Am Morgen des ersten Schultages nach der Prüfungszeit brachte ein Steinkauzmännchen einen Brief für Julius, der wohl aus dem Château Florissant kam, weil das Siegel auf dem Umschlag das Wappen der Eauvives trug. Der Brief war jedoch in der Handschrift seiner Mutter verfaßt.
Hallo, Julius!
Antoinette riet mir, dir erst dann zu schreiben, wenn du deine Prüfungen überstanden hast. Daß du sie bestehen wirst gilt für sie und mich als sicher. Falls es doch das eine oder andere gibt, was dich beeinträchtigt hat, so sei darüber bitte nicht traurig. Du hast in den letzten sieben Jahren so viel neues erleben und erlernen müssen, daß das alles nicht an einer ungünstig verlaufenen Prüfung zerbrechen wird.
Was ich dir eigentlich schreiben möchte, und ich hoffe, du kannst dies mit der für einen erwachsenen Mann nötigen Besonnenheit ertragen, ist folgendes.
Wie du weißt war ich ja im letzten Jahr genauso stark in Lern- und Prüfungsvorbereitungen einbezogen wie Millie und du. Allerdings haben mir die Eauvives und L'eauvites doch den einen oder anderen freien Tag gegönnt. So war ich Mitte Mai für zwei Wochen in den Staaten. Zum einen habe ich mich dort mit den Leuten getroffen, die die Internetverbindung zum Pariser Kontaktbüro zwischen magischer und nichtmagischer Welt halten. Die sind jetzt nicht mehr so überheblich, seit sie lernen mußten, wie anstrengend es ist, die schnelle Nachrichtenverbreitung im Internet verfolgen und gegebenenfalls korrigieren zu müssen. Des weiteren habe ich mich mit Bekannten aus der Zaubererwelt getroffen. Zachary Marchand ist tot, Julius. Er kam kurz vor Weihnachten im letzten Jahr bei einer Bombenexplosion ums Leben. Ein Zauberer, der mit ihm flüchtigen Kontakt hatte, erwähnte, daß seine Eltern von diesen Vampiren entführt worden seien und diese ihm wohl immer noch nachgestellt hätten. Warum das so war wußte der Kollege aus New York nicht. Eine Alexis Ross aus Denver hat mich an einem Wochenende zum Kaffeetrinken eingeladen. Sie wollte unbedingt die Mutter des jungen Mannes kennenlernen, der einmal mit Jane Porter auf einem alten Sofa zu ihr ins Haus gepoltert ist, sagte sie mir. Offenbar hast du bei ihr und ihrem Mann einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die beiden haben ja auch Kinder, Zwillinge, zwei Jungen namens Bill und Brad. Sie wünschen dir auf jeden Fall alles Glück und das Durchhaltevermögen, um die UTZs zu packen. Alexis' texanischer Mann, der ja auch keine Zaubererwelteltern hat, sagte wörtlich: "Sag deinem Jungen, er soll alle UTZs erlegen, die ihm vor den Lauf kommen!" Dann haben sie mich auch beglückwünscht, eine so junge Großmutter zu sein.
Als ich noch einige Tage frei hatte habe ich die Einladung von Lucullus Enceladus Merryweather erhalten und angenommen. Wir haben uns ja früher schon häufiger getroffen. Irgendwie, ich kann es weder vernünftig noch ursächlich abfolgend erklären, hat das Ereignis, wo wir uns kennenlernten, doch eine gewisse Wirkung entffaltet. Jedenfalls fanden wir genug Zeit, uns darüber zu unterhalten, worin wir einander gleichen oder verschieden sind. Tja, und irgendwie fanden wir, daß die Gemeinsamkeiten ein harmonisches, und die Unterschiede ein abwechslungsreiches Zusammenleben bedingen würden. Ich meinte mal zum Scherz, wenn er das so sähe könnten wir ja gleich nach Las Vegas reisen und in einer dieser kitschigen Hochzeitskapellen heiraten. Da sagte er mit einem für ihn eigentlich untypischen Ernst, daß er lieber die nötigen Vorbereitungen treffen und seine Verwandten und meine Verwandten doch schonend darauf vorbereiten wolle. Aber wenn ich keine Einwände hätte oder anderweitig geplant hätte, sähe er keinen Grund, mich nicht zu fragen, ob ich mit ihm zusammenleben wolle. Ich muß zugeben, ich kam mir erst überrumpelt vor. Gefühle, wie ich sie für beherrschbar oder gar verdrängt angesehen habe, drohten, mich voll und ganz zu überwältigen. Du hast da ja leider eine konkrete Vorstellung von, wie heftig sowas einen aus der gewohnten Spur treiben kann. Jedenfalls bat ich um einen Monat Bedenkzeit, wo ich allein und er allein klarstellen wollte, ob wir zwei tatsächlich unser weiteres Leben miteinander verbringen könnten. Immerhin kannten wir uns ja nur von einigen Begegnungen. Aber ich konnte danach nicht mehr ruhig schlafen, mußte immer daran denken, daß ich das Leben, das nach den UTZs vor mir liegt, nicht ganz alleine bestreiten wollte, zumindest was das Leben außerhalb der Arbeit angeht. Lucullus - ich sollte ihn auch weiterhin Lucky nennen - hat mir irgendwie auf eine nichtmagische oder technische Art gezeigt, daß ich mehr bin als eine ausgebildete Computerexpertin und die Mutter eines Sohnes. Irgendwie ist da was passiert, das ich nicht erläutern kann, und selbst wenn ich es wüßte, wohl nicht offen aussprechen würde. Es ist nicht wie damals mit deinem Vater, wo ich wen gesucht habe, der mir eine sichere Unterbringung und trotzdem eine gewisse Eigenständigkeit verhieß. Joe war in der Hinsicht ja anders. Er wollte wen, die hinter seinen Interessen zurücksteckte. Na ja, bei wem er gelandet ist wissen wir ja seit einigen Jahren.
Gut, ich habe jetzt weit ausgeholt, Julius. Der Punkt ist: Ich habe mich entschlossen, Lucky Merryweathers Frage, ob ich seine Ehefrau werden wolle, mit "Ja, ich will" zu beantworten. Am fünften Juni hat er mich ganz offen, bei einem Besuch im Château Florissant, im Salon der Eauvives, auf altmodische art vor mir kniend gefragt. Ich habe ihm natürlich erst einige Sekunden Spannung geboten, um nicht den Eindruck zu vermitteln, er würde bei mir eine weit offene Tür einrennen. Doch dann habe ich ihm doch mit "Ja" geantwortet. Ich setze einfach voraus, daß du, Julius, nichts gegen diese Entscheidung einzuwenden hast. Sicher hätte ich dich in diesen Entscheidungsprozeß mit einbeziehen können, am Ende hätte ich jedoch diese Entscheidung aus meinen ganz eigenen Erwägungen und Erfahrungen heraus treffen müssen. Gut, es mag sein, daß du jetzt ein wenig erschüttert bist, weil deine Mutter sich einen neuen Mann nehmen möchte, der ob er es will oder nicht einen unerbetenen Vergleich mit deinem Vater herausfordert. Allerdings haben wir zwei ja schon häufig darüber gesprochen, daß du dein Privatleben nicht immer von meinen Bedürfnissen oder Ansichten diktieren lassen darfst. Davon ausgehend, daß du deine Entscheidungen frei von irgendwelchen Vorstellungen meinerseits hast treffen dürfen, bin ich mir sicher, daß du mit meiner Entscheidung leben kannst, ja womöglich sogar für dich brauchbare bis erfreuliche Seiten daran entdecken kannst. Lucky hat mir fest versichert, daß er keinesfalls in deine Lebensführung dreinreden wird, zumal du ihm ja schon um ein Kind voraus bist und er daher kein Recht hat, dir irgendwas zu raten, was er dir nicht damals bei Brittanys Hochzeit bereits geraten habe. Offiziell werden wir unsere Verlobung dann feiern, wenn in Beauxbatons und Thorntails Ferien sind, um die Verwandten darüber zu informieren. Wir peilen bereits den achten Juli an. Antoinette Eauvive bot an, die Feier im Château Florissant auszurichten und die Gäste aus Übersee in einem Transkontinentalluftschiff herüberkommen zu lassen. Lucky wollte jedoch im Gasthaus zum sonnigen Gemüt feiern, weil er ja auch die muggelstämmigen Anverwandten seiner Schwiegerverwandtschaft einladen wolle. Ich erklärte mich damit einverstanden, weil wir ja von Millemerveilles aus eine tägliche Verbindung nach Viento del Sol unterhalten und die ganzen europäischen Freunde, Verwandten und Kollegen dann ja mit einem dieser Überschallzeppeline hinüber- und wieder zurückreisen können. Die Hochzeit selbst soll dann am 29. Dezember stattfinden. Ich korrespondiere bereits mit Nathalie Grandchapeau, ob ich als Kontaktperson zur französischen Zaubereiverwaltung in die Staaten umsiedeln kann. Lucky hat zwar angeboten, seinen Beruf aufzugeben und zu mir umzuziehen. Aber wie wir das ja von Joe mitbekommen haben dürfte jemand aus einem nichtfranzösischen Land einige zusätzliche Probleme haben. Insofern möchte ich prüfen, inwieweit ich meinen bisherigen Beruf erhalten und sozusagen als Auslandskorrespondentin tätig werden kann. Da dies alles noch ungelegte Eier sind und ich mein Verlöbnis mit Mr. Lucullus Enceladus Merryweather nicht vor der offiziellen Bekanntgabe im Juli öffentlich machen möchte, bitte ich dich, außer Millie keinem was davon zu erzählen, bis es von Lucky und mir öffentlich gemacht wird. Vor allem möchte ich nicht, daß die gute Geneviève Dumas der Meinung ist, da noch Einspruch erheben zu müssen, weil sie findet, ich hätte gefälligst nur ihr zur Verfügung zu stehen. Die darf sich dann meinetwegen auf ihre Rolle als junge Großmutter konzentrieren. Nicht, daß ich nicht auch meine mir von euch zugewiesene Rolle als junge Großmutter ausfüllen möchte, Julius. Doch als eine, die ihr eigenes Leben noch weiter ausschöpfen kann, werde ich sicher ein besseres Vorbild für die kleine Aurore und alle ihre noch ungeborenen Geschwister dienen können.
Wie geschrieben hoffe ich, daß du diese für dich sicher sehr einschneidende Mitteilung mit der für einen erwachsenen Mann anstehenden Übersicht und Besonnenheit verkraften wirst. Noch mehr hoffe ich darauf, dir nicht weh zu tun und daß du mit meiner Entscheidung aus freien Stücken einverstanden bist, ohne den Eindruck zu haben, meinetwegen zurückstehen zu müssen. Ich hatte das im Bezug auf deine Entscheidung für Millie jedenfalls nicht, auch wenn ich damals noch mehr möglichkeiten gehabt habe, die Verbindung zwischen ihr und dir zu untersagen. Wenn ihr die dritte Runde dieses Zauberschulturniers überstanden habt, schreibe mir bitte! Ich wohne bis zum dritten Juli noch im Château Florissant bei Antoinette und Albert.
Es grüßt und umarmt dich
deine Mutter, Martha Eauvive
Julius mußte mehrmals seine selbstbeherrschungsformel denken, um die Flut an Gedanken und Erinnerungen zu bewältigen, die der Brief ausgelöst hatte. Wenn keiner hier außer Millie was mitbekommen sollte, dann mußte er sich so gut es ging beherrschen. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen, ohne ihn zu fragen. Millie und er hatten sie damals zumindest noch gefragt, ob sie der Verbindung zustimmen würde. Andererseits wußte er auch, daß seine Mutter ihr eigenes Leben weiterführen mußte. Er konnte nicht von ihr verlangen, ihn frei und auf sich gestellt leben zu lassen, wenn er sie von allem abhielt, was ihr einen Sinn und auch Freude im Leben versprach. Er dachte an Lucky Merryweather, wie er ihn zum ersten Mal gesehen hatte, nachtschwarzes Haar, einen gelben Bowler auf dem Kopf, einen saphirblauen Umhang mit goldenen Sternen um den Körper und grüne Stiefel an den Füßen. Er galt als Spaßvogel und Freund der guten Tanzmusik, interessierte sich für Astronomie und war beruflich auch gut untergebracht. Mit ihm hatte Julius gleich eine angenehme Abstimmung gefühlt, anders als bei dem leicht zum vorbestimmen neigenden Zachary Marchand. Der war tot? Eine Bombenexplosion hatte ihn umgebracht? Das fand er irgendwie merkwürdig, daß ein Zauberer, selbst wenn er sich an die Zaubereibeschränkungen hielt, in einer lebensgefährlichen Lage nicht die nötigen Schutzzauber wirkte, um nicht mal eben in die Luft gesprengt zu werden. Die Nocturnia-Vampire sollten hinter dem hergewesen sein? Die hatten seine Eltern entführt? Dann hätten die wohl alles und jeden bedroht, der oder die mit ihm gut bekannt war, also auch Martha Eauvive, geborene Holder, verwitwete Andrews. Irgendwie roch das nach einer Art Schleudersitz, einem Manöver, mit dem sich Zach aus der Welt verabschiedet hatte, um seine Angehörigen und Freunde zu schützen. Ob er dabei wirklich gestorben war war dann tatsächlich die Frage. Andererseits konnte er wie jeder Polizist trotz intensiver Übungen auch mal in eine plötzlich ausufernde Situation geraten sein, wo er nicht mitbekommen konnte, wie gefährlich die Lage wurde. Jedenfalls hätte er mit diesem Mann eher Krach als ein gutes Verhältnis bekommen. Ja, da wäre er sogar froh gewesen, wenn zwischen dem und ihm mehrere tausend Kilometer Ozean gelegen hätten. Gegen Lucky Merryweather hatte er nichts. Doch was er genau seiner Mutter schreiben würde wollte er erst entscheiden, wenn die dritte Runde vorbei war.
"Ob das echt so doll ist, uns jetzt allen zu zeigen, was wer wie hätte machen müssen?" knurrte André Deckers, als an diesem Schultag die Lehrer der Fachrichtungen mit den Schülern durchgegangen waren, was wo wie hätte gemacht werden können. Robert, der mit dem Gedanken schon aus Beauxbatons heraus und in einem gemeinsamen Haushalt mit Céline war erwiderte darauf:
"Wenn du weißt, wo es bei dir geklemmt hat kannst du die Prüfung ja noch mal wiederholen, wenn du unter "Akzeptabel" rauskommst. Zumindest bin ich froh, daß mir bei Zauberkunst nichts echt peinliches passiert ist. Mansio Magica will nur Theoriewerte haben, um zu wissen, wie gut wer schreiben oder geschriebenes kapieren kann."
"Dann ist das bei dir mit denen von Mansio Magica schon sicher?" wollte Gérard wissen.
"Da muß ich doch mal erst drauf warten, was ich am Ende geschafft habe, Gérard. Aber du sahst bei der Wiederholungsstunde auch so aus, als hättest du einiges nicht so hinbekommen", erwiderte Robert.
"Na ja, dafür, daß Sandrine und ich jetzt einen Haushalt für vier Personen auflegen müssen hätte ich gerne einige von diesen Multieffektzaubern besser hingekriegt. Mal sehen, was Professeur Dirkson uns noch in Verwandlung um die Ohren haut."
"Klar, weil du ja hauptsächlich volle Windeln in leere verwandeln mußt", feixte André. Gérard funkelte ihn sehr verdrossen an. Julius half ihm aus, indem er André zum wiederholten Mal vorhielt, er sei doch nur neidisch, weil er noch nicht einmal eine feste Freundin gefunden habe, geschweige denn eine, die seine Kinder bekommen wolle. Das empfand auch Robert so.
"Reden wir besser über die dritte Runde", wechselte Robert das Thema. "Julius, hat Laurentine dir irgendwas gesagt, was ihr blühen könnte?"
"Wenn du fragst, ob sie mich noch mal nach wichtigen Zaubern gefragt hat, nein", erwiderte Julius darauf. Er dachte jedoch daran, was Laurentine mit den aus Runde zwei erbeuteten Gegenständen zu machen hatte. Im Grunde mußte sie acht Schlösser öffnen oder acht Vorgänge einleiten oder beenden. Was sie mit dem Smaragdschlüssel, dem goldenen Zylinder und dem Fläschchen mit darin schwimmenden Goldpartikeln zu tun hatte klang ziemlich rätselhaft. Vielleicht hatte Madame Latierre ja noch einige Hinweise gegeben, damit die drei Champions noch besser in die dritte Runde gehen konnten. Wieder einmal fragte er sich, ob er Laurentine jetzt beneiden sollte, daß sie vom Feuerkelch ausgewählt worden war. Doch ebenso kam er wieder darauf, daß er mit der zusätzlichen Belastung durch das Turnier über seine seelischen Grenzen hätte gehen müssen. Der Druck, der auf jedem Champions lastete und jetzt, wo die letzte Runde unmittelbar bevorstand ins unerträgliche Wuchs, hätte ihm wohl noch mehr zugesetzt. Denn sie hatten ja doch irgendwie damit gerechnet, daß er für Beauxbatons antrat. So hätten die Leute aus Hogwarts, aber auch die aus Greifennest wohl sehr stark darauf geachtet, was er außerhalb der Runden so anstellte, um sich noch eine Chance für ihren Champion auszurechnen. Das alles war ihm erspart geblieben. Doch ob Laurentine mit diesem ihr aufgeladenen Druck klarkam wußte er auch nicht. Er würde sie auch nicht danach fragen, um bloß keine sorgsam zurückgedrängten Ängste zu wecken. Selbst Céline, Laurentines beste Freundin in Beauxbatons, ließ darüber nichts aus, ob die ehemalige Unterrichtsverweigerin nun Angst davor hatte, unter der Last der Anforderungen und Erwartungen zusammenzubrechen oder mit der Gelassenheit heranging, daß sie die Schule so oder so in diesem Jahr beenden und den meisten von hier dann eh hunderte oder tausende Kilometer weit aus dem Weg bleiben würde.
Professeur Dirkson zeigte sich sehr erfreut, als sie nach der Nachbesprechungsstunde nur zufriedene Gesichter sehen konnte. "Das ist ja auch für mich eine wichtige Sache, ob ich alle, die bei mir die UTZ-Stunden hatten, auf eine erfolgreiche Prüfung hingeführt habe", sagte die ursprünglich aus Großbritannien stammende Lehrerin mit dem seidigweichen, tiefschwarzem Haar. "Deshalb möchte ich mich bei euch allen Bedanken, die ihr durch eure Mitarbeit und Einsatzbereitschaft mitgeholfen habt, daß Madame Faucon mich wohl auch im nächsten Schuljahr hier unterrichten läßt. Sie legt ja doch hohe Maßstäbe an, was die Erfolgsrate der UTZ-Schüler angeht. Letztes Jahr haben ja neunzehn von zwanzig Kandidaten die Prüfung im ersten Ansatz geschafft, fünfzehn davon sogar mit "erwartungen übertroffen" oder "Ohne Gleichen". Der eine, der nicht so gut durchgekommen ist, hat dann aber in der Nachholprüfung ein sicheres E hinbekommen. Aber ihr lernt ja nicht für gute Prüfungen, sondern dafür, einen sicheren Platz im Leben zu finden. Wenn mein Unterricht euch hilft, den zu finden, dann war das jede Anstrengung wert, die ihr von mir aufgeladen bekommen habt. Wir sehen uns dann nach der dritten Runde noch einmal. Überlegt euch bis dahin ein paar Sachen, die im Unterricht nicht erwähnt werden konnten. Sofern sie mit den Schulregeln und Zaubereigesetzen einhergehen können wir die dann zum Abschluß noch behandeln. So, und jetzt raus mit euch in die Pause!"
"Ich weiß nicht, woher du die Gelassenheit nimmst, mit eurem quängelnden Baby die Nächte zu verbringen und trotzdem noch ganz munter durch den Unterricht zu marschieren", grummelte Gérard, der einmal mehr gähnte, weil es doch sehr anstrengend war, mit den beiden Zwillingen und deren Mutter im selben Zimmer zu schlafen. julius hätte fast geantwortet, daß das wohl von Ursulines Lebenskraftauffrischungsritual käme und er dadurch vielleicht ihre Ausdauer was Säuglingspflege anging abbekommen hatte. Doch von dem Ritual mußte nicht jeder was wissen. So sagte er: "Könnte Madame Maximes Blutspende sein, daß ich mit quängelnden Kindern lockerer fertigwerde. Immerhin habe ich ja auch Millies Umstandsbeschwerden irgendwie auszuhalten gelernt."
"Ich weiß zumindest, daß Madame Rossignol verdammt recht hatte, Sandrine erst nach der UTZ-Strecke wieder zu mir zu lassen. Wäre ja bei Professeur Dirkson heute fast weggepennt."
"Sagen wir es mal so, Gérard", setzte Julius an und sah sich um, ob Madame Rossignol es vielleicht mithören mochte, "Professeur Dirkson hat die volle Ahnung davon, wie es ist, drei Kinder zugleich zu versorgen. Die hätte dir für das Wegnicken keinen Putzdienst aufgebrummt, sondern eher empfohlen, daß du von den Stellvertretersachen freigestellt wirst."
"Klar, wo unsere Schulleiterin so auf Familien in Beaux abhebt", grummelte Gérard. Dann wünschte er Julius noch eine irgendwie erholsame Nacht, um zu seiner Frau und den beiden kleinen Dumas' zu gehen.
Julius gab Millie den Brief seiner Mutter und flüsterte ihr zu, keinem was davon zu erzählen, auch ihren hier lernenden Tanten und Cousinen nicht. Sie las den Brief und grinste. Dann zog sie Julius sacht zu sich hin und flüsterte ihm ins Ohr:
"Hat Britts Brautstrauß doch noch zugeschlagen. Ist zwar schon länger als ein Jahr her, aber gutes braucht eben seine Zeit. Dann kriegst du ja noch 'ne Oma aus der Zaubererwelt und ich doch noch 'ne Schwiegeroma, die noch dazu Heilerin ist. Könnte Oma Tetie dann endgültig ausrasten lassen. Mit dem Typen habe ich absolut keine Probleme. Der kann deiner Mutter noch ein paar Sachen beibringen, sich auch mal über was zu freuen, ohne es gleich als Anerkennung erbrachter Leistungen zu sehen." Dann kümmerte sie sich um Aurore. Hunger hatte sie im Moment nicht. Aber trockenliegen wollte die Kleine doch.
"Und, noch einmal dran gedacht, ob die alle recht haben, daß der Feuerkelch dich hätte aussuchen sollen?" wollte Millie von Julius wissen. Dieser deutete auf die gerade friedlich in der Wiege schlafende Aurore und erwiderte:
"Sagen wir so, ich bin froh, nicht die ganze Hoffnung aller Beauxbatons-Schüler und alle Blicke der Hogwarts- und Greifennest-Leute aushalten zu müssen, wo sie da gerade unsere ganze Aufmerksamkeit braucht."
"Zumindest muß Laurentine den Verwandlungs-UTZ nicht noch mal machen. Ich werde den wohl auch wegglassen und mich auf Zauberkunst und Abwehrzauber konzentrieren", erwähnte Millie. Dann sagte sie noch: "Ich hoffe, Laurentine klappt uns morgen nicht mitten in der dritten Runde zusammen. Wenn die das packt, den Pokal zu stemmen, ist wohl alles vergessen, was die sich in den ersten drei Jahren hier geleistet hat."
"Ich denke, daß ist es jetzt schon, Mamille. Oder trägst du ihr noch was nach?" wollte Julius natürlich wissen.
"Du weißt, daß ich immer sage, was ich denke, auch wenn es Leute gibt, denen das in den falschen Hals rutscht, Monju: Es wäre mir damals sowas von egal gewesen, ob Laurentine den Grünen Saal mit ihrer sturen Art immer hinter den Blauen gehalten hätte oder ob sie gleich nach dem ersten Jahr wegen Unbelehrbarkeit oder grober Störung der Schuldisziplin rausgeworfen worden wäre. Daß sie die Kurve noch gekriegt hat liegt ja leider nur daran, daß sie gemerkt hat, wie wichtig es Claire war, daß sie nicht rausfliegt und sie das alles ja nur deshalb aufgeholt hat, weil Claire nicht mehr da ist. Aber es ist auf jeden Fall gut, daß du das mit Ammayamiria nicht hast herumgehen lassen. Ich denke nämlich auch, daß Laurentine immer noch alle haßt, die diesen fluch gemacht haben, der Claires Körper umgebracht hat." Das konnte Julius nicht ganz abstreiten. Ja, er war sich sicher, daß Laurentine sich auch deshalb voll ins Geschirr gelegt hatte, um sich darauf vorzubereiten, eines Tages mit denen abzurechnen, die den Fluch der Blutrache gewirkt hatten. Sollte sie dabei herausfinden, daß er die Ursache für diesen grausamen Racheschlag war, könnte sie auch anfangen, ihn zu verabscheuen, ja regelrecht anzufeinden. Genau deshalb hatte er es ihr nie erzählt, was wirklich mit Claire passiert war und daß sie freiwillig ihr körperliches Dasein aufgegeben hatte, um ihn am Leben zu halten. Kein Wunder, daß Millie Claire im Nachhinein zu tiefst dankte. Frieden hatte sie ja schon längst mit ihr geschlossen und die in Ammayamiria aufgegangene Persönlichkeit Claires hatte Frieden mit ihrer damaligen Konkurrentin und Nachfolgerin geschlossen.
"Dann schlafen wir besser jetzt, bevor um vier Uhr das Morgenrot mit lautem Schrei erwacht", grinste Millie ihren Mann an. Dieser stimmte ihr zu, küßte seine Frau noch zur Nacht und drehte sich in seine bequemste Einschlafstellung. Er war froh, daß das angegessene Übergewicht doch gut abzubauen war.
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Aurore weckte ihre Eltern bereits um halb vier. Julius übernahm es, seine kleine Tochter zu baden und zu wickeln. Millie blieb jedoch wach und wachsam. "Gib sie mir gleich noch mal. Wenn sie Hunger hat soll sie nuckeln", kommandierte Millie. Doch Aurore war noch zu müde, um schon zu frühstücken. Sie schlief an der linken Brust ihrer Mutter ein. So mußte sich Millie aufraffen, ihre schlafende Tochter so behutsam es ging in ihr kleines, schaukelndes Bett zurückzutragen, damit sie und Julius noch eine Stunde Schlaf bekommen konnten. Nebenan waren die Kleinen auch schon wach. Gérard schimpfte einmal laut, weil die ihn ruhig hätten schlafen lassen können.
Julius und Millie schliefen tatsächlich noch eine Stunde. Während Millie Aurores Frühstückshunger stillte, machte Julius die Weckrunde bei den Jungen im grünen Saal. Laurentine hatte es sich trotz Célines Einwänden nicht nehmen lassen, die Mädchen aus ihrem Saal wachzurufen.
Pierre Marceau war beim Frühsport. Weil er sich immer gegen die größeren Jungen behaupten mußte, die wegen des Veela-Erbes seiner Freundin meinten, ihm den Rang ablaufen zu müssen, hielt er sich ran und hatte sogar einen Schwermacher. So konnte Julius den Drittklässler an der Laufbahn um das Quidditchstadion sehen, wie er sich mit Callie und Pennie ein Laufduell lieferte. Doch die beiden Schwiegercousinen von Julius ließen Pierre nicht wirklich eine Chance. Sie wollten nur sehen, wie schnell er laufen konnte und wie lange er durchhielt. Dann hängten sie ihn locker ab.
"O Mann, gegen die beiden kommt selbst ein dreifach gedopeter Ben Johnson auf Rollschuhen nicht an", keuchte Pierre. "Wem die mal hinterhersteigen, der sollte das Apparieren draufhaben."
"Tja, ist ja gut, daß so Jungs wie Apollo und ich dann nächstes Jahr nicht mehr hier sind."
heute erfolgt die dritte Runde des trimagischen Turnieres, die alles entscheiden wird. Sie beginnt um drei Uhr nachmittags und findet am schuleigenen Strandabschnitt von Beauxbatons statt. Bitte finden sie sich um viertel vor drei auf dieser Seite des Teleportals ein, Messieursdames et Mesdemoiselles! Die Saalsprecher und ihre Stellvertreter sind gehalten, für die pünktliche Anwesenheit aller Schüler zu sorgen", sprach Madame Faucon nach dem Frühstück.
"Müssen wir uns das echt alle ansehen?" warf Jacques eine sehr provokante Frage ein.
"Nun, Falls Sie Wert darauf legen, daß der Champion Ihrer Schule möglichst erfolgreich die dritte Runde bestreitet sollten Sie zumindest genügend Interesse zeigen, damit sie motiviert genug ist, Monsieur Lumière", erwiderte die Schulleiterin mit unüberhörbar drohendem Unterton. Offenbar ging es ihr darum, sicherzustellen, daß während der Runde keine ungebührlichen Sachen angestellt wurden, daher die Anwesenheitspflicht.
Die Lehrer wußten, daß die Schüler nach den Prüfungen mit ihren Gedanken entweder schon in den Ferien oder bei der dritten Runde des trimagischen Turnieres waren. Deshalb beließen sie es auch bei Wiederholungseinheiten. Nur Trifolio, der Kräuterkundelehrer, meinte noch, versäumten Unterrichtsstoff nachholen zu müssen. Außerdem wirkte er nach dem Vorfall um den ZAG-Schüler Archibald Lambert besonders unbarmherzig. Das mochte eine Art Abwehrreaktion sein, weil er sich am Beinahetod des Schülers mitschuldig fühlte, dachte wohl nicht nur Julius.
"Wenn Sie ein wissenschaftliches Projekt betreuen sollten, dürfen Sie sich nicht mit Teilerfolgen oder einem bestimmten Wissensstand zufriedengeben, die Herrschaften", herrschte Trifolio sie alle an, weil sie offenbar nicht die ihm gebührende Aufmerksamkeit aufbrachten. "Ich werde dafür entlohnt, Sie alle, soweit dies möglich ist, umfassend genug vorzubilden, um einen Berufsweg zu beschreiten, bei dem Sie mehr oder weniger mit herbologischen Vorgängen konfrontiert werden. Natürlich weiß ich, daß nur wenige von Ihnen mit dem Gedanken spielen, die magische Pflanzenkunde mit der ihr gebührenden Intensität zu studieren und zu praktizieren. Dennoch besteht Ihrerseits nicht der mindeste Grund, meinen Erklärungen und Ausführungen nicht zu folgen, nur weil die Mehrheit von Ihnen mutmaßt, mit einer bestandenen Prüfung alle Anforderungen erfüllt zu haben. Dem ist nicht so. Es gibt durchaus noch genug Dinge, über die ich Sie alle bis zum Ende der letzten Stunde vor den Ferien unterrichten muß, die für die meisten von Ihnen ja dann der Einstieg in das Leben als vollwertige Hexen und Zauberer bedeuten."
"Ja, daß man nicht ohne Handschuhe an im Wasser schwimmende Pflanzen drangeht, weil einen da vielleicht so'n glibberiges Ungeziefer erwischen könnte", warf Edith Messier ein. Der Lehrer erstarrte für eine Sekunde. Offenbar wußte er nicht, wie er diese Bemerkung beantworten sollte. Dann straffte er sich noch mehr und entgegnete:
"Ich weiß nicht, womit Sie die Unverschämtheit rechtfertigen, sowas zu sagen, Mademoiselle Messier. Was ich jedoch weiß ist, daß gerade Sie es nicht nötig haben, einen untadeligen Lehrer in solch infamer Weise eines Fehlschlages zu bezichtigen, ohne genug glaubhafte Argumente dafür vorbringen zu können. Für Sie und alle, die noch meinen, meine Autorität als Lehrer anzweifeln zu dürfen: Ich mußte nach dem Ende der Prüfungen vor den Schulräten Rede und Antwort stehen, ob der Vorfall um den ZAG-Kandidaten Archibald Lambert primär durch mich verschuldet wurde oder bei Einhaltung aller für die Pflanze an sich schon angezeigten Sicherheitsmaßnahmen nicht passiert wäre. Ich ging davon aus, daß alle von mir unterrichteten Schüler von der ersten Klasse bis zur UTZ-Stufe alle von mir erteilten Belehrungen im Bezug auf den gefahrlosen Umgang mit den von mir vorgestellten und erläuterten Zauberpflanzen einhielten. Insofern haben der Prüfer und der Kandidat grob fahrlässig gehandelt, die für den Umgang mit Sumpfblasenblütlern höchst empfohlenen Schutzhandschuhe weggelassen zu haben. Der Prüfer hätte auf die Verwendung der Handschuhe bestehen müssen, und der Kandidat hätte auf Grund der von mir erwähnten Erläuterungen von sich aus daran denken müssen, diese Handschuhe zu tragen. Insofern besteht Ihrerseits keine Veranlassung, mit solchen Andeutungen meine Rangstellung als Fachlehrer für magische Herbologie in Frage zu stellen, Mademoiselle Messier. Zwanzig Strafpunkte dafür."
"Aha, weil Sie die Pflanzen nicht korrekt auf mögliche Untermieter geprüft haben sollen Archie Lambert und Ihr Kollege Lavalette alleinschuldig sein?" fragte nun Estelle Messier, die Cousine von Edith.
"Legen Sie unbedingt Wert darauf, Ihr Bonuspunktekonto vor dem letzten Schultag noch erheblich zu belasten, Mademoiselle Estelle Messier?" verkleidete Trifolio eine Drohung als Frage. Estelle sah ihn sehr entschlossen und unbeugsam an und deutete dann auf Julius:
"Ich kapiere zwar, daß Monsieur Latierre nicht riskieren will, bei Ihnen schlecht wegzukommen, weil er offen ausspricht, was jeder mit genug Verstand für das Zusammenspiel von Tieren und Pflanzen weiß. Aber wenn Sie jetzt jedem Strafpunkte geben, der hinterfragt, ob Sie einen Fehler gemacht haben, dann ist das schon wie ein Geständnis und obendrein feige, weil Sie das längere Ende vom Besenstiel in der Hand halten."
"Sie nötigen mich offenkundig vor allen Zeugen, Ihre Antwort als klares "Ja" auf die von mir gestellte Frage zu werten", knurrte Trifolio nun sehr gereizt. "Daher ergehen an Sie noch fünfzig Strafpunkte und die Strafarbeit, alle nichtmagischen Wildkrautbestände in den Parkanlagen ohne Einsatz von Zauberkraft zu beseitigen, Mademoiselle Messier, Estelle. Zudem werde ich in meiner Eigenschaft als der für Ihren Saal zuständige Vorstand verfügen, daß Sie außer eine Stunde täglich zur Bewältigung von Hausaufgaben nur mit dieser Strafarbeit zuzubringen haben und keine sonstigen Freizeitaktivitäten wahrnehmen dürfen. Ich lasse mich nicht derartig unverschämt ansprechen", erwiderte Trifolio und sah dann Julius Latierre an. Offenbar wollte er ihn jetzt als einen folgsamen und unterwürfigen Schüler präsentieren, der sich keine Frechheiten herausnahm. Alle sahen ihn an. "Sie haben die für einen UTZ-Schüler vorauszusetzende Fachkompetenz in magischer Herbologie erworben und als Mitglied der Pflegehelfertruppe auch genug Sachverstand im Bezug auf gesundheitsgefährdenden Umgang mit magischen Pflanzen erworben. Erklären Sie bitte Ihren Mitkandidaten, daß es sich bei dem Vorfall während der Prüfungen um einen bedauerlichen Unfall gehandelt hat!"
"Natürlich war es ein Unfall", setzte Julius an. Die Blauen im Kurs grinsten schon, weil er sich mal wieder vorführen ließ. "Es stimmt auch, daß der Unfall hätte vermieden werden können, wenn der Prüfer auf die Verwendung der Handschuhe beharrt hätte und der Kandidat von sich aus dem Prüfungsfortgang nur zugestimmt hätte, wenn er völlig wasserdichte Handschuhe erhalten hätte. Insofern liegt eine gewisse Mitschuld bei Prüfer und Kandidat", sprach Julius weiter. "Allerdings muß der für die Unterbringung der Zauberpflanzen zuständige Fachlehrer sicherstellen, daß nur die für die Pflanzen typischen und im Unterricht erörterten Gefahren zu erwarten sind. Gemäß einer Ergänzungsbestimmung auf Grund einer Idee von Magistra Gudrun Rauhfels soll es demnächst internationaler Standard werden, daß Unfälle mit nicht im Fachunterricht selbst vorkommenden Lebewesen dem Fachlehrer zugeschrieben werden, der die im Unterricht vorgestellten Lebewesen betreut. Sie gab als Präzedenzfall einen Unfall mit den aus eingeschleppten Kaulquappen entstandenen Drachenzungenfröschen an, die gerne in den Fangwurzen der amazonischen Fischerwurz wohnen und in einer semisymbiotischen Beziehung zu der Pflanze leben. Der Vorfall ereignete sich in Greiffennest. Ein UTZ-Kandidat zog sich schwere Verbrennungen an Armen und am Hals zu, als die sich bedroht fühlenden Endstadien der Drachenzungenfrösche ihn ansprangen und ihm die ihren Namen herleitenden Zungen ins Gesicht schleuderten, an denen, wie jeder halbwegs mit magischen Tierwesen vertraute Mensch weiß, ein Schleim klebt, der beim Kontakt mit fremder Haut zu sofortiger Erhitzung bis zum Entflammen führt und nur mit täglicher Diptamgabe vierzehn Tage lang narbenlos verheilt. Der damalige Fachlehrer mußte seinen Rücktritt erklären, da er auf diese Beziehung zwischen Fischerwurz und Drachenzungenfrosch nicht ausreichend geachtet hatte. Soweit mir auf Anfrage bei anerkannten Herbologen aus meinem Bekanntenkreis mitgeteilt wurde, soll eine entsprechende Ergänzung aller Schulregeln ab kommendem Schuljahr wirksam werden und sogar rückwirkend greifen, sofern bei einem Unfall im Zeitraum bis zu zehn Jahren davor ein Schüler bleibende Gesundheitsschäden erlitt und dreißig Jahre bis zum Inkrafttreten rückwirkend gelten soll, sofern ein Schüler bei einem ähnlichen Vorfall verstarb. Insofern, Monsieur Leprofesseur, habe ich es nicht nötig, Sie zu kritisieren, da ich davon ausgehen muß, daß Ihnen diese Gesetzesinitiative bereits lange vorher bekannt war und Monsieur Lambert ja von Schwester Florence Rossignol schnell und umfassend geheilt werden konnte, so daß ihm kein bleibender Schaden verblieb. Denn sonst hätte es ziemlich übel für Sie ausgesehen, Professeur Trifolio. Da Sie das sicher auch wissen ist das hier eigentlich Zeitvergeudung. Aber Sie baten mich, meinen Mitschülern zu erläutern, inwieweit wer an dem beinahe tödlichen Unfall mit Archibald Lambert Schuld trägt. Sollten Sie auf Grund meiner ausführlichen Erläuterung jetzt befinden, mir auch noch Strafpunkte wegen Respektlosigkeit gegenüber einem Lehrer auferlegen zu müssen, kann und werde ich mich gerne mit Ihnen und Madame Faucon über meine Äußerungen unterhalten." Alle sahen Julius verdutzt bis anerkennend an. Laurentine blickte ihn bange an, während Edith und Estelle triumphierten. Trifolio erbleichte. Dann nickte er und sagte:
"Nun, Sie erwähnten, daß ich Sie ja um eine Stellungnahme gebeten habe. Da Sie mich nicht unmittelbar despektierlich angesprochen haben, vermag ich nicht, Ihnen dafür Strafpunkte aufzuerlegen, zumal ich nach dem zu unser aller Beruhigung glimpflich ausgegangenen Unfall keine weiteren Vorwürfe gegen unsere Akademie provozieren möchte. Ich stelle lediglich klar, und das möchten auch Sie sich bitte sorgfältig einprägen, Monsieur Latierre, daß die Anerkennung eines Fachlehrers und seiner Kompetenz das Fundament ist, auf dem diese Akademie ruht."
"Ja, und Kompetenz bleibt nicht auf einem Wert stehen, hat uns unser Saalvorsteher, Professeur Paralax, immer vor Antritt der UTZ-Prüfungen erklärt", sagte Edith. "Wenn Sie also unumschränkte und unerschütterliche Anerkennung von uns Schülern verlangen, müssen Sie auch bereit sein, alle Sachen zu lernen, die nur mittelbar mit dem von Ihnen unterrichteten Fach zu tun haben, um nicht auf einer Wissensstufe stehenbleiben zu müssen und den Ihnen anvertrauten Schülern auch neues und ergänzendes Wissen zu vermitteln. So wie sie gerade geguckt haben, als Monsieur Latierre die zu erwartende Ergänzung von Schulregeln erwähnt hat stimmt das wohl. Dann habe ich meinerseits keinen Angriff auf Ihre Autorität verübt, sondern lediglich darauf hingewiesen, daß beim Umgang mit Pflanzen auch weitere Gefahrenquellen zu beachten sind. Ich werde mit meinem Saalvorsteher sprechen, ob die mir deshalb von Ihnen aufgehalsten Strafpunkte gerechtfertigt sind. Und falls Sie Estell mit Ihrer Maßnahme nicht gerade das moralische Rückgrat gebrochen haben wird meine Cousine die von Ihnen auferlegte Strafarbeit ebenfalls hinterfragen." Estelle nickte ihrer Cousine zustimmend zu. Trifolios Blick huschte von einem zum anderen, blieb immer wieder an den Gesichtern von Edith, Estelle und Julius hängen. Auch Waltraud Eschenwurz wurde mit einem konzentrierten Blick bedacht, obwohl sie nichts gesagt hatte. Dann sagte der Lehrer:
"Gut, Sie wollen es so. Fechten Sie meine Entscheidung an und riskieren Sie, mit der doppelten Zahl von Strafpunkten aus diesem Verfahren herauszukommen! Ich berufe mich auf die gültigen Schulregeln und die Entscheidung der Schulräte, nicht auf meine Entlassung aus dem Schuldienst von Beauxbatons hinzuwirken und das in mich gesetzte Vertrauen Madame Faucons. Damit soll es aber jetzt auch genug sein. Ich fordere Sie alle auf, sich nun weiterhin auf die gerade behandelte Pflanze zu konzentrieren, deren Gefahren ich sehr wohl einschätzen und für groß genug erachten kann, um darauf zu drängen, daß jeder von Ihnen die volle Aufmerksamkeit auf meine Erläuterungen richtet."
"Der hat gedacht, weil er von dir keine Kritik gehört hat, du würdest ihm zustimmen", meinte Millie zu Julius, als der Unterricht vorbei war. "Aber das du dem so gelassen mit einer Schulregeländerung gekommen bist hat der nicht erwartet."
"Der hat sich keinen Moment bei Archibald sehen lassen, um ihm gute Besserung zu wünschen oder sich zu entschuldigen, Millie. Außerdem wollte ich das wissen, ob es schon Präzedenzfälle gab. Zudem kann ich mir vorstellen, daß der sich schon von Madame Faucon, Virginies Großmutter und Madame Rossignol was hat anhören müssen. So weiß wie der wurde wußte der ganz genau, wovon ich sprach. Er wollte nur nicht, daß das bei allen in seinem Kurs rumgereicht wird und hat nicht damit gerechnet, daß ich, wo ich mindestens drei Kräuterkundekenner im Bekanntenkreis habe, mal eben nachfragen könnte. Sonst hätte er mich garantiert nicht drum gebeten, was zu sagen", erwiderte Julius.
"Na ja. In sechs Tagen hast du ihn ja hinter dir. Könnte mir nur passieren, daß ich von dem noch mal was zu lesen kriege, wenn ich die Nachholprüfungen mache", grummelte Millie. Dann winkte sie ihrem Mann zu, weil sie zu ihren Mitschülern aus dem Roten Saal hinübergehen wollte.
Julius wunderte sich nicht, daß er beim Eintritt in den Speisesaal die Eltern von Hubert und Gloria sah. Mrs. Porter trug ein apfelgrünes Kleid mit weißen Spitzen. Mr. Porter trug einen marineblauen Umhang und einen mitternachtsblauen Zaubererhut mit silberner Krempe. Die Rauhfelses waren in einheitlich taubenblauer Festbekleidung erschienen. Allerdings wunderte sich Julius nicht schlecht, die Eheleute Agilius und Margot Dornier zu sehen, die gerade auf Laurentine zugingen und sie begrüßten, als sei sie und nicht Céline ihre Tochter. Céline strahlte ihre Schulfreundin an, als diese total perplex in den Armen von Célines Vater lag. Also das hatte Céline angeleiert, erkannte Julius. Da Laurentines Eltern nicht zur dritten Runde kommen wollten oder konnten, hatte sie ihre Eltern gebeten, Laurentine zu unterstützen. Sicher hätte sie auch die Dusoleils oder Belisamas Eltern fragen können. Aber ihre Eltern hatten wohl ohne weitere Nachfrage zugesagt. Gloria kannte das mit den Eltern der Champions noch vom letzten trimagischen Turnier und begrüßte ihre Eltern mit einer lockeren Umarmung. Mehr nicht. Hubert wirkte beim Anblick seines Vaters etwas verunsichert. Doch als seine Mutter in ihn die Arme schloß freute auch er sich, daß seine Eltern da waren.
"Na, geht dein Besen noch gut ab?" wollte Monsieur Dornier von Julius wissen, als dieser nahe genug für eine normallaute Begrüßung kam.
"Zu Silvester ging er noch gut. Ich hoffe, mich wieder auf ein brauchbares Fluggewicht runtergehungert zu haben", sagte Julius.
"Der hält einiges aus, junger Mann", erwiderte Célines Vater. Da kam Robert in den Speisesaal und blieb abrupt stehen, als er die Dorniers sah. "Öhm, wieso ...?" fragte er.
"Hallo, Monsieur Deloire", grüßte Monsieur Dornier seinen zukünftigen Schwiegersohn förmlich. "Ihre Verlobte hat uns gebeten, Ihrer gemeinsamen Klassenkameradin Mademoiselle Hellersdorf moralischen Beistand für die dritte Runde zu gewähren, da ihre Eltern aus uns nicht recht ersichtlichen Gründen auf dieses Anrecht von Champions-Angehörigen verzichtet haben."
"Ich dachte schon, es wäre was wegen der Hochzeit", erwiderte Robert.
"Hallo, Maman, Papa, Céline ... und ihr Jungs", grüßte Constance Dornier noch die kleine Gruppe, als sie gerade den Speisesaal betrat. "Hat alles geklappt. Die Kleine kann bei den Lagranges übernachten", grüßte sie. Dann wandte sie sich an Julius: "Oh, hallo, Julius, herzlichen Glückwunsch noch mal von mir direkt zu eurer kleinen Tochter. Wie ich von Céline hörte haben Millie und du euch ja sehr gut auf sie eingestellt."
"Wir wußten ja, worauf wir uns einlassen wollten", erwiderte Julius etwas unüberlegt. Constance verzog zuerst das Gesicht. Doch dann erwiderte sie:
"Gut, zumindest weiß deine Frau jetzt, was für ein Akt es ist, ein Kind zu kriegen, satt und sauber zu halten. Das hat sie mir zumindest geschrieben und sich noch mal bei mir entschuldigt, weil sie damals zu denen gehört hat, die mich dumm angequatscht haben."
"Martine war da ja noch weiter vorne weg", erwiderte Julius darauf. Millie hatte ihm nur erzählt, daß Constance auf die Antwort auf ihren Glückwunschbrief geantwortet hatte, daß jetzt alles wieder im Lot sei. Julius fragte sie dann noch, ob sie auch wegen Laurentine oder wegen aller drei Champions hier sei.
"Wegen der dritten Runde insgesamt. Mein Chef hat gesagt, daß es schließlich ein international anerkanntes Turnier ist und das auch in einer Quidditchzeitung stehen dürfe, wer es wie gewinnt. Wenn Laurentine echt so stark geworden ist hoffe ich doch mal, daß sie gut aus dem Turnier herauskommt. Ich seh nach dem Essen noch zu, mit deiner Schwiegermutter zu reden, wie das mit Interviews vor und nach der Runde ist", erwähnte Constance.
"Dann mußt du dich aber ranhalten", erwiderte Julius darauf nur. Dann entschuldigte er sich, weil die Eheleute Porter ihm zuwinkten. Er ging schnell hinüber und begrüßte Mr. und Mrs. Porter, wobei er jedoch sagte:
"Ich hoffe mal, meine Mitschüler denken nicht, daß ich nur zu Hogwarts halte, wo wir ja auch eine starke Kandidatin im Rennen haben."
"Wenn die das nicht schon das ganze Jahr lang denken", meinte Mr. Porter darauf. Dann deutete er auf die Dorniers, die sich nun mit Céline und Laurentine zum grasgrünen Tisch begaben. "Gloria erwähnte sowas, daß Laurentines Eltern nicht kommen könnten oder wollten. Aber das sind doch Célines Eltern, oder?"
"Stimmt, das sind Madame und Monsieur Dornier", sagte Julius. Die Porters kannten die Eltern der Beauxbatons-Schüler ja eher von weitem oder wenn sie ihnen beim Elternsprechtag über den Weg gelaufen waren. "war es eurer Schule nicht möglich, die Eltern von Laurentine herzuholen?" wollte Mrs. Porter wissen. Gloria bedachte ihre Mutter mit einem abschätzigen Blick, den diese wiederum mit einem sehr tadelnden Blick erwiderte.
"Technisch wäre es kein Problem gewesen, Laurentines Eltern herzuholen. Man hätte denen womöglich sogar Portschlüssel geben können. Seitdem Laurentine sich klar entschieden hat, was sie ist und was sie sein will ist das Verhältnis zu ihren Eltern - sagen wir mal ... unterkühlt", erwiderte Julius und mußte sich beherrschen nicht zu grinsen. Ein Raketeningenieur hantierte ja dauernd mit gefrierkaltem Treibstoff.
"Gut, es ist auch nicht unsere Angelegenheit", schritt Mr. Porter ein. "Meine Frau und ich würden aber wohl nicht aufhören, Glorias Eltern zu sein, wenn diese einen uns fremden oder abwegig erscheinenden Lebensweg einschlagen würde."
"Mum, Dad, ihr könnt das ja mit den Dorniers besprechen, falls die es für richtig halten, zu erklären, warum sie an Stelle der Eheleute Hellersdorf hergekommen sind", wandte Gloria ein. Julius stimmte ihr durch ein Nicken zu. Dann wünschte er den dreien noch einen abwechslungsreichen Tag. Gloria meinte schnippisch: "Du darfst mir auch gerne Glück wünschen, Julius. Oder hast du echt Angst, die Leute von deiner Schule würden dich dann gleich wegen Verrates an einem der Türme aufhängen?"
"Das hätte ich noch vor dem Start zur dritten Runde gemacht", erwiderte Julius gelassen, ohne Glorias Frage zu beantworten. Dann deutete er auf den grasgrünen Tisch, wo Pina und die Hollingsworths sich schon hinsetzten und bewußt drei Plätze freigehalten hatten. Er verabschiedete sich von den Porters und ging zu seinen Klassenkameraden hinüber.
"Na, träumt Gloria noch vom Turniergewinn?" fragte André herausfordernd. Kevin, der sich gerade zu Julius und Gérard setzen wollte, knurrte ihn an:
"Gloria hat sicher noch was auf Lager, um locker den Pokal zu kriegen, André. Der fährt wieder mit uns nach Hogwarts, wo er hingehört."
"Neh, wo ihr beim letzten Turnier zwei Champions brauchtet, weil einer alleine den nie für euren Laden geholt hätte", konterte André. Das ging Julius zu weit. Er räusperte sich laut, bedeutete Kevin mit einer schnellen Geste, nichts zu antworten und sagte mit einer ruhigen, aber dennoch unverkennbar ungehaltenen betonung:
"André, wenn es nach Professor Dumbledore und Harry Potter gegangen wäre, dann hätte Hogwarts damals nur einen Champion aufgeboten. Außerdem wurden die beiden anderen unfair aus der dritten Runde geflucht, und Cedric Diggory wurde umgebracht. Falls du das alles vergessen hast, bring ich dich noch vor der dritten Runde zu Madame Rossignol. Die kann dich dann zu den Gehirnklempnern in die Delourdesklinik überweisen, damit die nachschauen, was an deinem Gedächtnis kaputt ist. Falls du darauf keinen Wert legst, halt dich besser geschlossen!" Kevin strahlte Julius an. André sah den rotblonden Gastschüler an und knurrte: Der Typ wird's erleben, daß wir in Beaux die bessere Ausbildung haben."
"Neh, wo eure supertolle Chanpionette damals nicht mal mit einem halben Dutzend Grindelohs fertig wurde", versetzte Kevin. "Da mußte unser Champ Harry Potter deren kleine Schwester aus dem See ziehen, damit die da unten keine Algen ansetzt."
"Ist gut jetzt, Kevin, oder möchtest du heute nachmittag mit ihm mit Schuldiener Bertillon die allgemeinen Klos schrubben?"
"Lustig, wo die Mädchenklos keine Jungs reinlassen und umgekehrt", lachte Kevin. Julius sah ihn jedoch verwegen an und fragte ihn: "So, woher weißt du das. Wolltest du dich mit Patrice mal für ein paar Minuten zurückziehen?" Kevin erbleichte. André lachte. Das wiederum machte Kevin wütend. Bevor die beiden Jungen nun aufeinander losgehen konnten ging Julius dazwischen und sagte entschieden:
"Jungs, ihr zankt euch nicht wegen was, wo ihr nicht mehr machen könnt als zugucken und anfeuern. Kevin, du nimmst bitte die Hand vom Zauberstab. Madame Faucon kommt gerade mit den vier Richtern rein. Willst du echt noch vor der letzten Runde nach Hause?" Kevin zuckte zusammen. Sein Blick flirrte kurz zum Lehrertisch hinüber, wo die drei Leiterinnen der Teilnahmeschulen, Hippolyte Latierre und ihr Kollege Gustave Chaudchamp gerade den Speisesaal betraten. Professor McGonagall grüßte durch Kopfnicken die Eheleute Porter, die Gräfin Greifennest winkte den Rauhfelses zu. Kevin setzte sich wieder hin. André Deckers auch. Sich noch Strafpunkte abzuholen wollte er nicht riskieren.
Während des Mittagessens sprachen sie nicht von der dritten Runde, sondern den letzten Unterrichtsstunden. "Ist schade, daß Professor Dirkson nicht bei uns in Hoggy angefangen hat. Muß ich echt mal Professor McGonagall fragen, ob wir die nicht gegen Glos Oma austauschen."
"Neh is' klar, Kevin. Zum einen will eure Verwandlungslehrerin sicher nicht zu weit von der Familie weg. Zum anderen hätte Professeur Dirkson sicher sofort in Hogwarts angefragt, ob sie die Stelle haben könne, wenn sie da wirklich hingewollt hätte, um die Kinder der Mörder ihres Mannes zu unterrichten. Würdest du das machen, wenn du wüßtest, wer von den Leuten da mit denen verwandt ist, die deine Tante umgebracht haben?"
"Mann, das macht echt keinen Spaß, sich mit dir rumzukäbbeln, wo du gleich immer so gemeine Sachen bringst", maulte Kevin. "Wie hält Millie das mit dir aus?"
"Das hast du doch dieses Jahr mitbekommen, daß sie es sehr gut mit mir aushält", erwiderte Julius darauf. Dann meinte er: "Gewöhn dich besser dran, daß auf jeden deiner Töpfe der passende Deckel kommt, wenn du mit Patrice vor dem Zeremonienmagier warst." Das mußte Kevin wohl einsehen, wenngleich er natürlich einen Unterschied zwischen Patrice und Julius sa, was dieser nicht abstreiten wollte.
Nach dem Mittagessen zogen sich alle Bewohner des grünen Saales in ihre Schlafsäle zurück, um sich für die dritte Runde umzuziehen. Julius fühlte sich an die ganzen Feiern der letzten Jahre erinnert. Doch irgendwie war das jetzt auch was erhabenes, etwas, daß die meisten hier nicht noch einmal miterleben konnten, vor allem nicht die erfolgreich geprüften UTZ-Absolventen.
"Joh, so können wir alle da rausgehen und Laurentine anfeuern", stellte Julius fest, nachdem er alle Jungen seines Saales begutachtet hatte. Alle trugen die Sonntagsumhänge. Viele trugen Fahnen, die die sechs Farben von Beauxbatons und die zwei gekreuzten Zauberstäbe mit je drei Funken zeigten. Einige hielten selbst leuchtende Spruchbänder hoch, auf denen Stand: "Laurentine holt den Pokal" oder "Voran Laurentine" stand. Die bezeichnete Mitschülerin und Beauxbatons-Championette war bereits losgezogen, um sich zu den beiden anderen Mitbewerbern um den trimagischen Pokal zu stellen.
Die Zuschauer versammelten sich wie erbeten vor dem Teleportal, das bereits geöffnet war. Madame Faucon stand zusammen mit den anderen vier Richtern davor und besah die anrückenden Schülerinnenund Schüler. Die elf Schüler aus Hogwarts stachen durch ihre einheitlich schwarzen Umhänge und Hüte hervor. Pina, Betty, Jenna und Kevin hielten ein gewaltiges Spruchband hoch, auf dem in weiß blinkenden Lettern "Gloria, GREIFE NACH GOLD UND RUHM!" stand.
"Eh, Patrice, du gehörst noch zu uns und nicht zu dem Kleeblattdreher da!" rief Jacques Lumière seiner Saalkameradin zu, die zuerst Anstalten machte, zu ihrem Besengerufenen hinüberzugehen.
"Dummschwätzer!" rief Kevin Jacques zu.
"Paß auf, was du sagst, Butterstampfer!" konterte Jacques. Das reichte Madame Faucon, um Jacques für den Verlauf der dritten Runde mit einem Sprechbann zu belegen und ihm zwanzig Strafpunkte wegen mutwilliger Provokation eines Mitschülers aufzuladen.
"Ui!" machte Robert, als er sah, was am Strand aufgebaut worden war. Julius staunte auch nicht schlecht über das was er sah. knapp einhundert Meter von der Brandungszone entfernt ragte ein achteckiges Gebilde nach oben, das entfernt an einen Kegel erinnerte. Doch wer genauer hinsah, konnte mehrere Stufen erkennen, die vom Fuß bis zum flachen Scheitel des Kegels führten. Die Konstruktion schimmerte in einem hellen, fast weißen Grauton. Über der wohl zwanzig Meter durchmessenden Plattform auf der Scheitelhöhe schwebte eine golden schimmernde Nebelwolke. Doch sie war nicht so dicht, als das keiner gesehen hätte, was von ihr umhüllt wurde: Es war ein dreistufiges Podest. Darauf stand er, der trimagische Pokal. Das von ihm zurückgeworfene Sonnenlicht wurde im goldenen Nebel hell gestreut und verlieh der begehrten Trophäe eine erhabene, weithin sichtbare Aura. Um den achteckigen Bau, der an seiner Basis gut und gerne einhundert Meter durchmessen mochte, zog sich eine sich sanft windende Spirale aus Sitzen. Zwischen den untersten Rängen und der Grundfläche des achteckigen Gebäudes lagen zwanzig Meter wasserblauer Teppichboden. Hippolyte Latierre deutete auf ein kleines weißes und ein großes grasgrünes Zelt, die genau nördlich der Konstruktion standen. Madame Rossignol stand bereits vor dem weißen Zelt, auf dem die Äskulapschlange, das Symbol nicht nur der magischen Heilzunft, zu erkennen war.
"Alle Schülerinnen und Schüler möchten sich bitte nach Klassenstufe und Saalzugehörigkeit auf die Tribüne bemühen!" befahl Madame Faucon. "Unsere Heilerin hat darum gebeten, die ältesten Pflegehelfer ihrer Truppe in magieloser Sprechweite zu behalten. Sofern es sich dabei auch um Sprecher der von ihnen bewohnten Säle handelt, mögen diese die ihnen zufallende Aufgabe der Sitzzuteilung an ihre Stellvertreterinnen und Stellvertreter weiterreichen!"
"Häh? So gefährlich wird das, daß ihr mit gezogenem Zauberstab gleich bei eurer zweiten Vorgesetzten stehen müßt?" wollte Robert von Julius wissen.
"Wundert mich jetzt auch. Sie hat nämlich kein Wort davon gesagt", gestand Julius ein. Doch dann sah er die Heilerin von Beauxbatons winken. Sie suchte sich bereits ihre Pflegehelfer zusammen. Da nur die ältesten, also wohl die am besten mit Zaubern aller Art vertrauten zu ihr kommen sollten, waren es ausschließlich Belisama, Sandrine, Patrice, Millie und Julius, die sie bei sich haben wollte. Julius argwöhnte schon, daß er so von der dritten Runde nicht viel mitbekommen würde, weil er nicht hoch genug sitzen würde. Doch er hatte gelernt, daß Anweisungen zu befolgen waren, solange sie keinen gefährdeten. So nickte er Gérard zu, der bereits daranging, alle Grünen klassenweise zu sortieren.
"Hoffentlich kriegt ihr von der Aufgabe genug mit", meinte Céline noch zu Julius. Der hoffte das auch. Dann eilte er zu Madame Rossignol hinüber. Sandrine, die ihre beiden Kinder genauso in Tragetüchern trug wie Millie die kleine Aurore, blickte die Schulheilerin besorgt an.
"Ihr geht bitte ins Zelt. Sandrine und Millie, ihr findet drei Wiegen, wo ihr die Kinder unterbringen möchtet. Ich möchte sicherstellen, daß nichts und niemand eure Beweglichkeit einschränkt, wenngleich ich hoffe, daß wir keinen Grund haben, einzugreifen."
"Ist das so gefährlich, was die Champions machen müssen?" Wollte Sandrine wissen.
"Sagen wir es so: Wenn diese Runde vorüber ist, werde ich zu denen gehören, die sich am meisten freuen, daß sie vorbei ist und noch mehr, wenn keiner der drei Champions dabei zu Schaden kam", sagte die Heilerin. Julius fragte sich, was gefährlicher als die Bestien aus Runde zwei sein konnten. Gut, Drachen hatten sie bis jetzt nicht gebracht. Vielleicht lauerte dort drinnen auch ein echter Basilisk, den sie wegen der Spinnen in Runde zwei erst jetzt bringen konnten. Aber dann durften die Zuschauer den nicht von draußen sehen. Abgesehen davon konnte nur jemand, der die Schlangensprache Parsel beherrschte, ein solches Ungeheuer befehligen.
"Wie bekommen wir mit, was die Champions gerade tun?" wollte Belisama wissen.
"Dort, die drei Leinwände", sagte die Heilerin und deutete auf drei aufgespannte Leinwände, die silbrig schimmerten. Julius fühlte sich sehr stark an die Zweiwegespiegelverstärkerleinwand erinnert, über die Madame Maxime, Professeur Faucon, Madame Rossignol, die aus ihrem Exil der Bilderwelt herübergekommene Jane Porter, Millie und er die Schlacht von Hogwarts mitbekommen hatten, als Julius den mit Lea Drake verbundenen Zweiwegespiegel als Bild- und Tonquelle eingespannt hatte. "Das sind Bildverpflanzungsvorrichtungen, die auf jeden Champion einzeln abgestimmt sind", sagte die Heilerin und deutete auf die Namenszüge an den Rahmen der Leinwände. "Sobald der zum Namen passende Champion in die dritte Runde geht, können wir jeden seiner oder ihrer Schritte verfolgen."
Von draußen klangen bereits anfeuerungsrufe. Julius kam sich jetzt ein wenig ausgeschlossen vor. Millie merkte das wohl oder fühlte es wohl auch. Die Heilerin von Beauxbatons lauschte auf die Rufe und Gesänge und sagte: "Wir bekommen hier alles wichtige mit." Dann öffnete sie das Zelt und winkte den fünf Pflegehelfern, sich draußen bereitzustellen. Gerade kam Hippolyte Latierre aus dem grünen Zelt heraus. Die drei Champions folgten ihr. Gloria wirkte sehr entschlossen. Laurentine wirkte nachdenklich. Hubert schritt einher, als gelte es gleich, sein nacktes Leben mit Klauen und Zähnen zu verteidigen. Sicher, er lag trotz der guten Leistung in der ersten Runde und seiner Meisterung des Feuerdschinns in der zweiten Runde hinter den beiden Hexen, die für ihre Schulen antraten. Doch noch konnte die dritte und entscheidende Runde alles ändern.
"Messieursdames et mesdemoiselles, Madame Hippolyte Latierre von der Ministerialabteilung für magische Spiele und Sportarten!" lenkte Madame Faucon die Aufmerksamkeit auf Julius' Schwiegermutter, die nun gemessenen schrittes auf die Basis des Achteckturmes zuging, die drei Champions wie an einem unsichtbaren Abschleppseil hinter sich. Hubert blickte die Zuschauerränge hinauf und sah seine Kameraden und seine Eltern, die ihm aufmunternd zuwinkten. Laurentine blieb mit ihrem Blick an der vor ihr schreitenden Ministerialhexe, deren rotblonder Schopf im Sonnenlicht wie hauchzarte Feuerzungen erglühte. Julius blickte zu seiner Frau, die neben ihm stand. Wenn sie sich so gut hielt wie ihre Mutter, hatte er eine Partnerin, um die ihn auch in zwanzig oder dreißig Jahren noch jeder beneiden mochte. Millie merkte das wohl und flüsterte leise:
"Wenn du mal wieder vergleichst denke dran, daß Ma mir um zwei Kinder voraus ist. Echt vergleichen geht nur, wenn es irgendwo auch gleich ist." Heilerin Rossignol, die sich unübersehbar vor ihrem Zelt aufgepflanzt hatte, winkte aufmunternd hinauf zu den Zuschauerrängen. Julius sah jetzt die Lehrer Delamontagne, Dirkson, Bellart, Paralax, Paximus, Fixus, Pallas und Fourmier, die in festen Umhängen Aufstellung nahmen, jeder und jede an einer der acht Seiten. Offenbar sollten die Lehrer als eine Art Linienrichter fungieren, während die fünf Hauptrichter wohl von oben her zusehen wollten. Vielleicht hielten sich auch noch einige Ministeriumsleute bereit. Er fragte sich nun doch, warum Madame Rossignol ihn und die vier Pflegehelferkameradinnen nicht in die allgemeinen Zuschauerränge gelassen hatte, wenn doch genug Hilfskräfte bereitstanden.
Sehr geehrte Damen und Herren, hochverehrte Lehrer von Beauxbatons, Hogwarts und Greifennest, geschätzte Gäste aus Frankreich, Großbritannien und dem deutschsprachigen Raum, liebe Schülerinnen und Schüler von Hogwarts, Greifennest und Beauxbatons", begann Millies Mutter mit einer langen Begrüßung und nahm den stürmischen Beifall hin, der wohl eher der dritten Runde und den Champions galt. Dann fuhr sie fort: "Hier und heute, unter dem passend zu diesem Ereignis strahlendblauen Himmel an den Gestaden des Mittelmeeres, habe ich die große Ehre, die dritte und entscheidende Runde des trimagischen Turniers neunzehnhundertneunundneunzig-zweitausend einzuläuten. Sicher haben Sie sich schon alle gefragt, was Ihre wackeren und einsatzfreudigen Champions erwartet. Natürlich möchten Sie wissen, was es mit dem Gebäude vor ihnen auf sich hat. Selbstverständlich hoffen Sie darauf, die wichtigsten Ereignisse im Verlauf der dritten Runde mitverfolgen zu können. Messieursdames et Mesdemoiselles, ich präsentiere ihnen: Die tore des Ruhmes!" Sie machte eine rhetorische Pause, um ihre Ankündigung wirken zu lassen. Gespannte Stille herrschte für zehn Sekunden. "Sicher wollen Sie alle wissen, was dieser mit vierundsechzig Stufen versehene Turm mit Toren zu tun hat. Nun, die Champions werden gleich in der Reihenfolge ihrer Platzierung in den Turm hineingehen. Innerhalb des Turmes müssen sie einen Weg finden, der sie durch insgesamt acht Tore führt. Jedes dieser Tore liegt in einem der acht Teilabschnitte des Turmes. Es gilt also, den Weg zum jeweils nächsten Tor zu finden, das Tor zu öffnen und im davon abgeriegelten Abschnitt nach dem nächsten Tor zu suchen. Dabei werden die Champions immer weiter nach oben gelangen, bis sie auf der drittletzten Stufe des Bauwerks zurück ins Freie gelangen." Sie deutete auf einen unverschlossenen Eingang knapp unter dem Flachdach. Ähnlich wie im Würfel der Wirrsal, den Sie alle sicher noch in lebendiger Erinnerung haben, gilt es, magische Hindernisse zu erkennen und zu überwinden, an Gegnern vorbeizukommen und sich dabei so rasch wie sie können voranzuarbeiten. Anders als im Würfel der Wirrsal sind die zu erwartenden Hindernisse erheblicher. Vor allem gelten in jedem Teilabschnitt andere Schwierigkeiten. Die Champions müssen nicht nur ihr Geschick im Umgang mit dem Zauberstab und ihre Reaktionsgeschwindigkeit beweisen, sondern auch geistige Überlegenheit beweisen, Rätsel lösen, sich auf plötzliche Lageänderungen einstellen und genug Selbstbeherrschung aufbieten, um die Tore des Ruhmes zu durchschreiten. Doch wer es schafft, dort oben anzukommen, hat den Pokal noch nicht sicher. Denn diesen umgibt noch eine Schwierigkeit, die überwunden werden muß. Wer dann als erster oder erste den Pokal mit freier Hand berührt, erringt als einziger die volle Zahl von zweihundert Punkten und gewinnt damit das trimagische Turnier. Wer in einer Lage strandet, die er oder sie nicht aus eigener Kraft überwinden kann oder wer im Verlauf der Aufgabe so stark verletzt wird, daß er oder sie die Runde nicht vollenden kann, kann durch aussenden roter Funken den Vorzeitigen Abbruch bekunden, oder, falls er oder sie klar ohne Besinnung in einem der Abschnitte bleibt, von einem der acht kompetenten Mitarbeiter von Beauxbatons unverzüglich und schnell gerettet werden. Allerdings ist für den betreffenden Champion die Runde und damit das Turnier beendet, so verlangen es die Turnierregeln." Viele buhten, vor allem die Greifennestabordnung bekundete lautstarkes Mißfallen, weil ihr Champion wohl als letzter in den Turm geschickt würde. "Leute, ich habe die Regeln nicht gemacht. Das ist die seit Jahrhunderten überlieferte Tradition des trimagischen Turnieres!" rief Hippolyte den entrüsteten Zuschauern zu. Madame Faucon ersuchte mit magisch verstärkter Stimme um Ruhe. Erst als diese wieder hergestellt war, konnte die Leiterin der Spiele-und-Sport-Abteilung ihre Ausführungen beenden. "So wollen wir hier und heute das trimagische Turnier zu einem spannenden, fordernden, ruhmreichen Erfolg führen! Mademoiselle Hellersdorf, bitte gehen Sie durch die Tür, die sich gleich öffnen wird!" Laurentine trat vor. Joseph Maininger rief von den Zuschauerrängen herunter, daß es doch ganz einfach wäre, außen hochzulaufen.
"Wenn Sie ein vom Ministerium registrierter Helfer sind ja, Monsieur. Aber wenn Sie keine Zugangsberechtigung haben kommen sie keine drei Stufen nach oben", sagte die rotblonde Ministeriumsbeamtin.
"Kriegen wir überhaupt was mit?" wollte nun einer der Jungen aus dem blauen Saal wissen. "Ja, wenn alle Champions erfolgreich in die dritte Runde hineingefunden haben", beantwortete Madame Hippolyte Latierre die Frage. Dann deutete sie auf eine wohl gut getarnte Tür an der genau im Osten verlaufenden Seitenwand. Laurentine ging darauf zu, nur mit dem Zauberstab, dem smaragdgrünen Schlüssel, dem goldenen Zylinder und der Flasche mit der gelben Flüssigkeit ausgerüstet. Die Tür schwang auf. Warmes, goldgelbes Licht flutete von drinnen heraus. "Die Runde beginnt jetzt!" rief Madame Latierre und schwang eine silberne Glocke, die jedoch so laut und vernehmlich läutete, daß man meinte, sie schwinge eine große Schiffsglocke. Die Beauxbatons-Schüler feuerten ihre Championette an, die gerade durch die Tür verschwand. Die Tür fiel wieder zu. Es dauerte keine fünf Sekunden, da schwang die Tür wieder auf. Gloria wurde mit einem Wink in den Turm geschickt. Wieder dauerte es keine fünf Sekunden, bis die Tür erneut aufklappte. Hugert stürzte im Sturmschritt in den Turm hinein. Unter "Hu-hu-hu-hubert-Rufen seiner Klassenkameraden verschwand er hinter der sich schließenden Tür. "In Ordnung, kommt jetzt wieder ins Zelt!" befahl Madame Rossignol. Julius konnte noch erkennen, wie das helle Grau immer durchsichtiger wurde. Jetzt konnten alle sehen, daß der Turm innen aus röhrenartigen Gängen und verschiedeneckigen Räumen bestand. Doch was genau in den Räumen lauerte war nicht zu erkennen. Julius sah Laurentine, die durch einen von drei röhrengängen hastete. Julius sah, daß sie auf ihrer linken Hand die für die Haut unschädlichen Zauberflammen entzündet hatte. Sie wollte ihren Zauberstab wohl für wichtigere Sachen freihalten. Gloria wischte wie ein auf Wolkenbruchstärke eingestellter Scheibenwischer mit ihrem Zauberstab herum und rief wohl was. Sie lief in einem parallelen Gang. Ebenso Hubert, der den Nigerilumos-Zauber benutzte, um nur die vor ihm liegenden Hindernisse ohne Widerschein aufleuchten zu lassen und mögliche Unregelmäßigkeiten, die bei normalem Licht unsichtbar blieben, durch die Farbverkehrende Wirkung des schwarzen Zauberlichtes sichtbar zu machen. Dann mußte Julius die Zeltklappe von innen verschliessen. Millie war jedoch schon bei einem der drei hinteren Stühle, um auf die drei Leinwände zu blicken, unter denen in grüner Zauberleuchtschrift die Namen der drei eingeschleusten Champions glühten.
"Jeder seinen oder ihren eigenen Weg?" Fragte Julius zuerst.
"sie haben aus dem letzten Turnier gelernt, daß Begegnungen der Champions vermieden werden sollten, um keinen in Versuchung zu führen, die Konkurrenz aus dem Weg zu schaffen", erwähnte Madame Rossignol. Dann holte sie einen Plan aus einem Schrank, in dem auch wichtige Heiltränke und Tinkturen aufbewahrt wurden. Julius blickte auf die drei an der nördlichen Zeltwand aufgereihten breiten Betten. Er hoffte, daß keines davon benötigt wurde. Dann sah er, daß Laurentine gerade eine wild blitzende Wand durchschreiten mußte. Dabei war die Wand wohl eigentlich unsichtbar.
"Der Ablauf verläuft in Sonnenlaufrichtung. Ähnlich wie bei der Position der Sonne über der Erdoberfläche verhält es sich mit den Abschnitten", sagte die Heilerin und deutete auf riesenhafte Möbelstücke. Julius schauderte, als er auch ein großes Kinderbett erkannte.
"Moment mal, was war das gerade für eine Wand?" fragte Belisama, die sich auch auf Laurentine konzentrierte.
"Entweder eine Verwandlungsfalle oder ein Verwirrzauber", vermutete Julius anhand der Blitze. Dann sah er, wie Gloria mit drei schnellen Zauberstabgesten gegen sich eine silberne Aura um sich erschuf und dann weiterging. Da blitzte es auch um sie herum auf, und sie stand in einem Raum voller überdimensionnierter Möbelstücke.
"Moment mal, stellt der ganze Parcours die Lebensabschnitte eines Menschen nach?" fragte Julius. Madame Rossignol nickte ihm zu. "Der Morgen des Lebens."
Hubert hat wohl nicht den richtigen Fluchaufheber gefunden", stieß Patrice aus und deutete auf die Leinwand, die mit dem Namen des Greifennest-Champions beschriftet war. Julius sah, wie Hubert von irgendwas zu Boden geworfen wurde. Der Junge stemmte sich gegen die Kraft, die ihn auf den Boden gedrückt hatte und versuchte, wieder aufzustehen. Doch es gelang ihm nicht so recht. Er stolperte und fiel wieder um. Jeder Versuch, auf die eigenen Beine zu kommen scheiterte. Hubert versuchte, den Zauberstab anzuheben und was auch immer von sich abzuschütteln. Doch es gelang ihm nicht.
"Oha, er ist in einen Körperkraftschwächungsfluch reingestolpert, weil er zu schnell laufen wollte", erkannte Julius. Sie hatten den Zauber als Direktangriffszauber kennengelernt. Millie sah, wie Hubert gegen das nun mehr als doppelt auf seinen Körper wirkende Gewicht ankämpfte, obwohl er kein Gramm zugenommen hatte.
"Er kann nur noch wie ein Baby krabbeln", seufzte Sandrine, die nun auch auf Huberts Leinwand blickte. Julius konnte dem nur zustimmen. Der Musculinimus-Fluch war schon fies, konnte aber nur von jemandem gewirkt werden, dessen magische Stärke die eigene Körperkraft um das zehnfache überragte. Damit war gemeint, wie schwer eine Last sein konnte, die der Zauberkundige bewegen oder verformen konnte. Außerdem hielt der Fluch nur solange vor, wie der Anwender selbst wach und ausdauernd genug war. Schlief er ein oder verlor auf andere Weise die Besinnung, kehrten die abgeschwächten Körperkräfte in das Opfer zurück.
"Gegen den gibt es doch einen Zauber", wunderte sich Patrice. "Den hat uns Professeur Delamontagne doch gezeigt."
"Wenn du gegen einen lebenden Auslöser kämpfst", erinnerte Belisama die Jahrgangskameradin an die Tücken des Zaubers. "Aber offenbar kann der wie ein Situationsfluch gewirkt werden. Dann kannst du den nur aufheben, wenn du es schaffst, den betreffenden Gegenstand zu finden und genau darauf zu zielen."
Von draußen klangen Jubelrufe der Hogwartianer und Beauxbatonss herein, während die elf Greifennest-Schüler sichtlich verstimmt pfiffen und buhten. Hippolyte rief magisch verstärkt: "Dieser Prüfung hat sich jeder der drei Champions zu stellen gehabt. Aber Monsieur Rauhfels kann sich davon freimachen, sobald er das erste Tor geöffnet hat.
Julius zog einen Zettel aus seinem Brustbeutel, die Kopie des aus den Runen des Zylinders übersetzten Textes, den Laurentine seit der zweiten Runde wohl ausgiebig studiert hatte. "Vereine das Licht, den Atem und das Blut der Ureltern alles seienden und werdenden", las er halblaut vor. Millie, Belisama, Sandrine und Patrice horchten auf. Madame Rossignol nickte Julius zu. Offenbar hatte sie den kompletten Ablaufplan mit allen Lösungsmöglichkeiten bekommen. Julius fragte sie frei heraus: "kennen Sie alle Fallen, Rätsel und Gegner?"
"Das war meine Bedingung, um überhaupt zuzustimmen, daß das Turnier hier stattfindet, daß ich als Heilerin über alle drohenden Gefahren aufs genaueste informiert werden mus. Und das hier ist noch der harmlosere Abschnitt."
"Ach du meine Güte, was wird das denn?" stieß Belisama aus, die Laurentines Leinwand im Auge behalten hatte. Durch eine Tür, die schon ein Tor zu nennen war, trat eine gewaltige Ausgabe von Laurentine herein, deren Gesicht sich beim Betreten innerhalb einer Sekunde leicht veränderte, so daß Julius Laurentines auf dreifache Größe angewachsene Mutter zu sehen glaubte. Er war sich sicher, daß er nicht der einzige war, der sich fragte: Ist die eine Illusion oder ein Verwandlungsprodukt. Laurentine, die den Körperschwächungszauber am Zugang zu der Riesenwohnung hatte um sich herumfließen lassen, wich der Gigantin behände aus, die Anstalten machte, die ihr gerade bis unterhalb der Kniekehlen reichende Hexe zu packen. Laurentine versuchte nach der Zauberstabbewegung einen Schrumpfzauber. Doch der zerstob in bunten Funkenspiralen um den Körper der Riesin. Dann versuchte sie es mit einem Illusionsaufhebungszauber. Doch der ließ nur kurz die Luft um sie flimmern. Ob sie nun alles so sah, wie es wirklich warr wußte Julius zunächst nicht. Er hörte nur Patrice sagen: "Oha, Hubert wird gerade von der Gigantoversion seiner Mutter aufgehoben und weggetragen. Wenn er nicht aufpaßt legt die den gleich in das Kinderbett rein."
"Laurentine sieht die Vergrößerung ihrer Mutter wohl noch. Hui, jetzt wird sie wütend", stellte Belisama fest. Denn Laurentine feuerte nun in schneller Folge einen Schocker, den Mondlichthammer und den Ganzkörperklammerfluch auf die überlebensgroße Nachahmung ihrer Mutter. Der Schocker zersprühte an ihrem Bauch. Der Mondlichthammer warf sie zwar um, machte sie aber nicht ohnmächtig, und dem Klammerfluch entging sie, indem sie sich mit aller Kraft gegen die Arme und Beine zusammendrückende Zauberkraft stemmte und diese wie einen Gummiring auseinanderdrückte, bis die ihr aufgezwungene Beeinträchtigung in form von blauen Blitzen zersprühte. Dann brachte Laurentine eine Selbstverwandlung, mit der sie in Runde zwei auch eine ausgewachsene Harpyie außer Gefecht gesetzt hatte. Sie wuchs wortwörtlich über ihre eigentliche Größe hinaus, erreichte innerhalb von zwei sekunden stolze vier Meter Körperlänge. Ihre Kleidung und Ausrüstung wuchs dabei wunderbar mit. Dann stand sie der Kopie ihrer Mutter gegenüberund versuchte noch einmal die Ganzkörperklammer. Doch die funktionierte wieder nicht. Die nun zwei Riesinnen standen sich gegenüber. Laurentine rief wohl was. Doch die andere versuchte, sie an den Armen zu packen. Für einen winzigen Moment konnten sie alle ein Flimmern in der Luft sehen. Doch Laurentine sprang zurück. Die Möbel, die gerade eben noch überdimensional groß für die Beauxbatons-Schülerin erschienen waren, waren nun kein Hindernis mehr. Laurentine ergriff einen der Stühle und hob ihn hoch. Doch dann fiel ihr wohl ein, daß die körperliche Auseinandersetzung nichts für wohlerzogene Hexen war und warf den Stuhl nur nach vorne, um im nächsten Augenblick den Zauberstab zu schwingen. Ein violetter Blitz, der den ganzen Raum ausleuchtete, und aus dem Stuhl wurde ein Sack, der der Riesenausgabe von Madame Hellersdorf paßgenau vom Kopf bis zu den Füßen herabfiel. Die Nachbildung von Laurentines Mutter erkannte, daß sie gerade ausgetrickst worden war und stemmte sich gegen das Hindernis. Da krachte ein neuer violetter Blitz, und aus dem Sack wurde ein Metalltank, der gerade nach hinten umkippte. Der Deckel schloß mit wohl vernehmlichen Geräusch, das die Mitverfolgungszauberei jedoch nicht übertrug. Julius sah nur, daß in der Oberseite des Metallbehälters kreisrunde Löcher entstanden, während das Behältnis von seinem lebenden Inhalt herumgeworfen wurde. Laurentine lief auf die nächste Tür zu, ergriff die Klinke und zuckte zusammen. Ein kurzes blitzgewitter wie Elmsfeuer umflirrte sie, während sie innerhalb einer Sekunde wieder auf ihre normale Größe zusammenschrumpfte. Die Tür war jedoch offen. Das konnte aber wohl noch nicht das bezeichnete erste Tor des Ruhmes gewesen sein.
"Hubert ist auch wütend. Der hat seiner Gegnerin gerade kochendheißes Wasser ins Gesicht gespritzt. Die hätte den Fast in das Kinderbett geworfen", bemerkte Patrice. "Ui, konnte gerade noch den Fallbremser auf sich zaubern, bevor er voll auf den Boden geknallt wäre. Oh, Die übergroße Kopie seiner Mutter ist jetzt stinkwütend. Oha." Julius sah schnell zu Gloria hinüber, die wie zu erwarten stand mit einer Riesenversion ihrer Mutter zu tun hatte. Anders als Laurentine wendete Gloria jedoch keine Selbstvergrößerung an, sondern animierte die Möbel, der übergroßen Nachbildung Dione Porters in den Weg zu hüpfen, zu staksen und zu springen. Damit gewann sie einen Vorsprung, bis sie die Tür aus dem Zimmer mit den Riesenmöbeln und dem Kinderbett erreichte. Sie versuchte wohl, nach oben zu springen oder sich mit dem Deterrestris-Zauber hochzuschießen. Doch es gelang nicht. Da ließ sie mit dem Aufrufezauber eine Fußbank zu sich hinfliegen, die eher ein kleiner Tisch sein konnte. Sie platzierte das Möbelstück vor die Tür und zog sich daran hoch. Julius konnte erkennen, daß Gloria zwar gelenkig, aber nicht unbedingt eine Freundin von Klimmzügen war. Zumindest schaffte sie es, auf der glatten Oberfläche der Fußbank zu stehen und kam mit den Händen über Kopf an die Türklinke. Sie drückte sie herunter ... und mußte feststellen, das die Tür nach innen zu öffnen war. Da stand aber jetzt die Fußbank und Gloria. Die versuchte es wohl, die Tür mit Zauberkraft zu öffnen. Das mißlang jedoch.
Laurentine war inzwischen in einem anderen Raum. Dort lauerte keine übergroße Kopie eines Elternteils auf sie. Mit einem ähnlichen Trick, wie Gloria ihn versuchte, benutzte sie eine für die Riesen hier als Fußbank durchgehende Bank, um an die nächste Türklinke heranzukommen. Allerdings stellte sie die Bank gleich so neben die Tür, daß sie nicht im Weg stand.
Schnell zur mit "GLORIA PORTER, HOGWARTS" beschrifteten Leinwand hinüberblickend sah Julius, daß Glorias gigantische Gegnerin gerade die ihr entgegengehetzten Möbelstücke bei Seite fegte und nun im laufschritt auf die Hogwarts-Championette zustampfte. Da flog ihr ein schwarzes Tuch ins Gesicht und verdeckte ihre Augen. Sie übersah die noch vor der Tür stehende Fußbank und fiel der Länge nach hin.
Hubert indes hatte nun was neues ausprobiert. Er umschloß die Kopie seiner Mutter mit einem drei Meter hohen Flammenring, der ihr offenbar sichtlich zu schaffen machte. Er krabbelte, immer noch vom Körperschwächungsfluch beladen, zur Tür hin. Doch deren Klinke war ja schon für einen aufrechtstehenden Normalmenschen gerade so weit oben, daß er mit den Händen unter die mehr als handbreite Klinke tasten konnte. Er brauchte auch eine Aufsteighilfe und acciierte die Fußbank. Julius sah auf die in der Flammensäule stehende Risin. Diese sagte Hubert wohl gerade was. Dann wandte sie sich um. Julius vermeinte, die zuckenden Zauberflammen spielten seinen Augen einen Streich. Denn aus der "Sie" wurde ein "er" im taubenblauen Zaubererweltumhang. Hubert stellte die Fußbank gerade in Position, um die Tür egal in welche Richtung aufzubekommen, als der mal eben Geschlecht und Person verändernde Riese unter den Umhang griff und ganz genau so dastand, als wolle er überschüssiges Wasser ablassen. Patrice brachte es auf den Punkt:
"Will der Typ, der vorher 'ne Hexe war das Feuer auspullern?"
"Was?" fragte Millie, die gerade Glorias Kampf mit der ins Riesenhafte vergrößerten Ausgabe ihrer Mutter verfolgte. Da hörten sie alle von draußen das laute Lachen der männlichen Zuschauer. In dem Moment flackerten die Flammen. In das magische Feuer mischte sich eine leicht gelbliche Dampfwolke hinein, und der Flammenring schrumpfte wild schwankend immer mehr zusammen.
"Hubi, jetzt aber schnell ins nächste Zimmer", trieb Patrice den Greifennest-Champion an, obwohl der das garantiert nicht hörte. Hubert versuchte, sich auf die Fußbank hochzuziehen. Doch der ihm aufgezwungene Schwächungsfluch machte ihn für seine eigenen Muskeln zu schwer. Da fiel der Rest der Flammensäule um den Riesen zusammen. Der Gigant ordnete wohl seine Kleidung, wandte sich um und ging auf Hubert zu. Dieser wußte, daß er mit der ihm zugefügten Behinderung keinen offenen Kampf führen konnte, zumal er sich wohl erst darauf umstellen mußte, nun eine Supergroßausgabe seines Vaters vor sich zu haben, der ihn überlegen von oben her angrinste und ihm wohl was sagte.
Da machte Hubert etwas, womit jetzt keiner gerechnet hatte. Er vollführte an sich den Autonebulationszauber. Es war schwierig. Doch er schaffte es, in nur drei Sekunden die Zustandsform zu ändern. Da war der Riese, der eine Nachahmung seines Vaters war, heran. Um die weiße Nebelwolke, die Hubert gerade darstellte, flimmerte es, als die Gigantenhände versuchten, hineinzugreifen. Hubert schaffte es, sich zusammenzuballen und wie ein durchsichtiger Wattebausch zwischen den leicht gespreizten Beinen des Riesen hindurchzugleiten. Er flog auf die tür zu und zerfloß scheinbar. Julius konnte aber sehen, wie der Nebel sich an der Tür staute, bis mit einem Feuerwerk von grünen, roten und blauen Blitzen Hubert seine feste Gestalt zurückbekam. Der Riese, der die Überrumpelung jetzt erst recht mitbekommen hatte, wirbelte herum und keuchte. Wie die Zauberschachbauern, die es schafften, auf eine gegnerische Grundlinie durchzukommen, wurde aus dem "Er" wieder eine "Sie".
"Was soll denn der Schwachsinn mit dem Körpertausch?" wollte Patrice wissen, während Belisama gerade verkündete, daß Laurentine es geschafft hatte und nun in einer gewaltigen Küche stand. Julius wechselte schnell zur anderen Leinwand, versuchte aber auch, die sich zuspitzende Lage für Hubert zu überwachen. Millie peilte zwischen Laurentines Umfeld und dem Glorias hin und her. Für sie war Hubert im Moment nicht wichtig genug.
"Das ist psychologische Kriegsführung, Patrice. Die Nachbildung nimmt immer die Form des gerade am besten zur Situation passenden Elternteils an, auch um Hubert zu verwirren. Offenbar soll jetzt wieder das Programm mit dem Zubettbringen ablaufen", sagte Julius. Dann sah er, wie Gloria wie gerade vorhin noch Laurentine riesenhaft anwuchs. Doch als die Kopie ihrer Mutter sie am Fuß packte, fiel sie wieder auf ihre Ausgangsgröße zurück und geriet nun fast in eine unausweichliche Umarmung. Da schossen grüne, gelbe und weiße Blitze aus ihrem Körper heraus, die wie wild umherpeitschende Fangarme eines Kraken nach den Gloria umschlingenden Händen schlugen. Die Überlebensgroßkopie von Dione Porter ließ von Gloria ab und schrak zurück. Die sie bedrängenden Lichtarme trieben sie noch zwei Meter zurück.
"Hmm, der Zauber ist aber nicht gerade Standard in Beauxbatons", stellte Madame Rossignol fest. "Wäre die Gigantin eine wahrhaft lebendige Erscheinungsform, hätte dieser Zauber ihr sehr schwere Verletzungen zufügen können", sagte die Heilerin mit einem Hauch von Unmut.
"Wollen Sie sagen, daß ist dunkle magie?" wollte Millie wissen, die Glorias Befreiungsschlag gerade mitverfolgt hatte.
"Der Brachignes-Fluch ist eigentlich ein Offensivzauber, um umstehende Gegner auf einen Schlag kampfunfähig zu machen", sagte die Heilerin. "Wer von einem der Feuerarme getroffen wird erleidet Hitzeschocks und verbrennungen dritten Grades, bei längerem Kontakt mit einem der Feuerarme kann sogar Körpergewebe vollständig verbrannt werden. Nichts für anständige Pflegehelfer und erst recht nichts für angehende Heiler", stellte die Schulkrankenschwester fest.
"Wie weit reicht dieser Feuerzauber?" Wollte Julius wissen.
"Dreifache Armlänge, hält aber auch nur solange vor, wie ein Feind in dieser Reichweite steht und nicht durch den Aura-Sanignis-Zauber gegen magische Feuerschäden gefeit ist."
"Dann durfte sie denZauber gar nicht anwenden", erwiderte Sandrine, die gerade zusah, wie Laurentine die Riesenküche untersuchte.
"Madame Faucon würde Mademoiselle Porter gerne für die Benutzung eines höchst skrupellosen Abwehrzaubers eine Zeitstrafe von einer Minute auferlegen. Doch die Turnierregeln verbieten lediglich die Verwendung tödlicher Zauber gegen Lebewesen und die drei unverzeihlichenFlüche gegen menschenähnliche Wesen", hörten sie Hippolytes Stimme von draußen. Laurentine untersuchte derweil die Küche, während Gloria gerade versuchte, die Riesin mit einem Zauber zu belegen, der jedoch außer bunten Nebelwölkchen, die nach kurzem Aufwallen zerfaserten, nichts bewirkte. Doch Gloria nahm nun keine Rücksicht mehr. Sie ließ einen Nebel aus ihrem Zauberstab sprühen, den sie innerhalb von nur zwei Sekunden zu einem Eispanzer um die Riesin gefrieren ließ. Dicker und Dicker wurde das Eis. Die Riesin, wohl noch von der Elementarattacke von eben verwirrt, erkannte zu spät, daß sie sich gerade nicht so recht bewegen konnte. Gloria schloß ihren Körper bis zum Hals in Eis ein, ließ dieses zu einem massiven Block werden. So ähnlich hatte Hubert in der zweiten Runde die Riesenspinnen kampfunfähig gemacht, fiel es Julius ein. Und als hätte Glorias Aktion in Hubert den Gedanken an einen bereits von ihm gewirkten Zauber wachgerufen, zielte er gerade auf die Riesin, die ihn gerade vom Boden aufheben wollte. Erst bekam sie heißes Wasser in die Augen und trat zurück. Dabei stolperte sie über die noch vor der Tür stehende Fußbank und schlug hin. Im nächsten Augenblick ließ Hubert aus dem Zauberstab erst Nebel wallen und diesen dann zu einem immer dickeren Eispanzer erstarren. Die am Boden liegende Riesin wurde bis über den Kopf zu einem erst walzen- und dann quaderförmigen Eisblock. Hubert winkte schwerfällig. Dann erkannte er eine Chance. Er bugsierte mit Zauberkraft einen Tisch auf den Eisblock, Davor pflanzte er einen Stuhl hin. An dessen Beinen zog er sich mühsam hoch, robbte auf die Sitzfläche und mühte sich über die Rückenlehne auf die Tischfläche. Keuchend kam er in der nähe der Türklinke einen Moment zu liegen. Dann streckte er seine Arme aus und bekam die Klinke zu fassen. Er zog daran, bekam sie aber nicht richtig nach unten. Da zog er schwerfällig die Beine nach vorne, über die Tischplatte hinweg und ließ sich einfach mit beiden händen an der Klinke hängend nach unten durchsacken. Es klappte. Die Tür sprang weit genug auf. Hubert ließ sich fallen, wobei er über den Eisblock glitt, in den er die zur Riesenform aufgeblähte Erscheinungsform seiner Mutter verwandelt hatte. Immer noch vom Musculinimus-Fluch geschwächt krabbelte er nun schnell durch den für ihn ausreichend breiten Spalt zwischen Türblatt und -rahmen und gelangte in die Küche. Was im Gigantenwohnzimmer weiter geschah bekamen die Pflegehelfer nicht mit.
"Laurentine hatte sich mal wieder zur Drei-Meter-Hexe vergrößert. Vielleicht hätten sie und Céline die Rollen beim Bunten Abend tauschen sollen, dachte Julius, sagte es aber nicht laut. Sie untersuchte die Einrichtungen. Julius sah, wie sie einen stuhl nahm und auf die zweite Tür zuging. Sie legte die Rückenlehne auf die Klinke und wartete. Dann drückte sie von unten gegen die Stuhlbeine, so daß die Klinke von der nach unten drückenden Rückenlehne bewegt wurde.
"Tja, der gute Archimedes", kommentierte Julius, als Laurentine, ohne von einem Verwandlungsumkehrzauber auf ihre natürliche Größe zurückgeschrumpft worden zu sein, die Tür öffnete und dann in den nächsten Raum ging, der wohl das Elternschlafzimmer war, wegen des riesnhaften Doppelbettes. Sie blickte sich schnell um, ob ihr hier noch ein Gegner entgegentreten würde. Tatsächlich fuhr unter dem Bett etwas schwarz-weißes hervor, das das Maul zu einem lauten Kampfschrei oder Faucher geöffnet hatte. Es war die auf dreifache Größe aufgeblasene Kopie von Laurentines Kater Maximilian. Doch Laurentine warf ihm den Küchenstuhl in die Flugbahn. Der Kater konnte seinen Flug nicht mehr korrigieren und krachte gegen den Stuhl. Laurentine schnapte ein Kopfkissen und zog den Bezug ab. Diesen ließ sie dem benommenen Kater als dicker Leinensack um den Körper fallen und machte aus dem Sack einen Käfig mit daumendicken Gitterstäben. Da kam die schon pumagroße Nachbildung wieder zu sich und hieb mit voll ausgefahrenen Krallenund den vampirgleichen Fangzähnen in die Gitter. Draußen wurde laut geklatscht, und "Lau-ren-tine! Lau-ren-tine!"-Sprechchöre zeigten, daß die Beauxbatons den nächsten Teilsieg ihres zu Jahresbeginns noch gar nicht auf der Rechnung gehandelten Champions feierten. Nun konnte Laurentine den Stuhl wieder an sich nehmen und sich weiter in der Riesenwohnung umsehen, ohne Probleme mit der Möbelgröße zu haben.
Hubert baut jetzt Türmchen", stellte Patrice fest, die offensichtlich Gefallen daran gefundenhatte, den nur eingeschränkt beweglichen Champion zu beobachten. Offenbar imponierte ihr, daß er trotz der magischen Hemme nicht aufgab. Julius hätte wohl auch nicht so locker aufgegeben. Aber er hatte auch lernen müssen, daß Kraft zwar praktisch für schwere Arbeiten war, in einer geistigen oder magischen Auseinandersetzung aber eher wertlos war. Er fragte sich, ob der Fluchumkehrer ihm nicht diesen Musculinimus-Fluch vom Hals geschafft hätte. Nachher hätte er Superkräfte bekommen, wie der Seemann Popeye nach einem Kilo Spinat. Aber was hatte die Hüterin des Ablaufplans, Madame Rossignol, gesagt? Wenn das erste Tor geöffnet worden war, fielen alle Beschränkungen von denRäumen davor ab. Doch sie hatte auch erwähnt, daß dieser Abschnitt noch der harmlosere Teil sei. Wer oder was würde da noch kommen?
"Welchen Archimedes hast du gemeint, Julius?" wollte Belisama wissen. "Mein Ururgroßvater hieß nämlich auch so."
"Das war ein Naturgelehrter von der Insel Syrakus, Belisama. Der lebte so drei- bis vierhundert Jahre vor der Christlichen Zeitrechnung. Der hat viele interessante Sachen herausgefunden, warum leere Fässer schwimmen und volle untergehen und wie man mit langen Stangen oder Balken schwere Sachen hoch- oder runterdrücken kann", erwiderte Julius. "Und das alles ohne sich auf Magie berufen zu müssen."
"Zumindest kann Laurentine damit den Rückverwandlungszauber in den Türen umgehen", erkannte Belisama. Julius mußte ihr zustimmen. dann sah er schnell auf die Leinwand, auf der Hubert gerade über einen Turm aus zusammenbugsierten Möbeln hinaufturnte und die nächste Tür öffnete, wie er es vorhin gemacht hatte. Doch als er im Schlafzimmer der baugleichen Riesenwohnung ankam, erwartete ihn die ebenfalls riesenhaft vergrößerte Version seiner Großtante. Diese schien mit ihm zu schimpfen, wollte ihn ergreifen. Er versuchte noch einmal, den Vereisungszauber zu bringen. Doch sie sprang aus dem Nebel, bevor dieser zu einem dicken Panzer wurde. Hubert konnte aus seiner Krabbelstellung heraus nicht auf den Kopf der Riesin zielen, solange sie ihn nicht anhob. Dafür jagte er nun einen handbreiten Wasserstrahl auf die Riesin los, der sie voll zwischen die Beine traf und wohl laut kreischend hochspringen ließ. Dann ließ Hubert wohl alles in der Luft befindliche Wasser der Umgebung mit einem Schlag am Körper seiner scheinbaren Großtante kondensieren. Ihr zeltgroßer Leinenumhang sog sich sofort mit Wasser voll. Noch einmal ließ er das Wasser zu Eis werden. Diesmal gelang es. Die imitierte und überdimensionierte Gudrun Rauhfels stand nun in tiefgefrorenen Kleidern da. Sie zitterte wild. Doch der nun dicker und dicker werdende Eispanzer schloß sie immer fester ein und machte sie zu einer Eisskulptur, aus der am Ende nur der Kopf herauslugte. Regelrecht festgefroren stand sie da. Hubert grinste überlegen.
"Hui, weiß Astrid, was für ein eiskalter Bursche ihr da auf den Besen gerutscht ist?" fragte Patrice mit einer Mischung aus Anerkennung und Unbehagen.
"Was macht der gerade?" wollte Belisama wissen, die sich voll auf Laurentine und ihre Tricks aus dem Physikbuch konzentrierte. Denn gerade hatte die für Beauxbatons wettkämpfende ein Treppenhaus entdeckt, bei dem die Stufen mindestens vierzig Zentimeter hoch waren. Da es außer diesem Raum keinen anderen gab, den Laurentine schon besichtigt hatte, lief sie die für sie gerade normalhohen Stufen hinauf.
"Ja, gleich ist sie da, wo Tor eins zu öffnen ist", sagte Madame Rossignol.
"Gloria ist jetzt gerade im Schlafzimmer .. und wird von einer Rieseneule angeflogen", stieß Millie laut aus. das weckte Aurore aus ihrem Schlummer. Sie schrie laut. Das wiederum machte auch Sandrines Zwillinge wach.
"Ui, das wollte ich nicht", wandte sich Millie ann Sandrine.
"Wäre sowieso Zeit für die Nachmittagsmilch", grummelte Sandrine. "Julius, kannst du für mich auf Hubert und Gloria gucken?"
"Kein Problem, Sandrine", erwiderte Julius. Millie holte Aurore aus der Wiege und sang leise auf sie ein. Dann band sie sich mit einem Zauberstabwink eine Schürze um und ließ ihre Tochter darunter verschwinden. Einige Sekunden später drang leises Schmatzen und Glucksen von Millie und Sandrine her, die ihren Doppelnachwuchs ebenfalls sorgfältig angelegt hatte.
Glorias Eule wurde mit dem gleichen Zauber aus dem Kampf genommen, mit dem sie die Riesenversion ihrer Mutter abgewehrt hatte. Die Giganteule wurde von drei glühenden Armen im Flug erfaßt und umschnürt. Die Eule zappelte einen Moment, dann verschwand sie wie disappariert.
"Mit der will ich besser keinen Streit anfangen", meinte Millie, die problemlos auf die Leinwand sehen konnte, was Gloria machte.
"Da kann Kevin froh sein, daß er damals nur Ohrfeigen bekommen hat, als er so laut über deine ganzen Bekannten abgemosert hat, Julius", sagte Patrice.
"Laurentine ist in einem Kaminzimmer gelandet. Der Kamin ist ja sehr hoch und sieht oben wie ein alter Torbogen aus. Da steht sogar was in Runenschrift drauf", sagte Belisama. Julius sah sofort auf die für Laurentine reservierte Leinwand.
"Hast du die Kinderzeit bestanden,
Die Angst der Kleinheit wohl besiegt,
so nutz den ersten Schlüssel trefflich!
Ich bin das erste Tor, das vor dir liegt." übersetzte Julius nach knapp zehn Sekunden so nahe es ging an der offenbar eingehaltenen Versform.
"Stimmt, kann echt genau so übersetzt werden, Julius", sagte Sandrine, die sich in eine bequeme Stillhaltung gesetzt hattte und trotzdem noch Laurentines Leinwand sehen konnte.
Im Kamin lagen vier dicke Holzscheite. Über dem Kamin hing ein mächtiger Haken. Außerdem gab es in dem Zimmer noch einen Schrank mit Glaseinlagen, hinter denen liegende Flaschen schemenhaft zu erkennen waren. Links neben dem Kamin lag ein luftmatratzengroßer Blasebalg. Laurentine sprang in die Luft. Dann bedachte sie wohl, daß sie die Sachen nicht einfach so anfassen konnte. Sie hantierte mit dem Zauberstab und versuchte wohl was am Schrank und dem Blasebalg. Doch es rührte sich nichts. Dann fiel ihr ein, daß sie wohl noch was benötigte. Sie lief durch das Treppenhaus zurück, hebelte mit dem Stuhl die Türklinken auf, bis sie in der Küche stand und lud sich den für sie gerade groß genug erscheinenden Kessel auf den Stuhl. Durch die noch offene Tür eilte sie ins Treppenhaus und von dort ins Kaminzimmer.
Gloria hatte wohl auch gerade die Fachsen dick, als Zwergin herumzulaufen. Sie ließ sich auch wieder auf die maximale Größe bei eingeschränkter Selbstverwandlung anwachsen und nahm den Kessel mit einem langen Brett zum Brotschneiden vom ofen herunter. Sie faßte ihn an ... und fiel umzuckt von farbigen Blitzen auf ihre Normalgröße zusammen. Der Kessel wurde ihr zu schwer und kullerte ihr aus den Händen. Sie fluchte wohl. Kein Zauber ließ den Kessel aufsteigen. Sie suchte im Wohnzimmer nach einem längeren und breiteren Möbelstück und wuchs wieder auf mehr als drei Meter an. Dann nahm sie den Stuhl und las den Kessel damit auf. Mit ihrer Beute durchwanderte sie die verbleibenden Räume, bis sie im Treppenhaus war und in das Kaminzimmer gelangte. Sie lachte wohl laut, als sie den Haken über dem Kamin und die Inschrift über der torbogenartigen Verzierung las. Dann bugsierte sie mit Bewegungen des Stuhles den Kessel so, daß er mit der massiven Öse passend an den Haken glitt und sicher zu hängen kam. Danach beschwor sie Wasser in den Kessel und entzündete das Feuer auf magische Weise. Sie blickte auf den Blasebalg. Sie versuchte, ihn zu betätigen. Dabei fiel sie schon wieder auf ihre Ausgangsgröße zurück.
"Diese Selbstvergrößerungen kosten viel Ausdauer", erwähnte Madame Rossignol etwas, was die Pflegehelfer alle wußten. Gloria schnaubte wohl was. Dann entsann sie sich des Stuhles, mit dem sie die Türen geöffnet und den Selbstverwandlungen aufhebenden Kessel bewegt hatte. Sie ließ sich wieder auf mehr als drei Meter anwachsen und drückte nun mit dem Holz des Stuhls auf den Blasebalg. Dieser wurde zusammengedrückt. In den Flammen entstand helleres Licht. Also bekam das Feuer Frischluft. Sie rammte nun den Stuhl immer wieder auf den Blasebalg.
Hubert hat es auch mit einer Selbstvergrößerung versucht, als er im Treppenhaus ankam", erwähnte Patrice, während die drei Säuglinge von dem allen um sie herum unbekümmert ihre Nachmittagsration tranken. Julius wollte wissen, ob er schon im Kaminzimmer war, denn ihm wurde klar, was die Anordnung im Kaminzimmer zu bedeuten hatte. Er fragte sich nur, was die durch die Glaseinlagen nicht genau zu erkennenden Flaschen damit zu tun hatten. War darin das einzige zulässige Wasser?
Hubert stand im Kaminzimmer und sah die Runen. Lesen konnte er sie nicht. Doch sie zu sehen reichte ihm offenbar als Bestätigung, kurz vor dem ersten Etappenziel zu sein. Er besah sich den Blasebalg und den Schrank und lachte, als er die darin gelagerten Gefäße sah. Dann rannte er wieder durch das für ihn gerade leicht benutzbare Treppenhaus hinunter, hebelte mit einem Stuhl die Tür wieder auf und werkelte an dem Kessel auf dem Ofen, ohne ihn mit bloßen Händen anzufassen. Dann bugsierte er ihn auf den Stuhl.
"Huch, das kann man auch damit machen?" staunte Belisama, als sie wie gerade auch Julius mitverfolgte, wie Laurentine ihren Zauberstab durch das Loch im Schrankschlüsselgriff schob und den Schlüssel mit beiden Händen herumdrehte. Tatsächlich ging der Schrank auf.
"Ist das gleiche Prinzip, Belisama. Du baust dir eine Hebelvorrichtung, um mit wenig Kraft größere Kraft auf einen Gegenstand zu bringen", erläuterte Julius. Julius wunderte sich nur, daß der Zauberstab die vielleicht im Schrank steckende Selbstvergrößerungsaufhebung nicht umkehrte. Offenbar, so erkannte er, hätte er die Regeln zum magischen Widerstand in Materie doch noch weiter beachten sollen, als es im Unterricht nötig war. Er fragte die Heilerin, warum der mit Laurentine gewachsene Zauberstab nicht durch einen Verwandlungsumkehrzauber zum Zahnstocher im Vergleich zu seiner Trägerin wurde.
"Soll mich die Frage jetzt überraschen oder enttäuschen, Julius?" erwiderte die Heilerin darauf. Dann lächelte sie jedoch und sagte, daß die Verwandlungsumkehr nur bei direktem Kontakt lebender Wesen mit den nicht durch Fremdzauber zu öffnenden oder zu bewegenden Dingen griff und im Zauberstab zwar ein Teil der lebendigen Kraft Laurentines floß, der aber auch einen Widerstand gegen von außen auf ihn wirksame Verwandlungszauber bot, sobald er von seiner Trägerin geführt wurde. "Nur Entwaffnungszauber bringen in einem Augenblick genug Fernbewegungsmagie auf, um dem Träger den Stab aus der Hand zu zaubern. Oder hast du erlebt, daß ein Zauberer mal wem den Stab per Aufrufezauber entwunden hat? Dann hätte dieser wahnhafte Massenmörder, vor dem du, deine Mutter und viele andere habt fliehen müssen, nicht lange wüten können", erwähnte die Heilerin. Sie führte, während Laurentine den Stab behutsam benutzte, um die nächstgelegene Flasche verrückte, bis diese ihr entgegenrollte und sie mit der Geschicklichkeit einer Jongleurin das einen Meter große Gefäß auf der Sitzfläche des von ihr als Hebelhilfe benutzten stuhles auffing, den Stab erst einmal fallen ließ und die Flasche auf den Boden brachte. Dann hob sie den Stab wieder auf, stupste behutsam die nächste Flasche an und porkelte so behutsam sie konnte daran, bis sie fast aus dem Schrank fiel. Schnell ließ sie den Stab fallen, riß den Stuhl hoch und hob die halb aus dem Schrank gerollte Flasche an, um sie sicher abzusetzen. Das tat sie so oft, bis sie vier Flaschen sicher aus dem Schrank geborgen hatte. Danach steckte sie den Stab erst einmal fort und faßte das Glas der Flasche an. Keine Reaktion. Sie blieb auf ihrer angenommenen Körpergröße. Sie lachte. Dann beschwor sie einen zum Korken passenden Korkenzieher aus dem Nichts herauf und schaffte es, ohne ihn zu verlieren, die aus dem Schrank geholten Flaschen zu entkorken.
Hubert muß wieder einen Turm bauen, weil ihn dieser Musculinimus-Fluch nicht hochkommen läßt", bemerkte Patrice. Sandrine, die gerade Glorias Bemühungen sah, das Wasser im Kessel zum kochen zu bringen, blickte kurz auf die beiden anderen Leinwände. "Auf den Flaschen steht was von Bordeaux. Sieht wirklich aus wie Rotwein." Julius ging gerade ein Licht auf. Zwar hatte er es nie so mit Alkohol gehabt, aber sein Onkel Claude hatte mal behauptet, daß die südeuropäischen Weinbauern ihre Ware gerne als "Lebenssaft" oder "Blut von Mutter Erde" bezeichneten. Wenn Laurentine und Hubert das auch schon mal gehört hatten, dann war klar, warum die beiden gleich an die Flaschen im Schrank gingen, wobei Hubert sich noch was ausdenken mußte, um den Schrank zu öffnen. Er sah Hubert zu, wie er aus einer großen Bank im Kaminzimmer eine leere Luftmatratze machte, dann noch eine und noch eine. Diese füllte er mit Zauberstabstupsern so stark auf, daß sie knapp bis zur Unterkante der Schranktür aufragten.
"Da hätte man auch drauf kommen können", meinte Julius anerkennend, als er den kleinen Stapel sah, an dem sich Hubert nun mit verbissener Miene hochzog und mit einem seine Armmuskeln blähenden Klimmzug hinaufkam. Jetzt machte er dasselbe wie Laurentine und hebelte den Schrankschlüssel mit dem Zauberstab herum. Dann griff er in den Schrank hinein und bekam eine der Flaschen zu fassen. Er wartete wohl, ob ihn nicht gleich wieder eine Rückverwandlung auf seine normale Größe schrumpfte. Doch es passierte nichts. Er rollte die erste Flasche aus dem Schrank und ließ sie auf die prallgefüllte Matratze plumpsen. Dann noch eine und noch eine. Dann ließ er sich schnell herunter und tippte mit dem Zauberstab die unterste Matratze an. Sie fiel in einer Sekunde zusammen, ohne daß die ganz oben liegenden Flaschen herunterrollten. So leerte er auch die zweite Matratze auf magische Weise und dann die dritte. Wieder im Vierfüßlerlauf ging es zurück in die Küche ein Stockwerk weiter unten. Er baute mit dem Aufrufe- und Bewegungszauber eine Pyramide aus Stühlen und schaffte es sogar, das riesige Doppelbett hochkant durch die Tür zu bugsieren, vorbei an der zur Eisstatue gewordenen Überlebensgroßen Gudrun Rauhfels. Das brachte Julius auf die Frage, ob die Nachahmunen wirklich lebten und in diesem Zustand sterben könnten.
"Um den Rückverwandlungszwangzauber aufzunehmen mußten sich die Ministeriumszauberer was einfallen lassen, magicomechanische Puppen, die mit irrwichtartiger Gedankenbilderkennung ausgestattet waren, zu zaubern" erläuterte Madame Rossignol und wandte ein, daß diese Zaubereien nur von Ministeriumszauberern nach genauer Genehmigung der Abteilungen für experimentelle Zauberei, magische Spiele und Sportarten und magischer Strafverfolgung angewendet werden durften.
"Und wenn einer nein sagt darf das nicht gemacht werden?" wollte Julius wissen. Die Heilerin von Beauxbatons bestätigte das.
"So geht's auch", bemerkte Patrice zu Huberts erfolgreichem Versuch, vom Doppelbett aus wie von einem trampolin zum Kessel hochzuspringen. Zwar löste die Berührung damit eine Rückschrumpfung aus. Doch Hubert war nun entschlossen, den schweren Kessel, in den mindestens fünfzig Liter Flüssigkeit passen mochten, vom Ofen zu kriegen. Als das Gefäß endlich vom Ofen herabkullerte, klatschte Hubert in die Hände und griff wieder seinen Zauberstab, um sich wieder so groß wie Madame Maxime oder Hagrid zu zaubern.
Glorias Kochkünste zeigten nicht die gewünschte Wirkung. Zwar brodelte das Wasser im Kessel nun immer mehr und eine dichte, weiße Dampfwolke kräuselte sich in sanften Spiralwindungen in den Kaminschacht hinauf. Doch damit war das Tor wohl nicht zu öffnen. So verkochte das ganze Wasser, und das Feuer erfaßte alle vier Holzscheite. Waren die abgebrannt war das Vorhaben wohl gescheitert. Als Gloria dann noch einmal den Schrank ansah, schrie sie wohl auf. Ihr Gesicht nahm einen tiefroten Farbton an. Sie war schlicht wütend und schlug sich vor die Stirn. Mit einem Zauberstabstupser ließ sie das ganze restliche Wasser aus dem Kessel verschwinden, löschte mit dem eisblauen Zauberlichtkegel des Brandlöschzaubers die Flammen und kühlte die Glut herunter und sah sich verdrossen um. Ihre graugrünen Augen funkelten unheilvoll. Dann klaubte sie mit Fernlenkzaubern alle im Kaminzimmer befindlichen Möbel zusammen und zerkleinerte eine Sitzbank mit wuchtigen Zauberstabschwüngen von oben nach unten. Julius hörte von draußen einen kleinen Chor ein Lied auf Deutsch singen. Denn er verstand den Text nicht. Von der Melodie her klang es wie ein alpenländisches Volkslied und wurde mit rhythmischem Klatschen unterlegt. Er hörte jedoch den leichten Spott heraus, mit dem die Sängerinnen und Sänger das Lied zum besten gaben.
"Huch, was ist denn jetzt los?" wollte Patrice wissen, die Hubert beobachtete. Madame Rossignol meinte dazu, daß die Greifennestler wohl Glorias Wutanfall kommentierten, weil sie genau in dem Moment zu singen angefangen hätten, als Gloria die ersten Holzscheite aus der Bank herausgehackt hatte.
"Der Discido-Zauber ist schon genial zum Holzhacken", stellte Julius fest, während Gloria die von ihr als Opfer ausgewählte Bank in nur einer halben Minute in hundert handliche Holzscheite zerlegt hatte.
"Ist auch zum zerschlagen von großen Steinen geeignet", wußte Patrice. Da sie hier alle mit Ausnahme von Julius denselben Zauberkunstbildungsstand hatten brauchte da keiner noch was zu zu sagen. Jedenfalls ließ Gloria aus ihrer aufgeflammten Wut heraus alle Holzstücke in den Kamin wirbeln. Sie mußte den Stab einmal loslassen, weil bereits erste Funken zwischen den fliegenden Holzstücken aufglommen. Doch noch mußte sie ja an die Weinflaschen im Schrank. Sie brach mit einem etwas weniger ruppig und dafür sehr präzise ausgeführten Zerhackzauber ein schmales, langes Stück von dem Stapel im Kamin. Dann hebelte sie damit den Schlüssel herum. Daß sie dabei ihren Zauberstab hätte benutzen können war ihr nicht eingefallen. Julius hatte Gloria schon ein paar mal richtig wütend erlebt. Weil sie sonst so besonnen auftrat konnte er diese Male an einer Hand abzählen. Sie keuchte und schnaubte wohl. Es dauerte eine Minute, bis sie sich wieder beruhigte und nun mit der nötigen Ruhe und Geschicklichkeit an die Weinflaschen ging. Da sie nun wußte, daß die Möbel beliebig bezaubert und behext werden konnten, bewegte sie ein großes Sofa per Zauberkraft unter den Schrank. Sie prüfte mit einer Hand, ob sich die Flaschen ohne folgende Rückschrumpfung anfassen ließen, nickte und rollte wie Laurentine und Hubert die drei Flaschen heraus.
Laurentine hatte inzwischen alle von ihr herausgeholten Weinflaschen entkorkt und deren Inhalt in den über dem Kamin hängenden Kessel ergossen. Als der Kessel fast überlief entzündete sie die Holzscheite und benutzte eine leere Flasche als eine Art Stößel, um den Blasebalg zu betätigen. Damit fachte sie das Feuer anund brachte so den Kessel voll Wein zum Kochen. Dunst entwich. Dann wurde es Dampf. Als der edle Rotwein im Kessel richtig in Wallung geriet bildete sich der Haken zu einer breiten Nase um, an der der Kessel nun hing. Unter der Nase klaffte ein breiter Mund auf. Eine beindicke Zunge tastete in den sidenden Kessel hinein, während Laurentine verbissen den Blasebalg betätigte. Dann wuchsen aus den Seiten des Kamins Arme dick wie Balken. Laurentine erschrak erst. Doch dann erkannte sie, daß sie genau das richtige ausgelöst hatte und blies weiter Luft in die Flammen. Die Holzscheite loderten wie Zunder. Weil sie jede Sekunde frischen Sauerstoff bekamen brannten die Flammen mit mindestens der dreifachen Stärke. An den aus dem Kamin gewachsenen Armen sprossen Hände groß wie Mülleimerdeckel. Diese Hände ergriffen den unten glühenden, wild brodelnden Kessel und setzten ihn wie einen Trinkbecher an. Mit pumpenden Bewegungen füllte das durch das Weinkochen beschworene Etwas den dampfenden Inhalt des Kessels in den riesenhaften Mund. Dabei verbrannte es sich offenbar nicht.
"Jau, der Zauber ist ja echt aufwändig", lobte Julius den Vorgang.
"Dieser im Kamin eingesperrte Weintrinker ist bestimmt auf Onkel Ottos Mist gewachsen", meinte Millie. "Würde mich nicht wundern, wenn Ma den für sowas engagiert hat."
"Wenn das echt der Schlüssel zu Tor eins war müßte es doch jetzt eigentlich erscheinen und aufgehen", prophezeite Julius. Doch zunächst warf die Mischung aus Kamin und Riese den leergesoffenen Kessel weit in den Raum. Laurentine konnte sich gerade noch ducken. Dann entfuhr dem Riesenmund wohl ein sturmstarker Windstoß, der das Feuer ausblies wie eine Geburtstagskerze. Laurentines Umhang wurde wild zerzaust. Doch das störte sie nicht. Ihr war nur wichtig, daß das in der Wand hinter dem Kamin erschienene Gesicht sie anstrahlte, die Arme ihr zuwinkten und die Hände dann nach oben glitten, um die bogenförmige Wölbung über dem Kamin zu greifen. Unvermittelt standen da zwei säulen, während der Kamin und das heraufbeschworene Riesengesicht zurückwichen. Der Kamin zog sich dabei wohl in die Wand zurück. Dann sah Julius einen Durchgang, breit genug, daß ein Halbriese wie Hagrid oder Madame Maxime ohne sich bücken zu müssen hindurchpaßte. Laurentine jubelte kurz. Doch dann besann sie sich, nicht zu lange zu warten. Sie sondierte das Tor mit einem Zauber, der wohl ein Flucherkenner war. Sie lief los und durchschritt das von ihr geöffnete erste Tor des Ruhmes. Tosender Beifall von draußen und ein noch wilderer Lau-ren-tine-Sprechchor begleitete Laurentines Weg auf die zweite Etappe. Nun riefen auch welche "Beaux-ba-tons!!" Sie sahen die muggelstämmige Siebtklässlerin wohl schon mit dem Pokal. Doch dazwischen lagen noch sieben zu öffnende Tore.
Laurentine war Gloria und Hubert um mindestens zehn Minuten voraus. Daher beobachtete Julius sie zunächst. Laurentine war beim Durchschreiten des Tores offenbar auf ihre normale Größe zusammengeschrumpft oder von allen nicht zur Aufgabe gehörenden Zaubern befreit worden. Jetzt erkannte Julius, daß sie zwischen vielen Mädchen in blaßblauen Beauxbatons-Kostümen herumlief, darunter auch Belisama, Céline ... und Claire. julius fühlte einen leichten Stich im Herzen. Doch als er dann das genüßliche Glucksen seiner Tochter hörte, verflog der kurze Anfall von Trauer und Schuld wieder. Offenbar sollte diese Etappe die Jugendzeit der Champions behandeln, den Frühling des Lebens sozusagen.
"Illusionsmagie, nehme ich an", vermutete Julius. Doch die Heilerin schüttelte behutsam den Kopf und erwiderte, daß es nicht nur Illusionszauber waren. Laurentine erkannte Claire und stutzte. Claire sprach sie an. Laurentine reagierte ganz verhalten. Natürlich wußte sie, daß das ein magisches Trugbild war. Doch wie sollte sie jetzt darauf reagieren, um Tor zwei zu finden.
"Ist das eines der weniger harmlosen Sachen?" wollte Julius wissen.
"Ja, ist es", beantwortete Madame Rossignol die Frage. Im Moment sah es aber nicht nach etwas bedrohlichem aus. Das konnte sich aber in der nächstenSekunde ändern. Julius erkannte, daß die Champions erst eingelullt werden sollten, sich irgendwie mit ihren Schulkameraden verständigen mußten, um mehr über ihren weiteren Weg zu erfahren.
Laurentine sprach mit ihren Schulkameradinnen. Offenbar prüfte sie, wie weit sie mit den Abbildungen kommunizieren konnte. Dann setzte sie sich mit Claire an einen Tisch. Sie waren im grünen Saal von Beauxbatons. Offenbar war das hier ähnlich einer Holodecksimulation, vermutete Julius. Die Frage war nur, welche Aktionen den Weg zum zweiten Tor öffneten und was Laurentine auf keinen Fall tun durfte. Weil es im Moment nicht danach aussah, daß etwas gefährliches passierte, las er die zweite Zeile der Aufgabenliste:
"Wecke den heißen Sohn der Sonne im Kelch des Mondes!" rezitierte er den zweiten Teil. "Vielleicht muß sie nur einen silbernen Kelch finden und ein Feuer darin anzünden."
"Ein wenig komplizierter ist es schon", erwiderte die Heilerin Darauf. Aurore stieß laut und satt auf. Millie lachte leise und holte die kleine Latierre unter ihrer Schürze hervor. Mit einem rosaroten Reinigungstuch wischte sie ihr Speichel und Milch vom Mund ab und legte sie in die Wiege zurück.
Laurentine lief inzwischen mit Céline und Claire in einen der Mädchenschlafsäle. Julius sah noch einmal Claire an. Sie war gerade so alt, wie er sie zuletzt lebend gesehen hatte. War diese Zeitreisesimulation auch eine Falle und Mädchen wie Claire und Céline die Köder oder die auf Beute lauernden Fallensteller? Falls Laurentine sich auch diese Gedanken machte müßte sie eigentlich jeden Schritt mit größter Vorsicht tun, dachte Julius. Doch Laurentine ging wohl von einem für sie vorbereiteten Rollenspiel aus, bei dem sie wichtige Dinge erfragen oder ergattern mußte, so wie es im Computerspiel oder bei Kerker und Drachen passierte. Julius dachte mit einer Mischung aus Verärgerung aber auch Wehmut an die Spielenachmittage mit der Bubblegum-Bande. Immer wenn Malcolm Kerkermeister war, hatte es mindestens fünfzig sogenannte Zufallsbegegnungen gegeben. Der Kerkermeister würfelte für die Mitspieler uneinsehbare Werte aus, denen nach sie auf etwas harmloses wie eine Fee oder etwas tödlich gefährliches wie einen roten Drachen treffen konnten. Dazwischen konnten Untote, Orks oder Trolle, menschenfressende Riesenschnecken oder Risenamöben vorkommen. War das hier sowas ähnliches?
"Also, er ist schon richtig versessen und denkt sich geniale Sachen aus", bemerkte Patrice, die wohl im Moment auf Hubert sah, weil Belisama und Sandrine eher auf Laurentine achteten. Julius sah kurz, daß Hubert nun trotz der ihm aufgeladenen Einschränkungen Alle Flaschen in den Kessel umgefüllt hatte. Er hatte den Stapel Luftmatratzen so vor den Kamin bugsiert, daß er den Kessel mit Hilfe einer gerade nicht mehr sichtbaren Hebelhilfe an den Haken gehängt hatte. Über einen langen, von irgendwoher gezauberten Schlauch, ließ Hubert gerade die letzte Flasche Wein in den Kessel leeren. Dann entzündete er das Feuer und rammte eine der leeren Flaschen auf den blasebalg. Doch er lag schon zehn Minuten hinter Laurentine zurück. Gloria, die noch länger gebraucht hatte, bis sie auf die Weinflaschen kam, hatte ihn jedoch schon überholt und machte gerade das für sie vorgesehene Tor Nummer eins auf.
"Weg mit dem Nebel! Freie Sicht!" skandierten draußen alle Beauxbatons-Schüler. Julius sah auf die Darstellung von Laurentine. Er sah sie gerade völlig unbekleidet und räusperte sich. Aber da er der einzige Zauberer in diesem Zelt und bereits stolzer Familienvater war, galt für ihn die ungeschriebene Vorschrift nicht mehr, eine unverheiratete oder verwitwete Hexe heiraten zu müssen, sobald er sie nackt zu sehen bekam und nicht mit ihr verwandt war.
"Warum hat sie sich ausgezogen?" wollte Belisama von der Heilerin wissen.
"Ihr wurde wohl was von einem Fest erzählt, das gefeiert werden soll", sagte die Heilerin mit einer gewissen Spur Anspannung. Julius sah noch Céline und Claire. Claire kannte er auch schon unbekleidet. Doch Céline nackt zu sehen irritierte ihn nun doch. Zumindest wußte er, daß die anderen da draußen das nicht mitbekamen. Jemand hatte wohl die Sittlichkeitsregeln bedacht und für diesen Fall einen Verhüllungszauber in die Mitverfolgungsansicht eingewirkt.
"Es versteht sich von selbst, daß für euch die Pflegehelferstatuten gelten, denen nach ihr den Anderen nicht erzählt, wenn ihr wen von euren Mitschülern mit freiem Ober und/oder Unterkörper zu sehen bekommt", sagte die Heilerin ihren fünf Helfern. Julius nickte. Die anderen auch. Julius fragte jedoch, was Madame Rossignol gemacht hätte, wenn er noch nicht verheiratet gewesen wäre?
"Wie erwähnt fällt das unter die Pflegehelferstatuten", erwiderte die Heilerin. "Denn es könnte durchaus auch passieren, daß wir Hubert Rauhfels mit vollständig freiem Körper zu sehen bekommen, und Belisama sowie Patrice sind noch nicht verheiratet."
"Laurentine hat sich aber schon wieder angezogen", bemerkte Belisama leicht verschüchtert. Offenbar geht es jetzt zu diesem Fest."
"Daß Partys zu Horrorveranstaltungen werden können kenne ich leider besser als mir lieb ist", meinte Julius dazu. Die drei Kameradinnen und seine Frau nickten ihm zu. Dann seufzte Sandrine: "Huh, endlich auch beide satt. Gibt's für mich auch was zu trinken. Sonst trockne ich noch aus." Madame Rossignol schenkte ihr aus einer großen Karaffe Wasser in einen Becher, während die Zuschauer draußen wieder johlten, weil der Blickschutzzauber wohl aufgehört hatte und sie Laurentine wieder sehen konnten. Auch Gloria war nun auf dem zweiten Wegesabschnitt. Sie befand sich in Hogwarts. Julius wunderte sich nicht, sich selbst in der Runde derer zu sehen, die Gloria umgaben. Allerdings sah er sich so wie vor dem leidigen Zauber, mit dem er sich um zwei Jahre älter gemacht hatte und weit vor dem von Madame Maximes Blut bewirkten Wachstumsschub. Sie sprach wohl mit Pina und Holly Lightfoot über was. Dann wandte sie sich an Julius. Soweit ähnlich wie bei Laurentine. Allerdings ging es dann nicht in einen der Mädchenschlafsäle von Ravenclaw, sondern gleich in die große Halle von Hogwarts, wo Julius mit einem gewissen Anflug von Bestürzung Albus Dumbledore wiedersah, der durch seinen Tod den Sieg über Voldemort ermöglicht hatte. An der Dekoration erkannte Julius, daß sie wohl den Hauspokalgewinn von Ravenclaw feierten. Ravenclaw? Solange Julius in Hogwarts war, hatte Gryffindor den Hauspokal geholt. Das Jahr von Umbridge war kein Hauspokal ausgelobt worden, weil durch Umbridges Vorgehen die Punkteverteilung verfälscht worden war. Slytherin hätte demnach turmhoch gewonnen, weil die als einzige mehr als vierhundert Punkte hatten. Doch wegen der Schikanen, die Slytherins Gryffindors, Ravenclaws und Hufflepuffs angetan hatten, hatte Dumbledore alle Punktegläser auf null zurückspringen lassen und den Hauspokal für unzuteilbar erklärt, hatten Pina und Gloria ihm erzählt. Das Jahr darauf war Gloria in Beauxbatons gewesen. Da hatte es auch keinen Pokal gegeben, weil wegen Dumbledores Tod das Schuljahr vorzeitig beendet worden war. Auch das Jahr danach war kein Pokal vergeben worden, weil die Punktegläser bei der Schlacht von Hogwarts zerstört worden waren und ohnedies wegen der entführten und getöteten Schüler die Punktewertung sehr unfair verlaufen wäre. Außerdem hatten die Schüler da was viel schöneres zu feiern gehabt. Dann hatte Gryffindor den Pokal noch einmal geholt. Wäre jetzt Ravenclaw dran gewesen? Doch dann fiel ihm ein, was hier ablief. Die Champions bekamen eine Idealdarstellung zu sehen, etwas, daß sie gerne so gehabt hätten, nicht die wirklichen Ereignisse. Zwar mochten die Turnierteilnehmer sich klar sein, es mit einer Verfremdung der Ereignisse zu tun zu haben. Aber wie lange würde das Wissen über das gerade geschehende triumphieren?
Laurentine tanzte erst mit Gaston, dann mit Robert und dann mit Gérard. Gloria prüfte wohl schon nach, was der Kelch des Mondes sein mochte. Hubert war immer noch dabei, den Kessel anzuheizen. Doch die ersten Anzeichen, daß er das Tor aufbekommen würde, waren schon zu erkennen.
"Hui, wußte nicht, daß Laurentine so leidenschaftlich tanzen kann", staunte Belisama, als Laurentine gerade mit einem der älteren tanzte. Julius fiel ein leicht silbriger Glanz auf den Leuchten ein, der um die Tanzenden eine gewisse Aura erzeugte.
"Was wird das?" wollte Belisama wissen, als Laurentine Claire von Plato Cousteau trennte, mit dem diese gerade in einen verrucht anmutenden Tanz eingestiegen war.
"Sie muß sich jetzt konzentrieren, nicht ihre Selbstbeherrschung zu verlieren. Sonst könnte es passieren, daß wir sie vorzeitig aus der Runde herausnehmen müssen", bemerkte die Heilerin von Beauxbatons mit gewisser Anspannung.
"Öhm, das klär ich aber mit meiner Mutter, wie die darauf kam, ich hätte mal was von dem wandelnden Kleiderschrank ohne Inhalt gewollt", schnaubte Millie und deutete auf ihr Ebenbild, das gerade mit dem drei Jahre älteren Baudouin Lamarc tanzte, der in ihrem Saal gewohnt hatte. Die simulierte Mildrid Latierre machte bereits anstalten, dem selbst sie noch um einen halben Kopf überragenden Jungen in eine gewisse Stimmung zu bringen. "Also, den hätte ich unter normalen Umständen nicht mal mit dem Besenschweif angefaßt, Leute", grummelte Millie. Julius fühlte ihre Wut, die nicht aus Ertapptheit, sondern blanker Verärgerung rührte.
"Ja, und Gérard ist an Nadine Albert dran", schnarrte Sandrine. Offenbar mißfiel es ihr, diese Simulation zu sehen, wo sie und Gérard nicht zusammengekommen waren.
"Das ist doch alles eine Verfremdung, nichts was wirklich passiert ist", versuchte Julius, Millie und Sandrine zu beruhigen. Doch selbst war ihm auch nicht so unbefangen zu mute, wenn er sah, daß Claire nach anfänglichem Zögern mit Laurentine genauso leidenschaftlich und immer enger aneinander tanzte. Sicher war das alles Gaukelei, nichts echtes. Aber wieso konnte er sich nicht damit beruhigen, daß es nicht echt war? Lag es an Millie, die ihre Wut auf die sie zeigende Darstellung nicht abkühlen konnte oder wollte? Immerhin bekam er über den Herzanhänger ja wieder alles mit, was sie bewegte und aufwühlte.
In Hogwarts tanzen die auch?" fragte Patrice, die gerade Glorias Darstellung sah, nachdem Hubert wohl seinen ersten Abschnitt endlich abgehandelt hatte. Julius sah schnell hin und erkannte Gloria, die mit Michael Corner zu tanzen anfing, während Cedric Diggory mit Cho Chang und Ginny Weasley mit Harry Potter tanzte. Kevin tanzte mit Gilda Fletcher, und Julius lag bereits in den Armen von Pina Watermelon. Wenn die echte Pina das jetzt sah mochte sie auch einen Stich im Herzen fühlen. Doch dann schimmerte es auch in der Darstellung Glorias silbrig aus den frei schwebenden Kerzen und den auf vielen kleinen Tischen leuchtenden Lampen und umkleidete die Tanzenden mit einer leicht silbrigen Aura. "Weg-mit-dem-Ne-bel! Weg-mit-dem-Ne-bel!!" skandierten alle Zuschauer auf den Rängen. Offenbar war der Blickschutzzauber wieder in Kraft getreten. Julius sah auch sofort warum. denn die auf Laurentine gerichtete Bildwiedergabe zeigte gerade, wie sich immer mehr Tänzer mit mehr oder weniger zärtlichen Handgriffen gegenseitig aus ihrer Kleidung schälten. Claire und Laurentine, das einzige rein weibliche Tanzpaar, zierte sich wohl noch. Doch Julius konnte eine auflodernde Begierde in Laurentines Augen erkennen, während Claire sich unbeweglich gab, als müsse sie gerade überlegen, welchen Schritt sie als nächstes ausführen konnte.
"Neh, Ma, das ist nicht dein Ernst", knurrte Millie, die ihr eigenes Ebenbild beobachtete, wie es sich immer gieriger an Baudouin zu schaffen machte.
"Hallo, was soll denn das mit Laurentine und Claire?" nahm Belisama Julius die Frage noch aus dem Mund, bevor er sich die Blöße gab, sie auszusprechen. Julius fürchtete schon, daß er gleich Zeuge einer für ihn nicht im Traum für möglich gehaltenen Szene werden mußte, während die anderen Zuschauer davon wohl nichts mitbekamen. Denn sie forderten immer noch: "Weg-mit-dem-Ne-bel!! Weg-mit-dem-Ne-bel!"
"Ich fordere Sie alle auf, sich wieder zu beruhigen!" fuhr Madame Faucons Stimme so laut über den fordernden Sprechchor, daß Julius meinte, die Schulleiterin stehe am Zelteingang und riefe ihm etwas zu. Julius sah auf die Darstellung von Gloria. Auch hier begann gerade aus einem gesellschaftsfähigen Tanz eine ungezügelte Orgie zu werden. Daß Professor Dumbledore dabei mit Professor McGonagall zusammenstand nahm er als lächerliches, dem Andenken des Verstorbenen nicht würdiges Bild hin und hoffte, daß die echte Professor McGonagall ebensowenig durch den wohl auch über Glorias Erlebnisse schwebenden Nebel nicht hindurchsehen konnte.
Laurentine war drauf und dran, Claires Bluse zu öffnen. Nun reagierte diese mit Abwehrbewegungen. Da schien in Laurentine ein Schalter umgelegt worden zu sein. Statt der angeheizten Begierde beherrschte nun tiefe Verärgerung ihre Gesichtszüge. Sie stieß Claire von sich, um gleich von Gaston, der im Hintergrund gelauert hatte, umschlungen zu werden. Sie kämpfte jedoch gegen ihn an und trat ihm einmal kräftig in den Unterleib. Doch das heizte ihn wohl erst recht an. Laurentine riß ihren Zauberstab hoch. Fast schlug ihr Gaston den Stab aus der Hand, während Claire sich auf Plato Cousteau stürzte, der vergeblich versucht hatte, sich Sandra Montferre zu nähern. Doch deren zeitweiliger Freund Marc Rossignol hatte ihn mit gezielten Tritten zurückgetrieben. Jetzt fand er sich mit Claire in einer immer leidenschaftlicheren Umarmung wieder. Bei den ausschließlich aus Bewohnern des roten Saales gebildeten Paaren ging es bereits vom biederen Tanz zur ungebändigten körperlichen Liebe über. Laurentine zielte auf Gaston und jagte ihm einen Schockzauber auf den Hals. Dieser ging jedoch durch diesen hindurch wie durch Nebel. Dann riß sie den Zauberstab vor ihren Kopf und murmelte wohl was. Als sie den Stab wieder senkte, war jedoch alles wie zuvor. Gaston versuchte erneut, sie zu packen. Da wendete Laurentine Julius' Karategrundgriffe an, die er ihr und Céline damals mit Genehmigung der Saalvorsteherin Professeur Faucon beigebracht hatte. Endlich traf sie Gaston voll auf die Nase. Gaston fiel um. Doch er stand wieder auf. Seine Nase richtete sich in einem Augenblick wieder. Laurentine reichten diese anderthalb Sekunden jedoch, um Gaston in ein festes Netz einzuwickeln. Sie warf sich herum und wollte aus dem Wogen der in wilde Lust geratenden Paare hinaus aus der Aula. Sie kämpfte wohl mit etwas in sich. Sonst wäre sie wohl schneller zur Tür gekommen. Da kam eine zwei Jahre ältere Bewohnerin des roten Saales auf Laurentine zu und grüßte sie. In ihrem Blick lag Begierde. Laurentine stand einen Moment still, als müsse sie einen sehr wichtigen Schritt überlegen. Da hatte die etwas größer und üppiger gestaltete Junghexe sie schon in eine Umarmung geschlossen und schmatzte sie ab, als habe Laurentine sich mit Marzipan oder Karamel eingerieben. Die Beauxbatons-Championette taumelte. Doch dann explodierte sie regelrecht. Mit zwei platzierten Handkantenschlägen an Stirn und Nasenwurzel und einer schnellen Hebelbewegung ihrer Arme machte sie sich aus der Umarmung frei und warf noch ein Netz über die sie bedrängende.
Gloria indes stand fast schon unbekleidet vor ihrem Tanzpartner. Julius konnte nun etwas in ihrem Blick sehen, daß er bei ihr bisher noch nie gesehen hatte: Das pure Verlangen, unbändiges Begehren. Millie, die gerade auf Laurentines Flucht aus der Liebesrauschfalle blickte, meinte noch: "Tja, jetzt könnte ich San und Tine sagen, daß die sehr begüterte Malvine Grenouille wirklich so drauf war, als wollte die nur Mädels. Aber die Pflegehelferstatuten ..."
"Verbieten das eindeutig", erwiderte Madame Rossignol unerbittlich laut.
Laurentine rannte aus der Aula. Über ihr vom vielen Abschmatzen feuchtes Gesicht kullerten Tränen. julius wußte jedoch nicht zu sagen, ob die Tränen aus Wut, Trauer oder Hilflosigkeit flossen. Jedenfalls rannte Laurentine weiter durch den Palast von Beauxbatons. Draußen johlten wieder welche, wohl weil sie die Beauxbatons-Turnierkämpferin wieder unvernebelt sehen konnten. Laurentine rannte einige Dutzend Schritte. Dann stoppte sie. Sie schluchzte unübersehbar. Doch dann trat die Wutröte in ihr Gesicht. Sie schickte mehrere heftige Zauber gegen die Wände. Doch diese wurden einfach geschluckt wie Wasser vom Wüstensand. Als sie sich etwas Luft gemacht hatte und wieder zur Besinnung kam, stand sie einen Moment ruhig da. Hinter ihr tauchten viele Jungen auf, die keine Partnerin abbekommen hatten. Laurentine hatte sie aber wohl früh genug gehört. Sie baute einfach eine Feuerwand zwischen sich und die Verfolger. Sicher mochten die Jungen mit vereinten Kräften diese Wand niederzaubern. Doch die waren auf einmal damit beschäftigt, sich gegenseitig zu verprügeln, wohl um an Laurentine heranzukommen. Diese lief jedoch einige Schritte weiter, warf sich herum, als wolle sie disapparieren und stand nun wieder in ihrer Beauxbatons-Schulmädchenuniform da. Sie prüfte, ob sie den Zylinder, das Fläschchen und den Smaragdschlüssel noch bei sich hatte. Dann lief sie in einen Gang, der aus dem Palast hinausführte. Entweder wußte sie nicht mehr, daß sie in einer Scheinwelt gefangen war, oder sie wollte wissen, wo diese aufhörte.
Julius sah schnell zu Gloria. Die nur noch im Unterzeug dastand und kurz davorstand, auch dieses abzustreifen. Dann sah sie die Abbildung von Julius, die mit der von Pina bereits einen Schritt weiter war, stutzte und stieß Michael Corner von sich fort. Der, wohl heftig angeregt und begierig, wollte sie jedoch nicht gehen lassen. Da vollführte Gloria an sich den Selbstvergrößerungszauber und wuchs über alle hinaus. Da passierte etwas gruseliges. Die ganzen Tänzer und Tänzerinnen, die gerade zu einer eher ganz intimen Bewegungsart übergegangen waren, schwollen an wie Luftballons. Sie blähten sich auf, wurden zu wandelnden Kugeln mit mehr als zwei Metern Durchmesser. Kleine Stummelfüße trugen die immer durchscheinender werdenden Geschöpfe, die immer noch anwuchsen, um die drei Meter große Gloria einzuholen. Doch bei knapp zweieinhalb Metern Durchmesser kam der unheimliche Aufblasvorgang zum stocken. Die kugelartigen Kreaturen, die kurz vorher noch wie Hogwarts-Schüler ausgesehen hatten, wankten und wabbelten auf Gloria zu, die nun wohl endgültig erkannte, in was sie da hineingeraten war. Sie zielte mit dem Zauberstab und machte damit einige schnelle Bewegungen. Da fielen die kugelrunden Geschöpfe in sich zusammen, wurden zu silberweißen, flachen Etwassen, die aussahen wie eine Mischung aus Kuhfladen, Mondlicht und Quallen. Aus den Körpern der verwandelten schnellten peitschenartige Scheinglieder heraus. Doch Gloria hüllte sich in eine Aura aus lodernden Flammen, wohl echtes Feuer. Die Scheinglieder verdampften bei der Berührung mit dem flammenden Hauch, der Glorias Konturen nachzeichnete.
"Uuuääh, die sehen ja echt widerlich aus", stieß Sandrine mit unverhohlenem Ekel aus.
"Das sind also die Traumfladen, von denen es Professeur Delamontagne in der Stunde vor der Prüfung hatte", knurrte Belisama und deutete auf die pulsierenden silberweißen Gallertgeschöpfe.
"Ähm, die sind nur in kleiner Stückzahl erlaubt, und das nur, weil die Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe das Wissen um ihre Natur nicht verlieren möchte und junge Amtsanwärter und Desumbrateure an diesem Glibberfladen ausbilden muß", knurrte Millie. "Das ist also auf Tante Bab's zum Himmel stinkenden Drachenmist gewachsen."
"Jetzt wißt ihr, warum ich froh bin, wenn diese Runde um ist, ohne wen in die Delourdesklinik bringen zu müssen", schnaubte Madame Rossignol, während Gloria die einzig wirksame, nicht tödliche Abwehrtechnik vorführte, um diese Wesen unschädlich zu machen. Sie verwendete den Gefrierzauber, worauf die silbernen Geschöpfe nun wie matt silbern glänzende Wurfdisken aussahen. Einige versuchten noch einmal, sich aufzublasen, um Glorias Körpergröße zu imitieren. Doch Gloria wirkte den Reverso-Mutatus-Zauber, der jede Fremdverwandlung aufhob und fror die so zurückgeformten ein. In diesem Zustand liefen alle Lebensvorgänge um den Faktor tausend langsamer ab. Zumindest konnten die Traumfladen sich nicht noch einmal in das verwandeln, was in ihren Opfern die größten Gelüste oder Ängste auslöste, je nachdem, worauf sie von ihren Haltern oder Züchtern abgestimmt waren. Es waren lebende Fallen, die Menschen durch Trugbilder, aber vor allem durch eine Form von Lichtzauber vorgaukelten, entweder in größter Sicherheit zu sein oder das schlimmste zu erleben, was ihnen widerfahren konnte. Sie konnten Gedanken manipulieren und so an ihre arglosen Opfer heran. War das Opfer ganz im Rausch einer unstillbaren Begierde oder in Schockstarre, schlossen sie es ein und erhärteten, um sich von der Körperwärme und den Gedankenströmen ihrer Opfer zu ernähren. All das wußten die Pflegehelfer, die hier anwesend waren. Jetzt verstand Julius auch, warum sie hier waren. Denn die anderen würden ja nur den Nebel sehen, weil sie ja die sich lebenden Menschen anpassenden Geschöpfe auch als nackte Menschen zu sehen bekommen hätten.
"Schon schwere Geschütze, die das Ministerium aufgefahren hat", stellte Julius fest. Er dachte daran, daß die Traumfladen nur dann von ihren Opfern abließen, wenn jemand sie mit dem Devoluptus-Zauber beharkte und dann innerhalb von nur drei Sekunden den Einfrierzauber, einen Feuerzauber oder den Todesfluch ausführte. Alles andere blieb wirkungslos. Gloria zauberte im Wiederholmodus. Das konnte Julius daran erkennen, daß sie in einer Sekunde gleich vier herumkriechende Traumfladen tiefkühlte. Er fragte sich auch, wie Gloria es hinbekommen hatte, die mit einem Schlag in ihre quallenartigen Ausgangsformen zurückzuzwingen. Dann mußte er fast lachen. Ein gekoppelter Zauber, um sowohl magische Trugbilder als Fremdverwandlungen umzukehren. Gloria hatte sicher lange üben müssen, um die richtige Verbindung der zwei Zauberformeln zu finden, die klanglich und rhythmisch gut genug flossen, um die Mentalkomponente zu tragen, nichts unechtes um sich herumzuhaben.
"Laurentine ist zum Pausenhofausgang raus und rennt nun zum Stadion hin", kommentierte Belisama, die nur auf Laurentine sehen wollte, was diese gerade tat. Hubert Rauhfels freute sich sichtbar, nicht mehr von einem dauerhaften Schwächungszauber behindert zu werden. Er lief über den Hof von Burg Greifennest. Julius erkannte die vier Türme, die die Symbole der in ihnen liegendenSchulhäuser trugen. Hubert lief auf den Turm zu, auf dessen Spitze ein silberner Halbmond thronte, aus dem, so wußte Julius es von seinem Ausflug dorthin, alle vier stunden für eine Minute eine Fontäne herausspritzte, deren Wasser jedoch nach dieser Minute auf magische Weise wieder verschwand. Er klopfte an die Beschläge einer Tür und sprach wohl ein Passwort aus. Denn die Tür ging von alleine auf. Julius verfolgte mit, wie Hubert den Turm hinaufstieg und ganz oben in einen runden Saal eintrat. Dieser Saal war in Silber, weiß und Wasserblau gehalten. Silberne Leuchter konnten wohl abends genug Licht spenden. Die wasserblauen Teppiche wirkten wie die von weit oben sichtbare Meeresoberfläche. Die schneeweißen Wände verhalfen dem Raum zu einer optimalen Lichtausnutzung. Bilder mit Motiven aus der Welt des Wassers hingen an den Wänden: Meerleute in einer unterwasserlandschaft, Fontänen, Geysire, Ein Boot auf einem Fluß, in dem vier Männer und genausoviele Frauen saßen, ein Segelschiff auf dem offenen Meer und Riesenschwäne auf einem weitläufigen See. Hier traf Hubert auf seine Schulkameraden, von denen Julius nur Waltraud Eschenwurz erkannte. Offenbar sollte auch er auf eine Party gelockt werden. Doch er war wohl argwöhnisch. Denn unvermittelt rief Hubert einen Schockzauber aus, der einen seiner Kameraden voll in den Bauch traf. Doch der fiel nicht um. Dann versuchte er, Waltraud zu schocken. Die anderen im Saal erkannten wohl, daß Hubert Lunte gerochen hatte und umzingelten ihn. Also wollten sie kämpfen oder ihn zumindest daran hindern, andere, sie wirklich beeinträchtigende Zauber zu wirken. Da hüllte sich Hubert in einen Ring aus Feuer ein. Die ihm auf den Leib rückenden Pseudomitschüler schraken zurück. Hubert lachte sie wohl aus und versuchte, weiterzugehen. Doch der stationäre Feuerring hinderte auch ihn. Wie Gloria das mit ihrer Feueraura machte, kannte Hubert wohl nicht. So mußte er den Flammenring wieder zusammenfallen lassen, um dann eine Bresche mit dem Mondlichthammer zu schlagen. Doch das silberne Licht durchfloss die ihn umzingelnden, machte sie für den einen Augenblick durchsichtig wie glas. Doch sie bewegten sich weiter, versuchten nun, ihn einzuschnüren. Dabei fielen von fünf leicht untersetzten Mädchen die Kleidungsstücke ab. Silbernes Licht mischte sich in den Widerschein des Tageslichtes. Doch Hubert war zu sehr auf einen Kampf eingestellt, als sich von den nun hüllenlos vor ihm herumstolzierenden Mädchen benebeln zu lassen. Wie vorhin Gloria wendete er den schon mehrmals gebrachten Selbstvergrößerungszauber an und löste damit auch das aus, was Gloria damit angerichtet hatte. Von nun eher unbeholfen als gefährlich um ihn herumwabbelnden Ballonwesen umringt, mußte er wohl lachen und wendete nun den Verwandlungsumkehrzauber an. Doch bei ihm wurden die Traumfladen nur einzeln zu silbernen Fladen. Außerdem mußte er sie sofort tiefgefrieren, damit sie nicht in einer praktischen Fluchtform davonlaufen konnten. Erst als er die alle unschädlich gemacht hatte, konnte er sich weiter umsehen.
Laurentine ist am Quidditchstadion", zog Belisama Julius' Aufmerksamkeit wieder auf Laurentines Leinwand. Sie war alleine unter der Sonne. Was hatte Delamontagne gesagt: Wenn das Sonnenlicht ungefiltert auf menschliche Augen traf, konnten Traumfladen sie nicht mit genehmen oder erschreckenden Ebenbildern beeinflussen oder erkennen, was ihren Opfern große Lust oder große Angst bereitete. Doch das Sonnenlicht war ja auch künstlich. Oder nicht? Laurentine betrat das Stadion und sah ein Podest in der Spielfeldmitte. Auf dem Podest stand der große Pokal, um den jedes Jahr sechs Hausmannschaften kämpften.
Hubert kämpft sich mal wieder durch", meinte Patrice. Doch Julius wollte jetzt sehen, was der Quidditchpokal in Laurentines Simulation sollte. Das fragte sich die Beauxbatons-Streiterin wohl auch gerade und ging auf den Pokal zu. Da hörte sie wohl was von hinten. Denn sie wirbelte herum und zielte irgendwo hin. Sie schleuderte mehrere Zauber auf eine Gruppe von Leuten, die auf sie zuliefen. Doch als diese in das klare Sonnenlicht traten, schienen sie zu zerfließen und wichen zurück, als wären es Vampire oder Nachtschatten, die bloß keinen Sonnenstrahl zu viel abbekommen durften. Da wußte Laurentine, womit sie es zu tun hatte. Sie lachte laut und begutachtete den Pokal auf dem Podest. Er wirkte auf sie wohl harmlos. Sie blickte hinein und zog dann aus dem großen Ehrengefäß einen Zettel. Sie las ihn. Doch sie verstand es wohl nicht. denn sie schüttelte ein ums andere mal den Kopf. Dann fiel ihr was ein, was ihre Stimmung sichtbar aufhellte. Sie bezauberte den Zettel und lauschte dann einer nur für sie erklingenden Stimme. Dann nickte sie und lief los.
"Huch, sie hat den Scriptum Audietur gewirkt", stellte Madame Rossignol fest. "Aber selbst dann würde ihr der Text in der phonetischen Aussprache der Runenschrift vorgetragen, die auf dem Zettel stand."
"Aber offenbar hat sie was draus heraushören können", meinte Julius. Laurentine jedenfalls war offenbar sicher, etwas wichtiges herausgefunden zu haben. Sie lief durch die Zuschauerränge und bückte sich immer mal wieder. Doch sie fand nichts. Nach einigen Dutzend Sitzen hob sie den Zauberstab über den Kopf und rief etwas. Doch es passierte nichts. Dann wirkte sie den Zauberfinder, was am rot-blau flackernden Lichtkegel aus ihrem Zauberstab zu erkennen war. Damit bestrich sie nun die Sitzreiehen, bis einige goldene Schemen herSitzreihen,ortraten. Sie lief zielgenau auf jede dieser goldenen Lichtquellen zu. Julius konnte nun über die Laurentine verfolgende Bildwiedergabe erkennen, daß die reagierenden Gegenstände Flaschen waren. Laurentine hob eine nach der anderen auf, verstaute sie in den Taschen ihres Umhanges und suchte weiter. Doch da war nichts mehr.
"Interessant, wirklich", murmelte Madame Rossignol. Sie nahm aus ihrer weißen Tracht einen Zettel und tippte diesen mit ihrem Zauberstab an: "Scriptum Audietur!" sprach sie beschwörend. In den raum hinein schwebte eine Stimme, die in einem merkwürdigen Singsang etwas verlas. Julius und Sandrine horchten auf. Doch die Sprechweise war zu schnell, und die Betonung wohl auch ein wenig gewöhnungsbedürftig. Sie konnten nur hören, daß ein Mann, also ein Zauberer, den Text geschrieben hatte, der da nun gemäß der verwendeten Schrift und Sprache wiedergegeben wurde. Julius erinnerte sich gut an seinen Blitzkurs im Mentiloquieren. Jane Porter hatte ihm erklärt, daß die worthaft übermittelten Gedanken in der Sprache ankamen, in der sie auch gedacht wurden. So war das also auch mit dem Scriptum Audietur, der geschriebenen Text mit der Stimme des Verfassers oder der Verfasserin vorlas.
"Vielleicht haben sie für Laurentine einen in Französisch verfaßten Text auf den Zettel geschrieben", vermutete Julius.
"Nein, das garantiert nicht, weil die Bedingung war, daß alle Champions zu denselben Bedingungen geprüft werden sollten und die Umweltanpassungszauberei nur das Schulgelände und Wohngebäude des darin herumlaufenden Champions reproduzieren sollte. Das einzig reale in dieser Etappe sind die Traumfladen und das zweite Tor", rückte die Heilerin mit ein wenig mehr von ihrem Hintergrundwissen heraus. Julius mußte also eine andere Möglichkeit suchen. Er erinnerte sich an die Übersetzungsanhänger der Altaxarroin und ihrer Geschöpfe. Doch von denen konnte Laurentine keinen mithaben. Erstens durfte sie nur ihren Zauberstab und die in Runde zwei ergatterten Sachen mitnehmen. Zweitens hätte sie ja dann vorher so einen Übersetzer finden müssen. Drittens mochte der nicht auf rein magisch vorgelesenen Text reagieren, weil das Ding nur auf unmittelbar gesprochene und gedachte Wörter zugleich reagieren mochte. Julius durfte den Zettel lesen. "Nur leise lesen, falls Sandrine auch übersetzen möchte", sagte die Heilerin. Julius nickte, las den Runentext dreimal und schrieb sich dann auf, was er für sich übersetzt hatte. Er mußte grinsen. Sandrine, die gerade das zweite Wasserglas leerte, las den Zettel.
Hubert hatte inzwischen den Mondenquellturm verlassen und rannte die Mauer entlang zum westlich liegenden Erzenklangturm, erkennbar an dem gewaltigen Amboss, auf dem ein Hammer ruhte, an der Turmspitze. Er wollte offenbar aus der Burg raus. Doch das Tor war zu. Hubert blickte hinauf, um zu sehen, ob hier das zweite Tor lag.
Laurentine lief derweil um das Stadion herum, blickte immer wieder nach oben und nach unten, bis sie unter den Sitzen verschwand.
"Unter den Stühlen schlafen Geister. Ihrer sind zwölf. Nur wenn sie eins sind kannst du den Schlüssel erlangen. Doch finde das Tor und stell dich davor. Dann rufe den Sohn der Sonne hervor. Doch denke an die Kraft scharfer Augen!" las Julius seine Übersetzung vor.
"Interessant. Ich habe übersetzt: "Da wo man sitzt schlafen zwölf verdunkelnde Seelen. Sie wollen eins sein, damit du den Schlüssel bekommst. Mit diesem geh zum Tor hin und benutze deine scharfen Augen, um den Sohn der Sonne zu sehen, damit er das Tor öffnet."
"Sinngemäß ähnlich, aber doch mißverstehbar, wenn man die eine oder die andere Übersetzung nutzt", sagte die Heilerin. Inzwischen war Hubert aus der Burg heraus und auf dem Weg durch die Parks, um nach weiteren Hinweisen oder Gegnern zu suchen.
Laurentine war inzwischen beim Quidditchpokal und leerte die Flaschen, die sie gefunden hatte, zwölf an der Zahl, ein volles Dutzend. Millie sog Luft zwischen ihren Zähnen durch und meinte:
"Aua, da hätte man auch drauf kommen sollen, daß mit den Geistern oder Seelen Weingeist gemeint ist, also purer Alkohol. Aber warum soll der dunkel machen oder blenden?" Julius wollte seiner Frau gerade erklären, was ihm dazu einfiel, doch Madame Rossignol bedeutete ihm mit sehr energischem Blick, den Mund zu halten. Dann schnarrte sie Millie an:
"Das sollte dir aber deine Ersthelferausbilderin beigebracht haben, welchen Alkohol es gibt, der blenden kann, Mildrid Ursuline Latierre." Millie schnaubte, überlegte und nickte. "Achso, Methanol", grummelte sie dann. Julius nickte.
"Gut, daß dir das noch eingefallen ist. Immerhin muß ich ja sicher sein, meine Abschlußzertifikate für euch im besten Wissen, daß ihr in meiner Truppe alles wichtige gelernt und geübt habt schreiben zu können."
"Aha, Laurentine hat also zwölf Flaschen mit dieser Form des Alkohols suchen müssen. Aber wie ist das mit den scharfen Augen gemeint?"
"Ich habe da so einen Verdacht und hoffe, daß Gloria und Hubert die Lösung auch kennen, weil ich denke, daß der Alkohol im Pokal nicht mit Zauberkraft angezündet werden kann", erwiderte Julius. Madame Rossignol nickte sacht. Sie hatte schließlich den Ablaufplan dieser Runde studiert.
"Häh? Wie willst du denn sonst ein Feuer anzünden, wenn du keine Hilfsmittel wie Zunderschwamm und Feuerstein oder Streichhölzer mit in die Runde nehmen durftest?" wollte Millie wissen. Belisama überlegte wohl auch, ihren Stirnfalten nach zu schließen.
Hubert hatte inzwischen das in einem Park an der Nordostecke der Mauer versteckte Quidditchstadion erreicht. Über dreißig Meter hohe Eichen, Ulmen und Buchen schirmten das Oval gegen Blicke und überhelles Sonnenlicht ab. Auch hier stand ein Pokal in der Mitte des Feldes. Er rannte auf den Pokal zu, der ebenso wie der von Beauxbatons aus Silber verarbeitet war. Sogesehen war ein Pokal ja auch ein Kelch, erkannte Julius. Und die zwölf "Geister", die zu einem einzigen wurden, sollten in diesem Pokal den Sohn der Sonne, also das Feuer, erwecken. Aber wie kam Hubert nun an diese so feuerelementare Information dran? Konnte der das auch, was Laurentine gemacht hatte, falls jeder Zettel wirklich Runenschrift enthielt? Hubert fand auch einen Zettel auf dem Grund des Pokals und boxte zweimal mit der freien Faust Löcher in die Luft. Dann probierte er wohl auch Scriptum Audietur. Doch danach zerriss er den Zettel vor wut und hielt sich dann die Ohren zu, weil wohl irgendwoher ein lautes Geräusch gekommen war. Dann wirkte auch er den Zauberfinder und fuchtelte damit herum, bis er ein goldenes Aufblitzen sah. Er schwenkte den Stab nun behutsamer und erfaßte damit die viermal so groß wie das Objekt beschaffene Silhouette einer Flasche. Er lief hin und fand eine. Dann suchte er weiter. So machte er vier Runden durch das Stadion, um zwölf Flaschen zu finden.
Laurentine untersuchte derweil die sechs Torstangen, bis sie bei der einen mittleren etwas fand, was sie nicht richtig erkennen konnte. Sie ging ganz nahe heran, doch konnte immer noch nichts erkennen. Sie sah wohl nur was, was interessant genug war, um es genauer anzusehen. Dann setzte sie den Pokal ab und zielte mit dem Zauberstab darauf. Über dem Pokal tanzten für einen winzigen Moment Funken. Doch das Siegergefäß blitzte blau auf, und die Funken erloschen wieder. Laurentine nickte. Offenbar hatte sie mit diesem Ergebnis gerechnet. Dann lachte sie wieder, hob den Zauberstab an und vollführte einen Zauber, den sie alle in der sechsten Klasse oder den Freizeitkursen gelernt hatten. Sie fing ein aus dem Nichts aufgetauchtes Etwas mit der Freien Hand auf und blickte zufrieden darauf hinab. Dann ging sie noch einmal an den mittleren Torring und begutachtete ihn. Dann wiegte sie den Kopf. Offenbar mußte sie was überdenken. Als sie damit fertig war, rückte sie den Pokal genau an die mittlere Torstange heran. Sie besah sich noch einmal was ganz genau, nickte verhalten und hielt dann das apportierte Vergrößerungsglas über den Pokal. Sie dachte noch daran, wie sie es halten mußte. Dann versteifte sie sich, keine anderthalb Meter vom Pokal entfernt. Sie blickte nach oben und erkannte in der Ringunterseite das vordere Ende eines Besenstiels. Sofort zog sie ihr Vergrößerungsglas weg und rief wohl den Kletterhilfszauber Muscapedes auf. Denn ohne Angst, abzurutschen, turnte sie die Stange hinauf zum Ring und zog behutsam einen schnittigen Besen heraus. Julius staunte, als er die mattgoldene Aufschrift "Ganymed 12 Carpe Diem" aus dem Torring heraus.
"Na, den könnte sie wirklich brauchen", bemerkte die Heilerin dazu. Von draußen wurde Laurentines Erwerbung mit wildem Applaus und neuerlichen Lau-ren-tine-Sprechchören untermalt.
Gloria suchte derweil nach dem weiteren Hinweis, der ihr helfen konnte. Sie verschenkte wertvolle Zeit, weil sie durch die Schloßparks lief und nach Hinweisen suchte. Zumindest griff sie nichts und niemand mehr an. Die Traumfladen waren wohl die einzig wahre Falle in diesem Abschnitt gewesen.
Hubert hatte inzwischen auch den Pokal gefüllt und stand nun ebenfalls vor einer mittleren Torstange. Er blickte hinauf und erkannte das Besenstielende zuerst. Auch er kletterte mit dem Anhaftzauber Muscapedes sicher nach oben und zog einen Besen aus dem Ring, einen Donnerkeil 21, wie Julius an der mattschwarzen Schrift auf rotbraunem Lack erkennen konnte. Hubert hätte vor aufkommender Freude fast den Halt verloren. Gerade noch rechtzeitig erkannte er, wo er war und ließ sich mit dem freigezogenen Besen nach unten gleiten. Dann betrachtete er die Torstange noch einmal genauer. Schließlich entdeckte er was, das er genauer untersuchte. Auch er wußte nicht, was das sollte. Zumindest aber war ihm wohl klargeworden, wozu er die zwölf Flaschen puren Alkohol in den Pokal zu füllen hatte. Er versuchte auch, die Flüssigkeit mit einem Zündzauber in Brand zu setzen. Das mißlang. Dann apportierte er Streichhölzer. Woher er die hatte wußte wohl nur er. Dann zündete er ein Hölzchen an und warf es in den Pokal. Doch die Flamme bog sich, als sie gerade noch in der Höhe war, wo der ausdünstende Alkohol noch nicht dicht genug war um zu zünden. Das Streichholz tanzte wie ein winziges Irrlicht über dem Pokal, wobei es immer mehr abbrannte, bis die Flamme keine Nahrung mehr bekam und erlosch.
"Tja, geht so nicht", bemerkte Julius dazu, der sich in seinem Verdacht bestätigt sah.
"Wie kann man etwas anzünden, wenn kein Feuer nahe genug herankommt?" grummelte Patrice, die offenbar mit Hubert mitfieberte. Sollte Julius das Kevin aufs Brot schmieren, wenn die Runde vorbei war? Besser nicht!
"Laurentine hat das schon raus. Sie muß die Strahlen der Sonne selbst zum Anzünden nehmen", sagte Julius. Patrice wollte jetzt wissen, wie das gehen sollte, als Laurentine es ihr vor Augen führte.
Sie hielt ihr Vergrößerungsglas so ausgerichtet, daß es die Sonnenstrahlen einfing und bündelte. Der Strahl endete, so vermutete Julius, genau in der Mitte des Pokals. Doch sie mußte ein wenig warten, bis erst zwei Funken und dann mit einer knapp einen Meter hohen Stichflamme der Alkohol in Brand geriet. nun loderten fast nicht mehr sichtbare, blaue Flammen. Das Methanol brannte nun regelmäßig nieder. Laurentine grinste und steckte ihr Vergrößerungsglas wieder ein. Womöglich dauerte es wieder einige Minuten, bis das Tor reagierte. Doch die Reaktion setzte schon jetzt ein, allerdings anders als sie erwartet haben mochte. Denn der Pokal schrumpfte, wobei er immer heller glühte. Gleichzeitig glitt er auf die Torstange zu. Offenbar hatte das in ihm brennende Feuer eine magische Kraft aufgeweckt, die den Pokal nun immer kleiner werden ließ, bis er rotglühend und blau flackernd gerade noch fingerhutgroß gegen die Torstange stieß und davon eingesaugt wurde. Laurentine bückte sich, um den immer noch rot glühenden Fleck zu untersuchen. Dann schnaubte sie wohl was. Sie führte den Kopfblasenzauber aus. Dann nickte sie noch einmal und vollführte eine weitere Zauberei gegen sich. Jetzt schrumpfte sie selbst ein. Julius erstarrte fast, als er sie wie einen Schneemann im Hochsommer zusammenschrumpfen sah. Da blähte sich alles in der Darstellung auf. Die Torstange wurde so breit wie eine Häuserreihe und höher als Big Ben. Jetzt konnte Julius es sehen: Das zweite Tor des Ruhmes. Es erstrahlte im roten Licht. Über ihm stand was in Runenschrift. Julius hatte jedoch nur eine Viertelminute Zeit, es zu lesen.
"Hast du das süße Gift der Versuchung verschmäht und den Sohn der Sonne im Kelch des Mondes erweckt, so übe dich in wenigem und stelle dich der Welt um deine Füße!" übersetzte er. Sandrine, die die rot leuchtende Schrift über dem Tor auch las nickte. Dann wurde umgeblendet, sowie es die Film- und Fernsehleute nannten.
Hubert hatte inzwischen seinen Umhangkragen geopfert, in in Alkohol getränkt und mit dem Zauberstab entzündet. Doch den brennenden Kragen in den Pokal zu legen gelang nicht. Wieder prallte das brennende Zeug auf eine unsichtbare Abschirmung und loderte vor sich hin. Hubert wartete jedoch nicht, bis es restlos verbrannte, sondern trat den brennenden Kragen mit dem linken fuß vom Pokal weg, bevor er weitere Löcher in die Luft boxte. Er erkundete die Torstange und apportierte dann ein Trimaxglas. Er hielt es so, daß nun alle eine risenhafte Projektion des Tores sahen, allerdings nur eine bogenförmige Fuge und die Inschrift. Der Einsatz des Vergrößerungsglases ließ wohl auch in Hubert die richtige Idee aufkommen. Er schickte das Trimaxglas wieder dorthin, wo er es hergeholt hatte und apportierte eine ordinäre Lupe. Diese hielt er nun so, daß sie das Sonnenlicht bündelte und erzeugte damit den zündenden Strahl, der den Alkohol erst heftig auflodern und dann ruhig niederbrennen ließ. Auch hier schrumpfte der Pokal zusammen und wurde in die Torstange hineingesaugt. Hubert starrte auf das winzige Tor, bevor ihm klar wurde, daß er sich der Torgröße anpassen mußte.
Laurentine durchwanderte einen Dschungel aus sie zehnfach überragenden Grashalmen, baumgleichen Blumen und über mehr als einen halben Meter durchmessenden Gänseblümchen. Sie versuchte, den Verkleinerungszauber wieder umzukehren. Doch es gelang offenbar nicht. Zumindest schrumpften die Riesenhalme nicht zusammen. Laurentine schickte einen Lotungszauber nach oben und verzog das Gesicht. sie hob den Kopfblasenzauber auf. Sie atmete viermal. Doch es strengte sie zusehens an. So schloß sie ihren Kopf erneut in die schützende Frischluftblase ein. Dann Blickte sie verdrossen nach oben, als habe jemand von dort was mit ihr angestellt. Sie sah sich um und entschied, nicht zu Fuß durch dieses Gigantengrasland zu wandern. Ein zurück gab es ja wohl auch nicht. Sie saß auf dem von ihr gezogenen Besen auf und hob ab. Mittlerweile lagen zwischen der Laurentine, die mit Besen nie was anfangen wollte und heute genug Übungsjahre und zwei Walpurgisnachtflüge. Allerdings mußte sie sich an den brandneuen Besen gewöhnen, der sicher wesentlich empfindlicher reagierte als der Ganymed 8, den sie von Claire geerbt hatte. Doch sie brauchte nur eine Minute, um im Langsamflug zwischen den Grashalmspitzen entlangzufliegen. Aus irgendeinem Grund wollte sie wohl nicht weiter aufsteigen. Erst als Julius die riesigen Schatten am Himmel sah, war ihm klar, warum sie nicht frei fliegen wollte.
"Hallo, kann die sich nicht mehr zurückvergrößern oder was?" wollte Belisama wissen.
"Alle Selbstverwandlungen sind auf dieser Etappe durch einen flächendeckenden Hemmungszauber unmöglich", erläuterte die Heilerin.
"Gibt's auch genug Geschichten drüber, wie geschrumpfte Menschen in einer für sie dann anderen Welt zurechtkommen müssen", betonte Julius mit gespielter Lässigkeit. Nur Millie würde mitbekommen, daß ihm alles andere als wohl war, als Schrumpfling in einer solchen Umgebung klarzukommen. Allein schon, wenn er an die hier vielleicht herumkrabbelnden und -fliegenden Insekten und Spinnen dachte. Die wie hoch über ihm dahinziehende Wolken scheinenden Flügelpaare fliegender Vögel wiesen ebenso unübersehbar darauf hin, wie gefährlich diese Etappe nun war. Um sich von den düsteren Gedanken abzulenken las er die Schlüsselzeile für Tor Nummer drei:
"Tränke den ewigen Hoffnungsträger mit den Tränen der Sterne", murmelte er. Natürlich war alles an und in Laurentine mitgeschrumpft. Wenn das, was sie schon vermutet hatten stimmte, dann mußte sie den Smaragdschlüssel in Gold tauchen oder mit flüssigem Gold übergießen, um den nächsten Schlüssel zu haben.
Hubert hatte wegen seines schnellen Abschüttelns der Traumfladen gegenüber Laurentine an Zeit gewonnen und Gloria sogar hinter sich gelassen. Doch noch warteten sechs Tore und sechs etappen auf die Champions.
Hubert flog sofort auf seinem freigezogenen Besen los, nachdem er herausgefunden hatte, daß er sich im Moment nicht zurückvergrößern konnte und er besser weiter durch die Kopfblase atmete.
"Das Erfolgsrezept der meisten Insekten: Wer fliegt, der siegt, hat unser Naturkundelehrer uns in der vierten erzählt, als wir es von Bienen, Fliegen und dem ganzen anderen im Sommer herumsummenden und -flatternden Viehzeug hatten.
"Oha, Hubert steigt weiter nach oben. Wie hoch ist die Decke in richtigen Maßen?" wolte Patrice Duisenberg wissen. Madame Rossignol seufzte kurz, als sie Huberts ungestümen Anstieg beobachtete. Dann zog sie ein kleines Buch hervor, also wohl den Ablaufplan und blätterte um, bis sie fand, was Patrice wissen wollte.
"Die Lichtung der vertauschten Größen, wie dieser Abschnitt genannt wird, mißt sechzig mal sechzig Meter und ragt vierzig Normale Meter auf. Der höchste Baum ist fünfunddreißig Meter hoch. Wo das nächste Tor liegt kriegen die Champions nur heraus, wenn sie den hohlen Baum finden und die darin hausenden Bewohner passieren können. Ich hatte mich erst geweigert, diese Etappe abzusegnen, weil die Tiere alle echt sind. Da gibt es alle Insekten, Spinnentiere, Ringelwürmer und Vögel, die in einem Wald draußen zu finden sind. Die haben aber eine Sicherung, sollten sie von einem Vogel gefangen werden oder sonst in Panik geraten."
"Die Besen?" fragte Julius. Madame Rossignol nickte.
Gloria hat viel Zeit verschenkt", sagte Sandrine. Die macht jetzt erst die Runde im Stadion, um die zwölf Flaschen zu finden. Sie hat zumindest den Zettel lesen können", sagte Sandrine. Doch Julius war gerade bei Hubert, der soeben von einer Elster, größer als der legendäre Jumbojet, aufs Korn genommen wurde.
"Moment, wenn dieser Rabenvogel da so groß wie eine 747 ist", setzte Julius an und rechnete schnell Huberts relative Körpergröße aus. Er hatte sich wohl auf knapp einen Zentimeter zusammengeschrumpft. Also waren alle Lauf- und Fluggeschwindigkeiten relativ dazu zu rechnen. Wie schnell der neue Donnerkeil war wußte Julius aus der Quidditchzeitung Quaffel & Co. Da hatte Constance Dornier alle am trimagischen Turnier beteiligten Länder Flugbesentechnisch miteinander verglichen. Der neue Donnerkeil konnte bis zu dreihundert Stundenkilometer über sieben Stunden fliegen. Über hundert Kilometer konnte er sogar mit sechshundert Stundenkilometer dahinjagen, mußte dann aber eine Stunde ausruhen, wie nach einer gewöhnlichen Reiseflugetappe. Also könnte Hubert gerade mit drei Stundenkilometern fliegen ... und hätte keine Chance gegen eine anfliegende Elster. Doch Hubert konnte dem ihm nachsetzenden Vogel ausweichen. Dabei bog sich sein Besen zwar ein wenig, streckte sich aber sofort wieder, als er den Vogel ausgetrickst hatte. Doch der Rabenvogel war hartnäckig. Sicher, um fliegende Insekten zu jagen durfte der nicht zu schnell aufgeben. Doch Hubert schleuderte dem für ihn übergroßen Gegner ein fliegendes Netz aus seinem Zauberstab entgegen, in das einer der die Luftmassen durchwühlenden Flügel hineingeriet und aus dem Takt kam.
"Sie sollen keinen Gegner töten", sagte die Heilerin. "Aber die Elster wird das Netz wohl wieder loswerden. Doch da vorne fliegt ein Rotkehlchen aus einem Baum auf", seufzte die Heilerin. Hubert ging in den Sturzflug und bremste erst ab, als er knapp über den Halmspitzen war. Dann sah er die neue gefahr und tauchte in den dichten Dschungel aus meterhohem Gras ein. Das Rotkehlchen fegte mehr als hundert relative Meter über das Gras weg. Es hatte die Spur des merkwürdigen Insektes verloren.
"gloria, wenn du wüßtest, was die für dich angerichtet haben würdest du vielleicht lieber aufhören", grummelte Julius. Er sah, wie Gloria nun den Pokal zu entzünden versuchte. Ob sie auch auf ein Brennglas als Zünder kam wußte Julius nicht und konzentrierte sich auf Laurentine, die wie Luke Skywalker im Dschungel von Endor zwischen den Grashalmen dahinflitzte, immer darauf gefaßt, gleich mit einem der für sie baumstammdicken Halme zusammenzustoßen. Dabei passierte sie einen Halm, an dem eine leicht zitternde Ameise festgeklammert war, die für Laurentine gerade Kampfgröße besaß. Sie schrie wohl vor Schreck und hätte ihren Leih- oder Bonusbesen fast voll gegen den metergroßen Blütenkelch einer Malwe gesteuert. Julius wunderte sich über die Geschwindigkeit des Besens im Bezug zur Normalgröße. Eigentlich konnte der Besen nur drei Stundenkilometer schnell fliegen. Doch Hubert hatte eine Elster abgehängt, die als Normalovogel sicher weit mehr als drei Stundenkilometer fliegen konnte. Er fand im Moment keine Zeit, eine eigene Erklärung dafür zu finden. Denn ihm gefror das Blut in den Adern, als er sah, wie zwischen zwei Grashalmen eine Kreatur hervorbrach, die ihm wohl noch so manchen Alptraum bescheren mochte.
Laurentine steuerte ihren Besen gerade so schnell, daß sie noch reagieren konnte, falls vor ihr ein Halm aufragte. Dann erkannte sie die auf sie zukommende Bedrohung. Das mit wilden Flügelschlägen durch die Luft zwischen den Halmen dahinjagende Ungetüm war schwarz-gelb quergestreift und besaß an seinem Kopf mit den haarigen Fühlern Furcht und Schrecken einflößende Beißzangen. Von der relativen Größe her war sie fast doppelt so groß wie Laurentine, die damit optimal in das Beuteschema des räuberischen Insektes paßte. Millie ergriff Julius' Hand. Sie fühlte wohl, daß er sich sehr unbehaglich fühlte.
"Hallo, wir haben echte Hornissen hier in Beauxbatons?" wollte Belisama wissen. Sandrine sah sie an und erwiderte:
"Die sind für Menschen nicht so gefährlich wie die kleineren Wespen, hat Madame L'ordoux mir mal erzählt. Deren Bienen sind ja mindestens doppelt so groß wie übliche Hornissen oder Wespen."
"Ja, aber jetzt ist Laurentine voll in ihrem Beuteraster", seufzte Julius. Millie erwiderte darauf:
"Da kommt sie mit klar, Julius." Julius hörte zwischen den Zeilen heraus, daß er ebenso damit fertigwerden mochte. Sicher, er hätte den Todesabwehrzauber gebracht, um ihn ans Leben gehende Geschöpfe für eine Zeit bis zu fünf Minuten von jedem Tötungsvorhaben abzubringen. Aber den Zauber konnte Laurentine nicht. Dafür konnte sie aber was anderes, ihre plötzlich aufkommende Angst für sich arbeiten lassen. Das mußte Julius neidlos anerkennen, als Laurentine der sie anschwirrenden Hornisse den Zauberstab entgegenstreckte wie einen eigenen Giftstachel und wohl was rief. Daraufhin warf sich das schwarz-gelbe Raubinsekt herum und flüchtete, als sei ihm jemand noch schrecklicheres auf den Flügeln. Lautes Klatschen nach der Schockstille bekundete die Erleichterung der Zuschauer, daß Laurentine dem gestreiften Tod vieler Insekten entwischt war. Millie ließ Julius' Hand wieder los, als sie seine Erleichterung fühlte.
"Sie hat einfach ihre eigene Angst über den Horritimor auf das Insekt überfließen lassen. Den Zauber lernt man schon vor den ZAGs", freute sich Belisama.
Hubert flog nun auch im Sichtschutz der Grashalme. Dabei hätte er fast einen auffliegenden Marienkäfer gerammt. Das gepanzerte Insekt witterte in ihm wohl keine wirkliche Beute, da es leichter an die für Hubert wie kleine Hunde so großen Blattläuse herankam. Julius bewunderte es, wie Hubert sich zwischen den Riesenhalmen durchfädelte. Als in der relativen Ferne ein Glitzern zu sehen war, bremste Hubert ab und landete, erst darauf achtend, nicht einem gigantischen Tausendfüßler oder einem Ameisenstoßtrupp vor die Beißzangen zu geraten. Er lauschte, blickte sich um und saß wieder auf. Im Rosselini-Raketenaufstieg schoß er zwischen zwei Halmen senkrecht nach oben, bis er wieder über den Halmen war. Schnell peilte er in alle Richtungen, ob einer der für ihn riesigen Vögel auf ihn aufmerksam wurde. Als er dann tatsächlich was riesengroßes auf ihn zustürzen sah, hätte er fast den Besen verrissen und sich kopfüber in eine Halmspitze gestürzt. Dann entsann er sich wohl etwas und wirkte einen Zauber, den Julius sofort erkannte. Plurimagines, der unzählige Abbilder von einem selbst erzeugte, um Verfolger oder Gegner zu verwirren. Tatsächlich verlor der niederstoßende Spatz im Verkehrsflugzeugformat das Ziel und pickte nach einem von bereits zwanzig Huberts. Der echte war zwischen den scheinbaren Kopien nicht zu erkennen. Dann konnte Julius sehen, wie vier Hubert-Abbilder über den Teich dahinflogen. Scheinbar aus dem Nichts heraus peitschte etwas langes, fleischfarbenes durch die Luft und durchschlug die illusionären Abbilder. Fast erwischten zwei der aus dem Ufergras vorschnellenden Etwasse den einen, der gerade so noch mit einem Seitwärtsausbruch entwischen und dann nach oben ausweichen konnte. Da konnte Julius die scheunentorbreiten, warzigen Mäuler sehen, aus denen blitzartig lange Zungen herausschnellten. Ja, die Miniaturwelt bot alle möglichen Gefahren, mußte Julius wieder einmal erkennen. Da war der unfreiwillige Ausflug in die Mikrowelt, den Virginie und er durch eine Vermischung von Zauberflüchen gemacht hatten, ja noch glimpflich verlaufen.
Als Hubert den kleinen Tümpel mit den lauernden Fröschen überflogen hatte ging er wieder zwischen den Grashalmen auf Nummer sicher.
Mittlerweile hatte auch Gloria den Einstieg in die Miniwelt betreten. Sie hatte auch einen Besen ergattert, einen Feuerblitz der neuesten Generation. Damit flog sie bereits durch ihren Graslanddschungel, der eigentlich nur eine von Bäumen umstellte Lichtung sein mochte. Sie wäre dabei fast in die fast unsichtbaren Fangfäden einer Spinne geraten, die ihr Netz im hohen Gras ausgespannt hatte. Nur mit dem Diffindo-Zauber schaffte sie es, das für insektengroße Wesen tödliche Gewebe zu zerstören. Welche Spinne es gesponnen hatte war nicht zu sehen. Womöglich empfand Gloria das auch als ganz gut so.
Laurentine hatte den Froschteich in ihrer Lichtung gerade erreicht, als ihr ein schlankes Insekt mit durchsichtigen Flügeln entgegenschwirrte, zielsicher, überlegen, tödlich. Beinahe hätte Laurentine den Hallt auf dem Besen verloren und wäre in den Teich gestürzt, wem auch immer dort zum Fraß vor. Sie versuchte, auszuweichen. Doch die gewaltige Libelle war eine Meisterin der Flugkunst und rückte Laurentine Näher. Noch einmal jagte die junge, gerade nur einen Zentimeter große Hexe einem für sie tödlichen Raubinsekt den Panikfluch Horritimor auf den Hals. Das räuberische Kerbtier stürzte fast ab, so heftig mußte die Furcht vor einem es jagenden Feind es aus dem Rhythmus gebracht haben. Laurentine wollte schon aufatmen, als die Spitze einer langen, klebrigen Froschzunge sich um den Besen schlang und diesen nach unten zerrte. Laurentine hielt den Zauberstab gegen die glitschige Schleuderzunge und jagte einen Blitz hinein. Reflexartig löste sich die Zunge. Der Besen erzitterte. Blaue Funken umflogen ihn. Doch dann flog er sicher weiter. Laurentine nahm ein wenig mehr Höhe, auch nach oben peilend. Sie ahnte, daß sie Vögeln nicht mit dem Panikfluch beikommen konnte. Sich wieder normalgroß zu machen ging nicht. Also mußte sie einen Trick anwenden. Sie erzeugte um sich herum eine silberne Nebelwolke, die dann zum Abbild eines gewaltigen Vogels wurde, einem Adler, eben nur mit dutzenden von Metern breiten Schwingen. Derartig umhüllt von einer genialen Tarnbezauberung flog Laurentine weiter nach oben und überquerte den Teich mit seinen Libellen und Fröschen. Jetzt konnte sie sogar mehr Überblick gewinnen. Offenbar suchte sie nach etwas. Was es war, konnte Julius nicht sehen. Er sah nur, daß auch Gloria sich nach dem Mißlingen des Rückvergrößerungszaubers ebenfalls scheinbar größer gemacht hatte. So konnte sie den Vögeln entgehen, für die sie scheinbar viel zu groß war. Sie flog über die Lichtung und stieß dabei immer wieder auf einen watteweichen, jedoch undurchdringlichen Widerstand. Das war die Begrenzung.
"Die können wohl jetzt Tage lang da herumfliegen. Ohne Hinweis kriegen die das nächste Tor doch nie zu sehen", unkte Belisama, während draußen munter applaudiert wurde, weil alle Champions ihrer feindlichen Umwelt die Stirn geboten hatten.
"Den haben sie von Madame Latierre erhalten. Sie möchten im Grasland einen grauen Stein suchen, der ihnen verrät, wie sie das nächste Tor finden können. Wie es zu öffnen ist wissen sie ja schon seit Runde zwei, sofern die Runenkundigen ihnen den Text auf dem Zylinder übersetzt haben", sagte die Heilerin.
Doch es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Gloria den gesuchten Stein fand, ihn umflog und dann landete. Laurentine fand den Stein deshalb nicht so schnell, weil sie zu hoch flog und der Stein zwischen hohen Grasbüscheln verborgen lag.
Hubert lieferte sich derweil eine wilde Verfolgungsjagd mit sieben Hornissen, die den Schwarm seiner Abbilder wohl als lohnende Beute ansahen. Außerdem keuchte er trotz Kopfblase. Der Abbildvervielfacher hatte nach der ständigen Selbstvergrößerung weitere Ausdauer gekostet.
"Wenn er mit dem Besen abstürzt bringt der ihn sofort aus dem Turm heraus", sagte die Heilerin und deutete auf den sichtlich mit sich ringenden Hubert Rauhfels.
"Laurentine hat den grauen Stein gefunden, Madame Rossignol", frohlockte Belisama. Sie blickte nur auf Laurentine, während Julius nun alle drei Champions beobachtete, die nun alle fast zeitgleich am Zwischenziel dieser Etappe angekommen waren. Den großen Vorsprung, den Laurentine in Runde Eins herausgeholt hatte, hatte sie in Runde Zwei eingebüßt, als sie sich zu sehr auf die Traumfladen und ihre Gaukeleien eingelassen hatte. Hubert hatte dagegen ein mächtiges Stück Rückstand aufgeholt, weil er gleich die Traumfladen bekämpft hatte.
Laurentine fand wohl einige Markierungen, die sie antippen mußte. Der Stein begann zu glühen und zu vibrieren. Dann lauschte Laurentine. Sie sagte was, lauschte erneut und nickte dann. Dann schwang sie sich wieder auf ihren Besen, erneuerte die Tarnung und sauste nach oben, über die Grashalmobergrenze hinweg und fegte über die Lichtung dahin.
"Wie schnell kann ein verkleinerter Besen fliegen?" fragte Julius.
"Also wenn mir deine Schwiegermutter nichts vom grünen Einhorn erzählt hat, dann verringert sich die Höchstgeschwindigkeit bei einer Einschrumpfung auf ein Hundertstel auf ein Fünftel der bestätigten Geschwindigkeit. Bei einem wegen der Größe zunehmenden Luftwiderstand kann daraus aber ein Zehntel der Höchstgeschwindigkeit werden, also zwischen dreißig und siebzig Stundenkilometer, ohne den Gefahrenfluchtzauber. Aber der könnte bei der relativ dichten Luft selbst zur Gefahr werden, weil der Besen in dieser Luftdichte zerbrechen könte. Daher sind an den Besenschweifen Stimmungsringe wie bei den vor Jahren in Mode gekommenen Stimmungsfarbringen angesteckt, die auf panische Angst reagieren und als Portschlüssel den sich unrettbar verlorenen Champion aus dem Turm in das Grüne Zelt befördern. Das war eine Bedingung, die ich durchgesetzt habe."
"In das grüne Zelt, nicht zu uns?" wollte Julius wissen.
"Weil da die Ministeriumszauberer sitzen, die den Turm gebaut haben und wie wir überwachen, wobei sie bei den Szenen, wo viele Schüler unbekleidet zu sehen waren, ebenso vernebelt bekamen wie die Zuschauer draußen. Nur ich durfte sehen, was passierte."
"Was machen die acht Lehrer draußen am Turm?" fragte Julius.
"Sie sollen eingreifen, wenn die Champions rote Funken versprühen oder ohnmächtig werden, bevor sie genug Furcht aufbieten, um den Rettungsportschlüssel auszulösen." Julius atmete auf. Seine Schwiegermutter war doch nicht darauf aus, Laurentine, Gloria und Hubert umzubringen.
Irgendwas mußte der Stein Laurentine geflüstert oder zugerufen haben. Jedenfalls steuerte sie bereits eine alte Ulme an, in die bereits ein Specht viele Löcher gehämmert hatte. Sie flog in eines der größten Löcher ein. Sofort wurde die Ansicht wieder umgeändert. Erst war es dunkel. Dann konnten sie Laurentine mit leuchtendem Zauberstab sehen. Doch hier, in einem Hohlen Baum, mochten viele Gefahren lauern, von nistenden Hornissen oder Wespen, Ameisen bishin zu Käfern und Spinnen. Laurentine war sich dessen wohl bewußt.
Auch Gloria erreichte den hohlen Baum und flog in ihn ein. Gleich um eine Ecke herum traf sie auf einen ihr größenmäßig gewachsenen Rüsselkäfer. Den wickelte sie jedoch so schnell in ein festes Netz ein, daß dieser sich nicht mehr rühren konnte. Ein Zug am Halteseil warf den gepanzerten Baumbewohner auf den Rücken und setzte ihn somit ganz außer gefecht. Draußen jubelten die Zuschauer über Glorias kühnen Kampf mit dem Käfer.
Laurentine tastete mit demZauberstablicht jeden Spalt nach möglichen Angreifern ab. Dabei scheuchte sie eine große Schabe auf, die jedoch wie vom Katapult geschnellt vor dem Licht davonlief.
"Also Leute, die sich vor Insekten und Spinnen ekeln könnten in der Runde glatt einen Platz in der geschlossenen Abteilung gewinnen", raunte Julius. Millie brachte es dann auf den Punkt:
"Im Grunde kriegen wir es jede Woche mit unheimlichen und gefährlichen Tieren zu tun. Magielose Insekten sind sicher lästig, aber ohne eigene Zauberkraft noch leichter zu kontern als magische Ungeheuer." Dem konnte Julius nur beipflichten, zumal er sah, wie Laurentine sich gerade mit etwas bezauberte, von dem er sicher war, daß es der Aura-Basilisci-Zauber war. Damit waren Spinnen für sie im Moment kein wirkliches Problem. Nur vor ihren Netzen sollte sie sich wohl hüten.
Tatsächlich mußte Gloria auf ihrem Weg durch den hohlen Baumstamm mehrere Spinnennetze aus dem Weg fluchen, wobei sie heftige Blitze erzeugte, die nichts übrigließen, was ihnen im Weg stand oder hing. Dann jedoch scheuchte sie mehrere Ameisen auf, die als Kundschafter oder Wachposten eingeteilt waren. Da sie offenbar keinen Gegner töten durfte, benutzte sie ihren Besen, um dem Ansturm zu entrinnen. Von oben beharkte sie die Ameisen mit Schockzaubern. Da diese keinen Funken Magie in ihren Panzern hatten, fielen sie um und blieben teilweise mit nach oben ragenden Beinen liegen. Weitere Ameisen fluteten aus einem Loch heraus, das in das verbliebene Holz des Baumes hineinführte. Gloria war wie eine Kampfpilotin. Sie feuerte Schocker um Schocker auf die nach außen stürmenden Ameisensoldatinnen und machte sie kampfunfähig. Erst als keine Verteidiger mehr nachrückten, hörte Gloria mit ihrem Beschuß auf und landete. Sie stieg unregelmäßige Rinnen entlang nach oben, bis sie innehielt, den Smaragdschlüssel hervorholte und ihn im Zauberstablicht betrachtete. Er wurde von einer grünen Aura umflossen, als leuchte er von innen heraus.
Laurentine erreichte im Schutz des Aura-Basilisci-Zaubers eine Höhlung im Baum. Von dort aus griffen mehrere Raubwanzen an, die in diesem Baum Beute machten. Laurentine jagte ihnen erst Horritimor und dann den Schockzauber auf die Panzer. Fast geriet sie in ein Spinnennetz. Doch eine vor ihrem Licht davonspurtende Schabe verfing sich darin und zeigte so unfreiwillig, wo die Falle auf Laurentine gelauert hatte. Sie zerfetzte mit einer Kombination aus Zerreiß- und Sprengfluch das Gewebe und stieg weiter nach oben, bis auch sie innehielt.
Hubert kämpfte inzwischen auch mit Ameisen. Er konnte sich der Übermacht nur erweren, weil er mit seinem Besen einfach über sie hinwegflog. Doch die Soldatinnen hatten einen Geruchssinn, hinter dem jede Hundenase um Meilen zurückblieb. Daher blieben sie dem langsam fliegenden Greifennest-Champion auf der Spur. Er jagte zweimal den Schockzauber gegen die ihm nächsten Verfolger. Doch von weiter hinten rückten noch welche nach. Hubert errichtete einfach eine dicke mauer aus Eis zwischen sich und den Verfolgern. Das würde sie aufhalten. Dann fand auch er die Stelle, wo er das nächste Tor finden mochte.
Laurentine schaffte es, ihre kleine Flasche mit der gelblichen Flüssigkeit ansatzlos zu entkorken, als sie den Punkt erreicht hatte, wo der Smaragdschlüssel am stärksten vibrierte. Sie tränkte den grünen Schlüssel behutsam mit der Flüssigkeit und wartete, bis diese innerhalb weniger minuten verdunstet war. Dann sah sie, daß ihr Schlüssel nun fein vergoldet war. Nur der Griff war noch smaragdgrün. In dem Moment, wo der Schlüssel vergoldet war, hatte er zu vibrieren aufgehört. Laurentine sah sich um. Dabei achtete sie fast nicht auf die innen an dem ausgehöhlten Holz entlangkrabbelnde Gefahr, eine Raubwanze, die versuchte, sie anzugreifen. Erst als das für Laurentine zu große Insekt noch fünf Längen entfernt war, reagierte Julius' Saal- und Klassenkameradin und schleuderte ihm den Schocker entgegen. Die Wanze verlor den Halt und stürzte an Laurentine vorbei in die Tiefe. Die Beauxbatons-Schülerin sah ihr nach und erkannte, daß das Tier sich zu tode stürzen würde. Sie belegte es noch mit dem Fallbremszauber, um es nicht durch ihre Schuld sterben zu lassen. Erst als sie sich gründlich umgesehen hatte, ob noch wer an sie ranschleichen wollte, prüfte sie das Holz mit einem Zauber, der wohl eher als eine Art Echolot funktionierte. Dann hatte sie gefunden, was sie gesucht hatte. Groß wie das Portal von Beauxbatons, ragte vor ihr im Zauberstablicht Stück für Stück angeleuchtet, das dritte Tor empor. Laurentine konnte die Runen erkennen, wenngleich auch nicht lesen. Doch das Schlüsselloch hinter einer Schicht aus Spinngewebe konnte sie sofort sehen. Laurentine schnitt mit dem Diffindo-Zauber Stück um Stück aus dem Gewebe. Julius konnte noch eine Spinne groß wie seines Vaters Bentley sehen, die in Panik davonrannte, nachdem sie in Laurentines Spinnenabwehrzauber geraten war. Dann steckte Laurentine den Schlüssel ins Schloß und drehte ihn um. Das Tor ging auf. Die Runen leuchteten auf.
"Wer Ekel und Angst, Gefahr und Befremden des überwinden konnte, kann nun als vollständig ausgewachsen durch mich hindurch", übersetzte Julius für Belisama, Millie und Patrice.
Gloria war bereits durch das dritte Tor, stellte Julius fest. Denn sie stand mit dem Besen und dem goldenen Schlüssel in einem Durchgang, hinter den es wohl in die vierte Zone des Turmes gehen würde. Was ihn dort erwartete wußte er nicht. Genausowenig mochte er wissen, daß er nun mit den beiden Konkurrentinnen gleichauf war.
Julius sah, wie Laurentine vor einer hohen Wand stand, die sie mindestens um das zwanzigfache überragte. Hinter ihr begannen kleine, blaue Flammen zu lodern, die ihr den Rückweg versperrten und langsam aber offenbar unausweichlich näherrückten. Laurentine leuchtete schnell alles ab. Ihr Zauberstablicht verlor sich aber wohl irgendwo weiter oben. Das blaue Feuer wurde heller und kroch näher. Julius fühlte nicht nur seine und Millies Anspannung, sondern auch die der Zuschauer draußen. Er hörte keinen Muckser von draußen. Alle wollten wissen, wie Laurentine, Gloria und Hubert nun weiterkamen. Was Laurentine anging, so hoffte sie darauf, den sich selbst auferlegten Verkleinerungszauber aufzuheben. Es gelang. Sofort änderte sich die Darstellung. Statt einer himmelhoch aufragenden Mauer sahen Laurentine und die Zuschauer nun, daß es nur die erste von zehn Treppenstufen gewesen war. Das blaue Feuer war zu einem schwach glimmenden blauen Flackern geschrumpft. Allerdings lag hinter Laurentine nun eine steinharte Wand, die wohl nur einen Ausgang hatte, das winzige, vom Blauen Flackern versperrte Loch, aus dem sie hervorgekrabbelt war wie eine Ameise. die Turnierteilnehmerin von Beauxbatons prüfte die Treppenstufen mit Flucherkennungszaubern. Dann machte sie mit dem Besenstiel eine Belastungsprobe. Jede Stufe nahm sie einzeln, als erwarte sie das herabsausen eines Fallgitters oder das Aufklappen einer Falltüre. Auch die die schmale Treppe begrenzenden Wände prüfte sie auf mögliche Gemeinheiten und fand tatsächlich was, daß ihr nicht behagte. Denn unvermittelt schwang sie den Zauberstab so, daß sie sich selbst einmal umzirkelte und stand gleich darauf in der goldenen Feuersphäre da, die nichtmagische und die meisten Magischen Flammen von ihr abhielt. Dann setzte sie den rechten Fuß auf Stufe sechs, und geriet voll in einen orangeroten Feuerball, der sie für zwei Sekunden einhüllte und dann in Rauch und Funken zersprühte.
"Ui, wer Aura Sanignis nicht kann wäre wohl jetzt verbrannt", stellte Julius fest, während wohl auch Hubert und Gloria erst vor der himmelhohen Mauer standen, die wohl auch nur eine Treppenstufe war.
"Wenn sie den Zauber nicht gewirkt hätte wäre kein Feuerball entstanden, sondern ein Zauber, der ihr alle Tagesausdauer entrissen hätte. So wurde dieser durch Aura Sanignis zu einer magischen Flammenwolke, die der Schutzzauber jedoch parieren konnte", beschrieb die Heilerin den gerade beobachteten Vorgang. "Wichtig war nur, daß sie erkannte, daß ihr jemand etwas zerstören wollte. Daß sie mit einem Feuerschlag gerechnet hat war ihre Interpretation", fügte sie noch hinzu.
Hubert, der gerade erkannt hatte, daß er seine normale Größe zurückbekommen konnte und nicht vor einer überhohen Mauer, sondern einer kleinen Treppe herausgekommen war, prüfte auch sorgfältig jede Stufe auf magische und mechanische Fallen. Als er Stufe Sechs besteigen sollte, wirkte er wohl den unsichtbaren Schildzauber. Als er dann auf die Stufe stieg schossen von links und rechts silberne Lichtspeere auf ihn zu und zerbarsten in einem Gewitter aus silbernen und violetten Blitzen.
"Ui, so wirkt das also, wenn jemand den unsichtbaren Schild bringt", erkannte Julius und sah schnell zu Gloria, die nicht lange fackelte und eine Kaskade aus bunten Blitzen auf Treppenstufen und Wände prasseln ließ. Offenbar rief sie in schneller Folge eine Vielzahl von Fluchzerstreuern auf, bis sie zum Schluß noch eine Walze aus violetten Feuer über die Stufen nach oben rollen ließ. Die Zuschauer, die das wohl mitbekamen stießen ein einheitliches "Uiiii!" aus. Zumindest war sich Gloria nun sicher, die Treppe gefahrlos hinaufsteigen zu können. Tatsächlich passierte ihr auf der Stufe sechs auch nichts.
"Die hat ihre Gegenflüche und Gegenelementarzauber gelernt", bemerkte Julius.
"Die reinigenden Flammen von Laore. Hätte nie gedacht, die mal außerhalb Asiens sehen zu können. Die sind nämlich für westliche Zauberer und Hexen nicht leicht umzusetzen, wenn sie die in Sanskrit gehaltenen Zauberformeln nicht korrekt betonen können."
"Huch!" entfuhr es Julius. Doch dann meinte er: "Ich denke, im Laveau-Institut gibt es Experten für Zauber aus allen Weltgegenden. Kann sein, daß sie dort eine für uns Weißen aussprechbare oder ungesagt aufrufbare Entsprechung hingekriegt haben."
"Nur daß meiner Kenntnis nach nur die ordentlich angestellten Mitarbeiter des Laveau-Institutes Zugriff auf die dort gemachten Entdeckungen und Erfindungen bekommen", entgegnete Madame Rossignol etwas verunsichert. Julius brachte dann einen Spruch an, an den er eigentlich selbst nie so recht geglaubt hatte: "Blut ist dicker als Wasser, Madame Rossignol. Sicher hat Gloria den Zauber als einen universalen Reinigungszauber von ihrer Großmutter gelernt, die das mal eben vergessen hat, daß der nur für Angestellte des LIs verfügbar sein soll."
"Na ja, das müßte Gloria dann gegebenenfalls mit den Leuten von da ausfechten, was sie von den ganzen Zaubern können darf", grummelte die Heilerin, die es offenbar nicht sonderlich mochte, daß eine Schülerin Sachen konnte, die sie als Heilerin selbst gerne ausführen wollte. Julius fragte nun aus Neugier, ob diese Feuerwalze alle Flüche tilgte.
"Nur die, die zerstörerische Kräfte freisetzen, wobei auch die damit bezauberten Objekte vernichtet werden. Wahrscheinlich sind in den Wänden, die den Fallenzauber enthielten nun tiefe Einschnitte, weil die vom Zauber betroffene Materie verdampft wurde. Na ja, haben die Aufgabenausstatter heute noch was neues zu sehen bekommen."
"Hmm, und wenn die Treppe mit Decompositus oder anderen Vernichtungsflüchen aufgeladen gewesen wäre?" fragte Julius, weil im Moment alle Champions durch einen einfachen Tunnel zu laufen hatten, den sie zwischendurch mit Fluchbrecherzaubern durchfegten.
"Dann hätte Gloria wohl hinauffliegen müssen. Den Besen hat sie ja noch", bemerkte die Heilerin kühl.
"Geht es jetzt nur um Zauberfallen?" fragte Sandrine, die sah, wie Laurentine und gloria andauernd nach irgendwelchen Flüchen suchten und zwischendurch wohl welche aus dem Weg fegen mußten.
"nein, gleich sind sie durch. Sie sollten nur zeigen, daß sie gegen verschiedene Fallenzauber vorgehen können", sagte die Heilerin. Da konnte Julius auch das Licht am Ende des Tunnels erkennen. Laurentine schickte noch einmal Fluchzerstreuungszauber aus, die unsichtbare Barrieren vor ihr niederrissen oder lauernde Fallen zerstörten. Gloria ließ noch zwei mal die violette Feuerwalze rollen. Beim letzten Mal löste sie damit jedoch den Einsturz der Decke aus. Nur ein schneller Sprung zurück bewahrte sie davor, von herabfallenden Steinbrocken getroffen und erschlagen zu werden.
"Damit beweist sie uns ungewollt, wie riskant dieser Zauber sein kann", fiel der Heilerin dazu nur ein. Die Zuschauer draußen stießen Schreckenslaute aus. Jetzt hatte Gloria nur das Problem, daß sie sich durch einen Trümmerberg durchkämpfen mußte und nicht wußte, ob der restliche Gang hinter ihr nicht auch einstürzte, wenn sie die Brocken in ihrem Weg mit dem Reducto-Fluch wegsprengte. Sie wendete jedoch einen anderen Zauber an, den Julius schon früh in seinem Leben zu sehen bekommen hatte. Nachdem sie das Zauberstablicht hatte erlöschen lassen ließ sie einen grün flirrenden Lichtstrahl in Spiralen von innen nach außen und von außen nach innen über die Trümmer geistern. Wo der Strahl auftraf, zerfielen Steine zu Staub, ohne in wuchtigen Explosionen auseinanderzubersten. So brannte sich Gloria einen neuen Durchgang durch den von ihr angerichteten Trümmerhaufen. Das kostete sie zwar mehrere Minuten. Doch damit konnte sie ohne weitere Erschütterungen auszulösen einen neuen Tunnel bauen und sicher sein, daß an dessen Ende garantiert kein Fallenzauber auf sie lauerte. Denn die violette Feuerwalze hatte alle möglichen Fluchträger zerstört.
Laurentine war mit ihrer behutsameren Vorgehensweise wesentlich schneller, auch wenn es umständlicher aussah. Hubert mußte immer wieder nachprüfen, welche Zauberfalle genau auf ihn wartete und brachte die dagegen entwickelten Aufhebungszauber. So kam er ein wenig langsamer als Laurentine, aber immer noch schneller als Gloria durch den Fallentunnel. Nun war für alle Champions das Gelände dasselbe: Es war eine Landschaft aus grauem Staub, schwarzem und rostrotem Geröll und kopf- bis hausgroßen Brocken, in deren Oberflächen Löcher wie bei einem schweizer Käse klafften. Julius erinnerte sich an Fernsehdokumentationen über Vulkanausbrüche. So hatte die Landschaft ausgesehen, wenn der verheerende Ausbruch vorbei war und die ausgestoßene Lava sich abgekühlt hatte. Asche und Geröll, mit Resten von Gasen gefüllte Bimssteine.
"Sie müssen das Tor zum Gemach der Nacht finden", bemerkte Julius und zitierte die entsprechende Zeile der Aufgaben.
Diese Landschaft flößte einem Betrachte aber nicht gerade Zuversicht ein, irgendwo etwas torartiges zu finden, zumal der dazu passende Schlüssel nicht mitgelifert worden war. Selbst Hubert, der es vorzog, die Landschaft vom fliegenden Besen aus zu erkunden, konnte nichts finden, was ihm weiterhalf. Laurentine drehte einen Stein nach dem anderen um, immer darauf gefaßt, von etwas darunter lauerndem angesprungen zu werden. Dann erkannte sie, daß nicht alle schwarzen Steine rauh oder löcherig waren. Es gab auch einige, die wie polierter Marmor glänzten. Außerdem wirkten die Steine so, als seien sie Teile eines größeren Objektes gewesen, das hier zerstört oder sorgfältig in seine Einzelteile zerlegt worden wie bei einem Puzzle. Das brachte Laurentine auf die Idee, diese Steine gezielt zu suchen. Mit dem Aufrufezauber gelang das wohl nicht. Auch nicht mit dem Accumulus-Zauber, der vom Anwender des Zaubers vorbestimmte Dinge auf einem Haufen zusammentrug. Sicher steckten die Steine selbst voller Magie und waren daher von keinem Bewegungszauber zu beeinflussen. Laurentine legte die von ihr auffindbaren Steine vor dem Tunnelausgang hin. Dann besann sie sich auf etwas und formte aus zwölf der gesammelten Steine einen Kreis, in dessen Mitte sie sich stellte. Sie sprach eine Zauberformel, bei der sie jeden gesammelten Stein einmal mit dem Zauberstab anzielte. Julius strahlte. Belisama juchzte. "Der Parttotolocus-Zauber! Das könnte gehen."
"Nicht ganz einfach, weil du ja gegen die gesamte Materie des zusammenzubauenden Objektes, die Räumliche Ausdehnung der Zerstreuung und mögliche eigene Magie in den Einzelteilen ankämpfen mußt. Die könnte mehr als einen Durchgang brauchen."
Gloria hatte inzwischen die Hälfte des von ihr angerichteten Trümmerhaufens durchdrungen. Hubert prüfte wohl mit Lebenskraft- und Zauberfinder auf weitere Überraschungen. Dabei flog er jedoch wohl zu hoch. Erst als er gelandet war, fand er heraus, daß in der Ausrichtung des Zauberstabes etwas goldenes, pulsierendes lag. Als er es als einen schwarzen Stein wie glatter Marmor unter einem grauen Aschehaufen hervorholte, wurde ihm wohl klar, daß er hier nach solchen Steinen suchen sollte.
"Wie viel Zeit haben die drei?" wollte Julius wissen, dem das irgendwie zu einfach vorkam, die Steine einzusammeln und zusammenzupuzzlen.
"Bis zum Einbruch der Dunkelheit. Haben sie bis dahin nicht alle Teile zusammen, um das Tor zum Gemach der Nacht zu öffnen, entläd sich die Magie in den Bausteinen und macht es für den, der es nicht vorher öffnen konnte unpassierbar. Die Runde ist dann für diejenige oder denjenigen vorbei", erläuterte die Heilerin. Das hieß für Gloria, daß sie sich beeilen mußte. Zwar würde die Sonne erst in knapp drei Stunden untergehen. Doch wenn kein Sonnenlicht mehr über die Bildverpflanzungszauber in diesen Abschnitt übertragen wurde, war für sie der Weg zum Pokal versperrt. Darin lag die große Gefahr dieser Etappe.
Hubert suchte im Tiefflug nach weiteren Steinen, bis er zwölf Stück zusammen hatte und wegen der unterschiedlich großen Brocken mehrmals hin- und herfliegen mußte, bis auch er einen Kreis aus zwölf einzelnen Steinen auslegen konnte. Also wollte auch er den Parttotolocus-Zauber wirken, der verstreute Einzelteile an einem Ort zusammentrug. Vielleicht reichte dann ein Reparo-Zauber aus, um das zerlegte Objekt zusammenzufügen.
"Hmm, wenn keiner bis zur Dunkelheit den Pokal erreichen kann gewinnt der oder die das Turnier, der nach der zweiten Runde die meisten Punkte hatte", erinnerte Millie sie alle an die Turnierregeln. Somit hätte Laurentine das Turnier gewonnen, wenn keiner der drei an den Pokal kam. Doch danach sah es im Moment nicht aus. Denn gerade begannen die von Laurentine bezauberten Steine, in einem sanften Blauton zu glühen. Alle die Zauberkunst bis zur siebten Klasse behalten hatten konten nun sehen, daß Laurentines Zauber zu wirken begann. Doch sie mußte wohl noch einen oder zwei Durchgänge ausführen. Je heller das Licht der Einzelteile wurde, desto mehr der noch zu findenden Teile waren vom Zauber erfaßt. Doch erst wenn jedes noch so weit verstreute Einzelteilchen von der Kraft der Vereinigung berührt wurde und alle Teile weiß erstrahlten und einen weißglühenden Ring erzeugten, würden die beschworenen Einzelteile erscheinen, sofern nach der Zerlegung nicht ein Teil unrettbar zerstört worden war. Dem war jedoch nicht so. Laurentines Zauber wirkte weiter. Sie sprach die Formel jedesmal: Partes pro toto ad unum locum voco! Zumindest skandierten die Zuschauer der UTZ-Klasse diese Zauberformel mit rhythmischem Klatschen, als wollten sie ihrem jeweiligen Champion ihre eigene Zauberkraft zufließen lassen, um möglichst schnell alle Teile des ganzen an einem Ort zu vereinigen.
Laurentine brauchte vier Durchgänge, bis das Glühen der Steine bläulichweiß war. Nach Durchgang Nummer fünf verschwanden die letzten Spuren Blau aus dem magischen Licht. Als der sechste Durchgang beendet war, entstanden weiße Lichtbögen zwischen den Steinen und schufen einen Ring aus Licht. Aus diesem wuchs ein Wall aus weißer Glut auf. Dieser endete auf Laurentines Kopfhöhe. Dann entstanden Wirbel innerhalb des Walles, aus denen sich erst kleinere und dann auch immer größere Objekte lösten und aus wenigen Zentimetern zu Boden fielen. Laurentine Keuchte, während sie den Zauberstab kerzengerade über ihrem Kopf emporstreckte, um das Zentrum der Zauberkraft aufrechtzuerhalten. Eine Minute dauerte es, bis das Licht erlosch und mehr als hundert schwarze Steine ohne nachzuglühen um Laurentine zusammengetragen worden waren. Laurentine wendete nun mehrere Prüfzauber an, um die magische Ausstrahlung der Steine einzuordnen. Offenbar wollte sie nicht glauben, daß sie alle nun durch einen Reparaturzauber zusammenbauen konnte. Tatsächlich schien sie etwas zu finden, was ihr nicht gefiel. Sie verzog erst das Gesicht. Dann kam ihr eine Idee, wie sie wohl weitermachen mußte. Denn sie strahlte zufrieden und kletterte über die von ihr beschworene Menge Steine, um aus den herumliegenden grauen Brocken genugzusammenzusuchen und zusammenzulegen. Mit einem Verbindungszauber, der vorher nicht zusammenhängendes aus gleichem Material nahtlos verband, baute sie aus sechs großen Brocken einen grauen Felsen zusammen. Und den verwandelte sie in einen großen Schlitten wie einen Rodel mit einem Bügel vorne, wie Julius es aus seiner Kindheit vor Hogwarts kannte. Aus einigen kleineren zu einem langen Steinstab zusammengezauberten Bimssteinen ließ sie ein hundert meter langes Tau werden, das sie vorne an den schlitten band und dann eine schlinge formte, wobei sie diese gerade so eng zog, daß sie sich damit nicht Luft- oder Blutzufuhr abschnürte. Julius ahnte, was das werden sollte und war gespannt, wie die beiden anderen das Problem lösen konnten, daß Laurentine offenbar sah. Noch einmal ließ sie sich riesengroß werden und lud so die eingesammelten Steine auf den Riesenrodel. Als sie sicher war, jeden Stein sicher auf dem Schlitten verstaut zu haben, machte sie aus einem größeren Stein noch eine Plane mit Halteleinen, die sie über der Ladung ausbreitete und diese mit Knotungszaubern innerhalb einer Sekunde fest verzurrte. Dann kehrte sie auf ihre ursprüngliche Körpergröße zurück, saß auf dem Besen auf, schlüpfte durch die Schlinge, bis diese unter ihrem Brustkorb anlag und richtete ihren Zauberstab auf den Weg vor dem Schlitten. Dieser glühte auf einmal grünlich auf. Dann stieß sich Laurentine ab und zog den Schlitten an. Dieser glitt wie im olympischen Eiskanal auf der gerölligen Unterlage dahin. Laurentine zauberte immer schneller ein weiteres Stück des grünlichen Lichtes auf den Weg.
"Jau! Sapovius! In dem Zusammenspiel ist der ja echt mal nützlich", freute sich Millie, die den Vorgang gespannt beobachtete, während Patrice meinte, daß Gloria gerade den Durchbruch geschafft hatte. Julius, der nun wußte, was Laurentine vorhatte, konzentrierte sich auf Hubert, der gerade dabei war, den Parttotolocus-Zauber auszuführen. Doch seine Steine glühten noch nicht. Julius zählte vier Durchgänge, ohne zu wissen, wie viele Hubert schon ausgeführt hatte, bis die Steine bläulich glühten. Offenbar zeigte sich hier der Unterschied zwischen Laurentines besonderem Verhältnis zu ihrem Zauberstab und dem vergleichsweise hohen, aber doch noch unterlegenen Zauberkraftpotential des Greifennest-Champions. Drei Durchgänge später hatte Hubert ein himmelblaues Leuchten auf die Steine gebracht. Er keuchte, taumelte ein wenig.
"Jetzt rächt es sich, daß er in der ersten Abteilung nicht sorgfältig auf Fluchabwehr geachtet hat und seine Ausdauer durch den Schwächungsfluch stärker beansprucht hat", bemerkte die Heilerin, als sie Huberts Kampf beobachtete. Laurentine belegte derweil ganz routiniert den Weg des Schlittens mit dem Sapovius-Zauber, der jede noch so rauhe Oberfläche in eine seifigglatte, zeitweilig ebene Oberfläche verwandelte, auf der alles rutschte, wenn es keinen dagegen wirkenden Anhaftzauber besaß oder ausführte. Eigentlich war der Zauber dazu gedacht, Verfolger ausgleiten und hinfallen zu lassen, ohne daß sie sich wieder aufrappeln konnten. Doch als Spur für einen Riesenschlitten, der durch eine Gesteinswüste gezogen wurde taugte er also auch was. Der Zauber hielt jedoch nur zwischen einer und zehn Minuten vor, je nach Übung und Grundkraft des Anwenders.
Hubert hat gleich die volle Wirkung", sagte Julius zu Belisama, die weiterhin Laurentines Transportaktion bestaunte. Draußen klatschten sie rhythmisch und riefen "Lau-ren-tine! Lau-ren-tine!"
Jetzt hatte Hubert den weißen Lichtring erschaffen, aus dem alle fehlenden Einzelteile herauspurzelten. Seine Schulkameraden und auch die Jungen, die lieber einen Zauberer als Pokalgewinner haben wollten johlten und pfiffen. Doch damit war das Problem nicht gelöst. Denn Huberts Versuche, durch den Reparo-Zauber die Teile zu einem Stück zusammenzusetzen mißlangen. Blitze sprühten immer wieder zwischen den Teilen auf. Hubert mußte nun auch darangehen, zu prüfen, was er womöglich noch zu tun hatte.
Als er erkannte, daß sein augenblicklicher Standort wohl nicht der richtige war, beschwor er aus dem Nichts einen großen Sack, in dem er so viele Steine packte, wie er konnte, um den Sack noch zuzuziehen. Diesen band er an seinen Besen, stieg auf und hob ab. Ruckelnd und wippend stieg der Donnerkeil 21 nach oben, bis der Sack frei hing. Zitternd glitt der Besen dann weiter. Dabei baumelte der riesige Tragesack wie ein Uhrenpendel hin und her und lenkte den Besen dabei immer wieder aus der von Hubert bestimmten Flugbahn ab. Doch der Greifennest-Champion kämpfte eisern gegen die Massenträgheit und um das Gleichgewicht, bis er es endlich schaffte, den mit Steinen prallgefüllten Sack auszubalancieren. Schnell fliegen konnte er aber doch nicht.
Laurentine kam mit ihrem randvollen Schlitten schnell voran, bis sie die Stelle fand, die sie suchte, eine schwarze Marmorplatte. Das hätte man sich auch denken können, dachte Julius. Hier ließ Laurentine die Plane einfach heruntergleiten und machte sich noch einmal drei Meter groß. Dann häufte sie die Steine auf der Plattform auf und trat zurück. Sie zielte auf den Berg aus steinen und rief wohl was. Sofort hob sich der ganze Steinhaufen in die Luft, wirbelte scheinbar sinnlos durcheinander, um sich dann, mit einem Ruck, zu einem mattglänzenden, schwarzen Torbogen zu vereinigen, der sicher auf der Plattform aufkam und erbebte. Da leuchteten Runen im oberen Torbogen auf. Julius las sie und übersetzte für alle anderen: "Geduld, Geschick und die Richtige Idee bestreiten den Tag, doch nur am richtigen Orte, öffnet sich für dich die Pforte."
"An dir geht ein Dichterfürst verloren, wenn du echt zu den Beamten willst", meinte Sandrine. "Ich habe gelesen: "Geduld, Übung und Überblick helfen am Tag. Aber Das Tor geht nur da auf, wo es aufgehen soll."
"Tja, Sandrine, der ist eben vielseitig, mein Julius", mußte Millie dazu einwerfen. Sie nahm auch noch von dem Wasser aus der Karaffe. Zumindest schliefen die drei Babys nun friedlich.
Laurentine zündete die hitzelos leuchtenden Flammen auf ihrer linken Hand an, bevor sie durch das Tor ging, hinter dem sie nur tiefe Dunkelheit sah.
"Oha, was kriegen wir jetzt, Nachtschatten oder Vampire?" wollte Julius wissen. Madame Rossignol schnaubte verärgert. Dann sagte sie:
"Angesichts der immer noch nicht ausgeräumten Bedrohung durch diese Vampirvereinigung Nocturnia hätte Madame Faucon garantiert keinem Vampir erlaubt, sich hier auf die Lauer zu legen, um unschuldige Schüler anzugreifen. Aber wir werden wohl erleben, wie sich die Champions mit den etwas leichter handhabbaren Nachtgeschöpfen auseinandersetzen, von denen es ja leider auch noch genug gibt."
Gloria hatte erst jetzt herausgefunden, was die schwarzen Steine sollten. Sie ging jedoch anders vor. Sie wirkte einen Zauber, der in flirrenden Spiralen von ihr wegfloß und sich dreimal wiederholte. Dann nahm sie den Besen und suchte nach den zwölf kleinsten steinen. Dann nahm sie den davon größten in die linke Hand und bezauberte ihn irgendwie, daß dieser dunkelviolett schimmerte. Danach setzte sie sich auf ihren Besen und flog, den glühenden Stein vor sich auf dem Stiel liegend, in eine Richtung davon. Innerhalb von einer halben Minute landete sie punktgenau auf der schwarzen Plattform, wo sie die Steine genau am Rand zu einem Kreis auslegte.
"Ui, die hat die Zehn Minuten Tunnelbohrarbeiten mal eben um fünf Minuten oder mehr aufgeholt", stellte Millie fest, als Gloria nun ihrerseits den Parttotolocus-Zauber ausrief und schon nach dem zweiten Durchgang das blaue Glühen, nicht nur in den Steinen, sondern auch der Plattform hervorrief. Nach Durchgang Nummer drei war es bereits ein himmelblaues Glühen, und nach Durchgang Nummer vier wurde Gloria in weißem Licht gebadet. Innerhalb von nur fünf Sekunden fanden sich alle fehelnden Steine um sie herum ein. Das Licht erlosch.
"Hallo, wie hat die rausgekriegt, daß sie die alle auf der Plattform so locker zusammenrufen konnte?" wollte julius wissen, den es beeindruckte, mit welcher zielstrebigkeit und welchem rasanten Erfolg Gloria das vierte Tor zusammengebaut hatte.
"Die Plattform gehört zu den ganzen Steinen dazu. Sie ist jedoch zu fest im Boden verankert, als durch den Partotolocus-Zauber gerufen zu werden. Deshalb ging der Reparo-Zauber auch nicht, weil ja ein Teil fehlte, um das Tor zusammenzusetzen", sagte die Heilerin. "Wie Gloria herausgefunden hat, wo die Hauptmasse des Tores ruht weiß ich nicht mit Sicherheit. Von der sichtbaren Ausprägung ihres Zaubers her könnte sie etwas benutzt haben, daß durch gemeinsame Magie zusammenhängende Teile erspüren läßt, ähnlich wie Homenum Revelio die Anwesenheit von Menschen im Umkreis von hundert Metern zeigt. Könnte auch eine LI-Erfindung sein, die nicht an jeden weitergegeben werden darf. Jedenfalls hat sie damit den großen Rückstand wettgemacht und Hubert wohl überholt."
"Der schleppt sich dumm und Dämlich mit seinen Säcken. Warum probiert er es nicht einfach, die Steine an der Plattform noch mal zusammenzurufen?" wollte Patrice wissen.
"Weil der Parttotolocus-Zauber sehr stark an der Ausdauer zehrt, Patrice", erwiderte Madame Rossignol.
"Wenn der gewußt hätte, daß er nur zwölf Steine da auslegen muß und die anderen alle hätte nachholen können", meinte Julius, während draußen Glo-ri-a-Sprechchöre erklangen. Nicht nur die Hogwarts-Schüler, sondern wohl auch viele aus dem weißen Saal, in dem Gloria ein Austauschjahr lang gewohnt hatte, freuten sich mit der Hogwarts-Championette, daß sie doch noch gut im Rennen blieb, auch wenn ihr starker Entfluchungszauber ihr einiges an Zeit abverlangt hatte.
Hubert hatte den beiden Konkurrentinnen gegenüber viel Zeit verloren, als er den letzten Sack an den Zielpunkt geflogen hatte. Der Besen hatte die Belastung nicht so gut überstanden und war wohl immer schwerfälliger und langsamer geflogen. Dann gelang es Hubert, sein Tor zum Gemach der Nacht aufzustellen und damit auch zu öffnen. Die leuchtenden Runen beachtete er nicht weiter. Nur die hinter dem Torbogen lauernde Dunkelheit nahm er ernst und entzündete sein Zauberstablicht.
Währenddessen hatte Laurentine es mit einem Schwarm Vampirfledermäuse zu tun bekommen. Die magischen Verwandten der tropischen Blutsauger waren doppelt so groß wie ein Dackel und wieselflinke Flieger. Allerdings hatte sich Laurentines Vorkehrung, den für ihre Haut unschädlichen Flammenzauber zu benutzen, als goldrichtig herausgestellt. Denn mit den auf ihrer Hand brennenden Flammen konnte sie die sie umflatternden Angreifer mühelos auf Abstand halten. Den Rest verjagte sie mit den Sirennitus-Zauber, der einen unerträglichen Dauerpfeifton in die Ohren des angezielten jagte und Wesen mit überempfindlichen Ohren vor allem im Bereich der hohen Töne und im Ultraschall schmerzte und zur Flucht trieb. Gegen andere Wesen mochte der Zauber jedoch sinnlos sein. Zwanzig Vampirfledermäuse mußte Laurentine verjagen, bis sie sicher sein konnte, einige Minuten Zeit zu haben. Sie wirkte den Lebensquellenanzeiger, um zu sehen, was noch alles in der Dunkelheit lauerte. Tatsächlich konnte sie mehrere hellgrüne, pulsierende Auren aufleuchten lassen, die julius ziemlich bekannt vorkamen.
"Das Wer-ist-wer der Lichtscheuen Zaubertiere", grummelte er. Millie sah auf Laurentines Leinwand und erkannte die wie große Felsen aussehenden Geschöpfe, die scheinbar träge dahinkrochen. Das waren die Dunkelsteinwanderer, wie sie sie am Tag der totalen Sonnenfinsternis im Zaubertierpark von Greifenberg vorgeführt bekommen hatten. Die waren für Hubert sicher ein Heimspiel. Julius fiel ein, daß Gloria wohl auch keinen der Vampirfledermäuse näher als deren Hörweite an sich heranlassen würde, wenn sie das blaue Flackerlicht erzeugte, daß in Wahrheit ganz hohe, schrille töne erzeugte, mit denen sie in Runde eins die Wichtel zurückgetrieben hatte. Doch er sah wie Laurentine die Lebensauren von Schwarzlurchen, Felsenwühlern und sogar vier Fleischmotten, die in einiger Entfernung an der Decke herumzirkelten und bereits Witterung aufgenommen hatten. Die aus Kleidermotten, Treiberameisenund Mardern zusammengekreuzten Ungeheuer waren ausgewachsen einen Meter groß und scheuten jede Form von Licht heller als Kerzenflammen. Anders als ihre unmagischen Verwandten lockte Licht sie nicht an. Doch wenn sie lebendes Fleisch witterten, konnten sie bei Licht kleiner als ein Lagerfeuer noch angreifen, wenngleich der direkt in ihre Augen wirkende Lichtschein sie blenden und peinigen konnte. Laurentine kannte diese Geschöpfe alle, bis auf die Felsenwühler, die Gestein zersetzende Säure ausspucken konnten, um das für sie nahrhafte Gestein vorzuverdauen. Wenn noch Geisterwesen wie Nachtschatten, Todesalben oder bösartige Gespenster in der Dunkelheit lauerten wurde es brenzlig. Denn die ließen sich durch den Lebenskraftanzeiger nicht vorher aufspüren.
Laurentine schritt voran und suchte ihren Weg zum fünften Tor, bereit, alles zu bekämpfen, was ihr dabei in den Weg kam. Sie wußte nicht, was die Felsenwühler waren. Doch vor gewaltigen Würmern, die mal eben locker über den Boden dahinkrochen, hatte sie wohl auch so schon gehörigen Respekt. Als eine der Fleischfressermotten über sie herabstürzte mußte Laurentine in Deckung springen. Dann jagte sie der Motte einen Feuerstrahl aus ihrem Zauberstab entgegen, der ihr die Haare von den wild winkenden Antennen und die Ränder der schuppigen Flügel versengte. Das fliegende Ungeheuer stürzte ab, kam dabei aber nicht um. Doch mit dem Fliegen und der Witterung war es wohl vorbei. Außerdem mochte der Feuerstrahl die Motte dauerhaft geblendet haben. Aber es war ja um Laurentines Leben gegangen. Da mußte sie so brachial zurückschlagen. Da kam auch schon die nächste herunter. Laurentine schlug mit der Flammengeißel zu und fegte die Motte und eine, die von hinten gerade zum Angriff ansetzte aus der Flugbahn. Um sicherzugehen, daß die vierte nicht auch schon unterwegs war wirbelte Laurentine mit der Flammengeißel aus ihrem Zauberstab dreimal im Kreis herumund erwischte Motte Nummer vier, wie sie von unten her auf Laurentines rechtes Bein zuflog voll im Fluge. Als die Beauxbatons-Turnierteilnehmerin sicher war, daß die vier geflügelten Gegner zumindest angriffsunfähig waren, suchte sie sich ihren Weg weiter.
Gloria ging anders vor, als sie hinter dem vierten Tor war. Sie sprach oder sang wohl einen Zauber, von dem sie wohl überzeugt war, daß er ihr alle Feinde vom Hals hielt. Julius hatte es erlebt, wie Jane Porter in Columbus, Ohio eine Truppe Ministeriumszauberer mit einem magischen Lied verscheucht hatte, das für sechzig Minuten alle Feinde aus ihrer Rufweite fernhielt. Wenn Gloria das Lied noch gelernt hatte, nachdem Julius Hallitti entkommen war, dann konnte sie sich damit einen passablen Vorsprung herausarbeiten.
Laurentine wich den Dunkelsteinwanderern mühelos aus. Die behäbigen Zaubertiere kamen ohne Not nicht so schnell voran. Außerdem fraßen sie keine Menschen, sondern alle Tiere, die von Panzern oder Schalen umgeben wurden. Es mochte jedoch sein, daß die magischen Gegenstände, darunter ein Stück Metall, ihre Abwehrinstinkte auslöste und sie jenes verheerende graue Sekret verspritzten, das das Fleisch von Lebewesen augenblicklich zu Stein werden ließ.
Anders dagegen waren die Felsenwühler, die sofort auf Laurentine losgingen, als sie versuchte in einen schmalen Gang einzubiegen. Weil sie nichts von diesen Wesen wußte, behalf sie sich mit dem Impedimentazauber. Doch dieser klatschte von der steinharten Haut des ihr entgegenkriechenden Wurmes ab und krachte in die Wand des Ganges. Das Höhlengeschöpf riß den zahnlosen Rachen auf. Instinktiv schickte Laurentine den Schockzauber in den Schlund des Wurmes. Dieser fiel wie ein Luft ablassender Ballon zusammen und zuckte nun alle drei Sekunden einmal. Doch vorher war noch etwas von seinem gefährlichen Verdauungssaft ausgeflossen und keinen Meter vor Laurentine entfernt auf dem Boden gelandet. Die junge Hexe sah mit gewissem Entsetzen, wie das weiße, schleimige Sekret sich innerhalb weniger Sekunden immer tiefer in den Boden hineinfraß, bis sich zwischen Laurentine und dem geschockten Felsenwühler ein Krater von drei Metern Durchmesser und einem halben Meter Tiefe öffnete. Damit war für die einzige, die keine Tierwesenkunde genommen hatte klar, worin die Gefährlichkeit dieser Tiere steckte. Zumindest konte Julius nun erleben, wie sie beim durchqueren des Ganges den Lebenskraftanzeiger benutzte und tatsächlich noch einen Felsenwühler aufstöberte, der sich windend auf sie zukroch. Sie löschte den Lebenskraftanzeiger und jagte dem Wurmwesen den Mondlichthammer entgegen, der es zurückzucken ließ. Dann riß es das Maul wieder auf, um der Gegnerin sein zersetzendes Sekret entgegenzuspeien. Doch Laurentine hatte darauf gewartet und platzierte den Schocker einen Sekundenbruchteil früher als bei ihrem ersten Felsenwühler. Dann war sie durch den Gang hindurch und traf nun auf die fünf Schwarzlurche, die ein dunkler Magier vor neunhundert Jahren mal aus einem Panther und einem Riesensalamander zusammengekreuzt hatte. Weil er hierfür das Blut von Vampiren mitbenutzt hatte, waren diese Wesen zwar lichtscheu, aber auch blutdurstig. Sie hatten sich schon zusammengerottet, um die so freiwillig zu ihnen kommende Portion Fleisch und Blut zu erwarten. Doch Laurentine war auf diesen Angriff vorbereitet und zog zwischen sich und die fünf Schwarzlurche einen Sonnenlichtwall hoch. Mit weiteren Beschwörungen bog sie die einfache Mauer zu einem einschließenden Ring. Die fünf halbvampirischen Amphibien wälzten sich auf dem Boden und schlugen ihre krallenbewehrten Pranken über ihre Augen, weil das sie umgebende Licht zu hell war. Von diesen fünf einfachen Tierwesen nun unbehelligt zog die Championette von Beauxbatons weiter.
Hubert beharkte die ihn bedrängenden Vampirfledermäuse mit einem Dampfstrahl aus dem Zauberstab, der die Nachtgeschöpfe in die Flucht schlug. Vielleicht hatte er keinen gewöhnlichen Wasserdampf, sondern ein ätzendes oder übel riechendes Zeug versprüht, vermutete Julius. Mit den Riesenmotten machte Hubert kurzen Prozeß, indem er sie mit ausgeworfenen Netzen aus der Luft heraushieb und am Boden verschnürte. Offenbar hatte seine Großtante, die Lehrerin für Zaubertiere und Zauberpflanzen in Greifenest, ihm und anderen diese Methode beigebracht. Die Felsenwühler bekam er damit in den Griff, daß er ihnen aus Zauberlicht bestehende Maulkörbe verpaßte. Die auf ihn wartenden Schwarzlurche beharkte er mit Sonnenspeeren, bis sie nahe genug an einer Wand waren, um sie mit dem Murattractus-Fluch daran anzuheften. Doch dann kamen die Geisterwesen.
"Hoffentlich überstehen die drei diese Runde. Sich mit einem niederen Nachtschatten auseinanderzusetzen ist nicht so einfach", seufzte Madame Rossignol. Julius hätte ihr fast widersprochen, da er mindestens drei wirksame Zauber kannte, um einen niederen Nachtschatten zurückzutreiben. Als er auf Laurentines Leinwand ein blau flackerndes Augenpaar sah wußte er, daß Laurentine jetzt einem der gefährlicheren Gegner dieser Etappe gegenüberstand.
Gloria hielt sich mit ihrem Gesang oder Rufen wirklich alles vom Hals, was ihr ansatzweise feindlich gesint war. Nur die Dunkelsteinwanderer gingen langsam ihres Weges. Als gloria jedoch in ihre Nähe kam, spien sie aus ihren Saugrüsseln eine graue Flüssigkeit aus. Gloria erkannte wohl, daß sie damit eine reine Abwehr ausgelöst hatte. Beinahe hätte ein solcher Strahl ihren linken Arm getroffen. Nur die Langsamkeit der Dunkelsteinwanderer bewahrte sie davor, versteinert zu werden.
"Oha, ist vielleicht doch nicht so gut, diesen Wesen mit weitreichender Magie zu kommen", seufzte Millie.
Laurentine ließ in dem Moment, wo der gegen den dunklen Hintergrund noch dunkler erscheinende Nachtschatten vor sie hinschwebte einen Strahl aus silberweißem Licht aus ihrem Zauberstab schießen, der sich vor dem völlig Lichtschluckenden Geisterwesen zu einer massiven Bache verdichtete. Kaum war diese Wildsau aus magischem Licht entstanden, galoppierte sie sofort mit weit offenem Maul auf den Nachtschatten zu, der gerade einen Arm ausstrecken wollte, um Laurentine zu packen. Für das nichtsubstantielle Unwesen war der Aufprall mit dem Patronus wohl doch irgendwie spürbar. Denn es flog förmlich Dutzende Meter zurück. Laurentine vergrößerte die Flammen auf ihrer Hand, als sie sah, daß ihr Patronus auch ohne sie zurechtkam. Julius erschauderte, als er eine schwarze Wolke sah, die sich vom Widerschein der Flammen gut abhob und sich gerade über Laurentines Kopf herabsenkte. Die Schülerin spürte wohl etwas. Womöglich war es eisige Kälte oder eine unmittelbare Bedrohung. Sie rief nach ihrem Patronus, der sofort zurückgerannt kam und mit einem Satz in die sich über Laurentine ballende Wolke hineinsprang. Das schwebende Ungeheuer zerstob im silbernen Glanz des Patronus'. Julius wußte, daß Nachtschatten, die direkt von einem Patronus oder Sonnenlichtspeer getroffen wurden, die halbe bis drei Viertel ihrer Kraft einbüßten und mindestens drei Nächte brauchten, um sich zu erholen. Vielleicht konnten sie diesen Nachtschatten hier als Totalverlust verbuchen, so heftig wie dessen feinstoffliche Daseinsform gerade zersprengt worden war.
Laurentines Patronus blieb in der Nähe seiner Beschwörerin. Das hieß, daß noch weitere Nachtschatten in der Nähe waren. Als Laurentine etwas schwarzes, schlangenartiges am Boden sah, hieb sie mit einem Sonnenlichtspeer darauf und nagelte das aus dunkler Magie bestehende Schreckgespenst am Boden fest. Es wand sich und schrumpfte, bis es zu einer schwarzen Kugel wurde, die eilig davonrollte.
Auch Hubert hatte mit den Nachtschatten zu kämpfen. Anders als Laurentine bekam er aber seinen Patronus nicht richtig hin. Die silbernen Lichtstrahlen reichten zwar aus, um den direkt angreifenden Nachtschatten zu vertreiben. Doch dann erwischte ihn wohl etwas mit brutaler Gewalt am rechten Bein, riß ihn zu Boden und hüllte ihn in schwarzen Dunst ein. Doch gerade soeben schaffte Hubert noch, einen Sonnenlichtspeer von innen zu wirken, der das seine Lebenskraft und Wärme saugende Ungeheuer von ihm fortschleuderte. Einen Moment lang dachten wohl alle, Hubert sei nun Kampfunfähig. Doch dann kämpfte er sich wieder auf die Füße, strauchelte zwar, doch blieb auf den Beinen. Er rief den Lippenbewegungen nach wohl noch mal seinen Patronus auf und schaffte es, ihn schemenhaft entstehen zu lassen. Noch einmal rief er die beiden so wichtigen Zauberwörter: "Expecto Patronum!" Jetzt bekam sein Patronus die volle Gestalt und jagte um ihn herum, mitten hinein in eine undurchdringlich schwarze Wolke, die sofort darauf zerfaserte und verwehte. Julius ging davon aus, daß auch bei Hubert nur drei Nachtschatten gelauert hatten, falls nicht noch irgendwo in der Dunkelheit welche warteten. Hubert war jedoch sichtlich angeschlagen. Die fast vollständige Umschließung hatte ihm sichtlich Kraft entzogen. Dazu kam noch die Beschwörung eines Patronus.
Laurentine erreichte einen von einem letzten Nachtschatten bewachten Kasten. Mit der Vollen Rammkraft ihres Patronus' und drei Sonnenspeeren klebte sie den Nachtschatten an die Wand, der fast konturlos wurde. Die silberne Bache lehnte sich an das an die Wand gedrückte Schattenwesen, das nur noch wild zitterte und immer kleiner wurde. Es verlor sein dunkles Ektoplasma, das anders als das helle der Gespenster nicht durch die Kraft der Gestirne aufrechterhalten wurde, sondern nur durch die Zufuhr von Lebenskraft und Dunkelheit erhalten blieb.
Laurentine untersuchte den Kasten aus Holz mit Flucherkennungszaubern. Dann versuchte sie, ihn mit Alohomora zu öffnen. Das gelang nicht. Den Kasten aufzubrechen gelang auch nicht. Dann lauschte sie. Sie pfiff ihre silberne Bache zurück und blickte den auf Säuglingsgröße zusammengeschrumpften Nachtschatten an, der sich träge bewegte. Was die beiden so unterschiedlichen Wesen sich sagten bekam keiner der Zuschauer mit. Laurentine blickte nur einmal wütend auf ihren Patronus, bevor ihr klar wurde, daß dieser ja bisher ihr Leben geschützt hatte. Irgendwie schien es, habe der Nachtschatten ihr was gesagt, was ihre Moral schwächte. Julius fragte die Heilerin, ob Laurentine einen Fehler gemacht hatte.
"Sagen wir so, sie muß eine kleine aber wichtige Sache finden, um alle vier Nachtschatten einzufangen. Nur dann geht die Kiste auf, und sie kann dort, wo sie steht, das fünfte Tor öffnen. allerdings ist fraglich, ob die drei bereits vertriebenen und der eine stark reduzierte Nachtschatten die nötige Kraft bündeln, um den Kasten zu entsperren."
"Auf wessen Mist ist denn soeine Aufgabe gewachsen?" knurrte Millie, die ihre Mutter und ihre Tante für sowas verantwortlich machen mochte.
"Das wollte man mir auch nicht sagen. Womöglich der oder die, welcher oder welche die vier Nachtschatten überhaupt in diese Etappe eingeschmuggelt hat", erwiderte Madame Rossignol.
Hubert kann nicht mehr richtig, Madame Rossignol", warnte Patrice. Tatsächlich stolperte Hubert mehr als er ging. Es sah so aus, als habe ihn ein neuerlicher Musculinimus-Fluch ereilt.
"Wenn er den Patronus nicht aufrechterhalten kann und gegen Nachtschatten Nummer vier zu verlieren droht, lasse ich ihn aus dem Turm holen", kündigte die Heilhexe von Beauxbatons an. Die Entschlossenheit in ihrer Stimme ließ keinen Zweifel aufkommen, daß sie auch tat, was sie ankündigte.
"Er wird Ihnen dafür keine Weihnachtskarte schicken", stellte Julius trocken fest.
"Dann soll er zumindest froh sein, daß er noch Weihnachtskarten schreiben kann und noch im Stande ist, Leute zu lieben, denen er welche schreiben will", fauchte Madame Rossignol.
"Nachtschatten kann nur einfangen, der die Namen ihrer vorherigen Daseinsform kennt", wußte Belisama. "Wie sollen denn die drei rausfinden, wie die mal als lebende Menschen geheißen haben? Das ist doch ziemlich gemein."
"Aber nicht unmöglich", erwiderte Madame Rossignol. "Wenn Laurentine das Gefäß findet, in dem sie Nachtschatten bannen kann, bis irgendwer sie wieder freiläßt, kann sie auch die Namen der vier ermitteln, die ihr entgegengetreten sind." Julius verstand. Wenn Laurentine das Gefäß, die Flasche, den Kessel, die Kiste oder was sonst fand, konnte sie dabei auch herausbekommen, für wen dieses Geistergefängnis gedacht war.
Hubert schwankte weiter. Sein Kampfgeist hielt ihn auf den Beinen. Doch würde das so bleiben?
Laurentine hatte inzwischen mit einem Metallsuchzauber was geortet und sich durch die wieder auf sie zuschwirrenden Vampirfledermäuse kämpfen müssen, bis sie vor einer kniehohen Silbervase stand, die sie mühelos anheben konnte. Mit dem Zauberstablicht leuchtete sie hinein. Was sie darin sah konnten die mitverfolgenden Zuschauer nicht sehen. Jedenfalls fand sie noch einen dazu passenden Deckel, an dessen Innenseite wohl was stand. Sie las es, nickte und las es noch einmal. Dann lächelte sie. In Begleitung ihres Patronus kehrte sie zu dem Kasten zurück. Der geschwächte Nachtschatten war inzwischen geflüchtet oder lauerte mit seinen drei Daseinsgenossen darauf, sie mit der verbliebenen vereinten Kraft anzugreifen. Laurentine ließ ihren Patronus hinter ihr Aufstellung nehmen. Die Bache aus silbernem Licht war noch völlig konturscharf. Dann sagte sie wohl etwas, wobei sie den Zauberstab über der offenen Vase kreisen ließ und rief dann was, der Körperhaltung und dem weit offenen Mund nach. Sie lauschte. Ihre silberne Bache sprang neben sie. Doch Laurentine schickte sie mit einer sanften Handbewegung zurück. Dann sah Julius eine schwarze Kugel, die schwankend und pulsierend durch die Luft flog. Zwei winzige blaue Augen starrten auf die offene Vase, aus der nun ein grünliches Licht stieg, während Laurentine weitere Wörter rief und dabei den Zauberstab von der schwebenden Kugel auf die Vasenöffnung hin- und herpendelte, bis das Licht aus der Vase die Kugel umhüllte und sie mit einem Ruck in der Vase verschwand.
Laurentine hielt sich nicht mit Teilerfolgen auf. Sie vollzog noch dreimal die Anrufung, der je ein Nachtschatten folgen mußte. An der Größe der kompakten Kugeln konnte jeder ungefähr einschätzen, wie stark geschwächt die dunklen Geisterwesen waren. Das letzte, der, welchen Laurentine bei dem Kasten getroffen hatte, war gerade mal so groß wie eine Murmel und flutschte ohne großen Widerstand in das silberne Behältnis. Laurentine warf den Deckel auf die Vase und schraubte ihn zu.
"Darf sie die jetzt auch behalten wie Hubert den Feuerdschinn?" fragte Julius herausfordernd.
"Ihr könnt das nicht lesen, aber auf der Unterseite der Vase steht: "Der Behälter und sein Inhalt sind Eigentum des Zaubereiministeriums Frankreich. Die darf Laurentine gleich neben dem Kasten stehen lassen."
"Würdest du vier eingesperrte Nachtschatten behalten wollen?" fragte Millie ihren Mann. Dieser schüttelte den Kopf. Mächtige, beseelte Sachen wollte er nicht sammeln. Ein solches Ding im Haus reichte schon völlig aus.
Gloria war bereits weiter. Denn sie hatte offenbar die Vase vorher gefunden und sie neben den Kasten gestellt. Dessen Deckel stand sperrangelweit offen. Gloria wirkte noch einen Sondierungszauber und fand wohl nichts, was ihren Argwohn erregen mochte. So griff sie in den Kasten hinein und holte zwanzig Goldstücke und mehrere silberweiße Stäbe heraus, über die sie nicht so recht wußte, wozu sie dienten. Erst als sie sich die Wand noch einmal im Nigerilumos-Zauber betrachtete, konnte sie einzelne Runen erkennen und darunter Kleine Röhren, in die die Goldstücke gerade so hineingeschoben werden konnten, ohne umzufallen. Um sie bis zum Anschlag durchzuschieben mußte sie die silberweißen Stäbe durchschieben. Im Umkehrlicht wirkten diese spröde und zerbrechlich. Doch das war ein Effekt des Farbumkehrenden Lichtes. Julius dachte darüber nach, was die Stäbe für eine Funktion hatten. Dann hätte er fast aufgeschrien. Das waren reine Magnesiumstäbe, oder fast reine. Sicher war da noch eine sauerstoffreiche verbindung mit dabei. Magnesium brannte so hell und zeitgleich so heiß, daß es als Stoff für Unterwasserfackeln und Material für Schweißarbeiten herhielt. Hoffentlich machte Gloria nicht den Fehler, die Stäbe mit den Händen anzuzünden.
Laurentine sah inzwischen, wie ihre Vase im dunkelblauen Licht pulsierte und sich dieses Pulsieren auf den Kasten übertrug. Der Kasten erzitterte, bebte und hüpfte dann zweimal, bevor sein Deckel weit aufsprang. Laurentine holte die Goldstücke und die dazugehörigen Stäbe heraus. Sie pfiff wohl, der Form ihrer Lippen nach zu urteilen. Dann suchte sie noch einmal die Wände ab und fand die nötigen Vertiefungen. Sie führte die Goldstücke zuerst und die Stäbe danach ein, schob sie bis zum Anschlag durch und trat dann mehrere Schritte zurück. Sie wußte offenbar, womit sie es zu tun hatte. sie zielte auf die Reihe der Stäbe, kniff die Augen zu und rief wohl ein Wort, das womöglich Incendio heißen sollte. Tatsächlich ferglühten die Stäbe in grellem Licht. Die Zuschauer draußen machten "Oooh!" und "Uuuuiiii!"
Gloria suchte wohl immer noch nach etwas brennbarem. Dabei zerlegte sie sogar den Kasten mit dem Discido-Zauber. Das wurde von den Zuschauern wohl gesehen und mit lautem Lachen und diesem Alpenraumlied von Eben begleitet. Vor allem, als Gloria die Magnesiumstäbe wieder aus der Wand porkelte, mußten doch viele lachen, die gesehen hatten, daß Laurentine diese ganz locker entzündet hatte.
"Das meinst du nicht ernst, Junge", knurrte Madame Rossignol. Julius dachte erst, er sei gemeint. Doch als er sah, daß sie auf die Leinwand zeigte, auf der Hubert zu sehen war, war ihm klar, daß der Greifennest-Champion gemeint war. Dieser torkelte wie im Vollrausch auf die gefangenen Schwarzlurche zu. und zielte mit dem Zauberstab auf den ihm nächsten und von diesem auf sich zurück. Dabei rief er etwas. Doch es passierte nichts. Dann versuchte er es bei dem zweiten Riesenlurch. Julius fand es merkwürdig, wie steif und glitzernd die gefährlichen tiere aussahen. Das war doch nicht die übliche Wirkung des Murattractus-Fluches. Die Monster sahen ja ganz genauso aus ... wie fest an die Wand angefroren. Dann sah er zwei dunkle Schemen, die gerade über Hubert herabsanken und dabei einander zu verdrängen versuchten. Hubert stieß einen wilden Schrei oder eine lautstarke Verwünschung aus und warf sich nach vorne. Dabei stolperte er über einen der tiefgekühlt aussehenden Schwarzlurche und rollte über ihn hinweg. Julius sah, wie kleine Kristalle vom Umhang des Champions rrieselten. Die beiden dunklen Schemen hatten gemerkt, daß ihr Opfer gerade noch entwischt war und versuchten, es erneut anzugreifen. Das scheiterte jedoch daran, daß beide sich gegenseitig die Beute streitig machten und so nicht die richtige Flugbahn erwischten. Hubert stieß zwei Wörter aus, die Julius als "expecto Patronum" deutete. Tatsächlich entfuhr Huberts Zauberstab ein silberweißer Strahl, der zunächst zu zerfasern schien und dann doch mit einem Ruck einen kapitalen Keiler aus silbernem Licht erschuf, der mit weit aufgerissenem Maul gegen die beiden einander bekämpfenden Nachtschatten sprang. Zwar schien das Licht des Patronus nicht von den dunklen Kreaturen wider. Doch der Aufprall auf die negative Form des Ektoplasmas erzielte eine heftige Reaktion. Die beiden Schattenwesen wurden wie ein Nebelstreifen von der Windböe aus der Bahn geblasen und wirbelten sich zu verflüchten drohend davon. Der silberne Keiler preschte ihnen nach, schlug seine Hauer in den untersten Fetzen eines Nachtschattens, der daraufhin zusammenschrumpfte und wie aus der Kanone gefeuert in die Dunkelheit davonschwirrte. Der zweite Nachtschatten waberte nach oben, wohl davon ausgehend, daß der flügellose Patronus zu bodengebunden war. Der wilde Eber aus silberner Leuchtkraft stieg mit den Vorderfüßen hoch und stieß sich mit den kräftigen Hinterbeinen ab, wobei seine Rüsselnase einen Moment tief in die wabernde Lichtundurchlässigkeit eintauchte. Die körperlose Kreatur wurde hochgeschleudert und dabei fast in winzige Tropfen Dunkelheit zersprüht. Gerade so noch zog es sich zu einer tennisballgroßen Kugel zusammen und flog in den Raum zurück, aus dem Hubert gekommen war. Doch noch waren ein angeschlagener und ein völlig unversehrter niederer Nachtschatten übrig. Sicher fingen sie die Körperschwäche des Champions auf. Womöglich würde der wachende Schatten seinen Posten aufgeben, wenn er die Gelegenheit bekam, sich Huberts verbleibende Lebenskraft und dessen Seele einzuverleiben. Offenbar erkannte es auch der Patronus. Denn der Silberkeiler ließ sich auf seine Vorderbeine zurückfallen und fegte im echten Schweinsgalopp zurück zu seinem Rufer. Dabei flackerte er bereits wie eine kurz vor dem Verlöschen stehende Kerzenflamme.
"Vielleicht haben diese Unwesen Hubert einen großen Gefallen getan", grummelte die Heilerin. "Er hat versucht, sich Tagesausdauer von den Tieren zu holen. Bisher ist sowas immer auf die Persönlichkeit des Zauberers gegangen, der das gewagt hat."
Hubert wußte, daß er keinen der tiefgefrorenen Lurche anfassen durfte. Er würde sich regelrecht die Hände verbrennen, so widersinnig sich das anhören mochte. Der Keiler setzte elegant über einen der tiefgekühlten Kadaver hinweg. Hubert hielt den Zauberstab gegen sich und murmelte Worte, die Julius nicht herleiten konnte. Madame Rossignol straffte sich. Dann sahen sie, wie eine Wolke aus rotem Licht Hubert umfloß und pulsierte. Julius zählte im Geist die Sekunden, bis die Wolke in Huberts Körper eingesaugt wurde. Es waren vierundzwanzig Sekunden. Danach war Hubert auf einmal so munter, als habe er ausgiebig geschlafen, geduscht und gefrühstückt. Er sprang auf die Beine. Der Patronus stabilisierte sich auch und wurde sogar ein wenig größer und Heller. Hubert flankte über den eiskalten Lurch hinweg und lief, nun ganz ohne zu schwanken, weiter durch den Saal. Offenbar war mit Besenfliegen nicht fiel zu machen.
"Gut, dann wird der junge Herr Rauhfels morgen bei mir den Tag verschlafen müssen, um die vorweggenommene Tagesausdauer von zwei Tagen zu regenerieren", schnarrte Madame Rossignol.
Praecipio Dies?" fragte Patrice Duisenberg.
"Eben der, Patrice", schnarrte die Heilerin. Von draußen klangen wieder Hu-hu-hubert-Rufe ins Sanitätszelt.
"So sieht der also aus. Ich habe auch von dem gelesen und auch, daß der von Heilern nicht gerne gesehen ist", erwiderte Julius.
"Richtig, und das aus ganz gutem Grund", fauchte Madame Rossignol. "Er ist sozusagen eine Solo-Variante des Transfusio Valididatis. Jede Sekunde wirkungszeit entspricht der Vorwegnahme von zwei Stunden kommender Tagesausdauer. Da er mehr als zwölf Sekunden die Kraftzufuhraura aufrecht erhielt, dürfte er sogar mehr als einen ganzen Tag frischer Ausdauer vorweggenommen haben."
"Ich habe so um die vierundzwanzig Sekunden plusminus zwei Sekunden gezählt", stöhnte Julius. Damit hatte Hubert sich die Ausdauer von zwei noch kommenden Tagen zurückgeholt. Das ging auf die Körpersubstanz und auch auf die geistige Frische, auch wenn er zunächst absolut frisch und munter war. Doch die Natur des Körpers ließ sich nicht ohne Gegenwert austricksen. zu dem Verlust an Körpersubstanz kam, daß wenn sich Hubert hinlegte und schlief, er die komplett vorgezogene Zeit durchschlafen mußte. Wenn er die vorausgewonnene Ausdauer erst aufbrauchte, fiel er da, wo er war wie tot um und konnte die vorgezogene Zeit lang nicht mehr aufgeweckt werden. Bei Leuten im Wachstum oder mit krankem Herzen konnte diese schlagartige Bewußtlosigkeit sogar zum totalen Kreislaufversagen führen. Genau darum brachten Heiler diesen Zauber keinem bei und hielten auch nichts von denen, die ihn vor ihren Augen anwendeten. Lernen taten sie ihn offenbar schon, wohl auch, um die Auswirkungen im Selbstversuch zu erfahren.
"Der hat sich mit neuer Lebenskraft aufgepumpt. Darf der sowas?" wollte Millie wissen.
"Wenn es nach mir geht, würde ich ihn sofort aus der Runde herausnehmen und disqualifizieren. Aber leider darf ich ihn nur vorzeitig aus der Runde herausnehmen, wenn er verletzt, nervlich am Ende oder bewußtlos ist", fauchte die Heilerin von Beauxbatons.
"Laurentines Brennstäbe sind gleich aus", bemerkte Belisama. Julius mußte grinsen, weil Belisama was von Brennstäben gesagt hatte. Aber wieso sollte sie die gleißend niederbrennenden Magnesiumstäbe nicht so nennen? Jedenfalls war Laurentine wohl gleich am nächsten Zwischenziel.
Gloria füllte inzwischen die Löcher mit Holzmehl, nachdem sie die Goldstücke hineingeschoben hatte. Mit dem Zündzauber ließ sie sie entflammen. Doch die Holzspäne glommen nach wenigen Sekunden nur noch schwach. Nach einer Minute war das kleine Feuer ganz aus. Gloria versuchte noch einmal, die Holzspäne zu entzünden. Doch nur ein kurzes Glimmen leuchtete auf, um sofort wieder zu vergehen. Die schmalen Röhren waren nun voller verkohlter Holzreste, die keinen Sauerstoff mehr durchließen.
"Deshalb die Magnesiumstäbe", erkannte Julius. Nicht wegen der tollen Lichtschau, sondern weil die eben mit eigenem Sauerstoff versorgt waren und heißer abbrannten als zerstoßenes Holz ohne Frischluftzufuhr.
Laurentine sprang in die Luft, als der Magnesiumbrand die Goldstücke erreichte, die wohl schon gut angeheizt waren und diese sicher zum schmelzen brachten. Julius rief sich noch einmal den Schmelz- und Siedepunkt von reinem Gold in Erinnerung. Möglicherweise reichte der Magnesiumbrand aus, um das Gold zu schmelzen. Womöglich war genau das der Sinn dieser eher chemisch-physikalischen statt magischen Schließvorrichtung. Jedenfalls sprühten die Magnesiumstäbe noch einmal grellweiße Funken. Dann erloschen sie. Julius sah eine rotglühende Flüssigkeit in den Schächten. Dann leuchtete das Stück wand ganz auf und glitt zur Seite. Laurentine konnte weiter.
Hoffentlich kriegt sie raus, was das schwierige oder gefährliche an der goldenen Nebelwolke um den Pokal ist", meinte Belisama über Laurentine, die nun dem Gemach der Nacht entschwand, um die fünfte Etappe zu bewältigen.
Hubert traf mit seinem silbernen Keiler auf den bewachten Kasten. Der Nachtschatten thronte auf dem Deckel und ließ seinen rechten Arm lang und länger werden, um ihn wie eine Peitschenschnur um Huberts Körper zu schlingen. Doch der Patronus schnappte nach dem sich verdünnenden Arm und biß ihn einfach durch. Rußsschwarze Tropfen sppritzten davon. Der Wachschatten funkelte mit seinen blauen Augen und wand sich wild. Der Keiler schubste ihn auf Huberts Ruf hin vom Kasten herunter und drückte ihn an die Wand. Hubert versuchte, den Kasten zu öffnen. Doch wie bei seinen Mitstreiterinnen gelang dies nicht so einfach.
"Gloria holt die unvollständig abgebrannten Holzspäne heraus", meinte Millie zu Julius. Draußen riefen alle Beauxbatons wieder den Namen ihrer Championette. Die Gäste aus Hogwarts und Greifennest riefen sowas wie "Schiebung!" oder "Betrug!" Erst als Gloria es kapierte, daß die Magnesiumstäbe wohl des Rätsels Lösung waren, porkelte sie alle Holzreste aus den Schächten. Sie griff an einen der Stäbe und zuckte zusammen. Verschreckt hielt sie ihre linke Hand vor das Gesicht. Julius war sich sicher, daß sie sich an den langsam immer heißer werdenden Stäben die Finger verbrannt hatte. Offenbar waren in den Stäben noch genug Freiräume, daß diese mit dem in der Luft schwebenden Wasserdampf reagierten und immer heißer wurden. Vom reinen Magnesiumpulver wußte er, daß es sich an der frischen Luft bis zur Selbstentzündung erhitzte, ähnlich wie weißer Phosphor.
"Hallo, was hat Gloria?" fragte Sandrine, die nun, wo Laurentine die Etappe durch die Dunkelheit überstanden hatte, Glorias Vorankommen verfolgen wollte.
"Das Zeug, was in den Silberstäben ist heißt Magnesium. Es hat die Eigenschaft, mit Wasserdampf oder Wasser langsam zu reagieren. Dabei wird es immer wärmer. In Pulverform geht das sogar so weit, daß es sich selbst entzündet. In den Stäben stecken wohl Hohlräume, in die Luft und damit in der Luft schwebender Wasserdampf hineinkönnen. Das war wohl so eine Art Zählwerk. Wenn die Stäbe schmelzen, bevor sie mit dem Gold in den Schächten sind, bleibt das Tor zu, und der Champion kommt nicht mehr ohne fremde Hilfe raus", vermutete Julius. Natürlich hatten die Organisatoren des Turniers solche Sperrfristen gesetzt, um die Champions nicht tagelang in dem Turm hängen zu lassen. Kam einer nicht mehr durch sein Tor durch, war Sense für ihn. Das galt für das Methanol, das nur mit gebündeltem Sonnenlicht entzündet werden konnte, wohl auch für die Waldlichtung und für das Gemach der Nacht sowieso.
"Sie macht ihre Hand nass!" rief Millie und meinte Gloria. Julius verstand sofort. Wenn Gloria meinte, mit nasser Hand einen heißwerdenden Magnesiumstab anfassen zu können, mochte dessen Erhitzung beschleunigt werden. Doch die Alarmstimmung verflog, als sie sahen, das Gloria sich nur die Brandwunden kühlte, um sie dann mit einem Hautheilungszauber zu verarzten, bevor sie die Stäbe per Zauberkraft in die Schächte fliegen ließ. Sie blickte noch einmal darauf und ging dann einige Schritte zurück. "Nicht zu stark auf die Wand sehen!" warnte Julius. Die anderen hatten aber schon gesehen, wie grell diese Stäbe abbrannten. Es würde nur eine Minute dauern, dann konnte auch Gloria durch das Tor.
Während Hubert sich mit dem gefangenen Nachtschatten herumzankte war Laurentine wohl gerade in einen Herbststurm hineingeraten, der Blätter und Reisig durch die Luft fliegen ließ. Sie war wohl in einem Wald, in dem die Bäume immer kahler wurden. Die Blätter waren rot, braun, goldgelb oder orangerot. Es war wie eine Flut aus diesen Farben. Laurentine legte einen Zauber um sich, der alle bewegte Luft, die auf ihren Körper zuströmte, um sie herumlenkte. Diesen praktischen Windumlenkungszauber hatten sie in den beiden UTZ-Jahren gelernt. Die Flugbesen der Ganymedserie hatten ihn eingebaut, und selbst die geflügelte Kuh Artemis konnte ihn anwenden. Doch was sollte sie in diesem Herbststurm, zu dem nun auch noch Regen kam? Sie versuchte den Meteolohex recanto, der normalerweise magische Unwetter abstellte. Doch es reichte wohl für diese Fläche nicht aus.
"Sie muß nun durch den Sturmwald durch und die Wiege des Sonnensohnes finden", sagte die Heilerin, als sie sah, daß Laurentine schon voll in der nächsten Abteilung war. "Allerdings wird außer dem Sturm noch jemand auf sie lauern, den ich nicht hierhaben wollte, schon gar nicht in dreifacher Ausfertigung."
"Was genau?" wollte Julius wissen.
"Drei Hydren!" seufzte die Heilerin. Julius schluckte. Er hatte wie die anderen, die praktische Magizoologie bis zu den UTZs behalten hatten gelernt, was eine echte Hydra war. Er hatte auch gelernt, daß diese Wesen zäh und vor allem sehr wandlungsfähig sein konnten. Das größte Problem war, daß ihre sieben Köpfe schnell nachwuchsen. Bokanowski hatte damals mit dem Blut einer solchen Monsterschlange mehrere seiner Klone verwandelt, um die Rollen von Zaubereiministern zu spielen, um in seinem Namen die Welt zu erobern. Diese Ungeheuer waren nur noch durch Drachen, Basilisken und Nundus zu übertreffen.
"Seit wann sind die Biester in Beauxbatons?" wollte Millie wissen.
"Seit vorgestern. Aber sie konnten nicht aus dem für sie reservvierten Bereich heraus. Und selbst wenn hätten sie den Strandabschnitt nicht verlassen können.
"gloria ist jetzt auch in ihrem Sturmwald", erwähnte Sandrine.
"Schon nett vom Ministerium, solche gefährlichen Biester hier reinzubringen", knurrte Millie verärgert. Sie blickte auf die drei Wiegen, in denen die drei jüngsten Bewohner Beauxbatons' gerade alles verschliefen, was andere spannend fanden.
"Ich habe die Rückahltevorrichtungen genau untersucht, Millie. Denkst du, ich will, daß diese Bestien sich hier in harmloser Gestalt auf dem Strand herumtreiben, bis genug Schüler da sind, um ihnen zum Opfer zu fallen?" stieß Madame Rossignol aufgebracht aus.
"Und wenn Laurentine oder die beiden anderen gegen diese Biester verlieren und von denen gefressen werden", versetzte Millie. Belisama sah sie sehr verängstigt an.
"Deshalb seid ihr bei mir, um im Notfall in den Raum einzusteigen und Laurentine oder den anderen zu helfen. Wir sind zusammen sechs. Dann noch Professeur Fourmier. Das sollte reichen, mit einer Hydra fertig zu werden. Ich habe darauf bestanden, dem Bewacher der Sektion beispringen zu können. Aber die anderen sollten das nicht wissen, Millie."
"Hoffentlich kriegen wir das Biest klein, bevor es uns zerkleinert", grummelte Millie. Gegen eine Hydra sollte man am besten zu acht kämpfen, sie kurzzeitig betäuben und dann alle ihre Köpfe abschlagen und die Halsstümpfe ausbrennen. Doch wenn galt, keinen lebenden Gegner zu töten, mußten sie das Biest einsperren oder was auch immer.
"Der läßt den Nachtschatten immer kleiner werden", sagte Patrice und meinte Hubert.
"Wenn er ihn unter einem Zehntel seiner vollen Größe reduziert kann er das Tor nicht mehr öffnen. Offenbar spekuliert der Nachtschatten darauf", vermutete Madame Rossignol. Julius verstand. Wenn Hubert alle vier Nachtschatten einfing, sie aber schon zu schwach waren, um die nötige Kraft zu bündeln, ging der Kasten nicht auf. Gleiches galt dann für das Tor.
Gloria hat auch den Windumlenker gezaubert, Leute. Sie sucht mit dem Vivideo-Zauber die Gegend ab", sagte Millie. Julius beobachtete derweil Laurentine, die es versucht hatte, auf dem Besen zu fliegen. Doch der Sturm war zu stark und das von ihm getriebene Laub zu dicht, um gefahrlos fliegen zu können. Das Element Luft hielt Laurentine an den Boden gefesselt.
"Eine Hydra in anderer Gestalt ist durch diesen Zauber nicht als solche zu erkennen", erwiderte Madame Rossignol. Sie selbst wußte nicht, in welcher Erscheinungsform das Schlangenungeheuer im Moment unterwegs war. Sicher war nur, daß es sich in der Nähe des sechsten Tores aufhielt, wie immer es beschaffen war.
Laurentine wechselte die Gestalt und wurde zur Bache. Offenbar hatte sie heimlich geübt, stellte Julius anerkennend fest, als das in diese Gegend gut passende Wald- und Wildtier geduckt unter dem herumwirbelnden Laub dahinrannte. Alle Ausrüstungsstücke, die Laurentine am Körper trug, waren in einem immateriellen Zustand um sie herum verborgen, bis sie von sich aus wieder ihre natürliche Gestalt annahm.
"Also, sollte sie eines Tages ohne Zauberstab diese Gestalt annehmen wird es Zeit für einen Registrierungsantrag", stellte Madame Rossignol fest. Jedenfalls konnte Laurentine nun schneller und gewandter durch den aufgewühlten Wald laufen. Vor allem besaß sie den verstärkten Geruchssinn und das schärfere Gehör der Wildschweine. Vielleicht konnte sie damit die Hydra wittern, bevor diese sich in ihrer Monstergestalt zeigte. Draußen grunzten und quiekten die Hogwartianer und Greifennestler, während die Beauxbatonss wieder "Lau-ren-tine! Lau-ren-tine!" riefen. Dann sangen die Jungen aus Beauxbatons ein Spottlied auf Hubert Rauhfels, der sich von einem kleiner und kleiner werdenden Nachtschatten aufhalten ließ:
"Hubert Hubert großer Meister,
über alle bösen Geister.
Doch der lahmste aller Krieger,
bist und bleibst nur dritter Sieger!"
"Das haben garantiert welche von meinen Jungs gedichtet", schnarrte Patrice, die wohl fest auf Huberts Aktionen guckte.
Draußen brach wohl ein Tumult los, weil die Greifennestler sich das Lied der Beauxbatons nicht gefallen lassen wollten. Julius prüfte schnell, wie groß Huberts gerade bedrängter Nachtschatten war. Knapp die Hälfte seiner Ausgangsgröße. Dann sah er noch, wie einer der übrigen drei sich von hinten anschlich. Wäre Huberts Patronus nicht gewesen, der unvermittelt seinen Beschwörer umgeworfen hätte, um dann auf vierfache Größe anzuwachsen, um ihn von oben und den Seiten zu beschirmen, wäre Hubert wohl in die tödliche Umarmung des heimlichen Angreifers geraten und innerhalb von Sekunden aller Körperwärme und seiner Seele beraubt worden. Der noch fast so groß wie erwartet gestaltete Nachtschatten prallte auf den silbernen Bauch des Keilers und wurde zu einem breiten, tiefschwarzen Fladen plattgedrückt, bevor er zu einer einen Meter großen Kugel wurde und in die Dunkelheit zurückprallte. Der andere Nachtschatten nutzte seine Gelegenheit und warf sich über den zu bewachenden Kasten, hüllte ihn völlig ein. Wollte Hubert jetzt hingreifen, würde er die dunkle Abart des Ektoplasmas berühren. Doch Hubert hielt der gerade zur Kugel gewordenen Schreckgestalt den Zauberstab entgegen und rief etwas aus, was ein brennendes Netz aus dem Zauberstab hinausschleuderte und den zur Kugel geballten Nachtschatten einwickelte. Der lichtundurchlässige Spuk tippte auf den Boden, flog wieder hoch und tippte auf wie ein Gummiball. Das brennende Netz umloderte ihn golden wie das Sonnenlicht. Der Nachtschatten schrumpfte langsam. Dann wandte sich Hubert an den, der den Kasten umschloß und sagte ihm was.
"Wenn der eingewickelte Schatten unter ein zehntel reduziert wird bleibt das Tor für ihn auch zu", sagte die Heilerin, während Julius Gloria zusah, wie sie im Schutz ihres Windumlenkers den Wald durchkämmte, bis sie einen Baumstumpf erreichte und diesem mit dem Ausgrabezauber aus dem Grund herauswühlte. Als der Stumpf umkippte ließ sie ihn noch davonrollen. Der Stumpf hatte einen Schacht verdeckt. Mit entzündetem Zauberstablicht machte sich Gloria an den Abstieg.
Hubert hatte wohl was erfahren, was ihn das lodernde Netz sofort löschen ließ. Der auf die Hälfte seiner dunklen Existenzform reduzierte Nachtschatten tippte noch einmal auf und wollte dann wieder angreifen. Da kamen noch die beiden übrigen Nachtschatten angeflogen und griffen an. Offenbar hatten die untereinander erfahren, daß Hubert sie gut schwächen konnte. Jetzt waren sie wütend.
Laurentine ist schnurstracks zu dem Baumstumpf gelaufen", sagte Sandrine. Julius blickte nun konzentriert auf die Darstellung Laurentines, die mit der Rüsselnase am Boden um den Stamm herumschnüffelte und wohl auch Grunz- oder Quieklaute ausstieß. Dann stieß sie gegen den Stumpf und drückte dagegen. Der Stumpf wackelte. Sie drückte von der anderen Seite. Er wackelte noch mehr. Dann fing Laurentine ganz ohne Zauberkraft an, den Stumpf freizubuddeln.
"Hallo, die hätte sich doch mal eben zurückverwandeln können, um den Stumpf auszugraben, was da immer drunter ist", wunderte sich Belisama.
"Ups, wo ihr es von Wildschweinen habt, Hubert hat sich von seinem Patronus verschlucken lassen. Wie geht denn sowas?" stieß Patrice aus.
"Wenn der Patronus die unmittelbare Todesnähe seines Beschwörers oder eines von diesem bezeichneten Menschen fühlt kann er auf das zehnfache anwachsen und den zu schützenden entweder von oben abschirmen oder ganz in sich aufnehmen. Das zieht aber wieder sehr viel Ausdauer", schnarrte die Heilerin. "Julius sah auf den silbernen Patronus, der gerade mit seinem beschwörer im leuchtenden Bauch davonlief, während die drei Nachtschatten mit aller Kraft dagegen anstürmten, bis sie nur noch halb so groß wie zu Beginn waren. Erst dann ließen sie ab. Der Patronus lief durch die Gänge. Offenbar steuerte er auf etwas zu.
"Hallo, wo will der jetzt hin, und kann Hubert das noch steuern?" wollte Patrice wissen.
"Hubert hat offenbar ohne es wirklich zu wollen einen Weg gefunden, den Schwachpunkt der ihn bestürmenden Angreifer zu finden. Der Patronus läuft zielsicher. Das heißt, er hat etwas gefunden, was die ihn bestürmenden Gegner hält. Und es gibt nur ein Objekt, daß auf diese vier Nachtschattengeprägt ist ..."
Tatsächlich fand der Patronus die Vase und verschluckte sie. Dabei erbebte er. Eine Minute später lief der Silberkeiler zurück zu dem Kasten. Also hatte Hubert noch Gewalt über ihn. Kurz vor dem Kasten spuckte der silberne Keiler seinen Beschwörer wieder aus und schrumpfte auf seine ursprüngliche Größe zusammen, während Hubert triumphierend Lächelnd die schwarze Dunstwolke um den Kasten ansah und ihr was sagte. Dann nahm er die Vase und sang den Zauber, der einen Nachtschatten, auf den die Vase geprägt war, einfing und festhielt. Die Dunstwolke um den Kasten zitterte, blähte sich und zog sich in die Länge, bis sie zu einer gerade mal handballgroßen Kugel zusammenschrumpfte und im Hui in die bereitgehaltene Vase hineingesaugt wurde. Hubert vertat keine weitere Sekunde mehr und rief mit noch kräftiger Stimme nach dem nächsten Nachtschatten. Dieser kam ebenfalls in Kugelform angeflitzt und landete punktgenau in der Vase, die ein wenig ruckelte. Dann rief er Nachtschatten drei und dann noch den vierten Nachtschatten in das vorbereitete Gefängnis und schloß die Vase fest. Da erlosch der Patronus. Sein Beschwörer hatte die Gefahr wortwörtlich gebannt.
Als Julius wieder auf Laurentine sah, warf diese gerade den Baumstumpf um und beschnüffelte das Loch im Boden. Dann verwandelte sie sich in ihre ursprüngliche Gestalt zurück und entzündete den Zauberstab. Sie stieg in den Schacht ein. Sofort griff die Mitverfolgung und zeigte, wo sie landete. Es war ein von den Enden herunterreichender Wurzeln wie mit verzweigten Stalaktiten durchsetzter Gang, der zu einer Türe führte. Diese ließ sich jedoch nicht mit einem Zauberspruch öffnen. Außerdem war dort keine einzige Rune zu lesen. Zu dieser Tür hatte sie keinen Schlüssel. Julius beugte sich vor um zu sehen, wie das Schloß aussah. Es war ein gewöhnliches, großes Schloß. Laurentine hielt den Zauberstab in den Tunnel und rief wohl was. Doch es passierte nichts. Dann wurde sie wieder zur Bache. Es wurde zwar dunkler. Doch für Laurentine zählte wohl jetzt ein anderer Sinn. Unvermittelt hellte sich das Bild auf und zeigte die Bache als hellrote Erscheinung mit einer sie umwabernden dunkelroten Wolke, sowie ihre menschlichen Fußabdrücke violett auf dunkelblauem Untergrund. Julius kannte diese Ansicht. So sah jemand durch eine Wärmesichtbrille. Das war wohl eine Spezialeinrichtung von Florymont Dusoleil. Interessant, wer da alles in dieser Sache mit drinhing.
Mit der Rüsselnase am Boden lief Laurentine zum Einstieg zurück, wobei sie immer von links nach rechts den Boden absuchte, bis sie knapp vor der Sohle des Schachtes verhielt. Sie schnüffelte noch einmal und wühlte dann den Boden auf, bis sie mit der Schnauze was hervorholte. Im Infrarotschein ihres Gesichtes zeichnete sich die dunkle Silhouette eines Schlüssels ab. Die Beauxbatonss klatschten. Dann verwandelte sich Laurentine in sich selbst zurück und nahm den ausgegrabenen Schlüssel auf.
"Die hätte doch den Metallsuchzauber benutzen können", meinte Sandrine verwundert. "Warum diese Verwandlungsaktion."
"Wenn der Schlüssel aus Metall ist, Sandrine. Das Türschloß sah irgendwie merkwürdig aus, wie aus einem anderen Material als aus Eisen, Silber oder Gold."
"Das stimmt, diese Tür ist nicht aus Metall. Sie ist aus rotem, mit Hydrablut vermischtem Ton und von innen mit Bannrunen beschrieben und mit Bannsprüchen gegen Schlangen und den Spiegel der dunklen Gesinnung bezaubert. In Verbindung mit dem Hydrablut wirkt die Tür als undurchbrechbares Bollwerk gegen die Hydra. Wenn Laurentine die Tür öffnet, könnte sie gleich angegriffen werden", sagte die Heilerin.
Doch Laurentine, die zur Tür den passenden Schlüssel gefunden hatte, wurde nicht angegriffen. Sie ließ einen Haufen Erde herbeifliegen und stellte die Tür damit fest. Offenbar wollte sie einen schnellen Rückzugsweg offenhalten. Mit vorauseilenden Flucherkennern suchte sie nach magischen Fallen. Sie fand keine. Dann suchte sie mit dem Vivideo-Zauber den großen Raum ab. Sie entdeckte Asseln, Schaben und Mäuse, die herumwuselten. Dann entzündete sie wieder das Zauberstablicht. Sie war auf der Hut, das sah man ihr an. Womöglich hatte sie in ihrer Tiergestalt was gewittert, was ihr Gefahr verhieß.
Der Raum war nur ein Vorraum. Dahinter ging es in eine Wohnstube. Auch hier wuselten unterirdisch lebende Tiere herum. Regenwürmer, Maulwürfe und Hamster. Laurentine blickte sich genau um, immer bereit, gleich wen attackieren zu müssen. Mit einem Türöffnungszauber ließ Laurentine eine weitere Tür aufschwingen und gab damit den Weg in eine große Küche frei, die jedoch voller Staub und rotem Schimmel war. Morsche Bänke, Regale mit verstaubten Tongefäßen und ein gewaltiger Backofen beherrschten diesen Raum. Laurentine war nicht recht in der Stimmung, jedes einzelne Regal zu untersuchen. Irgendwie spürte sie wohl die Gefahr, die hier lauerte. Doch bisher war von einem gefährlichen Gegner nichts zu sehen gewesen. Aber sehen war nicht alles, wußte nicht nur Laurentine, sondern alle fünf Jahrgangskameraden, die ihr zusahen. Denn Hubert war gerade erst mit seinen Magnesiumstäben zu Gange und wußte wohl nicht, wozu diese gut waren.
Gloria stand nun ebenfalls vor der Tür und untersuchte sie. Dabei nickte sie zweimal. Dann stupste sie die Tür mit dem Zauberstab an und brachte sie zum flimmern. Sie schrak zusammen. Warum, das konnte keiner ihrer Zuschauer erkennen. Doch dann nickte sie der Tür zu und machte denselben Zauber, mit dem sie in der Steinebene die verstreuten Einzelteile des Tores zum Nachtgemach gesucht hatte. Dann wandte sie sich um und lief zum Schachteingang.
Laurentine hatte inzwischen den großen Steinofen begutachtet. Keine Spur von Metall war daran zu entdecken. Sie leuchtete mit maximaler Lichtstärke hinter den Ofen und scheuchte einen Schwarm Kellerasseln, Silberfische und fünf Mäuse auf, die ihr Heil in der Flucht suchten. In dem Ofen selbst war nur ein Trichter aus Glas. Dann fiel Laurentine wohl was über dem Ofen auf. Sie blickte kurz nach oben und vergaß fast, daß sie eigentlich auf der Hut sein wollte. Denn sie sprang kurz in die Höhe. Dann untersuchte sie die Regale und fand mehrere Holzbestecke, die aber schon von der Feuchtigkeit in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Das einzig wertvolle war ein Messer mit einer nicht glänzenden Klinge, als wäre es aus Feuerstein oder Obsidian wie im guten alten Neandertal. Dann wirbelte sie herum und erblickte das siebenfache unheil.
Gloria hatte wohl etwas genauso zielsicheres gezaubert wie Laurentine mit der Nase eines Wildschweins erschnüffelt hatte. So hatte sie die Zeit locker wieder aufgeholt und den Schlüssel ins Schloß gesteckt und umgedreht. Was sie danach tat löste wohl nicht nur bei Julius einen kurzen Schrecken aus. Sie zauberte was daß sie scheinbar in dunklem Feuer brennen ließ. Dann erkannte Julius, daß sie wieder jene Scheinaura dunklen Feuers um sich herumgezaubert hatte. Damit ging sie durch die Tür und durch die Wohnstube in die Küche. Mit weniger Argwohn als Laurentine überprüfte sie den Ofen und die übrige Einrichtung. Sie nahm den Trichter aus dem Ofenund verglich dessen schmales Ende mit der Breite des goldenen Zylinders. Sie nickte, während um sie herum die dunklen Flammen loderten, ohne ihr was zu tun. Jetzt sah Julius einen Hamster, der sich in den Eingang zur Küche setzte und zitternd auf die dunklen Flammen blickte, während die Mäuse, Asseln und Schaben bereits das Weite gesucht hatten. Das kleine Nagetier ruckte mit dem Kopf hin und her. Sein Schwanz erzitterte. Gloria wirbelte den Zauberstab über ihrem Kopf. Da leuchtete der Hamster kurz im violettroten licht. Das Nagetier sprang auf die Hinterpfoten und wuchs unvermittelt an. Es wurde größer und größer und größer. Aus dem einen niedlichen Kopf verzweigten sich links und rechts je drei gefährlich aussehende Schlangenschädel. Dann war die Hydra als solche in ihrer wahren Gestalt hinter Gloria.
Die Hogwarts-Turnierteilnehmerin sprach das Ungeheuer an, das mit den Zungen die Luft durchpeitschte und zitterte. Offenbar mochte es das dunkle Feuer nicht. Dann ließ Gloria aus ihrem Zauberstab acht feurige Peitschenschnüre auf einmal hervorschnellen und machte eine Schnelle Schlagbewegung. Die Flammenschnüre schlangen sich um die sieben Hälse der Hydra, die versuchte, nach hinten zurückzuweichen. Draußen war es totenstill. Offenbar bangten alle darum, daß auch Laurentine gerade das Opfer eines solchen Monstrums werden sollte. Die Hydra kämpfte gegen die ihre Hälse zuschnürenden und wohl auch schmerzhaft brennenden Schnüre an. Sie riß ihre sieben Mäuler auf. Gloria ging wohl von einer Ladung giftigen Speichels aus und warf sich hinter eine Holzbank. Dabei rissen die Feuerschnüre von ihrem Zauberstab. Außerdem berührten die schwarzen Flammen die Bank, ohne sie zu beschädigen. Das merkte auch die Hydra. Sie kam wieder vor und bereitete sich darauf vor, Gloria anzugreifen.
"Laurentine, du bist unbezahlbar!" triumphierte Belisama. Julius sah schnell zu Laurentine hinüber.
Laurentine hatte kurzerhand die Decke über dem Untier niederstürzen lassen und das zusammenbackende Erdreich und Wurzelwerk mit einem Verhärtungszauber erstarren lassen. Die Hydra hing nun unter Tonnen von granithartem Zeug fest. Ihre Zungen peitschten hektisch durch die Luft.
"Jau, die Hydrafalle. Wo die sonst nur mit acht Zauberern angegangen wird", freute sich Julius laut. Millie legte ihm schnell die Hand auf den Mund und zischte: "Nicht so laut, die Kleinen schlafen doch." Julius errötete. Millie mußte grinsen. Draußen tobte der Beifall. Der mochte schon in dem Moment losgegangen sein, als Laurentine die Hydra ausgetrickst hatte.
"Sie kann sich doch wieder verwandeln", bangte Belisama.
"Dazu muß sie erst wieder wen oder was fressen", erinnerte Millie sie an das, was Professeur Fourmier erzählt hatte.
Gloria schwebte in unmittelbarer Gefahr. Die Hydra riß die Holzbank hoch, hinter der sich Gloria in Deckung geworfen hatte. Da begann die Bank sich zu winden und zu formen. Unvermittelt umschlang eine überlebensgroße Boa Constrictor die Hälse der Monsterschlange und schnürte diese ein. Der einzelne Kopf der Schlange verbiß sich in den gemeinsamen Ursprung aller Hälse. Die Hydra, gerade noch sicher, ihre Beute zu kriegen, war offenbar jetzt selbst zur Beute geworden. Mehr noch, eine weitere Holzbank schwebte über sie und wurde unter einem violetten Blitz zu einer zweiten dreimal so groß wie normal gestalteten Boa Constrictor. Diese Schlange umwickelte die äußersten Köpfe und schnürte diese zusammen, wobei sie mit der Kollegin um die Hälse einen Knoten bildete.
"Also, Gloria und Laurentine, ihr werdet Tante Bab's Schwiegertöchter", bemerkte Millie, als sie sah, wie Glorias zwei Schlangen die eine große, eigentlich alle anderen Schlangen übertrumpfende Schlange überwanden. Und um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen machte sie aus einem Regal mit Tontöpfen noch eine riesengroße Riesenschlange und ließ diese genau um die Mäuler der Hydra ihre Windungen schließen, bis diese sich nicht mehr öffnen ließen. Das Ungeheuer bebte und schlug mit Leib und Schwanz um sich. Doch die Wände waren zu hart. Erst als die Hydra in die Decke schlug und Erdreich herabregnete, schien sie Aufwind zu bekommen. Doch da ließ Gloria die Decke einfach granithart werden. Jetzt steckte die Hydra sicher fest. Atmen konnte sie noch. Aber mit dem Fressen war es erst einmal aus.
"Sie benötigt das Holz in der kleinen Wohnung", sagte die Heilerin, als sie die drei ineinander verschlungenen Riesenschlangen an den Hälsen und Köpfen der Hydra sah. Doch Gloria schien nicht daran zu denken, daß sie wohl gerade wichtiges Material verbraucht hatte. Sie besah sich noch mal den Ofen und klatschte in die Hände. Die festsitzende Hydra bebte vor wut. Doch in Tonnen voller steinhartem Material festgebacken und mit drei übergroßen Würgeschlangen um ihre sieben Häupter war sie machtlos. Gloria lief schnell an der gefangenen Hydra vorbei und holte mit Zauberkraft alle Holzmöbel aus dem Wohnzimmer herüber. Sie trocknete die morschen Stühle und den Tisch und fütterte den Ofen damit. Dann zerlegte sie auch das Regal mit dem Besteck und warf dieses und das Holzbesteck in den Ofen hinein. Dann holte sie sogar noch den Baumstumpf in verkleinerter Form herein und ließ ihn erst wieder normalgroß werden und dann zundertrocken werden. Dann untersuchte sie noch einmal das nichtmetallische Messer. Sie nickte, nahm den Trichter, setzte ihn in den aufgeklappten Goldzylinder und schnitt sich eine kreuzförmige Wunde in den linken arm, wobei sie fast die Pulsadern durchtrennte. Draußen ebbte der Beifall für die beiden Mädchen ab. Offenbar hatte Glorias Tat sie alle gerade geschockt. Die blondgelockte Hexe, die Julius schon bei seiner ersten Fahrt im Hogwarts-Express als selbstbeherrscht und alles überblickend erlebt hatte, ließ ihr Blut in den Zylinder tropfen, immer mehr. Dabei sprach sie wohl eine Art Mantra, vielleicht sogar eine rituelle Beschwörung aus der Voodoo-Magie. Sie ließ ihr Blut immer mehr in den Zylinder tropfen. Erst nach zwei Minuten Aderlaß hörte sie auf. Mit einem gekonnten Heilzauber ließ sie die tiefe Wunde narbenlos verheilen. Dann schloß sie den Zylinder wieder und setzte ihn in den Ofen hinein. Sie zielte mit dem Zauberstab auf die obersten Holzstücke und hielt ihn ruhig. Drei kleine Flammen glommen auf, wuchsen an und nagten an dem Holz. Gloria hob die Abdeckplatte vor den Ofen und schob die Riegel aus Keramik davor. Dann besah sie sich noch einmal die Hydra, die immer noch gegen die sie bändigenden Schlangen und das sie unnachgiebig fest am Hinterende einzwengende Gestein ankämpfte.
Laurentine brauchte etwas länger, bis sie begriff, daß sie ihr Blut in den Zylinder zu träufeln hatte. Zumindest konnte sie das Holz aus der Küche verwenden.
Hubert war gerade im Sturmwald unterwegs, auf der Suche nach seinem Ziel und seiner Prüfung. Er verirrte sich jedoch offenbar. Er fand den Baumstumpf nicht so zielstrebig wie Laurentine oder Gloria.
Laurentines Ofen glühte auf, wurde immer heißer, wie es aussah. Die Hitze trieb Laurentine zurück. Dann sah sie, wie der Ofen sich in die Wand hineinschob.
Glorias Ofen glühte bereits weiß und glitt in die Wand zurück. Statt seiner erstrahlte nun ein weißer Torbogen. Julius las die Runen: "Hast du dem Tod getrotzt und doch was von deinem Leben dem Gefäß der Sonnentränen anvertraut und es dem Feuer einverleibt, dies Tor nicht mehr verschlossen bleibt."
"Oha, hoffentlich hat Hubert auch einen Geistesblitz, um die Hydra zu fangen."
"Dann legt Tante Babs Einspruch gegen Astrids Besenwerbung ein, weil sie keine französische Hexe ist", sagte Millie. "Dann können sich Callie und Pennie drum zanken, wer ihn heiraten darf."
"Nichts für ungut, Millie, aber ich glaube, deine Tante hat damit gerechnet, daß es Möglichkeiten gibt, eine Hydra als Einzelperson kampfunfähig zu machen", würgte Madame Rossignol Millies Schwärmerei ab. "Denn sie persönlich hat mir fünf Wege aufgezählt, wie eine Hydra zu fangen ist, ohne sie zu töten. die Voraussetzung ist, daß die Hydra sich nicht weit genug zur Seite oder nach oben bewegen kann, also am Besten nicht unter freiem Himmel bekämpft wird. Mit Riesenschlangen hat sie zwar nicht gerechnet, aber mit eisüberzogenen Ketten, die die Temperatur herunterkühlen, mit herabstürzendem Gestein, das verbacken wird, damit, daß man sie in eisigen Nebel hüllt, der sie für eine halbe Stunde kampfunfähig macht, einem Ring aus grünem Feuer oder, jetzt kommt's, durch den Anblick ihres eigenen Spiegelbildes. Sie erstarrt dann, weil sie eine ebenbürtige Konkurrentin zu sehen vermeint. Hydren meiden den Kampf gegeneinander, weil sie eben zu schnell regenerieren und somit ewig kämpfen können. Deshalb paaren sich Hydren auch nur alle einundzwanzig Jahre."
"Och nöh!" grummelte Millie.
"Ist wie bei den magielosen Zaubertricksern, Millie: Wenn man weiß, wie es gemacht wird, ist es nur noch halb so spannend oder genial", mußte Julius dazu einwerfen.
"Dann eben nicht, grinste Millie. Julius flüsterte ihr zu: "Hättest Gloria und Laurentine gerne als Cousinen gehabt. Aber die beiden Jungs sind noch viel zu klein zum heiraten."
Hubert, wo willst du denn hin", schnaubte Patrice, die sich offenbar voll auf Hubert eingeschossen hatte. Ob Julius es vielleicht doch Kevin sagen sollte? Aber womöglich lag es daran, daß Patrice gerne einen Jungen Zauberer mit dem Pokal sehen wollte. Das durfte dann aber keiner von Laurentines jubelnden Anhängern erfahren.
Ich werde froh sein, wenn Hubert auch an der Hydra vorbei ist", gestand Madame Rossignol. Dann deutete sie auf die Ansicht von Laurentine und Gloria. Die beiden lagen wieder gleich auf, weil Gloria schneller durch den Sturmwald zu dem Baumstumpf gefunden und sich beim Untersuchen der kleinen Wohnung erheblich weniger Zeit gelassen hatte. Sie stapften durch eine Schneelandschaft bei Nacht.
"Das ist die Winterstadt. Hier haben sie es mit Trollen und drei Yetis zu tun. Im Vergleich zur Hydra wirklich leichter zu schaffen", sagte die Heilerin.
"Ist der Befehl, der die Nacht vertreibt, ein Passwort oder was?" wollte Julius wissen.
"Ja. Aber es muß zusammengesetzt werden. Jeder Gegner hält einen Teil des Wortes in Rätselform. Jeder hat dasselbe Rätsel. Wenn er oder sie alle Teile zusammengesetzt hat und das Rätsel an der Säule der Worte gelöst hat, kann sie oder er durch das siebte Tor. Danach wird es ein Suchen und Finden von Gegenständen, die den letzten Schlüssel bilden. Dabei müssen sie dann durch Zauberfallen und Illusionen hindurch", verriet die Heilerin noch.
Hubert hatte sich endlich eine Windumlenkung gezaubert und markierte nun jeden zwanzigsten Baum mit einem glutroten Zeichen aus dem Zauberstab. Dann kam auch er an den Baumstumpf und grub ihn aus. Sich nicht ganz so sicher, ob dort unten nicht schon etwas böses lauerte, jagte er erst Flucherkenner in die Tiefe. Dann ließ er sich einfach die zwanzig Meter in die Tiefe absinken und untersuchte den Boden Zentimeter für Zentimeter. Dabei fand er den Schlüssel und nahm ihn mit. Er prüfte auf Lebewesen und stutzte. Dann stand er vor der Tür und sprach einen Zauber darauf, der ihn wie Gloria zusammenfahren ließ. Doch dann grinste er überlegen. Er schloß die Tür auf und gelangte in das Wohnzimmer. Er nahm sich keine Zeit, auf mögliche Angreifer zu achten, sondern nahm einen der Holzstühle und vollführte an ihm einen Verwandlungszauber. Danach hielt er einen übergroßen Rasierspiegel in seiner linken hand. Damit war für Julius klar, daß Hubert wußte, mit was er es zu tun bekam und wie er damit fertigwerden mußte. Er hielt den Spiegel in jede ecke. Dann ging er in die Küche und untersuchte den Ofen, wobei er ein violettes Flimmerlicht erzeugte. Als dann eine kleine Maus unvermittelt zu wachsen begann, wirbelte er herum, tipte den Rasierspiegel an und ließ diesen noch größer werden. Dann rammte er ihn vor den erstarrten Köpfen der Hydra in den Boden und ließ die Spiegelfläche noch größer werden. Die Hydra erstarrte. "Ooooooooh!" ging es durchs Publikum, und die Hu-hu-hu-bert-Sprechchöre setzten wieder ein.
"Ja, seine Großtante kennt sich mit den gefährlichsten Kreaturen aus und gibt ihr Wissen sorgsam weiter", stellte Julius anerkennend fest. Denn wie man eine Hydra fing hatte Professeur Fourmier ihnen nicht erzählt. Womöglich hielt sie das für eine Art Betriebsgeheimnis des Tierwesenbüros.
"Jetzt verstehe ich, was Tante Babs gemeint hat, als sie mich gefragt hat, ob ich auch alles über Hydren gelernt habe", knurrte Millie. Julius war jedoch schon wieder mit den Augen bei Gloria, die dem Bergtroll einfach die Keule aus der Hand expelliarmierte und diese dann mit wucht auf den Schädel des Trolls niedersausen ließ. Das brachte die Hogwarts-Schüler darauf, ein Loblied auf Harry Potter und Ron Weasley zu singen. Ja, stimmt, die hatten in der ersten Klasse auch einen Bergtroll K.O. gehauen, mit dessen eigener Keule.
Laurentine mußte feststellen, daß ein Yeti ein flinker gegner war und sie fast erwischte. Da ließ sie ihn stolpern und machte aus herumliegendem Schnee einen kopfgroßen Eisball, den sie dem himalayanischen Verwandten der Großfüße voll auf die Nase fliegen ließ. Dann schaffte sie es, ihm die Keule aus der Hand zu zaubern. Sie wickelte den Yeti in Ketten aus dem Zauberstab und suchte die Gegend ab. Als sie mit einem flachen Stück Dauereis in der Hand aus dem igluartigen Bau des Yetis kam grinste sie.
Hubert war gerade dabei, seine Blutspende für den Zylinder zu liefern.
Laurentine flog zur gleichen Zeit auf dem Besen über die Eislandschaft und suchte nach weiteren Höhlen. Dabei traf sie auf riesige weiße Vögel, die sie fast vom Besen warfen. In den Höhlen selbst mußte sie einem Troll, der sie mit einem Eiszapfenspeer erstechen wollte, eine steinerne Faust aus ihrem Zauberstab auf die Nase dreschen und den Speer zerbersten lassen, bevor sie den angezählten Troll in Ketten legte.
Während Hubert in seine Eislandsimulation hinüberwechselte hatten Gloria und Laurentine die drei Yetis und sieben Trolle erledigt. Zehn Puzzelteile hatten sie nun. Als diese zusammengesetzt waren mußten sie die Säule der Worte suchen. Laurentine war schneller dort, weil sie ihre Schuhe in Schneeschuhe umgewandelt hatte und somit rasch voranglitt. Dann stand eine gewaltige Eissäule vor ihr. Sie überlegte, wie das Rätsel und damit das Passwort lautete. Julius fragte Madame Rossignol. Die hatte wohl damit gerechnet und gab ihm und den anderen einen Zettel mit dem Rätseltext.
Die Säule der Worte,
an Mitternachts Orte, nur dort steht dein nächstes Tor.
Doch nur mit dem Schlüssel,
nicht Stab oder Schüssel,
hebst du es zum Durchgang empor.
Ein Wort mußt du sprechen,
um Riegel zu brechen.
Dann kannst du den Weg weitergeh'n.
Doch sollst du gewiß sein,
es darf nur dies Wort sein.
sonst bleibst du auf dieser Seit' steh'n.Es ist ein Zauber voller Kraft,
der Menschen Leid und Freude schafft.
Die Macht kennt jedes Menschenkind,
der keiner auf der Welt entrinnt.
Doch ist der Frieden stets bereit,
wo jeder sich der Kraft erfreut.
Kein Auge kann die Kraft entdecken,
und doch kann sie viel Licht erwecken.
Malt Bilder ohne Pinselstrich,
sobald sie füllt die Luft um dich.
Kann Angst und Schrecken dir vertreiben
und dich gefräßig einverleiben.
Spinnt feste Netze vielerlei,
doch wen sie anrührt, der wird frei.
Der Liebe ist sie wohl verwandt,
doch auch dem hassenden bekannt.
So sag', wie heißt die Zaubermacht?
Ihr Wort hilft dir aus dieser Nacht.
"Ich will nicht überheblich rüberkommen", setzte Julius an, "aber ist das Rätsel nicht ein wenig zu einfach?"
"Wieso?" fragte Patrice, die gerade sah, wie Hubert sich mit einem Bergtroll einen heftigen Kampf lieferte, weil der Entwaffnungszauber nicht die Keule, sondern die breite Brust des gigantischen Zauberwesens getroffen hatte.
"Ich meine nur, schön farbig ausgeschmückt und paßt alles auf einen einzigen Begriff, auch wenn es Leute gibt, die meinen, damit echt nichts anfangen zu können", sagte Julius. Millie las noch mal den Rätseltext, während Laurentine sich vor einer hohen Eissäule hinstellte und überlegte, um dann der Säule zugewandt ein Wort zu rufen. Die Säule erglühte. Das Licht breitete sich um Laurentine aus. Vor ihr wuchs ein silbernes Tor aus dem Boden. Ja, es hob sich empor, wie der Rätselreim es verkündet hatte. Gloria überlegte noch, während Laurentine bereits durch das Tor zur letzten Etappe vor dem Endspurt aufbrach.
"Das ist garantiert auf Madame Faucons Drachendung gewachsen", sagte Millie lächelnd. "Stimmt, Julius, die Lösung ist eigentlich einfach. Man darf sich nur nicht von den ganzen Gegensätzen ablenken lassen. Und die da draußen wenden diesen Zauber ja auch schon wieder an." Mit "die da draußen" meinte sie die Beauxbatonss, die gerade ein fröhliches Lied sangen, in dem sie Laurentine den Pokal wünschten.
"Häh?!" machte Patrice. Doch dann schlug sie sich vor den Kopf. Sandrine grinste nun, und Belisama schlug die Hände zusammen und meinte: "Stimmt, ist als Rätsel schön, aber auch eine einfache Lösung. Da sollte man mal drauf kommen, daß das das Wort sein soll, das die Nacht vertreibt. Ich hätte sowas wie Morgenrot oder Sonnenaufgang erwartet."
"Oder: "Es werde Licht!", setzte Julius einen drauf.
"Ein Wort, Lümmel", erinnerte Madame Rossignol den einzigen Zauberer in diesem Zelt daran, daß es nur um ein Wort gegangen war.
Hubert schaffte es gerade, den Troll, der ihn fast den rechten Arm gebrochen hätte, mit einem Petripugnus-Zauber voll in den Magen zurückzutreiben und ihn dann doch mit der eigenen Keule ins Land der Träume schlagen ließ.
Gloria stand noch vor der Säule. Ein Versuch nur, sonst blieb das Tor zu, hieß es ja. Dann schlug sie sich mit der Flachen Hand vor die Stirn und knirschte mit den Zähnen. Beinahe hätte sie wohl was lautes gerufen. Doch das wäre dann genau das falsche Wort gewesen. Sie entspannte sich. Dann blickte sie die Säule mit den Runen an und rief das Wort, von dem sie sicher war, daß es das und nichts anderes sein konnte. Tatsächlich reagierte die Säule wie bei Laurentine. Sie zerfloß zu licht und machte einem nach oben gleitenden Torbogen Platz. Gloria hüllte sich in einen Zauber gegen stationäre Flüche und durchsprang das Tor.
Die letzte Etappe war, wie es Madame Rossignol gesagt hatte. Beinahe auf jedem zehnten Meter gab es einen stationären Fluch, ein magisches Fangnetz oder eine getarnte Falltür. Mal schrak Laurentine, mal Gloria zurück, weil sie was sahen, was die Zuschauer nicht sahen. Im Wesentlichen ging es darum, den Schein zu durchschauen und den Zauberfallen zu entgehen, in denen aber auch viele kleine glitzernde Dinge lagen. Knapp dreißig Minuten mühten sich Laurentine und Gloria ab, ihre Einzelteile zusammenzusuchen und alle eingerichteten Zauberfallen zu entschärfen. Beinahe wäre Laurentine durch einen Anwachsfluch fest auf dem Boden verwurzelt worden. Einmal konnte Hubert einem aus einem unscheinbaren kleinen Blütenkelch entfahrenden Feuerball nur entgehen, weil er zur Abwehr von Feuerfallen einen Aura-Sanignis-Zauber gewirkt hatte. Gloria hätte wohl gerne ihre Reinigungsfeuerwalze losrollen lassen. Doch die Erfahrung nach der Lichtung mit Schrumpfzwang hatten sie gelehrt, nicht sofort mit Brachialmagie draufzuhalten. Am Ende waren die gesuchten Gegenstände noch die verfluchten und gingen kaputt.
Jedenfalls holte sie einen guten Vorsprung vor Hubert und Laurentine heraus. Daß sie zwischendurch mal wieder Besenfliegen mußte, weil vier der gesuchten Gegenstände weit über ihr flogen und wie Schnatze ihre Richtung veränderten, empfand sie dem Gesicht nach als nicht so spaßig. Am Ende setzten sie fünfzig Teile zusammen, die einen bunten Schlüssel ergaben. Gloria fand als erste das dazugehörende Schloß. Sie öffnete das Tor: "Viel fehlt dir nicht mehr zum Ziel. Doch aus Schritten können Meilen werden wenn du den richtigen Weg nicht gehen kannst", las Julius über dem Tor. .
Laurentine tat sich etwas schwer als Sonntagssucherin. Doch auch sie bekam ihre fünfzig Einzelteile zusammen. Die Hogwartianer johlten schon, daß Gloria den Pokal holen würde. Hubert stand derweil vor der Säule der Worte und überlegte, bis er ein Wort rief, und er in die nächste Abteilung gelangte. Julius fragte sich, ob Hubert noch eine Chance hatte, in die Nähe des Pokals zu kommen.
Während dessen schaffte es auch Laurentine, nach draußen auf die letzten Stufen zu kommen. Doch es war nicht so einfach, wie sie gedacht hatte. Kaum war sie draußen, flog ihr der besen aus der Hand und verschwand in einem blauen Licht. Das war auch Gloria passiert. Offenbar waren die Besen nur geliehen, um sich durch die Abteilungen zu spielen. Doch das war Laurentine jetzt auch egal. Sie rannte um den Turm herum, bis sie die für sie ersteigbaren Treppen fand, immer um den Turm bis zur nächsten Treppe.
Gloria war inzwischen schon auf dem Plateau und sondierte den goldenen Nebel. Sie konnte jedoch keine ihr bekannte Magie ausloten. Irgendwie wagte sie nicht, ihre violette Feuerwalze einzusetzen. Laurentine holte auf und lief an Gloria vorbei. Sie deutete auf den Nebel und wirkte ihrerseits einen Spürzauber. Doch auch sie fand nichts heraus, wie sie die goldene Wolke lichten konnte. Und in eine ihr unbekannte Nebelwolke einzudringen, das ließ sie schön bleiben. Sie ging einmal um die Wolke herum. Dann erkannte sie die goldenen Ausläufer des Nebels und sprang zurück, ehe diese sie trafen.
Wie Katzen um die heiße Milch umschlichen die beiden jungen Hexen die goldene Wolke, die den Anschein machte, jeden ihrer Schritte zu verfolgen. So kam es, daß Hubert es noch schaffte, das Freie zu erreichen und mit schnellen Schritten auf den Nebel zulief. Er zauberte wohl einen Spürzauber, der jedoch knisternd von der goldenen Wolke abgewiesen wurde. Dann wagte er es, direkt auf die Wolke loszustürmen. Alle Zuschauer hielten den Atem an. Hubert berührte den Nebel und prallte wie gegen eine Harte Mauer gerannt zurück. Verbrannt hatte er sich nicht und zu Stein geworden war er auch nicht. Die Zuschauer murmelten wieder. Julius wollte hinaus, das Ende dieser Runde wie alle anderen sehen, nicht wie im Kino. Madame Rossignol stimmte dem Zu, zumal sie Hubert gleich nach der Runde einkassieren wollte. Auch wollte sie sich ansehen, ob die beiden Hexen ihre Schnittverletzungen wirklich rückstandslos hatten verheilen lassen.
Die Pflegehelfer traten aus dem Zelt hinaus. Die Zuschauer sahen sie und klatschten kurz Beifall. Dann richtete sich alle Aufmerksamkeit wieder auf die drei Champions. Gloria stand vor der goldenen Wolke und überlegte wohl, welche Art Verhüllungszauber diese wohl darstellte. Laurentine führte aus verschiedenen Richtungen Spürzauber aus, die sie gelernt hatte. Doch keiner zeigte ihr wohl die Beschaffenheit dieses Nebels an. Noch einmal versuchte es Hubert. Doch diesmal rannte er nicht, sondern ging gemächlich auf den Nebel zu. Doch als er mit dem Brustkorb hineinstieß ging es nicht weiter. Er stemmte sich gegen den goldenen Nebel. Julius lief so, daß er Laurentine und Gloria sehen konnte. Hubert kam nicht durch den Nebel. Gloria Versuchte es anders. Sie zog einen ihrer Schuhe aus und warf ihn mit Muskelkraft in die Nebelwand. Doch der Schuh prallte zurück. Also war es kein auf magische Menschen allein abweisend wirkender Nebel. Mit einem Aufrufezauber holte sie sich ihren Schuh zurück und zog ihn an. Stilvoll auftreten war alles.
Hubert schien wohl gerade einen Einfall zu haben, wie er die Wolke austricksen konnte. Nicht frontal dagegenlaufen, sondern sich spiralförmig hineinschmuggeln, das dachte er, war die richtige Lösung. Doch als er gerade soeben mit dem Linken Arm den Nebel berührte, wurde dieser ihm an den Körper gedrückt wie von einer harten Wand. Er versuchte es in der anderen Laufrichtung, sich spiralförmig in die Wolke hineinzubewegen. Immerhin handelte es sich nicht um ein lebendes Wesen, erkannte Julius.
Gloria versuchte noch einen Aufspürzauber. Die Wolke färbte sich kurz rot, um dann den dreifachen Durchmesser zu erreichen. Dabei warf sie Gloria, Laurentine und Hubert um. Dann zog sie sich wieder zusammen und strahlte in ihrem goldenen Licht. Julius hätte jetzt zu gerne gewußt, was Gloria gezaubert hatte. Hubert rappelte sich auf und trat einige Schritte zurück. Er zielte die Wolke an. Wollte der jetzt den Todesfluch versuchen? Nein, er rief einen blauen Lichtstrahl auf, der auf den goldenen Nebel prallte. In dieser Sekunde hätte man in diesem provisorischen Stadion eine Stecknadel fallen hören können. Die Wolke färbte sich kurz grün, dann dunkelblau, um dann wieder golden zu erstrahlen. Doch im nächsten Moment schnellte eine goldene Sphäre heraus, die an einem wild zitternden dünnen Faden zu hängen schien und landete zielgenau auf Huberts Zauberstab. Mit einem Schlag wurde Hubert Rauhfels in die Höhe gerissenund in die goldene Spähre eingeschlossen, die dann wie eine Billardkugel zum Plateaurand kullerte und alle vierundsechzig Stufen hinunterfiel. Die Greifennest-Schüler buhten, während die goldene Sphäre Hubert auf den Teppich um den Achteckturm absetzte und ihn freigab. Er sprang sofort auf und rannte zur ersten Stufe. Doch da prallte er gegen ein unsichtbares Hindernis. Er versuchte es noch mal. Doch er kam nicht näher als einen Schritt an die Stufe heran. Die Greifennestler buhten. Dann meldete sich Monsieur Chaudchamp von der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit.
"Der Nebel ist der letzte Test, ob die Champions sich nur auf ihre Magie oder auch auf ihre Auffassungsgabe verlassen. Monsieur Rauhfels hat durch Verwendung eines gegen dunkelmagische Kräfte gerichteten Zaubers eine Abstoßungssphäre ausgelöst. Diese hat ihn zu weit vom Turm entfernt, als daß er noch einmal durch die Barriere gehen kann. Er ist damit im Rennen um den Pokal ausgeschieden, so lauten die Regeln."
"Schiebung, alles nur Schiebung!" brüllte einer von Huberts Schulkameraden. "Das ganze Turnier war ein großer Schmäh!" Brüllte Joseph Rosshufler heraus. "Die wollen keinen Greifennest-Gewinner, Leute. Die wollten nur Hogwarts oder Beaux. Wir waren nur depperte Lückenbüßer. Das hat ein Nachspiel."
"Ja, Beperl, das ist voll richtig!" rief jetzt Joseph Maininger. Bärbel Weizengold rief: "Was ist denn das für ein Nebel, der keinen reinläßt, ey?!"
"Wird zur richtigen Zeit erklärt", erwiderte Monsieur Chaudchamp.
In Julius' Kopf klingelte etwas, als der trimagische Richter etwas von richtiger Zeit gesagt hatte. Was, wenn dieser Nebel kein rein räumliches, sondern ein zeitliches Hindernis war. Offenbar hatte auch bei Laurentine irgendwo was geklingelt. Denn sie wirkte auf einmal sehr zielsicher. Sie ging langsam auf den Nebel zu. Während die Greifennestler noch ihren Unmut über das Ausscheiden ihres Champions hinausbrüllten, stand Laurentine keinen halben Schritt mehr vor dem goldenen Nebel. Gloria stand noch etwa zehn Schritte von ihr entfernt. Zum Pokal hin waren es eigentlich nur wenige Meter. Doch aus Schritten konnten ja Meilen werden, wenn der Prüfling nicht die richtigen Schritte gehen konnte. Dieser Satz kam Julius wieder ins Bewußtsein. Laurentine hatte ihn offenbar schon die ganze Zeit überdacht. Denn nun machte sie etwas, womit von den Zuschauern keiner gerechnet hatte. Sie drehte sich auf dem Absatz um und setzte ihr linkes bein nach hinten. Ihr linker Fuß drang mit der Ferse zuerst in den Nebel ein und glitt ohne Widerstand hinein. Die linke Wade folgte und dann die Kniekehle. Dann stand das linke Bein ganz im Nebel. Laurentine schritt nun, mit dem gesicht nach vorne blickend, mit dem rechten Bein in den Nebel. Jetzt drang auch ihr Körper in die goldene Dunstwolke ein. Ja, sie konnte in den glänzenden Nebel hineingehen. Wieder kehrte Totenstille ein. Denn jetzt erkannte auch gloria, was die Lösung sein mochte. Sie lief zunächst vorwärts los. Laurentine merkte, daß sie nicht mehr langsam gehen durfte und lief immer schneller rückwärts. Dabei streckte sie behutsam ihre Hände nach hinten. Sie wußte nicht, ob sie den richtigen Weg ging. Doch den Kopf zu drehen traute sie sich nicht. Gloria warf sich herum unnd sprang mit dem Gesäß zuerst in den Nebel hinein. Laurentine lief so schnell sie rückwärts laufen konnte durch die Nebelwolke. Keiner in den Zuschauerrängen sagte was. Gloria sprang weiter. Doch sie stolperte, fiel auf ihr Hinterteil und stemmte sich hoch. Beinahe wäre sie wieder vorwärtsgelaufen. Doch gerade so blieb sie im Rückwärtsgang und machte nun weite, aber beherrschbare Schritte. Noch trennten sie fünf Schritte von Laurentine, dann nur noch vier. In dem Tempo würde Gloria Laurentine überholen. Nur noch drei Schritte. Laurentine konnte nicht schneller laufen. Glorias Beine waren länger als ihre. Sie hatte nun den Vorsprung auf nur noch zwei Schritte verkürzt. Julius sah, wie die beiden Mädchen sich stumm anstachelten. Würde Gloria Laurentine aus dem Weg drücken, um den Pokal zu erwischen? Dann war Gloria auf einen Schritt an Laurentine heran. Sie ließ die Hände nach hinten schnellen .. und griff vorbei. Im selben Augenblick berührte Laurentine mit ihrer rechten Hand einen metallenen Henkel und klammerte sich reflexartig fest. sonnenhelles Licht flammte auf. Der Nebel verschwand mit einem Mal. Jetzt stand Laurentine frei zu sehen da, die rechte Hand nach hinten an den Pokal geführt. Gloria sah noch, wie es unter ihren Füßen golden glänzte. Dann drückte sie eine unsichtbare Macht sanft aber beharrlich zur Seite. Laurentine wollte loslassen. Sie hatte den Pokal ja angefaßt. Doch etwas hielt ihre Finger fest um das Metall des Henkels geschlossen. Dann meinte sie, auf einer Plattform aus Licht nach oben zu steigen. Ja! Der Pokal erhob sich auf einer goldenen Plattform und nahm Laurentine mit. Kerzengerade stieg die Trophäe mit ihrer Gewinnerin zehn Meter nach oben, verharrte dort eine Sekunde und glitt dann in einer sanft abschüssigen Bahn über das Plateau hinaus und über die Stufen hinunter bis zum Boden. Laurentine stand erstarrtt auf der Plattform. Sie wußte im Moment nicht, wie ihr geschah. Villeicht war das ja für sie wie ein Traum. Gloria sah ihr mit großer Enttäuschung hinterher. Sie war eine Sekunde zu spät losgelaufen. das mochte sie wohl denken, vermutete Julius, der den Vorgang aus der Warte des Unbeteiligten mit ansah. Laurentine sank mit dem Pokal auf der Plattform herab. Erst als sie Bodenkontakt bekam und ihre Hand sich löste, erkannten die Beauxbatons-Schüler, daß ihr Champion das trimagische Turnier gewonnen hatte. Aus der angespannten Stille heraus explodierte der unbändige Jubel wie ein Bombeneinschlag in ein Museum. Jubelschreie, Händeklatschen, Stampfen, alles erschütterte die Trommelfelle der Zuschauer. Laurentine erkannte jetzt wohl an den Ohrenschmerzen, daß sie wach war und das um sie herum kein Traum sein konnte. Sie drehte sich um und blickte das Objekt an, um das sie mit Gloria und Hubert fast ein Jahr gewetteifert hatte. Sie hatte den Pokal zuerst berührt. Sie hatte damit alle hundert Punkte dieser Runde und damit das Turnier im ganzen gewonnen.
Die Greifennestler riefen etwas. Doch es ging im Jubelorkan der Beauxbatonss gnadenlos unter. Julius sah zu Kevin und den anderen Hogwarts-Schülern. Pina tupfte sich Tränen von den Augen, Lea starrte auf die trimagischen Richter, Kevin und William Deering schimpften wie die Rohrspatzen. Doch auch diese Unmutsäußerungen wurden von der Welle aus Lärm und Glückseligkeit gnadenlos überflutet.
"Hubert ist kaputt. Der liegt am Boden und weiß nicht, ob er weinen soll oder in den Boden beißen", sagte Patrice Duisenberg. Millie sah Gloria. Sie stand noch ganz oben auf dem Plateau. Sie hatte es begriffen, daß Hogwarts den Titel nicht verteidigt hatte. Doch sie hatte eine faire Chance gehabt, den Pokal zu ergreifen. Sie war enttäuscht. Doch sie wurde darüber nicht wütend. Julius beschloß, ihr zumindest für das großartige Turnier und die gezeigten Zauber zu gratulieren. Doch zunächst sprach der Leiter für internationale magische Zusammenarbeit.
"Messieursdames, Ladies and Gentlemen, Damen und Herren, auch wenn viele von Ihnen jetzt der Meinung sind, wir hätten gezielt auf den Turniergewinn von Mademoiselle Hellersdorf hingewirkt, so möchte ich Ihnen allen versichern, daß uns nicht daran gelegen war, eine bestimmte Person zu bevorzugen. Jeder Champion hatte die gleichen Möglichkeiten, den Pokal zu erreichen. Wer die Runde verfolgt hat kann und muß bestätigen, daß die Champions dieselben Schwierigkeiten und dieselben Gefahren zu meistern hatten."
"Alles Lüge! Voll die Verarsche!" brüllte Joseph Rosshufler. Darauf ergriff die Gräfin Greifennest das Wort.
"Derartige Wortuntaten gestatte ich nicht, Herr Rosshufler. Wenn Sie nicht wollen, daß ich alle Ihre UTZ-Prüfungen für unzulässig erklären lasse, weil Sie sich höchst unreif und unsportlich erwiesen haben, nehmenSie die unerträglichen Anschuldigungen gegen unsere Gastgeber zurück! Das gilt auch für alle anderen aus meiner Schule, die ich beim Brüllen unzulässiger Wörter erkannt habe."
"Die haben uns doch voll verladen", blieb Joseph Rosshufler hartnäckig. "Ich sag das meinem Vater. Der macht euch allen Drachenfeuer unterm Kessel."
"Nur, wenn er einen unnötigen Streit vom Zaun brechen will", konterte die Gräfin unnachgiebig. "Meine Ankündigung ist gültig, die Herrschaften aus Greifennest. Wer nicht sofort alle Unverschämtheiten und unzutreffenden Anschuldigungen zurücknimmt, darf das ganze Jahr noch einmal wiederholen, falls ich nicht befinde, daß er oder sie wegen unverbesserlicher Infantilität keine UTZ-Grade verdient hat." Jetzt kehrte Ruhe ein. Die Hogwarts-Schüler protestierten zwar noch, aber leise. Professor McGonagall tupfte sich noch Tränen mit einem großen rosaroten Taschentuch aus dem Gesicht. Dann straffte sie sich jedoch und nickte Madame Faucon zu, die gerade von Monsieur Chaudchamp beglückwünscht wurde. Dann wandte sich noch Hippolyte Latierre an die Schulleiterin von Beauxbatons. Danach erhob sie sich und schritt zusammen mit den vier anderen trimagischen Richtern die Zuschauerränge hinunter.
"Wir haben den Pokal", jubelte Millie und fiel Julius um den Hals. Sie küßte ihn leidenschaftlich. Er drückte sie an sich. sie freuten sich. Dann fand Julius, daß er Gloria trösten und dann Laurentine Beglückwünschen wollte. Millie nickte.
Madame Rossignol war inzwischen Bei Hubert, der das Gesicht nach unten lag und den Teppich mit seinen Tränen tränkte. Der ganze Druck des verlaufenen Jahres hatte sich nun endgültig Bahn gebrochen. Er hatte seine Schule, seine Verwandten und Freunde enttäuscht. Er hatte es nicht geschafft. Die Heilerin sprach ruhig aber bestimmt auf ihn ein und zog ihn auf seine Beine. Sie führte ihn wie ein verschrecktesPferd davon. Er wagte es nicht, zu seinen Leuten hinaufzusehen.
"Zu sagen, daß es mir leid tut, daß du verloren hast klingt wohl gerade wie Heuchelei für dich, Gloria. Aber ich bin froh, daß du soweit gekommen bist. Die anderen durften den Pokal nur aus hundert Metern Entfernung sehen. Du hast dich sehr gut durchgesetzt. Eine Sekunde früher, dann hättest du den Pokal gekriegt."
"Julius, ich weiß, daß Laurentine eine halbe Besenlänge Vorsprung hatte. Ich hätte bei diesem Tunnel mit dem Stationären Fluch nicht diesen Reinigungszauber machen dürfen. Dann wäre ich schneller durchgekommen. Oder mir hätte das Passwort für das siebte Tor eine Minute früher einfallen müssen. Einfache Lösung, und doch nicht so leicht zu erraten", sprach Gloria leise. julius schloß sie in die Arme.
"Du hast was herrliches erlebt, Gloria. Du hast bei etwas mitmachen dürfen, was nur alle fünf Jahre möglich ist, vorausgesetzt, diese Motzköpfe da aus Deutschland und Österreich machen keine große Welle, daß das Turnier schon wieder geschoben war wie das letzte."
"Hallo, Julius. Danke, daß du das Rückgrat hattest, zuerst zu Gloria zu gehen", sagte Mr. Porter. Dann schloß er seine Tochter in die Arme. Danach kam seine Frau. Danach wandte sich Millie an Gloria. Sie verbarg ihre Freude nicht. Aber sie sagte:
"Du hast geniale Zauber drauf. Wo immer du mal zu arbeiten anfängst, lass dich nicht unter deinem Wert bezahlen!" Dannn schmatzte sie Gloria links und rechts einen Kuß auf die Wange. Gloria errötete ein wenig. Dann bedankte sie sich bei Millie. Danach fragte sie: "Wo hast du denn euer Baby abgelegt?"
"Die kleine schläft noch im Sanitätszelt. Madame Rossignol will gleich noch nachsehen, ob ihr eure Armwunden auch anständig verheilt habt. Hubert wird wohl die nächsten zwei nächte bei ihr im Krankenflügel schlafen. Der hat in dem Raum mit den Nachtschatten einen Selbststärkungszauber gebracht, um die verlorene Ausdauer zurückzuholen beziehungsweise die von den beiden nächsten Tagen vorzuziehen."
"Praecipio Dies? Wie verzweifelt muß der gewesen sein, den zu bringen?" knurrte Gloria. Dann sah sie den Tross aus Hogwarts. Julius trat bei Seite um Platz zu machen. Er wollte jetzt eh zu Laurentine. Doch die wurde gerade von den Reportern und den trimagischen Richtern umstellt. Laurentine hatte offenbar genug Sportsendungen im Fernsehen mitverfolgt, um zu wissen, was sie jetzt machen mußte. Sie hielt den Pokal hoch, während sie von Madame Hippolyte Latierre einen großen Lederbeutel überreicht bekam. Madame Faucon knuddelte Laurentine und küßte sie wie eine Enkeltochter. Julius konnte sich das fast nicht vorstellen, daß die beiden Hexen vor fünf Jahren noch wie Hund und Katze zueinander gewesen waren. Die Beauxbatons-Schüler sangen nun ein Loblied auf Laurentine, die Pokalgewinnerin und dankten ihr.
"Und dein Name sei geschrieben in den Bulletins des Beauxbatons. Alle nach uns werden dich lieben, Laurentine von Beauxbatons."
"Ah, Monsieur Latierre", setzte Marita Hollingsworth an, als Laurentine gerade von ihrer französischen Kollegin Constance Dornier blitzinterviewt wurde. "Wie haben Sie diese Runde des trimagischen Turniers verfolgt?"
"Im Ersthelferzelt gab es für jeden Champion eine Mitverfolgungsleinwand", sagte Julius. Er ging davon aus, daß er hier keine Betriebsgeheimnisse ausplauderte. Als er jedoch gefragt wurde, ob er auch diesen Nebel in den Szenen mit den Jugendzeiten gesehen habe, sagte er, daß er nur das gesehen hatte, was er sehen durfte, genau wie die anderen. Das nahm die Turnierberichterstatterin vom Tagespropheten als ihr passende Antwort hin. Dann fragte sie ihn, ob er nicht doch enttäuscht sei, daß er nicht den Pokal gewonnen hatte.
"Ich habe dieses Jahr etwas viel wichtigeres und viel interessanteres überreicht bekommen. Das hat der Feuerkelch wohl gewußt, daß der trimagische Pokal da nicht gegen ankommt", sagte Julius. Die Reporterin und Mutter der Zwillingsschwestern Betty und Jenna lächelte wissend.
"Dann hoffe ich, daß Sie mit dem, was sie dieses Jahr erhalten durften, recht viel Freude und Kurzweil haben werden." Julius bedankte sich.
"Ah, Monsieur Latierre, jetzt doch ein wenig enttäuscht, nicht in den Annalen von Beauxbatons erwähnt zu werden?" Fragte Ossa Chermot vom Miroir Magique.
"Ob ich dort erwähnt werde oder nicht müssen die entscheiden, die für Neuauflagen zuständig sind, Mademoiselle Chermot. Vielleicht stehe ich da schon drin, weil ich als Quereinsteiger bis heute durchgehalten habe. Kommt ja auch nicht alle Tage vor", wetterte er die Spitzfindigkeit dieser Frage ab, ohne mehr zu verraten. Womöglich würde er in einer der nächsten Auflagen erwähnt, als der Jungzauberer, der die Eauvive- und die Latierre-Sippe wieder zusammengeführt hatte, der die Schlangenmenschenattacke nur überstand, weil er an Madame Maximes Seite gelebt hatte und der der erste Beauxbatonsschüler im Jahr 2000 war, der Vater geworden war. Mer brauchten die auch über ihn nicht zu schreiben, dachte Julius.
"Herzlichen Glückwunsch, Laurentine. Damit bist du jetzt unsterblich", sagte Julius zu Laurentine. "Ist wie bei Olympia. Wenn du da Gold geholt hast hält das das ganze leben vor. Besser als ein Weltmeistertitel."
"Gloria hätte es fast geschafft. Die hätte es auch verdient. Und Hubert hat ja auch alle Tore geschafft. Wäre der früher rausgekommen als ich, hätte ervielleicht den Dreh mit dem Rückwärtsgehen rausbekommen. War ja nur ein Versuch gewesen", sagte Laurentine.
"Wie hast du das mit dem Zettel gemacht, der in dem Quidditchpokal gelegen hat?" wollte Julius wissen. Laurentine zwinkerte. Dann deutete sie auf die ganzen Reporter um sich herum und wartete, bis Gloria von Mrs. Hollingsworth und Ossa Chermot zugleich umlagert wurde.
"Seitdem ich wußte, daß die Aufgabenstellung in Runenschrift war, habe ich in der Bib nachgeforscht, ob es wie beim Wechselzungentrank auch einen Zauber gibt, der Texte in anderen Schriftsprachen verständlich macht. Ich hörte ja auch mal was von einer Omnilex-Brille, die beim Entschlüsseln oder Verstehen geschriebener Texte helfen soll. In einem Buch, das "Innere Neuigkeiten" heißt und sich auch mit magischer Kommunikation befaßt, stand was über einen Zauber, der Geschriebenes in die Sprechsprache übersetzt, die der Anwender am besten spricht, aber eben nur für ihn hörbar macht: "Matrilinguam ex scripto audibo" Der Zauber wurde dann auch beschrieben, daß ich mir ein Ohr vorstellen soll, das sich auf einen schreibenden Stift richtet und dabei Wörter mit der Stimme der eigenen Mutter gesprochen hört. Das war das ganze Geheimnis. Den Zauber habe ich dann an dem, was auf dem Zylinder stand, immer wieder geübt, bis ich echt alles verstanden habe, was drauf stand. War schon anstrengend. Ich hätte auch lieber nur gelesen, was auf dem Zettel stand." Julius nickte. Er beglückwünschte sie noch einmal zum Turniersieg. Sie wisperte ihm noch zu. "Daß ich rückwärts in den Nebel soll fiel mir nur ein, weil ich eine Geschichte gelesen habe, wo ein kleines Mädchen zu einem Haus außerhalb der Zeit gehen mußte und nur Rückwärts in die kleine Gasse rein konnte, wo es zu finden war. Sonst wäre mir das wohl erst in hundert Jahren eingefallen." Julius hütete sich, zu nicken oder eine andere weithin sichtbare Regung zu zeigen. Ob Laurentine nun eine Muggelgeschichte als Hilfestellung benutzt hatte war eigentlich egal. Mit dem, was die Champions wußten, hatten sie es schaffen können, den Pokal zu erreichen. Mehr war nicht verlangt worden.
"Auf jeden Fall freuen wir uns, daß du es geschafft hast, dein letztes Jahr Frieden mit deiner Zauberkraft und mit Beauxbatons geschlossen zu haben", sagte Madame Dornier. Laurentine bedankte sich noch mal für die moralische Unterstützung. Unvermittelt weinte sie los. Offenbar entlud sich jetzt alle Anspannung, die sie in den letzten Wochen und Monaten aufgestaut hatte. Oder es war der Gedanke, daß ihre Eltern das nicht miterleben wollten, daß sie was ganz großes geschafft hatte, tausend Leute ihren Namen im Zusammenhang mit einem Dankeschön singen zu lassen. Julius und Millie schirmten Laurentine vor den Kameras ab, bis ihr Weinkrampf nachgelassen hatte. Dann kam Madame Rossignol zu Laurentine und bat sie, sich von ihr untersuchen zu lassen. "Du hast ein paar sehr schwere Zauber ausgeführt und dir selbst eine nicht ganz ungefährliche Verletzung zugefügt. Ich möchte nur prüfen, ob du in Ordnung bist", sagte die Heilerin behutsam. Laurentine nickte und folgte ihr ins Sanitätszelt.
"Das lassen wir nicht zu, daß Sie unseren Sohn noch mit irgendwelchen Gifttränken kaputter machen als er schon ist", schnarrte eine Männerstimme mit deutschem Akzent. Das war Huberts Vater.
"Ihr Sohn hat die nächsten zwei Tage in einem einzigen Zauberspruch vorweggenommen und muß diese Zeit schlafen, Herr Rauhfels. Aber wenn Sie und Gräfin Greifennest dies wünschen kann ich Ihren Sohn gleich heute noch nach Greifennest in die Obhut der Kollegin Maiglock zurücksenden. Ob er dann aber noch einmal zu uns kommt, um mit uns allen den Schuljahresabschluß zu feiern ist fraglich."
"Für nichts und wieder nichts das alles. Die Prüfungen nicht gemacht, sich von den Mitschülern dumm anquatschen zu lassen und dann noch mit dieser dicken Hummel Kienspan verlobt zu sein, ohne uns zu fragen", knurrte Herr Rauhfels. Julius beschloß, dem Gemecker nicht weiter zuzuhören. Kevin kam gerade auf ihn zu:
"Tja, jetzt können die Beauxbatonss ihr großes Maul schließen, daß wir vor fünf Jahren geschummelt haben. Denn dann könnte ja wer nachfragen, ob hier alles astrein über die Bühne gegangen ist. Gloria hat mir erzählt, daß du zuerst bei ihr warst. Das ehrt dich irgendwie. Hätte ja doch sein können, daß du gegen sie hättest antreten müssen. Dann hätte sie zumindest noch gegen einen stärkeren verloren. Aber dich wollte der Kelch ja nicht ins Turnier lassen, weil deine rotblonde Juniormummy ja mit dir schon ein Pullerpüppchen auflegen mußte."
"Nett, daß du es einsiehst", erwiderte Julius. Er vermied es noch gerade so, ihm zu servieren, daß Patrice die ganze Zeit zu Hubert Rauhfels gehalten hatte und er vielleicht Konkurrenz hatte. Doch das war nicht sein Stil. So sagte er nur:
"Das kleine Pullerpüppchen ist mir auch tausendmal mehr wert als tausend Galleonen und tausendmal wichtiger als der trimagische Pokal. Sie zu, daß du und Patrice auch so was kleines, lautes, rosiges hinkriegt! Dann weißt du, was ich meine!"
"Neh, und mich von Fredo und Marwin blöd zutexten zu lassen, daß ich gleich den Megaberuf abräume, um drei auf einmal durchzufüttern. Na ja, hängt ja nicht nur an mir", grummelte Kevin.
"Hallo, Julius. War doch eine spannende Runde", sagte Pina. "auf jeden fall gut, daß alle drei da heil wieder rausgekommen sind." Julius konnte da nicht widersprechen.
Jetzt, wo die Runde vorbei war, merkten alle, daß sie Hunger hatten. Die Greifennest-Abordnung trottete wie begossene Hunde hinter ihrer Schulleiterin her. Gloria und Laurentine waren von Madame Rossignol für feiertauglich erklärt worden.
Der trimagische Pokal erhielt einen Ehrenplatz auf dem Lehrertisch. Alle klatschten über den knappen aber doch gerechtfertigten Sieg. Selbst Irene Pontier und Caroline Renard hatten gratuliert. Belisama war Laurentine aber am ganzen restlichen Nachmittag aus dem Weg geblieben. Julius wollte es nicht wagen, Laurentine danach zu fragen, wieso die Traumfladen sie und Claire zusammengetrieben hatten. Belisama wußte wohl nicht, wie sie das verdauen sollte. Doch die beiden würden wohl bei der Abschlußfeier für das Schuljahr wieder gut befreundet sein. Außerdem hatten sie danach ja jede Gelegenheit, sich möglichst weit aus dem Weg zu gehen, sollte Belisama finden, Laurentine habe irgendwas an sich, was ihr nicht gefiel.
"Messieursdames et Mesdemoiselles", begann Madame Faucon zu sprechen. Sofort setzte Stille ein. "Wir alle haben heute einen sehr spannenden, ja mitreißenden Nachmittag erlebt. Unabhängig davon, was über den Ausgang des Turnieres gesagt oder gar geschrieben werden wird, wir alle sollten uns freuen, unsere Kameraden, Freunde und Freundinnen, wieder in unserer Mitte begrüßen zu dürfen. Monsieur Rauhfels wird auf Grund eines an sich selbst ausgeführten Zaubers, der ihn zunächst hervorragend gestärkt hat, die nächsten zwei Tage im Krankenflügel ausschlafen. Madame Rossignol bot seinen Eltern und Gräfin Greifennest an, ihn bereits nach Greifennest zurücktransportieren zu lassen. Aber sie weiß, wie wichtig es ist, den Zusammenhalt zu pflegen und die Kameradschaft. Daher wird er mit Ihnen aus Greifennest zusammen die Heimreise antreten, wenn Sie alle, ob Sie aus Beauxbatons, Hogwarts oder Burg Greifennest stammen, den Abschlußball unserer Akademie mitgefeiert haben werden. Ich denke, bis dahin sind auch alle Unstimmigkeiten ausgeräumt, die aus spontaner Enttäuschung entstanden sind. Ich jedenfalls freue mich, daß wir alle dieses trimagische Turnier erfolgreich bestritten und keinen Toten zu beklagen haben. Wenn Sie diese höchst erfreuliche Tatsache in alle Überlegungen einbeziehen, werte Schüler und Schülerinnen von Beauxbatons, Hogwarts und Greifennest, dann werden sie auch mit Freude aussrufen, daß sie Zeugen und Mitgestalter eines erhabenen, kurzweiligen und fordernden Ereignisses wurden. In diesem Sinne erhebe ich nun meinen Trinkkelch auf das Wohl unserer drei großartigen Zauberschulen: Gesundheit für Beauxbatons, alles gute für Hogwarts und zum Wohl Burg greifennest!" Die Schüler hoben ihre Kelche und tranken einander zu. Dann wurde das Abendessen aufgetischt. Gefräßiges Schweigen breitete sich über allen Tischen aus.
Nach dem Abendessen zogen sich alle Schüler in ihre Wohnsäle oder die Reisefahrzeuge zurück. Im grasgrünen Saal wurde bis kurz vor zwölf lautstark gefeiert. Dann kam Professeur Delamontagne und befahl, in nur fünf Minuten alles aufzuräumen und in den Schlafsälen zu sein. Dann beglückwünschte er Laurentine noch einmal zu ihrer großartigen Leistung.
Als Julius neben seiner Frau im Ehebett lag sagte diese: "Es war gut, daß du Laurentine nichts von Ammayamiria erzählt hast. Aber womöglich war das, was die Traumfladen mit ihr angestellt haben auch nur eine Übersteigerung, weil sie fühlten, daß Laurentine eine besonders tiefe Freundschaft zu Claire hatte. Die Biester haben es dann gleich als körperliche Sache hingedreht."
"Erzähl das mal Belisama. Die weiß nicht, wie sie mit Laurentine reden soll. Die kann ihr ja schlecht auftischen, daß sie sie dabei gesehen hat, wie sie fast mit Claire ... zusammengefunden hätte. Ich mußte das ja selbst erst einmal verdauen. Aber du könntest recht haben, Mamille. In der Weltraumserie Star-Trek gibt es eine Geschichte, wo einem Offizier vorgegaukelt wird, er habe geheiratet. Pech für die Trickser war, daß die Frau, die sie ihm zugesprochen haben, eine technisch erzeugte Kunstfigur war, keine richtige Frau. Die hatten nur gemerkt, daß er die ganz besonders anziehend gefunden hat, was ja von denen, die diese künstlich erzeugte Dame programmiert hatten, ja auch beabsichtigt war. Insofern, hoffe ich mal, daß wir keinen Traumfladen unter dem Bett haben, der uns irgendwelchen Unsinn ins Hirn setzt."
"Das käm noch soweit", grummelte Millie. Dann hob sie die kleine Aurore aus ihrer Wiege. "Du wolltest ja noch was, weiß ich", säuselte sie ihrer Tochter ins Ohr, bevor sie sie noch einmal anlegte. Julius ließ sich von der Entspannung, die Millie dabei empfand, in einen wohligen Schlaf hinübertragen. Das trimagische Turnier war vorbei, und er war froh, es miterlebt zu haben.