Keiner lachte über diese Verzögerung. Alle erkannten das menschliche in dieser Regung an. Julius dachte auch daran, daß für Mrs. Brocklehurst ab heute ein neuer Abschnitt ihres Lebens begann. Nachdem sie ihren Mann beim Angriff auf Cloudy Canyon verloren hatte würde nun auch ihr Sohn von ihr fortgehen, um sein eigenes Leben zu führen. Er wußte es von seiner Mutter, wie schwer es ihr gefallen war, anzuerkennen, daß er nicht für immer ihr kleiner Junge bleiben konnte.
Unter leisen Klängen der aufgestellten Musiker schritten die Braut mit ihrem Vater und der Bräutigam mit seiner Mutter nach vorne und erklommen die niedrigen, aber dafür vielen Stufen bis auf den höchsten Absatz des Podestes. Als das Brautpaar keine zwei Meter mehr vom Zeremonienmagier entfernt stand, löste Brittany ihren Arm von dem ihres Vaters, und Linus' Mutter trat einen Schritt zurück. Julius hörte leises Tuscheln und riskierte einen schnellen Rundblick. Bisher hatten die Muggelweltverwandten keine großartige Zauberei zu sehen bekommen. Sie sahen nur das Brautpaar und die beiden Brautjungfern, die die gut und gerne acht Meter lange Schleppe ausgestreckt hielten. Julius fragte sich, ob die beiden gleich noch ein Lied singen oder vortanzen würden. Doch offenbar war das hier nicht vorgesehen. Venus Partridge trat neben Brittany und hob ihren Schleier. Jetzt konnte Julius sehen, daß Brittany ihre Wangen mit einer rosigen Schminke hatte verfeinern lassen und daß ihr weizenblondes Haar in sanften, glitzernden Wellen unter der silbernen Tiara herabfiel. Sie stand da, strahlte den zeremonienmagier an und erwartete dessen alles entscheidende Frage. Alle Gäste erhoben sich, als der Zeremonienmagier die Hand erhob und standen ruhig vor ihren Stühlen.
"Brittany Dorothy, die du hier vor mir und deinen Anverwandten, Freunden und Gefährten erschienen bist, möchtest du den hier anwesenden Linus Edward zu deinem Ehemann nehmen, ihn lieben, achten und ihn begleiten, durch gute wie durch schlechte Zeiten? So antworte bitte mit "Ja, ich will"!"
"Ja, ich will", sprach Brittany ohne Anflug von Hemmung oder Verunsicherung in der Stimme die entscheidende Antwort aus.
"Linus Edward, ich frage dich, möchtest du die hier anwesende Brittany Dorothy zu deiner Ehefrau nehmen, sie lieben und achten und sie auf jedem Weg begleiten, in guten wie in schlechten Zeiten? So antworte bitte mit "Ja, ich will"!"
"Ja, ich will", sprach Linus nach einer Sekunde Pause laut und vernehmlich aus, wofür er sich entschieden hatte. Linus Cousin Keneth überreichte dem Zeremonienmagier einen Ring. Den zweiten gab ihm Melanie Redlief. Der Magier tauschte sie aus und streifte jeden davon auf den passenden Finger der Braut und des Bräutigams.
"Unter welchem gemeinsamen Namen wollt ihr fortan leben?" Fragte der Zeremonienmagier noch. Brittany und Linus sagten einhellig, daß sie Brocklehurst heißen wollten. "So, Brittany Dorothy und Linus Edward Brocklehurst, erkläre ich euch Kraft der mir verliehenen Rechte zu Mann und Frau", besiegelte der Magier in Weiß den geschlossenen Bund. "Möge das ewige Band der Liebe und Treue euch Halt und Schutz verleihen, so lange euer gemeinsames Leben währt. So besiegelt nun eure gemeinschaft mit einem Kuß!" Als Brittany und Linus sich fast wie in Zeitlupe näherten, um den erhabenen Moment so lange wie möglich auszudehnen, blitzten Fotoapparate auf, und die Schellentrommler klopften einen Wirbel, während der Zeremonienmagier seinen Zauberstab erhob und daraus goldene Funken über dem Brautpaar verstreute, die sich zu munter wirbelnden Spiralen verdichteten, während innerhalb der Funkenwolke Brittanys und Linus' Lippen aufeinandertrafen. Beide umfingen einander mit ihren Armen und drückten sich aneinander. Der Funkenwirbel umtanzte sie mehrere Sekunden lang. Dann zerstreuten sich die goldenen Lichtchen und flogen wie Sternschnuppen über die versammelten Gäste hinweg, bevor sie erloschen.
"Das habt ihr verpaßt", feixte Gloria an Millies und Julius' Adresse. Doch die beiden grinsten nur. Sie hatten eine ähnliche Zeremonie doch auch erhalten, als ihrer beiden Eltern zugestimmt hatten, daß sie bereits mit fünfzehn heiraten durften. Eigentlich wußte Gloria das. Doch offenbar hatte sie in den letzten anderthalb Jahren wichtigeres erlebt, um sich daran zu erinnern. Jedenfalls war Brittany nun verheiratet. Brittany Brocklehurst, eine Aliteration, ein Stabreim, klang irgendwie erhaben wie antreibend. Sicher hatte Brittany auch deshalb diesen Burschen da im mitternachtsblauen Festumhang heiraten wollen, um diesen Namen führen zu dürfen. Anders als in Frankreich geschah es in den Staaten und anderen Europäischen Ländern doch neun von zehn mal, daß die Braut den Nachnamen des Bräutigams annahm. Doch Julius war vollauf damit glücklich, Millies Familiennamen angenommen zu haben, zumal er dadurch eine größere Sicherheit erhalten hatte, vor allem was die ganzen Belastungen anging, denen er mal ungewollt und mal wohl überlegt ausgesetzt gewesen war.
Die Musik spielte einen Tusch und dann leise einen fröhlichen Marsch, während Brittany und Linus beieinander untergehakt durch den mittleren Gang wieder nach draußen schritten, gefolgt von den beiden Brautjungfern, die die Schleppe trugen. Als das Brautpaar die gläserne Festpyramide verlassen hatte folgten die Eltern, dann die Großeltern, dann die anderen Verwandten und schließlich die übrigen Hochzeitsgäste. Julius konnte im Hinausmarschieren noch erkennen, wie die Tische von den Wänden abgerückt wurden und die Stühle darum herum aufgestellt wurden. Dann trieb ihn der Tross der ausmarschierenden Festgesellschaft durch das Wohnzimmer und den Flur hinaus auf die Straße. Dort erwartete sie noch ein Spektakel: Über ihren Köpfen flogen sämtliche Mitglieder der Viento del Sol Windriders auf ihren Besen und johlten vergnügt. Dann ließen sie Reis und buntes Confetti niederregnen. Brittanys ausgeborgte Tiara wirkte wie ein Auffangbehälter, während Linus seinen spitzen Hochzeitshut lüftete und mit der öffnung nach oben reckte, um von der Gabe was einzufangen. er schwenkte mit der freien Hand einen Strauß weißer Blumen und reckte sich so lang er konnte nach oben. Wieder blitzten Kameras auf, und roter Rauch waberte zwischen Brautpaar und Festgästen umher. Jetzt konnte Julius auch Linda Knowles erkennen, die auf dem freien Platz vor dem Haus stand und auf die auf einem Klemmbrett herumflitzende Schreibefeder einsprach, während ihr Bildermacher das Bild des strahlenden Brautpaares auf Zaubererfilm bannte. Nun erkannte Julius auch einen Vertreter des Kristallherolds und jene Hexe, die er als Laureata Beaumont kennengelernt hatte. Sie schrieb für den Sportteil des Kristallherolds. Natürlich war das eine Schlagzeile für die beiden Zaubbererzeitungen, daß die neue Starspielerin der Windriders heiraatete. Julius konnte nur hoffen, daß die Gäste in Ruhe gelassen wurden. Doch das war sicher eine unerfüllbare Hoffnung, besonders im Bezug auf Linda Knowles.
Das frisch vermählte Paar führte die Festgesellschaft auf den Platz, der von vier Häusern umgeben wurde. Hier konnten sie sich alle um Brittany und Linus aufstellen. Julius war sich sicher, was jetzt kommen mußte. Er war gespannt, wen es erwischen mochte.
Brittany wartete, bis alle Gäste sich um sie und Linus versammelt hatten. Dann sprach sie mit für alle hörbarer Stimme: "Hallo zusammen! Nachdem ihr alle mitbekommen durftet, wie Linus und ich uns einander versprochen haben, miteinander zu leben und füreinander da zu sein, bitte ich nun um eure geschätzte Aufmerksamkeit! Es ist üblich, daß nach erfolgreicher Trauung Braut und Bräutigam die Blumensträuße hoch in die Luft werfen. Ich habe mir sagen lassen, daß dies auch bei den Menschen der nichtmagischen Welt so Brauch ist. Ich habe auch gehört, daß dort gilt, daß der Brautstrauß beim Fallen genau in die Hände der- oder desjenigen fällt, der oder die als nächster heiraten wird. Ich hatte bisher keine Gelegenheit, einen Brautstrauß zu fangen. Doch ich hörte von einigen Paaren, die sich nur deshalb fanden, weil ein Mann und eine Frau den Blumenstrauß von Braut und Bräutigam fingen. Natürlich mag hier der eine oder die andere sein, der oder die es schlicht ablehnt, sich so zu binden, wie Linus und ich das heute getan haben oder unsere Eltern und Großeltern es getan haben und meint, daß es genügt, sich zu ducken und zu hoffen, daß der Brautstrauß über ihn oder sie hinwegfliegt. Es mag auch welche geben, die darauf hoffen, daß sie durch den Fang eines Brautstraußes überhaupt in die Lage kommen, den Partner für's Leben zu finden. Wie dem auch sei, es ist auf jeden Fall eine spannende, lustige Sache. und deshalb werden Linus und ich diese Tradition fortführen, nachdem uns die Windriders so üppig mit buntem Papier und körnigem Reis eingedeckt haben. Aber die sollten mal langsam landen und herkommen!" Das rief sie den immer noch über allen fliegenden Spielern zu. Tatsächlich schwirrten die Besenreiter noch eine Runde um den Platz und landeten. Dann kam der große Moment. "Eins! Zwei! Drei!" Zählte Brittany an und schleuderte ihren Blumenstrauß mit aller Kraft nach oben. Das Blumengewinde stieg zuerst raketengleich in den klaren Himmel hinauf, mindestens zwanzig oder dreißig Meter. Dann begann es zu taumeln, verlor den Aufwärtsschwung und kippte über, wobei es auch um die längsachse zu rotieren begann. Nun galt für den Brautstrauß die Schwerkraft. Julius verfolgte die Flugbahn des Blumenstraußes wie eine niedergehende Sternschnuppe. Millie flüsterte ihm zu: "Wenn du oder ich den kriegen wird's lustig." Doch der Brautstrauß wurde von einer aufkommenden Windböe erfaßt, nach oben und links herum geworfen und sackte wieder durch, dabei Schrauben und Salti am laufenden Band schlagend. Als Brittanys Brautstrauß drei Viertel des Weges nach unten zurückgelegt hatte erkannte Julius, daß weder Millie noch er noch Gloria ihn zu Fassen bekommen würden. Als nur noch ein Achtel Weg fehlte, wuchs die Wahrscheinlichkeit, daß entweder Mandy, Melanie oder Julius' Mutter den Strauß abbekommen würden. Dann sackte das Gesteck ganz durch und landete in den ruckartig nach oben gerichteten Händen von ... Martha Eauvive, Julius' Mutter. Applaus erscholl, während die Fängerin des Brautstraußes sich verlegen umblickte, wer das alles gesehen hatte. Der Blitz und der rote Qualm aus einer magischen Kamera fesselten diesen Augenblick für undenkliche Zeit auf einen Film. Julius wußte nicht, wie er sich fühlen sollte. Schon einmal war seine Mutter von einem Brautstrauß getroffen worden. Damals, wo Barbara van Heldern ihren Strauß geworfen hatte, sah es so aus, als wenn seine Mutter die nächste Braut sein mochte. Das war jedoch schon mehr als zwei Jahre her. und jetzt hatte sie Brittanys Strauß erwischt. Hatte sie es darauf angelegt? Julius fragte sich, mit wem seine Mutter zusammenleben mochte. Einige Male hatte es ja so ausgesehen, als wenn sie mit Zachary Marchand zusammenkommen würde. Doch der war in den letzten Monaten aus ihrer beider Leben verdrängt worden. Außerdem hatte Martha Eauvive dem noch nicht erzählt, daß sie nun auch eine Hexe war. Jetzt hatte sie auch noch einen Brautstrauß aufgefangen. Sollte er das als deutlichen Hinweis auffassen, daß seine Mutter bald wieder wen finden würde, wo er, Julius, schon damit begonnen hatte, sein eigenes Leben zu leben? Der Gedanke war irgendwie unangenehm, aber auch interessant. Doch andererseits glaubte er nicht an derartige Schicksalsfügungen. Sicher, seine Mutter hatte den Strauß bewußt aufgefangen. Aber sie glaubte trotz aller ihr bekannten Magie auch nicht an diese Art von Vorbestimmung, weil sie ja sonst beim letzten Mal schon Ausschau nach dem passenden Bräutigam gehalten hätte. Jedenfalls hielt sie nun den Brautstrauß von Brittany Brocklehurst in der Hand. Auch eine bedeutsame Wortverknüpfung, dachte Julius. Brittany Brocklehursts Brautstrauß. Alle Umstehenden sahen die Fängerin an, die sich nicht anmerken ließ, ob sie über den Fang glücklich oder erschrocken war. Sie lächelte in die schußbereiten Kameras und ließ es noch einmal über sich ergehen, daß sie und der Strauß auf Film gebannt wurden. Brittany beglückwünschte Julius' Mutter und meinte, daß sie es hoffentlich früh genug erfahren würde, wenn Martha einem Mann das Jawort geben würde.
"Ich will hoffen, daß ich das früh genug erfahre, wer das sein sollte, Mrs. Brocklehurst", erwiderte Martha Eauvive darauf. Alle lachten mit ihr über diese Antwort. Dann antwortete Brittany:
"Vielleicht kriegen wir alle das ja gleich mit, wenn Linus seinen Strauß wirft. Linus!"
"Okay, Leute, alle die schon verheiratet sind müssen die Hände unten halten, sonst kriegen sie wohl Ärger mit ihren Angetrauten", streute Linus ein. Sein Großonkel mütterlicherseits schnaubte nur, daß er diesen Humbug endlich durchziehen solle, um das leidige Thema abzuhaken. Linus ließ sich jedoch nicht davon beeindrucken, sondern erwiderte ganz unbekümmert:
"Das sagst du nicht, wenn du den Strauß zu fassen kriegst, Onkel William. Hepp!" Ohne anzuzählen schleuderte Linus seinen Strauß nach oben, wobei er ihm bereits einen gewissen Drall gab, daß die zusammengebundenen Stiele um die Längsachse eierten. So schraubte sich der Bräutigamstrauß knapp fünfzehn Meter nach oben und bekam dann Übergewicht. Mit den Blütenkelchen voran trudelte er abwärts, drehte sich noch einmal waagerecht und sackte mit nach unten weisenden Stielen durch, wobei er Kurs auf eine Gruppe von Männern nahm, in der der Sohn von Hygia Merryweather stand und von den umstehenden angestachelt wurde, bloß den Kopf einzuziehen, um den Strauß nicht aus Versehen zu fangen. Doch statt sich zu ducken stieß sich der Zauberer mit dem Bowler kräftig ab, schnellte empor und fischte den Bräutigamstrauß mit links aus der Luft. Tosender Applaus, belustigtes bis albernes Kichern der weiblichen Gäste und jubelndes bis höhnisches Rufen der männlichen Festgäste quittierten den gezielten Fang. Einige Zauberer feixten, daß der eiserne Junggeselle jetzt fällig sei. Andere lachten, weil der Fänger seine Beute auf den runden Hut legte und darauf balancierte. Linus grinste, während Hygia Merryweather ihren prüfenden Blick zwischen ihrem Sohn und Martha Eauvive schweifen ließ. Dann rief Linus: "Onkel Lucky, wer gezielt fängt, der selber schon am Haken hängt. Jetzt kannst du's rauslassen, mit wem du demnächst vor den Zeremonienmagier trittst."
"Das wüßte ich auch gerne, Linus", erwiderte der Fänger. "Ich habe deinen Blumenstrauß nur aus der Luft gepflückt, weil dieser halbausgegorene Jungspund da neben mir meinte, ich sei feige, den aufzufangen. Das ist nur ein Blumenstrauß. Das habe ich bewiesen."
"Sag das mal nicht", erwiderte Mandy Brocklehurst. "Nachher verliebst du dich noch in eine Trollin oder eine Sabberhexe, weil in dem Strauß was drin ist, was dich in den nächsten zwölf Monaten unbedingt verkuppeln will."
"Das ist nur ein Althexengeschwätz, Mandy", erwiderte der Fänger des Bräutigamstraußes. "Ich habe noch keinen gesehen, der nach dem Fang eines Braut- oder Bräutigamstraußes innerhalb der nächsten zwölf Monate heiraten mußte. Insofern doch alles Humbug mit dem Brautstrauß."
"Da gebe ich Ihnen vollkommen recht, junger Mann", wandte Dan Foresters Vater ein. "Zauberstäbe, fliegende Besen und was weiß ich noch alles. Aber wenn an diesen Sträußen auch noch so'n Verkuppelzauber dranhängen würde, dann hätten Sie den ganz sicher nicht aufgefangen und Mrs. Eauvive auch nicht."
"Oh, woher wollen Sie das wissen?" Fragte Linda Knowles, die sich nun berufen fühlte, eine Frage zu stellen. Der Vater des Brautvaters wandte sich um und sah in die fast schwarzen Kulleraugen der kaffeebraunen Hexe mit den rotbraunen Locken. Julius fragte sich, ob in der Ahnenlinie der Hexe nicht doch eine Veela vertreten war. Denn ihr Lächeln wirkte auf Ray Forester wie die Flamme auf Kerzenwachs. "Nun, ähm, junge Lady", setzte er verlegen an. "Nach dem, was meine Frau, mein zweiter Sohn, meine Schwiegertochter und ich im Schnellkurs über ihre exotische Lebensgemeinschaft erfahren haben gibt es Gesetze, die das regeln, daß Menschen nicht mutwillig beeinflußt werden dürfen, weder durch Flüche noch durch Hypnotisierzauber und irgendwelche Tränke. Falls diese unsinnige Brautstraußwerferei wirklich auch noch durch einen Hokuspokus verdorben wurde, dann hätte es das schon mal gegeben, und Sie wären nicht so dreist danach gesprungen, wenn Sie nicht ernsthaft vorhätten, irgendwen irgendwann zu heiraten."
"Vor allem hätte der Strauß dann gezielt nach wem gesucht", vermutete der Fänger, den Linus mit Onkel Lucky angesprochen hatte.
"Dann hätte ich noch vor meinem Sohn heiraten müssen", warf Martha Eauvive ein und deutete auf Julius und Millie. "Ich habe vor bald zweieinhalb Jahren schon mal einen Brautstrauß bei einer zaubererwelthochzeit aufgefangen. Aber mein Sohn war aus meiner Familie der erste, der geheiratet hat. Insofern ist das zwar spannend und lustig. Aber ich bin mir sicher, daß es nicht verbindlich ist."
"Darf ich das so zitieren, Mrs. Andrews?" Fragte Linda Knowles. Julius' Mutter sah die Reporterhexe an und berichtigte sie, daß sie seit einigen Tagen Eauvive mit Nachnamen heiße und sie das doch sicher schon wissen müsse. Linda Knowles schüttelte den Kopf, nickte dann und bestätigte, daß sie die Namensänderung zur kenntnis nahm. In ihren Augen leuchtete das Feuer der Sensationsreporterin. Sicher fragte sie sich jetzt, warum Martha Andrews einen neuen Nachnamen trug, wo sie offenbar nicht geheiratet hatte. Dann wandte sie sich wieder an den Fänger von Linus Bräutigamstrauß:
"Soweit ich mich erinnere, Mr. Merryweather, leben Sie glücklich damit, daß sie außerhalb Ihres Mutterhauses von vielen lebenserfahrenen Damen umschwärmt werden, ohne diesen Anlaß zu geben."
"Das ist ein Gerücht, was angehende Kolleginnen meiner Mutter in Umlauf gebracht haben, weil sie nicht verstehen können, daß so eine gestrenge Lehrmeisterin so einen fidelen Burschen wie mich ausgebrütet hat, Ms. Knowles", erwiderte Lucky Merryweather. Seine Mutter bedachte ihn dafür mit einem tadelnden Blick, der manchen anderen Frechdachs sicher im Boden versenkt hätte. Doch offenbar war der Bowlerträger daran gewöhnt und lachte mit den anderen um die Wette. Linda Knowles fragte dann nach einem Interviewtermin. Da ging es Ray Forester auf, daß die kulleräugige Dame von der Presse sein mochte und wollte schon ansetzen, sie zu ersuchen, nichts von ihm ausgesagtes zu veröffentlichen. Doch Lucky Merryweather stahl ihm die Schau, indem er sagte: "Wieso, wollen Sie mir einen Heiratsantrag machen, Ms. Knowles?" Alle lachten. Die Reporterhexe lachte dabei am lautesten und konterte, daß sie dann zumindest keine Angst vor Krankheiten mehr haben müsse, wenn die Schwiegermutter ausgebildete Heilerin sei. Diese fühlte sich dann dazu herausgefordert zu sagen: "Ms. Knowles, Sie mögen im Moment zwar den Charme und die Unbekümmertheit eines Schulmädchens an den Tag legen. Aber wir alle wissen, daß sie keines mehr sind, und nur die behandele ich kostenlos, sofern es kein akuter, lebensbedrohlicher Notfall ist."
"Ihretwegen muß ich wohl keinen Thorntails-Umhang mehr anziehen", erwiderte Linda Knowles. Dann sagte Mr. Ray Forester: "Wenn Sie echt 'ne Reporterin sind vergessen Sie gütigst alles, was ich gerade gesagt habe."
"Einschließlich des Satzes, den Sie gerade gesagt haben, Sir?" Fragte die Reporterin kess. Ray Forester überlegte, wie er darauf antworten sollte und erwiderte barsch: "Vergessen Sie besser, mich hier gesehen und gehört zu haben, falls Sie keinen Ärger mit meinen Anwälten wollen."
"Dad, jetzt ist sie erst recht heiß auf deine Aussagen", knurrte Dan Forester mit rot angelaufenem Gesicht. Doch sein Vater schüttelte nur den Kopf. Linda Knowles fragte herausfordernd, ob er die Stimme des Westwinds überhaupt beziehen würde, um zu prüfen, was sie über das Fest schrieb. Dan Forester erwiderte, daß seine Frau und er die Zeitung beziehen würden und mögliche Unverschämtheiten oder Lügen im Namen seines Vaters zur Anzeige bringen würden. Das genügte Linda Knowles für's erste.
Nachdem der Spaß und die Spannung um den Brautstraußwurf vorbei waren, gingen alle geladenen Gäste zurück ins Rotbuchenhaus. Julius peilte dabei in die Richtung, wo Linda Knowles stand. Diese verhielt sich ganz ruhig und behelligte niemanden. Er konnte sich jedoch denken, daß sie sich nun irgendwo außerhalb der Grundstücksbegrenzung auf die Lauer legte und ihre magischen Ohren spitzte, um mögliche Knüller für die nächste Ausgabe einzufangen. Also sollte er, Julius, besser nichts sagen, was ihn für sie und andere Zeitungsleute noch interessanter machte.
Innerhalb des pyramidenförmigen Wintergartens hatten derweil die angeworbenen Helfer die aufgestellten Stühle um die Tische gruppiert, aber eine leicht golden schimmernde Tanzfläche in der Mitte freigelassen, während die Musiker bei Eintritt des jungen Paares einen weiteren Tusch aufspielten. Dann setzten die Streicher mit einer sanft gespielten Melodie an, während die Schellentromler einen dezenten Rhythmus dazu schlugen. Dann fielen auch die Flötenspieler in das Stück ein, das jedoch nicht ausschließlich zum Tanz gedacht zu sein schien. Zumindest war es kein Walzer, wie er bei Hochzeiten aufgespielt wurde, um dem neuen Ehepaar den ersten Tanz des gemeinsamen Lebens zu ermöglichen. Zunächst wurden Leckereien aufgetischt. Brittany und ihre Eltern hatten die Hauptgerichte für Mittags bestellt. Um eine gewisse Ordnung zu erhalten, hatten die Foresters Tischkarten anfertigen lassen. Julius erkannte, daß die nun zusammengetraute Verwandtschaft nicht nach Braut und Bräutigam getrennt worden war, und daß die nordamerikanischen Gäste mit denen aus Übersee zusammensitzen konnten. Die einzige Einteilung, die Julius erkannte war die Einteilung nach Generationen, was ihm persönlich behagte, da er und Millie zusammen mit den Redlief-Schwestern, Gloria, Mandy, und den Kindern der Cottons und Gingers Mann einen Tisch besetzen konnten. Das junge Ehepaar hatte einen Tisch für sich und die direkten Anverwandten und die Trauzeugen reservieren lassen. Julius sah jetzt auch die Urgroßeltern Brittanys, die bei der Trauung selbst in den hinteren Reihen gesessen hatten. Julius' Mutter saß mit den Eheleuten Porter, Redlief und Cotton zusammen an einem Tisch. Brittanys und Linus' Onkel und Tanten saßen an Tischen für sich. Brittanys übrige Quodpotkameraden waren den verschiedenen anderen Tischen zugeteilt, um keine Gruppe für sich zu bilden. Als alle saßen bestieg der Vater der Braut das goldene Podest und gab den Musikern ein Zeichen, daß sie bitte mit dem Spielen pausieren mögen. Dann wandte er sich an die versammelte Festgemeinde und begann zu sprechen:
"Sehr geehrte Anwesende, Familienangehörigen, Freunde und Bekannten aus Nah und Fern. Zunächst möchte ich mich bei Euch und Ihnen bedanken, Daß es möglich war, heute bei uns zu sein. Ich bin kein großer Redner und habe auch nicht vor, es noch zu werden. Doch ich habe gelernt, daß es üblich ist, daß der Vater der Braut eine kurze Ansprache hält, um den Mut, die Entschlossenheit und die Hoffnung zu würdigen, die die Grundlage jeder Hochzeit sind. Sie und ihr versteht sicherlich, wie schwer es meiner Frau und mir heute fällt, überglücklich zu sein. Andererseits besteht für uns auch kein Anlaß zur Traurigkeit. Denn für alle Eltern kommt der Tag, an dem sie erkennen müssen, daß ihr Kind, auch und vor allem, wenn es das einzige überhaupt ist, den Schutz und den Halt der Eltern nicht mehr braucht und es in die Welt hinausziehen möchte, den eigenen Weg beschreiten und ganz eigene Erfolge erringen möchte und dem bisher gelernten eigene Erkenntnisse hinzuzufügen.
Als Brittany geboren wurde, da wußte ich nicht, wie sie einmal werden wird. Für mich war sie ein großes Wunder, ein Geschenk, aber auch eine große Verpflichtung, die ich allzugerne annahm." Julius dachte nur, daß der Brautvater hier schon haarscharf an der Heuchelei entlangschrammte, nachdem, was er vor einem Jahr im Sommer getan hatte, als das mit Brittanys Besuch bei der Mora-Vingate-Party aufgeflogen war. "Natürlich versucht jeder Vater, so auch ich, das selbsterlernte als das wichtigste Gut zu sehen, daß er seinem Kind mitgeben kann. So habe ich mich rangehalten, meiner Tochter, die in einer anderen Welt aufwachsen würde als ich selbst, all die Dinge und Werte zu bieten, von denen ich hoffte, daß sie für ihre Lebenswelt genauso nützlich und wichtig waren wie für mich. Zusammen mit meiner Ffrau Lorena, die Brittanys ersten zehn Lebensjahre auf ihre große Leidenschaft, die Unterweisung von jungen Menschen in den Kenntnissen über Tiere, verzichtet hat, gelang es mir hoffentlich, diesen selbsterhobenen Anspruch zu erfüllen, um unserer Tochter Brittany eine feste, geistige Basis zu schaffen, auf der sie einmal ihre eigenen Vorhaben und Ideen aufbauen konnte. Als Brittany dann in diese mir bis heute nicht so ganz verständliche Schule Thorntails ging, um die von ihrer Mutter ererbten Fähigkeiten sinnvoll und beherrscht auszubilden, habe ich mich immer wieder gefragt, ob all das, was ich ihr von meinem Leben und Wissen geben konnte, für die Leute da überhaupt eine Bedeutung hat. Denn, daß muß ich doch hier und jetzt sagen, für Menschen, die ohne diese Zaubergaben geboren wurden und in einer Welt aufwuchsen, wo sie auch die anderen nicht haben und daher ohne sie zurechtkommen, ist es kein Spaziergang, mit den Menschen zusammenzuleben, die von Geburt und Abkunft her mit Magie vertraut sind." Die Nachbarn und zaubererweltlichen Verwandten blickten ihn dafür vorwurfsvoll aber auch ein wenig verlegen an, während Dan Foresters Eltern so aussahen, als müßten sie sich gleich noch dafür rechtfertigen, wie sie ihren Sohn erzogen hatten. Dieser fuhr jedoch so ruhig er konnte fort.
"Ich lernte wie jeder Vater, daß das eigene Fleisch und Blut irgendwann eigene Wege sucht, eigenes Wissen als Grundlage der weiteren Handlungen nutzen will und ungeachtet aller bestehenden Bande zwischen Eltern und Kindern frei von jeder Führung durch die Welt gehen will. So fiel es mir schwer, hinzunehmen, daß Brittany einer anstrengenden, ja auch sehr gefährlichen Sportart zugetan war, die ich selbst nicht betreiben kann und die mir beim Zusehen immer noch große Sorgen bereitet. Dies und die jedem Vater blühende Erkenntnis, nicht mehr der einzige und wichtigste mann im Leben seiner Tochter zu sein, ließen mich die Jahre zwischen Einschulung und heute manche Nacht wachliegen. Ich führte manche Unterhaltung mit meiner Frau und meiner Tochter, ob das, was Brittany vorhatte oder bereits tat, wirklich nötig oder für sie wichtig war. Ob ich das irgendwann einsehe weiß ich immer noch nicht. Als Brittany sich auch noch entschloß, jenen für mich haarsträugenden Sport Quodpot zum Beruf zu machen, fragte ich sie und mich immer und immer wieder, wozu alle Anstrengung nutzte, wenn durch diesen Sport das Leben so plötzlich beendet werden kann. Doch ich habe gegen meine eigenen inneren Einwände erkannt und zugelassen, daß alles, was ich vorher tat und sagte in dem Moment wertlos geworden wäre, wenn ich darauf bestanden hätte, daß Brittany nur das täte, was mir recht sei. Abgesehen davon, daß ich lernen mußte, daß Brittany ihren eigenen Kopf hat und darauf eigentlich stolz sein muß, daß sie sich nicht unterkriegen lassen oder bevormunden lassen wird. Als ich mit dieser schwerwiegenden Erkenntnis einigermaßen in Frieden zu leben gelernt habe, ereilte mich das, was jeden Vater irgendwann ereilen mag, die Vorstellung eines Mannes, der ab einer bestimmten Zeit der wichtigste Mann im Leben der eigenen Tochter sein soll. Da meine Frau mir das Vorrecht der Ansprache überlassen hat kann ich nur von dem ausgehen, was ich empfunden habe, als ich den jungen Mann, Linus Brocklehurst, vorgestellt bekam und erfuhr, welches schwere Schicksal ihn heimgesucht hat. Natürlich suchte ich nach Gründen, Brittany die frühe Ehe auszureden. Auch wenn ich mit ihrer Mutter längst nicht immer einer Meinung war und der Unterschied zwischen ihrer und meiner Lebenswelt manche heiße Debatte entzündet hat konnte ich keinen Grund finden, der gegen eine Ehe spricht. Auch hätte ich es mir sicher mit meiner Tochter verscherzt, wenn ich irgendwelche fadenscheinigen Gründe erfunden hätte, um Einspruch gegen die Ehe zu erheben. Auch konnte ich an Umgangsformen und Bildung ihres Auserwählten nichts finden, um ihn ihr auszureden. Das genau sollte mich auch beruhigen und zufriedenstellen, daß sich meine Tochter jemanden ausgesucht hat, mit dem sie weitestgehend sorglos und hoffentlich auch glücklich leben kann. Sicher war und bin ich etwas traurig, hier und heute mitzuerleben, daß Brittany nach ihrer Kindheit und Jugend einen solchen endgültigen Schritt über jene Brücke getan hat, über die es nicht mehr zurückgeht. Die Kindertage sind um. Aus dem kleinen Mädchen wurde eine selbstbewußte, entschlossene Frau, meinetwegen auch Hexe, die sich vorgenommen hat, ihren Weg zu gehen. Auch wenn ich weiß, daß mein Einverständnis nicht nötig war, um ihr die Heirat mit Linus Brocklehurst zu erlauben, fühle ich mich doch beruhigt, daß Brittany mich in ihren Entschluß einbezogen hat und mir ihren Mann für's Leben vorstellte, und nicht einfach so loszog und mit irgendwem, der mir unbekannt ist, in der sündigen Stadt Las Vegas die dort möglichen Soforthochzeiten zu nutzen. So bleibt mir als dein Vater, Brittany, dir all das Glück zu wünschen, daß euer Leben bereichern soll, Brittany. Außerdem will ich dir auch im Namen meiner Frau alles gute und allen verdienten Erfolg wünschen, was ihr auch immer mit eurem gemeinsamen Leben anfangen werdet. Lorena und ich werden nicht aufhören, deine Eltern zu sein, Brittany, auch wenn du nun einen anderen Familiennamen trägst. Linus, meine Frau und ich hoffen, daß wir als deine Schwiegereltern gute Begleiter sein mögen und du so selten es geht Grund zur Verärgerung haben sollst. Allerdings können und wollen wir nicht darauf verzichten, uns für das Glück unserer Tochter verantwortlich zu fühlen und dürfen daher nicht behaupten, daß du es mit uns immer leicht haben wirst. Da ich nicht weiß, wie Mrs. Brocklehurst mit dir, Brittany zurechtkommen wird, möchte ich zum nun doch fälligen Abschluß nur bekräftigen, daß Lorena und ich immer da sein werden, wenn du uns brauchst und euch beiden von unserem Wissen und Können mitgeben werden, was immer ihr davon erbittet. Viel Glück und ein langes Leben, euch beiden!"
Die Gäste klatschten. Julius hatte zwischendurch immer auf die Muggelwelt-Foresters geblickt, ob die was einwänden mochten. Dann hatte er die Thorntailslehrerin angesehen, die sich darum bemühte, nicht in Tränen auszubrechen. Alle anderen Verwandten hatten sich mit wortlosen Reaktionen gut zurückgehalten. Doch Julius war sich sicher, daß die frisch verheirateten von der jeweiligen Schwiegerverwandtschaft immer wieder das eine oder andere zu hören kriegen würden. Damit mußte er ja selbst immer rechnen, wenngleich außer seiner Mutter niemand auf Millie einreden mochte, wie er richtig zu behandeln sei. Dafür hatte er einen Riesenstall von Schwiegeronkeln und -tanten, eine große Schwägerin und eine, die gerade ihre Welt entdeckte geheiratet und wußte, daß sie alle schon darauf lauerten, ihm nach den UTZs ihre Lebensweißheiten und Ratschläge aufzuladen, ob er sie haben wollte oder nicht. Er mußte sich wieder einmal die Frage stellen, ob er nicht doch besser ein oder zwei Jahre länger gewartet hätte, ja womöglich erst all das unternommen hätte, wobei er keine Rücksicht auf Frau und Familie hätte nehmen müssen. Dann dachte er jedoch daran, daß er auch in zehn oder zwanzig Jahren genauso unvorbereitet gewesen wäre, wenn es dann doch zu einer Familiengründung kommen sollte. Es gab Sachen, die konnte er nicht aus Büchern lernen, sondern nur durch Selbsterleben. Ähnliches stand nun dem jungen Ehepaar Brocklehurst bevor. Es mochte sogar sein, daß Brittany ihn darum beneidete, bereits ein Jahr Vorsprung zu haben, wenngleich Mildrid und er ja noch in das behütende und bestimmende Gefüge von Beauxbatons eingebettet waren und bisher keine Folgen eigener Handlungen außer diesen oder jenen Schulnoten zu bedenken hatten.
Brittany bedankte sich bei ihrem Vater für die Rede. Linus küßte seine Schwiegermutter und sagte ihr was, was Julius im allgemeinen Gemurmel nicht verstehen konnte, da er nicht Linos Zauberohren hatte.
Brittanys Mutter schwang ein goldenes Glöckchen. Doch niemand konnte einen Ton davon hören. Dann deutete sie auf eine freigelassene Stelle an der nordwestlichen Glaswand. Alle sahen dort hin. Da entstand eine gewaltige, blau leuchtende Spirale, die vom Boden bis zur spitz zulaufenden Decke reichte. Das rotierende Lichtgebilde umschloß einen Kreis von mindestens zehn Metern Durchmesser. Dann erschien innerhalb von einer Sekunde ein zehn meter langer, mindestens drei Meter Hoher Schrank mit gläsernen Türen, an dem links und rechts je drei und an der wandwärtigen Seite vier Menschen standen, die in strahlendweißen Umhängen steckten und kegelförmige Kochmützen trugen. Auf dem Brustteil jedes Ankömmlings sowie am hölzernen Grund des Schranks prangte ein goldener Kreis mit einem Löffel, einer Gabel und einem Messer, deren Vorderenden sich im Kreismittelpunkt berührten. Also doch keine Hauselfen. "Ladies, Gentlemen und junge Gäste, es ist mir ein übergroßes Vergnügen, Ihnen und euch als Gastgeberin mit den großartigen Errungenschaften und dienstbaren Geistern von Silberbells hervorragenden Speisediensten für Drinnen und draußen bekannt zu machen. Wir haben keine Kosten und Mühen gescheut, den schönsten Tag im Leben von Brittany und Linus auch was Speis und Trank angeht zum schönsten und einprägsamsten Tag ihres Lebens zu machen. Das Menü wird allen Gästen gerecht werden, und niemand muß hungern. um keinen hektischen Ansturm aufkommen zu lassen werden die zehn Mitarbeiter von Silverbells Speisenservice Sie nun alle mit den insgesamt fünf Gängen bedienen, wobei Sie zwischen fünf verschiedenen Vorspeisen und sieben verschiedenen Hauptgängen wählen können. Der Nachtisch ist auf Wunsch meines Mannes und meiner Tochter völlig frei von Milch oder Honig. Wer bei einem Gang Hunger auf Nachschlag hat möge sich nicht scheuen, diesen zu erbitten. Niemand wird hier zu kurz kommen. Jeder möge essen, was in den Bauch hineinpaßt!"
"Da wird die werte Mrs. Cartridge sich freuen", feixte Mel Redlief, als sie die Ministergattin am Tisch für die über zwanzig Jahre alten Gäste außerhalb der Verwandtschaft ansah.
Die zehn Mitarbeiter des Partyservice gingen an die Tische und stellten zuerst kleine Flaggen auf. Wer etwas bestellen wollte mußte die weiße Fahne mit dem goldenen Kreis mit den drei Besteckteilen nur hissen und warten, bis der eingeteilte Kellner oder die Kellnerin erschien. Julius schloß sich der Auswahl seiner Frau an und nahm eine klare Gemüsesuppe als Vorspeise. Sie wählte sich als Hauptgang ein Hüftsteak aus, während er Hühnercurry mit Reis und Gemüse bestellte. Für den Hunger zwischendurch wurden auf jeden Tisch Körbe mit kleinen Brotstücken oder mexikanischen Maischips, die Nachos hießen, mit verschiedenen Soßen zum Eintunken hingestellt.
Während alle aßen, wobei Dan Foresters Eltern wohl Mühe hatten, ihren Argwohn zu unterdrücken, vielleicht doch tierische Bestandteile im Essen zu haben, obwohl es zwei rein pflanzliche Warmgerichte als Hauptgang im Angebot gab, schwiegen sie alle. Nur das Klappern von Besteck auf Tellern und leise Tafelmusik erfüllten den gläsernen Festsaal. Julius trank zum Essen einen halbtrockenen Rotwein, obwohl er auch Champagner, Met oder Feuerwhisky hätte nehmen können. Die Veganer unter den Gästen hielten sich an Wasser und Fruchtsäften, während die Zauberergeborenen keine Probleme mit dem Honigwein oder dem hochprozentigen Feuerwhisky hatten. Julius bewunderte es, wie aufmerksam und schnell die Leihkellner auftischten und abräumten, ohne zu apparieren. Sie brauchten nur zu ihrem mitgebrachten Büffet zu laufen und die bestellten Sachen aus den scheinbar unerschöpflichen Schüsseln oder sich immer wieder nachfüllenden Warmhalteplatten auf die Teller zu befördern. Nachdem die meisten ihren größten Hunger gestillt hatten kamen die ersten Tischgespräche wieder in Gang. Die Musik blieb leise genug, um die Gesprächslautstärke niedrig halten zu können. An Julius' Tisch ging es um Quidditch, die alten und neuen Lehrer und um die Heimatorte. Mandy staunte, daß Millie und Julius schon ein eigenes Haus hatten, wo sie von Gloria erst zu Schuljahresbeginn erfahren hatte, daß Julius bereits mit sechzehn verheiratet war. So sprachen sie auch über die Weihnachtsfeiern in der Familie. Melanie erwähnte, daß ihre Eltern und Großeltern väterlicherseits den hohen Wohnturm mit mehreren hundert großer bunter Lampen behängt hatten und auf der Spitze des gläsernen Turmaufsatzes ein nachts leuchtender Komet mit flammendem Schweif zu sehen war. "Mandy und ihre Eltern haben das schon gesehen. Falls ihr auf dem Rückweg mal vorbeikommen wollt, könnt ihr euch das auch mal ansehen, Millie und Julius."
"Das sollten wir dann morgen machen, weil wir am einunddreißigsten früh mit dem Pendelschiff zurückfliegen", wandte Julius ein. Doch weil Millie und er ja frei flohpulvern konnten war das kein Problem. Damit war der morgige Tag also schon verplant.
Nach dem üppigen Mittagessen saßen sie noch eine Stunde so am Tisch und genossen Getränke mit und ohne Alkohol. Dann wurde zur ersten Tanzrunde aufgespielt. Wie bei vielen Hochzeiten üblich, eröffnete das junge Paar den Tanz mit einem Walzer. Die Musiker spielten das Stück, daß Julius im Tanzunterricht als Kaiserwalzer vorgestellt worden war. Linus schien extra dafür Unterricht genommen zu haben. Denn er wirkte sehr konzentriert, während Brittany es lockerer angehen ließ. Bei der zweiten Hälfte des Walzers gesellten sich auch andere Paare auf die Tanzfläche. Millie genoß es, sich von Julius führen und drehen zu lassen und zeigte eine überragende Routine, während Gloria sich mit Linus' jüngerem Cousin abmühen mußte, weil der offenbar keine rechte Ahnung vom Walzer hatte. Julius' Mutter drehte sich mit dem glücklichen Fänger von Linus' Blumenstrauß auf der Tanzfläche. Julius hatte nicht mitbekommen, wer da wen aufgefordert hatte oder ob jemand die beiden miteinander zusammengebracht hatte. Doch er stellte fest, daß die beiden offenbar Spaß daran hatten, diesen ersten Walzer zusammen zu tanzen. Einmal näherten sich Millie und Julius dem glücklichen Brautpaar. Linus bewunderte es, wie geschmeidig und unverkrampft Millie und Julius tanzen konnten. Brittany erwiderte ihm gegenüber, daß er keine Angst haben müsse, sich zu blamieren, weil ihre Großeltern mütterlicherseits auch keine Walzerkönige seien. Als der Walzer seinen kräftigen Abschluß erreichte, hob Julius seine Frau sogar einmal kurz vom Boden an, was dieser offenbar behagte und sie sich beim letzten Takt revanchierte.
Nach dem ersten Walzer kam schon der zweite, weil die Hausherrin offenbar Gefallen daran fand, wie sich die gebildeten Paare dazu drehten. Julius schlug Millie vor, links herum zu tanzen. Nach dem Walzer machten die Musiker eine kurze Pause. Dann war Damenwahl angesagt. Millie gönnte es Gloria, mit Julius zu tanzen, als ein flotter Vierertakt gespielt wurde. Sie selbst steuerte Steve Cotton an, der jedoch sofort den Rückzug antrat und sich aus dem Wintergarten absetzte, weil er angeblich drängende Angelegenheiten zu erledigen hatte. Ginger McDeer schleuderte ihrem Bruder einen verärgerten Blick hinterher, hinter dem aber wohl kein bösartiger Zauber steckte.
"Man merkt schon, daß deine Eltern und die in Beauxbatons Wert auf eine gründliche Tanzausbildung gelegt haben", stellte Gloria fest, als Julius mit ihr einen schnellen aber manierlichen Foxtrott auf den goldenen Tanzboden legte. "Der Typ eben war aus Holz. Dachte schon mit einem dieser Zombies zu tanzen, die im November über die Staaten hergefallen sind. Aber was sagst du zu deiner Mutter und Mr. Merryweather?"
"War schon lustig, daß ausgerechnet die beiden den ersten Tanz hatten. Hast du mitbekommen, wer da wen aufgefordert hat?"
"Mr. Merryweather deine Mutter", beantwortete Gloria die Frage. "Ich hab's mitbekommen, daß er sie formvollendet aufgefordert hat und sie wohl keine Hemmungen hatte."
"Vielleicht wollte sie wissen, wer der glückliche Fänger des Bräutigamstraußes ist", vermutete Julius.
"Und er wollte wissen, wer Brittanys Brautstrauß gefangen hat", legte Gloria nach. "Der ist übrigens im Muggelkontaktbüro von Cartridges Ministerium beschäftigt", erklärte sie noch. Julius nickte und erwiderte dann, daß er dann ja kein Problem mit den Verwandten Brittanys und Mandys habe. "Dann sagte er noch, daß er nicht gewußt habe, daß Madam Merryweather einen Sohn habe.
"Nachdem, was ich in Thorntails darüber mitbekommen habe ist sie seit dreißig Jahren Witwe. Vorher war sie niedergelassene Heilerin in Misty Mountain. Aber was mit ihrem Mann passiert ist weiß ich nicht und habe ich auch nicht gefragt."
"Im letzten Jahr sind auch viele gestorben, die noch fünfzig oder mehr Jahre zu leben gehabt hätten", seufzte Julius. Schnell legte er noch nach: "Ich wunderte mich nur, weil ich sie ja damals nach der miesen Kiste mit meinem Vater getroffen habe und sie da in Thorntails war."
"Hmm, hat dir Aurora Dawn das noch nicht erzählt, daß die niedergelassenen Heiler an den Dienststandorten bleiben, wenn sie keinen Urlaub haben?" Julius erwähnte, daß sie ihm das doch mal erzählt hatte und er das dann wohl so verstehen mußte, daß Madam Merryweather in der Zeit keinen Urlaub gehabt habe.
Nach dem Tanz mit Gloria wollte Julius eigentlich mit der strahlenden Braut tanzen. Doch diese wurde von Quodpotkameraden und jüngeren Verwandten umlagert, während Linus mit seiner Schwiegermutter tanzte. Venus Partridge stand gerade frei und sah Julius, der sich schon zurückziehen wollte, weil Millie sich gerade mit Ginger McDeer unterhielt. Er gab sich einen Ruck und trat gesittet zu ihr hin und forderte sie formvollendet auf. Das Stück, zu dem getanzt wurde, eignete sich zu einem Samba, wobei Venus und Julius ihr antrainiertes Temperament voll ausspielen konnten, sehr zum Mißfallen von Brittanys Großmutter väterlicherseits. Als diese Julius und die Quodpotspilerin zu ermahnen meinte, weil sie sehr freizügig umeinander und aufeinander zugetanzt seien räusperte sich Julius und sagte:
"Bei allem Respekt, Mrs. Forester, aber wer den echten Samba aus Brasilien tanzen will muß so tanzen. Das ist anders als die bei Tournieren üblichen Schrittfolgen, und ich bin mir sicher, daß meine Tanzpartnerin, Ms. partridge, sich nicht unzüchtig bedrängt fühlt."
"Mir ist leider bekannt, daß die körperliche Freizügigkeit auch in dieser weltfremden Gemeinschaft Einzug gefunden hat. Aber es schlägt dem Anstand ins Gesicht, bei einer Hochzeit derartig frivole Bewegungen auszuführen", hielt Mrs. Abigail Forester an ihrer Unmutsbekundung fest. Venus sah sie an und fragte sie mit einem bedrohlichen Unterton:
"Entschuldigen Sie bitte, Ma'am, haben Sie da gerade was von einer weltfremden Gemeinschaft gesagt?"
"Nachdem, wie ich die mir mehr nolens als volens zugefallene Verwandtschaft einzuschätzen gelernt habe leben Sie doch alle in einem landesweit organisierten Ghetto ohne Notwendigkeit, sich mit der restlichen Welt zu befassen", entgegnete Mrs. Forester. Venus Partridge blickte sie mit einer Mischung aus Abscheu und Verwunderung an. Julius nutzte diese Verwunderung und fragte Brittanys Großmutter, mit wie vielen ihrer neuen Verwandten sie denn bereits worüber alles gesprochen habe. Dabei erfuhr er, daß sie versucht habe, die zweite Großmutter Brittanys und Linus' Mutter in eine Unterhaltung über die Außenpolitik der US-Regierung zu verwickeln und über das skandalöse Betragen von Präsident Clinton auszuhorchen. Dabei habe sie erfahren, daß die anderen davon überhaupt nichts mitbekommen hätten und es ihnen egal sei, wer gerade Präsident sei, solange ihr Zaubereiministerium unbehelligt die Angelegenheiten der magischen Welt verwalten könne. Zum Schluß sagte sie noch: "Mich erinnert diese Ignoranz an eine Schulkameradin von mir, die mit ihrem Mann in Sun City lebt. Die meinen auch, nur noch für ihre Stadt leben zu müssen."
"Was war mit dem Präsidenten?" Fragte Venus frei heraus. Julius, der von dem Skandal, der die achso konservativen US-Bürger so heftig verärgert hatte, auch nur eine kompakte Nachrichtenzusammenfassung gelesen hatte wandte ein, daß Clinton nicht des Amtes enthoben wurde, nur weil er keine Lust hatte, der sensationslüsternen Pressemeute Sachen aus seinem Liebesleben aufzutischen, weil das nur seine Frau, die darin verwickelte Praktikantin und ihn selbst was anginge und es eher ein Skandal sei, wie dieser Ermittlungsausschuß alles an die Öffentlichkeit gezerrt habe. Als Mrs. Forester ansetzte, was darauf zu erwidern sagte er noch: "Wenn ich dran denke, was sich die englischen Könige alles herausgenommen haben und das ungehindert tun durften weiß ich nicht, was es die Öffentlichkeit angeht, ob ein US-Präsident irgendwelche komischen Spielchen mit einer Praktikantin anstellt, solange er seinen Job anständig ausführt. und im Moment macht er als Präsident doch vieles, was den Leuten hier hilft und das Bild der USA in der Welt aufpoliert."
"Achso, und weil wir von der Zaubererwelt uns nicht drüber aufregen, daß der Muggelpräsident mit anderen Frauen rummacht außer der, mit der er verheiratet ist sind wir weltfremd", kam Venus auf das eigentliche Thema der Debatte zurück. "Dann hat Ihr Sohn Sie nicht richtig informiert, Ma'am. Denn die, die es angeht, kriegen es schon mit, was in der magielosen Welt abgeht. Aber weil wir mit denen und die mit uns selten zu tun haben müssen wir anderen das nicht wissen. Wir hatten im letzten Jahr genug Sachen laufen, die auch die magielose Welt betroffen haben. Aber davon haben Sie und die anderen Muggel nichts mitgekriegt. Sind Sie deshalb weltfremd?"
"Also erst einmal verwahre ich mich gegen dieses Unwort "Muggel". Wenn Sie schon hervorheben möchten, daß wir anständig zivilisiert sind und nicht mit obskuren Kräften hantieren, deren Ursprung mehr als fraglich ist, so sagen Sie bitte Magieunabhängig!" Maßregelte Abigail Forester die Quodpotspielerin. Julius mußte grinsen, weil er sich ausmalte, wie Venus jetzt reagieren mochte. Diese sah die Großmutter Brittanys mitleidsvoll an und erwiderte:
"Entschuldigung, ich vergaß, daß Sie sich ja in unserer Gesellschaft erniedrigt und minderwertig fühlen müssen und deshalb gerne etwas finden, um den angeblichen Wertverlust auszugleichen. Aber meine Mom hat nicht mit diesem Ziegenbockmenschen namens Satanas im Bett gelegen, um mich zu kriegen, falls Ihnen dieses längst überholte Bild von Hexen und Zauberern durch den Kopf spukt." An Mrs. Foresters schlagartig bleichem Gesicht erkannte Julius, daß Venus offenbar ins schwarze getroffen hatte. "Es stimmt, daß wir trotz der andauernden Forschung bis heute nicht wissen, warum wir zaubern können und wie die Magie in die Welt kam. Aber deshalb irgendwelche Gerüchte in Umlauf zu setzen, wir hätten uns auf irgendwelche dunklen Mächte außerhalb der Welt eingelassen, sind nach den Hexenverfolgungen von Salem als unhaltbarer, ja gefährlicher Unsinn erkannt worden. Um Sie nicht in der selbstgesteigerten Angst leben zu lassen wurde eben die Geheimhaltung der Zauberei vor magielosen Menschen eingeführt und eine berührungsarme Koexistenz eingeführt, wo jede Gruppe ihre eigenen Angelegenheiten regelt. Wenn Ihr Sohn keine Hexe geheiratet hätte würden Sie heute noch nichts davon wissen, daß es echte Hexen und Zauberer gibt, Ma'am."
"Worum ging es jetzt?" Griff Julius in die Unterhaltung ein. "Sie, Mrs. Forester, haben sich darüber geärgert, daß Ms. Partridge und ich einen Samba so gut es ging nach echt brasilianischem Vorbild getanzt haben. Meine Tanzpartnerin sah in der Art des Tanzes keine eindeutige Aufforderung, weil sie ja weiß, daß ich bereits verheiratet bin. Da Sie weder zu meiner Familie noch zu der von Ms. Partridge gehören möchte ich Sie deshalb bitten, aus Respekt vor dem Anspruch des Gastgebers auf ein friedliches Miteinander der Gäste keine verbindlichen Anweisungen zu erteilen, wie wer zu tanzen, zu essen und zu leben hat. Da ich denke, daß Sie das hinbekommen sehe ich keinen weiteren Grund, uns über die politischen Grundlagen der magischen und nichtmagischen Welt in die Haare zu kriegen. Ändern können weder Sie, noch Ms. Partridge noch ich etwas daran."
"Junger Mann, ich weiß, daß Brittany mit Ihnen sehr gut auskommt und habe Ihre Tanzkünste bei den Walzern als manierlich erkannt um zu wissen, daß Sie wohl eine gute Erziehung genossen haben. Daher sollten Sie sich mit maßregelnden Kommentaren älteren Mitmenschen, vor allem Damen gegenüber zurückhalten", mußte Mrs. Forester noch ihren Altersvorsprung ins Spiel bringen. Doch Julius zeigte sich davon genauso unbeeindruckt wie Venus. Er erwiderte nur, daß er sie nicht darum gebeten habe, ihn zurechtzuweisen und sie dazu auch nicht verpflichtet sei und er aus Respekt vor ihr als geladenen Gast versucht habe, sein Verhalten zu begründen, das aber wohl eine reine Zeitverschwendung gewesen sei. Venus nickte ihm zu und zog ihn einfach mit sich, bevor Mrs. Forester noch was sagen konnte. Diese stand perplex da und rang um ihre Fassung.
"Weltfremd. Wenn ich nicht mit so was gerechnet hätte hätte ich der alten Schachtel eine runtergehauen. Aber die kriegt garantiert genug Spaß mit Brittanys anderer Oma. Da braucht die mich nicht für", grummelte Venus. Brittany Brocklehurst stand derweil auf dem Podium und bat um Aufmerksamkeit:
"Liebe Festgäste, da ich mal wieder mitbekomme, wie schwer es manchen Damen und Herren fällt, sich einen Tanzpartner auszusuchen, schlage ich vor, daß wir die nächsten drei Tänze durch den Kreis der Zulosung bestimmen. Die davon noch nichts gehört haben: Es handelt sich um eine Auswahl, bei der alle Damen sich bei den Händen fassen und alle Herren auch. Sie bilden zwei sich berührende Kreise, die beim Spiel der Musik in gegeneinander verlaufende Richtungen tanzen. Bricht die Musik ab, so gelten die fünf Damen und Herren, die an den sich berührenden Stellen der Kreise stehen als Partner für den Tanz nach der Auslosung. Die so gebildeten Paare verlassen ihre Kreise und nehmen Aufstellung. Die Auswahlmusik setzt wieder ein und bricht an einer unerwarteten Stelle ab. Dabei kommen die nächsten Paare zu stande. Das wird dann sooft wiederholt, bis keine nach Geschlechtern getrennten Gruppen mehr gebildet werden können. Erst dann beginnt der eigentliche Tanz. Das ist ein beliebter Spaß beim Abschlußball von Thorntails. Das nur für die, die da nicht zur Schule gegangen sind oder noch nicht im Abschlußjahr angekommen sind."
"Britt, das klappt eh nicht, weil es vier Mädels mehr sind als Jungs", rief Melanie Redlief zurück. Julius sah schnell zu Brittanys Großmutter väterlicherseits und sah sie sehr ungehalten auf Mel starren, wie er es erwartet hatte.
"Deshalb machen wir ja drei Auslosungen, Mel", erklärte Brittany. "Also, wenn ich jetzt alle Herren bitten darf, einen Kreis zu bilden."
"Ui, das wird bestimmt lustig", hörte Julius Ronny, einen der Cousins von Linus. Millie sah ihren Mann aufmunternd an und deutete auf die sich bereits formierenden Männer und Jungen, die von Linus Brocklehurst und dessen Onkel Lucky angetrieben wurden wie eine Herde müder Schafe von zwei ungeduldigen Schäferhunden. Julius erwischte einen Platz zwischen Mr. Porter und Mr. Partridge, die einander anlachten. "Alle Herren, Mr. Cotton Junior", bestand Brittany darauf, daß Steve cotton sich in den immer größeren Kreis einfügte. Sein Vater lief zu ihm und holte ihn in die Männerrunde, als Steve gerade versuchen wollte, sich aus dem Festsaal zu verziehen. Julius überblickte die versammelten Herren und konnte auch Brittanys Großvater Ray erkennen, dem das anlaufende Spiel sichtlich gefiel. Als Brittany nun vom Podium hüpfte, um mit ihrer Mutter und Venus alle anwesenden Damen zu einem Kreis zusammenzustellen mußte sie ihre Großmutter Abigail mit einer sehr energischen Ansprache auffordern, mitzumachen. Julius hörte nur nicht, was Brittany ihrer Großmutter sagte. Zumindest aber ließ diese sich auf das Vorgehen ein. Dann rief Brittany dem Dirigenten zu, loszuspielen und nach belieben zu unterbrechen. "Reise nach Jerusalem mit Ringelrein", bemerkte Julius zu Mr. Porter.
"Reise nach Jerusalem? Ist das auch ein Auswahlspiel?" Fragte er. Julius wollte schon ansetzen, ihm das bei Kindergeburtstagen und Schulfesten so beliebte Ausscheidungsspiel zu erklären, als die Musiker langsam ansetzten. Von Melodie und Rhythmus her war es ein Sirtaki, würde also gleich an Tempo zulegen. Irgendwer von den Musikern hatte also eine griechische Bozukigitarre dabei. Sieben oder acht Takte lang spielte die Musik, wobei sie wie von Julius erwartet an Geschwindigkeit zulegte. Dann brach das Lied mitten zwischen dem zweiten und dritten Taktschlag ab. Abrupt kamen die sich gegenläufig zueinander drehenden Kreise zum Stillstand. Alle drehten sich nach außen und lachten. Jetzt standen sich fünf Paare gegenüber, die sich wohl so nicht gebildet hätten. Brittanys Vater bildete demnach mit Sharon Silverbell ein Paar, Mr. Raymond Forester hatte es mit Myrna Redlief zu tun, Mr. Redlief sollte mit Mrs. Wintergate tanzen, Steve Cotton stöhnte auf, weil ausgerechnet seine Schwester, die auch Sharon hieß ihm zugelost worden war, und Mr. Wintergate bekam es mit der ihn um einen Kopf überragenden Mildrid Latierre zu tun. Die fünf Paare verließen ihre Kreise und nahmen Aufstellung am Rand der Tanzfläche. Als die verkleinerten Zirkel wieder geschlossen waren setzte die Auswahlmusik wieder ein, klang so um die dreizehn Takte, wobei die Gruppen schon schnell und durch die eigene Fliehkraft immer mehr nach außen gezogen tanzten, bis die Musik zwischen erstem und zweitem Taktschlag abbrach. Die beiden Kreise verformten sich, weil nicht jeder so auf dem Punkt stehenbleiben konnte. Als dann alle sich umdrehten kam heraus, daß Mr. Porter mit seiner eigenen Schwester Geraldine tanzen sollte, während Julius die Ministergattin Cartridge erwischte, die darüber offenbar sehr erfreut war. Mr. Partridge würde mit Dione Porter tanzen, während Lucky Merryweather ausgerechnet mit Abigail Forester tanzen sollte.
So ging es weiter, bis alle Herren Partnerinnen zugelost worden waren und nur vier Hexen aus der näheren Verwandtschaft des Bräutigams übrig waren. Brittany, die mit ihrem Quodpotkameraden Notus Corner ein Paar bildete, bedankte sich bei der Kapelle und bat um einen nicht so schnellen aber auch nicht zu langsamen Tanz. Als die Musik einsetzte zeigte sich, wer Spaß an diesem Spiel hatte und wer nicht. Julius konzentrierte sich auf seine Tanzpartnerin, die trotz nun sichtbarer Schwangerschaft keine Probleme hatte, ausgreifende Schritte und Körperdrehungen zu vollführen. Sie sahen einander an. Julius, der auf der Hut war, die Tanzpartnerin nicht fallen zu lassen, erinnerte sich an die Tänze mit Roseanne Lumière oder Ursuline Latierre. Das ging so einige Takte, ohne daß sie oder er was sagte. Dann sprach die Ministergattin:
"Ich habe mich sehr gefreut, als ich erfuhr, daß Sie auch bei dieser Feier sind, Mr. Latierre. Ich hörte davon, daß Sie sich in Millemerveilles schon häufiger beim Tanzen ausgezeichnet haben und hoffte darauf, einen Tanz mit Ihnen bestreiten zu dürfen, wobei mir natürlich bewußt ist, daß die jüngeren Damen Ihnen sicherlich eher genehm sind als eine im Sommer ihres Lebens stehende Hexe mit Umstandsbauch."
"Mir kommt es beim Tanzen auf drei Sachen an, Madam: Das die Dame mit mir tanzen will, daß sie und ich zusammen gut tanzen können und daß ich ihr beim Tanzen nicht auf die Füße trete. Ansonsten habe ich keine Probleme mit Partnerinnen, die zehn Jahre älter sind als ich", erwiderte Julius einschmeichelnd. Die Ministergattin schmunzelte. "Abgesehen davon habe ich so die Gelegenheit, Ihnen und Ihrem Mann zum baldigen Nachwuchs zu gratulieren. Auch hörte ich, daß er von der Mehrheit der wahlberechtigten Hexen und Zauberer für fähig befunden wurde, weiterhin Minister zu sein."
"Wenn ich ehrlich bin gefällt mir das nicht so sehr, daß mein Mann dieses Amt wieder innehat, nachdem er damals fast mit Schimpf und Schande daraus vertrieben wurde und er nun zu den meistgefährdeten Zauberern der Staaten oder der ganzen Welt gehört", entgegnete Mrs. Cartridge. "Im Grunde hatten er, unser Sohn Maurice und ich unseren Frieden. Aber er fühlte sich zu sehr der Allgemeinheit verpflichtet, um den Ruf ins Ministerium abzulehnen. Aber ich habe versprochen, ihm beizustehen, solange er dieses Amt wieder ausübt. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, daß wir nun massiv gefährdet sind, falls die sogenannte Erbin Sardonias oder deren Nachfolgerinnen beschließen sollten, auch ihn zu ermorden, wenn er nicht in ihrem Sinne handelt."
"Auch wenn eine gewisse Dame vom Westwind vielleicht von draußen zuhört möchte ich Ihnen meine Meinung zum Mord an Minister Wishbone sagen", gab sich Julius einen Ruck. "Ich bin zweimal mit der Erbin Sardonias zusammengetroffen und habe dabei, soweit ich das mit meinen wenigen Lebensjahren sagen darf, den starken Eindruck bekommen, daß diese Hexe genau plant, was sie tut und sich gegen alles absichert, daß sie nicht haben will. Wenn die wirklich Minister Wishbone umgebracht hätte, dann hätte sie das intelligenter angefangen und nichts von ihm und auch keine Tatzeugen zurückgelassen. Der war unauffindbar, hörte ich. Also hätte man den so schnell auch nicht vermißt. Aber er wurde nicht nur tot gefunden, sondern es gab einen Zeugen, der drei Hexen gesehen hat und das weiterberichten konnte. Ich tippe deshalb auf einen Trittbrettfahrer, also wen, der was anstellt und es wem in die Schuhe schiebt, der bereits ähnliche Sachen verbrochen hat. Abgesehen davon wäre es von der Erbin Sardonias total dumm gewesen, ausgerechnet den Zaubereiminister umzubringen, der sich gegen Hexen in öffentlichen Berufen ausgesprochen hat. Jetzt gilt er als Märtyrer und sie, die Sardonianerin, ist nun die absolute Persona non Grata, wenn ich diesen lateinischen Ausdruck benutzen darf."
"Mir sind derartige Begriffe vertraut, Mr. Latierre", erwiderte Mrs. Cartridge. "Und ich kann Ihre Argumentation vollkommen nachvollziehen. Durch den Mord an Wishbone wurde dessen Unbeliebtheit umgekehrt und er als Verfechter einer notwendigen Politik beerdigt. Das wird die Sardonianerin sicher nicht beabsichtigt haben."
"Deshalb denke ich eben, und nicht nur ich, daß sie das nicht war. Der kann man wohl viel nachsagen, aber Dummheit gehört da wohl nicht zu. Allein schon, was die werte Ms. Knowles über diesen Zombiemeister geschrieben hat spricht dafür, daß sie genau wußte, wie sie vorgehen mußte", erwiderte Julius, bevor ihm einfiel, daß er gerade einräumte, daß die Sardonianerin noch lebte. Das erkannte er erst, als Mrs. Cartridge ihn fragte, ob er davon gehört habe, daß diese eigentlich mit einer todbringenden Verseuchung in Berührung gekommen war. Julius hätte fast erwähnt, daß er das alles aus fast erster Hand hatte, wo Aurora Dawn, Jane Porter und seine Mutter über die Vernichtung Volakins und das Verschwinden der schwarzen Spinne berichtet hatten. Doch er antwortete nun etwas behutsamer, daß diese Hexe sich wohl früh genug um eine mögliche Nachfolgerin bemüht habe, falls es ihr nicht gelungen sei, sich zu heilen, was er nicht sicher ausschließen könne, da er nicht wisse, was sie alles könne.
"Jedenfalls besteht für meinen Mann und mich ein gewisses Restrisiko, weil zum einen die Vampirin, die vor Wishbones Amtsantritt auftauchte noch existiert und zum anderen die Gruppe um die Sardonianerin noch nicht entlarvt und dingfest gemacht wurde. Außerdem, soweit meine persönlichen Verbindungen zu Vertretern der magischen Medien, werden jetzt wieder Stimmen laut, die sie als unangenehme aber notwendige Rückversicherung des Ministeriums feiern, weil die Gruppe diesen Voodoomagier ausgeschaltet hat, wozu die Mitarbeiter meines Mannes bedauerlicherweise nicht in der Lage waren. Aber ich denke, daß dürfte für Sie im Moment unerheblich sein, wo Sie ja weit genug fort und in der Sicherheit einer altehrwürdigen Schule leben."
"Nun, im Moment bin ich hier, Madam. und ich möchte keinen großen Drachen rufen, wenn ich erwähne, daß wo Sie lesen konnten, daß ich Gast hier bin, auch die Spioninnen der Sardonianergruppe das mitkriegen können. Unabhängig davon, ob die Anführerin immer noch die ist, die die Gruppe gegründet hat oder eine andere haben die wohl nicht vergessen, daß ich denen unfreiwillig geholfen habe, diese Monsterfrau Hallitti und diesen Monstermacher Bokanowski aus der Welt zu schaffen, wozu ja auch kein Zaubereiministerium in der Lage war. Wer außer denen weiß, was die noch alles vorhaben, wo die finden könnten, auf mich zurückzugreifen."
"Beherrschen Sie den Mentiloquismus?" Hörte er die Stimme der Ministergattin in seinem Kopf. Er wußte nicht, wie er antworten sollte, ohne aus dem Tanzrhythmus zu geraten. So verstieß er bewußt gegen die Manieren des Gedankensprechens und nickte zur Antwort, ohne die Partnerin aus der Balance geraten zu lassen. "Gut, dann nur soviel, daß fünfzig Zauberer aus dem Sicherheitsstab meines Gatten dieses Haus mit wirksamen Schutzzaubern umspannt haben. Wenn es außerhalb des Ministeriums und Gringotts einen Ort gibt, wo Sie im Moment absolut sicher sein können, dann ist es dieses Haus." Julius nickte erneut. Als der Tanz endete konnte er es wagen, sich auf eine mentiloquistische Antwort zu konzentrieren und schickte Mrs. Cartridge zurück, das ihn das etwas beruhige. Dann hieß es auch schon, Aufstellung zur nächsten Auslosung zu nehmen. Er bedankte sich für den Tanz, nahm die Erwiderung entgegen und reihte sich in den wachsenden Kreis der tanzfähigen Herren ein.
Bei der nächsten Auslosung dauerte es drei Runden, bis er seine Partnerin für den nächsten Tanz zugelost bekam. Es war Brittanys Mutter, während seine Mutter mit Venus' Vater tanzen durfte.
"Ich habe das vorhin mitbekommen, daß Venus und du euch mit meiner Schwiegermutter über irgendwas in der Wolle hattet", begann Mrs. Forester zu sprechen, als die Kapelle wieder ein mittelschnelles Stück spielte. Julius erwähnte nur, daß Mrs. Forester, Abigail das Bedürfnis verspürt habe, Venus und ihn zu einer nicht so temperamentvollen Tanzweise anzuhalten und sie fast mit Venus Krach bekommen habe, weil sie die Zaubererwelt als weltfremde, nach außen abgeschottete Gemeinschaft bezeichnet habe und sie mit der Altersruhesiedlung Sun City in Arizona verglichen habe.
"Ich gehörte zu der Vorhut, die ihr und ihren anderen Muggelweltverwandten unsere Lebensweise erklären wollte, Julius. Abgesehen davon, daß sie der religiösen Ansicht anhängt, Magie sei sündhaft und von diesem Erzdämon Satanas als Verführungsmittel in die Welt gebracht worden, legt sie sehr viel Wert darauf, noch über alles in der Welt auf dem laufenden zu sein. Ich habe mich über dieses Seniorenstädtchen auch schlau gemacht, als meine Tochter mich in ein sogenanntes Internetcafé geführt hat. Insofern hat sie schon recht, daß wir in der magischen Welt längst nicht alles mitbekommen, was außerhalb davon stattfindet. Nur durfte oder mußte ich erkennen, daß dies wohl auch ein US-amerikanisches Problem ist, die Außenwelt nur in gewissen Grenzen zur Kenntnis zu nehmen. Jedenfalls konnte ich ihr da nachfühlen, was sie meinte, weil sie mir von ihrer Bekannten in dieser Ansiedlung erzählte, die sich nur noch um die dort stattfindenden Angelegenheiten sorgen und kümmern würde, weil dort eben hauptsächlich Pensionäre leben und sich nicht mehr um die Belange der jüngeren und arbeitenden Angehörigen sorgen müßten. Dennoch ist es schon hart an der Anstandsgrenze, nicht mit ihr verwandten Erwachsenen Vorschriften machen zu wollen. Sie darf froh sein, daß sie hier nicht mit einem ehemaligen Bewohner des Schulhauses Durecore zusammentreffen wird und die von diesen Leuten kultivierte Überheblichkeit den Muggeln gegenüber zu spüren bekommt."
"Ihr Mann verglich seine Stellung in VDS mit einem Menschen, der blind oder taub ist und allein in einer Gegend von nichtbehinderten Menschen zurechtkommen muß", erwähnte Julius etwas, daß ihm Daniel Forester mal gesagt hatte. Brittanys Mutter nickte. Sie kannte den Vergleich auch und erwiderte deshalb:
"Wobei wir nicht daran Schuld tragen, daß er ohne Zauberkräfte auskommen muß und er nicht Schuld trägt, daß er nicht auf einem Besen fliegen oder apparieren kann. Aber er hält es zumindest wieder hier aus, und das ist das, was Brittany und mich beruhigt." Dann kam sie auf ein anderes Thema, nämlich die Latierre-Kuh, die Julius und Millie geschenkt bekommen hatten. Julius, der davon ausgehen mußte, daß Linos magische Ohren wie superempfindliche Richtmikrofone auf das Haus eingepeilt waren, erwähnte nur das, was man über eine gewöhnliche Latierre-Kuh sagen konnte, daß sie gerade trächtig sei und er sie häufiger besuche, um sich über den Fortgang der Trächtigkeit zu informieren. Zumindest kam Mrs. Forester nicht auf Goldschweif zu sprechen. Sie erwähnte, daß die in Viento del Sol angesiedelte Herde Latierre-Kühe allesamt Nachwuchs erwarteten und sie nun zusehen müßten, wohin damit. Julius fragte, ob von den Kälbern wieder welche nach Frankreich zurückgeschickt würden. Das wußte die Zaubertierlehrerin nicht. Sie erwähnte jedoch, daß sie Prinzipalin Wright den Vorschlag gemacht habe, zwei junge Kühe in die Schulmenagerie aufzunehmen. Julius konnte dazu nur sagen, daß sie dann aber viel Futter heranschaffen müßten, weshalb es in Beauxbatons keine Latierre-Kühe gab. Dann war auch dieser Tanz vorbei.
Die dritte Auslosung bescherte Julius einen Tanz mit Madam Merryweather, der Mutter des Bräutigamstraußfängers und residente Heilerin von Thorntails. Mit dieser unterhielt er sich während des schnellen Walzers über die vergangenen Monate und daß er wohl nach der Schulzeit eher in die Zaubertierabteilung als zu den Heilern gehen würde.
"Nun, umfangreiche Talente sollten auch so umfangreich wie möglich ausgeschöpft werden. Aber ich kann verstehen, daß du dir etwas aussuchen möchtest, wo du nicht erst vier Jahre für weiterlernen mußt, wenngleich es schon eine große Anerkennung einbringt. Mein Sohn kam auch mit mehreren hochwertigen Noten aus Thorntails heraus und hätte durch mich oder einen Kollegen guten Zugang zur Heilerausbildung bekommen. Aber ich fürchte, daß die Privatlebensbeschränkungen unserer Zunft ihn abgeschreckt haben. Hinzu kommt, daß er wohl fürchten mußte, immer mit mir verglichen zu werden. Da wollte er lieber etwas tun, was aus seiner Familie noch keiner getan hat."
"Ist es zu persönlich zu fragen, ob Ihr Mann durch ein Verbrechen oder einen Unfall ums Leben kam?" Fragte Julius nun doch neugierig.
"Es stand damals in beiden Zeitungen. Mein seliger Mann ließ sein Leben beim Versuch, einen nach New Mexico eingefallenen peruanischen Vipernzahn einzufangen. Der Biß einer solchen Kreatur setzt auch uns Heilern unüberwindliche Grenzen", seufzte die Schulkrankenschwester von Thorntails. "Insofern solltest du, wenn du wahrhaftig mit magischen Tieren arbeiten möchtest, immer genug Abstand zu einem Drachen halten." Julius hätte fast erwähnt, daß er schon apparieren konnte. Aber wenn Lino mithörte mußte die das noch nicht wissen, falls es ihr nicht schon aus anderer Quelle bekannt war. Am Ende des Tanzes bedankte sich Julius für die interessante Unterhaltung und nahm die Erwiderung der Heilerin entgegen.
Die Feier wurde nun vom großen Kaffeetrinken unterbrochen, bei dem die mehrere Meter durchmessende Hochzeitstorte enthüllt wurde. Um die keine Eier und Milchprodukte zu sich nehmenden auch davon essen lassen zu können war sie aus reinen pflanzlichen Zutaten ohne Sahne gebacken worden. Auf der Torte hockten zwei Phönixe aus einem goldenen Material, sowie ein Brautpaar aus heller und dunkler Schokolade. Als Brittany Brocklehurst und ihr Mann die Torte anschnitten leuchteten die beiden Zaubervögel auf, stießen einen melodischen Klang aus und schwirrten eine Runde durch den gläsernen Saal, bevor sie wie Wunderkerzen in silbernen, roten und goldenen Funken zersprühten. Die beiden gerade einen halben Tag angetrauten Eheleute verteilten den gewaltigen Kuchen unter den Gästen und wünschten guten Appetit. Neben der gewaltigen Hochzeitstorte gab es noch anderen Kuchen und die in den USA so beliebten Muffins. Nach dem Kaffeetrinken durften die Gäste sich frei durch den Festsaal bewegen, tanzen oder ungezwungen zusammenstehen. Julius führte dabei seine Frau und seine Mutter einmal auf die Tanzfläche. Dann forderte Brittany ihn zu einem Tango auf, während Linus Millie fragte, ob sie mit ihm tanzen wolle, obwohl er von dieser überragt wurde. Aber das kannte der ja auch schon von seiner frisch Angetrauten.
"Ich glaube, Linus hat seinen und jetzt auch meinen Onkel Lucky richtig glücklich gemacht, als der seinen Strauß auffangen konnte."
"Dafür hat meine Mutter deinen Strauß erwischt. Hoffentlich hängt da nicht doch was dran, daß sie demnächst wen finden muß, um zu heiraten", erwiderte Julius.
"Hättest du ein Problem damit?" Fragte Brittany Julius und deutete hinüber zu Martha Eauvive, die wieder mit Lucky Merryweather tanzte und sich offenbar gut amüsierte.
"Sagen wir es so, ich habe kein Recht und keinen Auftrag, meiner Mutter den Mann für's Leben auszusuchen oder zu verbieten. Wenn sie findet, daß sie jemanden heiraten möchte, wäre ich der letzte, der ihr das ausreden darf, wo sie Millie und mich so jung zusammengelassen hat. Allerdings sollte der Typ dann nicht meinen, daß ich Daddy oder Papa zu dem sage und finden, er müsse die bald drei Jahre nachholen, die ich keinen Vater hatte. Ich hatte einen, und der hat mir viel wichtiges beigebracht. Das reicht mir persönlich, um mein Leben anzugehen. Wenn wer auch immer meint, meine Mutter heiraten zu wollen das kapiert und mich mein Leben leben läßt, wünsche ich meiner Mutter alles Glück, daß sie mit ihm haben kann."
"Ich meine nur, weil es so aussieht, als dürfte ich demnächst zu deiner Mutter Tante Martha sagen", erwiderte Brittany auf ihre gewohnt direkte und unverklemmte Art. Julius stutzte und fragte zurück, ob sie das ernst meine. "Nun, deine Mutter tanzt jetzt schon zum vierten Mal mit meinem Schwiegeronkel. Das täte sie nicht, wenn der ihr total unsympathisch wäre oder sie ihm unsympathisch wäre. Insofern kann ich mir das zumindest vorstellen, daß die beiden irgendwann mal heiraten könnten, nicht müssen, Julius."
"Oh, das müßte ich mir aber überlegen, ob ich das gut finden soll, daß du dann meine verschwägerte Cousine wärest", versetzte Julius dann, mußte aber lächeln. Brittany fragte deshalb, ob für ihn dann die Welt untergehen würde. Er dachte nur eine Sekunde über die passende Antwort nach und sagte so lässig er konnte: "Ich habe schon schrägere Schwiegercousinen und vor allem -tanten, da hätte ich mit dir überhaupt kein Problem. Aber mit meiner verschwägerten Großtante Abigail könnte es Krach geben, wenn die dann meint, in meine Angelegenheiten dreinreden zu können."
"Hat Venus mir vorhin gemelot", schickte ihm Brittany auf unhörbarem Weg in den Kopf. Er hielt einen Moment inne und schickte zurück, daß sie wohl Minderwertigkeitskomplexe habe. Brittany schickte dann zurück, daß sie mehr Krach mit ihrer Mutter habe und der allzugerne nachweisen würde, daß sie, Brittany, nicht Dan Foresters Kind sein könne, es aber bisher nicht geschafft habe. "Die ist halt auf altbackene Werte festgelegt. Wenn ein Baum ein bestimmtes Alter überschritten hat, kann den nichts mehr in eine andere Richtung zu wachsen zwingen, Julius. Ich mußte mir von meiner Großmutter Gail auch schon was anhören, weil ich nicht den Lebenswandel führen kann, den sie von ihrer Mutter her für richtig erlernt hat." Mentiloquistisch fügte sie noch hinzu: "Mein Vater hat ihr die Mora-Vingate-Sache gesteckt. Bin wohl jetzt sowas wie eine Schlampe oder Wonnefee für die."
"Tja, und trotzdem ist sie heute hier", mentiloquierte Julius zurück. Für Brittanys und andere Ohren hörbar fügte er noch hinzu: "Wie erwähnt, mit dir als Cousine käme ich wohl irgendwie klar, zumal ja zwischen hier und Millemerveilles mehrere tausend Kilometer liegen."
"Gerade mal eine Flugstunde mit der Überschall-Himmelswurst", wies Brittany Julius auf die nicht so große Entfernung hin. Dann mußte sie grinsen. "Ich würde mit dir als verschwägerten Cousin auch mehr Freude als Krach kriegen."
"Was die Freude angeht mußt du aber aufpassen, daß du dann keinen Krach mit Millie kriegst", brachte Julius eine Frechheit an. Brittany lachte darüber jedoch herzhaft und erwiderte:
"Dann wäre meine Oma Gail zumindest beruhigt, sich in mir nicht getäuscht zu haben." Sie knuddelte Julius. Sein grün-goldener Festumhang und ihr blütenweißes Hochzeitskleid rieben dabei sacht aneinander. "Schöner Stoff, diese Grünstaudenfaser", stellte Brittany fest und strich sanft über Julius Rücken. Er ließ seinerseits seine rechte Hand über den glatten, zarten Stoff des Brautkleids gleiten und fragte, ob ihr Kleid auch aus diesem Material bestehe.
"Das auch", bestätigte die Braut und sah ihrer Oma väterlicherseits zu, wie diese einen tadelnden Blick herüberwarf. Doch dafür hatte sie nur ein überlegenes Grinsen übrig. Dann sagte sie: "Du hast mit Onkel Lucky noch nicht gesprochen, richtig? Ihr standet bei den Auslosungstänzen immer zu weit für eine gesittet leise Unterhaltung weg. Interessiert es dich, mit ihm zu reden, wo du schon mit seiner Mutter getanzt hast?"
"Warum nicht? Er macht einen lebenslustigen Eindruck."
"Tja, und das obwohl er so eine strenge Mutter hat und mit zehn seinen Vater verloren hat", entgegnete Brittany. Julius nickte. Ein wenig konnte er das nachempfinden, wie sowas jemanden runterziehen konnte.
"Onkel Lucky, darf ich dir Mr. Julius Latierre vorstellen. Julius, das ist mein Schwiegeronkel, Lucullus Enceladus Merryweather der dritte", stellte Brittany die beiden Zauberer einander vor. Der hagere Zauberer nahm den sonnengelben Bowler vom Kopf, Julius seinen grünen Spitzhut. Dann gaben sich beide die rechte Hand. "Ich habe mich schon gewundert, wann ich den jungen Mann mal ohne durch den Saal brüllen zu müssen ansprechen darf", sagte Mr. Merryweather. Martha Eauvive deutete auf Julius und sagte:
"Nun, mein Sohn hat sich durch unter anderem meine Fürsprache für einen Tanzkurs einen beachtlichen Ruf bei den tanzwilligen Damen erworben und muß diesem bei jeder entsprechenden Gelegenheit gerecht werden, Lucky."
"Ja, Martha, das trifft wohl zu. Denn außer meinem Vater und mir hat kein junger Gentleman meine Mutter in den letzten dreißig Jahren so glücklich strahlen lassen wie Ihr Sohn vorhin. Seine junge Gattin muß sehr gut aufpassen, daß er ihr nicht abhanden kommt, weil meine Mutter mehr als seine Tanzkünste zu bewundern lernen könnte.""
"Hämm-ämm", räusperte sich Martha Eauvive, während Brittany Brocklehurst, Lucullus Merryweather und Julius über diesen derben Scherz lachen mußten.
"Ich würde Ihre Mutter irgendwann langweilen, weil Sie mir wohl noch viel mehr beibringen müßte, um annähernd mitzuhalten", ließ sich Julius auf das eher einem frechen Halbwüchsigen passende Spiel ein. Seine Mutter sah ihn verdutzt an, während Mr. Merryweather erwiderte:
"In Punkte Schlagfertigkeit sind Sie jedenfalls schon fit genug, um sich mit ihr einzulassen, junger Sir. Außerdem ist sie ja daran gewöhnt, jungen Leuten alles mögliche beizubringen, was sie in Schwung hält."
"Weiß Ihre Frau Mutter, daß Sie so über sie denken?" Fragte Julius nun doch etwas verunsichert klingend. "Nicht das morgen im Westwind oder Herold steht, daß der Sohn der amtierenden Schulheilerin der Thorntails-Akademie behauptet haben könnte, seine Mutter jage jungen Zauberern nach. Denn dann käme meine Frau wohl nicht darum herum, Rechenschaft oder gar Genugtuung von ihr zu fordern."
"Genug jetzt, Julius", zischte seine Mutter. Doch Lucky Merryweather sah sie beruhigend an und erwiderte lässig: "Wenn meine Mutter was auf das Geschwätz im Westwind oder dem Herold gäbe hätte sie mich nicht neun, sondern zwanzig Monate lang im Bauch haben müssen. Aber die neun monate haben uns beiden schon gereicht, um zu klären, daß ich als eigenständig atmender Bursche mehr zu bieten habe. und was Linos lange Ohren angeht, vor denen Sie wohl auch einen gewissen Respekt haben, so weiß die werte aus eigener Erfahrung, daß meine Mutter außer mir keinen jungen Zauberer mehr in und um sich herumhaben will und würde es nicht darauf anlegen, sich mit ihr und der halben Heilerzunft anzulegen, wo sie vor kurzem noch fast Krach mit der neuen Zunftsprecherin bekommen hätte, weil die sich zu sehr für ihre Urenkelin interessiert hat."
"Ich bin es gewohnt, daß mein Sohn mit derben Kommentaren und Sprüchen konfrontiert wird, Mr. Merryweather", entgegnete Martha Eauvive leicht verdrossen. "Insofern werde ich davon absehen, Sie wegen Ihrer letzten Bemerkung zu maßregeln."
"Damit würden Sie mir zweifelsohne einen bisher sehr schönen Tag verderben, Martha", konterte Mr. Merryweather. Julius fand, besser ein anderes Thema anzuschneiden und erwähnte, daß er den Namen Lucullus im Zusammenhang mit einem altrömischen Feinschmecker gehört habe.
"Wie meine nun angetraute Nichte gerade erwähnt hat bin ich bereits der dritte Namensträger. Mein Großvater wurde wohl so genannt, weil er als besonders stark und hungrig aufgefallen sein soll, sagte meine Urgroßmutter Livia mir einmal, als ich das auch rausgekriegt habe, daß es mal im alten Rom einen Feldherrn oder Konsul gab, der gerne und gut aß."
"Ja, aber Linus sagt, daß du mit diesem Namen nicht so glücklich bist wie mit Lucky, Onkel Lucky", wandte Brittany ein.
"Weil meine werte Mutter mich immer beim vollen Namen ruft, wenn sie meint, ich habe was angestellt. Offenbar passierte das bisher ziemlich häufig. Das hat mich in Thorntails schon gestört, der Sohn der Schulheilerin zu sein, obwohl sie nichts dafür konnte und ich schon gar nichts. Als ich dann durch Studien der magielosen Wissenschaften erfuhr, daß meine Initialen für ein Weltraumfahrzeug stehen habe ich mit ihm wieder Frieden geschlossen."
"Stimmt, lunares Exkursionsmodul, die Landefähren der Apollo-Mondmissionen", wußte Julius es auch. "Und der zweite Name, Enceladus, ist auch der Name eines Mondes vom Saturn."
"Huch, noch ein Sternengucker?" Fragte Mr. Merryweather. "Hatte mit Astronomie meinen einzigen O-ZAG und deshalb das ganze noch bis zu den UTZs durchgezogen. Bringt mir heute wieder viel, wenn ich mich über die ganzen künstlichen Satelliten und ihre Existenzberechtigung mit den Astronomen der Zaubererwelt rumzanken muß. Die ärgern sich im Grunde ja nur, daß die Muggel in der Hinsicht jetzt besser dastehen, um neue Sterne und Planeten zu suchen."
"Aber nur, weil sie den Optikfehler beim Hubble-Weltraumteleskop behoben haben", wußte Julius zu ergänzen. Brittany sah ihren Schwiegeronkel und ihn an und sagte:
"Na ja, mit Astronomie hatte ich es nie und sehe im Moment außer der Sonne und dem Mond auch nichts da oben, was für mich hier auf der Erde wichtig ist."
"Bis jemand den Mond vom Himmel pflückt und ihn in einen Pot eintopfen will", scherzte Lucky Merryweather.
"Das macht der aber nur einmal", setzte Julius noch einen drauf. "Denn die Sauerei mit dem auslaufenden Kühlzeug kriegt kein Ratzeputz-Zauber mehr von der ganzen Erde runter."
"Das du Wichtel frühstückst wissen wir ja schon seit einigen Monaten. Aber daß Julius auch welche frühstückt wußte ich noch nicht", lachte Brittany ihren neuen Onkel an.
"Tja, Wichtel hat meine Mom mich auch mal genannt, bevor ich meinen ersten Schrei getan habe. Aber da hat sie dann erkennen müssen, daß ich nicht klein und blau bin", erwiderte Lucky Merryweather. Martha Eauvive schien im Moment nicht zu wissen, wie sie damit umgehen sollte. Das merkte Julius und sagte deshalb: "Ich wollte auch nicht zu lange hier in Ihre Unterhaltung reinfuhrwerken, Sir."
"Den Eindruck habe ich nicht bekommen", erwiderte Mr. Merryweather lächelnd. "Ich bin froh, daß Sie nach allem, was die Presse über Sie verzapft hat und was Ihnen wahrhaftig passiert ist noch genug Spaß am Leben haben. Zum weinen gab und gibt es ja schon mehr als genug. Da muß auch der Scherz und das Lachen erlaubt sein, solange es nicht zu unfeinen Taten gegen die Mitmenschen ausufert. Ich hoffe, Sie bewahren sich Ihren Humor und Ihre Schlagfertigkeit noch sehr lange."
"Danke für diesen Wunsch", erwiderte Julius, blickte sich um und sah Millie bei der Ministergattin und Ginger McDeer stehen. Das mußte er jetzt wirklich nicht haben, sich in eine mögliche Unterhaltung werdender Mütter und solche, die bald darauf hinarbeiten wollten einzuklinken. So fragte er Mr. Merryweather, ob er auch Schach und Quodpot spiele.
"Quodpot spielen war nie so mein Fall. Ich sehe mir aber gerne Spiele an, wenn meine Zeit das zuläßt. Mit Schach komme ich nicht zurecht. Ist mir zu viel Schwarz-weiß und ständiges Gerangel auf dem Spielbrett. Ich bin eher der Musiker und Sternengucker", erzählte Brittanys Onkel von seinen Interessen. Brittany fragte ihn dann, welches Musikinstrument er spielen würde. "Na ja, Klavier, Trompete, Schlagzeug und Gitarre, was sich gerade anbietet. Habe während Thorntails in einer Band mitgespielt, die von leuten aus den Häusern Redhawk, Bluespring, Greenskale und Windfall gebildet wurde. Nur die auf ihre Reinrassigkeit eingebildeten Durecores hatten es nicht nötig, in einer Gruppe mitzuspielen, wo drei Muggelstämmige mit dabei waren", begann Mr. Merryweather nun sprichwörtlich aus der Schule zu plaudern und zu erzählen, was er damals, wo er als "der Sohn der Schulkrankenschwester" im Haus Bluespring gewohnt hatte, so erlebt hatte. Da Julius auch einmal in Thorntails gewesen war sprachen sie über die damaligen Lehrer. "Damals war noch Daianira Hemlock Kräuterkunde- und Zaubertranklehrerin. Bei der mußte man immer aufpassen, mit der keinen Krach zu kriegen", erwähnte Mr. Merryweather. "Die hat sich viel drauf eingebildet, neben Prinzipalin Wright und Nirvana Purplecloud zu den ersten Lehrerinnen da gehört zu haben. Na ja, kompetent war die schon, und wer bei ihr was lernen wollte, der konnte auch supergute ZAGs und UTZs abräumen, wenngleich sie schon gemerkt hat, wer sich bei ihr nur einschleimen wollte und wer wirklich am Fach interessiert war. Mit Heuchlern und Opportunisten hatte sie es nicht. Die mußten das ganz schnell lernen, daß sich derlei bei ihr nicht lohnte. Bullhorn ist da schon eher auf Nachläufer und Anbeter zu sprechen, aber auch ein Typ, der bei Zauberern die zupackende und dreinschlagende Kraft hervorkitzelt, wo er kann. Der meinte immer: "Wer nicht bereit oder fähig ist, alles gewinnen zu wollen, der muß eben damit leben, immer wieder zu verlieren." Hat mich schon angenervt, diese Tour. Sicher, stark zu sein ist verdammt wichtig. Aber ein Mann ist doch auch dann noch ein Mann, wenn er nicht gleich um alles und jeden kämpft, sondern auch mal verzichtet oder zugibt, sich geirrt zu haben. Okay, ich als Sohn einer alleinerziehenden Mutter, die noch dazu Heilerin ist, bekam bei dem ja dauernd was ab. Vielleicht bin ich deshalb nicht so gut auf dem seine Art zu sprechen." Brittany stellte fest, daß der bei Hexen ähnlich unerbittlich war wie bei Zauberern, wenngleich sie mit Nirvana Purplecloud unangenehmere Erfahrungen gesammelt habe. Martha Eauvive hörte sich alles höflich an. Als es darum ging, wie die ZAGs in Thorntails stattfanden mußte sie wohl daran denken, im kommenden Sommer diese allgemeine Zauberergradprüfungen nachzuholen. So sagte sie: "Besteht denn für alle Berufe in der Zaubererwelt diese Prüfungspflicht?"
"Sagen wir's so, sie gilt als Standard und allgemein verbindlich", sagte Mr. Merryweather. "Viele Hexen und Zauberer haben da mehr Angst vor als vor den UTZs. Mag daran liegen, daß sie sich die UTZs ja selbst aussuchen, während sie bei den ZAGs ja aus allen Fächern was nachweisen müssen und immer wieder gesagt wird, daß vollwertige Hexen und Zauberer diese Prüfungen geschafft haben müssen, um in der Welt was zu werden. Sicher wollen die Leute da auch gute UTZs haben, um galleonenträchtige Berufe an Land zu ziehen. Aber wer die ZAGs versiebt kann froh sein, wenn er oder sie zumindest ein paar Nachholprüfungen hinbekommt, um nach der Schule nicht als Volltroll dazustehen, also als Idiot oder Versager." Martha Eauvive verzog ihr Gesicht. Brittany und Julius wußten warum. Lucky Merryweather fragte sie, was sie habe.
"Das möchte ich hier nicht unbedingt auswalzen, Sir. Nur so viel, daß ich froh bin, daß mein Sohn diese Mindestanforderung geschafft hat."
"Aber holla", erwiderte Brittany, während Julius an den Ohren rot anlief. "Wenn Ihr Sohn nach den UTZs nicht weiß, was er in Frankreich will käme der mit seinen ZAGs locker auch bei uns irgendwo unter."
"Nur mit dem Unterschied, daß Millie keine Lust hat, aus Frankreich auszuwandern und ich keine Briefehe führen möchte", hielt Julius ihr entgegen. "Das sind die Sachen, die ich jetzt schon klar bedenken muß, bevor ich irgendwas berufliches mache, ob in einer Firma, im Ministerium oder als Selbständiger."
"Vor allem dürfen Sie sich dabei nicht von anderen Druck machen lassen, auch wenn Sie wohl in vielen Sachen gut dabei sind", entgegnete Mr. Merryweather. "Der Job unterscheidet sich von der Profession dadurch, daß der Job des Geldes wegen und der Beruf der geleisteten Arbeit wegen ausgeübt wird. Das sehe ich an meiner Mutter, das habe ich selbst gelernt und kann es nur jedem anderen empfehlen, sich genau zu überlegen, für was er oder sie arbeiten möchte, für das Geld, dann darf er oder sie nicht lamentieren, daß die Arbeit zu schwer ist, oder für die Anerkennung der geleisteten Arbeit, wobei derjenige sich dann genau überlegen oder ausrechnen muß, mit wie viel er oder sie im Monat auskommt und wie wertvoll die erbrachte Leistung für den ist, der davon profitiert. In den Staaten geht leider mehr nach Geld als nach Idealen und Erzeugnissen. Es gibt zwar die Vorstellung vom Regenbogen und dem Topf voller Gold, was den Unterschied zwischen Anerkennung und materiellem Wohlstand bezeichnet. Aber leider wollen immer mehr auch bei uns Zauberern und Hexen volle Verliese als gute Erwähnungen in Fachbüchern oder Kulturnachrichten. Es gibt zwar welche, die meinen, beides hinzukriegen. Aber im wesentlichen wird einem vom Leben die Entscheidung aufgezwungen, ob es das Einkommen oder die Anerkennung sein muß."
"Na gut, Mr. Merryweather, mein Mann hat beides erreicht", sagte Martha Eauvive. "Und er hat für das gelebt, was er gelernt hat. Er war Chemiker und wollte immer neue Substanzen erfinden."
"Ich sagte nicht, daß man beides gleichzeitig nicht erreichen kann. Ich sagte nur, daß es wichtig und nötig ist, sich darüber klarzusein, was jemand von seinem oder ihrem Leben erwartet. Das sage ich als Amerikaner, der sich am Regenbogen erfreut, auch wenn er nicht immer den Topf voller Gold findet. und meine Mutter, die zwar viel für ihre Arbeit bekommt, würde das wohl nicht tun, was sie tut, wenn sie nicht auch der Anerkennung und der für sie sichtbaren Erfolge wegen heilen würde. Idealismus macht zwar nicht satt, erhält aber den Schwung, jeden Tag neu anzugehen. Ups, jetzt bin ich doch glatt ins Philosophieren abgerutscht. Passiert mir höchst selten", stellte Lucky Merryweather nach seiner spontanen Ansprache fest, der Brittany und Julius aufmerksam gelauscht hatten, wohl auch, weil das schalkhafte Gebahren des schwarzhaarigen Zauberers für diese kurze Zeit verschwunden war. Martha Eauvive sagte noch:
"Ich habe an meinem Mann mitbekommen, wie ihn die zunehmende Verantwortung vorangetrieben hat und er immer weniger für sich als für die anderen gelebt hat. Daß er am Ende von diesem weiblichen Monstrum manipuliert wurde kann daher kommen, daß dieses Geschöpf alle über Jahre eingezwengten Bedürfnisse aus ihm herausgelockt hat und er damit keine Gegenwehr gegen ihre Avancen bot. Von dir, Julius erwarte ich, daß du die Balance findest, die zwischen dem nötigen und dem angenehmen liegt. Ich selbst habe mich auch häufig eingeschränkt, weil ich nicht in meiner Leistungsfähigkeit nachlassen wollte. Dir, Julius, wird ja von der Schule her eine Menge mehr zugemutet als den anderen. Wenn dir das hilft, nach der Schule zu wissen, was du tun willst und wie und warum, dann hatte das seinen Wert. Wenn es nur um Noten geht, wäre es sinnlos."
"Das ist der Grund, warum ich Astronomie bis zu den UTZs behalten habe", wandte Lucky Merryweather noch ein. "Wenn man was kann, ohne sich zu sehr dafür anstrengen zu müssen, sollte man den Spaß daran bewahren und das nicht nur als Verpflichtung oder Schicksal sehen. So, und bevor ich noch weiter ins Philosophieren gerate wollte ich meine neue Nichte fragen, ob sie mir diesen Tanz gönnt."
"Das mach bitte richtig, Onkel Lucky", erwiderte Brittany darauf. So fragte er sie: "Mrs. Brocklehurst, darf ich bitten?" "Sehr gerne, Mr. Merryweather", erwiderte Brittany und ging mit ihrem Onkel auf die Tanzfläche. Julius ließ sich nicht lumpen und forderte seine Mutter zum Tanz auf.
Während des Wiener Walzers erzählte Martha Eauvive ihrem Sohn, daß Lucky Merryweather auf sie den Eindruck eines Abenteurers mache, der jedoch sein Ziel im Blick behalte. Julius fragte sie keck, ob sie jetzt meinte, ihn besser kennenlernen zu müssen, weil sie beide die Hochzeitssträuße aufgefangen hatten.
"Nun, eher wohl er mich als ich ihn", entgegnete Martha Eauvive. "Doch bisher habe ich keinen ausschlaggebenden Grund gefunden, warum er und ich uns auf gesellschaftlicher Ebene nicht kennenlernen dürften. Immerhin ist er im Muggelkontaktbüro, und ich habe mit einem seiner Kollegen schon zusammengearbeitet. Es kann und wird nichts schaden, ein paar Leute mehr in den Staaten zu kennen. Das wissen wir zwei ja jetzt schon lange, daß Kontakte in der Zaubererwelt überaus wichtig sind."
"Das ist wohl wahr", stimmte Julius zu. Beinahe hätte er gefragt, was Zachary Marchand dazu sagen würde. Doch dann hätte er nicht nur seiner Mutter verraten, daß es ihm wichtig war, wie dieser Typ drauf war, sondern hätte Linda Knowles irgendwo da draußen noch was geliefert, an dem sie sich genüßlich festbeißen konnte. Genau das aber wollte er nicht. So unterhielten sie sich über die bisherige Feier und daß Brittanys Großmutter väterlicherseits keinen heißen Samba leiden mochte. "Da können diese Venus Partridge und du ja froh sein, daß diese Fetencombo keinen Lambada oder Mambo gespielt hat."
"Och, kann noch kommen. Der Abend ist noch jung, und erst wenn das Brautpaar sich davonmacht ist die Party zu ende", bemerkte Julius dazu. Innerlich stellte er sich gerade einen feurigen Mambo mit seiner Frau oder Brittany vor. Wie würde dieses spießige Frauenzimmer dann glotzen?
Gegen acht Uhr war Abendessenszeit. Noch einmal gab es die Auswahl mehrgängiger Menüs. Millie und Julius überredeten die Tischgenossen dazu, ein echt französisches Abendessen mit einer leichten Vorspeise, der sogenannten Amuse Bouche, einem Salatgang, einem Suppengang, einem Fleisch-, einem Fischgang und einer Käseplatte zusammen zu bestellen. Millie wählte dann die Sachen aus, die von dem Angebot am nächsten an diese Vorstellung herankamen. So dauerte es bis halb zehn, bis alle wieder satt genug waren, um den restlichen Abend mit Tanz und Geplauder ausklingen zu lassen. Julius bekam seine Chance, mit Millie einen sehr körperbetonten lateinamerikanischen Tanz aufzuführen, was Brittanys Großeltern väterlicherseits wieder sehr kritisch dreinschauen ließ, wohl aber auch, weil Brittany und Linus, sowie Melanie und Notus die prickelnden Tanzbewegungen der Latierres nachahmten, wobei Notus einmal mit seinem Knie Melanies hellblaues Kleid anhob, so daß Glorias Cousine einen Sekundenbruchteil lang mit entblößten Beinen dastand, was ihr jedoch nichts ausmachte und Notus sichtlich begeisterte.
Da es keine Paarauslosungsrunden mehr gab hielten sich die Tanzmuffel nun schön weit von der Tanzfläche fort. Steve Cotton hatte sich mit einigen Vettern des Bräutigams auf ein Met-Wettrinken eingelassen. Als Julius das mitbekam flüsterte er seiner Frau zu, daß das ähnlich war wie bei der Siegerfeier nach dem letzten Spiel der Grünen.
"Das wird für die Damen und Herren Rauschmittelverächter heftiger sein als unser Tanz eben", grinste Mildrid Latierre.
Julius durfte noch einmal mit Brittany tanzen, weil sie ihrem Mann vorführen wollte, wie der Rock'n Roll ging. Dann merkte Julius es aber in den Beinen, wie häufig er an diesem Abend das Tanzbein geschwungen hatte. Dennoch gönnte er Gloria und ihren Cousinen Mel und Myrna auch noch einen Tanz. Er hielt sogar noch aus, daß die drei Friday-Schwestern und deren Mutter mit ihm tanzen wollten. Dann aber war der große Augenblick da. Brittany und Linus betraten das Podium. Das Orchester spielte einen Tusch. Linus sprach zuerst:
"So, Leute, nachdem wir nun alle so richtig müde geworden sind und von dem guten Essen und Trinken der Damen und Herren Silverbell so viel genießen durften, daß wir eine ganze Woche davon satt bleiben, möchten meine Frau und ich uns noch einmal recht herzlich für diesen großartigen Tag bedanken. Vor allem möchte ich mich bei euch beiden bedanken, Mom Lorena und Dad Daniel, daß wir große Rasselbande euer schönes Haus so lange besetzt haben. Es war eine tolle Feier, und eine geniale Gelegenheit, die ganze Verwandtschaft noch einmal auf einem Haufen zu sehen." Viele lachten, vor allem die Gäste, die nicht unmittelbar mit dem Brautpaar verwandt waren. Dann sprach Brittany:
"Mom, Dad, und der ganze Rest von euch, der Tag war lang und für euch und uns sicher sehr anstrengend. Daher bleibt mir jetzt nur übrig, mich noch einmal für all das zu bedanken, was mich bis hierher geführt hat und was mich auch weiterhin begleiten wird. Schön, daß es euch alle gibt! Schön, daß ihr keine Kosten und Mühen gescheut habt, zu uns zu kommen! Danke für diesen unvergeßlichen Tag! Was mich angeht, so bin ich nun gespannt auf das, was die nächsten Jahre bringen werden. Ich hoffe sehr, daß dieser große Tag über alle diese kommenden Jahre hinweg nichts von seinem Glanz und seiner Größe verlieren mag. Linus und ich wollen nun sehen, welche Überraschungen das gemeinsame Haus zu bieten hat. Denn ich hörte irgendwas, daß jemand von hier etwas angeleiert hat, daß wir es womöglich nicht wiederfinden oder es nicht das Haus ist, in dem wir eigentlich wohnen wollten. Aber wie dem auch sei und was wer auch immer da angestellt hat, Linus und ich werden uns dem jetzt stellen. Gute Nacht zusammen! Möge der morgige Tag und alle kommenden Tage uns weiterhin mehr Glück als Unglück bescheren! Gute nacht!" Danach ergriff Linus sie bei der Hand und schritt mit ihr aus dem Festsaal hinaus, begleitet von einem Marsch der Musikkapelle, der von den Gästen an den entsprechenden Stellen durch Klatschen und Stampfen betont wurde. Julius hatte erwartet, daß die beiden disapparierten. Doch womöglich umschloß ein Antiapparierwall das Grundstück. Als die beiden frisch vermählten den Festsaal verlassen hatten betrat Mr. Dan Forester noch einmal das Podium und bedankte sich bei den Gästen für die Feier und erwähnte, daß sie noch tanzen und trinken könnten, der Speisenservice jedoch nun abreisen würde. Weil es eben nichts mehr zu essen gab sahen es alle ein, daß man die ganzen Tische an einer Wand zusammenstellen und die Faltstühle ineinanderstapeln konnte. Denn wer nicht tanzte stand mit anderen zusammen und plauderte, während Met, Wein, Fruchtsaft und Champagner getrunken wurden. Da Julius außer dem Wein zum Mittagessen und einem Glas Champagner auf Brittanys und Linus' Wohl keinen Alkohol zu sich genommen hatte, war er im Vergleich zu den anderen, die keine Bedenken wegen des Alkohols hatten noch fit genug, um beim ersten Aufräumen des Festsaales zu helfen. Seine Mutter, die nach der Erfahrung mit magischen Cocktails lieber nur Wein getrunken hatte, saß wieder mit Lucky Merryweather zusammen, der entweder gar nichts getrunken hatte oder es wesentlich besser vertrug als die jüngeren Partygäste. Julius fragte sich, ob Brittany nicht irgendwie recht haben mochte, daß seine Mutter und ihr Schwiegeronkel Gefallen aneinander gefunden hatten. Er selbst hatte sowas wie Liebe auf den ersten Blick bisher nicht erlebt und würde jetzt wohl auch nicht mehr so schnell davon erwischt werden können. Bei seiner Mutter wußte er, daß sie trotz der gerade geäußerten Lockerheit immer noch überlegte, was sie wann mit oder von wem wollte. Sicher war es für sie das lustige Spiel mit dem Brautstrauß oder der Umstand, daß sie nicht mehr als krasse Außenseiterin in einer ihr fast unzugänglichen Welt gehandelt wurde. Diese Rolle nahmen im Moment Daniel Foresters Blutsverwandte ein, die dem Treiben mit großem Argwohn zusahen. Gegen fünf vor zwölf verließ Mrs. Cartridge die Feier. Julius sah, wie die Tür hinter ihr zufiel, dann wie von Geisterhand wieder aufschwang und wieder zufiel. Offenbar hatte nur er das bemerkt, oder die anderen kümmerten sich nicht darum. Er dachte an mindestens einen unsichtbaren Leibwächter, der die ganze Zeit darauf geachtet hatte, daß niemand den Zauberstab gegen Mrs. Cartridge erhob. Julius fragte sich, ob jemand dann noch den tödlichen Fluch hätte ausrufen können, bevor ihm ein Schockzauber oder ein Bewegungsbann zuvorgekommen wäre. Jedenfalls wußte er nun, daß man sich um die Ministergattin kümmerte.
Die Feier ging noch zwei Stunden weiter. Erst als außer den Hausbewohnern und deren Übernachtungsgästen keiner mehr im Wintergarten war, verabschiedete Mrs. Lorena Forester die Musiker und gab diesen einen großen Lederbeutel, in dem es sehr vernehmlich klimperte. Die Band rückte mit einem Marsch aus dem Haus aus und winkte mit erleuchteten Zauberstäben, worauf ein großer Dreidecker aus dem Nichts auftauchte und den Hof des Rotbuchenhauses noch einmal in helles Licht tauchte. Als die Musiker eingestigen waren und der Bus um die Ecke verschwand, half Julius noch beim Aufräumen mit, während Brittanys Großeltern sich zurückzogen, um zu schlafen. Martha Eauvive mußte auf Lorenas unerbittliches Drängen hin zeigen, ob sie schon ein paar gute Haushaltszauber ausführen konnte. Sie stellte das mit dem Ratzeputz-Zauber unter Beweis. Als der Wintergarten komplett aufgeräumt dalag, bedankte sich Brittanys Mutter noch einmal bei den Latierres und martha. "So können wir die Festtagspyramide morgen auch wieder abholen lassen", sagte sie, bevor sie sich von ihren Gästen zur Nacht verabschiedete.
"Morgen habe ich todsicher den größten Muskelkater aller Zeiten", meinte Julius, als er neben seiner Frau im Bett lag. Diese grinste ihn an und erwiderte, daß er zu gut in Übung sei, um sich darüber Gedanken zu machen. Dann kuschelten sie sich aneinander und gaben sich der wohltuenden Wärme ihrer Körper und der Stille hin.
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Julius' Befürchtung bewahrheitete sich nicht. Am nächsten Morgen kam er gut aus dem Bett. Seine Beine fühlten sich zwar etwas schwerer an als gestern morgen, taten aber nicht weh.
Nach dem Frühstück verabschiedeten sich Daniel Foresters Eltern von den anderen Gästen. Zusammen mit den Muggelwelt-Brocklehursts ging es zum Flughafen nach San Francisco, von wo aus sie mit den üblichen Verkehrsmaschinen in ihre Heimatstädte zurückfliegen sollten. Mrs. Abigail Foresters Abschied für Julius fiel etwas unterkühlt aus. Offenbar konnte und wollte sie ihm nicht verzeihen, daß er sie zurechtgewiesen hatte, was die Muggel- und Zaubererwelt anging. Doch das störte ihn nicht. Brittany mußte mit ihr auskommen und jetzt auch Linus.
"Hat Linda Knowles was aus der Feier heraus aufgeschnappt?" Fragte Julius Brittanys Mutter.
"Ich denke, die gute Linda Knowles will keinen Krach mit den Bewohnern von VDS, weil sie bei Feiern zuhört. Es könnte deiner Mutter und euch aber widerfahren, daß sie noch mal nachhakt, wie euch die Feier gefallen hat und was das mit Marthas Namensänderung auf sich hat."
"Soll sie ruhig", knurrrte Julius. "Ich habe kein Problem damit, zu erzählen, daß mir die Feier sehr gut gefallen hat. Was meine Mutter angeht, so wird sie wohl klarstellen, was Linda Knowles schreiben darf und was nicht."
"Da mache ich mir auch keine weiteren Sorgen", entgegnete Mrs. Forester. "Ich wollte nur darauf hinweisen, daß der werten Ms. Knowles sowas einfallen könnte."
"Was war das eigentlich, daß sie Krach mit der neuen Heilersprecherin bekommen haben soll?" Fragte Julius.
"Krach kann man das nicht nennen. wir bekamen nur mit, daß sich die neue Zunftsprecherin, Eileithyia Greensporn, vor drei Wochen bei ihr eingefunden hat und wohl lange mit ihr gesprochen hat, weil der Westwind wohl wegen dieser Leda Greensporn und ihrem späten Baby was auszugraben meinte. Du hast ja von Britt mitbekommen, daß das kleine Mädchen versteckt werden mußte, weil es offenbar einen Überfallversuch gegeben hat. Was genau passiert ist weiß keiner. Sicher ist nur, daß Leda Greensporn deshalb wohl ihre Niederlassung aufgegeben hat und jetzt wieder im Honestus-Powell-Krankenhaus arbeitet, weil da wohl bessere Sicherheitsvorkehrungen wirken. Mehr weiß ich nicht."
"Eileithyia Greensporn ist Zunftsprecherin. Aber die ist auch schon über hundert Jahre alt", staunte Julius.
"Tja, kam wohl nicht mehr drum herum, nachdem es wegen der Zombieinvasion zu Unstimmigkeiten zwischen Anglo- und Lateinamerika kam und die Nordamerikaner ihren eigenen Zunftsprecher haben wollten. Tja, jetzt ist die gute Eileithyia die neue Sprecherin, hat aber durchgesetzt, weiterhin auch die Mutter-Kind-Abteilung des HPK zu leiten."
"Wenn sie meint, daß sie das hinkriegt, kein Problem", erwiderte Julius darauf.
Um halb elf kontaktfeuerte Geraldine Redlief und fragte an, ob Millie und Julius am Abend bei ihnen vorbeikommen wollten, wenn die Weihnachtsbeleuchtung entzündet würde. Julius klärte es mit seiner Frau ab, daß sie um halb acht Ostküstenzeit, was in Kalifornien halb fünf war, den Turm der Redliefs besuchen würden.
Bis zum Mittagessen schlenderten die Latierres durch das Zaubererdorf. Julius hatte seinen Frühwarner umgelegt. Zwar rechnete er nicht damit, von der Wiederkehrerin oder Nyx gezielt angegriffen zu werden. Doch die Erfahrungen der letzten Jahre hatten ihn doch ein wenig beunruhigt.
Als sie durch die Morgentaustraße im osten von Viento del Sol flanierten schlug Millie vor, noch einmal in die Geschäfte reinzusehen, wo sie vor bald zwei Jahren ihre Herzanhänger und andere Sachen gekauft hatten. Julius war einverstanden.
Natürlich kannte man die beiden im Schmuckladen noch. Die Verkäuferin, die sie in den vorletzten Osterferien bedient hatte erkundigte sich, ob sie noch zufrieden mit dem auf zwei Halsketten aufgeteilten Herzanhänger waren. Sie bestätigten das nur allzugerne, ohne genauer darauf einzugehen, welche Dienste der geteilte Anhänger ihnen schon erwiesen hatte. Julius wäre wohl nicht mehr am Leben, wenn Millie ihm nicht über den Anhänger Mut und den Willen zum Durchhalten eingeflößt hätte. Sie würden die rubinroten Schmuckstücke auf jeden Fall weitertragen. die goldene Variante für bereits verheiratete Paare erschien ihnen doch zu kostspielig und brachte obendrein nicht mehr ein als die bereits benutzten Anhänger. Nach gründlicher Betrachtung weiterer Schmuckstücke fragte Julius seine Frau, ob sie etwas bestimmtes davon haben wollte. Doch Millie, die sich erst an einer silbernen Kette mit einem tischtennisballgroßem Globus festgeguckt hatte schüttelte dann behutsam den Kopf. Nur, weil der an der Kette hängende Globus durch die Empfindlichkeit für die Linien des Magnetfeldes eine ähnliche Funktion hatte wie ein Naviskop mußte sie ihrem Mann keine fünfzig Galleonen dafür abschwatzen. Daß er sie liebte brauchte sie nicht in Gold zu messen, weil es eh immer weniger war, als die Liebe es wert war. So bedankten sich die beiden für die Vorführung der neueren Sachen und zogen weiter zur Menagerie.
Es war wie in den vorletzten Osterferien. Als sie hereinkamen hüpfte ein stattlicher Kater mit silbergrauem Fell und weißen Punkten darauf von einem Regal herunter. Die weiße Schwanzquaste stand senkrecht nach oben, und die mondlichtfarbenen Augen blickten die Eintretenden an. Damals war dieser Kniesel, Sternenstaub oder Stäubchen, auf Julius' Schulter gesprungen. Doch diesmal steuerte er Millie an und umstrich ihre Beine. Die Hexe hinter der Theke begrüßte die beiden und erwähnte, daß sie auf einem Bild im Westwind seien und das sie sich wohl sehr gefreut hätten, bei Brittanys Hochzeit dabeigewesen zu sein. Julius erwähnte dann noch, daß er wohl den hier gekauften Knieseltragekorb im Sommer erstmalig verwenden würde, während Sternenstaub Millie umschnurrte, daß sie ihn doch mal streicheln solle.
"Letztes Mal, wo ich hier war wollte der von mir nach Hause getragen werden", bemerkte Julius dazu. Die Verkaufshexe lächelte und erwiderte darauf, daß Stäubchen wohl gerade hinter jungen Hexen herlaufe, weil sie ihm das Vergnügen, noch mehr Kinder in die Welt zu setzen in diesem Herbst vergellt habe.
"Huch, der hat doch noch alles, was den Kater zum Kater macht", erkannte Millie, die das silbergraue Katzenwesen gerade auf den Arm genommen hatte, was dieses durch wohliges Schnurren quittierte.
"Neh, kastrieren lasse ich nur gefährliche Tiere, die jemandem Finger oder Zehen abgefressen haben", antwortete die Hexe hinter der Ladentheke. Offenbar, so erkannten Julius und Millie, arbeitete sie nicht nur hier, sondern ihr gehörte das Geschäft. Dann sagte sie noch: "Ich habe langsam Probleme mit dem nordamerikanischen Tierwesenbüro, weil Sternenstaub schon zwölf glücklichen Kätzinnen zu vierzig gesunden Kindern verholfen hat und aufgepaßt werden soll, daß seine Zuchtlinie nicht in alle anderen bestehenden Linien eingekreuzt wird."
"Alle, die es gibt?" Fragte Julius.
"Nur die hier in den Staaten und Kanada, wobei die da oben noch die Linien von der alten Insel in ihren Zuchtlisten führen. Da ist auch ein Abzweig der Queue-Dorée-Linie. Aber mit der hat unser Katzanova bisher keine intime Berührung bekommen."
"Tolles Wortspiel", grinste Julius. Millie wollte dann wissen, wo an dem Wort der Witz sei. Julius erzählte ihr, daß es irgendwann mal einen italienischen Frauenhelden namens Casanova gegeben habe, dessen Liebeskünste und wechselnden Partnerschaften so einprägsam waren, daß alle ähnlich wie er lebenden Männer nach ihm benannt wurden. Millie kannte den Begriff des Don Giovanni, wohl aus der gleichnamigen Oper, in die ihre Eltern sie und Martine mal mitgenommen hatten, um ihr Musiktheater vorzustellen. Julius kannte dieses Werk nur vom Hörensagen, weil seine Eltern entweder die Werke von Bach oder New-Orleans-Jazz bevorzugt hatten. Er fragte dann ganz unbefangen, ob daran gedacht würde, daß die Linie, aus der Sternenstaub abstamme, mit der Queue-Dorée-Linie zusammengebracht werden möge, weil im Herbst wieder Nachwuchs angekommen sei und eine Tochter Goldschweifs gerade den ersten Wurf austrug.
"Tja, das ist das mit der Ausfuhrbeschränkung. Ich hätte wohl gerne eine Kätzin oder einen Kater aus der Linie. Aber die Europäer lassen zu Zuchtzwecken keine Tiere ins Ausland. Stäubchen würde ich zwar gerne wem anvertrauen, der mit seinen Bedürfnissen und Eigenheiten zurechtkommt, aber weil meine Großmutter seinen Vater aufgezogen hat hängt der jetzt irgendwie an mir. Er kriegt es mit, wenn ich ihn wem anbiete. Dann verkriecht er sich immer so geschickt, daß ich Stunden lang nach ihm suchen kann."
"Kniesel können ziemlich eigensinnig sein. Abgesehen davon will der wohl auf sie aufpassen", vermutete Julius.
"Merkwürdig nur, daß er das immer vergißt, wenn irgendwo eine rollige Kätzin singt, egal ob eine übliche Hauskatze oder eine Knieseldame."
"Huch, der hat auch Ableger bei den Hauskatzen?" Fragte Millie, die den auf ihrem linken Arm zusammengekugelten Kater streichelte.
"Ja, aber zum Glück nur im Umkreis von fünfzehn Meilen. Da wohnen nur Hexen und Zauberer. Aber die Hauskatzen-Abkömmlinge landen in den anderen Zaubererdörfern, während die Knieselkinder in den Staaten und Südamerika unterkommen."
"Tja, dann hängt seine Zuchtlinie wohl doch bald mit allen in Amerika zusammen", vermutete Julius, dem ein verwegener Gedanke kam. Dieser wurde noch stärker, wenn er sich ansah, wie Millie den Kniesel liebkoste, der keine Anstalten machte, ihr vom Arm zu springen oder zu ihm herüberzusehen, wo er ihn damals fast auf den Schultern mit rausgetragen hätte.
"Im Buch "Das Wesen des Kniesels" steht drin, daß Zuchtkniesel nach Absprache mit den Tierwesenabteilungen des Herkunfts- und des Ziellandes von Privatleuten gehalten werden dürfen, die sich verpflichten, jeden Zeugungs- oder empfängniserfolg anzuzeigen, sofern es sich um eine reine Knieselpaarung handelt. Ich könnte ja mal unsere Magizoologielehrerin fragen, ob sie was gegen eine Auffrischung der europäischen Linien hat. Ich denke, die Zuchtreihen sind nach der Besiedlung Nordamerikas schon weit genug auseinandergegangen, um keine Inzucht befürchten zu müssen."
"Ich ahne, was du vorhast", flötete Millie auf Französisch, und Sternenstaub beantwortete ihren Kommentar mit einem wohligen Meeauu!
"Hmm, das ist eine Angelegenheit zwischen den Tierwesenbüros, die die kompletten Zuchtverzeichnisse haben. Falls sie beide darauf anspielen, Sternenstaub oder eines seiner geschlechtsreifen Kinder nach Frankreich einzuführen, müssen Sie das von beiden Zaubereiministerien genehmigen lassen. Die Linie heißt übrigens Sonnenfleck, nach einem Kniesel, der vor hundert Jahren als Stammvater einer nordamerikanischen Zuchtlinie registriert wurde. Stäubchen hat dessen Phänotyp, ähm, äußere Erbmerkmale, bereits an fünfzehn seiner achtzehn Söhne weitergegeben, so daß es ziemlich sicher ist, daß diese Eigenschaften dominant, also vorherrschend sind. Ich habe ein Bild von Sonnenfleck da", sagte die Verkaufshexe, die erkannt hatte, worauf Julius hinauswollte und dem absolut nicht abgeneigt war. Die einzige Frage war da nur, ob Sternenstaub sich aus seinem bisherigen Revier entführen lassen wollte, um französische Knieseldamen mit seinen Fähigkeiten zu beeindrucken. Julius dachte schon eine Idee weiter. Goldschweif war es gewohnt, in einem lockeren Verband von Knieseln zu leben. Wenn er sie mit nach Millemerveilles nahm, mochte sie zwar froh sein, bei ihm zu sein, sich aber irgendwann langweilen, wenn sie keinen Artgenossen und womöglich keinen Geschlechtspartner vorfand. Was hatte ihm Professeur Fourmier erzählt? Kniesel konnten im Punkte Fortpflanzung leicht rammdösig werden, wenn sie keinen geeigneten Partner fanden. Millie sah ihren Mann an, während die Verkaufshexe in einem von hier aus uneinsehbarem Bereich hinter einem dunkelblauen Vorhang verschwand.
"Du möchtest den Schnurrpelz hier mit deiner Goldschweif verkuppeln, Monju. Ob die das will?"
"Die Frage ist wohl richtiger, ob die beiden sich verkuppeln lassen wollen. Goldie ist ziemlich eigensinnig. Wenn der Knieselmuff auf deinem Arm da auch so wählerisch ist könnte es noch Probleme geben, selbst wenn sie und er die einzigen Kniesel im Umkreis von hundert Kilometern sein sollten. Aber da wird wohl die Tierwesenbehörde der Staaten noch was zu sagen müssen, und Tante Babs sowieso."
"Ich habe absolut nichts dagegen, wenn der hier noch zu uns einzieht, falls der sich mit Goldie verträgt. Immerhin hat die uns zwei ja zusammengebracht." Julius fühlte eine gewisse Verlegenheit. Das hatte Millie bis heute nicht vergessen. Warum sollte sie auch? Es hatte ja aus ihrer Sicht geklappt.
"So, das ist Stäubchens Urururgroßvater väterlicherseits", sagte die Ladenbesitzerin und legte Julius ein gemaltes Bild vor, das einen stattlichen Knieselkater auf einem Baumast darstellte. Das Katzenwesen besaß ein hellweißes, leicht ins Gelb stechendes Fell mit tiefschwarzen ovalen Markierungen. Der Schweif des Kniesels war ebenso verziert und endete in einer schwarzen Quaste. Die Augen des Kniesels waren auf der Darstellung bernsteinfarben. Julius erkannte, warum man diesem Tierwesen den Namen Sonnenfleck gegeben hatte. Denn so ähnlich sah es aus, wenn man die Sonnenscheibe durch ein Fernrohr auf eine weiße Unterlage projizierte oder durch einen starken Lichtfilter in die Sonne selbst blickte. Weil Sternenstaub zwar ähnlich gefärbte Punkte und eine weiße Quaste besaß, aber an sonsten nicht wie Sonnenfleck aussah fragte er, wer seine Mutter sei.
"Lady Mondlicht, eine Knieselin aus der Luna-Plena-Linie von 1792, die auch nichts mit der Queue-Dorée-Linie zu tun hatte. Sie entstammte einer Paarung aus einem Charteuserkater mit silbernem Fell und einer Knieselin mit schneeweißem Fell und blaßgrauen Tigermustern, weshalb sie Tigerkönigin genannt wurde. Sie gehörte zu den wenigen einfarbigen Knieseln überhaupt und hat ihre Besonderheit auf alle Töchter und Ururenkelinnen übertragen."
"Ein Albino?" Fragte Julius. Doch das traf nicht zu, weil die Luna-Plena-Töchter nicht weiß mit roten Augen aussahen sondern silbern mit nur eine spur heller schattierten Augen. Millie zog dann die Trumpfkarte der Latierres, ihre Tante in der Tierwesenbehörde von Paris, die sie über eine familieneigene Schnellverbindung fragen konnte, welche Formalitäten zu erledigen seien und wie lange das dauern würde. Julius wandte jedoch ein, daß man die in Beauxbatons zuständige Fachlehrerin auch fragen müsse. Da diese gerade in Millemerveilles war ließ sich das vielleicht noch vor der Rückreise durchziehen. die Verkaufshexe, die sich als Prunella Blackbird vorgestellt hatte, bestätigte das insofern, daß die Lehrerin darüber informiert zu werden habe, sofern Sternenstaub als sogenannter Freigänger gehalten würde und sie wohl wissen müsse, von wem die geschlechtsreifen Knieselkätzinnen ihren Nachwuchs bekämen. Andererseits sei es von der Schulordnung von Thorntails her erlaubt, Kniesel oder Halbkniesel mitzubringen. Sie müßten dann nur registriert werden.
"In Hogwarts gilt diese Regel nicht. Ich weiß von einer Schülerin, die einen Halbkniesel da hatte oder noch hat."
"Na ja, Sie kennen sicher den in Hogwarts zuständigen Wildhüter. Der nimmt es mit behördlichen Genehmigungen für Tierwesenzuchten nicht sooo genau", raunte Mrs. Blackbird. "Andererseits haben Schulen das Recht, die Unterbringung von Tierwesen bei Schülern eigenständig zu handhaben. Wird also wohl keine entsprechende Regelung existieren. Von Beauxbatons kann ich das nicht sagen."
"Sagen wir so, wenn ich einen Kniesel aus Amerika nach Frankreich mitnehme, der bereits gezeigt hat, daß er gesunde Nachkommen machen kann würde ich tierischen Krach mit meiner Tante kriegen, wenn ich der das nicht mitteile und Sternenstaub einfach so seine Linie in die französischen Linien einfädelt, sofern unsere Knieselinnen ihm das durchgehen lassen."
"Bisher hat er jede rumgekriegt, die bei seinem Auftauchen nicht gleich über die Landesgrenze geflüchtet ist", scherzte Mrs. Blackbird. Dann fragte sie die beiden, ob sie sich ernsthaft dazu bereitfänden, Sternenstaub nach Europa mitzunehmen. Julius sah Millie an. Diese sah Julius an. Dann nickte sie ihm zu. Er sagte laut und verständlich: "Wenn die betreffenden Behörden keinen Einwand haben sind wir dazu bereit. Allerdings reisen wir morgen schon wieder ab. Ich weiß nicht, wielange dieser Vorgang dauert und was Sie für ihn da haben wollen."
"Wissen Sie, Junger Mann, ich habe mir abgewöhnt, mit Leuten über einen Preis für ihn zu reden, weil er dann sofort das Weite sucht."
"In Ordnung, probieren wir's aus!" Schlug Millie vor. "Was würden Sie gerne für ihn haben?"
"Na ja, von der Abstammung her sind zwanzig Galleonen nicht zu viel", sagte Mrs. Blackbird und beobachtete den Kniesel, der jedoch nur das Linke Ohr aus dem Fell herauslugen ließ und sonst wohlig weiterschnurrte.
"Goldschweif oder eine ihre Merkmale tragende Tochter wäre wohl auch so viel wert", murmelte Julius Latierre. Seine Frau sagte dann aber: "Ja, aber noch wissen wir ja nicht, ob er mit uns mit darf. Deshalb wären zwanzig Galleonen vielleicht ein wenig viel. Abgesehen davon ist das ja ein Versuch, von dem wir nicht wissen, wie er ausgeht. Sagen wir zwölf?"
"Junge Dame, Sie haben sich glaube ich bei der Anreise in der Himmelsrichtung geirrt", lachte die Verkaufshexe, während Sternenstaub weiterhin eingerollt auf Millies linkem Arm schnurrte.
"Denke ich nicht", erwiderte Millie ganz lässig. "Ich bin im Land des freien Handels."
"Ach so sehen Sie das, junge Dame", erwiderte Mrs. Blackbird amüsiert. "Ich dachte schon, Sie hätten die Morgentaustraße mit einem türkischen oder arabischen Basar verwechselt."
"Nun, wir können das ganze auch vergessen und uns darüber freuen, eine nette Unterhaltung geführt zu haben", entgegnete Millie, während Julius vergnügt grinste. Seine Frau kam aus keiner armen Familie, und geizig war sie auch nicht. Aber daß sie jetzt zu feilschen anfing kannte er von ihr noch nicht.
"Hmm, haben Sie schon den Tragekorb ausprobiert, den Sie bei mir gekauft haben?" Fragte die Ladenbesitzerin Julius. Dieser verneinte es, ging aber davon aus, daß der Tragekorb schon das bot, was er bezahlt hatte. "Nun, dann lasse ich Ihnen Sternenstaub plus einen zweiten Tragekorb plus den vollständigen Stammbaum Sternenstaubs bis zu den amtlich erwähnten Stammeltern, wenn Sie mir zwanzig Galleonen dafür geben."
"In Ordnung, wenn Sie mir für den Preis noch diesen Kratzbaum da geben", erwiderte Millie und deutete auf ein säulenartiges Objekt im Schaufenster. "In meinem Saal wohnen Katzenhalterinnen. Die ärgern sich immer, daß ihre Tiere ihre Krallen an Möbeln oder Kleidern ausprobieren, um sie scharf zu halten."
"Hmm, der Kratzbaum kostet ja selbst schon sieben Galleonen, junge Misses", erwiderte Prunella Blackbird. Millie sah ein, daß es dann mit einer Katzenschaukel auch getan sei. Darauf ging die Verkaufshexe ein. Allerdings sollte die Bezahlung und Auslieferung erst erfolgen, wenn der Umzug nach Frankreich genehmigt sei und Sternenstaub keine Anstalten machte, sich der Mitnahme zu verweigern. Millie und Julius gingen darauf ein. Millie bat um den Stammbaum Sternenstaubs, um ihn ihrer Tante zu übermitteln. Sie bekam ihn für eine Galleone, was für das dicke Buch ein günstiger Preis war. Sie wollten dann los, um die erwähnten Kontakte in Frankreich anzuschreiben und über Mrs. Forester auch einen verkürzten Dienstweg ins hiesige Zaubereiministerium auskungeln. Als Millie Sternenstaub auf ein weiches Kissen legte, auf dem er wohl häufiger ruhte, grummelte der Kater unwillig. Als Millie und Julius dann Anstalten machten, die Menagerie zu verlassen, klang ein entschlossenes "Wwweeaoouuu!" Auf, und ein silberner Blitz schlug mit großer Wucht auf Millies rechte Schulter über und wurde zu einem sich dort festkrallenden Knieselkater.
"Offenbar hat er beschlossen, für umsonst mit Ihnen zu gehen", knurrte Mrs. Blackbird. "Stäubchen, zurück! Marsch!" Der Kater sah die Ladenbesitzerin abfällig an und knurrte leise. Millie ließ vorsichtig ihre Hand auf den zum Buckel werdenden Rücken niedersinken und sagte leise: "Ich hol dich morgen wieder ab, Stäubchen. Mußt noch einen Tag hierbleiben. Hopp!" Der Kater entbuckelte sich, drehte sich gekonnt auf Millies Schulter um und flog mit einem Satz bis vor die Theke. Ein kurzer Hüpfer brachte ihn auf das Schlafkissen zurück, von dem aus der Millie eindringlich ansah. Mrs. Blackbird nickte. Julius und seine Frau konnten wohl nun das Geschäft verlassen.
"Der kann aber nur englisch", meinte Julius zu Millie.
"Das glaubst du aber, daß ich mir den Interfidelis-Trank zusammenrühren lasse, sollte Tante Babs nicht in meinen Besenschweif reinrasseln", stellte Millie unumstößlich fest. Warum auch nicht? Julius hatte mit der Interfidelis-Verbindung zu Goldschweif sehr gute Erfahrungen gemacht. Allerdings mußte sich Millie die Einnahme von der Schulleitung und wohl auch von Madame Rossignol absegnen lassen, Volljährigkeit hin oder her. Doch das sollte sie dann klären, falls seine Schwiegertante Barbara die Einfuhr von Sternenstaub genehmigte.
"Den Stammbaum über den Pappostillon durchzugeben dauert aber ziemlich lange, Millie", stellte Julius fest, als er sich das Abstammungsverzeichnis noch einmal ansah.
"Na ja, wenn Tante Babs den ganz haben will schicke ich ihn der zu. So kann ich die Stammeltern und die letzte Abstammung erwähnen. Fünf Nachrichten dürften dafür reichen.
Um Zeit zu sparen apparierten sie Seit an Seit vor dem Rotbuchenhaus, wo gerade die kleine Larissa Swann im Garten nach Gnomen suchte. Mr. Forester stand daneben und lächelte. Hätte der gewußt, wer dieses unschuldige kleine Mädchen wirklich war, hätte er wohl nicht so gelächelt.
"Hallo ihr zwei, die beiden Straßen leergekauft?" Fragte Brittanys Vater.
"Noch nicht ganz, der Feinkostladen da steht noch auf unserer Liste", wandte Julius mit einer gewissen Portion Frechheit ein. Denn der erwähnte Laden führte vor allem Fleisch- und Fischspezialitäten.
"Du kannst mich heute nicht ärgern, Burschi. Das haben meine Eltern schon erledigt. Aber das gehört wohl nicht in die Öffentlichkeit."
"Schon gar nicht vor die Ohren kleiner Mädchen", pflichtete Julius ihm bei und deutete auf Larissa, die ihn mit ihren großen Kinderaugen anblickte und ihn anstrahlte, als sei er ein geliebter Onkel, der nach langer Zeit mal wieder zu Besuch kam.
"Vor allem nicht vor die Ohren dieser Schreiberhexe. Nein, Larissa, nicht die Erde rauswühlen. da sind keine Gnome drunter!" sagte er und bückte sich schnell nach Larissa, die gerade mit beiden Händen die feuchte Erde aufwühlte.
"Vielleicht mag sie Regenwürmer. Die kleine Tochter einer Nachbarin von uns hat die auch gerne gefangen", vermutete Julius mit einer gewissen Gehässigkeit in der Stimme.
"Suchst du Ärger", hörte er darauf die Stimme einer älteren Frau in seinem Kopf. Er stellte sich auf die Stimme und das Kindergesicht Larissas ein und schickte zurück: "Hab ich nicht nötig. Wenn Ärger was will, findet er mich."
"Dann sieh zu, daß du ihn früh genug kommen hörst", kam die unhörbare Antwort. Larissa warf derweil einen Erdbrocken auf Mr. Forester, der nun doch ungehalten wurde und sie kurz anherrschte, daß man nicht mit Erde schmeißen dürfe. Larissa tat dann so, als sei sie total erschrocken und gab ein herzzerreißendes Heulen von sich, was Brittanys Vater sofort wieder friedlich stimmte.
"Die wickelt den locker um den kleinen Finger", knurrte Millie auf Französisch. Julius nickte und deutete auf das Kleidchen der äußerlich gerade zwei Jahre und ein paar Monate alten Hexe. "Sieht so aus, als habe sie Ihren Garten schon umgegraben", bemerkte er. Mr. Forester nickte. "Dann soll die Mutter von ihr das wieder sauberzaubern. Die kommt eh gleich wieder."
"Kein Problem. Ist Ihre Frau zu Hause?"
"Die spielt Schach gegen deine Mutter. Die beiden scheinen sich gesucht und gefunden zu haben", knurrte Mr. Forester und blickte schnell zu Larissa, die zielgenau auf den Gartenschlauch zutrippelte. "Als ich der gezeigt habe, daß diese wuselnden Kartoffelköpfe damit aus der Erde gejagt werden können hat sie das auch mal versucht. Nein, Larissa! Das Wasser bleibt aus!" sagte er mit strengerer Betonung, aber nicht so laut wie eben, als er sie wegen der geworfenen Erde ausschimpfen wollte.
"Wir haben noch was zu erledigen", erwähnte Julius, ohne darauf einzugehen, was genau. Millie nickte beipflichtend und ging mit ihm ins Haus, während Mr. Forester hinter Larissa herjagte, die offenbar entschlossen war, den Gartenschlauch aufzudrehen.
"Ich texte erst mal Tante Babs an, bevor Mrs. Forester noch meint, ich würde sie um ihren Spaß bringen, solange Martha hier ist", legte Millie fest und holte das Bild mit dem bunten Nachrichtenschmetterling heraus, der als magische Ausgabe von E-Mail-Verbindungen taugte. Julius suchte seine Mutter auf und sah, daß die laufende Partie in nur noch vier Zügen entschieden war. Diese wartete er ab und erklärte Mrs. Forester dann, was Millie und er vorhatten und ob sie wen im Ministerium kenne, der das innerhalb der nächsten Tage entscheiden könne.
"Deine Frau ist wohl schon dabei, ihrer Tante zu schreiben, ob sie Sternenstaub mitnehmen darf, oder? Hätte mich auch gewundert, wenn der stramme Kerl sie nicht um die linke Hinterpfote gewickelt hätte. Nachdem ihr da zum ersten Mal wart hat mir die gute Prunella Blackbird das erzählt und daß du die amtierende Königin der Kniesel von Beauxbatons hast, beziehungsweise sie dich als ihren Mensch und Schutzbefohlenen erwählt hat. Daß er jetzt auf deine Frau fliegt liegt sicher an zwei Sachen. Zum einen können Kniesel Magie wahrnehmen und erkennen, ob sie gut- oder bösartig ausgerichtet ist. Eure Herzanhänger bilden eine Verbindung zwischen euch, wodurch Millie quasi zu einem selbständig handelnden Teil von dir wurde, wie du eins von ihr bist, solange ihr beide die Anhänger tragt. Das zweite ist, daß Kniesel sich meistens auf den jeweils andersgeschlechtlichen Menschen einlassen und Sternenstaub dich erst begrüßt hat, weil was von Goldschweif an dir hing, aber jetzt eben Millie ihm genehmer erscheint, wenngleich er dich wohl auch noch als seinen Heim- und Futtergeber akzeptiert. Hinzu können Kniesel, wie du sicher weißt, die Phase im Fruchtbarkeitszyklus aller Säugetiere erriechen. Könnte sein, daß Millie gerade in ihrer fruchtbaren Phase ist."
"Kein Kommentar", erwiderte Julius, während seine Mutter sich etwas ungehalten räusperte. Lorena Forester sah jedoch keinen Grund, ihre Worte zu korrigieren und bemerkte, daß wer sich mit den Vorgängen in Lebewesen befaßte, kein Problem haben sollte, natürliche Prozesse beim Namen zu nennen. Dann sagte sie: "Ich kenne wen im Zaubereiministerium. Am besten schreibe ich demjenigen eine Blitzeule und bekräftige, daß es für die nordamerikanischen Zuchtlinien besser sei, wenn Sternenstaub einen Ozean zwischen den Katzen und Knieseln hier und sich bringt. Außerdem haben die in Paris eine vollständige Sammlung aller Zuchtlinien weltweit, um auf Fälle wie diesen vorbereitet zu sein."
"Dann muß Millie den Stammbaum nicht komplett durchgeben?" Fragte Julius amüsiert.
"Durchgeben heißt versenden, übermitteln, richtig?" Martha und ihr Sohn nickten bestätigend. "Nein, das muß sie dann wohl nicht", erwiderte Mrs. Forester. Julius verließ das Zimmer und ging schnell zu Millie. Er hätte sie auch über den Herzanhänger anmentiloquieren können. Doch das mußte in einem Haus, wo sie nicht durch passwortgesicherte Türen getrennt waren ja nicht sein. Er grinste, als er seiner Frau sagte: "Mamille, Tante Babs und die Tierwesenbehörde haben alle Knieselstammbäume da."
"Ist ja nett, das jetzt schon zu wissen, wo ich gerade fünfzig Namen weitergemeldet habe. Tante Babs wird sich königlich amüsieren."
"Na, so leicht zu erfreuen ist die ja nicht, wie wir wissen. Könnte ihr einfallen, zurückzuschreiben und zu sagen, daß wir den Katzanova oder den Schnurrpelz bloß da lassen sollen, wo er gerade ist."
"Dann dürfen wir morgen früh aber nicht mehr in die Nähe der Morgentaustraße", wandte Millie ein.
Doch als wenn ihr jemand in weiter Ferne zugehört habe trötete gerade der Pappostillon und entrollte seinen Rüssel, um daraus eine mehrzeilige Nachricht abzusondern.
An: Mildrid Ursuline Latierre
Betrifft: Anfrage zu Einführung des Knieselkaters Stardust aus der Luna-Plena-LinieHallo Mildrid!
Barbara Latierre
Danke für deine Anfrage, mit der ich in gewisser Weise schon gerechnet habe, als du mit Julius abgereist bist.
Ich hätte euch vielleicht sagen sollen, daß wir in der Tierwesenbehörde sämtliche Zuchtlisten domestizierbarer Zaubertiere haben.
Das hätte dir den umfangreichen Auszug aus dem Stammbaum erspart.
Gut, dadurch weiß ich, welche Linie gemeint ist und kann dir versichern, daß sie noch nicht in Europa eingekreuzt ist.
Da ihr wohl morgen wieder abreist, müßte ich schnell reagieren.
Normalerweise dauern Einfuhrgenehmigungen einen Monat.
Das liegt auch an der Quarantäneklausel, damit keine Krankheiten eingeschleppt werden.
Brauche deshalb eine Bestätigung von Unbedenklichkeit und Ausfuhrgenehmigung bis morgen 18.00 Uhr MEZ.
Falls die Genehmigung vorliegt kein Problem mit der Einfuhr.
Ich kläre das dann mit Professeur Fourmier und Madame Faucon.
Ihr könnt ja nach Neujahrstag noch einmal zu mir und Jean auf den Hof und euer Hochzeitsgeschenk besuchen.
Bis dahin eine angenehme Zeit!
"Das zeige ich mal eben unserer Gastgeberin. oder spielt die schon wieder Schach?" Kommentierte Millie die Nachricht.
"Im Moment nicht, weil ich nur zu dir rüber bin, um dir das mit dem Stammbaum zu sagen."
"Dann mal los!" Trieb Mildrid ihren Mann an und suchte mit ihm die Herrin des Rotbuchenhauses auf, während sie von draußen wildes Kinderlachen und ungehaltenes Rufen von Dan Forester hörten.
"Die Gesundheitsexpertise kann ich stellen, Sagte Professor Forester. Na klar, die Quarantäneklausel. Eigentlich muß jemand ein Zaubertier, daß er in ein anderes Land einführt einen Monat lang beobachten lassen, um sicherzustellen, daß es keine übertragbaren Parasiten oder ansteckende Krankheiten in sich trägt. Aber die gute Prunella hat einen ausgezeichneten Entwurmungstrank, den sie ihren Freigängern immer mal wieder unters Futter mischt." Julius entsann sich, daß Madame Maxime die Kniesel auch immer wieder mit einem solchen Trank traktiert hatte und Julius Goldschweif hatte erklären dürfen, warum der nötig war.
"Ich appariere mal eben zu Prunellas Laden hinüber und schicke dann die Anfrage und die Expertise an meinen Fachkollegen in der Tierwesenbehörde", teilte sie ihren Gästen mit. "Um eins essen wir zu Mittag. Die Silverbells haben uns noch was für heute dagelassen, daß ich nur aufwärmen muß." Sie verließ das Haus mit Schreibzeug und einer Tragetasche und disapparierte.
Um sich die Zeit zu vertreiben spielte Julius mit seiner Mutter mehrere Blitzpartien, von denen er alle zwar verlor, jedoch erkannte, wie er beim Schulturnier von Beauxbatons schnelle Entscheidungen ohne Schäferzug herbeiführen konnte. Millie verfolgte die Partien schweigend. Sie wollte nicht raus zu Mr. Forester, weil ihr die kleine Larissa nicht in den Kram paßte. Erst als Peggy Swann ankam, um ihre Tochter abzuholen gingen die Latierres wieder vor die Tür, um sie zu begrüßen.
Kurz vor eins kehrte Mrs. Forester zurück. "So, ich habe alles nötige veranlaßt. Ob das bis morgen neun Uhr Pazifikstandardzeit durch ist weiß ich zwar nicht. Aber im Zweifelsfall könnt ihr ja in den Osterferien noch einmal rüberkommen. Die Verbindung ist ja kein Problem Mehr." Millie und Julius nickten zustimmend. Mit dem Überschall-Pendelschiffwar das ja überhaupt kein Thema mehr. Insofern war kein Druck nötig.
"Wie viel kosteten die ganzen Express-Eulen?" Fragte Julius. Mrs. Forester sah ihn kritisch an, sagte dann aber, daß sie mit einer Galleone zufrieden sei, weil ihr als Tierwesenexpertin an der Erhaltung gesunder Zaubertiere mit hohem Nutzfaktor gelegen sei und sie deshalb auch aus beruflichem Interesse gehandelt habe. martha verteidigte Julius Frage damit, daß sie und ihr Mann ihm beigebracht hätten, eine Leistung immer mit der entsprechenden Gegenleistung zu würdigen.
"Die sich aber wohl nicht nur in Gold erschöpft, oder? Als wenn Brittany für jede gute Schulnote gleich mehrere Galleonen bekommen hätte oder ich oder meine Eltern. Sicher, gewisse materielle Gegenwerte sind schon wichtig, um im freien Handel was vorzuweisen. Aber das kann dazu führen, daß wir jede Minute, die wir für irgendwen anderen etwas tun in Knuts, Sickel und Galleonen abrechnen. Dann haben wir alle irgendwann eine Vorstellung vom Preis, aber nicht mehr vom Wert einer Leistung, worin sie sich auch immer erschöpft. Sicher kriege ich für den Unterricht auch mein Gehalt, aber auch deshalb, um die notwendigen Sachen anzuschaffen, die ich bei Leuten kaufen muß, die keinen Unterricht bei mir haben und daher nicht von meiner Arbeitszeit selbst profitieren können."
"Das ist in dieser Zeit, wo immer mehr Technik die menschliche Arbeit erleichtert oder ersetzt wohl ein bleibendes Thema", erwiderte Julius' Mutter darauf. Mrs. Forester stimmte zu.
Nach dem Mittagessen besuchten Millie und Julius die Fridays und spielten Quodpot ohne explodierenden Ball und die beiden Töpfe, nur mit einem gewöhnlichen blauen Gummiball, um in Übung zu bleiben. Abends reisten die Latierres und Martha Eauvive per Flohpulver in den "Hutspitzenturm", die Kaminadresse der Redliefs. Dort durften sie zusehen, wie ein auf Dunkelheit abgestimmter Zündzauber hunderte von rings um den sechzig Meter hohen, freistehenden Turm angebrachten Lichter aufflammen ließ. Der Turm ähnelte einem Glockenturm, nur daß an seiner Spitze ein gläserner Körper saß, der einem riesigen Zaubererhut nachgebildet war. Auf der Spitze des gläsernen Hutes ritt gerade ein golden erstrahlender Kugelkörper, um den sich ein nebelhafter, weißer Hauch legte und aus dessen der unter dem Horizont stehenden Sonne abgewandten Hälfte ein mindestens hundert Meter langer, bläulich-weiß flammender Schweif herausfächerte. Julius bewunderte diese naturnahe Abbildung eines echten Kometen, wo er erst gedacht hatte, es sei einer von vielen mit Strahlenspitzen bestückter Weihnachtsstern. Zusammen mit den bunten Lichtern, die alle Farben des Regenbogens und die Farben Gold und Silber abdeckten, glühte der magische Kometenschweif gegen den gestirnten Winternachthimmel.
"Habt ihr von Brittany was gehört?" Fragte Melanie Redlief mit einer gewissen Hinterhältigkeit in der Stimme. Julius und Millie stellten fest, daß sie vom Brautpaar nichts gehört hatten.
"Dann hat das doch geklappt, was die Verschwörer eingefädelt haben", begann sie mit einer Eröffnung.
"Wieso, haben deine Kameraden irgendwas am Bett gemacht oder was?" Fragte Millie argwöhnisch.
"Das auch", erwiderte Melanie. "Zum einen haben wir in dem Bucheckernhaus jede Menge Illusionszauber gemacht, beziehungsweise die Freunde von den Quodpottern. Venus hatte den Schlüssel für das Haus. Dann wurde, soweit ich das heute morgen noch von Venus per Eule mitbekommen habe, das Schlafzimmer zu einem Hindernisparcours mit ständig herumlaufenden Möbeln und scheinbar sich verändernden Entfernungen. und wenn sie es doch noch geschafft haben, ihr Brautbett zu erreichen, wird das wohl gerade mit denen irgendwo in den Staaten herumreisen. Die haben das in einen ganz besonderen Portschlüssel verwandelt. Denn um es zur Weiterreise zu animieren muß das Paar mindestens einen ehelichen Akt vollziehen, wie es so schön heißt. Nur wo es dann landet wissen sie nicht. Wegapparieren geht nicht, weil ein Pfosten einen Locattractus-Zauber beinhaltet. Aber Venus hat denen genug Sachen für eine gründliche Empfängnisverhütung mitgegeben, weil Brittany sie und mich dann sonst nicht mehr ansehen würde, sollten wir ihr die Quodpot-Karriere versaut haben."
"Ähm, ist das noch erlaubt?" Fragte Julius besorgt. Melanie überlegte und erwiderte, daß es nur dann verboten sei, wenn jemand deshalb nicht seine beruflichen Verpflichtungen einhalten könne oder körperlich geschädigt würde. Womöglich würden die in die Bettpfosten eingewirkten Portschlüsselzauber die beiden morgen früh wieder nach Hause bringen. Dann wären auch alle Illusionszauber vergangen.
"Gut, daß ich hier nicht geheiratet habe", befand Julius. "Ist ja schon megafies, sowas."
"Wieso, bei Jeanne und Bruno haben die das Brautbett doch auch mit diesem Locattractus-Zauber belegt", erwiderte Millie. "Aber wenn ich mir vorstelle, wie verklemmt und zugeknöpft die Yankees sonst sind ..."
"Yankees? Sehen wir aus, als kämen wir aus Philly oder Detroit?" Fragte Melanie ungehalten. Dann räumte sie jedoch ein, daß die Annahme schon eine gewisse Berechtigung habe, daß die US-Bürger gerne so taten, wie sittenstreng und moralisch sie waren und hinten herum über die Strenge schlugen. Ob das für alle galt wußte Melanie nicht. Für die Southerlands und deren Anverwandte schloß sie es sogar kategorisch aus. Millie mußte grinsen, weil die Southerlands die nordamerikanischen Nachfahren der südwesteuropäischen Latierre-Sippe waren, sie also mit denen ja um viele Ecken und einen ganzen Ozean verwandt war.
"Also, morgen dürfte Britt zurück sein", vermutete Julius. "Sonst kriegt sie vielleicht Ärger mit ihren Eltern, weil sie beim Neujahrsfest nicht dabei ist." Mel Redlief nickte beipflichtend.
Sie aßen noch bei den Redliefs zu Abend und flohpulverten gegen Mitternacht zurück nach Viento del Sol, wo es noch neun Uhr abends war. Die Gäste legten sich früh ins Bett, um für die Heimreise morgen um zehn genug Schlaf zu bekommen. Millie flüsterte Julius noch zu:
"Also, wenn die Bande das mit uns gemacht hätte, wären wir wohl in vier Stunden wieder zu Hause gewesen, Monju." Julius grinste verstehend. Dann gab er seiner Frau einen Gutenachtkuß und drehte sich in seine bevorzugte Einschlafstellung.
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Am nächsten Morgen standen sie um sieben Uhr auf, um in aller Ruhe zu frühstücken und zu packen. um acht Uhr schmetterte Millies Postschmetterling seine Nachrichtenfanfare. Millie holte das kleine Zauberbild und las laut vor, was ihr über den Atlantik und von der Ost- bis zur Westküste übermittelt worden war.
"Hallo Mildrid und Julius. Ich habe das mit der Einfuhrgenehmigung zur Chefsache erhoben. Ich konnte außerfamiliäre Gründe finden, um die Kreuzungen zwischen Luna-Plena-, Sunspot- und Queue-Dorée-Linie zu rechtfertigen. Falls die Kollegen in den Staaten auch zusagen bringt den silbergrauen Knieselkater mit! Auf bald! Barbara Latierre"
"Tja, jetzt hängt's also bei Ihnen hier in Washington", faßte Julius das vorgelesene zusammen. Mrs. Forester nickte und schwieg.
Eine Stunde vor der geplanten Abreise traf ein Uhu des Zaubereiministeriums ein. Er brachte einen dicken Umschlag mit. Im Namen der allgegenwärtigen und ewig Pergament und Tinte verschlingenden Bürokratie mußten die Latierres Formulare unterschreiben, daß sie den Kniesel Sternenstaub als Privatpersonen nach Frankreich einführten und daß ihnen die Bezahlung von Fortpflanzungsakten nicht genehmigt war, was hieß, daß sie ihn nicht als kapitalen Zuchtkater anbieten durften, jedoch keine Probleme bestanden, daß er Nachwuchs produzierte, sofern dieser ordentlich für das Zuchtregister angezeigt würde. Sie unterschrieben die Klauseln, daß sie die notwendigen Belehrungen zur Kenntnis nahmen und befolgten und wurden ersucht, eine unterschriebene Einfuhrbestätigung der französischen Tierwesenbehörde zurückzusenden. Mit diesen Dokumenten apparierten Millie und Julius noch einmal in die Morgentaustraße, wo sie bereits ein ziemlich ungeduldiger silbergrauer Kerl mit vier Pfoten erwartete. Millie legte die Genehmigungen vor und ließ sich von Mrs. Blackbird die Überstellung des Kniesels quittieren, einmal für die Leute in Washington, und einmal für die Leute in Paris. Julius stellte wieder einmal mehr fest, daß in Sachen Schreibkram und Papierkrieg die Zaubererwelt genauso verrückt sein konnte wie die Muggelwelt. Millie zahlte den ausgehandelten Preis, bekam neben dem Kniesel, der von sich aus auf ihrer Schulter platznahm noch einen Tragekorb und die große Katzenschaukel, die eher eine Hängematte war. Dann setzte Millie den Kniesel in den Korb, weil sie ihn beim Apparieren nicht zurücklassen wollte und verschwand mit Julius und dem Kniesel vor dem Geschäft.
"Sieht fast wie ein kleiner Puma aus, nur in Mondscheinbeleuchtung", stellte Martha Eauvive fest, als sie die lebendige Neuanschaffung der Latierres besichtigen durfte. Sternenstaub schien sichtlich zufrieden. Denn als Millie die Seitenklappe des Korbes öffnete schnurrte sie der Kniesel an.
Als die Latierres und Martha Eauvive zum Landeplatz des Luftschiffes flogen wurden sie von allen Quodpottern begleitet. Am Landepunkt selbst trafen sie auf Brittany Brocklehurst, die zwar sichtlich abgekämpft aber glücklich aussah. "Hat Mel oder Venus euch erzählt, was diese Bande mit uns angestellt hat?" Fragte sie Julius. Dieser nickte. "Gut, dann erübrigt sich das. Noch mal vielen Dank für eure Teilnahme und die Hochzeitsgeschenke. Vielleicht kommen Linus und ich in den Osterferien mal zu euch rüber, falls ihr das möchtet."
"Da haben wir im Moment nichts vor", sagte Julius. Millie nickte bestätigend. Dann umarmten sie einander noch einmal und kletterten in das Luftschiff.
Knapp fünf Minuten später legte der Überschallzeppelin ab und brauste in den kalifornischen Wintermorgenhimmel hinauf, die Nase richtung Sonnenaufgang gereckt. Millie, Martha und Julius saßen alleine in einem der großen Salons und dachten jeder und jede für sich an die vergangenen Tage. Vor allem das Ding mit Brittanys Brautstrauß wollte Julius nicht aus dem Kopf. War das wirklich nur ein Scherz, oder stand hinter dem Wurf des Blumengewindes doch sowas wie eine Vorherbestimmung? Er hatte früher nie daran geglaubt, daß etwas wirklich vorherbestimmt sein mochte. Doch seine Erlebnisse mit dem Erbe Altaxarrois hatten ihn, wenn nicht zum andersgläubigen, doch zumindest zu einem kritischen Nachdenker gemacht. Millie dachte an den Coup mit dem Kniesel. Eigentlich hätte die werte Mrs. Blackbird sogar vierzig Galleonen verlangen können. Denn Millie hatte davon gehört, daß potente Zuchtkniesel sogar bis hundert Galleonen kosten mochten, fruchtbare Muttertiere unter gewissen Voraussetzungen sogar zweihundert. Insofern hatte Julius mit Goldschweif ein goldmäßig sehr wertvolles Geschenk von Beauxbatons erhalten. Würden sich die beiden Kniesel vertragen, wenn sie in der Nähe des Apfelhauses wohnten? Ansonsten mußte sie den Knieselkater wohl wieder abgeben. Julius hatte ihrem Vorhaben zugestimmt. Offenbar dachte er genauso wie sie, daß sie beide je einen Kniesel haben konnten und mit denen um die Wette Babys in die Welt setzen konnten, wenngleich die Kniesel da eine eingebaute Überlegenheit hatten, da die Weibchen nicht so lange trugen und bei einer Tragzeit mehr als drei Junge auf einmal werfen konnten. Was würden die Lagranges in Millemerveilles sagen, wenn da urplötzlich ein stattlicher Kniesel hinter ihrer weißen Lauretta herschleichen mochte? Doch zunächst galt es, das Tierwesen in Beauxbatons vorzustellen. Da würde sich ja schon eine Gelegenheit ergeben, Stardust und Queue Dorée einander vorzustellen.
Martha Eauvive bemühte sich derweil, ihr Gehirn wieder in gewohnte Bahnen zu lenken. Irgendwie war das schon eine höchst merkwürdige Sache, wie sie Brittanys Brautstrauß aufgefangen hatte und wie sich dann bei der Hochzeitsfeier eine gewisse Sympathie zwischen ihr und Lucullus Merryweather ergeben hatte. War das nur die Auswirkung des Partyspaßes? Brittanys Onkel hatte mit ihrem Wesen nichts gemein, weil er seinen Gefühlen folgte und keine Probleme hatte, jemandem etwas direkt, wenn auch respektvoll zu sagen, wo sie immer erst nachdachte, wie es dem Gegenüber behagen mochte. Sie hatte ihm erzählt, daß sie im Sommer wohl die ZAGs nachholen würde, auch wenn sie rein beruflich abgesichert war. Denn was sie tat konnten außer Belle und Nathalie keine anderen tun. Sie wurde also gebraucht, auch ohne ZAGs. Er hatte ihr aber auf seine lockere, ja jungenhafte Art begreiflich gemacht, daß sie erst dann voll in die magische Welt integriert sein würde, wenn sie einen dort gültigen Leistungsnachweis erbracht habe, unabhängig von dem, was sie vorher schon gelernt hatte. Für sie hieß das, daß sie sich wie ein Schulmädchen vor der wichtigsten Prüfung überhaupt hinter Bücher und Aufzeichnungen setzen mußte, bei Madeleine, Camille und Antoinette Zauber und Zaubertränke einstudieren und ausführen, magische Pflanzen beschreiben lernen und dieses und jenes an Theorie erarbeiten mußte. Julius war ihr das wert und zeigte ihr durch sein beharrliches Lernen und seine Fürsprache gegenüber den anderen Hexen und Zauberern, daß er dieses Entgegenkommen wertschätzte. Deshalb würde sie es wohl schaffen. Sie hatte schon etliche Prüfungen bestanden. Da sollte es auf diese ZAGs auch nicht ankommen.
Als das Luftschiff landete prüfte Millie nach, ob Sternenstaub noch schlief. Der Kniesel hockte verstört in einer Ecke des Korbes und zitterte. Fast sah es so aus, als ob das Katzenwesen einen gewaltigen Horror erlebt habe, vergleichbar mit einem Haustier beim Silvesterfeuerwerk. Julius schloß schnell den Korb, bevor der Kater sich aus seiner Angststarre lösen und womöglich in wilder Panik aus dem Korb springen mochte. Er kannte eine ähnliche Reaktion von Goldschweif. Als er damals Gloria, die Hollingsworths und Kevin aus Hogwarts herausgeholt hatte, hatte sich Goldschweif fortwährend über die zu schnelle Reise beschwert. Wie mochte es sich für ein Wesen, daß einen angeborenen Ortsbestimmungssinn besaß anfühlen, innerhalb von wenigen Minuten tausende von Kilometern zurückzulegen? Julius schlug vor, den Kater erst einmal zur Ruhe kommen zu lassen und ihn erst in fünf Stunden freizulassen.
In Millemerveilles prüfte Professeur Fourmier den Korb und gab den Latierres einen Zerstäuber mit einer Schlafdunstlösung mit, damit Sternenstaub diese Nacht gut ins neue Jahr kommen konnte. Barbara Latierre war ebenfalls da und bestätigte die Einfuhr des Knieselkaters Sternenstaub.
Nachdem sie den Ortszeitanpassungstrank getrunken hatten, trafen sich Martha Eauvive und die Latierres bei den Dusoleils und berichteten ihre Reiseerlebnisse und daß noch ein magisches Lebewesen eingezogen sei.
"Das klärt ihr besser noch mit Adele Lagrange, was mit Laurettas Jungen wird, wenn die so aussehen wie dieser Katzentröster!" Merkte Jeanne an. Julius wollte sie schon fragen, ob sie näheres wüßte, ob sie bald Nachwuchs erwarte. Doch er wollte das nicht vor Bruno anschneiden.
Am Abend trafen sich alle Bewohner von Millemerveilles sowie einige Gäste wie Martha Eauvive, Madeleine L'eauvite und die Brickstons im Musikpark von Millemerveilles zur Jahreswendfeier. Dabei erfuhr Julius von Sandrine, daß die Dorniers das alleinige Sorge- und Erziehungsrecht für Cythera zugesprochen bekommen hatten, nachdem nicht nur sie und Gérard, sondern auch Madame Faucon und Professeur Trifolio bestätigten, was Malthus bei seinem Rauswurf gesagt hatte. Niemand stritt das Recht der Großeltern an Informationen über ihr Enkelkind ab. Aber was die Ausbildung anginge seien nur die Dorniers für zuständig. "War das bei den Gerichtssachen, bei denen du dabei sein mußtest auch so, daß wer im Vorraum aufgepaßt hat, daß die Zeugen sich nicht über den Fall unterhielten?" Fragte Sandrine. Julius bestätigte das. Er begründete es, daß so keine abgesprochenen Aussagen vorgelegt werden könnten. "Immerhin dürfen die Lépins Cythera in den Ferien für einen Nachmittag besuchen, wenn Connie oder deren Eltern dabei sind", erwähnte Sandrine noch etwas, was bei der Verhandlung herausgekommen war. "Malthus hängt da in Lyon wohl in einer Schule rum, wo Leute ausgebildet werden, die später mal auf eine Erwachsenenschule gehen und da was muggelmäßig wichtiges studieren sollen", erläuterte Sandrine noch. "Hat Céline mir erzählt, als die ganze Besprechung um war." Julius nickte. Dann fragte er, ob er vielleicht seine Eltern angespitzt habe, für ihn über Cythera bestimmen zu wollen. Sandrine schüttelte den Kopf und erwähnte, daß Monsieur Lépin wohl darauf bestanden habe, über die Entwicklung seiner Enkeltochter auf dem Laufenden gehalten zu werden. Julius vermutete dann, daß das ausgehandelte wohl auch das Ziel der Lépins war, um überhaupt was über Cytheras Entwicklung mitbekommen zu dürfen. "Das läuft bei den Muggeln auch so ab, Sandrine. Wenn Arbeitervertretungen wie Gewerkschaften wollen, daß die Firmen den Arbeitern mehr Geld zahlen, fordern sie ziemlich hohe Löhne ein und geben sich dann mit der Hälfte davon zufrieden, weil sie nur die Hälfte der Hälfte bekommen würden, wenn sie nur halb so große Lohnsteigerungen forderten." Sandrine dachte kurz nach und nickte dann. "Hat Maman auch gesagt. Die war ja mit mir hin, weil ich ja noch keine siebzehn bin." Julius nickte.
Wie schon mehrmals miterlebt durften alle Gäste eine Viertelstunde vor Mitternacht ihre Sorgen des verstrichenen Jahres auf Zettel schreiben und an die Feuerwerkskörper binden. Schlag zwölf zischten, fauchten, knatterten und pfiffen die Raketen, Feuerräder, Leuchtkugeln, Heuler und Böller um die Wette. Julius dachte an das verstrichene Jahr, in dem so viel passiert war. Es hatte mit Didiers Entmachtung begonnen, das Ende der Schlangenmenschen und Voldemorts gesehen, Millie und ihm die vorzeitige Volljährigkeit beschert und zugleich ein eigenes, großes Haus und Grundstück verschafft, aber auch die endgültige Befreiung Naaneavargias und die Rebellion der Vogelmenschen. Und jetzt, Brittany hieß jetzt Brocklehurst mit Nachnamen, Jeanne und Barbara trugen wohl ihre zweiten Kinder, die in diesem gerade mit Schwärmerknall und Lichterglanz anbrechendem Jahr geboren wurden. In diesem Jahr würde die Quidditch-Weltmeisterschaft hier in Millemerveilles stattfinden. Tja, und Millie und Julius würden wohl in den Sommerferien auf Empfängnisverhütung verzichten, weil die Mondtöchter von ihnen erwarteten, daß sie sechsunddreißig Monate nach ihrer Hochzeit in der Festung der Himmelsschwester ein gemeinsames Kind zu Stande gebracht haben sollten. Außerdem würde im kommenden Sommer noch eine totale Sonnenfinsternis in Mittel- und Südeuropa zu beobachten sein. Diese Gelegenheit wollte er sich nicht entgehen lassen. Doch würde das alles auch stattfinden? Er trug Darxandrias Vermächtnis in sich. Die Verschmelzung zwischen Anthelia und Naaneavargia mochte dies bedenken und für ihre Zwecke ausnutzen. Dennoch hatte er jetzt mehr Hoffnung, daß die beiden letzten Jahre des zweiten Jahrtausends für ihn und seine Freunde und Verwandten besser verlaufen würden als die drei vergangenen Jahre. , .
"Prost Neujahr, Monju", hauchte Millie ihrem Mann ins Ohr und küßte ihm auf die Wangen. "Dieses Jahr rufen wir den kleinen, bunten Vogel", zischte sie ihm noch zu. Er stimmte durch Schweigen zu. Er wünschte seiner Mutter ein schönes neues Jahr und bedankte sich dafür, daß sie ihm im letzten Jahr geholfen hatte, mit den anderen über das Didier-Regime hinwegzukommen und daß sie seine vorzeitige Volljährigkeit genehmigt hatte. Dann ging er zu Jeanne, die nur Orangensaft statt Sekt trank und wünschte ihr alles gute für ihre Familie.
"Das da dieses Jahr einer dazukommt ist schon sicher, Julius", flüsterte sie ihm zu, als sie sah, daß Bruno gerade seine Schwiegermutter umarmte. "Ob es eins oder zwei werden kriege ich von Hera nächste Woche gesagt. Dann kann Bruno es auch wissen."
"Apropos Hera. ich denke, das wird nicht leicht, der zu sagen, daß meine Frau für unser erstes Kind oder alle Kinder überhaupt lieber mit ihrer Tante Béatrice zu tun haben möchte."
"Das läßt du Millie besser selbst regeln, Julius. In solchen Sachen müssen wir Hexen das klar entscheiden", riet Jeanne ihm.
Nachdem er allen ein schönes neues Jahr gewünscht hatte, feierte Julius mit seiner Frau und den Bewohnern Millemerveilles bis zwei Uhr morgens. Erst dann waren sie müde genug, um sich hinzulegen. Sternenstaub schlief in seinem Korb. Wer wußte schon, was an und in diesem silbergrauen Kater mit den weißen Tupfen und der weißen Schwanzquaste dran war.