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Julius Andrews - Auf seinem Weg in die Zaubererwelt von Thorsten Oberbossel

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Am Morgen nach der Auswahl trafen die eingesessenen Beauxbatons-Schüler mit ihren zeitweiligen Klassenkameraden aus Hogwarts und Greifennest im Unterricht zusammen. Die Hollingsworths, Lea und Romilda traf Julius im Unterricht von Professeur Fourmier. Die spindeldürre Lehrerin erwähnte, daß sie in der kommenden Stunde das algerische Wüstentierreservat besuchen würden, um den orientalischen Felsenvogel und die Goldpanzerameisen zu beobachten. Die drei Greifennest-Gastschüler Waltraud Eschenwurz, Joseph Maininger und Hubert Rauhfels hatten bereits von diesem legendären Riesenvogel gehört, wobei der muggelstämmige Schüler Joseph Maininger lernte, daß diese Zaubertierart ein wenig kleiner war, als die arabischen Märchen ihn schilderten. Im Kräuterkundeunterricht trafen Julius' Klassenkameraden auch auf Gloria Porter und den Rest der in die siebte Klasse gehenden Greifennest-Mädchen. Hubert Rauhfels hatte das Fach nicht gewählt, weil er, wie er getönt hatte, nicht mehr so viele Fächer bei seiner Großtante haben wollte. Waltraud hatte darauf nur entgegnet, daß er dann auch den Zaubertrankunterricht hätte abwählen müssen, den Magistra Gudrun Rauhfels für die beiden UTZ-Klassen erteilte.

In der großen Pause traf Julius auch auf Kevin, der seine ersten Stunden bei Professeur Bellart und Professeur Pallas erlebt hatte. "Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht", bemerkte Kevin über den Stil der beiden Lehrerinnen. Dann erwähnte er mit einer Mischung aus Schadenfreude und Unbehagen: "Dieser Bursche Blades ist in der Nacht noch von McGonagall und Madame Faucon in einer Roten Lichtkugel weggebracht worden. Ich hab's gesehen. So um 'ne halbe Stunde später waren die beiden hohen Damen ohne den wieder da. Das mit der roten Kugel ist wohl das, was für uns der Zug ist, oder?" Julius nickte. "Jedenfalls hat Professor McGonagall mich am Morgen vor dem Einrücken zum Frühstück noch mal in ihre Kabine unter der Kuppel bestellt und mir gesagt, daß ich auch jederzeit mit dieser Leuchtkugel weggeschafft werde, wenn ich mir in einem Monat mehr als zweihundert Strafpunkte einhandele. Ich sei damit gewarnt. Denn Madame Faucon wolle keine Gastschüler, die ihre eigenen Schüler total verhunzen oder sowas. Blades ist wohl schon wieder in Hogwarts oder bei seiner Mum. Weiß nicht, was Professor McGonagall mit dem abgesprochen hat."

"Dann sieh bitte zu, daß du das mit den Strafpunkten kleinhältst. Wäre voll fies für Hogwarts, wenn die nur mit zehn Mann am trimagischen teilnähmen!" Sagte Julius und erkannte, wie schulmeisternd er Kevin gegenüber auftrat. Deshalb wunderte er sich nicht, daß Kevin ihn nur verdrossen ansah. Eine Antwort bekam er jedoch nicht. Die hätte vielleicht Strafpunkte provoziert.

Am Dienstag nach der Auswahl brachte der Miroir Magique einen Bericht über das trimagische Turnier und erwähnte auch, daß ein Hogwarts-Schüler vorzeitig die Heimreise hatte antreten müssen, da er Beauxbatons und eine Gruppe dortiger Schüler zu tiefst beleidigt habe, darunter zwei Saalsprecher. Die hohen Strafen für Beleidigungen oder Angriffe auf Saalsprecher und Pflegehelfer wurden erwähnt. Madame Faucon, die zusammen mit ihren Schulleiterkolleginnen McGonagall und Greifennest über die Auswahl berichtet hatten, erwähnte, daß sie nach dem Schreckensregime der Todesser keinem Schüler unter ihrem Dach durchgehen lasse, Todessermanieren zu äußern und bestimmte Wörter oder Handlungen von ihr nicht mehr hingenommen würden. Professor McGonagall hatte dem hinzugefügt, daß es ihr äußerst peinlich sei, jemanden in die Hogwarts-Gruppe einsortiert zu haben, der sich derartig schlecht beherrschen konnte und derart unentschuldbare Anwandlungen besessen habe. Da die Auswahl zu dem Zeitpunkt bereits erfolgt sei bedauere sie, daß sie jemanden, der die von ihr festgelegten Anforderungen knapp verfehlt hatte, nicht für Charon Blades hätte nachrücken lassen können. Sie hoffte jedoch, daß die verbleibenden Hogwarts-Schüler sich als faire Turnierbegleiter erweisen würden und hoffte auf ein gutes Abschneiden der Turnierteilnehmerin Gloria Porter. neben einem Bericht von der Auswahl und dem Zwischenfall mit Charon Blades fanden sich drei kurze Berichte über die ausgewählten Champions. Julius stellte fest, daß alle Namen korrekt geschrieben worden waren und las auch, daß Glorias Eltern und Großeltern wichtige Persönlichkeiten der Zaubererwelt seien und daß Gloria von ihren Großmüttern her wohl sehr gut in Verwandlungen und Abwehr böser Zauber ausgebildet sei. Hubert wurde unterstellt, wegen seiner berühmten Großtante gut mit Zaubertieren und magischen Pflanzen zurechtzukommen, aber auch ein guter Zauberkunstschüler sei. Julius mußte Laurentine mehrmals ansehen, als er las, wie sie in der Zeitung wegkam. Ihre Eltern wurden als "leider schwer von der Richtigkeit ihrer Zaubereiausbildung zu überzeugen" erwähnt, ihre Leistungssteigerungen der letzten drei Jahre jedoch als "zur Turnierteilnahme voll und ganz berechtigend" gerühmt. Was es mit Laurentine und ihrem Zauberstab auf sich hatte stand jedoch nicht in der Zeitung. Dafür hatte diese Zeitungshexe Chermot Madame Faucon glatt gefragt, warum der bei ihr lernende Schüler Julius Latierre nicht ausgewählt worden sei, wo doch alle wußten, daß er für sein Alter schon mehr Zaubertalent aufbot. Dazu hatte die Schulleiterin von Beauxbatons eine Aussage gemacht, die Julius nicht so recht deuten konnte.

Sicher denken Sie und wohl auch ein Großteil Ihrer Leserinnen und Leser, zu denen ja auch die mir anvertrauten Schülerinnen und Schüler zählen, es sei ein unglücklicher Umstand, daß Monsieur Latierre, geborener Andrews, nicht als Turnierteilnehmer der Beauxbatons-Akademie ausgewählt wurde. Ich hörte auch schon Spekulationen, daß er nur deshalb nicht ausgewählt wurde, weil das Auswahlartefakt keine Verwandten von trimagischen Richtern als Turnierteilnehmern dulde. Dazu kann ich nur auf die vergangenen Turniere verweisen, bei denen durchaus junge Hexen und Zauberer mitwirkten, die mit trimagischen Richtern blutsverwandt waren. Dieses Argument ist also widerlegt. Julius Latierre ist einer von mehreren herausragenden Schülern der oberen Klassen. Außerdem ist es keinesfalls so, daß der für die Auswahl verwendete Zaubergegenstand nur die schulisch besten erwählt, da er weder die im Unterricht erbrachten Leistungen noch die dafür vergebenen Noten kennt. Er erkennt die wahren Namen und ordnet sie den teilnehmenden Schulen zu. Ob und wie er das zauberische Talent eines Kandidaten erkennt gehört zu den Geheimnissen, die das Artefakt und seine Bezauberung betreffen und die zu hüten ich vor Genehmigung des Turnieres in Beauxbatons habe schwören müssen. Nur so viel, Monsieur Latierre mußte in den letzten Jahren einige schwere, ja auch gefährliche Situationen überstehen, die der Großteil der anderen Kandidaten nicht erleben mußte. Daher kann es sein, daß der Feuerkelch ihn als grundverschieden von allen anderen eingestuft hat und eher auf gleichwertigkeit der Turnierteilnehmer beharrte. Wie genau und ob das wirklich so ist würde erwähnte Geheimhaltung betreffen, die zu wahren ich geschworen habe. Im übrigen empfinde ich Mademoiselle Hellersdorfs Erwählung als für Beauxbatons sehr verheißungsvoll, da sie in diesem Jahr den Beweis erbringen wird, daß die Abstammung einer Schülerin nichts über ihren Wert für die magische Gemeinschaft besagt, sondern nur die von ihr erbrachten und noch zu erbringenden Leistungen. In dieser Hinsicht bin ich als amtierende Schulleiterin von Beauxbatons höchst beruhigt, daß Mademoiselle Hellersdorf sich und Beauxbatons würdig repräsentieren wird, ungeachtet dessen, welche Position sie im bevorstehenden Turnier erreichen wird.

Im Zaubertrank-Unterricht fragte Professeur Fixus die dazugestoßenen Gastschüler über ihre letzten Stunden ab und ließ dann alle den Wirbelwindtrank nachbrauen, der die eigene Schnelligkeit für eine Relativstunde pro Dosis verfünffachte. Sie warnte eindringlich davor, mehr als eine Dosis pro Tag zu trinken, da der Trank zehnmal so viel Ausdauer benötige als ohne den Trank. Außerdem, so stellte sie klar, vertrüge er sich nicht mit dem Wachhaltetrank. Kamen beide zusammen führte das zu einer ungewünschten Wirkung, nämlich zu einer zehnstündigen Lähmung willentlicher Bewegungen bei hellwachem Bewußtsein.

Im Zauberwesenseminar am Abend erwähnte Professeur Delamontagne, daß in der nächsten Woche eine Meiga aus Galizien zu Besuch kommen würde. Diese würden sie dann nicht im mit Umgebungsillusionen auszustattenden Seminarraum treffen, sondern im grünen Forst, weil Meigas nicht von fremder Magie umgeben sein wollten.

Millie kam morgens schwerfällig aus dem Bett. Die voranschreitende Schwangerschaft brachte ihren Kreislauf in Unordnung. Es dauerte manchmal eine Minute, bis sie sich sicher genug fühlte, aus dem Bett zu steigen. Daher stand auf ihrer Seite des Bettes immer ein großer Eimer mit eingewirktem Verschwindezauber bereit, um den während der alle zwei Tage heftig auftretenden Morgenübelkeiten den von ihr erbrochenen Mageninhalt aufzufangen. Darüber hinaus überkamen Millie immer wieder Hungerattacken, die sich über die mit Julius geteilte Gefühlsverbindung auch auf diesen übertrugen. Er wußte, daß ihm das mehr Speck auf die Hüften brachte, wenn er genausoviel aß wie seine Frau. Daher hielt er sich ran, den Kalorienüberschuß durch noch stärkeres Lauf- und Krafttraining zu verheizen.

Im Zauberkunstunterricht ging es nun um die Abschirmzauber, wie Professeur Bellart sie nannte. Dazu gehörten neben der Unsichtbarkeit von Gegenständen und Lebewesen auch Schalldämmung und Elementarschutzwälle. Die Unsichtbarkeit von Gegenständen konnte auf zweierlei Art erzielt werden, durch ein vollständiges Lichtdurchlässigkeitsfeld, das anders als Glas und klares Wasser nicht einmal eine Lichtbrechung verursachte. Laurentine fragte, warum das Licht nicht um den Körper eines Menschen oder Gegenstandes herumgelenkt wurde. Darauf erhielten sie und ihre Mitschüler, zu denen alle Hogwarts- und Greifennest-Siebtklässler gehörten, die Antwort, daß die Unsichtbarkeitsaura das Licht nicht wie Wellen, sondern einen Strom winzigster Funken aufnahm, wobei die auftreffenden Funken erloschen und ohne Zeitverlust auf der genau gegenüberliegenden Seite gleichartige Ableger entstanden und weiterflogen. Julius und Gloria hatten daraufhin das magische Auge von Professor Moody erwähnt, daß durch Unsichtbarkeitszauber und massive Gegenstände sehen konnte. Darauf hatte die Lehrerin erwähnt, daß es durchaus möglich war, die verhüllenden Zauber wie massive Panzerungen auszufiltern. Wie genau dies ginge sei nicht Thema des Unterrichtes. Bei einer negativen Illusion, die deshalb so hieß, weil sie existierende Gegenstände als scheinbar nicht vorhanden veränderte, könnten jedoch nur tote Gegenstände bezaubert werden, da die Bezauberung auf die sinnliche Wahrnehmung einwirke und als Umhüllung eines fühlenden Wesens keine Sekunde lang erhalten bliebe. Würde ein derartig getarnter Gegenstand von jemandem bewußt ergriffen, verlöre er in nur einer Minute die Bezauberung. Allerdings sei es bereits zu Mordfällen gekommen, wobei ein mit negativer Illusion für scheinbar nichtexistent bezauberter Dolch als Mordwaffe gedient habe. Daher sei dieser Zauber nur dann zulässig, wenn es um Wertgegenstände oder zu schützende Räumlichkeiten ginge.

Der Ausflug zu den Felsenvögeln verlangte von Julius viel Zurückhaltung. Außer Millie und ihm wußte ja nur die Schulleiterin, daß er diesen Ausflug vor vier Jahren schon mitgemacht hatte. Wie und warum ging jedoch niemanden hier etwas an. Alles war so wie vor vier Jahren. Auch Harun und Fatima, die eines der Felsenvogelpaare bildeten, gab es noch. Millie fühlte sich in der Nähe dieser Riesenvögel ein wenig mulmig, erfaßte Julius. Das mochte durch das schwangerschaftsbedingte Gefühlsungleichgewicht kommen. Er wendete seine Selbstbeherrschungsformel an, um sie und sich von aufkommender Angst freizuhalten. Hubert Rauhfels konnte es nicht überhören, wie der algerische Wildpfleger Fomalhaut darauf bestand, daß Goldpanzerameisen nur in der freien Wüste überleben konnten. Er erwähnte ungeachtet, ob das angebracht war oder nicht, daß in Deutschland eine Kolonie von Fortiformica cuticaurea gehalten wurde. Damit reizte er Fomalhaut zu einer heftigen Tirade über die Vermessenheit europäischer Zauberer, die meinten, alles aus anderen Ländern vereinnahmen zu dürfen. Das wiederum trieb Hubert dazu, dem Algerier mit dem stark akzentlastigen Französisch an den Kopf zu werfen, daß "die Araber" doch nur verärgert seien, weil jemand ihre glänzenden Riesenameisen auch außerhalb der Sahara nachzüchten und deren widerstandsfähige Panzerhäute verwerten könne. Hier schritt dann Professeur Fourmier ein und befahl Hubert, sich nicht weiter mit dem Leiter dieses Ausfluges zu streiten, wenn er nicht gleich nach der Stunde zu Madame Faucon und seiner Schulleiterin Gräfin Greifennest beordert werden wollte. Sein Champions-Status verböte zwar die vorzeitige Rücksendung nach Greifennest, verböte jedoch nicht die im Einvernehmen mit seiner und der Beauxbatons-Schulleiterin mögliche Zurückstufung zum Sechstklässler. Das ließ Hubert verstummen. Joseph grinste ihn schadenfroh an, wenn die spindeldürre Lehrerin es nicht sehen konnte. Nach der Stunde trug sie Hubert auf, alle magizoologischen und Handelsrechtlichen Aspekte im Bezug auf die Goldpanzerameisen zu studieren und ein mindestens einstündiges Referat ohne überflüssige Einstreuungen halten zu können. "Ihnen bringe ich noch bei, was Ihre Fachlehrerin offenkundig noch nicht vollbracht hat, nämlich den Respekt und den Ernst, den der Umgang mit magischen Tierwesen fordert und auch die korrekten Umgangsformen mit erwiesenen Fachkräften in diesem Bereich der Kunde magisch belebter Natur", hatte sie ihm nach Zuteilung von gleich hundert Strafpunkten entgegengeschleudert. Das wirkte auf den Großneffen von Magistra Rauhfels offenbar schlimmer als die zugeteilten Strafpunkte.

Nachdem die neuen Mitschüler die ersten Stunden bei den Beauxbatons-Lehrern überstanden hatten verlief der Unterricht im üblichen Rahmen. Selbst die aus Hogwarts und Greifennest angereisten Schüler grüßten die Lehrer im Chor, wenn der Unterricht begann. Allerdings standen sie nicht auf, wenn Madame Faucon bei den Mahlzeiten den Speisesaal betrat. Elric Cobbley hatte offenbar von Professor McGonagall die gelbe Karte erhalten. Zumindest behauptete Lea Drake das am Freitag in der Zauberkunst-AG. Das mochte daran liegen, daß Elric sich wohl bei einem muggelstämmigen Schüler aus dem violetten Saal im Ton vergriffen hatte. Wohl gerade noch rechtzeitig hatte er gemerkt, daß er nicht wie Charon Blades enden wollte. Julius gegenüber zeigte sich der einzige Junge aus Slytherin immer noch kühl und abweisend. Da Julius keinen Wert auf die Freundschaft des Jungen legte nahm er dessen Haltung als nebensächlich hin. Zumindest tat er dies, bis Madame Faucon ihn bei der ersten Saalsprecherkonferenz nach Turnierbeginn direkt fragte, ob er den Eindruck habe, Monsieur Cobbley könne ihm gegenüber eine feindliche Einstellung haben. Julius mußte erst überlegen, welche Antwort sachlich richtig war und nicht von voreiligen Gefühlen verfälscht wurde. Dann sagte er: "Nun, er hält mich wohl nicht für einen persönlichen Feind. Und wenn ich ihm nicht im Rahmen der Schulregeln Strafpunkte geben muß, die seinen Aufenthalt hier belasten oder gar vorzeitig beenden, sehe ich von mir aus auch keinen Grund, mich als seinen persönlichen Feind anzubieten. Er selbst denkt womöglich noch ähnlich wie die Todesser. Aber wenn er aus der schnellen Abreise seines Hauskameraden gelernt hat, sich zu beherrschen, mag er denken was er will. Ich habe wichtigere Sachen zu tun."

"Wichtigeres als am Turnier teilzunehmen?" Fragte der Saalsprecher der Violetten herausfordernd. Julius sah ihn ruhig an und erwiderte:

"Ich habe dem Kelch nicht mitgeteilt, daß er mich unbedingt auszuwählen hat und auch nicht, daß er mich bloß nicht auszuwählen hat. Daher denke ich, daß es dem nur darum ging, möglichst gleichwertige Teilnehmer zu finden. Ob ich besser oder schlechter bin als Laurentine weiß ich nicht. Dazu müßte ich ja wissen, was im Turnier an Aufgaben drankommt. Und das wird Madame Hippolyte Latierre tunlichst für sich behalten." Die meisten hier lachten. Laurentine blickte ihn verdutzt an, mußte dann aber auch grinsen. Sie würde gleich nach der SSK zur Eichung der Zauberstäbe gehen und sich wohl oder übel den Fragen der dazu angereisten Reporter stellen müssen. Insofern empfand sie Julius' Aussage wohl als gute Vorgabe, eine ähnliche Frage in einem Interview entsprechend beantworten zu können.

"Ähm, Sie sind mit dem irischen Zauberer Kevin Malone gut bekannt bis befreundet", setzte Apollo Arbrenoir verhalten lächelnd an. Hier durfte er Julius nicht duzen, so die Verhaltensrichtlinie. "Ich hörte sowas, daß er Beauxbatons nicht wirklich mag und nur wegen der möglichen Teilnahme hergekommen sei. Wie schätzen Sie das ein?"

"Da ich eigentlich diese Frage hätte stellen müssen frage ich nun Sie, warum Sie diese Frage gestellt haben, Monsieur Arbrenoir?" Erwiderte Madame Faucon etwas ungehalten klingend.

"Weil die Jungen aus dem roten Saal alle durch die Jahrgangsstufen hinweg behaupten, daß Kevin Malone womöglich von Professeur Macgonnagaal dazu gezwungen worden sein könnte, mit herzukommen, er aber durchaus gut im roten oder blauen Saal hätte unterkommen können, Madame Faucon."

"Das ist höchst interessant", erwiderte Madame Faucon. "Wer hat von sich oder anderen her eine ähnliche Einschätzung?" Fragte sie in die Runde. Auch die Blauen hatten wohl ähnliche Vermutungen. Patrice Duisenberg erwähnte, daß die Mädchen aus ihrem Saal davon ausgingen, Kevin sei vor die Wahl gestellt worden, entweder mitzureisen oder ein Jahr zurückgestuft zu werden. Sie selbst warf ein, daß sie Kevin bei einigen Festen besser hatte kennenlernen können und erwähnte, daß Kevin womöglich nur deshalb so abweisend gegenüber Beauxbatons eingestellt sei, weil er schlechte Erfahrungen mit strickten Regeln gemacht habe.

"Eine schöne Umschreibung dafür, wenn jemand darauf ausgeht, sich gegen vorgegebene Verhaltensrichtlinien zu sträuben", schnarrte Madame Faucon. Professeur Fixus, die Stellvertretende Schulleiterin, bat um Sprecherlaubnis.

"Drei Punkte, die Herrschaften: Zum einen haben sich die Teilnehmer beider Abordnungen freiwillig dazu bereiterklärt, sich einem Auswahlverfahren ihrer Schulleitung zu unterziehen. Zum zweiten konnten nur die Schülerinnen und Schüler diesem Auswahlverfahren unterzogen werden, die genügend Französischkenntnisse vorweisen konnten, um dem Unterricht in Beauxbatons folgen zu können. Soweit mir bekannt ist gibt es in keiner europäischen Schule einen verpflichtenden Sprachunterricht. Fremdsprachenkenntnisse werden als freiwillige, ja rein freizeitliche Projekte akzeptiert. Leistungsnachweise finden im Regelfall nicht statt. Hier in Beauxbatons gibt es zwar Sprachkurse, die jedoch jederzeit unterbrochen werden können. Alle schriftlichen Leistungsnachweise finden auf rein freiwilliger Basis statt, weil die Teilnehmer ein fundamentales Interesse zeigen, damit später einmal etwas erreichen zu können. Es wird jedoch nicht verlangt, eine bestimmte Sprache zu lernen. Ähnlich dürfte es in Hogwarts und Greifennest sein. Damit komme ich zum dritten Punkt meiner Einschätzung: Jeder, der sich freiwillig zur Teilnahme am trimagischen Turnier meldete ging davon aus, ausgewählt zu werden. Insofern ist eine gewisse Enttäuschung verständlich, wenn elf von zwölf Kandidaten bei der Auswahl leer ausgehen. Was Monsieur Malone angeht, so stufe ich auf Grund meiner Erfahrung als Lehrerin sein Verhalten als Ausdruck von überkompensierten Versagensängsten ein. In seinem Umfeld gilt das Zeigen von Angst oder Trauer für einen Jungen als unzulässiges Schwächeeingeständnis. Ich gehe sehr stark davon aus, daß Monsieur Latierre dies bereits auch schon mit seiner eigenen Erfahrung erahnen konnte. Daher gestatten Sie mir, Ihnen die Verlegenheit einer Antwort von den Schultern zu nehmen, Monsieur Latierre. Monsieur Malone hat sich wohl nur deshalb dazu entschlossen, die nötigen Sprachkenntnisse zu erwerben und sich der Auswahl Professeur McGonagalls zu unterziehen, um aus dem für ihn schwer bis gar nicht erträglichen Umfeld in Hogwarts herauszukommen. Natürlich wollte er unbedingt in die Auswahl und hätte durch die Zuerkenntnis des Champion-Statusses einen persönlichen Erfolg erzielt. Dieser wurde ihm verwehrt. Mehr noch, ihm wurde dadurch wieder bewußt, daß wir hier einen anderen Umgang pflegen als in Hogwarts. Mit anderen Worten, er befindet sich nun in einem Dilemma, ob es für ihn nicht doch besser gewesen wäre, seine Jahrgangskameraden abreisen zu sehen und in Hogwarts zu verbleiben, anstatt nun damit leben zu müssen, unserem gestrengen Regelwerk zu folgen. Da ich nicht als Saalvorsteherin für ihn zuständig bin steht es mir leider nicht zu, ihm in dieser Hinsicht einen für ihn gangbaren Weg aufzuzeigen." Julius hörte sich ruhig und gefaßt an, wie die Gedankenhörerin im Stil einer Muggel-Psychologin Kevins Verhalten auslegte. Sicher konnte sie über Kevins Gedanken alles aus ihm heraushören, was ihn umtrieb. Nur durfte sie es nicht derartig offen aussprechen, was sie wußte. Julius hatte jedoch noch eine eigene Ansicht, die sich ein wenig von der Professeur Fixus' unterschied. Daher bat er doch noch um Sprecherlaubnis.

"Mademoiselle Duisenberg wollte von mir wissen, wie ich das Verhalten von Monsieur Malone einschätze. Dazu möchte ich Professeur Fixus' Einschätzung nicht grundweg bestreiten. Ich möchte jedoch gerne persönlich auf diese Frage antworten, da ich weiß, wann und wo und unter welchen Bedingungen Mademoiselle Duisenberg Monsieur Malone antraf und was ich als Mitschüler von Monsieur Malone denke, was in diese Konferenz hineingehörtt: Es ist für mich schwierig, ein lockeres Verhältnis zu Monsieur Malone zu erhalten, da er grundweg davon ausgeht, daß ich mir von jedem hier, egal wie jung oder alt, vorgeben lasse, was ich zu tun und zu lassen habe. Er selbst scheint abzustreiten, daß er auch nicht alles tun und lassen kann, wonach ihm ist. Der Eindruck den er von Beauxbatons hat stützt sich auf das letzte trimagische Turnier, wo er Madame Maxime und die von ihr beaufsichtigte Abordnung aus Beauxbatons kennenlernen konnte. Er verglich ihre Auffassung wie Schüler mit der Schulleitung umgehen sollten mit unserem damaligen Schulleiter Professor Dumbledore, was, wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann, ein Vergleich zwischen Feuer und Wasser ist. Da wir alle gelernt haben, daß die beiden Elementarkräfte sowohl nützlich wie schädlich sein können halte ich dieses Bild für neutral genug. Ich habe zu diesem Zeitpunkt ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu Monsieur Malone gepflegt und seine offene Art, Dinge direkt zu bewerten bewundert. Durch meine Umschulung nach Beauxbatons, deren Gründe ja allen hier bekannt sind, mußte ich lernen, daß es Dinge gibt, die ich zu akzeptieren hatte, wenn ich meines Lebens froh werden wolte. Kevin Malone mußte hingegen die Schikanen in Hogwarts erleiden, die von der damaligen sogenannten Großinquisitorin Dolores Umbridge befohlen oder selbst ausgeführt wurden. Das dürfte ihn ziemlich stark beeinträchtigt haben. Dadurch, was damals in Hogwarts vorging und was ich hier in Beauxbatons erlebt habe, haben wir zwei uns wohl weit voneinander fortentwickelt. Ob und wie weit er noch großen Wert darauf legt, sich meinen Freund zu nennen habe ich ihn oft genug gefragt, wenn er bei allen sich bietenden Gelegenheiten meinte, mich dazu überreden zu müssen, mir nicht alles gefallen zu lassen. Ich bin mit dem Fachgebiet das Muggel Psychologie nennen nicht bewandert. Ich wage jedoch einmal zu behaupten, daß er in mir sein eigenes Leben gesehen hat, und daß wenn ich, der von allen für besonders talentiert angesehen wurde, genauso irgendwelchen Regeln unterworfen sei, er dann ja überhaupt keine Chance auf ein vollkommen freies Leben haben könnte. Deshalb vermute ich auch eben nur auf dem, was ich mit Monsieur Malone erlebt habe, daß seine Abwehrhaltung gegen Beauxbatons und dem, was ich von hier gelernt habe, eben nur deshalb so ist wie sie ist, weil er gehofft hat, ich würde mich nicht so leicht allen möglichen Anweisungen fügen und er dann hätte sagen können, daß er eben nur deshalb nicht alles machen könne, weil er ein nicht so talentierter Zauberer sei. Gut, das hätte dann womöglich Neid hervorgerufen, wie er bei anderen Jungen meines Jahrgangs ja dann auch wirklich aufgetreten ist." Dabei sah er die Saalsprecher der Blauen und Violetten genauer an, die verlegen die Augen niederschlugen. "Hinzu kommt noch, daß er gezwungen war, mit seinen Eltern zu flüchten, nachdem er unmittelbar an Leib und Seele bedroht wurde. Er mußte fast ein Jahr in einer fremden Umgebung verbringen, als vorgebuchter Außenseiter, nur geduldet, nicht erwünscht und kam dann in ein Hogwarts zurück, wo die meisten Schülerinnen und Schüler ein wahres Schreckensjahr hatten überstehen müssen, ohne daß ihnen wer geholfen hat, von dort wegzukommen. Da haben Schüler Elternteile oder andere Familienangehörige verloren, sind ständig gequält worden oder mußten um ihr Leben fürchten. Die Leute haben Kevin und drei weitere Mitschüler die mit ihm herausgeholt worden sind mit Neid und Ablehnung empfangen. Mit anderen Worten: Kevin Malone unterstellte unter anderem mir, der ich Madame Faucon über die gegen ihn verhängte Drohung informiert habe, ihn aus einer gewohnten Umgebung herausgerissen zu haben. Auch das hat ihn sicher beeinträchtigt. Abgesehen davon, daß wir jetzt mehrere Schüler aus Hogwarts hier haben, die ähnliche seelische Belastungen mit sich herumschleppen müssen und die jeder für sich gleichwichtig oder unwichtig sind hoffe ich darauf, daß ich mit Kevin Malone wie auch allen anderen gerade bei uns mitlernenden Schülern so gut es geht auskommen kann, ohne meine Aufgaben zu vernachlässigen und ohne Mitgefühle oder Zustimmung heucheln zu müssen. Sowas widert mich an. Wer mit mir nicht so klarkommt wie ich bin, kann mir ja aus dem Weg bleiben, woo es sich machen läßt. Das gilt für alle, einschließlich Monsieur Kevin Malone. Mehr möchte ich dazu nicht sagen."

"Stimmt, er ist ja nicht der einzige hier", erkannte Belisama Lagrange, als ihr das Wort erteilt wurde. "Aber um Ihnen allen hier zu sagen, was ich denke muß ich doch ganz klar sagen, daß es schon einen Unterschied macht, ob jemand meint, gegen alles und jeden loszustürmen, nur weil es ihm gerade gefällt oder ob jemand erkennt, wer ihm gutes oder böses will und sich mit denen, die ihm gutes wollen auch friedlich verständigt. Auch ich habe Monsieur Malone kennengelernt, wie auch Madame Latierre, Madame Dumas und Mademoiselle Duisenberg. Kann sein, daß das, wie er ist so ist, weil er nicht zeigen kann, daß er vor etwas Angst hat. Aber das erlaubt doch nicht, einem Gastgeber vor allen anderen Gästen Vorhaltungen zu machen oder aus reinem Trotz, weil er sich nicht zu seinen Fehlern stellen will ein wildes Feuerwerk über einem ruhigen Ort loszulassen und davonzulaufen. Ich habe es auch mitbekommen, daß er in dem Jahr, wo der Unnennbare seine Macht zurückgewonnnen hat sehr viel Angst gehabt hat. Aber dann wo alles vorbei war ausgerechnet dem irgendwelche Vorwürfe zu machen, der ihn aus der Gefahr herausgeholfen hat kann auch nicht durch irgendwelche Ängste oder Schüchternheiten entschuldigt werden. Der ist meiner Meinung nach nur hergekommen, weil er gegen Beauxbatons antreten wollte. Ob nun Monsieur Latierre oder Mademoiselle Hellersdorf als Beauxbatons-Champion ausgewählt worden wäre war dem egal. Der Kelch hat ihn nicht ausgewählt. Deshalb hat er mal wieder das Gefühl, irgendwer hätte sich gegen ihn verschworen und wolle ihn niederhalten. Deshalb muß ich Ihnen widersprechen, Monsieur Latierre: Auch wenn Sie Monsieur Malone als einen von zwölf gleichermaßen vom dunklen Jahr belasteten Schülern sehen zeigte er bei der Auswahl überdeutlich, daß es ihm nicht darum ging, in einem interessanten Turnier mitzukämpfen, sondern nur aus Trotz gegen Beauxbatons aufzutreten, um der Schule, die seiner Meinung nach einen ehemaligen Mitschüler verdorben haben soll, endlich die nötige Abfuhr zu erteilen, am besten dadurch, daß er das Turnier gewinnt. Daß ausgerechnet Gloria Porter, die schon mal ein Jahr hier gelernt hat ausgewählt wurde kann er sogar als weitere Verschwörung von Beauxbatons gegen ihn ansehen. Zwar habe ich auch nicht die große Ahnung von Psychomorphologie, wie der entsprechende Zweig der Medimagie heißt, aber das weiß ich jetzt ganz sicher, daß Monsieur Malone nur deshalb nicht am selben Abend von Professeur McGonagall nach Hause geschickt wurde, weil dieser andere Bursche, Charon Blades, schneller seine Mißachtung des Turniers, der Mitschüler und der Gastgeberschule rausgebrüllt hat als er. Das ist meine persönliche Ansicht. Die kann stimmen oder nicht. Ich wollte nur meine Meinung als amtierende Sprecherin des weißen Saales äußern und hoffe, mich nicht zu heftig aufgeregt zu haben. Vielen Dank!"

"Monsieur Latierre hat insofern recht, daß wir uns nicht zu sehr auf das Verhalten eines einzigen Gastschülers konzentrieren dürfen, zumal außer der Kollegin Professeur Fixus niemand weiß, was in Monsieur Malones Kopf vorgeht und Professeur Fixus verpflichtet ist, über die mit ihrer besonderen Gabe errungenen Erkenntnise dritten gegenüber Stillschweigen zu bewahren, sofern sie die unmittelbar betreffende Person nicht in ihrer Eigenschaft als Lehrerin oder Saalvorsteherin zur Rede stellen möchte", sprach nun Madame Faucon. "Aber da eben gerade der Name Gloria Porter gefallen ist möchte ich nur anmerken, daß Mademoiselle Porter ganz sicher nicht in der trimagischen Abordnung von Hogwarts mitgereist ist, um indirekt für Beauxbatons anzutreten. Es wäre sehr hilfreich, jedes dahingehende Gerücht und jede darauf abzielende Unterstellung zu unterlassen oder falls bereits in Umlauf zu unterbinden. Wäre Mademoiselle Porter davon überzeugt, hier in Beauxbatons ihre schulische Heimat gefunden zu haben, wäre sie bei Kenntnis der sich abzeichnenden Gefahrenlage in Großbritannien nicht dorthin zurückgekehrt oder hätte sich bei der bereits erwähnten Flucht aus Hogwarts nicht darauf eingelassen, in eine für sie größtenteils fremde Umgebung umzusiedeln, sondern hätte Madame Maximes Angebot angenommen, bei uns in Beauxbatons weiterzulernen. Soviel als für Sie brauchbare Argumentationsgrundlage, Mesdames, Messieurs et Mesdemoiselles. Wie sich die angereisten Teilnehmer weiter bei uns benehmen und hervortun werden wir im Verlauf des Schuljahres erleben. Mademoiselle Hellersdorf wird mich gleich zur offiziellen Eichung der Zauberstäbe begleiten. Ich bitte Sie alle zu bedenken, daß im Moment mehrere Reporter aus Großbritannien, Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich auf dem Schulgelände weilen. Insofern möchte ich Sie alle dringend dazu anhalten, keine abfälligen oder sinnentfremdenden Äußerungen zu machen, solange die Sonne nicht untergegangen ist. Dann werden die Damen und Herren von der Presse unser Schulgelände wieder verlassen und erst zur ersten Runde des Turnieres wiederkommen. Falls Anfragen zu privaten Interviews an Sie herangetragen werden steht es Ihnen frei, darauf einzugehen. In diesem Fall bitte ich Sie darum, sich nicht abschätzig über die angereisten Gastschüler zu äußern. Sie haben unseren Respekt genauso verdient, wie wir von ihnen Respekt erwarten dürfen. Danke schön!"

Julius war froh, als er mit Millie auf dem Weg zum Freizeitkurs Haushaltszauber war. Warum hatten seine Saalsprecherkollegen sich so auf Kevin eingeschossen, wo es auch andere in den beiden Gruppen gab, die sicher Probleme mit anderen Schülern oder Beauxbatons hatten? Daß Belisama was gegen Kevin hatte lag wohl immer noch an der Sache mit dem Feuerwerk über Millemerveilles. Vielleicht dachte die sogar, daß Kevin geistig noch nicht reif für eine Turnierteilnahme war und er sich zu viel auf sein körperliches Alter einbildete.

"Patrice hat sich in Kevin verguckt", zischte Millie ihrem Mann ins Ohr. "Die wollte jetzt antesten, wie er wirklich ist."

"Dann soll die den selbst kennenlernen. Zeit genug hat sie ja jetzt", grummelte Julius.

Pina und die Hollingsworths, sowie Lea Drake hatten sich auch beim Haushaltskurs eingetragen. Da Madame Faucon als Schulleiterin zur Eichung der Zauberstäbe gehen mußte übernahm Professeur Dirkson auch an diesem Samstag die Aufsicht und Leitung. Sie teilte die Neuzugänge den bereits bestehenden Gruppen zu, wobei Waltraud Eschenwurz und Pina Watermelon zu Millie und Julius in die Kochgruppe kamen. Professeur Dirkson lobte Pinas Geschick und Schnelligkeit beim Aufruf von Zubereitungszaubern. Pina erwiderte darauf, daß sie bei ihrer Mutter im Sommer sehr gründlich geübt habe.

Beim Mittagessen tauschten Kevin und Gloria merkwürdige Blicke. Es sah für Julius so aus, als wollte Kevin seine Schulkameradin wütend machen. Doch Gloria erwiderte die provokanten Gesten und Blicke mit eiskaltem Lächeln und zur Schau getragener Gleichgültigkeit. Julius wußte, daß Kevin wohl auch ihn damit zu irgendeiner Regung verleiten wollte. Doch er tat ihm nicht den Gefallen. Er wartete ab, ob Kevin sich die Blöße gab, ihn irgendwas zu fragen, was nichts mit der Schule oder den Freizeitkursen zu tun hatte. Als Kevin jedoch merkte, daß weder Gloria noch Julius auf ihn eingingen gab er seine lautlosen Andeutungen auf und stürzte sich auf das Mittagessen. Julius langte ebenfalls kräftig zu. Millies gesteigerter Appetit hatte auch ihn wieder erwischt.

Am Nachmittag fand wieder die von Madame Rossignol angesetzte Gymnastikeinheit statt. Julius wußte, daß nur ständige Körperertüchtigung verhindern konnte, mehr zuzulegen. Vielleicht sollte er sich beim Essen doch anstrengen, nur das zu essen, was er tatsächlich brauchte. Doch im Moment wußte er nicht mal mehr, wie viel das war.

"Also, wie Sandrine und Millie das durchstehen kapiere ich nicht", stöhnte Gérard, weil er im Zuge der Gymnastikeinheiten mal wieder schwer ranklotzen mußte. Millie erwiderte darauf:

"Wir wissen eben, wofür wir das machen, Gérard." Sandrine sah sie erst verstimmt an, mußte dann aber nicken.

"Was war denn das heute Mittag zwischen Kevin, Gloria und dir?" Wollte Millie von ihrem Mann wissen, als sie sich nach der Gymnastikstunde frische Sachen angezogen hatten.

"Der wollte wohl Gloria oder mich zu irgendwelchen Sprüchen reizen. Gloria war bei der Eichung der Zauberstäbe. Kann sein, daß sie ihm nicht erzählen wollte, wie das abgelaufen ist. Und mich wollte er womöglich testen, ob bei der SSK irgendwas über ihn erzählt wurde. Aber solange der mich nicht offen fragt bekommt der keine Antwort von mir."

"Und was hättest du dem gesagt, wenn er dich gefragt hätte?" Hakte Millie nach.

"Dann hätte ich gefragt, ob ihm die Ohren geklingelt haben, wenn er denkt, daß wer von ihm geredet hat." Millie grinste darauf nur.

Draußen auf dem großen Hof sah Julius Mrs. Hollingsworth, die mit einer anderen hier nicht arbeitenden Hexe und dem rotbärtigen Reporter Friedrich Rosenquarz zusammenstand, den er bei der Quidditchweltmeisterschaft gesehen hatte. Er tat so, als sehe er die drei nicht, bis Ossa Chermot, die Reporterin vom Miroir Magique auch noch dazukam und ihn sah. Er winkte jedoch ab und rief: "Habe zu tun, die Herrschaften!" Ihm war jetzt nicht nach Interview. Millie verließ gerade auch den Palast. Sie erkannte Mrs. Hollingsworth und grüßte wortlos. Das faßte die französische Reporterin so auf, als wolle sie ein Interview geben. "Ihr Mann wurde trotz aller ihm zugestandenen Qualifikationen nicht ausgewählt. Was sagen Sie dazu, Madame Latierre?" Stürmte sie vor.

"Das Laurentine Hellersdorf statt ihm ausgewählt wurde. Mehr sage ich nicht dazu", erwiderte Millie grinsend. Julius verhielt und wandte sich angespannt um.

"Dann halten Sie Mademoiselle Hellersdorf für besser qualifiziert?" setzte Ossa Chermot nach.

"Das müssen Sie den Feuerkelch fragen, nicht mich, Mademoiselle Chermot", entgegnete Millie mit einem Grinsen.

"Ja, aber es schien doch klar zu sein, daß Ihr Mann beim Turnier antritt."

"Er ist doch angetreten. Da steht er. Fragen Sie ihn bitte selbst, ich möchte jetzt an den Strand, frische Luft schnappen."

"Natürlich, für das gemeinsame Kind", erwiderte Ossa Chermot. "Enttäuscht, deshalb nicht selbst teilnehmen zu können?" Wollte die französische Reporterin wissen.

"Wenn Sie Mutter werden können Sie mir die Frage gerne noch mal stellen, was Ihnen wichtiger wäre, Mademoiselle Chermot. Damit war's das", erwiderte Millie schnippisch und ging zu Julius.

"Moment, immerhin hat Beauxbatons große Hoffnungen in Monsieur Latierre gesetzt, das wollen Sie doch nicht abstreiten."

"Mein Name ist Mildrid Latierre und nicht Madame Blanche Faucon. Falls Sie die Meinung von Beauxbatons erfahren möchten wenden Sie sich bitte an Madame Faucon."

"Genug jetzt", entfuhr es Julius, den Millies innere Verärgerung heiß erwischt hatte. "Wenn Sie schon überneugierig rumfragen ohne zu respektieren, daß ich mich nicht auf irgendwelche Spekulationen einlassen möchte, dann lassen Sie meine Frau bitte auch in Ruhe! Außerdem haben sie und ich einen Exklusivvertrag mit der Temps de Liberté. Ende der Durchsage!" Stieß Julius aus.

"Der gilt nur für private Angelegenheiten. Doch was die Turnierteilnahme angeht geht es um öffentliche Interessen", versuchte Ossa Chermot, ihre Ansprüche zu behaupten.

"Ja, und wie Sie bereits selbst erwähnt haben wurde ich nicht zur Teilnahme am Turnier ausgewählt und finde daher in der Öffentlichkeit nicht statt", erwiderte Julius. Millie sah die Reporterin nun sehr angriffslustig an und sagte: "Sie haben es gehört. Wir sind hier nur zwei Schüler. Wenn Sie die Meinung einer öffentlichen Person suchen gehen Sie endlich zu Madame Faucon oder lassen Sie es bleiben!" Dann wandte sie sich ab und folgte ihrem Mann. Im Weggehen hörte sie noch, wie Chermot ihrer Flotte-Schreibefeder diktierte: "Mildrid Latierre lehnt jede Stellungnahme zu den Vorwürfen ab, ihr frühzeitig angetrauter Mann, der Vater ihres im Frühjahr erwarteten Kindes, sei bei der Auswahl übergangen worden."

"Wie?!" Stieß Millie aus. Julius reagierte darauf und wandte sich um. Von Millies Verärgerung angeheizt wurde er fast zehn Zentimeter größer als eh schon. Dann schaffte er es, seine Selbstbeherrschungsformel zu denken. Er ging auf die französische Reporterin zu, die unwillkürlich zwei Schritte zurücktrat, obwohl Julius keine Handbewegung machte, die auf einen Angriff hindeutete. Er trieb sie noch einen Schritt zurück, bis sie es schaffte, stehenzubleiben.

"Millie, was hat die ihrer Feder diktiert?" Fragte er seiner Frau zugewandt.

"Daß irgendwer behauptet hat, die hätten dich bei der Auswahl übergangen oder sowas", erwiderte Millie.

"Ich dachte, Sie hätten ein ausführliches Interview mit der ausgewählten Turnierteilnehmerin bekommen", wunderte sich Julius.

"Das schon. Ich habe auch gefragt, ob sie damit gerechnet hat, ausgewählt zu werden, wo Sie doch hier als überragend talentiert gehandelt werden."

"Und was hat Mademoiselle Hellersdorf geantwortet?" wollte Julius wissen.

"So läuft das nicht. Wenn Sie antworten auf Ihre Fragen wünschen sollten Sie mir entgegenkommen und Ihren Eindruck von der Auswahl schildern", erwiderte Chermot. Mrs. Hollingsworth trat an ihre Seite. Julius sagte deshalb nur:

"Das erzähle ich exklusiv Monsieur Gilbert Latierre von der Temps de Liberté. Da ich außer Mrs. Hollingsworth und Herren Rosenquarz nur eine weitere Hexe sehe, die ich bisher nicht kennengelernt habe, berufe ich mich auf den mit der Temps geschlossenen Exklusivvertrag. Der bezieht sich ja auch auf meine Frau. Mit anderen Worten, Sie dürfen absolut nichts von dem verwerten, was sie oder ich sagen, falls Ihr Chef seinem ehemaligen Mitarbeiter nicht eine heftig hohe Summe rüberreichen möchte. Haben Sie einen schönen Tag!"

"Monsieur Latierre ist derzeitig in Paris, interviewt wohl Ihre Schwiegermutter", knurrte Mademoiselle Chermot. Sie ärgerte sich unübersehbar, daß ihr ehemaliger Kollege wegen seiner Verwandtschaft einen Exklusivvertrag an Land gezogen hatte. Damit entging ihr schon die Serie über den Ruster-Simonowsky-Zauberer, der den Latierres zu weiteren Familienangehörigen verhelfen würde. Julius merkte das sicher und erwähnte dann auch: "Das gilt übrigens auch für jedes Foto, auf dem nur meine Frau und/oder ich alleine zu sehen sind. Danke für die Aufmerksamkeit!" Breit grinsend zog er nun von Dannen. Millie schloß zu ihm auf. Ihre Verärgerung schlug gerade in übergroße Erheiterung um, weil Julius so souverän geantwortet hatte.

"Wer immer der gesteckt hat, wir fühlten uns übergangen könnte mächtigen Ärger kriegen", stellte Julius fest.

"Ja, aber dir ist klar, daß wir mit Gilbert reden müssen. Außerdem sollten wir dem erlauben, zumindest Bettys und Jennas Maman was von dem Interview freizugeben", erwiderte Millie. Julius erkannte, daß es sicher ratsam war, bevor am Ende noch die Kimmkorn auf Bewährung das Turnier begleiten durfte. Obwohl, die würde Madame Faucon sicher nicht auf das Schulgelände lassen, und wie man auch verwandelte Eindringlinge festsetzen konnte wußte Rita Mistkäfer nun besser als ihr lieb war.

Am Strand trafen die Latierres auf Laurentine Hellersdorf und Gloria, die in Badekleidung auf einer Bank zusammensaßen. Trotz November schien die Sonne immer noch warm und hell von einem fast wolkenlosen Himmel herab.

"Ist euch die Chermot über den Weg gelaufen?" Fragte Laurentine, als Julius auf ihren Wink herangekommen war. Millie und er nickten bestätigend. "Ich mußte erst heftig nachdenken, wie ich der die Frage beantworten konnte. Die fragte mich doch bierernst, ob ich kein schlechtes Gewissen hätte, weil der Kelch mich ausgewählt habe, wo doch in ganz Frankreich herumginge, daß Beauxbatons dich ins Turnier schicken würde."

"Abgesehen davon, daß Madame Faucon sicher was dagegen hätte, so eine Unterstellung zu lesen, sie hätte mich irgendwie ins Rennen schicken wollen, was hast du der dann gesagt?" Fragte Julius.

"Daß du und ich nicht die einzigen gewesen seien, die ihren Namen in den Kelch geworfen hätten und ich sicher sei, daß diesmal niemand den Kelch vermurkst habe wie beim letzten Turnier, wo Harry Potter als vierter Kandidat ausgewählt wurde. Insofern würde ich mich freuen, mitmachen zu dürfen. Was du empfändest sollte sie entweder dich fragen oder ihren Kollegen Gilbert Latierre, weil du ja mit dem einen Exklusivvertrag hättest."

"Schon unverschämt, dich so hinzustellen, als seist du ein Fehlgriff oder sowas", sagte Millie. Gloria erwiderte darauf:

"Mich hat sie glatt gefragt, ob ich wegen des Austauschjahres hier ausgewählt worden sei, wie ein ungenannt bleiben wollender Zeuge es vermute. Ich habe die dann gefragt, wann sie diesen Zeugen gesprochen habe. Das wollte die mir nicht erzählen. Da habe ich der geantwortet, daß ich Hogwarts auf den Teilnahmezettel geschrieben habe und nicht Beauxbatons und ich sehr froh sei, am Turnier teilnehmen zu dürfen, obwohl es noch genug Mitschüler gab, die genausogut hätten ausgewählt werden können."

"Oh, hast du der dann noch Namen genannt?" Fragte Julius.

"Die sollte die sich selbst raussuchen", erwiderte Gloria. Dann sah sie, wie Friedrich Rosenquarz durch das Teleportal ging und genau auf Joseph Rosshufler zulief, der gerade mit Edith Messier sprach. Laurentine suchte mit ihrem Blick Apollo Arbrenoir, der um diese Zeit Strandaufsicht führte. Doch der war mal wieder damit beschäftigt, sich balgende Saalkameraden auseinanderzutreiben, die wegen Gabrielle Delacour ihren Hormonpegel überschritten hatten.

"Dann muß ich den Typen zurückscheuchen. Madame Faucon hat klar verboten, daß andere als Schüler und Lehrer hier hinkommen. Jetzt will der auch noch knipsen." Sie sprang auf und lief los, daß der Sand einen Meter hoch in die Luft wirbelte.

"Schon eine miese Nummer, die die hier abziehen", meinte Gloria zu Julius und deutete auf eine Freie Stelle auf der Bank. Millie schüttelte den Kopf. Sie hielt sich noch auf den Beinen.

"Die Chermot ist sauer, weil sie sich nicht weiter an mir festklammern darf, seitdem Millie und ich den Streich mit dem Exklusivvertrag gelandet haben. Die wollte sicher eine rührselige Serie über den wegen seiner Muggelstämmigkeit und Hochbegabung vom Leben getriebenen Jungzauberer schreiben, den eine junge Hexe schon so nahe an sich herangelassen hat, daß sie von ihm ein Kind erwartet. Ließ sich leider nicht ganz verhindern, daß das rumging. Aber sie darf das nicht ausschlachten, es sei denn, Monsieur Gilbert Latiere, Millie und ich geben entsprechende Stellungnahmen frei. Aber wie war das Eichen der Zauberstäbe. Wie läuft sowas ab?"

"Ich könnte jetzt ganz biestig sein und sagen, daß das nur die mitkriegen sollen, die ausgewählt wurden. Aber Laurentine würde es dir sicher auch sagen, wenn sie diesen Rotbart da nicht gerade zurechtrücken müßte. Die kann ja Deutsch, wie sie ihm bewiesen hat. Also, da war dieser Zauberstabmacher, Charpentier, Olivanders französischer Kollege oder Konkurrent oder wie immer. Der hat von jedem von uns den Zauberstab genommen, die Länge und Zusammensetzung erwähnt und dann damit etwas daraus hervortreten lassen. Bei mir hat er mit dem Zauber "Papiliones" einen Schwarm großer bunter Tropenschmetterlinge hingekriegt, die durchs offene Fenster geflogen sind. Die werden sich wohl in spätestens drei Stunden wieder zu Staub auflösen. Laurentine hat er mit dem Orchidius-Zauber einen Strauß weißer Rosen den Nachmittag versüßt. Huberts Eichenholzzauberstab konnte sogar einen ausgewachsenen Kolkraben hervorbringen, der jedoch nur drei Runden im Zimmer herumflog, bis er mit "Dissolvetur Artivivum" wieder weggezaubert wurde. Monsieur Charpentier fand nichts an den Zauberstäben auszusetzen. Damit können wir ins Turnier gehen."

"Ich dachte wunders, die Stäbe würden auf eine Art Waage gelegt oder ein Meßgerät würde damit angestoßen, daß die Zauberkraft oder Balance anzeigt, so ähnlich wie bei den Dexters im Weißrosenweg."

"Dachte ich auch. Offenbar gab es diese Vorrichtungen aber bei Einrichtung des Turnieres noch nicht, und die verließen sich lieber auf einen Zauberstabkundler, der die Stäbe durch eigenen Augenschein und Probezauber prüft."

"Das Tor steht jedem offen, Mademoiselle Hellersdorf. Von einem Verbot, diesen Bereich zu betreten ist mir nichts bekannt", beteuerte der rotbärtige Zauberer auf Französisch, während er von Laurentine nachdrücklich zur Rückkehr nach Beauxbatons angehalten wurde. Da kam auch Apollo Arbrenoir um die Ecke. Er wirkte sehr angenervt. Laurentine stellte ihm den deutschen Reporter vor.

"Okay, Madame Faucon hat klar angesagt, daß außer Schülern und Lehrern niemand diesen Strandabschnitt betreten darf. Nicht erst heute, sondern schon seitdem wir hier in Beauxbatons lernen, Monsieur. Wenn Sie keinen Ärger mit unserer Schulleiterin kriegen wollen verschwinden Sie besser gleich, bevor noch wer von den anderen ausplaudert, hier einen fremden Mann gesehen zu haben!" Apollo überragte den deutschen Reporter um mindestens einen Kopf. Das war es wohl auch, was den rotbärtigen Zeitungszauberer dazu veranlaßte, den Strand zu verlassen.

"Das glaube ich jetzt nicht", grummelte Laurentine. "Nimmt der Frauen nicht für voll oder was?" schimpfte sie, als sie zu den Latierres und Gloria zurückkehrte. "Meinte doch echt, er habe noch einen Interviewtermin mit dem Kronprinzen von Leopold Rosshufler. Dann hätte der sich aber nicht so an Edith rangeschmissen, wo ein Foto reichen würde, die beiden für verheiratet und auf ein Kind wartend hinzustellen."

"Und, was jetzt?" Fragte Apollo.

"Das gebe ich an Madame Faucon weiter, bevor mir noch wer unterstellt, ich hätte den Typen eingeladen, mir beim Schwimmtraining zuzusehen oder was", grummelte Laurentine. Ähm, Julius, wenn du wissen möchtest, wie das mit der Zauberstabeichung über die Bühne ging frage bitte Gloria!" Gloria und Julius grinsten. "Kapiere es, ist schon gelaufen. Dann gehe ich jetzt rüber in den Palast und mach die Meldung bei Madame Faucon."

"Öhm, Julius, vertrittst du mich hier mal, dann gehe ich mit Laurentine rüber und mach den Zeugen und daß der Typ erst abrücken wollte, als ich den drauf hingewiesen habe", sagte Apollo. Julius nickte. Millie verzog zwar das Gesicht. doch dann nickte sie ihm zu. Sie ging zu Gloria und setzte sich zu ihr, als sie bestätigend auf den freien Platz deutete.

Julius pflanzte sich so am Strand auf, daß er alles und jeden im Blick hatte. Eigentlich wollte er nach der Gymnastik noch ein wenig mit Millie die Arme und Beine im flacheren Wasser ausschütteln. Aber die Sache mit Rosenquarz mußte jetzt erledigt werden. Nachher rutschte auch die Chermot noch durch das Tor. Er harrte eine Viertelstunde aus, bis Apollo wiederkam. In der Zwischenzeit passierte nichts. Gabrielle Delacour war mit Pierre Marceau wieder durch das Tor, um in einem der Parks herumzuschlendern, wo keine übersteuerten Rüpel herumhingen.

"Der Drachenkötel hat uns den Strandaufenthalt versaut, Julius. Wir sollen alle einsammeln. Madame Faucon wollte zwar erst nächste Woche den Strand zumachen, weil wir gerade noch schönes Wetter für Herbst haben. Aber sie will nicht, daß diese neugierigen Leute an unserem Schulstrand herumhängen. Ich hätte dem Knilch dafür voll eine reinhauen oder dem den roten Bart bonbonrosa umzaubern sollen. Na ja, vielleicht ist der dafür seine Zulassung los. Aber die wilde Jagd und die Feenstimme haben den als gemeinsamen Reporter losgeschickt. Gut, daß deine Schwiegerverwandtschaft gerade beim Tanzkurs für Fortgeschrittene ist. Die hätte ich nicht einholen können." Apollo rief mit magisch verstärkter Stimme, daß Madame Faucon wegen eines unbefugten Strandbesuchers die Strandzeit für dieses Jahr beendete und alle auf das Schulgelände zurückkehren sollten. Natürlich gab es dann ein vielstimmiges Maulen und Murren, Quängeln und Zetern. Doch was half es? In nur zwanzig Minuten war der Strand von allen Schülern geräumt. Apollo schloß das Teleportal hinter Julius.

Beim Abendessen erwähnte Madame Faucon den Vorfall vom Nachmittag und stellte klar, daß sie den Strand erst nach der nächsten Walpurgisnacht wiedereröffnen würde. Dann fragte sie in die Runde, wer behauptet habe, sie habe versucht, klarzustellen, daß Julius Latierre als Beauxbatons-Champion teilzunehmen habe? Betretenes Schweigen war die Antwort. Die Schüler sahen einander an. Als vier der Blauen, darunter Jacques Lumière, verächtlich zu grinsen begannen, fuhr Madame Faucon fort: "Eigentlich ging ich davon aus, daß Ihre Saalsprecher Sie nach der morgentlichen Zusammenkunft dahingehend unterrichtet hätten, den auftauchenden Zeitungsleuten keine abfälligen Aussagen vorzulegen. Aber wer von Ihnen dort meinte, mir öffentlich unterstellen zu können, ich würde die Auswahl beeinflussen - und nichts anderes ist eine derartige Aussage - ist entschieden zu weit gegangen. Ihnen sollte doch klar sein, daß gerade nach den Unregelmäßigkeiten des letzten Turnieres jeder gastgebende Schulleiter besonders empfindlich auf derartige Unterstellungen reagiert. Sie vier sehe ich dann gleich in meinem Sprechzimmer. Ihre Saalsprecher sollen Sie zu mir bringen. Von Ihren Aussagen werde ich abhängig machen, wer genau was angeregt, gesagt oder in den Raum gestellt hat. Soviel zunächst."

"Ich dachte schon, die macht gleich irgendwelche Verwandlungsstrafen mit denen", seufzte Kevin. "Gloria hat das erwähnt, daß die hier sowas dürfen, was in Hogwarts nicht erlaubt ist."

"Hast du mit einem von denen geredet?" Wollte Julius von Kevin wissen.

"Eh, ich weiß nicht, ob ihr euch heute morgen bei der Wocheneinrenkungsversammlung über mich unterhalten habt und will das jetzt auch nicht mehr wissen. Aber so ein Volltroll bin ich echt nicht, mit diesen Schmierfedern zu reden, wo Professor McGonagall mich gleich danach hinter diesem Slytherin-Krawalltypen Blades herschickt. Oder findet ihr, ich sollte hier auch weg?"

"Bis jetzt hast du uns dafür keinen Grund geliefert", erwiderte Julius auf diese direkte Frage. Kevin verzog das Gesicht. Julius' Antwort hatte genau da eingeschlagen, wo er sie hinhaben wollte. Wenn Kevin es echt auf eine vorzeitige Heimfahrt anlegte, hatte er jetzt doch alle Möglichkeiten, weggeschickt zu werden. Doch Kevin war trotz seiner Frechheiten kein Idiot. Er wußte, daß er dann die UTZs vergessen konnte. So wertete Julius Kevins Schweigen als Bestätigung, daß dieser nicht die Absicht hatte, weit vor der ersten Turnieraufgabe abreisen zu müssen. Julius erkannte aber auch, daß Kevin trotz seiner Äußerung eben schon ganz gerne wissen wollte, ob sie über ihn gesprochen hatten. So sagte er:

"Wir haben natürlich heute morgen über alle Neuzugänge gesprochen. Das ist hier üblich, wenn neue Schüler dazukommen. Die haben damals sicher auch über mich geredet, als ich hier anfing. Möchte nicht wissen, was der damalige Saalsprecher vom grünen Tisch so über mich erzählt hat. Da du genauso ein Neuzugang bist wie Gloria, Betty, Jenna, Lea und die anderen, haben wir natürlich auch von dir gesprochen. Was dabei herumkam habe ich dir gerade gesagt. Solange du uns keinen Grund gibst, daß wir finden, du gehörtest hier nicht hin, gehörst du hier hin."

"Ob ich das jetzt als Anerkennung oder als Drohung nehmen soll?" Grummelte Kevin.

"Du hast ein Jahr Zeit, das rauszufinden", erwiderte Julius trocken.

"Tolle Antwort", grinste Millie, als Juliius ihr im Bett erzählte, was Kevin beim Abendessen gesagt hatte. "Wo der nie herkommen wollte. Na ja, was Tines Vorgängerin damals über mich abgelassen hat möchte ich besser auch nicht wissen. Ich weiß nur, daß meine große Schwester manchmal meinte, mich vor allen anderen Roten runtermachen zu müssen, um bloß nicht aufkommen zu lassen, sie würde mir mehr durchgehen lassen als den anderen Mädels. Und jetzt habe ich diese Brosche an, die ihr das damals aufgeladen hat und merke, daß ich voll in Tines Saalsprecherinnenumhang reingewachsen bin."

"Wenn ich statt die fünf Jahre hier erlebt zu haben einen Sprung durch die Zeit gemacht hätte könnte ich meinen, du sähest auch so aus wie Tine. Nur die Brosche zeigt, wie du heißt."

"Eh, was soll'n das jetzt heißen, Süßer?" brauste Millie unvermittelt auf. "Ist doch wohl immer noch ein Unterschied zwischen mir und Tine."

"Stimmt, Tine erwartet kein Kind von mir", entgegnete Julius in der Absicht, abzuwiegeln. Doch Millie hatte seine Bemerkung von eben wohl in den falschen Hals bekommen. Sie fauchte ihn an, daß er wohl kein Problem gehabt hätte, Mogel-Eddie auszustechen und dann mit Tine über die Mondbrücke zu gehen. Die hätte sicher nicht zwei Jahre gewartet, bis sie sich von ihm hätte schwängern lassen. Julius erkannte, daß er da wohl doch eine empfindliche Stelle bei Millie getroffen hatte. Anstatt daß sie seinen Vergleich als Anerkennung empfand, ihre große Schwester in allem eingeholt und überholt zu haben, dachte seine Frau wohl gerade, er bevorzuge Martine. Hätte damals ja auch nicht viel gefehlt, mußte er ihr zubilligen. Im Grunde fühlte sie sich ihrer großen Schwester ja nur ebenbürtig oder überlegen, weil die Mondtöchter nur Millie und ihn über die Brücke gelassen hatten, wo Tine ihre Chance hatte, zuerst mit ihm hinüberzugehen. Julius rang fieberhaft um eine Antwort, mit der er Millie wieder versöhnen konnte, ohne sich als reuiger Sünder anzubiedern. Millies auf ihn überspringende Verärgerung störte seine Gedanken.

"Mir ist klar, daß du supergut mit Tine zusammengepaßt hättest. Vielleicht haben die Mondtöchter das nur nicht gewollt, weil du dann hättest zugucken müssen, eine Klasse zu überspringen, um möglichst schnell mit Beaux durchzusein, um Tine und die beiden bis dahin von dir bekommenen Kinder nicht als Windschmuserhexe mit zwei Kindern rumliegen zu lassen."

"Öhm, Windschmuserhexe? Was ist das bitte?" Griff Julius Millies Bemerkung auf. Diese zischte ihn an, daß er nicht mal diesen Ausdruck kannte. Er entgegnete frustriert "Von wem und warum auch?"

"Windschmuser sind Leute, die zwar verheiratet sind, aber trotzdem in einem Haus allein wohnen müssen, weil die Frau oder der Mann wegen was anderem dauernd unterwegs ist. Sie können dann eben nur mit dem Wind schmusen, womit auch der aus dem eigenen Hinterteil gemeint sein kann", knurrte Millie. Doch dann mußte sie unvermittelt lachen. Julius fühlte die schlagartig über sie auf ihn hereinflutende Erheiterung und lachte unüberlegt mit. Dann meinte seine Frau: "Stelle mir gerade vor, daß Tine sich in ihre eigenen Abgase verlieben könnte, weil die sie als einzige warmhalten."

"Neh, will ich mir lieber nicht vorstellen, wenn ich keinen Krach mit deiner Schwester kriegen will", erwiderte Julius grinsend. Dann umfing ihn Millies starker Arm. Sie kuschelte sich an ihn. Er fühlte ihre Wärme. Er fühlte ihre Lust nach körperlicher Nähe. Er mußte sich zusammenreißen, sich davon nicht auch noch anstecken zu lassen. Allerdings konnte er sich nicht mal eben von ihr wegdrehen. Das hätte sie garantiert falsch verstanden. So ließ er sich gefallen, daß sie sich gegenseitig wärmten. Doch beide hüteten sich davor, weiter zu gehen als zu einer innigen Umarmung. Julius fand endlich die Worte, die er seiner Frau sagen wollte: "Was ich mit dir alles schon erlebt habe hätte ich mit Tine garantiert so nicht erlebt, Mamille. Außerdem weiß ich, was du für mich getan hast und noch tust. Ich wollte dich nicht blöd anmachen, sondern nur sagen, daß du schon lange nicht mehr in Tines Schatten stehst. Sie lebt ihr Leben und du lebst deins. Und ich bin froh, daß du mich mit dir zusammenleben läßt."

"Im Moment spielt das Kleine da drin immer wider an meiner Gefühlskurbel herum, Monju. Wenn du Tine echt damals gewollt hättest und sie dich, hätte die dich locker unter den linken Arm klemmen können. Daß wir drei hier jetzt zusammenliegen zeigt, daß das nicht passiert ist." Dann wand sie sich behutsam, schob seinen Kopf so, daß ein Ohr an ihrem Bauch zu liegen kam. Er lauschte. Es gluckerte. Millie hielt für einen Moment die Luft an. Da konnte er es hören, das kleine, schnell schlagende Herz eines neuen Menschen, den er mit ihr auf den Weg gebracht hatte. "Das da in mir ist von uns beiden. Du wirst dabei zusehen, wie es herauskommt und dabei sein, wenn es groß wird. Hoffentlich wissen wir demnächst, ob eine Sie oder ein er", schnurrte Millie. Julius hörte ihre tiefe Stimme durch ihre Bauchdecke. Wieder gluckerte es leise. Millie atmete ruhig ein und aus. Er verhielt trotz der ungesunden Körperhaltung in dieser Stellung. Er lauschte den Herzen von Mutter und Kind, bis er leise sagte: "Ich glaube, wir drei sollten jetzt schlafen."

"Eine gute Idee, Monju", erwiderte Millie und half ihm, in eine rückenfreundlichere Lage zurückzukehren. Da fiel ihm noch was ein:

"Bei den Muggeln heißt jemand Strohwitwe oder Strohwitwer, der oder die für eine Zeit ohne Ehepartner im Haus lebt", wisperte er noch.

"Das klingt aber nicht so lustig wie Windschmuser, Monju", grummelte Millie schon im Halbschlaf. Dann drehte sie sich in ihre übliche einschlaflage. Julius folgte ihrem Beispiel.

 

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In der zweiten Woche seit der Auswahl ging es im Zaubertierunterricht immer noch um den großen Felsenvogel und die Goldpanzerameisen. Hubert hatte einen Großteil seiner Freistunden damit zugebracht, das ihm aufgetragene Referat zu halten. Anschließend betonte Professeur Fourmier noch einmal, wie wichtig es sei, im Umgang mit magischen Tierwesen nicht nur die amüsanten oder spannenden Aspekte zu sehen, sondern eben auch verantwortlich und im Vollbesitz aller rechtlichen Grundzüge und gesellschaftsbezogenen Umstände zu handeln. Dann gab sie Hubert zumindest fünfzig Bonuspunkte, weil sein Vortrag alle abverlangten Punkte erschöpfend behandelt hatte.

"In welchem Haus war die mal?" Fragte Céline nach der Stunde Sandrine zu Professeur Fourmier.

"Da gab's meine Mutter noch nicht, als sie in Beauxbatons war", erwiderte Sandrine. "Woher soll ich das wissen. Das gehört zu ihrem Privatleben." Julius hätte fast ausgeplaudert, daß er Agrippine Fourmier damals am roten Tisch neben der Schülerin Olympe Maxime gesehen hatte. Doch dann hätte er ja auch erwähnen müssen, woher er das wußte. Denn jene Erinnerung aus der wilden Jugend der ehemaligen Schulleiterin war äußerst brisant gewesen. Nur ein falsches Wort mochte ihr im Nachhinein noch Ungemach bereiten, das auch auf ihn zurückfallen mochte. So sagte er nur, daß es sicher Jahrbücher in der Bibliothek gebe, wo die ehemaligen Schüler der Akademie aufgeführt seien. "Wie weit ihr da aber zurückblättern müßt will ich mal besser nicht sagen."

Nach der Wiederholung der Abwehr dunkler Elementarzauber fing nun die Unterrichtseinheit Mentalmagie an. Der Occlumentie-Unterricht war für Millie und Julius ein Spaziergang, da sie diese Kunst bereits intensiv erlernt und in einigen Fällen auch schon gegen unerwünschtes Ausspähen verwendet hatten. Auch Gloria konnte sich schon gegen Delamontagnes Zugrifffsversuche abschirmen, wußte Julius.

"Nun, offenbar haben Sie das Jahr, in dem Sie von Hogwarts ferngehalten wurden, um sich nicht den dortigen Verbrechern auszuliefern sehr nutzvoll zugebracht, Mademoiselle Porter", bemerkte der Lehrer mit Anerkennung. "Gut, dann konstatiere ich, daß Mademoiselle Porter sowie Madame und Monsieur Latierre das vorgegebene Ziel dieser Unterrichtseinheit bereits erreicht haben und sich in den weiteren Stunden, in denen ich die restlichen Herrschaften in der Kunst der geistigen Verhüllung unterweisen möchte zu einer Projektgruppe unsichtbare Wesen schwarzmagischer Ausprägung zusammenfinden mögen. Ich errichte einen schalldichten Wandschirm, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, in angemessener Lautstärke miteinander zu sprechen, während sich Ihre Kurskameraden auf ihre Übungen konzentrieren mögen. Ich erbitte von Ihnen jedoch eine kurze schriftliche Notiz, wann, von wem und wo genau Sie Occlumentie erlernt haben, um eine klare Aussage über Ihren Lernfortschritt für die Notengebung zu erhalten."

"Gehen wir das mit den unsichtbaren Dunkelwesen an, Mademoiselle et Monsieur", meinte Millie. Julius nickte und holte das empfohlene Begleitbuch für den Unterricht hervor. Dazu nahm er noch "Die Magie des Morgenlandes" und "Trommeln, Lieder, Geistertanz", daß er aus der von den Whitesands geschenkten Bibliothek mitgenommen hatte. Darin ging es um althergebrachte animistische Zaubereien, die auch mit der Beschwörung ruheloser Geister zu tun hatten. Während sich die anderen ihre Gehirne verränkten, um auch nur eine Sekunde lang gegen den überragenden Legilimenten Phoebus Delamontagne durchzuhalten erarbeiteten die drei bereits am Anschlag ausgebildeten eine Einteilung der von der Zaubererwelt als unheilvolle Geisterwesen oder feinstoffliche Dämonen bezeichneten Erscheinungsformen. Julius gruselte es bei der Vorstellung, daß es neben den ständig von einem zum anderen Wirtskörper wechselnden Dibbukim auch Geister im magischen Ritual getöteter Raubtiere gab, die von Medizinleuten und Urwaldhexern auf ihre Feinde gehetzt werden konnten. Namen gab es für sie viele. Ein Übersetzer hatte sie als Pranken des Windes oder Fänge der Verdammnis bezeichnet. Gloria streute ein, daß ihre zu früh aus der Welt gegangene Großmutter Jane und ihre Kollegen häufig gegen Beschwörer solcher Todesgeister hatten kämpfen müssen. Julius fand in dem Buch über schamanistische Geisterwesen auch Beschreibungen, wie sich magische Menschen vor derartigen niederen Dämonen schützen konnten. Wie in anderen Zweigen der dunklen Künste waren die so gebannten Wesen auch von bezauberten Gegenständen abhängig. Wurden diese dem Hersteller entwendet, zerstört oder durch Gegenbeschwörungen entmachtet, verflüchtigten sich die davon gelenkten Phantom-Löwen, -Pumas oder -yaguare auf allen Elementarebenen.

"Schon beachtlich, was so ein Buschtrommler alles für Unheil heraufbeschwören kann", mußte Millie erkennen. Julius erinnerte sie an die Angelegenheit mit dem Totentänzer, der vor einem Jahr Amerika unsicher gemacht hatte. Als sie alle ihnen zugänglichen Erscheinungen dunkelmagischer Geisterwesen zusammengetragen hatten berieten sie, ob nicht jeder von ihnen ein Referat darüber halten mochte. Julius war einverstanden. Gloria übernahm die animistischen Erscheinungsformen. Er selbst legte sich auf die Dibbukim, die sogenanten Psychoparasiten fest, während Millie sich mit den orientalischen Dschinnen befassen wollte.

Als die Stunde beendet war legten die drei ihre Zusammenfassungen und den Referentenplan vor. Delamontagne prüfte ihn und genehmigte die Einteilung.

Am Abend trafen sie sich am Rande des grünen Forstes. Hier wollten sie eine der neun Meigas treffen, die bei der Quidditchweltmeisterschaft dabei gewesen waren. Keiner wußte, ob dieses Wesen mit ihnen sprechen konnte oder ob es sich über einen mitgebrachten Dolmetscher verständigen würde. Jedenfalls waren sie alle gespannt. Auch Delamontagne war anzumerken, daß er diesen Augenblick herbeisehnte. Im letzten Jahr war es nicht möglich gewesen, eine der galizischen Naturhexen im Seminar leibhaftig vorzustellen. Immer noch konnte es passieren, daß die angekündigte Besucherin ihre Meinung änderte und nicht eintraf.

Als Professeur Delamontagne in den von den fast entlaubten Baumkronen teilverdeckten Himmel deutete warfen alle ihre Köpfe in den Nacken. Ohne Besen und Flügel flog etwas wie ein geworfener Stein durch die Luft. Beim Näherkommen erkannten sie eine Frauengestalt in einem rotgoldenen Umhang, der wie zusammengenähtes, im Wind flatterndes Herbstlaub aussah. Außerdem umfloß nachtschwarzes Haar die Gestalt wie ein dahinjagendes Heer winziger Gewitterwolken. Dann landete sie, die Meiga. Ihr Haar reichte ihr bis zum Steiß hinab und bildete neben dem herbstlaubartig gefärbtem Umhang eine zweite Schicht Bekleidung. Das Gesicht der spanischen Waldhexe war blaßgrün. Ihre Augen waren dunkel und unergründlich wie tiefe Seen bei Nacht. Als sie ihre nackten Füße auf dem Boden hatte fühlte er sofort ein in ihn hineinwirkendes Gefühl, als durchdränge der Blick des humanoiden Zauberwesens seinen Leib und seine Seele. Reflexartig occlumentierte er, um rein private Gefühle zu verbergen. Millie, die neben ihm stand, keuchte, als habe ihr wer eine zusätzliche Last auf die Schultern gelegt. Doch dann wirkte sie so, als habe ihr jemand alles Gewicht vom Körper genommen. Er fühlte über das Zuneigungsherz Anspannung, Unbehagen und plötzlich einströmende Erleichterung und Geborgenheit. Die Meiga hatte offenbar Millies andere Umstände erkannt und ihr mehr Kraft eingeflößt, vielleicht auch irgendwie auf das in ihr wachsende Kind eingewirkt, jedoch nicht bösartig.

Es stellte sich heraus, daß die Waldhexe keinen Dolmetscher nötig hatte. Denn als der Seminarleiter sie höchst respektvoll auf Französisch begrüßte, sprach sie mit einer tiefen, leicht sphärisch klingenden Stimme. Alle meinten, daß die Stimme in ihnen nachschwinge. "Dürfen die, die bei mir lernen, dir Fragen stellen, große Hüterin der Wälder?" Fragte Delamontagne sehr ehrfürchtig klingend. "Die dürfen das", erwiderte die spanische Waldhexe.

In den nächsten anderthalb Stunden unterhielten sich die Schüler mit der Besucherin, wobei sie nach anfänglichen Hemmungen auch fragten, wie alt die Besucherin, die sich nur mit "Hüterin der Wälder" ansprechen ließ, sei. Dabei erfuhren sie, daß sie bereits dreihundert Jahre alt sei. Jean Gaspard empfand die nach der sehr unterwürfigen Begrüßung Delamontagnes merklich aufgelockerte Atmosphäre als Anreiz, das Zauberwesen danach zu fragen, was an den Gerüchten dran sei, daß sie wie Blattläuse aus sich selbst Nachwuchs bekämen. Das brachte die Besucherin zum lachen. Sie erwiderte, daß auch ihre Artgenossinnen mit Männern zusammenkommen mußten, um Kinder zu bekommen, dabei jedoch Jahrzehnte vergehen mochten und längst nicht jeder Mann als Vater ihrer Kinder auserwählt werde. Das wertete Jean als indirekte Abfuhr und schwieg. Weil das Thema jetzt aber auf dem Tisch war und Delamontagne nicht dagegensprach fragte Carmen Deleste, ob es stimme, daß Meigas für geleistete Hilfen Nachkommen von denen erbaten, denen sie halfen.

"Die Wiege deiner Mutter steht nicht zu weit von meinen Wäldern fort, richtig?" Fragte die Meiga. Carmen nickte. "So weiß sie wohl, daß wir unsere große Kraft nur denen leihen, die uns ehren und in Demut unsere Hilfe suchen und nicht denen, die uns mißtrauen und verachten. Wer unsere Hilfe bekommt kann uns mit seinen Nachkommen ehren, aber auch auf andere Weise entlohnen. Ich kann nur für mich sprechen, wenn ich sage, daß ich es denen freistelle, ob sie darauf eingehen oder nicht."

"Muß die Hilfe erbeten werden oder gilt das Abkommen auch dann, wenn diese Hilfe ohne Bitte gewährt wurde?" Fragte Carmen Deleste.

"Es ist unerheblich, ob wir helfen, weil jemand uns bittet oder weil wir erkennen, daß nur unsere Hilfe eine unerträgliche Lage beendet, wobei wir dann natürlich darauf achten, ein Gleichgewicht zwischen den von uns bewohnten Wäldern und den Menschen zu wahren. Wir würden niemandem dabei helfen, nur um nicht zu verhungern unsere Wälder niederzubrennen oder das Holz der Bäume zu verkaufen, um davon zu essen zu bezahlen."

 

"Wie viele Kinder hast du selbst bekommen, große Hüterin der Wälder?" Fragte nun Lea Drake, die ebenfalls dem Seminar beiwohnte.

"Dies möchte ich ebensowenig verraten wie du, wie viele Brüder und Schwestern du hast, Mädchen von der Insel der Angelsachsen", erwiderte die Meiga. Julius mußte grinsen. Also hatte Lea occlumentiert. Das hieß, sie konnte das auch. Damit hatte er zwar längst gerechnet. Doch esjetzt quasi amtlich zu erfahren erheiterte ihn. Lea nickte.

Nachdem alle ihre Fragen soweit die Meiga sie beantworten wollte beantwortet bekommen hatten bedankte Professeur Delamontagne sich bei der Besucherin. Diese blickte noch einmal in die Runde. Dabei fühlte Julius ihren Blick auf ihn und Millie ruhen und jene wohlige Wärme, die er bei der totalen Sonnenfinsternis empfunden hatte. Darüber vergaß er seine occlumentische Abschirmung und hörte die Gedankenstimme der spanischen Waldhexe in seinem Kopf: "Fürchte nicht das aus dir entspringende Leben, daß dich mit seiner Trägerin verbindet, auch wenn seine Forderungen dich bedrücken!" Dann verklang dieses Gefühl der vollständigen Geborgenheit auch schon wieder. Die Meiga winkte den Seminarteilnehmern zu und stieß sich vom Boden ab. Die entlaubten Wipfel wichen vor ihr zurück und gaben ihr den Weg in den Nachthimmel frei. Durch die Unterhaltung wußten sie, daß die Meiga solange fliegen konnte, solange sie mehr als hundert Jahre alte Bäume unter sich fühlen konnte. Außerdem konnte sie eins mit dem Wind werden, seine Kraft in sich bündeln und damit viermal so schnell dahinbrausen wie die gerade bewegten Luftmassen. Bei einem Orkan mit Höchstgeschwindigkeiten von 200 Stundenkilometern kam sie so auf die Reisegeschwindigkeit moderner Passagierflugzeuge.

In ihrem Schlafzimmer meinte Millie zu Julius, daß sie beim Abschied der Meiga gemeint hatte, daß ihr gemeinsames Kind sich zum ersten mal spürbar bewegt habe. Er erwähnte ihre Gedankenbotschaft an ihn. "Die sind sehr empfänglich für neues Leben, Julius. Und ich denke, eine von denen hat sich von Pataléon auch wen kleines zustecken lassen. Aber das behalten wir besser für uns." Julius pflichtete ihr bei.

Der Rest der Woche verging mit dem nun wieder üblichen Unterrichtstrott. Im Moment war nichts davon zu bemerken, daß in wenigen Wochen die erste Runde des Turniers anstand.

 

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Spekulationen über die Art der ersten Runde blühten auf, als die Frühsportler am Montag der vorletzten Woche vor der ersten Runde sehen konnten, daß sich das Quidditchstadion verändert hatte. Statt der sechs zwanzig Meter hohen Säulen mit den Torringen umgab eine graue Mauer das Oval des Stadions. In der Nacht mußte irgendwer heimlich diesen Sichtschutz errichtet haben, der wie in gläserne Quader gebannter Nebel aussah. Julius kannte diesen Zauber. Es war tatsächlich in eine klar umrissene Kontur gezwungener dunst, der innerhalb von einer halben Minute einen Sichtschutz von mehr als einen Kilometer länge und hundert Meter Höhe aus der in der Luft herrschenden Feuchtigkeit zaubern konnte. Wozu das gut war wußte keiner. Es war allen nur klar, daß es mit der ersten Turnierrunde zu tun haben mochte. Julius beteiligte sich an den aufkommenden Vermutungen, daß es sich bei der ersten Aufgabe wieder um ein Labyrinth handeln könne, wobei er sowas eher als dritte Aufgabe genommen hätte, um möglichst viele Anforderungen in die letzte Runde zu packen. Céline vermutete jedoch, daß in der ersten Runde gegen fliegende Objekte oder Wesen zu kämpfen sei und die Turnierleitung das Stadion so umgestaltete, daß die Turnierteilnehmer in einem magisch abgeschlossenen Bereich antreten konnten, dabei jedoch von den Zuschauern genau beobachtet werden konnten. Laurentine, die trotz ihrer sonstigen Leistungssteigerungen nie so recht auf einem Flugbesen warm geworden war begann deshalb mit intensiven Flugübungen, wenn sie Freistunden hatte. Professeur Beaufort hatte auf Nachfrage bei Madame Faucon zugestimmt, Laurentine bei diesen Flugübungen zu beaufsichtigen, wohl auch, um sicherzustellen, daß sie nicht meinte, über dem Quidditchfeld herumzufliegen.

In den Wochen bis zum Turnier erschienen immer wieder Artikel und Kommentare in den beiden französischen Zaubererzeitungen, aber auch im Tagespropheten, den die Hogwarts-Schüler per Eule zugestellt bekamen. Die britische Zaubererzeitung brachte ein Interview mit Glorias Eltern und der Schullehrerin Grace Craft, die so neutral sie konnte über die Grundvoraussetzungen der Turnierteilnehmerin von Hogwarts berichtete. Gilbert Latierre hatte Millies Mutter und den Ministerialzauberer Chaudchamp interviewt. Der Leiter der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit warf dabei ein, daß er sich schon gewundert habe, daß eine junge Hexe, die in den ersten Jahren ihrer Schulzeit alles versucht habe, ihre Ausbildung vorzeitig abzubrechen, vom Feuerkelch als Schul-Championette ausgewählt worden sei und nicht der sicher allen anderen überlegene Julius Latierre. Das heizte wieder die Spekulationsküche an, daß Julius nur deshalb nicht erwählt worden war, weil er mit dem Herzen noch immer in Hogwarts sei oder wegen dieses Zuneigungsherzens an Millie dranhinge und wohl nur dann gewählt worden wäre, wenn sie ihren Namen hätte einwerfen dürfen und Madame Faucon damit Beauxbatons die Möglichkeit auf einen ungefährdeten Turniersieg vermurkst habe, als sie Millie von der Turnierteilnahme ausgeschlossen hatte. Das nahm Julius zum Anlaß, sich nach Erscheinen des Interviews vor allen Mitbewohnern des grünen Saales hinzustellen und für alle hörbar zu erklären, daß er immer noch eigenständig denken und handeln könne und sie ihn nicht mit dem von ihm gezeugten Kind zu verwechseln hätten, daß bis zur Geburt ganz und gar auf seine Mutter angewiesen sei. abschließend warf er allen vor, die immer noch wegen der Auswahl Laurentines enttäuscht waren, daß sie es eigentlich wissen sollten, daß Laurentine durch ihre Leistungen in den letzten Jahren klargestellt hatte, daß sie genausogut das Turnier gewinnen könne wie er oder Céline oder Jasmine und wer immer noch seinen oder ihren Namen in den Kelch geworfen habe. "Es ist voll unfair, immer wieder davon anzufangen, daß der Kelch mich hätte auswählen sollen, Leute. Das ist Laurentine gegenüber unfair, weil ihr sie damit indirekt als unerwünschte Teilnehmerin bezichtigt, anstatt ihr zu helfen, mit den drei Runden klarzukommen. Es ist auch mir gegenüber unfair, weil ihr mir unterstellt, ich hätte irgendwo versagt, weil der Kelch mich nicht ausgewählt hat und zeigt nur euren Neid, weil ihr findet, es läge entweder dran, daß Madame Faucon mich für zu gut hält oder weil ich mit Millie verheiratet bin oder so. Ja, und Madame Faucon gegenüber ist das auch respektlos, der zu unterstellen, sie hätte von vorne herein alle Gewinnchancen für Beauxbatons verdorben. Denkt ihr das dann auch von Professor McGonagall oder Gräfin Greifennest, daß die die falschen Leute mitgebracht haben?" Betretenes Schweigen war die Antwort. "Das werte ich mal als Nein", legte Julius diese Reaktion aus. "In einer Woche geht die erste Runde über die Bühne. Laßt euch von diesen Zeitungsschreibern nicht drauf eintrimmen, daß Laurentine nicht die richtige für Beauxbatons ist! Sie ist es, weil der Kelch sie sonst nicht ausgewählt hätte. Ende der Durchsage!"

Ab da drehten sich die Gespräche und Vermutungen bei den Schülern aus dem Grünen Saal weiter um die Art der ersten Aufgabe. Julius fragte Laurentine und gloria einmal, ob die Turnierleitung ihnen gegenüber schon was angedeutet hatte.

"Wenn, dann dürften wir es wohl nicht sagen", hatte Gloria darauf geantwortet. Laurentine hatte erwähnt, daß sie genau deshalb, weil ihr keiner was verraten hatte, so nervös sei. "Jetzt merke ich erst, was dieser Flammenbecher mir da aufgeladen hat, Julius. Ich habe absolut keinen Plan, was die sich als erste Aufgabe ausgedacht haben. Nachher bauen die noch irgendwas ein, was wir erst kurz vor den UTZ-Prüfungen hätten lernen können. Oder wir müssen eine über einen Tag laufende Quest durchspielen, um Gegenstände zusammenzusuchen und Rätsel zu lösen. Paßt dann zwar nicht zu der grauen Mauer um das stadion. Doch das kann nur Ablenkung sein, um alle auf ganz andere Ideen zu bringen, am meisten uns Turnierteilnehmer", hatte sie noch gesagt.

 

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Am Samstag vor der ersten Turnierrunde trieb Madame Rossignol die zwei Ehepaare in Beauxbatons zu einer weiteren Gymnastikrunde an. Weil Gérard sich immer noch nicht so recht damit abfinden wollte, ähnlich hohe Belastungen wie Sandrine auf sich zu nehmen, wurde er besonders getrietzt. Er mußte auf dem Rücken liegend versuchen, einen mit Wasser gefüllten Gummisack durch reines Atmen von sich herunterzubewegen. "Mann, ich muß das nicht können", keuchte er, als er merkte, daß zehn Liter Wasser ein gewisses Gewicht auf Lungen und Bauchraum ausübten.

"Was für ein vorbild willst du deiner Frau und deinen künftigen Kindern sein, wenn du nicht zeigen willst, daß du alles mitmachen kannst, was sie machen müssen?" Fragte Madame Rossignol Gérard. Julius stellte einmal mehr fest, daß Millie und er mit einer gestrengen Heilerin zu tun hatten, die Hera Matine oder Béatrice Latierre ebenbürtig war. Gérard Dumas grummelte nur und versuchte, den auf ihm liegenden Wassersack von sich herunterzuschieben. Dabei zuckte er schmerzhaft zusammen, als habe er von dem elastischen Behälter einen Stromschlag erhalten.

"Nur mit Lungenkraft und Bauchmuskeln, Monsieur Dumas", beharrte Madame Rossignol auf die korrekte Ausführung der aufgetragenen Übung. "Also los!"

"Warum macht der da das nicht auch?" Maulte Gérard mit einer auf Julius deutenden Kopfbewegung und keuchte unter dem auf ihm lastenden Gewicht.

"Weil er das von sich aus macht, was ich von ihm erwarte", antwortete die Heilerin.

"Das mit dem Schmerzzauber in dem Sack ist aber gegen die Heilerregeln, eh!" versuchte es Gérard, die Übung abzubrechen.

"Ich darf dich nicht dauerhaft quälen, verletzen oder vergiften, Gérard. Aber abschreckende Zauber ohne bleibenden Schaden sind mir als Heilerin erlaubt", erwiderte Madame Rossignol ganz ruhig. Gérard versuchte, sich umzudrehen und damit den Sack durch die Erdschwerkraft loszuwerden. Madame Rossignol ließ ihm das durchgehen. Als er den Sack auf diese Weise losgeworden war meinte sie: "Drückeberger! Zehn Strafpunkte für Leistungsverweigerung und unvorbildliches Verhalten als stellvertretender Saalsprecher! Sei froh, daß das keiner außer Sandrine, Millie und Julius mitbekommen hat. Sonst hätte ich dir glatt dreißig oder mehr Strafpunkte gegeben!"

"Robert hatte recht. Ich hätte noch ein Jahr warten sollen", stöhnte Gérard, als ihm von Madame Rossignols Zauberstab gelenkt der Gummisack wieder auf den Bauch klatschte.

Als die vier Eheleute die von der Heilerin festgesetzte Übungseinheit in Ausdauer, Muskelaufbautraining und Atemtechnik absolviert hatten fragte sie Millie und Sandrine, ob sie bereit seien, über das Geschlecht ihrer Kinder informiert zu werden. Natürlich waren beide bereit, jetzt, wo es zumindest bei Millies und Julius' Kind möglich war, es als Junge oder Mädchen zu erkennen.

Julius wartete, bis Madame Rossignol mit einem Einblickspiegel über Millies Unterbauch verharrte und einige Sekunden beobachtete. Dann winkte sie ihm zu. "Sieh dir an, auf wen ihr zwei warten dürft, Julius!"

Millies Ehemann trat an die Untersuchungsliege heran und blickte auf die Oberfläche des Einblickspiegels, der innere Organe wie durch Glas sichtbar machte und vor allem in der Untersuchung von ungeborenen Kindern eingesetzt wurde. Er beugte sich über Millies nun sichtbar gewölbten Unterbauch und sah wie durch ein rundes Loch in ihren Leib hinein. Er erkannte das in einer Flüssigkeit wie in einem Aquarium schwebende Wesen, das nun eindeutig menschliche Erscheinung besaß. Es wandte ihm gerade die linke Seite zu. Erst nach zehn Sekunden kehrte es ihm den Bauch mit der daraus hervorragenden Nabelschnur zu, die pulsierend Nährstoffe in den Körper des ungeborenen pumpte und unverdauliche Reststoffe absaugte. Die kleinen Beinchen ruderten sacht und hilflos in der schützenden Flüssigkeit. Da konnte Julius es sehen, was gerne als kleiner Unterschied bezeichnet wurde. Er sah genau hin, wollte sicherstellen, nichts zu übersehen, blickte sogar durch ein schwaches Vergrößerungsglas. Dann war er sich sicher. Er blickte dem kleinen Wesen in das nun schon menschlich wirkende Gesicht und sah die Augen. Einen Moment lang hatte er das Gefühl, das ungeborene Kind blicke auch ihn an, als wolle es prüfen, wessen Kind es werde. Doch der Einblickspiegel gestattete nur den Blick in den Körper eines Untersuchten hinein, jedoch nicht heraus. Das werdende Kind konnte ihn nicht sehen. Doch irgendwie hatte er den eindruck, daß die winzigen Augen ihn gemustert hatten, durch die schützende Fruchtblase, Gebärmutter und Bauchdecke Millies hindurch. Er verdrängte diesen lächerlichen Gedanken wieder. Er hatte doch schon Constances Tochter und auch die ungeborenen Töchter Ursulines gesehen. Es gab jetzt anderes, was wichtig war. Er fragte seine Frau, ob die beiden anderen auch wissen durften, auf wen er und sie warteten. Sie nickte behutsam, um die Lage des Untersuchungsinstrumentes nicht zu verändern.

"Es wird Aurore sein, die zu uns kommt, Millie", sagte er dann mit einer in ihm aufsteigenden Mischung aus Freude und Erwartung. Millie lächelte warm. Eine Mischung aus Erleichterung und Besorgnis strömte über den sanft pulsierenden Herzanhänger in ihn ein. Jetzt wußten sie beide, welches Geschlecht ihr Kind haben würde. Es war nun kein "es" mehr, sondern eine "Sie".

"Das kannst du bei dem kleinen Würmchen schon klar sehen?" Fragte Gérard Julius, als er sich wieder aufrichtete. Der Gefragte nickte heftig. "Wenn ich in den Jahren wo ich mit Constance Dornier und meiner Frau zu tun hatte eines gelernt habe, dann, wie ein nacktes Mädchen aussieht, Gérard, bevor und nachdem es zur Welt kam."

"Das will ich auch versuchen", grummelte Gérard. Madame Rossignol erlaubte es ihm, als sie bei Sandrine den Spiegel auf die Bauchdecke legte. "Sei nicht enttäuscht, wenn das bei euren beiden noch nicht so klar ist! Sandrine ist zwei Wochen hinter Millie", stellte die Heilerin fest. Julius wandte jedoch ein, daß sich Ungeborene nicht alle gleichschnell entwickeln mußten. "Ja, aber bei Zwillingen verläuft das Wachstum doch ein wenig langsamer als bei Einzelföten", warf die Heilerin ihren Kenntnisvorsprung in die Waagschale.

"Ups, schon sehr merkwürdig, wie die beiden aussehen", meinte Gérard. Sandrine grummelte, ob er damit sagen wolle, daß ihre Kinder nicht wie Menschen aussahen. Er beteuerte deshalb, daß er das eben nicht wie Julius gelernt habe, sowas ansehen zu können. "Die beiden sehen sicher nicht anders aus als du, als du damals soweit warst", fauchte Sandrine schnippisch. Gérard schwieg darauf und sah genau hin. Dann meinte er, daß bei einem der beiden vielleicht was wie ein Zipfelchen zu sehen war, was wohl für einen kleinen Jungen stand. Madame Rossignol prüfte das nach und schloß es nicht grundweg aus. Das zweite Kind versteckte seinen Unterleib hinter dem Rücken des Geschwisterchens und ließ sich nicht draufgucken.

"Nächste Woche wissen wir vielleicht, ob ihr zwei Söhne oder einen Sohn und eine Tochter erwarten dürft", sagte die Heilerin. Julius hörte es nur mit halbem Ohr. Denn er dachte gerade an einen Traum, den er im Sonnenblumenschloß der Latierres geträumt hatte. Da hatte er von einer Zukunft in fünfzehn Jahren geträumt, wo er mit Martine eine Tochter namens Aurore gehabt hatte. Wegen dieses Traumes waren Millie und er überhaupt darüber einig geworden, ihre erste Tochter Aurore zu nennen, die französische Version der altrömischen Göttin der Morgenröte, deren Namen Julius' heilkundige Bekannte Aurora Dawn trug.

"Wollt ihr, daß nur wir und die anderen Pflegehelfer über das Geschlecht eurer Kinder bescheid wissen?" Fragte Madame Rossignol die vier Anvertrauten.

"Ich möchte es außer meiner Verwandtschaft keinem erzählen, außer den Pflegehelfern", sagte Millie. Sandrine schloß sich dieser Meinung an. Julius und Gérard stimmten durch Nicken zu. Julius sah bereits ein rotblondes Mädchen, ähnlich wie Mayette Latierre aussehend, mit seinen blauen Augen, wie es in einem Beauxbatons-Schulmädchenkostüm in den Ausgangskreis in Paris eintrat. Gut, der Ausgangskreis mochte wohl nun der von Millemerveilles mit den umstehenden Schirmblattbüschen sein. Doch ansonsten konnte es nun genauso eintreten, wie der Verkupplungsfluch Orions es ihm im Château Tournesol vorgegaukelt hatte. Er wußte nun, wen er auf den Weg gebracht hatte. Er fühlte jedoch neben der Gewißheit auch die Besorgnis, ob er der kleinen Aurore wirklich in die Augen sehen, ihre Stimme hören und ihr Gewicht in seinen Armen spüren würde und ob er ihren Mund an seiner Brustwarze fühlen mochte. Da erst wurde ihm klar, daß Millies Gefühle in seine eigenen Empfindungen eingeflossen waren. Er schaffte es, sie von seinem Wachbewußtsein auszublenden, um nicht zu sehr davon vereinnahmt zu werden. Doch ob ihm das immer gelingen würde wußte er nicht. Am Ende mochte er Millies Wehen fühlen und dann nicht wissen, ob er nicht gänzlich den Verstand verlor, wenn seine Gedanken von ihren Gedanken durchsetzt wurden. Er hatte aber versprochen, in dieser Zeit bis zur Geburt des gemeinsamen Kindes zu helfen, mit überschwenglichen Gefühlen fertig zu werden, wie sie mit seinen unkontrollierbar erscheinenden Gefühlen gelebt hatte, als Madame Maximes Blut ihn bereits an den Rand des Irrsinns zu treiben gedroht hatte. Ab heute wußte er, für wen es sich lohnte, zu leben. Doch mehr zu denken wagte er nicht. Denn noch war die kleine Aurore ein zerbrechliches kleines Wesen, daß nur im Schutz von Millies Leib leben und gedeihen konnte. Er konnte nicht mehr tun, als auf Millie aufzupassen, daß ihr und der Kleinen nichts zustieß. Ob Gérard das nun auch so sah wußte er nicht und wollte ihn auch nicht danach fragen. Vielleicht hatte Sandrines Mann erst heute Frieden mit seinen künftigen Kindern geschlossen. Vielleicht dauerte das aber auch, bis die beiden auf der Welt waren. Erzwingen ließ sich das sicher nicht.

 

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"Ich dachte, wir wollten im November noch zu den Drachen", meinte Apollo in der Stunde praktische Magizoologie am Tag der ersten Runde, als sie statt ins Ausland zu reisen über Lethifolden sprachen, jene gefürchteten, lautlosen Geschöpfe, die wie lebendige schwarze Umhänge oder Decken aussahen und sich so flach machen konnten, daß sie unter Türen hindurch in Schlafzimmer hineinschleichen konnten, um völlig geräuschlos arglose Menschen einzuhüllen und ähnlich wie einzellige Tiere in sich einzuschließen und restlos zu verdauen.

"Sind Ihnen die als lebende Leichentücher gefürchteten Wesen zu langweilig, Monsieur Arbrenoir?" Fragte Professeur Fourmier darauf. "Sicher, diese Geschöpfe leben nur in tropischen Breiten und eher dort, wo es nur dünn besiedelte Gebiete gibt und lassen sich nicht in magischen Tierparks halten, weil sie tagsüber in tiefen Erdspalten versteckt bleiben. Aber falls Sie wirklich finden, diese Wesen seien im Vergleich zu Drachen zu vernachlässigen, unterhalten Sie sich ruhig mit denen, deren Angehörige von diesen Kreaturen getötet worden sind."

"Das wollte ich nicht behaupten, Professeur Fourmier", beteuerte Apollo. "Ich wollte nur an den von Ihnen erwähnten Unterrichtsplan erinnern."

"mein Gedächtnis funktioniert noch ausgezeichnet, Monsieur Arbrenoir. Daher benötige ich keine Erinnerungshilfen. Bemühen Sie sich also nicht weiter darum", erwiderte die Lehrerin mit warnendem Unterton. "Aber zu Ihrer Beruhigung, die Damen und Herren, die schon darauf erpicht sind, einem ausgewachsenem Drachen gegenüberzutreten, wo Ihnen unsere Begegnung mit den Feuerlöwen sicherlich noch zu gut in Erinnerung sein sollte: Wir werden das Schutzgebiet für südwesteuropäische Drachen in den Pyrenäen nach der ersten Turnierrunde besuchen, wenn der Druck der ersten Aufgabe von Monsieur Rauhfels genommen ist. Und falls es Ihnen, Monsieur Arbrenoir, doch zu langweilig ist, sich über Lethifolden zu informieren, Sie also erschöpfend über diese räuberischen Tierwesen unterrichtet sind, erwähnen Sie doch bitte Ihren Klassenkameraden gegenüber, welche drei Möglichkeiten es gibt, sich dem Angriff eines Lethifolden zu entziehen!"

"Öhm, Imperturbatio-Zauber auf alle Türen?" Fragte Apollo. Die Lehrerin räusperte sich und ermahnte ihn, entweder klare Antworten zu geben oder sich wegen unzureichender Antworten Strafpunkte einzuhandeln. So sagte Apollo noch einmal, daß er vermute, daß der Imperturbatio-Zauber helfen mochte, Lethifolden zurückzuhalten. "Korrekt, Monsieur Arbrenoir. Allerdings nur dort, wo sichergestellt werden kann, daß es keine Erdspalten oder lockeren Erdboden gibt wirklich zuverlässig und dann auch nur solange aufrecht zu erhalten, solange die Türen nicht mehr geöffnet werden. Die zweite Möglichkeit?"

"Ähm, da weiß ich jetzt keine", mußte Apollo einräumen. So wurde er nach der dritten gefragt. Er erwähnte, daß wohl Feuerzauber oder Wasserstrahlen den Lethifolden zurücktreiben konnten. Doch das stimmte nicht. "Haben früher auch viele geglaubt, daß sie einen Lethifolden damit zurücktreiben könnten. Feuerzauber finden in der Körpersubstanz dieser Kreaturen jedoch keine Nahrung und verpuffen sofort wieder, und Wasserstrahlen prallen von der Oberfläche dieser Wesen ab wie von massiven Glaswänden. Und gegen Blitzschläge sind diese Wesen auch gefeit, da ihr Muskel- und Nervengewebe in für Blitze unerreichbaren Kanälen eingebettet ist. Somit haben Sie nur fünf von dreißig Bonuspunkten erzielt. Ich hätte Ihnen zwar für die eine richtige Antwort zehn geben können, dann hätten Sie diese aber gleich als klare Aussage erwähnen und nicht als Frage formulieren dürfen, Monsieur Arbrenoir. Kennt jemand anderes von Ihnen die beiden verbleibenden, zuverlässigen Maßnahmen gegen Lethifoldangriffe?"

Betty, Jenna, Millie, Belisama und Julius hoben die Hände. Betty sollte antworten.

"Lethifolden mögen nur lebende Beute. Daher reicht es, wenn vor der Schlafzimmertür ein totes Tier von der Größe einer Maus oder größer abgelegt wird. Da kriechen sie nicht drüber oder drunter durch. Das verdirbt ihnen den Appetit. Wenn aber ein Lethifold unter einer Tür durchkommt und schon im Schlafzimmer eines Zauberers ist kann er nur noch mit einem Patronus-Zauber zurückgetrieben werden, wie er gegen Dementoren erfolgreich ist. meine Mutter hat das von einem kenianischen Zaubertierkundler erfahren."

"Vollkommen korrekte Antworten, Mademoiselle Hollingsworth, Betty", erwiderte Professeur Formier. "Dafür erhalten Sie zwanzig Bonuspunkte. Sie können sich noch zehn dazuverdienen, wenn Sie mir erläutern, warum ausgerechnet der Patronus-Zauber die einzige direkte Abwehrmöglichkeit eines bereits angreifenden Lethifolden ist." Betty runzelte die Stirn. Ihre Zwillingsschwester nickte ihr zu. Dann sagte sie: "Lethifolden legen bei ihrer Berührung Furcht und Verzweiflung auf ihre Opfer, damit sie sich nicht mehr wehren können. Ein Patronus ist in eine magische Form gebrachte Freude und Hoffnung. Wenn ein Patronus auf einen Lethifolden trifft, verwandelt er die von ihm ausstrahlende Furcht in Schmerzen, die direkt in seinem über den Körper verteilten Nerven explodieren und zwingt ihn, dem Patronus so schnell er kann auszuweichen, wie wenn er eine glühende Herdplatte oder ätzende Säure berührt."

"Vollkommen korrekt, Mademoiselle Betty Hollingsworth. Dafür die ausgelobten zehn Bonuspunkte", erwiderte die Lehrerin. "Von den Schülern aus Beauxbatons weiß ich, daß sie bereits vor Antritt meiner Lehrtätigkeit den Patronus erlernen mußten, weil im Jahr der Todesser hunderte von Dementoren über unser großes Land herfielen. Wer von den Damen und Herren aus Hogwarts und Greifennest hat diesen Zauber bereits erlernt?" Die Hollingsworths und alle aus Greifennest hinzugestoßenen hoben die Hände. Hubert erwähnte, daß sie auch wegen dieser Dementorenüberfälle in Greifennest diesen Zauber erlernt hatten. Betty und Jenna erwähnten, das sie den Zauber in Thorntails bei Professor Bullhorn erlernt hatten, da der Zauber auch gegen Nachtschatten verwendet wurde, von denen es in den vereinigten Staaten einige gab.

"Eigentlich gehört dieser Zauber in das Fach meines verehrten Kollegen Delamontagne. Aber wo wir ihn hier und jetzt erwähnt haben bitte ich Sie alle darum, ihn mir nacheinander vorzuführen. Julius wußte, daß Betty und Jenna gleich staunen würden, wenn er es hinbekam, seinen Patronus zu rufen.

die Schüler schafften es zum teil, einen vollgestaltlichen Patronus zu beschwören. Bettys und Jennas erschien nach zwei Fehlversuchen als schemenhafte Abbildung eines silbernen Pferdes. Hubert konnte einen stattlichen Keiler als Patronus heraufbeschwören. Millie ließ eine aufgerichtete, silberne Bärin in voller Lebensgröße erscheinen. Als Julius dann seinen Patronus aufrief, blieb allen, die das noch nicht gewußt hatten die Spucke weg. Gleich beim ersten Ausruf der Zauberformel "Expecto Patronum!" brach ein gewaltiger Rinderschädel aus Julius' Zauberstab hervor, dem ein elefantengroßer Leib mit auf den Schultern entsprießenden Flügeln folgte. Für drei volle Sekunden trat die hell und silbern leuchtende Nachbildung der Latierre-Kuh Artemis vom grünen Rain in den Klassenraum ein. Dann erlosch ihre Erscheinung wie eine ausgehende Glühbirne.

"Ja, da legt's dich um, was für'n Rindviech ist das denn?" brach es aus Joseph Maininger heraus. Hubert sah den Mitschüler bedauernd an und meinte ungefragt: "Klar, Latierre-Kühe gibt's bei euch Bergbauern ja nicht, und bei den Muggeln sowieso nicht." Rums! Professeur Fourmier drosch ihre rechte Faust so ungestüm auf ihr Pult, daß dieses mit lautem Knall in mehrere Einzelteile auseinanderbrach. "Derartige Zwischenbemerkungen sind hier nicht erlaubt. Zwanzig Strafpunkte für Monsieur Maininger wegen unerbetenen Dazwischenredens und fünfzig Strafpunkte für Monsieur Rauhfels wegen unerbetener Beantwortung in Tateinheit mit herabwürdigenden Äußerungen", stieß die Lehrerin aus, deren Gesicht sichtlich gerötet war. Dann fiel ihr auf, daß sie das Lehrerpult zertrümmert hatte. Die Röte in ihrem Gesicht verstärkte sich. Sie fischte übervorsichtig nach ihrem Zauberstab und deutete auf die Trümmerstücke. "Reparo Lehrerpult!" Stieß sie aus. Mit einem Ruck und lautem Knarzen fügten sich die Teile wieder zu einem vollständigen Pult zusammen. Dann steckte sie ihren Zauberstab wieder fort und sprach mit sichtlich verlegenem Tonfall weiter: "Und um auf Monsieur Latierres Patrona einzugehen, die Damen und Herrschaften aus Hogwarts und Greifennest: Wer außer dem offenbar sehr vorlauten Monsieur Rauhfels kennt von Ihnen die lebenden Vorlagen von Monsieur Latierres Patronus?" Betty und Jenna hoben die Hände. Abgesehen von den Besuchen bei Julius hatten sie in Thorntails bei Professor Forester auch einen Ausflug nach Viento del Sol gemacht, wo eine kleine Herde Latierre-Kühe gehalten wurde. Julius wurde dann noch gefragt, ob er wisse, woher er ausgerechnet diesen Patronus habe. Er erklärte es damit, daß er Latierre-Kühe als groß, kraftvoll, aber auch gutmütig und intelligent kennen und respektieren gelernt habe und fügte hinzu, daß die Bullen dieser Zaubertierart ähnlich wie die Elefanten, die in die Erzeugung dieser Tierart eingekreuzt worden waren, zwischen unbezähmbar und tobsüchtig auftreten konnten.

"Was fressen die denn so, wenn die so groß werden?" Fragte Joseph Maininger, nachdem er ordentlich ums Wort gebeten hatte. Millie erzählte es voller Stolz. "Dann lassen wir die besser nicht zu uns nach Bayern rein, weil wir unsere Almen dann wohl komplett kahlgefressen kriegen und die Wälder gleich mit." Das provozierte ein erheitertes Grinsen von den Mitschülern.

"Ist wohl bbesser so", erwiderte die Lehrerin. Dann ging sie wieder auf die Lethifolden ein. Am Ende der Stunde gab sie auf, sich über die magizoologischen Grundzüge der Drachen und die zaubereigesetzlichen Vorschriften zum Umgang und zur Haltung vorzulernen, da sie in der Stunde nach der ersten Runde in die Pyrenäen zu den bretonischen Blauen und pyrenäischen Purpurpanzern reisen würden. Jenna fragte, warum sie nicht nach Rumänien zum großen gesamteuropäischen Drachenschutzgebiet reisen würden, wenn sie schon nach Algerien reisen konnten.

"Aus dem gleichen Grund, warum wir nach Algerien reisen konnten, Mademoiselle Hollingsworth, weil in den Pyrenäen ein Reisesphärenzugang besteht", beantwortete Professeur Fourmier die Frage.

"Vielleicht kriegen wir heute schon einen Drachen zu sehen", wagte Leonie Poissonier eine Vermutung. Julius verzichtete darauf, Millies Stellvertreterin hinzuweisen, daß Drachen wohl nicht so schnell noch einmal drankamen, wo sie in der ersten Runde des letzten Turnieres schon vorgekommen waren.

"Die Fourmier, hat die sich 'nen Heraklestrank eingeworfen oder ist die bionisch?" Wandte sich Joseph Maininger an Julius, als sie zur nächsten Stunde unterwegs waren.

"Hm, zwei Fragen? Welche soll ich denn jetzt beantworten?" Erwiderte Julius.

"Die zweite zuerst", grummelte Joseph genannt Sepp Maininger. "Im muggeltechnischen Sinn nicht, Sepp. Aber in der Bedeutung des Begriffs ja. Sie hat einiges von sich beim Kampf mit gefährlichen Zaubertieren eingebüßt. Darüber will sie jedoch nicht sprechen, weil das ihre Privatsache ist. Das sage ich dir auch nur, weil sie meinte, ihr Pult zu Kleinholz schlagen zu müssen."

"Dann hat dieser Schwätzer Jacques von dem blauen Tisch ja doch recht, daß wir aufpassen müssen, daß die uns nicht mal eben wie Fliegen an der Wand zermatscht", seufzte Joseph. Darauf konnte Julius nichts entgegnen. Denn er hatte es selbst schon mitbekommen, daß die Lehrerin zwischendurch zu vergessen schien, daß ihre Arme und Beine erheblich stärker waren als ihre natürlichen Vorlagen.

Die Spannung stieg am Mittag. Die erste Runde sollte um vier Uhr Nachmittags, gleich nach den Unterrichtsstunden beginnen. Kevin sagte beim Mittagessen: "Gloria sieht ziemlich blaß aus. Nicht mehr so überlegen und abgebrüht wie sonst."

"Klar, weil in ein paar Stunden klar ist, was ihr bevorsteht", sagte Julius. Er blickte auch auf Laurentine, die immer wieder tief durchatmete. Er sah an Célines Miene und Gesten, daß sie der Schlafsaalkameradin und Freundin Mut zusprach, was immer auch anstand. Irene Pontier bedachte Laurentine und Gloria immer wieder mit leicht verächtlichen Blicken. Sie war sichtlich neidisch, weil die beiden Mädchen die wichtigsten Hexen dieses Schuljahres waren und sie nicht. Dann sah sie Julius an. Ein verwegenes Lächeln umspielte ihren Mund. Er lächelte warmherzig zurück und nickte ihr aufmunternd zu. Womöglich hatte die gedacht, er sei nun niedergeschlagen, weil er nicht für Beauxbatons antreten durfte. Das brachte ihn dazu, darüber nachzudenken, ob er anders empfunden hätte, wenn er mit den Hollingsworths, Gloria, Lea, Pina und Kevin aus Hogwarts herübergekommen wäre. Hätte er dann auch so befreit aufgeatmet, wenn der Feuerkelch seinen Namen nicht ausgeworfen hätte? Er verstand zumindest, warum Kevin im ersten Augenblick so unbeherrscht reagiert hatte. Doch nun waren die Würfel gefallen, und er würde Laurentine anfeuern und auch hoffen, daß Gloria unversehrt über die erste Runde kam. Was hatten sich die Turnierleiter ausgedacht? Die Frage war Millie und ihm immer wieder gestellt worden, weil die meisten hier wußten, daß sie beide eine schnelle Verständigungsmöglichkeit zu Millies Mutter hatten. Doch die hatte nichts aber auch gar nichts verraten. Die letzte Mitteilung von ihr bezog sich nur auf ihre nun offiziell angekündigte Enkeltochter, die neben dem Rufnamen Aurore noch den Namen Béatrice erhalten würde, womit sie die Namen zweier für Julius und Millie wichtigen Heilerinnen tragen würde.

"Na, ob eure Laurentine umfällt, wenn die ihr gleich in der ersten Runde 'nen Drachen oder 'ne Acromantulla vor die Augen setzen?" Stichelte Kevin. Julius erwiderte, daß sie sicher auch locker mit einer Todesfee kämpfen würde.

"Mann, du ... Gemeiner Bursche", schnaubte Kevin und konterte: "Solange die dir keinen Hornissenschwarm um die Ohren hauen."

"Hat echt einen Vorteil, nicht da mitmachen zu müssen. Ich muß mir um sowas keine Gedanken machen", erwiderte Julius.

"Ist fies, daß eure Schulleiterin jede Wette verboten hat. Sonst würde ich glatt fünfzig Schokofrösche drauf wetten, daß die schon in der ersten ein Labyrinth kriegen, wo jede Menge böse Monster drin warten", knurrte Kevin auf Julius' so abgeklärte Antwort. Dabei hatte Julius an lebende Entomanthropen denken müssen. Doch die wurden ja nur von einer Person bereitgestellt. Und die hatten die Organisatoren des Turniers garantiert nicht eingespannt.

"Gilt das mit den Wetten für alle hier oder nur, wenn Leute von eurer Schule mit drinhängen?" Fragte Kevin Malone.

"Das fragst du besser Professor McGonagall. Die will euch ja zu einem Zuschauerblock zusammensetzen, wie das damals mit den Beauxbatons-Leuten und denen von Durmstrang gelaufen ist", erwiderte Julius. Damit hatte er Kevin gleich davon abgebracht, sich vorzustellen, neben ihm auf einer wo auch immer aufgebauten Tribüne zu sitzen. Das bedauerte er zwar ein wenig. Doch er erkannte wieder, daß zwischen ihm und Kevin doch einiges anders war als vor fünf Jahren noch. Fünf Jahre, in denen so viel passiert war.

"Die trimagischen Champions werden vom heutigen Unterricht freigestellt, da die Aufgabe der ersten Runde alles an Aufmerksamkeit und Ausdauer verlangen wird. Da gemäß der Turnierregeln die drei Champions ja die Jahresendprüfungen eh nachholen werden stellt diese Freistellung keine Beeinträchtigung des Lerntempos dar. Abgesehen davon gehen meine Kolleginnen und ich davon aus, daß Sie alle so kameradschaftlich sind, Ihren jeweiligen Mitschülern die theoretischen Anteile der versäumten Unterrichtsstunden zu erläutern", verkündete Madame Faucon nach dem Mittagessen. dann winkte Sie Laurentine Hellersdorf aufmunternd zu. Diese hatte jedoch am Nachmittag frei, weil da nur Arithmantik oder Zaubereigeschichte angestanden hätten, was sie beides nach den ZAGs abgewählt hatte.

"Mann, irgendwie weiß ich nicht, ob das echt die geniale Idee war", gestand Laurentine Céline und Julius ein, die die letzten beiden Stunden vor der ersten Runde mit ihr im grünen Saal zubrachten. "Madame Faucon hat mir eingeschärft, nur mit dem Zauberstab anzutreten und alle anderen magischen Hilfsmittel hier zu lassen, die mir bei der ersten Runde helfen könnten. Und was ist, wenn ich echt nur fliegend was machen kann?"

"Machst du einen Aufrufezauber, um dir deinen Besen zu rufen", sagte Julius. "Hat Harry Potter in der ersten Runde beim letzten Turnier auch gebracht. Und den Accio-Zauber kannst du aus dem linken Handgelenk." Céline nickte beipflichtend.

"Und wenn ich irgendwo rein muß, wo ich unter Wasser bin oder sowas?" Fragte Laurentine sichtlich nervös.

"Machst du den Kopfblasenzauber", sagte Céline.

"Toll, den ich außer im Zaku-Unterricht nicht mehr gebracht habe", erwiderte Laurentine. Julius sah sie an und meinte, daß sie den doch noch mal proben könne. Sie ging darauf ein. Tatsächlich schaffte sie es schon im ersten Ansatz, die nach außen bläulich schimmernde, durchsichtige Sphäre aus Zauberkraft um ihren Kopf zu bilden, in der sie frei atmen konnte, egal ob sie in giftigem Rauch oder unter Wasser war.

"Geht doch", stellte Céline aufmunternd fest. "Selbstverwandlungen laufen bei dir eh besser als bei mir. Da hätte dir nur Julius was vorausgehabt. Also kannst du auch die Fremdverwandlungen hinkriegen, wenn dir sowas als richtige Lösung einfällt." Laurentine nickte.

"Der Vier-Punkte-Zauber sitzt bei dir auch?" Fragte Julius. Laurentine führte ihn vor und ergänzte ihn sogar mit der Komponente "Monstrato Incantatem", womit sie den auf der Hand liegenden Zauberstab dazu brachte, sich der am stärksten spürbaren Zauberkraftquelle zuzuwenden.

"Dann hast du echt alles drauf was nötig ist", sagte Julius bekräftigend. "Und wenn sie dir Zaubertiere gegenüberstellen denke einfach dran, daß die selbst nicht wollen, daß du bei dem Turnier dauerhaften Schaden abkriegst. Madame Rossignol postiert sich garantiert gleich neben dem Austragungsort. Aber ich denke, daß du sie nicht nötig haben wirst."

"Was ist eigentlich mit der Brosche?" Fragte Céline Laurentine.

"Die soll ich Madame Faucon geben, bevor Julius' Schwiegermutter mich und die beiden anderen in die erste Runde schickt. Aber keine Minute vorher", erwiderte Laurentine. Julius nickte. Er fragte sich, wie Jeanne das damals gemacht hätte, wenn sie ausgewählt worden wäre, wo sie noch das Pflegehelferarmband getragen hatte? Er jedenfalls hätte den Brustbeutel, den Herzanhänger und die Armbanduhr ablegen müssen. Mochte es echt sein, daß der Feuerkelch ihn wirklich deshalb nicht ausgewählt hatte, weil er den mit Millie verbundenen Herzanhänger trug? Doch das war jetzt total akademisch, erkannte er.

"Na, Laurentine, merkst du jetzt, was du in den ersten drei Jahren alles so abfällig ausgelassen hast?" Fragte Irene Pontier. Céline schoß in die Höhe und herrschte sie an, daß das jetzt absolut unpassend kam und daß sie ihr glatt dreihundert Strafpunkte verpassen würde, wenn sie sowas noch mal von sich gab.

"Ich habe die ZAGs gepackt, Irene. Das wäre echt nicht gelaufen, wenn ich das aus den ersten drei Jahren nicht komplett aufgeholt hätte", entgegnete Laurentine sehr entschlossen. "Buddel dich ein und erstick an deinem Neid!"

"Paß du besser auf, daß dich keine bösen Ungeheuer fressen, wo du von Zaubertieren keinen Dunst hast", stichelte Irene. Julius kam Céline mit einer Antwort zuvor, in dem er sich an Irene wandte:

"Irene, ich schenke dir Mitleid. Mitleid wird einem geschenkt, aber Neid, den muß man sich schon verdienen, hat mein Vater mal über so Dummschwätzer gesagt, die meinten, mich runtermachen zu müssen, als ich noch nicht in Hogwarts war."

"Ach neh, weil du selbst nicht für Königin Blanche durch die brennenden Reifen und über die mit giftiger Brühe vollen Gräben springen mußt, wo die gedacht hat, daß sie dich als Vorzeigeschüler gegen deine ehemaligen Schulkameraden einsetzen kann?" Tönte Irene. Julius lachte darüber nur und erwiderte: "Sonst fällt dir nichts ein, um dir dreihundert Strafpunkte zu verdienen, Irene? Ich habe kein Problem damit, daß ich genauso zuschauen darf wie du. Aber ob du heute noch zugucken kannst hängt dran, ob du echt noch meinst, Laurentine oder mir kurz vor der ersten Runde noch die Stimmung verhageln zu müssen. Am besten ziehst du dich jetzt zurück und verhältst dich hübsch ruhig. Sonst könnte dir passieren, daß Madame Faucon dein Bett in den Sechstklässlerinnenschlafsaal stellen läßt, wenn du dir zu viele Strafpunkte einhandelst."

"Oh, jetzt tun wir so, als wäre uns das drachenmistegal, daß der Feuerkelch ihn vor seinen ehemaligen Mitschülern so vernachlässigt hat", sagte Irene Pontier. Céline sagte zu Julius:

"Ähm, wie äußert sich das, wenn eine Hexe wegen einer Schwangerschaft nicht mehr weiß, wie sie sich verhalten muß? Vielleicht solltest du die da zu Madame Rossignol bringen und untersuchen lassen, ob sie was für ihr gehässiges Geschwätz kann. Falls ja, sag mir bescheid, dann hat die da gleich noch einen Termin bei Madame Faucon. Falls nicht soll Madame Rossignol das klären, ob die weiter beim Unterricht mitmachen kann. Es sei denn, sie verzieht sich augenblicklich da in die ecke und kommt da nicht eher weg, bis wir alle losziehen, um uns Laurentines erste Runde anzusehen." Irene warf Céline einen bitterbösen Blick zu. Julius erwiderte, daß er gerne Irene zu Madame Rossignol bringen würde, wenn die noch ein falsches Wort von sich gab. Irene lachte lauthals. Doch dann fiel ihr auf, daß sie gerade in einer ziemlich ernsten Lage festhing. Julius stand auf und ging ihr entgegen. Da trollte sie sich. Céline warf ihr unüberhörbar noch einhundertfünfzig Strafpunkte nach.

"Die ganze Zeit hat die das Maul gehalten, sich nur mit Céline und edith rumgezankt. Und jetzt spuckt dieses Biest Gift und Galle", knurrte Laurentine.

"Vielleicht ist echt was mit ihrem Monatsrhythmus durcheinander", schnaubte Céline. "Vielleicht hat sie aber auch jetzt erst kapiert, daß du sie leistungsmäßig um zehn Besenlängen abgehängt hast und wollte dir noch einen mitgeben, daß du dich deshalb nicht überlegen fühlen sollst. Wenn sie das in den letzten Wochen immer wieder so gemacht hätte hättest du nicht so gut hingehört wie kurz vor der ersten Runde."

"Sehe ich auch so, Laurentine. Ich denke, die wollte nur klarstellen, daß sie dir das nicht gönnt, auch wenn du nicht für dich alleine antrittst. Na ja, die nächste SSK kommt mit Sicherheit. Und was ich ihr gerade in Aussicht gestellt habe könnte ihr dann doch noch passieren", sagte Julius. Céline nickte. Immerhin waren sie ja Zeugen.

"Das wäre voll das Eigentor für die", schnaubte Laurentine und mußte grinsen. Julius nickte ihr zu.

"Auch, wenn die sich jetzt zurückgezogen hat werde ich nach der ersten Runde mit Madame Faucon reden. Es sei denn, die entschuldigt sich vor mir und Julius bei dir, Laurentine", sagte Céline noch.

"Und wie erwähnt, was die Zauberwesen oder -tiere angeht, die in dieser oder einer kommenden Runde sicher mal drankommen kannst du die mit Flüchen, Illusionen oder Stimmungszaubern auf Abstand halten."

"Ja, und gegen sowas wie Lauerbüsche kann ich den Herbaruptus-Zauber bringen, um die niederzumachen", erwiderte Laurentine. Céline und Julius nickten bestätigend.

Als die erste Runde nur noch eine halbe Stunde entfernt war betrat Madame Faucon den grünen Saal. Sofort erstarb alles Tuscheln, Raunen und Murmeln. Alle sprangen von den Stühlen und standen stramm. "Sehr lobenswert, wie achtsam Sie alle sind", begrüßte sie die Bewohner des früher von ihr betreuten Wohnsaales. In ihrem hellblauen Kleid mit silbernen Rüschen wirkte sie so, als wolle sie zu einem Ball gehen. Dann winkte sie Laurentine zu sich hin. "Sie begleiten mich nun zum Vorbereitungszelt der drei Champions, wo Sie von Madame Latierre die letzten Instruktionen empfangen werden!" Ordnete sie an. Laurentine bestätigte das und folgte der Schulleiterin.

"Jetzt wird sich zeigen, ob die uns würdig vertritt", tönte André Deckers, als Madame Faucon und Laurentine durch die sich auflösende und hinter ihnen verfestigende Wand verschwunden waren.

"I-a, sage ich da nur", stichelte Robert Deloire zurück. Das verursachte ein schadenfrohes Lachen bei den Sechst- und Siebtklässlern.

"Selbst ein Troll mit Eselsohren", knurrte André. Julius überhörte das mal. Ihm ging es darum, daß alle Jungen mit gekämmten Haaren und glatten Gesichtern, ob mit oder ohne Bart den grünen Saal verließen. Als es nur noch eine Viertelstunde bis vier Uhr war rückten die Bewohner des grünen Saales geschlossen aus.

"Wohin sollen wir eigentlich?" Wollte Robert wissen.

"Erst mal auf den Schulhof, wo die drei Schulleiterinnen uns und ihre Leute versammeln", sagte Céline. "Habe ich dir doch erzählt, als das in der SSK erwähnt wurde."

Auf dem großen Hof vor dem sieben Meter hohen Flügeltor mit dem Wappen von Beauxbatons formierten sich die Schülerinnen und Schüler. Madame Faucon, Professor McGonagall und Gräfin Greifennest dirigierten ihre Schutzbefohlenen so, daß sie geordnet losgehen konnten. Madame Faucon bat noch einmal um Ruhe. Dann sprach sie: "Mesdames, Messieurs et Mesdemoiselles, in wenigen Minuten beginnt die erste Runde des trimagischen Turniers des ausklingenden Jahrhunderts. die Teilnehmer sind bereits am Austragungsort und erhalten die letzten Anweisungen. Ich hoffe sehr auf eine abwechslungsreiche, spannende Turnierrunde, bei der die drei Champions zeigen werden, daß sie es wert sind, ihre Schulen zu vertreten. Näheres wird uns Madame Hippolyte Latierre schildern, wenn wir unsere Zuschauerplätze eingenommen haben werden. Bitte begeben Sie sich nun zum Quidditchstadion, wo Sie wie bei regulären Spielen Ihre Plätze einnehmen dürfen. Die Gäste aus Hogwarts und Greiffenest erhalten Logenplätze in den oberen Rängen. Die Saalsprecherinnen und Saalsprecher lade ich ein, sich zu mir in die Ehrenloge zu begeben, nachdem alle anderen ihre Plätze eingenommen haben. Mehr zum Ablauf der ersten Runde wird Madame Latierre erläutern. Bitte folgen Sie der jeweiligen Schulleiterin!"

"Hogwarts-Schüler zu mir!" Bellte Professor McGonagall auf Englisch. Ähnliches rief die grauhaarige Hexengräfin ihren Greifennestlern wohl auf Deutsch zu. Dann ging es ohne Gleichschritt aber zügig hinüber zum Quidditchstadion. Die graue Nebelwand umgab dieses immer noch. Was immer dort nun stattfinden würde, von außen war es nicht zu erkennen.

Julius dirigierte die Jungen aus dem Grünen Saal durch einen der Eingänge. Als er sicher war, daß alle ihre Plätze fanden begab er sich mit Gérard zur Ehrenloge hinauf. Dort trafen gerade Millie, Apollo, Sandrine und Belisama ein, die ihre Schüler auch schon auf die Tribüne geleitet hatten.

"Nett von Madame Faucon, daß sie uns hier hinauf eingeladen hat", meinte Millie leicht schnaufend. Offenbar hatte sie das Treppensteigen gut angestrengt. Sandrine wirkte ebenfalls gut erschöpft und verschwendete keine Atemluft durch irgendwelches Reden.

"Wieso flimmert das über dem Feld so komisch?" Fragte Gérard und deutete auf das ovale Spielfeld, dem irgendwer die sechs Torstangen weggenommen hatte. Tatsächlich schien über dem Spielfeld eine große Menge überhitzte Luft zu wabern. Julius vermutete jedoch einen Verhüllungszauber, der etwas besonders großes umschloß und mit anderer Magie wechselwirkte. Als alle Schüler und Lehrer auf ihren ausgewählten Plätzen saßen erzitterte der Boden für einen Moment. Es sah so aus, als kehrten sich für einen winzigen Moment alle Farben ins Gegenteil um. Dann sahen es alle, was auf dem freigeräumten Spielfeld stand.

Julius rieb sich die Augen, als er die Konstruktion sah, die enthüllt worden war. Er mußte noch einmal hinsehen, um es als gegeben anzuerkennen.

Auf dem Spielfeld stand ein gewaltiger Würfel, der eine geschätzte Kantenlänge von zwanzig Metern hatte. Die Kanten und Ecken waren abgerundet. Doch was Julius am heftigsten beeindruckte war, daß die Oberfläche des gleichseitigen Quaders aus Quadraten in zwölf einzelnen Farben eingeteilt war. Schneeweiß, pechschwarz, Orangerot, Silber, Gold, Türkis, Blattgrün, Ockergelb, Kirschrot, Himmelblau, Rosarot und Rehbraun. Ihm war zuerst der von Rubic in den achtziger Jahren auf den Markt gebrachte Zauberwürfel eingefallen, bei dem man durch verdrehen der Seiten aus einem bunten Würfel einen Würfel mit sechs einheitlich gefärbten Seiten machen mußte. Die letzte, die er damit mal hatte spielen sehen war Madame Faucon gewesen, die ihn sich von ihrer damals einzigen Enkelin Babette ausgeborgt hatte. Aber jenes verflixt schwer zu ordnende Spielzeug hatte eben nur sechs Farben. Was sollte das mit den zwölf Farben bei diesem Würfel? Dann kam ihm der Gedanke, es hier mit der Krönung eines Labyrinthes zu tun zu haben, einem Labyrinth, das nicht nur auf einer Etage, sondern mehreren Etagen angelegt war. Das senkte die Chancen, es recht schnell zu durchwandern. Dafür vervielfachte sich die Chance, sich rettungslos darin zu verlaufen mit der Zahl der Stockwerke. Sowas hätte er echt für die letzte Runde des Turniers erwartet, dachte Julius.

"Wird einem ja schon vom Hinsehen schwindelig", meinte Millie, als sie den Würfel ansah. "Wozu denn die ganzen Farben, und wer hat sich sowas ausgedacht?"

"Letzte Frage zuerst, womöglich deine Mutter", antwortete Julius. "Womöglich ein Labyrinth mit mehreren Etagen."

"Ja, dann kriegen wir doch nichts mit, wenn wir nur auf diesen Würfel gucken", warf Gérard ein, der Julius Vermutung mitgehört hatte. Er blickte auf die bunte Oberseite und die von ihm aus einsehbare Seitenfläche. Julius versuchte, ein Muster in der Farbgebung auszumachen. Doch in der kurzen Zeit erkannte er keines. Womöglich, so beruhigte er sich selbst, gab es auch keines.

Auch die anderen Schüler schienen über den Riesenwürfel zu diskutieren. Julius sah verwirrte Gesichter bei den Hogwarts-Schülern, die auf den Plätzen der Westkurve des ovalen Stadions saßen. Auch die ihnen genau gegenüber untergebrachten Greifennest-Schüler schienen über Sinn und Funktion dieses gewaltigen Würfels zu diskutieren. Julius sah Kevin, der sich mit William Deering und Keneth Halligan zu einem Dreierblock zusammengefunden hatte. Pina saß rechts von den beiden Hollingsworth-Schwestern, die links von Romilda Vane flankiert wurden.

"In Quaffel & Co. stand drin, daß die fünf trimagischen Richter per Eulenpost die Aufgaben abgestimmt haben", sagte Céline, deren Schwester ja für diese Fachzeitschrift arbeitete. "Wer hat sich dieses Teil da unten ausgedacht?"

"Das ist unerheblich, Mademoiselle Dornier", herrschte Madame Faucon Céline an. "Bitte hören Sie nun auf die Erläuterungen von Madame Latierre!" Dann verstärkte Madame Faucon ihre Stimme durch den Sonorus-Zauber. sie begrüßte noch einmal alle Schüler und Lehrer von Hogwarts, Greifennest und Beauxbatons. Julius hatte inzwischen mit seinem Superomniglas die beiden Zelte ausgemacht, die sich neben dem Würfel winzig ausmachten. Eines war blütenweiß und trug das Symbol der magischen Heilzunft. Da hatte also die Schulheilerin ihren Posten eingerichtet. Östlich davon ragte ein beiges Zelt empor, auf dessen Spitze die drei Fahnen mit den Wappen der Teilnehmerschulen im Wind wehten. Dort warteten wohl die drei Champions mit den beiden verbleibenden trimagischen Richtern aus dem Zaubereiministerium, die das Gegengewicht zu den Schulleitern bildeten. Die Zeltklappe wehte zur Seite, und angeführt von Hippolyte Latierre in einem grün-goldenen Umhang und Gustave Chaudchamp in einem mitternachtsblauen Samtumhang und schwarzem Spitzhut verließen die drei Champions das Zelt. Madame Latierre winkte ihrem Ministeriumskollegen zu, bekam ein Nicken zur Antwort und umlief mit weit ausgreifenden Schritten die Ostseite des Riesenwürfels. Monsieur Chaudchamp wechselte noch ein paar Worte mit den drei Turnierteilnehmern, die nun mit großen Augen auf das bunte Monstrum auf dem Spielfeld blickten, das sie zu bezwingen hatten. Laurentine wirkte gefaßter als vor zwei Stunden noch. Gloria tastete mit ihrem Blick die von ihr aus sichtbaren Seitenflächen ab und wiegte den Kopf, während Hubert eine übertriebene Angriffshaltung zur Schau trug, als wolle er dem Riesenklotz da mit bloßen Fäusten zu Leibe rücken. Julius blickte schnell zu seiner Schwiegermutter hinunter, die nun die Tribüne erstieg. Offenbar wollte sie in die Ehrenloge, wo sich nun, wo die Schüler saßen, auch die Leiterinnen der Gastschulen eingefunden hatten. Die in der Ehrenloge sitzenden Saalsprecher und Beauxbatons-Lehrer grüßten die rotblonde Ministerialhexe wortlos aber respektvoll. Dann stand Madame Latierre neben Madame Faucon. Jedem dort in den Zuschauerrängen mußte nun der heftige Größenunterschied der beiden Hexen ins Auge springen, fand Julius. Doch darum ging es jetzt nicht. Auch Hippolyte Latierre verstärkte die Kraft ihrer Stimme mit dem Sonorus-Zauber. Dann sprach sie überall deutlich vernehmbar:

"Sehr geehrte Damen und Herren aus Hogwarts, Greifennest und Beauxbatons. Im Namen des Organisationskomitees des trimagischen Turnieres begrüße ich Sie alle zur ersten Runde. Sicherlich haben Sie den auf dem Spielfeld dort unten stehenden Würfel zur Kenntnis genommen. Höchstwahrscheinlich haben Sie auch schon über die Farbgebung nachgesonnen oder mit Ihren Schulkameraden diskutiert, welchen Sinn und Zweck sie wohl erfüllen mag. Diese, werte Turnierteilnehmer und Turnierzuschauerinnen und Zuschauer, ist der Würfel der Wirrsal, ein fünfstöckiges Labyrinth besonderer Prägung. Denn es gilt nicht nur, es möglichst schnell zu durchqueren, sondern auch, sich den darin enthaltenen Finessen und Schwierigkeiten entgegenzustellen und diese zu überwinden. Die größte Schwierigkeit dabei ist, daß immer dann, wenn alle drei Champions das in dem gerade besuchten Raum enthaltene Hindernis überwunden haben, die einhundertfünfundzwanzig einzelnen Kammern gegeneinander verschoben werden und ihre Stellungen wechseln, so daß es bei jedem weiteren Raum erneut gilt, die Richtung zum Ziel wiederzufinden. Jedem Kandidaten ist ein eigener Ausgang vorbestimmt, der mit dem Schriftzug des betreffenden Champions beschriftet ist. Die drei Ausgänge befinden sich unabhängig von der Positionsänderung der anderen Kammern immer an der Oberseite. Nun, jetzt werden Sie alle zurecht einwerfen, daß es dann ja genügt, der irdischen Schwerkraft entgegengesetzt die Kammern des Würfels zu durchqueren. Ob das so funktioniert hängt von der Zahl der Ausgänge jeder einzelnen Kammer ab und inwieweit diese Kammer nach Bewältigung des in ihr enthaltenen Hindernisses nicht um eine, zwei oder gar vier Etagen nach oben oder unten verschoben wird. Nicht jede der insgesamt hundertfünfundzwanzig Kammern enthält ein Hindernis. Die drei separaten Zugänge und die drei separaten Ausgänge sind schon einmal die Ausnahme. Aber die restlichen einhundertneunzehn Kammern können magische oder natürliche Hindernisse enthalten, mehr oder weniger gefährliche Geschöpfe bergen oder schlicht nur Sackgassen darstellen. Die drei Champions müssen nicht in jede einzelne Kammer vordringen, um das Ziel zu erreichen. Es kann nur passieren, daß jeder Champion bis zum Erreichen des für ihn gültigen Ausganges jede Kammer einmal oder mehrmals durchlaufen muß. Hierbei werden sie neben der Durchquerungsgeschwindigkeit ihrer Ausdauer in den Bereichen Übersicht, Wagemut und kreatives Zaubern geprüft. Dabei obliegt es jedem der fünf Turnierrichter, seine oder ihre eigene Wertung in besagten Kategorien zu finden. jeder der fünf Richter kann für jede Teilrubrik zwischen null und zwei Punkten vergeben, so daß alle Fünf Teilrubriken zwischen null und fünfzig Punkten ergeben. Wer unterwegs den Eindruck gewinnt, nicht mehr weiterzukommen und lieber aufgeben möchte, kann dies durch einen Schauer roter Funken bekunden. Da der Würfel für uns Zuschauer und Turnierrichter immer in direkter Blickrichtung auf die drei Champions durchsichtig wird, jedoch nicht von den Champions aus zu durchblicken ist, können wir zwar erkennen, wenn einer von Ihnen vorzeitig abbrechen möchte, Sie jedoch nicht sehen, ob einer Ihrer Mitbewerber vorzeitig aus dem Würfel geholt wird. Wer jedoch von seinem Recht auf vorzeitigen Abbruch gebrauch machen möchte verliert dabei alle bis dahin erworbenen Punkte. Monsieur Chaudchamp wird nun jeden der drei Champions zu seinem oder ihrem per Losentscheid vorbestimmten Eingang begleiten. Danach wird er sich zu uns anderen vieren auf die Zuschauertribüne gesellen und mit einem Trompetensignal die drei Zugänge freigeben. Sind alle Champions innerhalb des Würfels unterwegs läuft die Runde. Sie endet mit dem Verlassen des letzten Champions. Monsieur Chaudchamp, bitte begleiten Sie die Champions zu den ausgelosten Zugängen!"

"Das ist ja seltenfies", grummelte Gérard. "Na ja, aber wenn oben die Ausgänge liegen müssen die eben nur zusehen, ganz nach oben zu kommen."

"Jetzt weiß ich auch, warum Sandrine und ich da nicht mitmachen dürfen", grummelte Millie. "Andauernd fünf Stockwerke hochklettern oder runter zieht sicher gut runter."

"Offenbar hat Madame Faucon das damals imponiert, als wir Babette einen Zauberwürfel geschenkt haben", flüsterte Julius Millie zu.

"Wenn sich die Wege dauernd neu machen ist das doch sehr viel schwerer, bis zum Ausgang zu finden", stellte Sandrine fest. Céline besah sich noch einmal den bunten Riesenklotz auf dem Spielfeld. "Hundertfünfundzwanzig Kammern. Wieso denn ausgerechnet so viele?" Fragte sie Julius zugewandt. Dieser deutete auf die verschieden gefärbten Quadrate. "Fünf senkrechte mal fünf waagerechte mal fünf in die Tiefe verlaufende Kammern macht zusammen hundertfünfundzwanzig. Und jede Kammer mißt so um die vier Meter. Das sind also jedesmal Würfel von vier mal vier mal vier Metern, was pro Kammer vierundsechzig Kubikmeter sind. Da paßt einiges rein. Ich hoffe nur, daß nicht jeder Würfel seine eigene Schwerkraft hat. Das wäre ultrafies."

"Das geht doch gar nicht", widersprach Gérard. "Du kannst zwar Schwerelosigkeit machen, aber wenn du mehrere Räume übereinander oder nebeneinander so bezauberst, daß in jedem ein anderes Schwerkraftfeld wäre würden die Zauber sich gegenseitig durcheinanderbringen."

"Na ja, mal eben vier Meter nach oben klettern, um einen freien Durchgang zu finden ist sicher auch nicht leicht", stellte Céline fest.

"Laurentine steht jetzt an der Nordseite. Gloria ist wohl für den Westen eingeteilt. Und Hubert soll wohl vom Süden aus losziehen", erkannte Julius, als die drei Champions sich auf der Höhe der senkrechten Mittellinie einer eigenen Seitenfläche bereitstellten. Gloria überblickte noch einmal den Würfel von unten her. In einem fünf- bis sechsstöckigen Haus herumzuklettern mochte zwar für viele Kinder ein Abenteuerspiel sein, aber nur, weil sich die Räume darin nicht verschoben.

Monsieur Chaudchamp kam die Treppen herauf. In der Ehrenloge angekommen förderte er unter seinem Hut eine kleine, goldene Trompete zu Tage. Die versammelten Schülerinnen und Schüler lachten erheitert. Dann nahm der fünfte trimagische Richter seinen Beobachtungsplatz ein. Er blickte auf die drei vor dem Würfel wartenden Champions hinunter. Madame Latierre fragte, ob alle drei bereit seien. Wildes Nicken und Winken von unten war die Antwort. Chaudchamp setzte sein goldenes Instrument an die Lippen und blies hinein. Ein klarer, weitreichender Ton drang aus dem Schalltrichter. In diesem Moment glitten dort, wo die Zugänge sein sollten zwei Hälften eines bestimmten Quadrates bei Seite und gaben den Weg in einen Raum frei, der von innen in derselben Farbe leuchtete wie die Oberfläche des Zugangs gefärbt war. Julius erkannte, daß Gloria einen grünen, Hubert einen roten und Laurentine einen goldenen Zugang erwischt hatte. Die drei Champions liefen in die Eingänge hinein. Sofort glitten die Abdeckungen wieder zu. Doch als das geschehen war wurde die Oberfläche durchsichtig wie Glas. Das war jedoch nur für die Zuschauer so. Denn die drei ins verwirrende Spiel eingetretenen blickten sich suchend um, wohl, um den nächsten Zugang zu öffnen. Julius dachte einen Moment daran, Madame Latierre noch einmal wegen der Idee dieses Würfels zu fragen. Doch dann fiel ihm ein, daß sie ab jetzt als Turnierrichterin zu tun hatte und ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Vorankommen der Champions richten mußte. So blickte er nach vorne, wo er Hubert Rauhfels sah, der mit einer Zauberstabbewegung die Kammer abzirkelte. Dann lief er zu einer der Wände. Mit dem Omniglas erkannte Julius nun eine Sprossenwand wie in einer Turnhalle. So ging es also, mal eben vier Meter nach oben zu klettern, erkannte er. Er selbst hätte womöglich den altaxarroischen Flugzauber benutzt. Doch das hätten die anderen ja dann sehen können, daß er sowas konnte. Knapp unter der Decke fand Hubert ein Speichenrad. Mit den Füßen in den Sprossen verkeilt und mit einer Hand an der obersten Sprosse begann er, am Rad zu drehen. Julius mußte schmunzeln, wenn er daran dachte, was der Begriff "am Rad drehen" bei den Muggeln bedeutete. Er suchte und Fand Gloria, die gerade in ihrer nur für ihn und die anderen Zuschauer zum Terrarium gewordenen Kammer stand. Sie richtete ihren Zauberstab auf die Wände. Julius erkannte, daß sie mit dem Nigerilumos-Zauber hantierte, der an der Spitze ein scheinbar schwarzes Licht erzeugte, das jedoch alles, worauf es traf, in umgekehrter Farbgebung aufleuchten ließ, jedoch ohne einen Widerschein zu erzeugen. Auf diese Weise fand sie offenbar zwei durch die Beleuchtung überdeckte Türen, eine mit einem ähnlichen Drehrad wie bei Hubert und eine mit einem Seilzug wie bei einer Glocke. Julius benutzte die Heranholfunktion, um wie durch Glorias Augen selbst die beiden Türen aus nächster Nähe zu betrachten. Gloria traute dem Braten offenbar nicht, daß sie nur einen Mechanismus zu betätigen hatte. Sie wirkte wohl mit einem Flucherkennungszauber auf die Türen ein. Der reine Zauberfinder wäre in einem mit Magie überladenen Würfel völlig unsinnig gewesen. Sie entschied sich nach ihrer Prüfung für die Tür mit dem Drehrad und betätigte es mit der freien Hand. Ihr Zauberstabarm war angewinkelt, wohl bereit, im nächsten Moment ein auf sie einstürmendes Problem zu bekämpfen, wie auch immer dieses Problem aussah.

"Das ist voll fies. Laurentine kann durch vier Türen", bemerkte Millie. Julius suchte schnell Laurentines Einstiegskammer in den Würfel der Wirrsal und erkannte, daß auch Laurentine mit dem Nigerilumos-Zauber alle bei normalem Licht unsichtbar bleibenden Türen untersuchte. Ein Durchgang lag wie bei Hubert an der Decke. Die drei anderen standen um neunzig Grad versetzt zueinander. Weil es ja darum ging, möglichst nach oben zu kommen wählte Laurentine wie Hubert den Zugang in der Decke. Sie fand wie er eine Sprossenwand, an der sie unerwartet gelenkig hinaufkletterte, wobei sie den Zauberstab in ihrem rechten Ärmel verbarg, um beide Hände einsetzen zu können.

"Holla, die kann ja richtig schnell klettern", stelte Millie anerkennend fest.

"Hättest du wohl nicht vermutet, wie?" Blaffte Céline. "Aber die hat vor der Einschulung bei uns in einem Mädchenturnverein mitgemacht und sich in den Ferien immer wieder in Form gebracht. Das zahlt sich jetzt aus."

"Hat deine Vorvorgängerin Barbara Lumière das gewußt?" Fragte Julius Céline, der das heute auch zum ersten mal erfuhr.

"Neh, daß hat die nur Claire und mir erzählt, weil gerade Barbara das nicht wissen sollte. Die hätte Laurentine dann doch erst recht drangsaliert."

Laurentine erreichte die Deckenluke. Sie versuchte wohl einen Zauber, der das Speichenrad schneller drehte als sie von Hand konnte. Es sah so aus, als könne sie damit nichts erreichen, bis sie ihren Zauberstab in einer anderen Bewegungsfolge führte und von den Lippenbewegungen her einen Zauber sprach, den Julius als "Porta Clausa! zu erkennen meinte, der eigentlich ein Türschließungs und Verschlußzauber war. Allerdings drehte sich das Speichenrad unvermittelt wild herum. Die Deckenluke tat sich nach oben auf und gab den Weg in einen himmelblauen Bereich frei. Laurentine wartete, bis das Drehrad zum Stillstand gekommen war und feuerte dann aus dem rechten Handgelenk einen Breitband-Fluchzerstreuer durch die Öffnung. Dieser wechselwirkte mit einem bis dahin unsichtbaren Zauber, der als grüner Wirbel über ihr rotierte und dann in schillernden Funken zersprühte.

"Jau, Laurentine, das war ein Rotationsfluch, was ganz fieses", stellte Céline fest.

"Einer der wenigen Flüche, die durch in den Wirkungsbereich geschriebene Runen wiederbelebt werden kann", bemerkte Julius. "Jedenfalls ist sie im nächsten Kämmerchen."

"Deine Ex-Mitschülerin Gloria ist in der nächsten Kammer", sagte Millie zu Julius. "Das war wohl ein Heimspiel für die."

"Ich frage mich gerade, wie drei zugleich durch diesen Würfel durchmarschieren und gleichberechtigt bewertet werden können", erkannte Julius. Das veranlaßte seine Schwiegermutter, den gerade noch wirksam gewesenen Stimmverstärker aufzuheben und ihm leise zuzuflüstern: "Jeder von uns hält für eine bestimmte Zeit einen der drei unter Beobachtung, wobei immer wieder zwei unterschiedliche zugleich einen betrachten werden. Mehr ist nicht nötig." Das genügte Julius auch als antwort. Dann notierte sie etwas, was Julius nicht einsehen konnte. Außerdem mußte er auf den Würfel achten. Gloria hatte in der ihrem Eingang anschließenden Kammer gerade mit dreißig Wichteln zugleich zu tun. Doch das war ja wirklich kein Akt, die abzuwehren. Doch anstatt des gegen die kleinen, blauen Plagegeister so wirksamen Sirennitus-Zaubers ließ gloria um sich eine Aura aus blauflackerndem Licht entstehen, das die Wichtel sichtlich irritierte und auf Abstand hielt.

"Den kenne ich aber noch nicht", meinte er zu Millie auf die von Gloria gerade besuchte Kammer deutend.

"Ich dachte auch, die sirennitiert die alle in die Ecke", erwiderte Millie. "die hat den Zauber laut gewirkt, also nicht ungesagt. Aber was sie gesagt hat verstand ich nicht."

"Jedenfalls macht diese Stroboskopaura den Wichteln genauso zu schaffen wie der Sirennitus. Sie braucht die nicht mal mit dem Stab aufrecht zu halten. Die kann wieder den Nigerilumos machen." Millie, die gerade Laurentine betrachtete schwenkte mit ihrem Omniglas auf Glorias Unterwürfel über und erkannte, daß die blondgelockte Junghexe in ihrem schwarzen Hogwarts-Umhang gleich vier Zugänge ausfindig machte, während die um sie wie irrsinnig flackernde Aura die Wichtel immer noch in die vier oberen Ecken des Raumes zurückdrängte.

"Was ist denn bitte eine Stroboskopaura, Julius?" Fragte Gérard, der sich dachte, das da was muggelmäßiges mit gemeint sein mochte. Julius erwähnte die ihm aus Fernsehberichten über Tanzclubs für junge Leute bekannten Flackerlichter, die jede Bewegung in Einzelbilder zerlegten und auch bei Messungen von sich drehenden Objekten eingesetzt wurden.

"Das Geflacker bekommt mir aber nicht so", grummelte Millie. Sie mußte anderswo hinblicken. Julius erwähnte auch, daß dieses Flimmerlicht auf bestimmte Menschen krankmachend wirkte, ja epileptische Anfälle auslösen konnte. Aber gloria schien von ihrem Zauber offenbar überhaupt nicht beeinträchtigt zu werden. Sie untersuchte die Türen und turnte nun selbst eine Sprossenwand hinauf, um in den nächst höheren Raum zu gelangen. Doch Als sie an dem Drehrad drehte, wie Hubert zuvor auch. klappte zwar eine Luke auf, legte jedoch nur eine darüber verlaufende Decke aus bleigrauem Material frei. Das war wohl eine Sackgasse. Gloria ließ sich in die Tiefe fallen, wobei sie wohl den Fallbremsezauber wirkte. Das führte zwar dazu, daß die blaue Flackeraura um ihren Körper in wilden Funken von ihr fortflog. Doch bevor die davon zurückgescheuchten Wichtel sich von ihrer Auswirkung erholen konnten hatte Gloria schon die nächste Tür geöffnet und mit einem Breitbandfluchzerstreuer voran einen grünen Raum geentert wie eine Piratin den Laderaum eines Goldfrachters.

"So, wenn Hubert seinen echten Einstieg auch noch durchbekommt müßte diese Verschiebenummer laufen", bemerkte Julius und suchte Hubert Rauhfels. Dieser war zwar in die nächsthöhere Kammer vorgestoßen und hatte wie seine beiden Konkurrentinnen durch einen Breitbandfluchzerstreuer eine unsichtbare Zauberfalle unschädlich gemacht. Doch als er vollends in der Kammer anlangte klappte vor ihm eine Luke am Boden auf, und unvermittelt stand eine sieben Meter große Gestalt im weiten, weißen Umhang. Sie besaß graublondes Haar und veilchenblaue Augen, die sehr bedrohlich rollten. Warum die Greifennestler, die nun den Blick auf ihren Kameraden geheftet hatten lachten wußte Julius erst, als ihm klar wurde, wem die überlebensgroße Erscheinung ähnelte, die für Hubert unüberhörbar und für die anderen völlig lautlos auf den einzigen Zauberer unter den Champions einschimpfte. Dann fiel bei Julius der Knut.

"Moment mal, ist das nicht Magistra Rauhfels in riesengroß?" Fragte Millie Julius, der imselben Moment dieselbe Erkenntnis gewonnen hatte. Das Ungetüm im weißen Umhang schritt auf den sichtlich zitternden Hubert zu. Die Hände, die jede für sich so groß wie sein Kopf sein mochten, fuchtelten vor ihm und drohten, ihn zu packen. Er schrak zurück, bibberte und atmete hektisch. Julius erkannte, was Hubert da aufgelauert hatte. Er erinnerte sich an die Unterredung zwischen Dumbledore, Flitwick und McGonagall, bei der er den ersten dieser kleinen aber gemeinen Plagegeister überhaupt vorgeführt bekommen hatte. Er wußte, daß wenn er sich diesem Schreckgespenst da ausgeliefert hätte, eine gewaltige Insektenkreatur vor ihm aufgetaucht wäre, vielleicht nun, wo er sie kannte, einer der Entomanthropen Anthelias. Warum kam Hubert nicht auf die Idee, die überlebensgroße Nachbildung seiner Großtante mit dem einzig richtigen Zauber anzugreifen? Hatte der wirklich eine so tief sitzende Angst vor dem Original, daß dieses Schreckgespenst da doppelt bis dreifach so groß auftrat?

"Ist das seine Mutter?" fragte Gérard auf Huberts Gegnerin deutend, die ihn gerade wieder mit ihren Riesenhänden zu ergreifen andeutete.

"Ich weiß nicht, ob das wirklich so toll ist, einem einen Irrwicht vorzusetzen, den alle sehen können", grummelte Julius. Das fand auch Gérard. Da endlich bekam Hubert es hin, dem Ungeheuer etwas zuzurufen. Weil Julius dieses Wort erwartet hatte, meinte er auch, es von Huberts Lippen abzulesen: "Riddiculus!" Die Wirkung war verblüffend und gleichzeitig zum schreien komisch. Die überlebensgroße Nachahmung Magistra Rauhfelses besaß plötzlich meterlange Hasenohren, einen dito Schnurrbart und einen Stummelschwanz. Der Umhang wurde zu einem rosaroten Ballettkleid, und das ganze Geschöpf hüpfte wild und entschlossen auf der Stelle herum, während Hubert erst grinste und dann loslachte. Da löste sich das Riesige Frauenzimmer in eine bunte Rauchwolke auf. Hubert stand noch einen Moment auf der Stelle. Julius suchte schnell die beiden anderen Champions. Gloria war nun in einem ockergelben Raum und schien dort auf einem unsichtbaren Laufband festzuhängen. Denn sie rannte, ohne von der Stelle zu kommen. Dann vollführte sie einen schnellen Zauber gegen ihre Stirn und kam zum stehen. Sie sah sich mit hektischen Blicken um und atmete durch.

"Was war denn das?" Fragte Gérard, als er Gloria auch beobachtete.

"Womöglich eine Illusion, die wir nicht mitbekommen haben. Aber jetzt kann sie frei von magischer Täuschung sehen", sagte Julius. Gloria suchte die Decke mit dem Umkehrlicht Nigerilumos ab und fand eine weitere Luke. Sie lief zu einer Sprossenwand und fand das Drehrad. Diesmal tat sich über ihr eine Luke auf, die in einen kirschrot erleuchteten Raum führte. Julius fragte sich, ob die Farben eine besondere Bedeutung hatten. Himmelblau mochte für Luftzauber oder Schleuderflüche stehen. Gloria hangelte sich nach Ausführung des Fluchzerstreuers durch die Luke. Diesmal wirkte er nicht auf ein unsichtbares Etwas ein. Vielleicht war dieser Raum frei von Fallenzaubern oder magischen Plagegeistern, dachte Julius, bis er sah, wie Gloria sichtbar ins Schwitzen geriet. Es war so, als sei sie in eine Turbosauna hineingeraten, so heftig rann ihr der Schweiß über das Gesicht und aus den blonden Locken. Sie atmete sichtbar ein und aus. Dann schaffte sie es wohl, dem schweißtreibenden Etwas in diesem Raum durch einem ungesagten Zauber entgegenzuwirken.

"Auch fies, ein Hitzezauber, der nicht mit einem Fluch erzeugt wurde", stellte Julius fest. Dann hörte er das Johlen der Greifennestler, weil Hubert endlich aus der Irrwichtkammer heraus war. Doch das Johlen erstarb sofort. Denn der gewaltige Würfel erbebte. Fast lautlos änderten sich die Farben auf den sichtbaren Oberflächen. Julius sah, wie sich eine rote und eine grüne Fläche über eine ockergelbe schoben, die sich tiefer in den Würfel hinein zurückzog. Er suchte schnell nach den drei Champions. Deren Kammern wanderten gerade. Huberts gerade betretene Silberkammer glitt gerade nach vorne und dann nach unten. Hubert selbst schwebte mitten in der Kammer und mußte sich wohl erst orientieren. Gloria, die die rote Kammer noch nicht verlassen hatte, drehte sich mit dieser und rückte eine Etage nach oben und zwei Würfelfelder weiter nach innen. Was nun zwischen ihr und der Oberfläche lag war für die Zuschauer im Moment nicht zu erkennen, weil ja durch den Bildverpflanzungszauber die Sicht auf Gloria Porter freigehalten wurde. Laurentine hatte es am besten erwischt. Denn ihre gerade von Fallen und anderen Unannehmlichkeiten freigeräumte Kammer stieg auf die zweithöchste Ebene empor. Zumindest brauchte Laurentine jetzt nur noch einen Würfel nach oben zu durchqueren, um ihren Ausgang zu suchen. Doch alle hier wußten, daß das sicher nicht so einfach war, wenn jedesmal eine Verschiebung stattfand, sobald alle drei Champions eine Kammer weiterwaren. Julius erkannte nun, wie gemein das ganze wirklich war. Wer als erster von den dreien ganz oben war konnte in dem Moment, wo seine Konkurrenten eine Kammer weiter waren, bis ganz nach unten durchgereicht werden. Gab es da nicht eine alte Geschichte von einem, der trotz Essen und Wasser in Reichweite Hunger und Durst leiden mußte? Oder war das die Geschichte von dem Mann, der dazu verdammt war, immer wieder denselben Felsen einen Berg hochzurollen, der dem kurz vor dem Gipfel entglitt und zurückstürzte. Wohl wahr, der Würfel der Wirrsal hatte seinen Namen zurecht. Womöglich würde einer der drei Champions irgendwann aufgeben, wenn Körperkraft und Durchhaltevermögen aufgebraucht waren.

"Schon anstrengend", fand Gérard, der Laurentine beobachtete, die mit dem Vier-Punkte-Zauber die Himmelsrichtungen auslotete. Dann suchte sie den nächsten Teilwürfel mit nach oben führendem Durchgang. Hubert hing derweil in dieser silbernen Kammer in der Luft. Er versuchte wohl seinen Schwebezustand zu beheben. Dann kam er auf die Idee, seinen Zauberstab als eine Art Rückstoßantrieb zu gebrauchen und ließ einen breiten Wasserstrahl daraus hervorschießen. Das Wasser sammelte sich in der Kammer und formte immer größere Tropfen, die erst zusammenstießen, sich dabei in kleinere Tropfen auflösten und dann wieder zu größeren Tropfen zusammenwuchsen, bis Hubert mit einer bald zwei Meter großen Kugel aus reinem Wasser zusammen war. Doch sein Ziel hatte er erreicht, eine der Wände. Nun wendete er den Muscapedes-Kletterzauber an, um unabhängig von der gerade nicht wirksamen Schwerkraft Halt an den Wänden zu behalten. Der gewaltige Wassertropfen schwebte wippend auf und ab und kam ihm dabei immer näher.

"Oh, wenn der Riesentropfen den berührt hängt der sich an ihm fest." Bei der Größe des Tropfens mochte das Wasser zwischen drei und viereinhalb Tonnen wiegen. Auch wenn die Schwerkraft als solche gerade ausgesperrt war würde die Masse des Wassers Hubert sichtlich beeinträchtigen. Die Greifennestler feuerten ihren Champion an. Doch der hörte es sicher nicht. Gerade in dem Moment, wo Hubert Rauhfels eine Tür erreicht hatte, glitt der Saum seines Umhangs durch die glitzernde, gewölbte Wasseroberfläche. Nun griff die dem Wasser eigene Anhangskraft. Jetzt hatte Hubert den Riesentropfen am Körper hängen. Doch der Champion reagierte schnell. Er zielte auf das glitzernde Gebilde, das in einem kurzen Lichtblitz verschwand. Nun konnte er sich auf die erreichte Tür konzentrieren.

Laurentine war inzwischen in eine kirschrote Kammer eingedrungen und geriet damit in denselben Hitzezauber, dem Gloria ausgesetzt gewesen war. Sie reagierte schneller als Gloria auf diese Backofenhitze und schüttelte diese von sich ab, bevor sie nach einer Deckenluke suchte, jedoch keine Fand. Statt dessen glühten die Wände immer stärker. Der von ihr abgewehrte Hitzezauber konzentrierte sich nun auf die Wände. Wenn das so weiterging konnte sie sich locker die Hände und Füße verbrennen. Julius fragte sich, wie Gloria den Hitzezauber ausgehebelt hatte? Laurentine wußte sicher, was ihr bevorstand. Sie kehrte den schützenden Zauber offenbar um. Denn unvermittelt rann ihr wieder der Schweiß über das Gesicht. Dann wendete sie einen anderen Zauber an und schaffte es so, den Hitzezauber wieder von sich abzuhalten. Die Wände glühten jetzt wieder im sachten, kirschroten Licht. Sie suchte nach einer Deckenluke, fand aber nur drei Türen und eine Bodenluke. Da sie sicher war, nicht nach unten zu wollen wählte sie eine der Türen und öffnete damit den Durchgang zu einer anderen silbernen Kammer. Unvermittelt verlor Laurentine den Boden unter den Füßen und schwebte langsam nach oben. Die Tür fiel wohl hinter ihr zu, weil die vorherige Kammer nun scheinbar verschwand und nur die zeigte, in der sie nun hing. Doch Laurentine hing nicht so lange wie Hubert im den Raum erfüllenden Schwerelosigkeitszauber fest. Sie deutete auf sich und murmelte ein Zauberwort. Da sank sie immer schneller werdend, bis sie wieder Boden unter den Füßen hatte. Sie sprühte wie Hubert Wasser aus dem Zauberstab, das im Flug zu kleinen und dann größeren Tropfen ausuferte. Sie nickte irgendwem zu und ließ das Wasser verschwinden. Dann lief sie weiter und untersuchte die Wände auf Türen. Als sie wohl sicher war, nicht mit den Füßen an der Decke zu hängen suchte sie nach einer Deckenluke, um dem schwerelosen Raum zu entkommen.

Hubert war inzwischen in einen stockdunklen Raum hineingeraten. Julius vermutete, daß diese Art von Kammer an der Würfeloberfläche nachtschwarz erschien. Gerade als er nachsehen wollte, was Hubert nun zu erledigen hatte setzte eine neue Umgruppierung der Kammern ein. Denn Gloria hatte ebenfalls die vorherige Kammer verlassen. Der stockfinstere Raum, der nur deshalb als schwarzes Quadrat zu sehen war, weil Hubert sich gerade in ihm aufhielt, fuhr zwei Etagen nach unten und rückte zwei Würfelfelder weiter nach westen. Julius erkannte, daß die Würfel sich bisher nicht diagonal bewegt hatten. Wie kompliziert die magicomechanische Maschinerie aufgebaut sein mochte, die Würfel mußten sich umeinander drehen und geradlinig die drei Raumachsen entlanggleiten. Doch wo genau sie landeten konnten die Insassen nicht erkennen.

"Laurentine hat sich ein eigenes Schwerkraftfeld gezaubert. Wie denn das?" Fragte Millie, die gerade sah, daß Laurentine in dieser Silberkammer eine Deckenluke wie eben mit einem Raddrehzauber öffnete.

"Auf die gleiche Weise, wie sie einen Zuhaltezauber zum Öffnungszauber umpolt, Millie. Inverse Logik. Hätte ich schon früher drauf kommen sollen."

"ach, du meinst das, daß man das gegenteil von dem tun muß, um das zu erreichen, was man will?" Fragte Millie. Julius nickte. Seine Schwiegermutter, die hinter ihm saß stupste ihn sacht am Rücken.

"Die hat sicher den Deterrestris-Zauber auf sich selbst gesprochen. Normalerweise schwirrst du dann nach oben wie ein Korken aus der Flasche. Aber in einem Nullogravitus-Zauber polt der dann die Schwerkraftaufhebung in ein körpereigenes Schwerefeld um. Antiantigravitation sozusagen", dozierte Julius. Professor McGonagall, die links von der rotblonden Ministeriumshexe saß und gerade nach ihrer Schutzbefohlenen sah lauschte interessiert.

"Damit kommt Laurentine echt schneller durch dieses dauernde Verschiebeding durch", freute sich Céline Dornier für ihre Schulfreundin.

"Nur bei statischen Zaubern", dämpfte Julius ihre Hochstimmung. Dann sah er, wie in jenem dunklen Quadrat ein silbernes Etwas aus einem Lichtstrahl entstand. Bei Nahbetrachtung durch das Superomniglas erkannte Julius das Etwas als stattlichen Keiler, Huberts Patronus. Julius fragte sich mit Grausen, ob in dieser Kammer ein echter Dementor hocken mochte, weil Hubert seinen Patronus beschworen hatte. Doch das silberne Wildschwein preschte durch die Kammer, ohne einen Gegner zu finden und verschwand wie ausgeschaltet im Nichts. Julius dachte an Jean Gaspard, dessen Angst vor völliger Dunkelheit offenkundig geworden war und von Madame Rossignol in Einzelsitzungen therapiert wurde. Kam man hier auch mit inverser Logik weiter? Besser nicht, dachte Julius. Denn totale Finsternis in ihr Gegenteil umzupolen mochte Licht heller als zehn Sonnen heraufbeschwören. Hubert wußte zumindest nun, daß er mit keinem Dementor zusammengesperrt war. Während er wohl nach einem Ausgang aus der Dunkelkammer suchte geriet Laurentine in einer türkisen Kammer in etwas, daß sie wie durchsichtiger Sirup beeinträchtigte. Sie schaffte es wohl so gerade noch schnell genug, ihren Zauberstab zum Kopf zu führen und diesen in eine Kopfblase einzuschließen. Als sie dann frei atmen konnte ruderte und schlängelte sie sich durch das durchsichtige Zeug wie ein Wurm im Schlamm.

"Das ist kein Wasser, wo sie reingerutscht ist", meinte Céline, als sie Laurentines gegenwärtiges Problem betrachtete. "Ihre Sachen saugen sich nicht voll."

"Den Zauber kenne ich auch noch nicht. Zumindest kein Fluch", fand Julius und schwenkte kurz zu Gloria, die nun wie Hubert in einer Kammer mit einem Irrwicht gelandet war. Ihr Irrwicht war ein gigantisches Ebenbild von ihr selbst mit aschgrauen, zotteligen Haaren und krallenartigen, gelben Fingernägeln mit lederartig trockener Haut. Also hatte sich die damals schon vorherrschende Furcht Glorias vor der eigenen Häßlichkeit mit der Pubertät noch verstärkt, stellte er für sich selbst fest. Doch mit dem Riddiculus-Zauber wurde aus dem abstoßend wirkenden Zerrbild der Hogwarts-Schülerin eine schrillbunte Harlekinfigur mit roter Kappe und Glöckchenspiel, die nach nur zwei Sekunden in Rauch aufging.

Hubert hatte wohl endlich einen Ausweg aus der Dunkelkammer gefunden. Denn ein runder Fleck Helligkeit entstand. Hubert tauchte als Schatten durch die runde Öffnung. Julius sah ihm an, daß ihm das Schmerzen bereitete. Womöglich hatte der Greifennest-Champion sich mit den Eulenaugen Nachtsicht verschafft und wurde nun vom Licht des kirschroten Raumes geblendet, als starre er direkt in die Sonne. Dann erwischte ihn wohl auch der Hitzezauber, der Gloria und Laurentine schon in Schweiß gebadet hatte. Er fuchtelte mit seinem Zauberstab herum, bis um ihn herum eine flimmernde Spirale rotierte, die immer weiter nach außen griff. Doch je weiter die ihn umkreisende Luftsäule sich ausdehnte, desto heller erglühten die Wände. Offenbar dachte Hubert, mit einer Kaltluftzone um sich herum der Hitze zu widerstehen. Doch diese bündelte sich dann in den Wänden. Das mochte ihm bald die Schuhsohlen schmelzen, wenn er nicht schnell aus diesem Backofen freikam. Er fand eine Deckenluke und besprühte die ihr nächstgelegene Sprossenwand mit kaltem Wasser, das jedoch sofort zu Dampf wurde, so daß Hubert nun in einem weißen Nebelwirbel stand, der ihn von den Füßen hob.

Laurentine hatte inzwischen den türkisfarbenen Raum hinter sich gebracht und war in einen schneeweißen Raum geraten. Julius fürchtete schon, daß das Weiß für Eiseskälte stand. Laurentine hatte den Breitbandfluchzerstreuer hineingejagt, der ohne Gegenreaktion verpuffte. Doch der tückische Effekt dieses Raumes war ein anderer. Unvermittelt sah Julius von Laurentine nur das blanke Skelett, das keinen Zauberstab in der Hand hielt. Céline stieß einen spitzen Schrei aus, als auch sie diese Wirkung erkannte. "Laurentine!" Kreischte sie. Auch andere Beauxbatons-Schüler schrien, weil sie Laurentine nur noch als wandelndes Gerippe sahen.

"Was ist denn das für ein fieser Zauber?" Schnaubte Gérard und blickte besorgt auf seine Frau. "Wenn unsere Kind... - unser Nachwuchs jetzt total verstört geboren wird kriegen die Damen und Herren Turnierausrüster aber heftigen Ärger", blaffte er.

"Bleibt die jetzt so?" Unkte Belisama, die die plötzliche Entfleischung Laurentines auch nicht kalt gelassen hatte. Da sahen sie, wie das wandelnde Knochengerüst auf eine Wand zulief und mit den Fingerknochen der linken Hand darüberstrich, bis sich die Knochenhand an einer nicht sichtbaren Querstrebe oder Sprosse festkrallte. Laurentine oder ihr lebendes Skelett turnte so geschickt wie vor ihrer scheinbaren Entfleischung nach oben und tastete nach einem Drehrad, daß keiner sehen konnte. Doch sie fand keins. Jetzt hangelte sich das lebende Skelett an der Wand entlang. Julius sah die Knochen von Rippen und Becken sacht bewegen, ja erkannte sogar, daß das Knochengerüst weiteratmete. Also war Laurentine nicht wirklich skelettiert worden. Es sah nur so aus.

"Das ist eine Art Röntgenbild-Effekt, Leute, keine echte Verwandlung", juchzte Julius, der begriffen hatte, was Laurentine offenbar auch begriffen hatte, nachdem sie sicher den kurzen Schock über ihre bleichen Knochen verdaut hatte. Dann erkannte er, wie sich die Fußknochen irgendwo einhakten, während die Fingerknochen sich an etwas festkrallten und dann daran drehten, bis das weiße Licht an einer Stelle himmelblau wurde. Wie lebensmüde sprang die Knochenfrau in das dunkler scheinende blaue Licht hinein. Sofort erlosch das weiße Licht und gab den Blick auf eine nun wieder aus Fleisch und Blut bestehende, statthaft bekleidete Junghexe frei, die gerade von einer unsichtbaren Faust gepackt worden sein mochte, die sie wie einen Spielball herumschleuderte, bis sie einen dazu passenden Gegenfluch zustandegebracht hatte und keuchend auf dem Boden landete. Da setzte der Verschiebezauber wieder ein. Diesmal wanderte Laurentines Kammer bis zur untersten Ebene zurück. Ja, sowas war wirklich gemein. Hubert geriet nun bis zur nordöstlichen Ecke des Würfels. Vielleicht war er jetzt genau vor dem ihn befreienden Ausgang gelangt. Vielleicht war er weiter von diesem entfernt, als ihm lieb sein konnte.

"Schon gemein", wiederholte Sandrine etwas, was andere vor ihr schon gesagt hatten. Denn gerade geriet Gloria in eine stockfinstere Kammer hinein. Sie wendete dort auch aus Reflex ihren Patronus-Zauber an, bevor sie wohl wie Hubert ihre Augen auf Nachtsicht umstellte und nach einem Ausgang suchte.

Laurentine feuerte gerade einen Fluchzerstreuer in einen goldenen Raum hinein. Tatsächlich wechselwirkte dieser mit einem dort lauernden Zauber in einem Gewitter aus weißen, grünen und violetten Blitzen. Als dieses vorüber war trat sie in die Kammer hinüber. Doch kaum stand sie in dem Raum, und die Tür fiel zu, begann es aus der Decke zu regnen. Es war jedoch kein Wasser, sondern Goldkörner, so groß wie Erdnußkerne. Laurentine merkte, wie sie von diesem Goldregen regelrecht bestürmt wurde. War das echtes Gold? Jedenfalls kam der goldene Regen in immer dichteren Schauern von der Decke herunter, übergoß sie und bedeckte immer mehr den Boden. Die Beauxbatons-Schülerin erkannte sicher, daß sie nicht zu lange dort bleiben durfte, wollte sie nicht unter dem Goldregen verschüttet werden. Zunächst schaffte sie es, eine neue Kopfblase zu zaubern, um frei atmen zu können. Dann zog sie sich die Schuhe aus. Mit einer schnellen Abfolge von Verwandlungszaubern machte sie aus den Schuhen Stelzen und erklomm diese. Durch den goldenen Bodenbelag stakste sie zu einer der Wände, lehnte sich kurz an und suchte mit dem Lichtumkehrer nach Türen oder der Deckenluke. Sie fand keine. Sie ortete jedoch eine Bodenluke und führte den Zauber aus, mit dem sie einige Male zuvor eine Deckenluke aufgestemmt hatte. Die Bodenluke hob sich. Sofort hörte der Goldregen auf. Laurentine warf die stelzen dorthin, wo die Luke gerade offenstand und zauberte daran herum, bis die beiden Laufvorrichtungen zu zwei massiven Eisenträgern wurden, die die Luke nun offenhielten. Julius konnte das überlegene Grinsen der Mitschülerin sehen, als sie sich ihm und allen auf dieser Linie sitzenden Zuschauern zuwandte. Sie konnte nun bequem nach weiteren Türen suchen und fand zwei, eine mit Zugseil und eine mit verkleinertem Drehrad. Sie ließ die mit dem Drehrad aufklappen, dabei ruckelte die Bodenluke. Sie stieß immer heftiger gegen die Eisenträger. Dann war die Tür offen. Wieder jagte sie einen Fluchzerstreuer durch die Tür und erzielte keine Reaktion. Als sie sicher war, zumindest keinen schwarzmagischen Zauber fürchten zu müssen setzte sie einen Fuß durch die Türöffnung und zauberte auf die Eisenträger ein. Unter einem Blitz wurden daraus wieder Schuhe. Die Bodenluke schlug mit Urgewalt zu. Im Nächsten Moment setzte der Goldregen wieder ein. Darin wirbelten Laurentines Schuhe wie Herbstlaub im Sturm auf ihre Besitzerin zu. Die Schülerin schnappte sie aus der Luft und verschwand mit dem Rest ihres Körpers durch die Tür.

 

Julius schwenkte das Omniglas auf Gloria, die nun auch in einen weißen Raum geriet und scheinbar skelettierte. Hubert war inzwischen in einem rehbraunen Raum gelandet. Kaum war die Zugangstür zugeschlagen, sank er mit den Füßen ein wie in Morast. Julius sah genau, wie der Boden sich in pulsierenden Bewegungen immer mehr um Huberts Füße legte und langsam auch die Beine hinaufquoll. Das ganze ging zwar langsam vor sich, mochte jedoch sehr ernst ausgehen, wenn Hubert keine wirksame Abwehr hinbekam.

"Laurentine hat ihren Irrwicht getroffen", bibberte Céline. Julius schwenkte schnell um und erschauderte einen Moment. Denn Laurentine stand gerade einer mannsdicken, mindestens zwanzig Meter langen Schlange mit schwarzen, braunen und roten Schuppen gegenüber, die sich um sie zu winden begann. Der gewaltige breite Schädel reckte sich drohend bis zur Kammerdecke nach oben. Laurentine mußte ihre Angst niederringen. Dann schaffte sie es, den Riddiculus-Zauber zu rufen. Schlagartig war der Schlangenleib zu einem dreifachen Knoten mit Schleifen verdreht. Das Untier wand und wälzte sich, bekam sich jedoch nicht mehr auseinandergerollt. Die gespaltene Zunge war ebenfalls rettungslos verknotet. Das Ungetüm schwang den Schädel herum und verpuffte dann in einer Rauchwolke.

"Von dem Biest habe selbst ich noch Alpträume gehabt", schnarrte Céline. Gérard nickte. "Ihr Mädels habt auch alle durch die Bank weg geschrien, als Kö.., ähm, Madame Faucon Laurentine mit diesem Irrwicht zusammengebracht hat."

"Sei du besser ganz ganz ruhig. Ich sage nur Riesenköter." Gérard nickte reuevoll.

"Uääh, Schlingschlamm, eine hinterhältige Gallertkreatur", stieß Millie angeekelt aus und erwähnte, daß Hubert gerade mit diesem besonderen Geschöpf zu tun hatte. Tatsächlich hatte dieser jedoch schon längst herausbekommen, wie er damit fertig werden konnte. Er beharkte das braune Zeug mit einem Austrocknungszauber, wie Julius vermutete. Denn da, wo der Zauberstab hinzeigte, zerbröckelte das braune Material zu feinem Sand. Sofort ließ das schlammartige Etwas von ihm ab und rollte sich zu einer braunen kompakten Kugel zusammen und möglichst weit aus der Reichweite Huberts. Er fuhr noch einmal mit dem Ausdörrzauber über die bebende Kugel hinweg. Dann suchte er nach einem Ausgang.

Was die rosaroten Räume mit dem oder der anstellten, der in sie hineingeriet konnte Julius an Gloria sehen. Wie in rosarote Wattewolken gebettet schwebte sie zwei Meter über dem Boden und rollte sich dabei wie ein Ungeborenes im Mutterleib zusammen. Millie und Sandrine wiegten ihre Köpfe. Julius fragte, was für ein Fluch das sei. Doch die hinter ihm sitzenden Richterinnen und Richter gingen natürlich nicht auf seine Frage ein.

"Das ist sicher Amatas Ruhestatt", erwiderte Belisama. "Das ist eigentlich kein Fluch, sondern ein kombinierter Komfort- und Illusionszauber für Leute, die sich einmal von der stressigen Welt erholen wollen. Der vermittelt einem das Gefühl absoluter Geborgenheit und Leichtigkeit. Das der auch als Fallenzauber geht wußte ich bis heute auch nicht."

"Ja, und wie kommt man aus dieser Ruhestatt wieder frei?" Fragte Julius Belisama, die mal was kannte, was er tatsächlich noch nicht kannte.

"Die den für sich selbst machen wirken einen verzögerten Amplumina-Zauber, der sie zu einer gewünschten Zeit anleuchtet, um ihre Sinne wieder anzuregen. Aber es soll auch gehen, sich aus diesem Zauber freizumachen, wenn man bewußt an das schlimmste denkt, was einem je passiert ist und damit die Geborgenheit zerstört. Wenn Gloria den aber noch nicht kennt bleibt sie da jetzt so liegen wie Millies und Sandrines Kinder, bis der Hunger ihr so weh tut, daß sie aus dem zauber freikommt."

"Eigentlich was schönes, um sich mal zu entspannen", fand Gérard. "Wo kann ich den nachschlagen?"

"Ein Kessel voller Träume" von Justinianus Grünkern und Celestine Morningdew", erwiderte Belisama. "Das Buch habe ich zum siebzehnten bekommen, weil meine Eltern davon ausgingen, daß ich beim Trimagischen mitmachen möchte und daher vielleicht alle Traum- und Alptraumzauber kennen sollte." Julius nickte. Ja, das Buch hatten Millie und er auch bekommen. Höhere Zauberkunst war das. Da schrak Gloria aus ihrer Fötushaltung auf. Schlagartig verschwanden die sie bergenden Wolken.

"Gut, daß ich da nicht reinmußte", zischte Julius Millie zu. "Nachher hätte ich noch gedacht, ich hätte mit unserem Kind den Platz getauscht oder sowas."

"Hätte dir so passen können, daß ich für dich mitmampfe, Julius. Das mach besser selbst." Immerhin kannte Gloria den Zauber. Vielleicht hatte sie besagtes Buch auch gelesen. Julius erkannte wieder einmal, daß es immer noch mehr als genug gab, was er noch lernen konnte, ja lernen mußte. Immerhin konnte Gloria nun den Raum verlassen, um nun wie Laurentine in dieser sirupartigen Masse eines türkisen Raumes zu landen. Laurentine hatte inzwischen einen neuen Durchgang nach oben geöffnet und geriet nun in jene absolute Dunkelheit einer schwarzen Kammer. Was ihr dort widerfuhr konnten selbst die Zuschauer nicht mitbekommen, weil die Lichtlosigkeit ihre Körperkonturen restlos verschlang. Julius erkannte nur, daß Laurentine sich nicht zu lange in der totalen Finsternis aufhielt. Denn nur eine halbe Minute später verließ sie durch eine runde Tür den Raum, um in einen ockergelben Raum vorzustoßen. Gloria war indes in einer golden leuchtenden Kammer gelandet. Hier kam jedoch kein Regen von der Decke, sondern wuchsen goldene Stalakmiten aus dem Boden und bildeten einen immer dichteren Wald um Gloria. Wo sie an eine dieser Säulen stieß schoß eine Querverstrebung wie ein kräftiger Ast heraus und verlegte ihr den Weg. Wo ein solcher Quertrieb eine andere Säule berührte, erzeugte das einen von dort ausgehenden Quertrieb, der seinerseits eine Säule suchte. Gloria wendete den Testzauber für die Erkennung von echtem Gold an, wie Julius am Zauberstablicht sah. Die goldenen Säulen reagierten jedoch nicht so wie echtes Gold. Daraufhin zauberte Gloria etwas, daß die Säulen vor sich verschwinden ließ, offenbar den Renihilis-Zauber, der künstlich erzeugte Materie in das nichts zurückverwandelte, aus dem sie entstanden war. So schlug sie sich eine Bresche zur nächsten Wand, suchte nach einer Tür und suchte die nächste Wand ab. In der Decke war keine Luke. Nur im Boden war eine. Doch Gloria wollte nach oben. Endlich fand sie eine Tür und bekam diese auf. Kaum war sie hindurch zerfielen die goldenen Säulen, bevor die Würfelkammer den Blick auf eine weiße Kammer freigab. Wieder sahen die Zuschauer es so, als wäre jemand in einem Sekundenbruchteil zum Skelett geworden. Gloria hielt sich jedoch nicht zu lange mit einem möglichen Schrecken auf und suchte mit einer etwas unsichtbares umklammernden Knochenhand den Raum ab. Dann turnte die scheinbar auf ihre blanken Knochen abgemagerte Schülerin eine Sprossenwand hinauf und drehte mit ihren Knochenhänden an einem nicht sichtbaren Rad herum.

Laurentine widerfuhr in der ockergelben Kammer wohl ähnliches Ungemach wie Gloria vorher. Sie war einer Illusion aufgesessen, die nur sie wahrnehmen konnte. Einige Zeit sah es aus, als tanze sie einen wilden Rock 'n Roll ohne Partner, bis sie darauf kam, einen Zauber gegen Trugbilder zu wirken. Endlich konnte auch sie den nächsten Ausgang suchen.

Immer wenn die Champions nacheinander eine Kammer überstanden hatten verschoben sich die Würfel. Das die türkisfarbenen Zähflüssigkeitskammern außer der eingeschränkten Bewegungsfreiheit noch andere Gemeinheiten bargen stellte Julius fest, als Laurentine, die sich mal eben wieder auf der Grundetage aufhielt, von einem durchsichtigen, grünen Etwas überdeckt wurde, das wie eine gewaltige Amöbe versuchte, sie einzuverleiben. Laurentine schaffte es mit einer schwerfälligen Zauberstabbewegung, das sie zu verschlingen drohende Ungetüm mit einem Strahl aus Luft aufzublasen wie einen Ballon. Das gallertartige Geschöpf mußte sie freigeben. Es stieg träge wie eine Luftblase in Quecksilber nach oben zur Decke. Laurentine entkam durch eine gerade nach Süden weisende Tür und landete in einem rosaroten Raum und damit in Amatas Ruhestatt. Was mit dem von ihr aufgeblasenen Gallertwesen passierte konnte keiner mehr sehen.

Hubert erwischte einen weiteren Irrwicht und stand der nun zehn Meter großen Kopie seiner Großtante entgegen, die ihn von weit oben herab beschimpfte und ihn zu ergreifen versuchte. Sein Riddiculus-Zauber verpuffte einmal, zweimal. Dann erst schaffte er es, den Irrwicht zu bezwingen, um gleich danach in einen Raum zu stolpern, in dem ein Hitzezauber wirkte.

Laurentine, die sonst nichts von Zaubertieren wissen wollte, erwies sich als wahrhaftiger Schlingschlammschrecken. Denn als auch sie in einem der rehbraunen Räume mit diesen schlammartigen Geschöpf geriet fackelte sie nicht lange und hieb mit einem armdicken Strahl aus blauweißem Feuer auf die ihre Beine einhüllende Masse ein. Weißer Nebel quoll auf, und alle die Laurentine gerade beobachteten sahen eine riesige, qualmende Kugel, die gegen die Wand der Kammer krachte und zu einem kohlschwarzen aber noch pulsierenden Fladen auseinanderfloß.

"Mit der legen wir uns besser nicht mehr an", bemerkte Millie, die Laurentines rigorose Gegenwehr bewunderte.

"Warum hat die keinen Tierwesenkurs mitgemacht", quängelte Céline. "Gut, daß sie zumindest mit mir in den Büchern über exotische Lauerjäger nachgeschlagen hat. Das zahlt sich jetzt aus."

Hubert hatte aus fünf Minuten Amatas Ruhestatt gelernt, daß er bei rosarotem Licht gleich einen leichten Elektroschockzauber auf sich anwandte, bevor ihn die einlullende Wolke aufnahm und in die Sorglosigkeit des Ungeborenen versenkte. Laurentine geriet bei ihrem Weg nach oben erneut mit einer dieser Riesenamöben in einer türkisen Kammer zusammen und blies das sie bedrängende Geschöpf so heftig auf, daß es beinahe platzte. Offenbar galt jedoch, die angetroffenen Zauberwesen und Monster nicht zu töten. Als sie dann selbst in einer rosaroten Kammer festhing wurde sie von Gloria und Hubert überholt, bis sie es endlich schaffte, sich aus der trügerischen Geborgenheit freizudenken und freizustrampeln.

Die Fallen waren nicht überall gleich. Einmal geriet Hubert in einen silbernen Nebel hinein, der ein Spiegelbild von ihm erzeugte, das auf ihn losging und ihm etwas zurief. Er konnte sich damit retten, daß er sich selbst mit dem Deterrestris-Zauber an die Decke hob und die Spiegelung damit auflöste. Die blattgrünen Kammern bargen im Vergleich zu den Irrwichten Dinge und Personen, die offenbar geheime Wunschvorstellungen verkörperten. So traf Laurentine in einer solchen Kammer ihre Eltern und Anverwandten, keine Illusionen, sondern greifbare Erscheinungen. Erst als ihr klar wurde, daß das nicht ihre wahren Eltern waren, die sie anlächelten, schaffte sie es, in die nächste Kammer zu gelangen. Hubert fand sich, als er eine solche Kammer betrat, in einem grauen Nebel wieder. Julius glaubte jedoch, den hellen Körper einer hochgewachsenen Frauengestalt erkannt zu haben. Offenbar wirkte der Nebel nicht auf ihn, sondern als Blickschutz auf die Zuschauer, weil Hubert offenbar eine erotische Wunschprojektion ausgelöst hatte, und die Beauxbatons-Schulleiterin sicher nicht wollte, daß Huberts Schulkameraden mitbekamen, wovon er träumte. Warum die Irrwichte offen zu sehen waren und damit die Ängste der sie antreffenden zeigten erklärte sich Julius damit, daß Irrwichte wohl in allen Schulen zum Lehrplan für die unteren Klassen gehörten.

Huberts Vorsprung schmolz, weil was ihm auch immer in dem grauen Nebel widerfuhr ihn davon abhielt, weiterzulaufen. So konnten Gloria und Laurentine sich wieder bis ganz nach oben durcharbeiten. Erst als Hubert es schaffte, seine ständig wiederholte Wunschprojektion zu verdrängen und in einen stockdunklen Raum überwechselte, wurden die Kammern wieder verschoben, und die beiden Mädchen gerieten drei Stockwerke tiefer. Dann kam Hubert in die türkisfarbene Kammer, die Laurentine vorher schon einmal besucht hatte. Das aufgeblähte Gallertwesen hing immer noch unter der Decke fest. So konnte Hubert nur von der zähflüssigen Substanz gehemmt den Ausgang suchen und in die nächsthöhere Etage vordringen, wo er sich in einem kirschroten Raum wiederfand und einen Hitzezauber kontern mußte.

Er schaffte es, bis zum obersten Stockwerk zu gelangen, weil Gloria in einem ockergelben Raum in eine neuerliche Illusionsfalle geriet und zu lange brauchte, bis sie sich daraus befreien konnte. Hubert fand eine Tür, auf der in hellroter Leuchtschrift HUBERT RAUHFELS geschrieben stand. Sie führte zu einer himmelblauen Kammer, deren Tore sich nach oben öffneten. Hubert kletterte eine ausfahrende Leiter hinauf auf die Oberseite. Unvermittelt fuhr eine Rampe aus der Oberseite aus und wurde zu einer breiten Rutsche, die bis auf den Boden des Quidditchstadions führte. Hubert nahm die Einladung sofort an und rutschte laut jubelnd in die Freiheit. Seine Mitschüler jubelten laut.

 

Laurentine erreichte nach einem Umweg über vier Kammern ebenfalls die obere Etage. Doch als sie eine verheißungsvolle Tür vor sich sah, leuchtete ihr der Schriftzug GLORIA PORTER entgegen. So mußte sie darauf hoffen, schnell genug den ihr zustehenden Ausgang zu finden. Doch da hatte Gloria die sie überkommende Illusion niedergerungen und war nun ebenfalls auf ihrem Weg. Deshalb wurde Laurentine erneut um gleich zwei Etagen abgesenkt und mußte durch einen Blattgrünen Raum. Die Erfahrung damit hatte sie jedoch gelehrt, nicht hinzusehen oder hinzuhören, wer oder was sie dort erwartete. Sie schaffte es, aus der Kammer freizukommen. IN der Zeit hatte Gloria nach dem letzten ihr ein abstoßend Häßliches Ebenbild vorgaukelnden Irrwicht den für sie reservierten Ausgang erreicht und geöffnet. Sie sprang in die Luft, als sie den unverstellten Himmel über sich sah. Sie eilte über die Oberfläche des Würfels und ließ sich über eine weitere Rutsche in die Tiefe gleiten. Nun lag es allein bei Laurentine, ob sie aus eigener Kraft dem Würfel der Wirrsal entging. Julius fürchtete schon, daß dieser nun bei jeder neuen Kammer seine Einzelräume verschob. Doch er mußte feststellen, daß bei nur noch einem darin herumirrenden Champion nicht bei jeder Kammer, sondern jeder dritten Kammer eine Neuordnung ausgelöst wurde. Dennoch schaffte es Laurentine dreißig Minuten hinter Hubert und zehn Minuten hinter Gloria, den für sie zuständigen Ausgang zu öffnen. Als sie auf der Oberseite des Würfels stand und die drei bereits ausgefahrenen Rutschen sah erkannte sie, daß sie die letzte der drei war. Sie rang mit Tränen. Offenbar hatte der Wille zum Durchhalten sie bis hierher kämpfen lassen, das Gefühl, noch unter den beiden ersten herauszukommen. Erst auf Célines und Belisamas aufmunterndes Winken und Zurufen nutzte sie die für sie ausfahrende Rutsche, um auf den Boden zurückzukehren. Die drei Champions hatten es geschafft. Keiner von ihnen hatte vorzeitig aufgegeben, obwohl das zermürbende Verschieben der Kammern sicher einen gehörigen Druck auf die seelische Verfassung ausgeübt hatte. Julius fragte sich einmal mehr, warum dieses Ungetüm von Zauberwürfel gleich als erste Bewährungsprobe drangekommen war. Was konnte das hier noch übertreffen?

"Damit, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, ist diese Runde des trimagischen Turnieres beendet!" Rief Hippolyte Latierre erfreut, alle Champions größtenteils unversehrt wiederzusehen. Die angereisten Schüler bestürmten ihre Champions. Gloria und Hubert hatten zumindest als die beiden ersten den Würfel verlassen. Doch nun fand noch die Punktevergabe Statt. Jeder der fünf trimagischen Richter hatte sich Notizen gemacht. Offenbar hatte Julius auch mit seinem Hinweis auf die inverse Logik einen wichtigen Hinweis geliefert. Zumindest deutete er das erfreute Lächeln Madame Faucons und seiner Schwiegermutter so, als hätte das ihre Punktezuteilung für Laurentine verbessert. Doch das konnte auch nur Einbildung sein.

"Ich bitte die drei wackeren Champions, nun die Wertung der fünf Richter entgegenzunehmen." Laurentine, die ihre erste Frustration überwunden hatte, nur dritte geworden zu sein, stellte sich mit erhobenem Kopf neben Gloria, die sichtlich erleichtert aussah, aus diesem ständig neu geordneten Würfel entkommen zu sein. Hubert freute sich unverhohlen über den ersten Platz.

Hinter Julius und den anderen Ehrenlogenbesuchern entstand mit lautem Knall ein breiter und hoher Wandschirm. Dahinter berieten sich die Richter über den Ausgang der Runde. Sie verglichen ihre Beobachtungen und legten ihre Einzelbewertungen fest, ohne daß die Ehrenlogenbesucher etwas davon mitbekamen. Dann verschwand der aufgebaute Sicht- und Mithörschutz so plötzlich, wie er entstanden war. Madame Latierre verkündete mit magisch verstärkter Stimme, das nun die einzelnen Richter ihre Punkte für die Schnelligkeit bekanntgaben. die drei Schulleiterinnen und Hippolytes Kolege aus dem Ministerium verstärkten ihre Stimmen und verkündeten ihre Einzelwertungen.

"Ich hätte Monsieur Rauhfels für die schnellste Durchquerung des Würfels eigentlich gerne die zwei Schnelligkeitspunkte vergeben. Doch weil er zweimal durch eine Kammer gelangte, wo ein von seinen mitbewerberinnen ausgeräumtes Hindernis keine Beeinträchtigung bot kann ich ihm gerade nur einen Punkt zuteilen", sagte Professor McGonagall. Die Greifennestler buhten vernehmlich. In dieser Teilrubrik vergab auch die Gräfin nur einen von zwei möglichen Punkten, was ihre Schüler sehr verstört dreinschauen ließ. Dieser Wertung folgte auch Madame Faucon, was die Greifennestler wieder in Unmutsäußerungen ausbrechen ließ, während die Hogwarts-Schüler schadenfroh kicherten und die Beauxbatons-Schüler ganz ruhig blieben.

"Zufall und rasches Handeln und Bestehen ergaben das Tempo. Da Monsieur Rauhfels es sich nicht aussuchen konnte, durch Kammern zu laufen, in denen bereits ausgeschaltete Gegner oder Fallen vorhanden waren bleibt mir als objektives Kriterium für die Schnelligkeitswertung eben nur die Zeit, die jemand benötigt hat. Daher erhält Monsieur Rauhfels von mir beide Punkte in der Kategorie Schnelligkeit", gab Monsieur Chaudchamp seine Wertung ab. Damit hatte Hubert die ersten fünf Punkte. Fehlte noch Madame Latierre. Diese schloß sich jedoch der Meinung aller anderen Hexen im Fünferaufgebot der Richter an und gab Hubert den einen Punkt für die schnellste Zeit, aber nicht beide Punkte für die schnellste Durchwanderung des Würfels. Nun erfolgte die Zuteilung in der Kategorie Durchhalten. Hier bekam Hubert alle zehn möglichen Punkte von allen fünf Richtern zusammen. Gleiches geschah in der Ausdauer und im Wagemut. Allerdings erwischte er in der fünften Bewertung, kreatives Zaubern keine gute Position. Denn bei einigen Kammern zeigte er, daß er gerade einmal den Nigerilumos-Zauber oder den Breitbandfluchzerstreuer benutzen konnte. Als auch er mit den Wichteln aneinandergeriet hatte er sogar auf Magie zur Abwehr verzichtet und die fliegenden Plagegeister mit bloßen Fäusten bewußtlos geschlagen. Insgesamt kam er in der fünften Kategorie auf gerade zwei von zehn erreichbaren Punkten Somit schnitt er mit 38 Punkten in dieser Runde ab.

"Mademoiselle Gloria Porter erreichte den für sie bestimmten Ausgang als zweite, wobei auch sie dem allen übergeordneten Zufall unterworfen war. Allerdings hat sie in einigen Kammern mehr Zeit benötigt, um die dort vorhandenen Hemmnisse und Gegner zu bezwingen. Wie lauten die Einzelwertungen für Schnelligkeit für Mademoiselle Porter?" Fragte Madame Latierre das Votum der fünf Richter ab. Von Gräfin Greifennest erhielt Gloria null von zwei möglichen, von jedem anderen einen, also in dieser Rubrik vier Punkte. Gloria blickte beinahe schicksalsergeben zu den fünf Richtern hinauf. Als sie dann in den Kategorien Ausdauer, Durchhaltevermögen und Wagemut jedesmal die Höchstwertung bekam kehrte ein Lächeln auf ihr Gesicht zurück. In der Kategorie kreatives Zaubern verbuchte sie wegen ihrer raumgreifenden Wichtelabwehr und der raschen Überwindung der Dunkelkammern und der Hitzefallen alle zehn von zehn möglichen, womit sie mit 44 Punkten bereits an Hubert vorbeizog. Das freute die Hogwarts-Schüler, aber auch die, die Gloria vor drei Jahren als Austauschschülerin kennengelernt hatten, darunter auch Laurentine Hellersdorf, die Gloria bereits beglückwünschte. Doch noch stand ihre Auswertung der ersten Runde an.

"Mademoiselle Hellersdorf kam als letzte aus dem Würfel frei, wobei sie zeigte, daß es nicht an ihrem Ungeschick lag, sondern der Zufall ihr den Weg verlängert hatte. Daher gebe ich Mademoiselle Hellersdorf beide möglichen Schnelligkeitspunkte", eröffnete die Gräfin die Runde. Ihre Schüler stießen Laute des Erstaunens aus. Als auch Professor McGonagall diese Wertung verkündete sah sie sich verstörten Hogwarts-Schülern gegenüber. Madame Faucon vergab ebenfalls zwei Punkte, weil sie, soweit sie eigene Beobachtungen zu Rate ziehen konnte und die Beobachtungen der Kollegen einbeziehen konnte, eine höchst zügige Umsetzung der Präventiv- und Defensivzauber anerkennen konnte. Monsieur Chaudchamp vergab für die drittschnellste Zeit einen Ehrenpunkt, eben auch, weil ihm klar war, daß Laurentine zum Teil durch die zufällige Wegführung aufgehalten worden war. Madame Latierre vergab an Laurentine wegen ihrer schnellen Beantwortung der ihr entgegengesetzten Hindernisse auch zwei Punkte. Damit bekam die drittschnellste die höchste Wertung in der Rubrik Schnelligkeit mit 9 Punkten von 10 möglichen. In den anderen Kategorien heimste sie die höchstwertung ein, ins besondere in der Rubrik kreatives Zaubern, weil sie durch die Einbringung inverser Logik eine für die Richter unverhoffte Lösung der Probleme aufgezeigt hatte. "Einen Zusperrzauber durch einen Türschließungszauber zum Türöffnungszauber umzukehren fällt wirklich nicht jedem ein. Ebenso, daß der Deterrestris ein gegen die vorherrschende Schwerkraft verlaufender Zauber ist, der bei einem die Schwerkraft umkehrenden Feld eine körpereigene Normalschwere herstellt ist beachtenswert. Auch das Aufblasen zum Emporheben der in der Trägheitsverstärkten Luft lauernden phagozytischen Kreaturen war eine beeindruckende Darbietung kreativer Abwehrzauber. Allerdings hätten Sie sich bei der Bekämpfung eines Schlingschlammexemplares durch den gebündelten Blauflammenstrahl fast disqualifiziert, da Ihnen vor der Runde auferlegt wurde, die lebendigen Gegenspieler nicht zu töten, da sie eben auch für die beiden anderen Champions bereitzustehen hatten", sagte Madame Latierre. Dann blickte sie die Richter fragend an. Alle nickten. "In Anbetracht dessen, daß Sie uns allen Alternativen zu Standardzaubern aufgezeigt haben und auch ohne fundierte Ausbildung im Bereich magischer Tierkunde furchtlos und erfolgreich vorgegangen sind haben wir uns darauf verständigt, einen Zusatzpunkt für Ihre Kreativität zu vergeben. Damit entfallen auf Sie elf Kreativitätspunkte." Die Beauxbatons-Schüler johlten los. Die Letzte war in dieser Runde die Erste geworden. Die Greifennestler fühlten sich um den Ruhm ihres Champions betrogen und buhten laut. Doch im Jubelorkan der Beauxbatons-Schüler und den schadenfroh lachenden Hogwartianern, weil der deutsche Draufgänger den untersten Platz in dieser Wertung abbekommen hatte, fielen diese Unmutsäußerunen überhaupt nicht ins Gewicht. Auch Julius freute sich für Laurentine. Hubert machte Gesten gegenüber seiner Schulleiterin. Diese bedeutete ihm durch Handzeichen, gleich für ihn ansprechbar zu sein. Doch zunächst mußte die Runde offiziell beendet werden. Das tat Madame Latierre mit den magisch verstärkten Worten: "Damit, Mesdames, Messieurs et Mesdemoiselles, erkläre ich die erste Runde im trimagischen Turnier für beendet. Die zweite Runde wird am vierundzwanzigsten Februar des Jahres zweitausend stattfinden. Hierbei werden sie drei sich unbekannten Gefahren stellen und der Befähigung im lösen von Rätseln zu stellen haben. Näheres dazu im Januar des kommenden Jahres. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit."

"Nichts für ungut, Madame Latierre, was kann nach diesem verrückten Würfel noch kommen?" Fragte Julius, als Madame Latierre sich zum gehen anschickte.

"Ich weiß, daß Sie viel Phantasie und Logik mit fundierter und disziplinierter Ausbildung vereinen, Monsieur Latierre. Insofern möchte ich Ihnen die Freude an eigenen Überlegungen nicht verderben", erwiderte Madame Latierre. Dann wünschte sie Julius und Millie noch eine beschwernisarme Zeit. "Wir sehen uns sicher beim trimagischen Weihnachtsball", flüsterte sie den beiden noch zu. Julius nickte ihr verstehend zu.

"Okay, Leute, die Fete kann steigen. Unsere Championette hat die erste Runde gewonnen", tönte Gérard. Sandrine, Millie und Belisama grummelten, daß sie gerne mitfeiern würden. Doch eine unangemeldete Feier in einem für alle zugänglichen Raum durfte es auch beim trimagischen Turnier nicht geben.

Gloria zeigte sich im Vergleich zu Hubert Rauhfels als faire Mitstreiterin und gratulierte Laurentine zum Gewinn der ersten Runde. Julius kam noch hinzu, bevor die Hogwartianer von ihrer Schulleiterin eingesammelt werden mochten. "Das möchte ich jetzt aber bitte wissen, was für ein blaues Flimmerlicht du gegen die Wichtel heraufbeschworen hast, Gloria."

"Huch, den haben Sie dir hier nicht beigebracht. Habe ich auch erst bei Oma Jane gelernt. Das Licht ist eigentlich eine Nebenwirkung, weil die Zauberkräfte sich immer wieder an meinem Körper entladen. Eigentlich ist das eine Übertonsphäre, ihr Muggelstämmigen sagt Ultraschall dazu. Sie kann alle für hohe Töne empfindliche Wesen bis auf die eigene Rufweite zurücktreiben, ohne die eigenen Ohren zu gefährden, weil der erzeugte Schall von einem wegfliegt, ohne den eigenen Körper zu berühren. Oma Jane hat den von einer Ungeziferexpertin aus ihrer Schulmädchenzeit gelernt und den Pina, Mel, Myrna und mir beigebracht. Wir können uns ja mal treffen, daß ich den dir und Millie zeige. Oma Jane warnte mich aber davor, daß der auf Blut und andere Körperflüssigkeiten erhitzend wirkt, wenn er nicht auch in den Ohren sticht."

"Jeanne hat ihren zweien gestattet, eigene Luft zu atmen, Gloria. Julius kann sie ja anschreiben und lieb fragen, ob sie mir ihren Umstandsumhang mit Schallschutzrunen ausleiht."

"In den mußt du aber wohl erst mal reinwachsen", erwiderte Gloria verwegen grinsend.

"Sag das meiner Tochter. Essen tu ich ja echt schon genug für die Kleine."

"Echt, das wißt ihr schon. Na ja, hat Madam Merryweather uns Mädels in Thorny auch erzählt, daß das mit den modernen Einblickspiegeln schon nach vier Monaten zu sehen ist. Das erinnert mich an diese blöden rosaroten Flauschewolken. Die haben mich kalt oder besser warm und mollig erwischt. Habe sogar ein großes, schlagendes Herz und fremde Atemgeräusche gehört. Allerdings habe ich nicht die Stimme meiner Mutter, sondern die von Oma Jane gehört. Irgendwie habe ich da gemerkt, daß ich nicht zurück auf Anfang geschrumpft bin. Denn als meine eigene Tante wollte ich ja wirklich nicht noch mal zur Welt kommen, abgesehen davon, daß mir dabei einfiel, daß Oma Jane leider keine Kinder mehr bekommen wird. Das hat mich aus diesem Zauber rausgezogen. Hat euch wer erzählt, was das für eine gemeine Falle war, die kein Fluchbrecher wegräumen wollte?"

"Ein beruhigungszauber für gestreßte Leute", sagte Julius und gab Gloria das weiter, was Belisama ihm und Millie erzählt hatte und auch, daß er diesen Zauber auch noch nicht gekannt hatte. Das beruhigte Gloria. Millie wollte dann noch wissen, wie Gloria die Hitzezauber in den kirschroten Kammern abgewehrt hatte.

"Cryodermis, Millie und Julius. Das ist der Zauber für alle, die trotz Gleichwarmbezauberung von Kleidung lange in der Wüstenhitze herumlaufen müssen. Er senkt die Hauttemperatur auf die Hälfte bis ein Zehntel der Außentemperatur ab. Allerdings hält der nur solange vor, bis die Hitze unter den Wert der Körpereigenen Normaltemperatur abgesunken ist. Den haben wir von Madam Merryweather gelernt, Betty, Jenna, Kevin und ich, weil sie der Meinung ist, daß alle Thorntails-Schüler den zu können haben, wo die Schule selbst in einer Wüstengegend liegt."

"Die anderen zwei haben nämlich Probleme gehabt, die Hitze zurückzudrängen. Der Zauber hat sich dann in den Wänden gestaut", erwähnte Julius.

"Gegen Hitze kann man schon einiges aufbieten. Aber der von mir erwähnte Zauber macht, daß du nackt in einen Kessel mit kochendem Wasser baden kannst, ohne dir die Haut oder den Rest vom Körper zu verbrühen, sagt Madam Merryweather. Julius wurde nachdenklich, als der Name der Thorntails-Schulkrankenschwester schon ein zweites Mal genannt wurde. Immerhin hatte sie ihn und seinen infanticorporisierten Vater aus der kalten Wüstennacht gerettet. Immerhin hatte sie seine Mutter vor einer schweren Alkoholvergiftung bewahrt. Tja, und möglicherweise hatte sie seinen möglichen Stiefvater zur Welt gebracht. Aber das lag noch weit genug weg.

"Gloria, dir ist doch klar, daß Madame Rossignol dir genauso zugesehen hat wie wir und natürlich fragen wird, wie du dieses oder jenes gemacht hast, was deinen Körper geschützt hat, sofern sie diesen Cryodermis-Zauber noch nicht kennen sollte. Dürfen wir ihr das erzählen?"

"Nichts für ungut, Julius. Aber wenn sie dich anweist, ihr das zu erzählen oder dich beauftragt, mich um einen Gesprächstermin bei ihr zu bitten, bringt es wohl nichts, wenn ich das ablehne. Außerdem sind diese Zauber keine geheimen LI-Sachen. Der Wichtelabwehrzauber wird wohl in den Staaten in der Ungezieferbekämpfung des Ministeriums unterrichtet, und der Hautkühlungszauber könnte, wenn sie den echt noch nicht kennt, per Eule von Madam Merryweather erfragt werden. Da sehe ich es ein, daß sie dann den schnelleren Weg nehmen möchte und mich fragt. Dann mache ich quasi die Flucht nach vorne. Ihr habt doch eure Konferenzen am Sonntag oder?"

"Das ist richtig", erwiderte Julius. Millie nickte. "Gut, dann schlage eurer Schulheilerin vor, daß ich gerne bei einer solchen Konferenz die Zauber vorstelle, die sie noch nicht kannte und von denen sie denkt, daß ... Hups, der Greif gewahrt seinen Namen", endete Gloria abrupt, weil Madame Rossignol just in dem Moment auf sie und die beiden Pflegehelfer zukam.

"Es war eine sehr lehrreiche Vorführung gesundheitserhaltender Zauber, die du uns geboten hast, Gloria. Das mit der hautnahen und somit hautebenengleichen Hitzeabwehr ohne Gleichwärmebezauberung der Kleidung hat meine US-amerikanische Kollegin Merryweather zwar schon erwähnt. Sie hielt es aber bisher nicht für nötig, eine schriftliche Veröffentlichung dazu erarbeiten oder interessierten Heilkundigen über Natur und Hergang dieses Zaubers zu informieren. Ich gehe davon aus, daß Millie und Julius dich auch in meinem Namen gefragt haben, woher du diesen und ein paar andere Zauber gelernt hast. Darfst du darüber vor interessiertem Publikum sprechen?"

"Das haben wir gerade erörtert, Madame Rossignol", entgegnete Gloria. "Soweit ich weiß halten Sie mit den anderen Pflegehelfern jeden Sonntag eine Besprechung ab. Falls Sie möchten, kann ich bei dieser Gelegenheit die drei Zauber besprechen, die Madam Merryweather mir beigebracht hat und von denen sie gesagt hat, daß sie keine Privatzauber oder Staatsgeheimnisse von ihr sind."

"Wunderbar, Gloria. Dann werde ich des Dienstweges zu Liebe Madame Faucon darum bitten, bei deiner Schulleiterin anzufragen, ob du uns am kommenden Sonntag über die von dir vollführten Zauber berichten und sie uns auch beibringen kannst."

"Wenn Sie den offiziellen Dienstweg nehmen könnte es Ihnen passieren, daß Professor McGonagall diese Anfrage zurückweist, weil sie möchte, daß ich wertvolle Zauber für die beiden kommenden Runden für mich behalte."

"Kennt Madam Pomfrey diese und ähnliche Zauber schon?" Fragte die Heilerin von Beauxbatons. Gloria schüttelte den Kopf.

"Ja, und soweit ich weiß möchtest du in diesem Jahr auch als offizielle Vertreterin von Hogwarts die UTZs machen und wirst wohl sicher danach nicht mehr nach Hogwarts gehen. Insofern könnte es für uns Schulheiler und -heilerinnen schon sehr nützlich sein, relativ zeitnah wichtige Zauber zu erlernen."

"Das klären Sie dann bitte mit Professor McGonagall", erwiderte Gloria diplomatisch. Dann sah sie ihre Schulleiterin, die zu ihr hinkam, um ihr noch einmal zu gratulieren. Zwar hatte sie nur den zweiten Platz in dieser Runde errungen. Doch das war eher ein Hinweis auf mehr.

Beim Abendessen schwieg Kevin Malone ungewohnt hartnäckig. Julius fragte ihn einmal, ob ihm irgendwas über die Leber gelaufen sei.

"Ich habe heute nur lernen müssen, daß eine große Klappe noch keinen Champion macht", grummelte Kevin. "Die beiden Mädels haben diese Minimonster so weggeputzt, da hätte ich neidisch werden können. Und die beiden machen keine Pflege magischer Geschöpfe. Allein wie eure Laurentine diesen Schlingschlamm gebraten hat war echt hammerhart. Und einen Gallertomorphgloboiden oder Schleimsack wie 'nen Luftballon aufzublasen wäre mir auch nicht eingefallen. Ich hätte den wohl mit ätzender Säure abgespritzt, bis es ratsch gemacht und den in seine einzelnen Wassertropfen aufgelöst hätte."

"Hubert fand das nicht so lustig, daß erst Gloria und dann noch Laurentine in der Wertung an ihm vorbeigerutscht sind", grinste Julius.

"Deshalb sage ich ja, ein Großmaul macht noch keinen Champion, und wie der uns Sechstklässlern und vor allem mir gegenüber rumgetönt hat war total bescheuert. Da habe ich dem diesen Punktabzug wegen des luftgefüllten Globoiden gegönnt."

"Ich denke weiter, daß du das gerne selbst ausprobiert hättest, durch diesen Würfel zu laufen. Aber der Feuerkelch wollte uns beide eben nicht mitspielen lassen."

"Zumindest konnte ich vergleichen, wer wie mit was fertig wurde. Die Dunkelkammern waren ja voll fies. Hat der Greifennesthocker echt 'nen Patronus gemacht, weil der dachte, gleich von 'nem Dementor geknutscht zu werden?"

"Sagen wir mal so, er wollte mit Stil Licht machen. Das ist ihm gelungen", erwiderte Julius. Kevin lachte darüber.

"Morgen kriegen wir im Unterricht bei Professeur Fourmier eine eurer Latierre-Kühe zu sehen. Die wird von einer Barbara Latierre vorgeführt."

"Ich kenne zwei. Welche meinst du, die ältere oder die jüngere?" Erwiderte Julius.

"Die damals mit dieser einen Kuh Bellona bei euch in Millemerveilles gewesen ist und dir und Millie diese Temmie zur Hochzeit geschenkt hat. Die kommt morgen mit einer Arielle zu uns, hat die Lehrerin gesagt."

"Arielle, die ist gerade trächtig, im ersten Viertel", wußte Julius. "Verstehe, die möchte euch zeigen, daß die Latierre-Kühe auch mit Kalb im Leib noch gut fliegen können."

"Wird sicher lustig, wenn die Mädels aus dem Greifennest so'n dickes Mädchen mal aus der Nähe zu sehen kriegen."

"Garantiert", pflichtete Julius dem ehemaligen Mitschüler und Hauskameraden bei. Dann sagte er, daß sie am Donnerstag Drachen kucken fliegen würden. Kevin knurrte verärgert und blaffte ihn an, daß er ihm so tolle Sachen nicht unter die Nase reiben sollte, wo er wohl so schnell keinen echten Drachen mehr zu sehen bekäme."

"Vielleicht bringen die im Turnier doch noch mal welche", äußerte Julius eine Vermutung.

"In der dritten Runde. Wer am schnellsten hinter einem Drachen mit Dünnschiß saubermachen kann, wie? Dann weiß ich sicher, daß das mit dem Kelch doch gut gelaufen ist."

"Moment mal, wie hast du das gerade genannt, was bei einem Drachen hinten rausfällt?" Fragte Gérard. Kevin sah den Silberbroschenträger an und fragte ihn, ob er heute noch wen ärgern müsse oder lieber mit der beruhigenden Gewißheit ins Bett gehen wolle, sich mit keinem angelegt zu haben. Julius sagte zu Gérard, daß der Ausdruck zwar magizoologisch unhaltbar sei, jedoch allgemeinverständlich und damit unmißverständlich sei. Allerdings bat er Kevin darum, vor empfindlichen Ohren werdender Väter, wobei er sich mit einbezog, keine wüsten Ausdrücke mehr zu benutzen und sprach Kevin eine mündliche Verwarnung ohne Strafpunktezuteilung aus. Kevin nickte nur und sagte dann: "Wir sehen uns dann morgen früh wieder zum Frühstück."

"Madame Faucon hätte dir das eben nicht durchgehen lassen", grummelte Gérard, als er und Julius im Separaten Schlaftrakt für verheiratete Schüler standen.

"In einem Punkt hat Kevin recht, wir sollten uns drauf besinnen, wirklich schädliche Sachen von harmlosen Sprüchen zu unterscheiden, Gérard. Oder hast du heute noch kein Erfolgserlebnis gefeiert."

"Ja, ich habe mich heute morgen nicht von meiner Frau vollkot..., mit halbverdautem Zeug bekleckern lassen, weil ich noch schnell genug zur Seite gerollt bin. Wenn deine Angetraute auch so viel spuckt wie sie vorher ist solltest du dir vielleicht grünes Nachtzeug zulegen, da sieht man die Flecken dann nicht so heftig."

"'tschuldigung, Gérard, ich verstehe zwar sehr gut, daß dich das anekelt und nervt, daß Sandrine nicht schneller aus dem Bett kommt, als ihr Magen den Rückwärtsgang einlegt. Aber sie kann doch auch nichts dafür. Ich dachte, ihr hättet auch Madame Rossignols Version vom Schweinosaurus-Müllschlucker neben dem Bett stehen. Millie hat sich so'n Eimer zumindest hingestellt und speit da alles rein, was die kleine nicht durch die Nabelschnur ziehen wollte."

"Häh? Schweinosaurer Mülleimer?! Was für'n Muggeldings soll denn das sein?" Erwiderte Gérard und mußte gegen seine verdrossene Stimmung grinsen. Julius erzählte ihm von den praktischen Haushaltsgegenständen der Comic-Familie Feuerstein aus der Steinzeit und sang sogar die Titelmelodie der Trickfilmversion.

"Achso, weil die damals vor hunderttausend Jahren keine Blecheimer kannten haben lebende Wildschweine den Müll zu fressen bekommen? Neh, das will Sandrine sicher nicht haben. Nachher hat sie die Rüsselnase im Gesicht, weil das Müllschwein nicht warten möchte, bis Sandrine freiwillig was rauswirft."

"Ach, klagst du ihm dein Leid, du armer kleiner mißhandelter Junge?" Fragte Sandrine, die gerade in den Schlaftrakt kam und wohl noch Gérards letzten Satz aufgeschnappt hatte.

"Er hat sich nur gewundert, daß du keinen gescheiten Auffangeimer neben dem Bett hast. Ich dachte, Madame Rossignol hätte sowas."

"Bis ich mich richtig hingedreht habe kommt es mir auch schon hoch. Die zwei da unten drin mögen offenbar keine Bouillabaisse mit Zitronenkuchen."

"Ich auch nicht, vor allem, wenn sie mir halbverdaut auf der Bettdecke und der Schlafanzugjacke serviert werden", schnarrte Gérard.

"Millie hat noch welche von den Verschwindespucktüten für unterwegs. Sie meinte, du könntest auch gleich ihre Tante Béatrice anschreiben, daß die dir auch welche schickt."

"Hera, also Madame Matine hat das auch schon vorgeschlagen. Werde ich wohl drauf zurückkommen müssen, bevor mein Süßer hier aus Sympathie für unsere zwei mitspeit."

"Sehr witzig, Sandrine", grummelte Gérard. Dann fand er, daß es langsam Zeit zum Schlafengehen war. Er sollte auf Anweisung Madame Rossignols morgen Frühsport treiben, um seine Kondition auf Vordermann zu bringen. Das bekam Millie mit, die gerade ihre letzten Saalsprecherinnenpflichten im roten Saal erledigt hatte.

"Callie und Pennie geben dir mindestens eine Minute Vorsprung, Gérard. Wenn du vor denen bleibst bist du fit genug."

"Du auch noch", grummelte Gérard und zog in Richtung Dumas-Bad davon.

"Ich werde wohl demnächst von diesen Spucktüten gebrauch machen, Millie. Gérard quängelt schlimmer rum als jedes Baby. Nachher muß ich den auch noch mit großfüttern."

"Womit?" Fragte Millie herausfordernd. Sandrine verzog das Gesicht, mußte dann aber überlegen grinsen. "Glaub's mir, Millie, daß ich die zwei und wenn's sein muß sogar deine Kleine rund und gesund kriege, wenn ich loslege."

"Wäre auch zu schade wenn nicht", erwiderte Millie unbeeindruckt. Dann fragte sie, ob Julius zuerst ins Bad wolle. Er nickte. Daß die beiden werdenden Mütter noch leise miteinander tuschelten bekam er zwar mit, dachte aber, daß es keinen Grund gab, sich für irgendwas schuldig zu fühlen.

Als Millie und er nebeneinander lagen fühlte er sich wohl und geborgen, fast wie das kleine Mädchen, daß hinter ihrem Bauchnabel auf seinen großen Tag wartete, auf den neuen Morgen.

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