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Julius Andrews - Auf seinem Weg in die Zaubererwelt von Thorsten Oberbossel

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Für die nächsten fünf Tage nahm Madame Faucon den zwölfjährigen Hogwarts-Schüler in Beschlag. Sie ging mit ihm in eine Anlage, in der in dunklen Räumen Wesen der dunklen Kräfte gehalten wurden. Julius bestaunte die Grindelohs und Hinkepanks, die in großen Aquarien hockten, erschauderte beim Anblick von sechsarmigen Monstern, die nicht nur in stabilen Gitterkäfigen, sondern auch in mehrfache Bannkreise eingesperrt worden waren. Eine schleimige, ständig Scheinfüßchen ausstülpende Riesenamöbe, die in einem Wasserbecken gehalten und ebenfalls durch einen Bannkreis am Ausbruch gehindert wurde, trippelte wie ein vielzugroßer Fußball mit glitschigem grauen Schleimüberzug herum und nahm auf dem Boden herumliegende Nahrungsbrocken in sich auf, ohne einen Mund zu benutzen. Die Attraktion der Ansammlung schauerlicher Kreaturen war eine riesenschlange mit sieben Köpfen. Julius erkannte dieses Untier aus alten Geschichten.

"Hydra hieß so ein Tier in einer alten Sage. Der konnte man die Köpfe abhauen, und sie wuchsen wieder nach."

"Eben genauso eine Kreatur ist das hier. Was die alte Sage nicht berichtet ist, daß sich eine Hydra in jedes Lebewesen verwandeln kann, das sie innerhalb der letzten sechs Tage verschlang. Dabei nimmt dieses Ungeheuer nicht nur die Form, sondern auch die Erinnerungen des Opfers an, so daß sie sich als guter Freund oder geliebte Person ausgeben kann. Sie muß jedoch immer wach sein oder darf nicht die Selbstbeherrschung verlieren, weil sie dann ihre ursprüngliche Gestalt wieder annehmen muß und die vorgetäuschte Gestalt nicht mehr annehmen kann. Wahrscheinlich werdet ihr erst in der fünften oder sechsten Klasse mit so einem Wesen konfrontiert, da es nicht zu den magischen Geschöpfen gehört, die nur nach Instinkten handeln, sondern wahrlich eine dunkle Kreatur ist."

"Das ist aber heftig, wenn so eine Hydra sich maskieren kann", sagte Julius.

"Man kann eine maskierte Hydra dadurch entlarven, daß man sie mit heißem oder kaltem Wasser bespritzt. Da sie ursprünglich kaltblütig ist, schockt der Wärmeunterschied dieses Wesen so sehr, daß es sich in seine wahre Gestalt zurückverwandeln muß. Dann sollte derjenige aber schnell den Bannfluch gegen Reptilien der dunklen Künste anbringen, wenn er nicht von der wütenden Hydra getötet werden will. Da es schwer ist, dieses Tier zu köpfen, wirkt nur ein Gift aus dem Sud des Todestaublatts, das dem Wesen in mindestens vier der vierzehn Nasenlöcher geträufelt werden muß, bevor der Fluch seine Wirkung verliert."

"Dann will ich mal hoffen, daß ich so einem Vieh nicht so früh begegne. Dann werde ich wohl kein Todestaublattgebräu bei mir haben, zumal das in "Gifte aus magischen Pflanzen" als sehr heimtückisches Kontaktgift beschrieben wird, daß man nur mit Mundschutz und Handschuhen herstellen soll."

"Das ist allerdings richtig. Gut gelesen", lobte Madame Faucon den Jungen und führte ihn durch einen Trakt, in dem mehrere Einzelzellen eingerichtet waren, in denen Wachsfiguren in zerschlissenen Zaubererumhängen hockten, die einen abwesenden Gesichtsausdruck zeigten. Überlebensgroße, vermummte Gestalten standen in Reih und Glied vor diesen Zellen. Julius erschauderte. Doch er spürte nicht den Ansturm von Verzweiflung und Angst, den die hier aufgebauten Wesen in echt verbreiteten. Denn es waren Nachbildungen von Dementoren, wie er sie als erste und bislang unheimlichste Form magischer Kreaturen kennengelernt hatte.

"Die sind dir wohl gut bekannt, wie?" Fragte Madame Faucon, als sie Julius' Beklemmung bemerkte.

"Sagen wir's so: Zum Tee würde ich die großen vermummten Typen nicht einladen, wenn die echt wären."

"Wer auch immer damals verfügt hat, daß Dementoren Askaban bewachen, ging davon aus, daß sie nie wieder einem schwarzen Magier folgen werden, solange sie genug Gefangene haben, deren glückliche Momente sie aufsaugen können. Ich bin eine der wenigen Vertreterinnen der Hexen und Zauberer, die diesem Vorgang ablehnend gegenüberstehen."

"Dann haben die Dementoren sich mit dem dunklen Lord zusammengetan?" Fragte Julius, der vor Aufregung nicht wußte, wohin er sehen sollte.

"Natürlich. Wo er und seine wahnwitzigen Anhänger gewütet haben, waren auch sie nicht weit entfernt."

"Dann hatte ich recht", dachte Julius halblaut. Madame Faucon fragte ihn, womit er recht hatte.

"Ich habe Klassenkameraden gesagt, daß ich denke, daß irgendwer eine große Herde Böcke zu Gärtnern gemacht hat."

"Der Vergleich ist nicht schlecht. Wollen wir hoffen, daß uns derartige Zeiten nicht wieder erreichen", sagte Madame Faucon. Julius ergriff die sich bietende Gelegenheit und fragte mutig:

"Kennen Sie den Patronus-Zauber, mit dem diese Wesen zurückgedrängt oder verjagt werden können?"

"Selbstverständlich kenne ich diesen Zauber. Woher weißt du denn davon? Soviel ich erfuhr durften Schüler nichts über die Dementoren nachlesen, um nicht auf falsche Ideen zu kommen, als sie Hogwarts umstellt hatten."

"Ich habe gesehen, wie ein Drittklässler diesen Zauber anwendete, um angebliche Dementoren bei einem Quidditchmatch zu verjagen und erfuhr, daß er den Patronus-Zauber gelernt hat, um sich gegen Dementoren zu schützen."

"Natürlich. Professor McGonagall teilte mir mit, daß es einige junge Schüler gab, die hartnäckig versuchten, hinter Art und Ausführung des Zaubers zu kommen. Ich hoffe, daß du oder deine Mitschüler ihn nicht brauchen werdet. Aber das gilt auch für andere dunkle Kräfte, die dich bedrohen können. Minerva würde es mir übelnehmen, wenn ich dir den Zauber beibringen würde. Deshalb sollten wir nicht mehr davon sprechen", bestimmte Madame Faucon.

Nach dem Besuch der Schattenhäuser, in denen die dunklen Kreaturen oder naturgetreue Nachbildungen ausgestellt waren, ging es zurück zum Haus der Beauxbatons-Lehrerin. Nach dem Mittagessen brachte Julius mehrere Stunden im großen Garten seiner Gastmutter zu, wo er die englische Version von "Der kleine Hexengarten" las und die aufgeführten Pflanzen mit den Gartenpflanzen von Madame Faucon verglich.

Nach dem Abendessen spielten seine Gastmutter und er eine Partie Schach, die sich bis elf Uhr zog und in einem Remis endete. Julius ging müde zu Bett.

Der nächste Tag war ausgefüllt mit Übungen zur Abwehr von Flüchen und Übungen zur besseren Handhabung von Verwandlungen.

"Du kannst dich nicht immer auf deine Grundbegabung verlassen. Wenn du hundertprozentige Sicherheit haben willst, solltest du Zauberstabbewegungen lernen, die jede Verwandlung erleichtern", sagte die Professorin von Beauxbatons. Julius sah ihr zu, wie sie den Zauberstab bewegte, um eine Zigarrenkiste in eine Zinnkanne zu verwandeln und ahmte die Bewegungen nach. Nach wenigen Proben hatte er die Bewegungen so fließend heraus, daß er wirklich keine Zauberformeln mehr sprechen mußte, um die einfacheren Verwandlungen zu schaffen.

"Ausbaufähig!" Kommentierte Madame Faucon die Fortschritte des ihr anvertrauten Schülers. "Wenn du diese Techniken verinnerlichst, hast du keine schwierigkeiten, dich in den nächsten Klassen überdurchschnittlich gut zu präsentieren. Allerdings gehört dazu etwas mehr als nur gute Zauberstabbewegungen zu beherrschen. Die Verwandlungssprüche sind kompliziert und müssen immer auf den Punkt genau mit den Bewegungen des Zauberstabes abgestimmt werden, auch wenn sie mental eingebracht werden", beschrieb Madame Faucon, was Julius und seine Mitschüler noch zu erwarten hatten. Dann testete sie Julius' Reflexe im Umgang mit leichten Flüchen und engagierte sich freudig, als sie merkte, wie schnell Julius Gegenflüche anbrachte, um sich selbst zu schützen.

"Die leichten Flüche und Gegenflüche, die ihr in der ersten Klasse gelernt habt, sind natürlich nichts im Vergleich zu den wirklich schweren Angriffs- und Schadenszaubern. Ich bin sicher, daß ich dich innerhalb von nur fünf Sekunden kampfunfähig machen könnte, wenn ich dies wirklich wollte. Deshalb solltest du dich gut auf dem Laufenden halten, was Gegenflüche angeht."

"Kann man diese drei verbotenen Flüche wirklich nicht abwehren?" Fragte Julius mutig.

"Abwehren im Sinne von von sich fernhalten nicht. Du kannst nur versuchen, sie durch Willensstärke zu unterdrücken, in dem du gegen den Imperius-Fluch ankämpfst oder dich von den höllischen Schmerzen des Cruciatus-Fluches ablenkst. Aber beides ist so schwer, daß selbst erfahrene Hexen und Zauberer Probleme haben, sich zu wehren. Gegen den Todesfluch gibt es kein erprobtes Mittel. Wir im Kongress zur Abwehr dunkler Kräfte diskutieren seit bald dreizehn Jahren, wieso Harry Potter den Angriff dieses Psychopathen Voldemort überleben konnte."

Julius wunderte sich über den Haß in der Stimme der Lehrerin. Andere Hexen und Zauberer vermieden es, den Namen des dunklen Lords zu nennen. Selbst wenn sie "Du-weißt-schon-wer" sagten, klang immer Angst und Panik mit. Julius wußte, daß die Beauxbatons-Lehrerin ihren Mann durch einen Angriff des dunklen Lords verloren hatte und diesen schwarzen Magier dafür haßte. Der Haß war wohl größer als die Angst. Julius errötete, weil er wieder einen Punkt berührt hatte, den er eigentlich nicht ansprechen durfte.

"Ich wollte Sie nicht verärgern", sagte er ängstlich.

"Entschuldigung akzeptiert", sagte die Mutter Catherine Brickstons energisch. Dann nahm sie Julius den Zauberstab wieder ab und brachte ihn an den Ort, wo sie ihn aufbewahrte, bis er wieder nach England zurückkehren sollte.

Julius las viel in dem Buch über die Magie des Sonnenfeuers und war mehr und mehr davon fasziniert. Manchmal las er Madame Faucon einzelne Passagen laut vor und fand in ihr eine ebenso begeisterte Zuhörerin. Irgendwann so um den zweiten August herum erwähnte er, daß er sich überlegte, Experimente aus dem Buch nachzumachen, um zu überprüfen, ob alles so stimmte. Dann sagte er noch:

"Ich kenne Substanzen, die den Ultraviolett-Anteil der Sonnenstrahlung sichtbar machen können. Ein Physiker namens Newton hat damals das Sonnenlicht in seine Bestandteile aufspalten können. Die Gerätschaften kann ich im Laden für Astronomiebedarf kriegen."

"Man merkt, daß deine Eltern Wissenschaftler sind. Anstatt nur rumzulaufen, dich mit anderen Jungs zu vergnügen oder Sport zu treiben, experimentierst du lieber. Warum nicht? Ich würde es gerne sehen, was du anstellen kannst, wenn es nicht gefährlich ist."

Nein, wird es nicht sein. Die wichtigsten Regeln über die Sonnenbeobachtungen halte ich schon im Schlaf ein."

Julius mußte nicht ins Dorf, um sich Instrumente für seine Versuche zu besorgen. Madame Faucon lieh ihm ein Brennglas, ein Prisma, diverse Spiegelvorrichtungen und ihr Teleskop. Julius projizierte Sonnenflecken auf weißes Leinentuch, machte Experimente mit gespiegelten Sonnenstrahlen und bastelte Filter, um bestimmte Lichtanteile auszublenden. Das einzige, was er sich im Dorf besorgen mußte, waren die Chemikalien, die Madame Faucon nach seinen Anweisungen in ihrem Geheimlabor so zusammenbraute, daß er die Tinkturen hatte, mit denen er den Ultraviolett-Anteil als grünliches Flimmern sichtbar machen konnte. Zwischendurch kam Madame Dusoleil und wunderte sich.

"Virginie und Claire wollen am vierten August Quidditch trainieren. Eleonore und ich werden dabeisein, um unsere eigenen Flugkünste zu üben. Mußt du diese Versuche machen, oder ist das so spannend für dich?" Fragte die Gartenhexe, während sie mit ihrem Zauberstab eine selbsttätige Heckenschere dirigierte.

"Mich interessiert alles, was mit dem Weltraum zu tun hat. Eigentlich wollte ich nach der Oberschule Physik studieren und Astronaut werden, das ist jemand, der mit einer Rakete in den Weltraum fliegen kann."

"Ich habe davon gehört", erwiderte Madame Dusoleil beiläufig, als würde sie das langweilen. Dann sah sie unter eine der Hecken und tauchte unvermittelt unter die breiten Blätter, ließ ihre behandschuhte rechte Hand in ein für Julius nicht sichtbares Loch gleiten und zog energisch an etwas, das eine Sekunde später strampelnd und quiekend zum Vorschein kam. Julius sah das Etwas, das fast wie eine Kartoffel mit Beinen aussah, schaute genauer hin und unterschied lederartige Füße und einen menschenähnlichen Körper mit Lederhaut ohne Haare.

"Blanche wird nachlässig. Ihre Gnomverdränger wirken nicht mehr richtig", vergnügte sich Madame Dusoleil, während sie das zappelnde Geschöpf hochhielt.

"Das ist ein Gartengnom?" Fragte Julius.

"Ja, nicht gerade selten, wenn man zuläßt, daß sie einem im Garten herumwuseln."

"Loslassen!" Viepte der Gnom aufgeregt und versuchte, Madame Dusoleil in einen Finger zu beißen.

"Hast du wieder über mich gelästert, Camille?" Fragte Madame Faucon, die ein Tablett mit Kaffeetassen und Gebäck vor sich herschweben ließ.

"Ich habe mich nur gewundert, daß du Gartengnome haben möchtest. Gilt unsere Vereinbarung noch?"

"Selbstverständlich, Camille", erwiderte Madame Faucon ärgerlich und funkelte den Gnom in der Hand der Gartenhexe an.

"Möchtest du dir ein paar Knuts verdienen, Julius?"

"Womit?" Fragte der Hogwarts-Schüler zurück.

"zwei Knuts für jeden Gnom, den du mir aus dem Garten holst, falls Blanche es erlaubt."

"Meine Gnomverdränger haben wohl nachgelassen. Ich werde sie erneuern, wenn alle Gnome fort sind", sagte die Beauxbatons-Lehrerin und fügte hinzu: "Nach dem Kaffee ziehst du dir den Umhang an, den du für die Gartenarbeit benutzt, falls du wirklich Gnome fangen willst."

Julius räumte die Instrumente weg, die er für seine Sonnenlichtversuche benutzt hatte. Dann tranken er und die beiden Hexen Kaffee. Der Gnom, den Madame Dusoleil unter der Hecke hervorgeholt hatte, strampelte in einer großen Kiste herum und krakehlte: "Rauslassen! Kiste aufmachen!"

nach dem Nachmittagskaffee half Julius Madame Dusoleil bei der Entgnomung. Zehn gnome fing Julius ein und warf sie in die große Kiste. Madame Dusoleil schaffte noch vier Gnome herbei. Danach ging Madame Faucon mit einem Zaubertrank in einer Gießkanne durch den Garten, der stark nach Essig, Dung und verbranntem Gummi stank und schüttete ihn am Gartenzaun entlang aus. Braune Dämpfe waberten am Boden entlang und verflüchtigten sich wie zäher Nebel.

"So, die nächsten Monate haben wir wieder Ruhe."

"Diese Gnome sind nicht besonders intelligent", meinte Julius. "Wenn ich einen hatte, kamen zwei Andere aus den Löchern und haben solange geglotzt, bis ich sie auch hatte. Wie gut können die eigentlich sprechen?"

"Nur wenige Worte. Sie selbst verständigen sich eher durch Quieken, das unsere Ohren nicht mitkriegen. Es gibt auch nur wenige wirklich schlaue Gnome, die sich nie erwischen lassen und darüber hinaus sehr gut sprechen können", erklärte Madame Dusoleil und kam damit Madame Faucon zuvor, die gerade etwas sagen wollte.

"Gnome an sich sind strohdumm. Das lästige an ihnen sind die unterirdischen Gänge im Garten und die Verwüstungen in Blumen- und Gemüsebeeten, die sie nachts anrichten, wenn sie sich aus den Löchern trauen, die sie graben."

"Und was passiert jetzt mit den Gnomen?" Wollte Julius wissen und sah auf die Kiste, in der die Gnome sich gegenseitig schlugen, weil sie mit ihren Fäusten versuchten, gegen das Holz der Kiste zu hauen.

"Das ist ein Teil meines Arbeitslohns", sagte Madame Dusoleil. "Wenn ich Gnome finde, egal bei wem, werden die an meine Carnivoren verfüttert."

"Nein!" Riefen die gefangenen Gnome voller Panik. Julius mußte sich die Ohren zuhalten. Dann fragte er:

"Muß das wirklich sein? Die sprechen doch. Das sind doch keine Tiere."

"Es sind aber auch keine Menschen", gab Madame Faucon kalt zurück. "Außerdem sind sie von einigen seltenen Ausnahmen abgesehen noch dümmer als Tiere. Die haben einen gesunden Selbsterhaltungstrieb und flüchten, wenn sie merken, daß sie nicht willkommen sind."

"Ich wollte auch nichts dagegen sagen", erwiderte Julius schnell, als er Madame Dusoleils leicht verärgertes Gesicht sah.

"Das möchte ich meinen. Gnome sind Schädlinge. Ich könnte mir vorstellen, daß selbst in euren Garten Gnome kommen können, weil du da bist. Sie suchen die Nähe von magischen Lebewesen, selbst in Muggelsiedlungen", sagte Madame Dusoleil. Dann reichte sie Julius zwanzig Bronzemünzen, weil er ihr zehn Gnome gefangen hatte.

Beim Abendessen sprachen Julius und seine Gastmutter noch mal über die Sonnenlichtversuche. Dabei äußerte Madame Faucon eine Idee:

"Wie wäre es, wenn du kurz vor Ferienende vor geladenen Zuschauern eine Vorführung machst, was du aus dem Buch herausgelesen hast, was damit angefangen werden kann und deine Experimente mit dem unsichtbaren Anteil der Sonnenstrahlung?"

"Hmm, vor Publikum? Dann muß ich wissen, ob ich wissenschaftlich oder mehr wie ein Rummelplatz-Vorführer auftreten soll."

"Also hast du grundsätzlich Interesse?" Fragte Madame Faucon mit einer Betonung, die Julius unmißverständlich darauf hinwies, daß er gefälligst mit Ja zu antworten hatte. Er überlegte kurz und sagte:

"Nachdem, wie ich das in den letzten Tagen hinbekommen habe, habe ich kein Problem, vor ein paar Leuten zu erzählen, was wichtig ist. Ich habe sogar festgestellt, daß in dem Buch einige Sachen fehlen. Die schreiben da nämlich nicht, daß die Sonne Magnetfelder besitzt. Nachdem was Gemma Haret in ihrem Buch über magische Mineralien schreibt sind Magnetfelder nicht unwichtig bei Zaubern. Ich weiß nur nicht, ob ich das erwähnen darf, da es von nichtmagischen Wissenschaftlern herausgefunden wurde."

"Kann man diese Magnetfelder sehen, beziehungsweise wie sie auf der Sonne wirken?"

"Na klar! Die Sonnenflecken und die Sonnenflammen zeigen die Magnetfelder. Das könnte ich erklären."

"Dann mach das wissenschaftlich, wenn du weißt, wie das geht!" Riet ihm Madame Faucon und erteilte Julius damit den Auftrag, seine Sonnenversuche vorzustellen. Julius schluckte kurz, dann sagte er zu.

 

 

Am dritten August gab Madame Faucon Julius drei Fotos von ihm und Claire, wie sie sich auf der Bühne im Musikpark über die goldenen Tanzschuhe freuten. Auf den Farbfotos winkten Claire und er dem Publikum zu und stellten sich glücklich lächelnd in den Vordergrund.

"Camille und ich mußten Anfragen zurückweisen, die Reporter vom Miroir Magique stellten. Madame Delamontagne hat verfügt, daß über euch nichts berichtet werden darf, um dich nicht zu sehr in einen unnötigen Presserummel hineinzuziehen. Ich gehe davon aus, das dies deine Zustimmung findet", erläuterte Madame Faucon.

"Vollkommen", erwiderte Julius. Dann gab Madame Faucon dem Jungen noch einen Brief, der mit einem blauen Wachssiegel verschlossen war, das drei aufgeklappte Bücher untereinander zeigte. Als Absender stand in mitternachtsblauer Tinte: "Magisches Personenarchiv, Sektion globale Genialogie"

Julius öffnete den Brief und las mit steigender Erregung:

 

Sehr geehrter Monsieur Andrews,

auf Vorschlag der hochverehrten Professeur Blanche Faucon hat unsere Abteilung Nachforschungen über Ihre magischen Vorfahren angestellt, da, wie Professeur Faucon beschrieb, Ihre zauberischen Grundkräfte das Vorhandensein mindestens eines magisch begabten Vorfahren in beiden Elternlinien indiziert. Dabei ist unsere Abteilung tatsächlich fündig geworden. Folgende Ergebnisse können wir Ihnen nun mitteilen:

1. In der Ahnenreihe ihres Herrn Vaters gab es vor 250 Jahren in der Person von Madame Megan McGonagall die letzte magisch begabte Vorfahrin. Sie praktizierte Heilkunde an der Schule für Hexerei und Zauberei zu Hogwarts und heiratete einen Muggel, von dem sie vier Kinder gebar, die alle keine magischen Kräfte entwickelten, bis Sie selbst die alten Erbanlagen entfalteten.

2. Tatsächlich gab es vor fünfhundert Jahren einen Zauberer in der Ahnenlinie Ihrer Frau Mutter, der in Cordoba, Spanien gelebt und unehelich zwei Kinder gezeugt hat, von denen eines Zaubergaben entwickelte und das zweite, eine Tochter namens Calma, keine magischen Kräfte zeigte und einen Muggel heiratete. Aus dieser Verbindung spross Ihre mütterliche Ahnenlinie. Der Name des besagten Zauberers lautet Leon Ponteclara Desfuegos Misterios. Er galt zu seiner Zeit als hochbegabter Verwandlungskünstler und Alchemist, sowie als Meister der Kommunikation mit magischen Geschöpfen. Eine weitere Anfrage bei anderen Sektionen ergab, daß er im Jahre 1456 ein berühmter Quidditchspieler war und neben seinem Beruf "Magische Tierkunde" auch ein passionierter Erfinder für magische Gerätschaften war. Im Zuge der von der Muggelhysterie ausgelösten Verfolgung sogenannter Hexen und Zauberer mußte sich Leon Ponteclara Desfuegos 1525 ins Ausland absetzen und führte eine Scheinexistenz als Muggel, bis er 1569 im Alter von 189 Jahren starb.

Wir hoffen, Ihnen mit dieser kurzen Erläuterung einen wichtigen Dienst erwiesen zu haben und verbleiben mit hochachtungsvollen Grüßen an Ihre derzeitige Gastgeberin

 

Clementine Poirot, Sektionsleiterin Globale Genialogie

 

"Ui, das hätte ich jetzt nicht gedacht. Wieso sind die im englischen Zaubereiministerium nicht darauf gekommen, nachzuforschen, woher ich meine Zauberkräfte sonst habe?" Fragte Julius.

"Weil die Beamten in deinem Land nur das tun, was gerade nötig ist, um etwas zu erklären und nicht mehr. Wenn sie keinen magischen Vorfahren gefunden hätten, hätten sie dich unter die vielen anderen Muggelstämmigen einsortiert, die es gibt. Unsere Archivare sind dagegen gehalten, bis zu eintausend Jahren zurückzurechnen, sobald sich erste Anzeichen für magische Begabungen bei einem Kind äußern. Dabei ist es unerheblich, ob das Kind aus direkter Linie von einem Magier abstammt oder mit einem Vetter oder Neffen des betreffenden verwandt ist, der keine eigenen Zauberkräfte geäußert hat. Denn meistens sind die seltenen Abkömmlinge von Zauberern, die keine Zauberkraft besitzen, dazu verdammt, in der Muggelwelt zu leben und hegen in der Regel eine große Abscheu gegen vollwertige Hexen und Zauberer."

"Ich verstehe", erwiderte Julius. Er verstand wirklich. Es gab nicht nur Kinder, die ohne magische Eltern zaubern konnten. Also gab es auch seltene Fälle, wo Kinder von Zauberern und Hexen überhaupt nicht zaubern konnten.

"Jetzt weiß ich zumindest, woher ich diese Sicherheit beim Besenflug habe", freute sich Julius.

"Das Ruster-Simonowsky-Phänomen vervielfacht die über lange Zeiträume schlumernden Begabungen aus zwei zusammentreffenden Blutlinien, in denen irgendwann mal Hexen oder Zauberer gelebt haben. Ich kann mir vorstellen, daß es dich nicht selten irritiert hat, wenn du Dinge tun konntest, die selbst geborene Zauberer und Hexen nicht so ohne weiteres zu Wege bringen.

Ich habe Professor Dumbledore und meinen Kollegen McGonagall und Flitwick bereits Eulen gesandt, um sie darüber zu informieren, woher deine außerordentlichen Gaben resultieren. Das war meine Pflicht als Lehrperson."

"Na gut! Haben Sie eigentlich nochwas von meinen Eltern gehört oder von Joe?" Fragte Julius.

"Deine Eltern scheinen darüber uneinig zu sein, wie sie mit dir verfahren sollen. Deine Mutter hat eine Posteule mit einer detaillierten Erklärung zurückgeschickt, daß sie deine weitere Ausbildung in Hogwarts unterstützen wird. Dein Vater mußte erst durch eine drastische Form der Mitteilung zu einer Antwort gezwungen werden, sich zu äußern. So wie die Dinge jetzt stehen, wirst du wohl nicht vor den nächsten Ferien zu deinen Eltern zurückkehren dürfen. Genaueres will man dir noch mitteilen. Im Moment sind sie mit der Quidditch-Weltmeisterschaft zu sehr beschäftigt. Ach ja, Catherine hat eine Posteule auftreiben können und läßt anfragen, wie du dich auf dem Sommerball gemacht hast. Ich fügte meiner positiv ausfallenden Antwort ein Foto von Claire und dir bei. Sie möchte dir noch persönlich auf Wiedersehen sagen, wenn sie und Babette zurückkehren. Joe wurde aus dem Krankenhaus entlassen. Er erhielt die strickte Anweisung, sich nicht über deinen Verbleib zu äußern und deinen Eltern gegenüber die Aussage zu bekräftigen, daß er mit dir einen Ausflug ans Mittelmeer unternehmen wollte und dabei den Autounfall erlitt. Er habe bei seinem Erwachen aus einer langen Bewußtlosigkeit einen Brief gefunden, in dem ihm mitgeteilt wurde, daß du zu unserer Welt gehörst und daher in die Obhut von Zauberern genommen wurdest. Den Rest erledigt das englische Zaubereiministerium."

Julius atmete tief durch, als Madame Faucon diese Auskünfte erteilt hatte. Dann fragte er:

"Was soll ich in Hogwarts erzählen, falls mich irgendwer dumm anquatscht? Die Hollingsworths und Gloria Porter wissen zwar, wo ich war, aber es gibt noch Leute, die meinen, das Maul weit aufreißen zu müssen, weil ihre Eltern mit wichtigen Ministeriumsleuten gut bekannt sind."

"Das Ministerium erteilt keine detaillierten Auskünfte über den Verbleib von Muggelstämmigen. Wenn du nichts erzählst, wird dich auch keiner behelligen. Ich habe den Eheleuten Porter und Madame Hollingsworth glaubhaft verdeutlichen können, daß es für dich vorteilhafter sei, wenn außer ihnen und ihren Kindern nur die Leute in Hogwarts erfahren, wo du deine Ferien verbracht hast, die dein Vertrauen genießen oder von Amtswegen darüber orientiert sein müssen, wie dein Hauslehrer und die Schulleitung."

"Ich habe schon befürchtet, daß der Tagesprophet in Riesenbuchstaben verkündet, wo ich wie mit wem meine Ferien verbracht habe. Nachher laufe ich Harry Potter noch den Rang ab, und das will ich garantiert nicht. Ich habe schon genug mit der hohen Stellung meiner Eltern zu tun."

"Kluge Einstellung! Der Ruhm der Welt vergeht so rasch und hinterläßt meistens ausgebrannte Seelen."

"Das habe ich schon irgendwo gehört. Wie gesagt, ich finde mich schon unheimlich genug, mit meinen Zauberkräften. Da muß ich nicht noch in der Zeitung stehen."

"Du findest was? Ich ging eigentlich davon aus, dir eine gewisse Selbstsicherheit vermittelt zu haben."

"Sicher", wandte Julius schnell ein. "Aber dadurch werden die letzten Jahre meines Lebens auch nicht aus meiner Erinnerung geworfen."

"Das ist ja auch nicht Ziel deiner Fortentwicklung. Wo du herkommst solltest du immer wissen. Es ergeben sich sehr viele Vorteile daraus, mit dem Wissen und den Erfahrungen seiner Vergangenheit zu leben, solange du weißt, in welche Richtung du dich fortentwickelst. Ich erinnere mich an heftige Streitgespräche mit Joe, der versuchte, gegen mich aufzubegehren. Er dürfte mittlerweile wissen, daß Babette zwar seine Tochter ist, aber er als Muggel nicht bestimmen kann, was sie lernen soll, solange es mit ihrer Zaubereiausbildung zu tun hat."

Julius nickte. Er stellte sich gerade vor, wie sich seine Eltern stritten, weil seine Mum wollte, daß er den eingeschlagenen Weg weiterging und sein Paps alles wieder umkrempeln wollte.

Am folgenden Tag trainierte er mit Claire, Virginie, Prudence und anderen Hexen und Zauberern seines Alters Quidditch. Sie bekamen sogar zwei kleine Mannschaften zusammen, die ohne zweiten Treiber und einen Sucher spielten.

Julius spielte in Claires Mannschaft und setzte sich immer wieder gegen Virginie durch, die auf ihrem Ganymed 8 zwar wendig war, aber nicht so schnell manövrierte wie Julius. Als es Virginies Mutter zuviel wurde, flog sie auf dem Ganymed 9, dem Paradebesen französischer Fertigung, in das Spiel hinein und nahm Virginies Platz als Hüter ein.

"Und Sie glauben, daß ich jetzt keine Tore mehr schießen kann, nur weil Sie sich vor den Torringen aufgebaut haben?!" Rief Julius der fülligen Dorfrätin zu, die wie eine große Fliege vor den Torringen herumschwirrte.

"Ich werde dich nicht dazu kommen lassen, Tore zu erzielen", erwiderte Madame Delamontagne und versuchte, Julius zu blockieren. Tatsächlich mußte Julius schnelle und geschickte Manöver fliegen, um gegen den ausgezeichneten Flugbesen und seine geübte Reiterin zu punkten. Manchmal ließ er den Ball gegen Madame Delamontagne prallen, um ihn beim Rückprall durch einen Torring zu bugsieren. Doch Virginies Mutter schnappte sich den Quaffel immer wieder und warf ihn in hohem Bogen ins Spielfeld zurück, wo ihre Tochter sofort versuchte, ein Tor zu erzielen, aber immer an Madame Dusoleil scheiterte, die ebenfalls mitspielte. Nur einmal schaffte Julius es, die Dorfrätin auszutricksen.

Ein Klatscher, der ihm galt, raste von hinten heran. Julius flog so, daß er genau auf Madame Delamontagne zuraste. Dann duckte er sich im allerletzten Augenblick. Er fühlte den Luftzug, den der schwarze Ball verursachte, als er keinen halben Meter über Julius hinwegraste, genau auf Madame Delamontagne zu, die sich kurz vor dem Zusammenstoß zur Seite warf und damit zwei Torringe preisgab. Julius warf den Quaffel lässig durch den rechten Torring und machte eine schnelle Wende, um nicht mit einem der Ringe zusammenzuprallen.

"Heh! Keinen Respekt, wie?!" Rief Madame Delamontagne. Julius lachte nur.

Die Partie ging 50 zu 50 aus. Alle Spieler waren total geschafft, als sie landeten. Claire fiel dabei voll auf die Nase, weil sie ihren Superbo 5 nicht richtig ausbalancieren konnte. Julius half ihr auf die Beine.

"Ich fürchte, ich werde nie eine gute Fliegerin", jammerte Claire, als ihre Mutter den Dreck aus ihrem Gesicht und ihren Haaren wischte.

"Ich habe das auch nicht von heute auf morgen gelernt", sagte Julius beschwichtigend.

"Wie wäre es, wenn ihr beiden mal alleine Flugübungen macht, um euch gegenseitig zu verbessern?" Fragte Madame Dusoleil leise, während Virginie und Prudence die Flugtechnik von Madame Delamontagne lobten.

"Kein Problem. Aber wo?" fragte Julius.

"Bei uns im Garten. Der ist groß genug", schlug Madame Dusoleil vor. Claire sah Julius mit bittenden braunen Augen an.

"Warum nicht. Durch das ganze Spiel komme ich nicht dazu, mich auf bestimmte Manöver zu konzentrieren", nahm Julius die Einladung an. Madame Delamontagne trat auf ihn zu und fragte:

"Sie wollten mir noch eine Revanche im Schach geben, Monsieur Andrews. Wäre Ihnen der sechste August genehm? Ich kann mit Ihrer derzeitigen Fürsorgerin abklären, daß Sie in meinem Haus zu Abend essen können und von mir zu einer festgelegten Zeit zurückgebracht werden."

Julius wußte, daß er sich nicht weigern durfte, wenn er keinen nachhaltigen Ärger mit der Dorfrätin haben wollte. So sagte er:

"Wenn Madame Faucon das erlaubt, stehe ich Ihnen natürlich zur Verfügung, Madame Delamontagne. Ich weiß ja nicht, wann ich noch dazu komme, die inoffizielle Revanche mit Ihnen zu spielen. Eine eigentliche Revanche könnte ich Ihnen ja nur beim nächsten Turnier geben. Ob ich dazu komme, denke ich nicht."

"Soweit voraus denke ich noch nicht. In Ordnung. Dann treffen wir uns übermorgen nach dem Mittagessen, so um drei Uhr?"

"Wie gesagt. Wenn Madame Faucon das erlaubt, dann ja", erwiderte Julius. Er wußte nicht, ob die Beauxbatons-Lehrerin nicht andere Sachen für ihn hatte.

Im Haus der Beauxbatons-Lehrerin berichtete Julius von den beiden Einladungen. Madame Faucon sah ihn prüfend an. Dann meinte sie:

"Merkst du was, Julius? Camille möchte dich gerne bei sich behalten und nutzt jede Gelegenheit, dich in ihr Haus zu holen."

"Achso, es geht um Madame Dusoleil. Ich dachte schon, Madame Dusoleil wollte mich mit ihrer Tochter Claire verbandeln", erwiderte Julius frech.

"Aus welchen Gründen?" Fragte Madame Faucon mit lauernder Stimme.

"Weiß ich doch nicht", gab Julius lässig zurück. Dann fragte er, wieso Madame Faucon glaube, daß Madame Dusoleil Wert darauf lege, Daß Julius sooft bei ihr sein solle.

"Du interessierst dich für ihre Leidenschaft, die Gartenkunde und die magischen Pflanzen. Du spielst Quidditch, was noch eine Leidenschaft von ihr ist. Außerdem kannst du für einen Jungen deines Alters, der im allgemeinen nicht viel Wert auf gesellschaftlichen Umgang legt, überdurchschnittlich gut tanzen. Auch das ist eine Leidenschaft von ihr, die sie an alle ihre Töchter weitergegeben hat."

"Damit hätten Sie auch eine Begründung für meine Vermutung", stellte Julius fest und grinste solange, bis Madame Faucon ihn kurz mit einem strengen Blick Respekt einflößte.

"Da Camille weiß, daß ich mir aufgetragene Verantwortungen stets mit vollem Einsatz trage, wird sie schon nichts anstellen, was ihr Unannehmlichkeiten mit mir einbringen könnte. Du darfst also mal wieder zu Madame Dusoleil. Aber vergiß nicht, deinen Vortrag über die Sonnenlichtversuche und die damit zusammenhängenden Experimente vorzubereiten!"

"Wann meinen Sie denn, sollte ich den Vortrag halten? Die Ferien gehen am 19. August zu Ende."

"Ich hoffe, dir keine unnötige Hektik abzuverlangen, wenn ich vorschlage, daß du am 13. August den Vortrag hältst."

"Hmm, könnte eng werden, aber nicht unmöglich", erwiderte Julius.

Am Abend musizierten Madame Faucon und Julius noch ein wenig, bis Julius vor lauter Gähnen nicht mehr richtig Luft zum Flötenspiel holen konnte und von Madame Faucon sehr bestimmt zu Bett geschickt wurde.

Er schaffte es gerade noch, seine Eule Francis aus dem Fenster zu lassen, bevor er vom harten Quidditch-Training und -spiel ins Bett fiel und sofort einschlief.

 

 

Am nächsten Morgen schrieb und probierte er im Rahmen des ihm vorgeschlagenen Vortrags. Er formulierte aus, was er sagen wollte und machte kurze Versuche dazu. Nach dem Mittagessen klingelte Madame Dusoleil an der großen Haustür von Madame Faucon und holte Julius ab. Julius flog ihr auf seinem Sauberwisch 10 nach, wobei sie ihn immer wieder zu verspielten Manövern verleitete.

"Dieser Besen von dir ist schon was tolles. Ich könnte mir vorstellen, daß dich mancher in deiner Schule darum beneiden wird."

"Denke ich nicht. Eine Hauskameradin wird sich wohl den neuen Komet 2/80 holen. Außerdem kommen sowohl mein Besen als auch der neue Komet nicht an den Feuerblitz heran."

"Den hat aber keiner bei euch. Der ist ja viel zu teuer für einen Schüler."

"Wie teuer denn?" fragte Julius.

"So um die 500 Galleonen kann man schon dafür hinlegen. Ich habe in einem Rennbesenmagazin gelesen, daß nur Profi-Mannschaften solche Besen beziehen, die genug Fördergelder kriegen."

Julius wäre fast von seinem Besen gerutscht, als er hörte, wie teuer der Feuerblitz war. Madame Dusoleil ließ sich sofort zurückfallen und blieb solange in seiner Nähe, um ihn möglicherweise aufzufangen. Als Julius seinen Besen wieder richtig im Griff hatte, sagte sie:

"Ja, das kann einen schon vom Besen holen."

"Nein, das nicht. Ich denke nur daran, daß Harry Potter, - ich meine, der hat den!" Rief Julius.

"Wen? Den Feuerblitz?!" Wunderte sich Madame Dusoleil.

"Ja, der hat einen. Sein alter Nimbus ist ihm beim ersten Schulspiel kaputtgegangen. Irgendwoher hat er dann einen Feuerblitz gekriegt. Flitwick und Hooch haben ihn erst untersucht, weil sie glaubten, der ausgebrochene Askaban-Häftling Black habe ihn geschickt und mit kleinen schwarzmagischen gemeinheiten gespickt. Doch immerhin konnte Potter damit die letzten zwei Spiele mitmachen und für sein Haus den Quidditchpokal gewinnen", sprudelte es aus Julius heraus.

Als Madame Dusoleil und Julius über dem Haus der Garten-Hexe flogen, sah Julius Mademoiselle Dusoleil mit Monsieur Dusoleil im Garten Schach spielen, während Denise, die jüngste Tochter von Madame Dusoleil, hinter einem ständig hüpfenden Ball herrannte. Claire stand am Fenster ihres Zimmers und winkte den Ankömmlingen zu.

Julius landete kurz vor dem Tisch, warf einen Blick auf das laufende Schachspiel und sagte nur:

"Matt in sechzehn Zügen."

"Für wen?" Fragte Monsieur Dusoleil erschrocken.

"Sage ich nicht. Nachher werfen Sie mir noch vor, Sie oder Ihre Schwester um den Spaß gebracht zu haben. Ich sah das nur gerade."

"Ich hörte, du spielst morgen gegen Eleonore. Besteht die Möglichkeit, daß du mir auch noch eine Revanche geben kannst?" Fragte Mademoiselle Uranie Dusoleil.

"Uranie, hat Julius nicht schon genug Schach gespielt. Nachher sieht er vor lauter schwarzen und weißen Quadraten die Welt nicht mehr", protestierte Madame Dusoleil lachend.

"Ich kann auch Madame Faucon fragen, ob sie ihn mir ausleiht", warf Mademoiselle Dusoleil ein. Julius räusperte sich und sagte:

"Noch gehöre ich Madame Faucon nicht. Wäre ja noch schöner. Nachher adoptiert sie mich noch, und ich werde Babettes Onkel. Das verhüte der große Meister im Himmel."

"Babette ist doch toll", quiekte Denise Dusoleil und winkte dem offenbar verzauberten Hüpfball, Julius gegen den Bauch zu springen.

"Ja, sie ist lieb. Das vor allem, wenn sie schläft", sagte Julius und versuchte, das lästige Spielzeug der kleinen Hexe zu fassen zu kriegen, was jedoch mißlang, weil sich der Ball andauernd aus seinem Griff drehte und sofort einen Satz nach oben und zur Seite tat.

"Willst du mit meiner Schwester spielen oder mir deine geheimen Tricks auf dem Besen zeigen?" Fragte Claire Dusoleil, die ihren Superbo 5 über der Schulter trug.

"Sehe ich aus wie ein Kindermädchen?" Fragte Julius leicht gereizt. Dann trat er unvermittelt nach dem verhexten blauroten Ball und traf ihn mit voller Wucht. Der Ball flog davon, drehte sich mehrmals und taumelte dann wie benommen zu Boden, wo er mehrfach links und rechts herum kullerte, bis er ruhig liegenblieb.

"Mensch, du hast ihn kaputtgemacht!" Plärrte Denise und schüttelte ihre kleinen Fäuste gegen Julius.

"Blödsinn!" Übertönte Claire das Geplärre ihrer fünfjährigen Schwester. "Der Ball hat nur die Wucht zu verdauen, mit der Julius ihn aus der Bahn geschossen hat."

"Das ist kein Fußball. Hat der irgendwelche schwarzen und weißen Stellen?"

"Denise, ist gut jetzt!" Würgte Madame Dusoleil das Gezeter ihrer jüngsten Tochter ab. Dann tippte sie den liegenden Ball mit ihrem Fuß an, und das verzauberte Spielzeug hüpfte wieder in die Höhe.

"Mit meiner jüngsten Schwester hast du es dir jetzt verscherzt", grinste Claire, als sie eine Minute später mit ihm über dem Garten herumflog. Julius gab nur was von sich das wie "Da kommt sie schon drüber weg" klang.

Unter der Aufsicht von Madame Dusoleil zeigte Julius Claire, wie man einen Flugbesen durch einfachste Handstellungen zu unterschiedlichen Manövern antreiben konnte.

"Das hat unser Fluglehrer nie richtig mit uns durchgenommen. Wir sind zu dreißig Leuten in der Flugklasse gewesen", sagte Claire.

"Wir auch. Aber unsere Fluglehrerin hat schon jeden einzeln richtig rangenommen, bis jeder das gelernt hat, was sie ihm oder ihr beibringen konnte", entgegnete Julius und hielt sich auf derselben Höhe wie Claire, keine zwei Meter neben ihr fliegend. Madame Dusoleil flog hinter den beiden herum. Julius griff unvermittelt mit der linken Hand hinter sich an den Besenstiel und drehte einen übergangslosen Looping über Madame Dusoleil hinweg, unter ihr durch und pendelte sich rechts neben Claire wieder in Normallage ein.

"Was sollte das jetzt?" Fragte Madame Dusoleil und rauschte neben Julius.

"Ich wollte nur mal das Springfeld-Manöver austesten. Ging ganz gut"", sagte Julius ruhig.

"Was ist denn das, das Springfeld-Manöver?" Fragte Claire.

"Das ist ein Flugmanöver, bei dem du sofort einen vollen Kreis fliegen kannst und ganz gezielt an einem Punkt aus dem senkrechten Kreis wieder herausfliegst, was Julius eben vorgeführt hat. Das war das, was er gemacht hat, als er gegen Madame Delamontagne das Tor gemacht hat", erläuterte Madame Dusoleil sofort.

"Ja, Madame Hooch, unsere Fluglehrerin, hat uns dieses Manöver immer nur bei 100 Stundenkilometern fliegen lassen. Da ist es zwar für gedacht, aber nicht so im einzelnen nachvollziehbar, weil da eben noch viel schneller umgegriffen werden muß", ergänzte Julius noch.

"Wir haben dieses Manöver nie geflogen. Loopings mußten wir immer aus Körperhaltungsänderungen heraus fliegen", sagte Claire. Dann ließ sie sich von Julius zeigen, wie sie ohne zur Seite zu kippen die Handstellung ändern konnte, um nicht nur den Genauigkeits-Looping zu fliegen, sondern auch Wellenreiter, Sprünge wie über eine Welle hinweg, zu fliegen.

"Aurora hat mir mal was von einer Zwei-Achsen-Wende erzählt, die sie in Hogwarts erstmalig ausgefeilt hat. Hast du sie mal bei ihr gelernt, Julius?" Wollte Madame Dusoleil wissen.

"Nein, habe ich nicht. Miss Dawn, Aurora meine ich, hat mir nur die Flugmanöver gezeigt, bei denen ich nicht sofort vom Besen falle, wenn ich es nicht gleich richtig bringe. Ist auch nicht so schlimm, wenn ich was nicht kann."

"Dann wird sie dir dieses Manöver mal zeigen. Ich gehe stark davon aus, daß du bei ihr weiterhin Unterricht haben wirst, wenn Ferien sind, oder?"

"Ich fürchte, Madame Dusoleil, da könnten Sie voll danebenliegen. Meine Eltern haben mich nicht nach Frankreich geschickt, um mich mit Aurora Dawn zusammentreffen zu lassen, wenn Sie verstehen, was ich meine", sagte Julius und tanzte auf seinem Besen kurz einen Twist.

"Ja, ich verstehe natürlich. Immerhin haben wir beide uns lange unterhalten, als sie hier war. Es hat mich gefreut, daß sie statt der Quidditch-Weltmeisterschaft den Weg nach Millemerveilles gefunden hat. Nun denn, zeig mal, was du so für Landemanöver kannst!" Forderte Madame Dusoleil von Julius. Dieser nahm Anlauf, fegte im Hochgeschwindigkeitsflug quer über den großen Garten hinweg und bremste dann so heftig ab, daß sein türkisfarbener Umhang ihm fast um den Kopf flog, bevor es aus 20 Metern steil nach unten ging und ohne Restschwung auf der großen Wiese endete, wo Julius federnd landete.

"Kann ich das auch lernen? Maman treibt uns immer so an, daß ich entweder zu lange herumfliegen muß, bis ich auf eine angenehme Geschwindigkeit gebremst habe oder verleitet mich zu merkwürdigen Landungen, bei denen ich fast immer vom Besen kuller", sagte Claire, nachdem sie neben Julius gelandet war. Ihre Mutter flog derweil große Kreisbahnen über ihnen, während Denise mit ihrem verzauberten Hüpfball schnell in eine Ecke des Gartens eilte, wo sie weit genug von Julius und seinem wuchtigen Fuß spielen konnte.

"Schachmatt!" Triumphierte Monsieur Dusoleil gerade. "Du hattest recht, Julius! Es waren nur sechzehn Züge!"

"Ich werde mit Eleonore sprechen, daß du nächstes Jahr unbedingt wieder am Turnier teilnehmen mußt. Deine Beobachtungs- und Analysegabe ist ja bemerkenswert."

"Wenn sie als Vierjähriger in einen Trog mit eiskaltem Wasser geworfen werden, lernen Sie schnell, wie man strampeln muß, um sich wieder herauszuarbeiten, ohne vorher zu erfrieren", sprach Julius in Rätseln.

"Wie bitte?!" Staunte Mademoiselle Dusoleil.

"Uranie, der Junge hat doch schon mit vier bei seiner Mutter Schach gelernt. Das hat dir Eleonore doch kurz vor dem Turnier noch erzählt", wußte Monsieur Dusoleil.

Julius schwirrte gerade wieder mit seinem Besen nach oben, wo er sich die Frechheit gönnte, Madame Dusoleil von links unten nach rechts oben keinen Meter vor dem Vorderende ihres Besens den Weg zu durchkreuzen. Das veranlaßte die Gartenspezialistin dazu, Julius zu jagen. Claire konnte nur nebenherfliegen und zusehen, wie ihre Mutter und der Junge aus England mit schnellen Sturz- und Steigflügen, Haken zu den Seiten oder nach oben oder unten, beinahe Punktwendungen und im Kopfstand einander zu erwischen versuchten. Dann flog Julius neben Claire her. Madame Dusoleil hielt sich hinter den beiden und beobachtete, wie Julius der Gleichaltrigen ohne lehrerhaftes Gerede an einfachen Beispielen zeigte, wie sie sich besser auf dem Besen halten konnte. Dabei berührten sich ihrer beiden Hände einmal auf Claires Besen, während sie etwa 15 Meter über dem Anwesen der Dusoleils dahinglitten, im ganz gemächlichen Tempo. Unvermittelt griff Claire mit der linken Hand die rechte Hand von Julius und streckte ihren linken Arm zur seite weg, so das Julius ungewollt nach links fortgedrückt wurde. Er wollte seine Hand aus Claires Griff lösen, doch diese schüttelte den Kopf und sagte leise:

"Parallelflug einhändig. Das haben Jeanne, Maman und ich schon dutzendmal gemacht. Ich denke, da kann ich dir noch was beibringen."

Julius nahm die Einladung an, etwas neues zu lernen und ließ sich führen, wie ein Tanzschüler, der mit einer erfahrenen Partnerin einen neuen Tanz einstudiert. Madame Dusoleil sah dem ganzen ohne Worte zu und hielt sich im Hintergrund. So flogen Julius und Claire eine Minute lang Hand in Hand nebeneinander her, beschrieben sanfte Kurven, die Julius nach dem dritten Mal ohne Ankündigung mitflog, einfach auf Grund der leichten Arm- und Körperverlagerungen seiner Flugpartnerin. Erst als Madame Dusoleil ihren Abstand auf eine Besenlänge verkürzte, ließ Claire Julius' Hand los, der unvermittelt zur Seite wegtrudelte, bis er seinen Besen wieder im Griff hatte und sicher seinen Flug fortsetzte.

"Du siehst so aus, als hätte dir das gefallen, Julius", säuselte Madame Dusoleil, als sie an Julius' linker Seite längseits kam. Julius schluckte, weil ihm die Situation doch etwas merkwürdig vorkam. Bis kurz vor Madame Dusoleils Bemerkung hatte er diesen Flug Hand in Hand wie ein Spiel zwischen Kindern aufgefaßt. Doch als Madame Dusoleil neben ihm flog und ihn angrinste, als habe sie eine schöne Überraschung für ihn, war er sich nicht mehr sicher, ob es ein Spiel war, und wenn ja, wer dafür die Regeln machte.

"Sowas durften wir in Hogwarts nicht, weil das zu unanständig aussehen könnte. Da könnte sich ja jemand irgendwas denken, wo nichts ist", erwiderte Julius endlich auf die Bemerkung der Gartenhexe.

"Unanständig sähe das aus, wenn du versuchen würdest, von hinten auf einen anderen Besen zu springen, während er fliegt. Oder genau umgekehrt. Das eben war harmlos."

"Na ja, glaube ich nicht so richtig. Ich denke sogar, daß ich das Madame Faucon nicht erzählen könnte, ohne rot anzulaufen", flüsterte Julius.

"Da dürftest du recht haben. Es könnte gewisse Erinnerungen bei ihr heraufbeschwören, die schon einige Jahrzehnte her sind", erwiderte Madame Dusoleil im Flüsterton. Claire, die nicht verstand, was ihre Mutter zu geheimnissen hatte, fragte genervt, worum es ging. Madame Dusoleil sagte unvermittelt:

"Ich habe Julius nur Mut zugesprochen, damit er gleich ausprobiert, ob er mit dir auf dem Besen fliegen kann. Da ihr durch die bemerkenswerte Harmonie auf dem Sommerball und den Parallelflug eben bewiesen habt, daß ihr euch gut aufeinander abstimmen könnt, wäre es nicht schwer ..."

"I-ich soll ...? Aber das kann ich doch nicht", wimmerte Julius, der von dieser Neuigkeit alles andere als begeistert war.

"Du kannst erst behaupten, etwas nicht zu können, wenn du es ausprobiert und nicht geschafft hast", erwiderte Madame Dusoleil.

"Camille, laß den Jungen doch in Ruhe! Du verlangst von einem dir fast fremden, daß er das umsetzt, wozu du damals ein halbes Schuljahr gebraucht hast", mischte sich Monsieur Dusoleil in die Unterhaltung ein.

"Ich darf keinen Sozius mitnehmen. Madame Hooch hat uns gesagt, daß dafür Sonderflugstunden mit Prüfungen genommen werden müssen. Prudence hat gesagt, daß sie diese Prüfung erst vor kurzem ..."

"Ja, aber mit einem leblosen Kartoffelsack auf dem Besen zu trainieren ist was völlig anderes, als eine richtige Person mitzunehmen. Außerdem, Monsieur Dusoleil: Wer war denn nach den Osterferien so niedergeschlagen, weil unsere zweite Tochter nicht sofort alles das gezeigt hat, was Jeanne in den ersten drei Wochen ihrer Schulzeit gelernt hat?"

"Der Junge hat doch Angst. Er könnte mit Claire vom Besen fallen", wandte Monsieur Dusoleil lautstark ein.

"Das muß ich wohl zugeben", sagte Julius, während Claire unbemerkt an ihn heranflog, das linke Bein hinter Julius über dessen Besen schwang und sich dann mit schnellem Griff der linken Hand vor Julius bauch am Sauberwisch 10 festklammerte. Keine Sekunde später saß Claire hinter Julius auf dessen Besen und hielt sich mit beiden Händen richtig fest, während der Sauberwisch erst nach hinten und dann nach unten durchsackte, so daß Julius fast mit seiner ungebetenen Mitfliegerin abgestürzt wäre. Eine reflexartige Bewegung der Beiden warf den Sauberwisch wieder in die Waagerechte, und Julius konnte die Richtung wieder kontrollieren, wenngleich er Probleme mit der zusätzlichen Last bekam und nicht mehr so gut steuern konnte. Claires Besen trieb derweil führerlos über den Garten dahin. Madame Dusoleil holte ihn mit ihrem Besen ein und drückte ihn auf den Boden hinunter, bevor sie schnell wieder aufstieg, um dem, was sie angezettelt hatte, weiter zuzusehen und bei einem möglichen Unfall sofort zur Stelle zu sein.

"Fliegender Wechsel. Das haben Jeanne und Maman mal mit mir ausprobiert. Ich bin von Mamans auf Jeannes Besen umgestiegen. War ganz lustig."

"Mädchen, wir hätten voll abstürzen können", zeterte Julius, der sich konzentrierte, die Balance des Besens neu zu erfahren und drauf und dran war, zu landen.

"Halt, Monsieur. Unter vier Metern Flughöhe sind Sie im Moment nicht freigegeben", vereitelte Madame Dusoleil das Vorhaben, die unerwünschte Übung zu beenden. Sie flog so, daß sie Julius den Weg nach unten verlegen konnte.

"Komm! Das ist doch gut!" Spornte Claire Julius an und half ihm durch leichte Lageveränderungen, ihr Gewicht so zu verlegen, daß Julius einigermaßen steuern konnte, ohne abzuschmieren. Die Anspannung zehrte den Jungen beinahe aus. Er mußte sich anstrengen, um nicht zu zittern. Madame Dusoleil ließ ihn erst nach fünf Minuten Flug landen, was ihm gerade noch so gelang, bevor er den Halt seines Besens verlor.

"Camille! War das jetzt nötig?" Kam eine herrische Frauenstimme vom Gartentor her. Madame Dusoleil wirbelte herum und sah Madame Faucon, die mit ernstem Gesicht durch das Gartentor eintrat und mit weit ausgreifenden Schritten auf Julius zueilte.

"Hallo, Blanche! Wußte gar nicht, daß du mich besuchen wolltest. Deine Frage beantworte ich gerne. Es war zwar nicht nötig, aber möglich und machbar. Aurora hatte recht. Der Junge muß sich nicht verstecken. Außerdem war ich immer in der Nähe. Denkst du, ich würde meine eigene Tochter einer Gefahr aussetzen?"

"Du weißt genau, daß ich für den Jungen verantwortlich bin und das sehr pflichtbewußt erfülle, auch über die mir aufgetragenen Aufgaben hinaus. Du hättest mir zumindest sagen können, daß du Julius zum Soziusfliegen heranziehen wolltest."

"Wie sind Sie denn hergekommen, Madame Faucon?" Fragte Julius.

"Ich habe dein Verbindungsarmband überwacht, weil es eine große Anspannung verraten hat. Als diese Anspannung in eine steigende Beklemmung umgeschlagen ist, habe ich beschlossen, sofort herzukommen."

"Wie gesagt, Blanche: Ich würde Claire oder eine meiner anderen Töchter keiner Gefahr aussetzen, die ich nicht mehr beheben kann. Außerdem hat es wunderbar funktioniert. Schließlich hast du ja auch nicht sofort eingegriffen, oder bist du jetzt erst appariert?"

"Nein, ich stand wirklich schon zwei Minuten vor der Gartentür, weil ich wußte, daß es die Lage nur verschlimmern würde, wenn ich Julius oder dich anrufe. Ich habe gesehen, daß du Julius Andrews nicht landen lassen wolltest. Seit wann hast du eine Lehrerlaubnis für Besenflug?"

Julius zog sich von Madame Faucon und Madame Dusoleil zurück, die sich eine offene Auseinandersetzung lieferten, wer wie verantwortungslos oder riskant gehandelt hatte. Claire winkte Julius zu, an den großen Tisch zu kommen, wo Mademoiselle Dusoleil vor einem leeren Schachbrett saß.

"Junger Mann, setzen Sie sich!" Forderte die Tante von Claire den Hogwarts-Schüler auf. Dieser nahm Platz. Claire schlüpfte rechts neben ihm auf einen freien Stuhl und tätschelte ihm die rechte Schulter.

"Hattest du wirklich Angst? Das war doch nicht so schlimm", sagte Claire.

"Hat deine Mutter dir gesagt, daß du mir hinten auf den Besen springen sollst? Ich meine, ich kenne das ja, als Kind von Erwachsenen herumkommandiert zu werden. Aber meinst du nicht, daß die Nummer vorher hätte geprobt werden sollen?"

"Was hättest du denn gesagt, wenn Maman gesagt hätte, daß sie möchte, daß du mit mir oder ich mit dir zusammen auf einem Besen fliege?"

"Das ich das nicht kann", raunzte Julius Claire an und tupfte sich schnell ein paar kalte Schweißperlen von der Stirn. "Deine Mutter kann doch nicht sagen, daß jemand, der alleine gut fliegen kann, mit wem anderem auf dem Besen genausogut fliegt."

"Kann sie doch", widersprach Claire schnell und überzeugt. "Sie hat immerhin in Beauxbatons Quidditch gespielt und dabei auch Besenkunstflug gelernt. Deine australische Brieffreundin Aurora Dawn hat nach deinem Quidditchspiel auch gesagt, daß du alles auf einem Besen machen könntest, wenn das Fluggerät gut verarbeitet ist."

"Na klar, die ist ja auch Krankenschwester. Aber sie ist nicht hier, um uns zusammenzuflicken, wenn es uns vom Himmel geholt hätte", erwiderte Julius.

"Du fliegst beim Quidditch wilde Manöver, ohne so rumzuzetern. Was ist denn los? Das ging doch gut. Außerdem hätte ich Mamans Vorschlag bestimmt nicht angenommen, wenn ich nicht sicher gewesen wäre, daß du mich nicht fallen läßt."

"Verdammt, ich mag das nicht, wenn mich jemand so überrumpelt!" Zischte Julius. Mademoiselle Dusoleil räusperte sich energisch, sagte jedoch kein Wort.

"Maman hat dir doch gesagt, daß wir das ausprobieren sollen. Das war doch keine Überrumpelung", entgegnete Claire zuckersüß.

"Komm, jetzt stell es nicht so hin, als hätte ich nicht richtig zugehört! Ich habe deiner Mutter gesagt, daß ich das nicht kann. Anstatt mich erst einmal landen zu lassen und mich richtig anzuhören, hast du gemeint, dich hinter mir auf den Besen schwingen zu müssen. Wenn ich alleine herumfliege, ist das mein Ding, wenn ich dabei abstürze oder wogegenknalle."

"Achso, da haben wir's", triumphierte Claire. "Du bist wütend, weil du Angst um mich hattest. Du wolltest keine Verantwortung für mich übernehmen."

"Das auch. Aber ich mag es auch nicht, wenn mir wer eine Falle stellt. Das habt ihr beiden nämlich getan", knurrte Julius. Mademoiselle Dusoleil sah hinüber zu ihrer Schwägerin und der Beauxbatons-Lehrerin, die sich immer noch genauso heftig stritten wie Julius sich mit Claire. Dann sagte sie:

"Bevor ihr euch noch weiter zankt, zwei Sachen:

Einmal ist es nicht dein Ding, Julius, wenn du mit einem Besen abstürzt oder gegen etwas oder jemanden prallst. Da gibt es bestimmt genug Leute, die das nicht wollen, daß dir was zustößt und die sich Sorgen machen, wenn du meinst, ungehemmt herumzufliegen.

Zweitens bist du nicht abgestürzt, was beweist, daß Camille dich richtig eingeschätzt hat. Du hättest doch bestimmt gesagt, daß du dich nicht traust, von jetzt auf nachher mit einem Flugpartner zu üben, oder?"

"Na klar", bestätigte Julius sofort.

"Jetzt weißt du, daß es funktioniert", sagte Mademoiselle Dusoleil ruhig.

"Außerdem war das keine Falle, sondern nur der nächste Schritt", stellte Claire noch einmal klar. Julius wollte noch etwas sagen, doch Claire sagte noch:

"Aber ich finde es mutig, das du zugibst, daß du Angst um mich hattest. Andere Jungs hätten versucht, Maman oder sonstwem andauernd vorzuwerfen, ihnen zuviel abzuverlangen."

Darauf wußte Julius nichts mehr zu sagen, ohne sich selbst in eine unübersichtliche Situation zu bringen. Er schwieg für einige Sekunden. Dann sagte er:

"Ja, es hat geklappt. Wir hatten beide mehr Glück als Verstand. Wenn du dich traust, können wir es noch mal probieren. Aber bitte nicht wieder im Flug. Da geht einem ja der ..." Mademoiselle Dusoleil räusperte sich erneut und sah Julius sehr vorwurfsvoll an. Julius änderte seinen Satz dahin:

".. da geht leicht was schief, wenn unvorbereitete Sachen ausprobiert werden."

"Das ist doch ein Wort", sagte Claire Dusoleil.

Sie lauschten dem fortlaufenden Streit zzwischen Madame Faucon und Madame Dusoleil. Offenbar fanden die beiden erwachsenen Hexen keinen richtigen Schluß, ohne sich selbst geschlagen geben zu wollen. Madame Faucon beharrte darauf, daß ihrem Schutzbefohlenen keine unzumutbaren Sachen aufgebürdet werden sollten und erhielt zur Antwort, daß gerade sie das nötig habe, sowas zu verlangen.

".. Wer hat denn Julius indirekt darauf angesetzt, sich in die Verteidigung gegen die dunklen Künste einzuarbeiten. Ich weiß, daß du Kontakt mit den Lehrern von Hogwarts hast. Haben die dir etwa den Auftrag erteilt, Julius in den wohlverdienten Ferien noch mehr Aufgaben aufzuhalsen?"

"Indirekt. Wie genau, darauf gehe ich nicht ein. Aber im Gegensatz zu dir, Camille, handel ich nicht aus Neugier und Enthusiasmus heraus, um zu sehen, wie weit ich gehen kann, bevor die Grenze überschritten ist, sondern gehe mit Bedacht vor. Damit will ich nicht deine Kompetenz auf diversen Gebieten in Frage stellen, sondern nur meine Besorgnis bekunden, daß du im Eifer deiner Experimentierlaune zu weit gehen könntest, ohne es früh genug zu merken."

"Was den Besenflug angeht, Blanche, habe ich mir das sehr genau überlegt. Genau wie du habe ich Julius als einen aufgeweckten und sehr lerneifrigen Jungzauberer kennengelernt, der sicher noch nicht alles auf Anhieb kann, was ältere Zauberer und Hexen zu Wege bringen. Aber er kann schnell lernen, wenn ihm jemand zeigt, daß er das Talent dazu hat. Du hast recht, daß ich Julius nicht gut genug kenne, um alles richtig einschätzen zu können. Aber eines ist mir doch aufgefallen: Unser junger Gast möchte alles ausprobieren, wenn jemand da ist, der ihm die Mittel an die Hand gibt, kontrolliert zu experimentieren."

Auf diese kurze Beurteilung, bei der Claire leise kicherte und Julius errötete, folgte erst einmal eine halbe Minute Schweigen. Offenbar mußte sich Madame Faucon eine Antwort überlegen, die nicht überheblich klang aber auch nicht den Eindruck vermittelte, daß sie sich in die Enge getrieben fühlen könnte. Dann sagte Madame Faucon:

"Camille, das mag ja alles soweit stimmen oder auch nicht. Tatsache ist, daß du den Jungen ohne sein Einverständnis zu etwas angehalten hast, daß er nicht eingehen wollte, eben aus berechtigter Vorsicht. Es stürzen täglich Spieler beim Quidditch ab, gute Spieler, die Jahre trainiert und gespielt haben. Wenn du also möchtest, daß Julius mit deiner jüngeren Tochter im Tandemverbund fliegt, so frage ihn vorherr und hilf ihm dabei, wenn er zustimmt, damit er seine Leistungsgrenzen in der gebotenen Ruhe erfährt, ohne Angst oder Bedrängnis!"

"Blanche, ich weiß, daß du dich immer darum bemühst, die dir anvertrauten Schüler sorgfältig zu unterrichten und auch für ihre nichtschulischen Tätigkeiten Sorgfalt walten läßt. Wir haben das ja alle mitbekommen, daß du Julius zu recht daran erinnert hast, zwischen den Tänzen etwas zu trinken. Auf mich wollte er ja nicht hören."

"Dann schließen wir also folgenden Kompromis: Du sprichst jede Flugübung vorher mit Julius ab, damit er nicht den Eindruck hat, gegen seinen Willen in Gefahren getrieben zu werden. Der Junge ist schon gestraft genug, aber das nur nebenbei. Falls ich mitbekomme, daß du ihn auf Grund irgendeiner Laune heraus erneut zu irgendwas antreiben willst, was er nicht notwendigerweise machen muß, muß ich davon ausgehen, daß Julius Andrews bei dir nicht gerade gut aufgehoben ist."

"Nein, nicht schon wieder diese Leier. Damit kannst du Jeanne beeindrucken. Mich hast du damals, wo ich noch zur Schule ging, zwar auch beeindruckt, aber mittlerweile liegen da einige Jahre zwischen, so daß ich sagen kann, daß ich wohl weiß, wie weit ich bei Kindern gehen kann, ohne ihnen Angst zu machen."

"Das habe ich mitbekommen", knurrte Madame Faucon. Madame Dusoleil lachte nur und sagte:

"Worum zanken wir uns eigentlich? Fragen wir Julius doch selbst, oder ist er dir dafür noch nicht reif genug?"

"Ich glaube, wir haben unterschiedliche Auffassungen von Reife. Du vergißt immer wieder, daß Julius erst bei Beginn seiner Ausbildung in Hogwarts mit unserer Welt Bekanntschaft gemacht hat. Vieles, was für dich und mich alltäglich und einfach erscheint, ist für ihn noch immer schwer zu begreifen. Aber du sollst ausnahmsweise deinen Willen bekommen, im Rahmen gutnachbarschaftlicher Beziehungen, Camille. Julius, komm bitte zu uns herüber!"

Julius, der auf dieses Stichwort gewartet hatte, glitt unverzüglich von seinem Stuhl und eilte zu den beiden Hexen hinüber. Madame Faucon faßte ihn scharf ins Auge, während Madame Dusoleil ihn anlächelte, wie eine Mutter, die ihrem Kind was wichtiges abverlangte, von dem sie glaubte, daß es keine Probleme bereiten würde.

"Madame Dusoleil vertritt die Auffassung, dich nicht überfordert zu haben. Wie siehst du rein wissenschaftlich das Experiment, dem du dich unterzogen hast?" Wandte sich Madame Faucon an Julius.

"Ich habe keine Probleme damit, Sachen auszuprobieren, wenn ich der einzige bin, der dabei was abkriegen kann."

"Dann findest du, daß du durchaus bereit warst, neue Flugpraxis zu bekommen, aber vonAngst vor einem möglichen Fehler gehemmt bist?" Fragte Madame Dusoleil.

"Wie gesagt, um mich habe ich in dem Moment keine Angst gehabt. Ich fand es nur unangenehm, wie Sie Ihre Tochter dazu gebracht haben, sich ungefragt und ohne Vorwarnung hinter mich auf den Besen zu setzen. Ich hätte bestimmt versucht, mit einer unbelebten Last zu üben, bevor ich mir wen anderen auf den Besen geladen hätte. So geht das doch. Meine Eltern haben das Autofahren auch nicht gleich so gelernt, daß sie, kaum daß sie Steuerrad und Gaspedal benutzen konnten, auf einer vielbefahrenen Autobahn gefahren sind."

"Bitte was?" Fragte Madame Dusoleil. Julius genoß es, ihre Sicherheit durch eine Bemerkung aus der Nicht-Zaubererwelt ausgehebelt zu haben. Madame Faucon erläuterte der Gärtnerei-Hexe, was Autos waren und daß Catherine selbst ein derartiges Fahrzeug zu fahren gelernt hatte. Dann fragte Madame Dusoleil:

"Würdest du denn jetzt, wo du mitbekommen hast, wie es sich anfühlt, mit einer zusätzlichen Person auf dem Besen zu sitzen, diese Flugübungen weiterführen, falls Madame Faucon dies erlaubt?"

"Ich weiß nicht. Im Moment bin ich nicht sonderlich beruhigt, nur weil ich nicht abgestürzt bin", sagte Julius.

"In sechzehn Tagen sind die Sommerferien zu Ende. Bis dahin kann der Junge unmöglich so sicher werden. Ich würde davon Abstand nehmen, Camille!" Sagte Madame Faucon.

"Du hast natürlich recht, Julius. Niemand kann und darf von dir etwas verlangen, wovor du dich fürchtest, solange es nicht lebensnotwendig ist, daß du es beherrschst. Ich gehe davon aus, daß in Hogwarts Kurse für Tandemflüge angeboten werden. Ich ging nur davon aus, daß du gerne Fortschritte machst, wenn sich Gelegenheiten dafür bieten. Immerhin lernst du ja in den Ferien Zaubersprüche und Kräuterkunde."

"Ja, aber dabei kann ich nicht aus zwanzig Metern Höhe abstürzen", erwiderte Julius. Dann sagte er:

"Ich möchte das schon lernen, wenn ich die Möglichkeit habe. Aber ich möchte nicht, daß Claire oder sonst jemand, der genau wie ich erst ein Jahr geflogen ist, zu mir auf einen Besen steigt. Entweder übe ich erst mit einer schweren Last, oder jemand, der viel mehr Erfahrung hat als ich, begleitet mich. Sonst mache ich das nicht."

"Kein Problem", sagte Madame Dusoleil und fischte mit ihrer linken Hand nach dem Ganymed 8 von Jeanne, den sie benutzt hatte, um Julius und Claire zu beobachten und zu unterweisen.

"Du möchtest das also tatsächlich erlernen, Julius?" Fragte Madame Faucon. Julius hörte daraus eine gewisse Beklemmung heraus, auch wenn die Beauxbatons-Lehrerin sich um einen gefühlsneutralen Tonfall bemühte.

"Wie gesagt, wenn ich nicht mit anderen Kindern fliegen muß, die mit mir abstürzen können, mache ich das."

"Dann ist es in Ordnung. Dann werde ich mit dir fliegen", bot sich Madame Dusoleil an. Madame Faucon sah sie vorwurfsvoll an, nickte dann jedoch.

"Sie hatten immer schon einen bemerkenswerten Dickschädel, Madame Dusoleil. Da Sie Julius dazu angestachelt haben, wider jede Vernunft Dinge zu beschleunigen, für die er genug Zeit in Hogwarts hätte, gestatte ich das von ihm beschriebene Fluglernverfahren, damit Sie nicht auf unkontrollierbare Möglichkeiten verfallen. Gestatten Sie mir bitte, diese Übungsstunde zu beobachten!"

"Das kann ich dir nicht verbieten, Blanche. Nachher hetzt du mir noch die Leute vom Amt zum Schutz der magischen Jugend auf den Hals, weil du dich gesetzeswidrig um deine Fürsorgepflicht geprällt fühlst. In Ordnung. Julius, fühlst du dich soweit in Ordnung, um mit einer etwas größeren Hexe zu fliegen?"

"Eine alte Schulfreundin von mir, die gerne reitet, hat mir einen Spruch erzählt, daß jemand, der einmal vom Pferd gefallen ist, sofort wieder aufsteigen soll, damit er die Angst überwindet."

"Dann komm zu mir!" Erwiderte Madame Dusoleil und winkte mit einer Hand. Die andere Hand hielt den Besenstiel des Ganymed 8. Claire und ihre Tante Uranie traten hinzu und sahen, wie Julius zuerst auf den französischen Rennbesen stieg und erst einmal einen Meter aufstieg, dann wieder landete. Madame Dusoleil kündigte an, sich nun hinter ihn aufzuschwingen und brachte Julius in eine Sitzposition, aus der er sich besser ausbalancieren konnte. Dann stießen sich beide gleichzeitig ab. Claire eilte zu ihrem Superbo 5, um auf gleicher Flughöhe zu fliegen wie ihre Mutter. Madame Faucon sah Mademoiselle Dusoleil an und wisperte:

"Deine Schwägerin hat es einmal geschafft und immer wieder, mich gegen jede Vernunft zu tollkühnen Aktionen zu überreden, nur damit sie nicht unkontrolliert genau das tut, was sie nicht tun soll."

"Immerhin hast du uns damals in Beauxbatons ziemlich hart geführt und ihr nicht alles durchgehen lassen, Blanche. Soll ich dir meinen Einkaufsbesen holen, damit du auf gleicher Höhe fliegen kannst?"

"Nicht nötig. Ich nehme mir die Freiheit, den Wunderbesen unseres jungen Gastes zu entleihen, solange Camille ihn auf Jeannes Besen herumfliegen läßt", sagte Madame Faucon und schwang sich auf Julius' Sauberwisch 10. Federnd stieß sich die Beauxbatons-Lehrerin ab, flog erst einmal einfache Manöver in geringer Höhe, um ein Gefühl für den Besen zu bekommen und stieg dann im Spiralflug nach oben, wo in fünfzehn Metern Höhe Julius unter den beruhigenden Worten Madame Dusoleils Richtungsänderungen, Steigungs- und Neigungswinkel und Seitenlagenveränderungen ausprobierte.

"Und, wie fühlt sich das jetzt an?"

"Als wenn ein Balletttänzer mit einem Elefanten auf dem Rücken Pirouetten drehen will", erwiderte Julius frech. Madame Dusoleil knuffte ihn kurz aber energisch in die Seite und antwortete:

"Dann ist das mit deiner Angst vor ungewollter Mitverantwortung wohl nicht mehr weit her, wenn du schon derartige Gehässigkeiten von dir gibst. Keine Sorge, ich kann jederzeit den Flug übernehmen, wenn du dich nicht mehr wohlfühlst."

"Nein, jetzt geht es. Ich merke doch, daß Sie eigentlich selber fliegen können, besser als ich. Virginie hat sowas ähnliches mal zu mir gesagt, als sie mich zu ihrer Mutter geflogen hat."

"Willst du damit sagen, daß ich ein plumper Sack bin, Julius Andrews aus England?" Zeterte Claire Dusoleil und schwirrte Julius genau in die Flugbahn, so daß dieser reflexartig eine Hand nach hinten schnellen ließ, um gemäß der Springfeld-Flugtechnik ein schnelles Wendemanöver zu fliegen. Dabei hieb er Madame Dusoleil voll in den Bauch, bevor er den Stiel hinter sich zu fassen bekam.

Unvermittelt schwang der Ganymed zur Seite herum, wobei sein Stiel wie ein sich aufbäumendes Pferd nach oben schnellte. Claire blieb mindestens fünf Meter unter und sechs Meter links von Julius und Madame Dusoleil zurück, als Julius die Hände wieder in Normalflughaltung brachte.

"Das solltest du dir abgewöhnen, deinem Sozius in den Unterleib zu schlagen, Julius. Stell dir einmal for, du mußt eine Hexe zu einem Medimagier bringen, die ein Kind erwartet!"

"Die würde nicht mich aufsuchen, um sich von mir wohinbringen zu lassen", erwiderte Julius schlagfertig.

"Du kannst eine Wende wie nach Springfeld auch ohne Umgreifen fliegen, wenn du deinem Sozius einfach nur sagst, daß du eine Richtungsänderung nach links oder rechts fliegen willst. Du sagst einfach "rechtes Bein aus!", damit der Flugpartner sein rechtes Bein zur Seite streckt. Die Gegenbewegung drückt dann den entsprechenden Bereich des Besens nach links, was zu einer Rechtskurve führt. Normalerweise spielst du mit einem Sozius ja kein Quidditch, so daß du schneller reagieren müßtest und keine Zeit zu einer Anweisung an den Partner hast. Möchtest du das mal versuchen?"

"Linkes Bein aus!" Erwiderte Julius nur. Er hielt den Besenstiel fest und spürte, wie der hintere Teil des Besens nach rechts trieb, so daß Julius nur eine leichte Neigung zur linken Seite ausführen mußte, um eine enge Linkskurve zu fliegen.

"Beine wieder einziehen!" Sagte Julius und lehnte sich sachte nach hinten, um problemlos über Madame Faucon hinwegzusteigen, die zwei Meter unter ihm flog.

"Alles eine Frage der Zusammenarbeit", lobte Madame Dusoleil die schnelle Umsetzung ihrer Ratschläge. Claire flog erneut auf Julius zu und fragte erneut, was er damit gemeint habe, daß er mit ihrer Mutter besser fliegen könne?

"Daß deine Mutter das schon Jahre macht und die Bewegungen so gut drinhat, daß mir ihr geringes Zusatzgewicht nicht soviel ausmacht", erwiderte Julius. Dann sah er zu Madame Faucon hinüber, die genau beobachtete, was er so tat.

"Du solltest dich bei deiner Rückkehr nach Hogwarts für die Flugstunden anmelden, bei denen du den Tandemflug perfektionieren kannst. Immerhin dürfte dich das nur zehn volle Stunden in Anspruch nehmen, wenn du mit einem geeigneten Partner oder einer geeigneten Partnerin trainierst", sprach Madame Faucon und schwirrte auf dem Sauberwisch einmal um Julius und Madame Dusoleil herum.

"So ein Besen verjüngt, Blanche", flötete Madame Dusoleil. Julius konnte ein gewisses Grinsen über diese Unverschämtheit nicht unterdrücken.

"Camille, du gehst entschieden zu weit. Wenn du dir noch mal derartige Respektlosigkeiten erlaubst, könnte mir einfallen, dich zu züchtigen", erwiderte Madame Faucon. Claire Dusoleil fiel fast vom Besen, weil ihre Mutter sich derartig im Ton vergriffen hatte.

"Entschuldige, Blanche. Aber du erwecktest den Eindruck, dich wie ein halbwüchsiges Schulmädchen zu freuen, einen guten Rennbesen zu fliegen. - Julius, wir fliegen jetzt eine Runde zwischen den Bäumen durch! Keine Angst! Du kannst das. Und los!"

Julius traute sich, den Besen so tief sinken zu lassen, daß er zwischen den Wipfeln der ordentlich aufgereihten Obstbäume hindurchrauschte, ohne auch nur annähernd in Gefahr zu geraten, gegen einen Ast zu prallen. Madame Dusoleil unterstützte Julius bei den schnellen Manövern, indem sie von sich aus die Beine so bewegte, daß er die engen Kurven ohne Anstrengung hinbekam. Dann sagte sie:

"In Ordnung. Wir landen jetzt wieder. Du hast dich gut von deinem ersten Schrecken erholt."

Julius steuerte den Besen zur großen Wiese zurück und landete federnd. Madame Dusoleil ließ Julius zuerst absteigen, bevor sie den Ganymed 8 verließ. Madame Faucon landete mit Julius' Sauberwisch neben Claire, die ihren Superbo 5 gerade soeben ausbalancierte, um nicht mit dem Stiel zuerst den Boden zu berühren.

"Ich denke, das genügt nun", sagte Madame Faucon bestimmt und beäugte Julius genau, um zu prüfen, ob ihn diese Flugstunde zu sehr ausgezehrt hatte. Dann ging sie zu Mademoiselle Dusoleil an den Gartentisch hinüber, wo Monsieur Dusoleil gerade ein Tablett mit Tassen, Tellern und Besteck absetzte.

"Madame Faucon, Sie trinken auch eine Tasse Kaffee mit uns?" Fragte Monsieur Dusoleil.

"Nein, Florymont, das geht nicht. Ich habe eine wichtige Arbeit unterbrechen müssen, weil deine Gattin der Idee erlag, meinen Gast zu ungeprobten Flugmanövern verleiten zu müssen. Danke für das Angebot!"

"Wann möchtest du deinen Gast zurückhaben, Blanche?" Fragte Madame Dusoleil.

"Um spätestens sieben Uhr, wie üblich. Feste Zeiten helfen, ein geordnetes Leben zu gestalten", erwiderte die Beauxbatons-Lehrerin. Dann wandte sie sich noch mal an Julius:

"Ich gehe davon aus, daß du heute keine Extraübungen mehr machen mußt, jetzt, wo Camille ihre Vorführung bekommen hat. Ich erwarte dich also zur üblichen Zeit zurück."

Dann mahnte sie Mademoiselle Uranie Dusoleil, Julius nicht zu einer ausgedehnten Schachpartie zu überreden. Kurz darauf disapparierte sie. Julius sah noch zehn Sekunden auf den Punkt, von dem aus sie verschwunden war.

"Das möchtest du wohl auch gerne lernen, wie?" Fragte Monsieur Dusoleil.

"Aber hallo! Wenn möglich sofort. Aber ich hörte, daß man sich dabei ziemlich heftig vertun kann und es deshalb erst ab dem siebzehnten Lebensjahr erlaubt ist, gemäß Gesetz zur Regelung des magischen Personenverkehrs", erwiderte Julius.

"Das stimmt. Man kann sich dabei ziemlich heftig verhauen. Einmal, als ich das lernte, bin ich neben einer Schulkameradin unter einer laufenden Dusche aufgetaucht. Ich weiß nicht, was mich heftiger erwischt hat: Die Entsetzensschreie des Mädchens, die Prügel, die sie mir verpaßt hat oder das heiße Wasser, das meinen Picobello-Umhang ruiniert hat", gab Monsieur Dusoleil zur Antwort.

"Bevor du noch mehr solcher Heldengeschichten zum besten gibst und Julius den Eindruck vermittelst, daß man auf dem Beauxbatons-Gelände nach belieben herumapparieren kann, solltest du ihm besser erzählen, was dir passiert ist, als wir beide kurz vor der Abschlußprüfung einen Wechsel zu einem Park hier in der Nähe probiert haben", wandte Mademoiselle Dusoleil ein und sah ihren Bruder mit einer äußerst schadenfrohen Miene an.

"Ach nein, Uranie, nicht diese Geschichte, wo ihr beim Apparieren die Kleidung getauscht habt."

"Was?!" Fragte Julius erregt. Claire sah ihn gelangweilt an und erwiderte:

"Das erzählen die beiden gerne, wenn sie aus ihrer Schulzeit erzählen. Die Geschichte kenne ich schon im Schlaf."

"Aber ich nicht", sagte Julius, der alle Angst und Beklemmung wegen der unerwarteten Tandemflugstunde mit Claire vergessen hatte.

"Das war in den Osterferien im letzten Jahr Beauxbatons. Florymont und ich waren zu Hause und dachten, daß wir unsere Apparitionskünste üben sollten, da wir ja kurz vor der Abschlußprüfung in dieser Kunst standen. Wir haben uns bei der Hand genommen und auf ein gemeinsames Zeichen hin an unseren Zielort gedacht. Nur mein werter Bruder hat sich um einen halben Meter zu weit nach links ausgerichtet, wo ich ankommen sollte. Da wir gleichzeitig disapparierten, kam es nicht zu einem Abdrängen der ankommenden Person von einer bereits vorhandenen, sondern zu einem Verschiebevorgang, bei dem er da auftauchte, wo ich hinwollte und ich rechts von ihm auftauchte. Das dumme daran war nur, daß unsere Kleidung diesem Prozeß nicht unterworfen wurde. So stand Florymont in meinem wunderschönen Sommerkostüm mit knielangem Rock und mauvefarbener Bluse da, während ich seinen dunkelvioletten Umhang trug. Dazu hatte er noch meine silberne Haarspange in seiner ordentlichen Kurzhaarfrisur stecken, während meine Haarpracht ungebändigt auf meinen Rücken herabfiel."

"Das wäre auch nicht das Problem gewesen, wenn uns einige Kinder und deren Eltern nicht gesehen hätten. Seitdem fragt mich jeder, der die Geschichte kennt, ob ich mir noch mal einen Rock anziehen wolle, wenn es mir um die Beine zu heiß würde", fügte Monsieur Dusoleil grinsend hinzu.

"Oha! Das ist aber heftig. Vorausgesetzt, das Ding ist tatsächlich passiert", erwiderte Julius.

"Ja, ist es. Uranie hat uns damals bekannt gemacht, und ich durfte bei seiner Rückkehr nach Hause sehen, wie gut ihm ihr gestreifter Rock stand", fügte Madame Dusoleil hinzu. "Manche Apparatoren haben es auch schon fertiggebracht, eingeschrumpft in einer Mehldose aufzutauchen, weil sie einen Fehler bei der Ortsbestimmung gemacht haben. Gerüchte wollen wissen, daß sogar ein Körpertausch möglich ist, wenn beim Apparieren zu zweit die Köpfe auf den jeweils anderen Körper verpflanzt werden."

"Uä! Das ist ja richtig gruselig. Hoffentlich ist das nur ein Gerücht. Wenn nicht, wie kann sowas wieder ausgebügelt werden?"

"Die Truppe zur Umkehr magischer Unfälle löst die vermurksten Apparatoren noch mal auf und bringt sie dann wieder in ihre Ursprungsform zurück. Ist nicht gerade angenehm und kostet richtig Geld", erzählte Monsieur Dusoleil.

"Dann lerne ich es vielleicht doch erst später", sagte Julius, der trotz der haarsträubenden Unfallgeschichten immer noch von der magischen Ortsversetzung fasziniert war. Er sagte noch:

"Ich habe in Büchern und Zeitschriften über phantastische Geschichten gelesen, daß Leute, die das aus irgendeinem besonderen Grund von Natur aus können, andere mit auf einen Ortswechsel nehmen können. Geht das bei Magiern auch?"

"Ja, aber nur bei Volljährigen. Das auch nur, wenn einer allein den Zielort bestimmt. Das haben wir zumindest nach der Prüfung gewußt. Nur in Notfällen darf mit Minderjährigen appariert werden", erläuterte Monsieur Dusoleil.

Nach dem Kaffeetrinken - Julius hatte drei große Becher heiße Schokolade getrunken - ging er mit Claire in ihr Zimmer und holte sich dort eine Blockflöte, auf der er Claire zu einem schnellen Tanzstück begleitete. Im Garten der Dusoleils wurde die Musik weit getragen und von den hohen Obstbäumen zurückgeworfen. Madame Dusoleil, die das Geschirr vom Kaffeetisch in die Küche gebracht hatte, hörte kurz ihrer Tochter und Julius zu, dann winkte sie den beiden und fragte sie, ob sie nicht Lust hätten sie zum Spinett zu begleiten. Julius wandte ein, daß es draußen doch schöner war als in einem Musikzimmer. Madame Dusoleil winkte kurz mit dem Zauberstab. Schwirrend flog ein reich verziertes Spinett durch eine schnell aufspringende Tür heraus und landete sanft vor Madame Dusoleil. Sie klappte den Notenständer über den Tasten hoch und fischte unter dem Instrument zwei Bücher heraus. Sie fragte Julius, ob er die Notenschrift lesen könne und erfuhr, daß seine Mutter ihm die einmal gezeigt hatte, als sie auf dem Klavier eine Sonate von Beethoven gespielt hatte.

So kam es dazu, daß Claire und Julius den restlichen Nachmittag bis kurz vor sieben Uhr im Garten musizierten. Erst als das Verbindungsarmband am rechten Handgelenk des Hogwarts-Schülers zweimal erzitterte, durfte er seinen Besen nehmen und zum Haus seiner Gastmutter zurückfliegen.

Nach dem Abendessen im Hause von Madame Faucon las Julius einen Brief von Catherine, der mit einer Posteule gekommen war.

 

Hallo, Julius!

Erst einmal möchte ich dir nachträglich noch zum Geburtstag gratulieren. Es tut mir leid, daß du so unvorbereitet von Paris wegmußtest. Aber wegen der Aktion deines Vaters gab es keine andere Möglichkeit. Immerhin bin ich froh, daß Maman sich bereitgefunden hat, dich solange in ihrem Haus zu beherbergen, bis geklärt ist, wie du weiterhin deine Ferien verbringen sollst, da ich aus meiner Kenntnis von ähnlichen Fällen weiß, daß deinen Eltern mit großer Sicherheit untersagt wird, dich vor deiner Rückkehr nach Hogwarts noch mal zu sich zu nehmen. Das muß dir keine Sorgen bereiten. Im Zweifelsfall bleibst du bis kurz vor deiner Fahrt nach Hogwarts noch bei mir.

Ich hörte, daß Joe im Krankenhaus gelandet ist, weil er versucht hat, dich zurückzuholen und dabei in den Muggelabwehrbannkreis geraten ist, der ihn zur sofortigen und überhasteten Umkehr gezwungen hat. Ich kann mich im Moment nicht nach seinem Befinden erkundigen, da ich hier auf dem Lagerplatz, wo wir alle zwischen den Spielen wohnen, kein Telefon finde. Babette freut sich sehr über die Spiele und staunt über die vielen Zauberer und Hexen aus allen Ländern. Ich muß aufpassen, daß sie nicht mit wildfremden Leuten redet, da ich nicht weiß, ob nicht ein paar Todesser unter den Zuschauern sind, die meinen könnten, meine Tochter wegen ihrer Halbmuggelstämmigkeit behelligen zu müssen.

Madame Maxime ist vor drei Tagen angekommen. Ich konnte mit Jeanne Dusoleil und Barbara Lumière sprechen und erfuhr, daß du dich in Millemerveilles sehr gut zurechtfindest. Schade, daß ich nicht an dem Sommerball teilnehmen konnte. Maman hat mir geschrieben, daß du mit Claire Dusoleil die goldenen Tanzschuhe gewonnen hast. Das muß Camille Dusoleil ziemlich gefreut haben, obwohl sie sonst immer die Hauptpreise gewinnt, seitdem ich Joe geheiratet habe und nicht mehr mit ihr konkurrieren kann.

Ich hörte, daß du endlich auch einen guten Flugbesen hast. Ich habe mich nicht schlecht gewundert, wieviele Leute sich daran beteiligt haben. Du hättest mir ruhig erzählen können, daß du Mademoiselle Aurora Dawn kennst. Ich habe viel gutes von ihr gehört und gelesen. Aber du gibst nicht gerne an, weiß ich.

Babette und ich kommen am 12. August zurück. Babette wollte zwar noch das Endspiel sehen, aber die sind hier sowas von geldgierig. Die wollen 60 Galleonen für einen Durchschnittsplatz haben. Wer da keine Beziehungen zu hohen Herrschaften hat ruiniert sich. Ich konnte Babette damit vertrösten, daß sie an Stelle des Endspiels eine interessante Urlaubsreise machen darf, wenn die nächsten Sommerferien sind.

Wir sehen uns dann wohl noch, wenn ich zurückkomme.

Viele Grüße

Catherine

 

Julius sah Madame Faucon an. Sie nickte.

"Catherine wird kurz hier vorbeikommen. Sie läßt Babette bei meiner Schwester, die in Paris lebt, um dich zu begrüßen. Ich habe inzwischen erfahren, daß das englische und das französische Zaubereiministerium sich dahingehend verständigt haben, daß sich Madame Porter bereitgefunden hat, dich bis zur Rückkehr nach Hogwarts in ihr Haus zu holen. Offenbar hat sie an bestimmten Stellen wichtige Kontakte bemüht, um diesen Vorschlag erfolgreich zu Gehör zu bringen. Sie möchte ja, wie du weißt, mit ihrer Tochter hierherkommen, um das Konzert dieser wilden Hexenmusikerin Hecate Leviata zu besuchen. Bei der Gelegenheit wirst du mit ihr zusammen abreisen. Ich habe ihr schon eine Eule geschickt, um mein Einverständnis zu bekunden", informierte Madame Faucon Julius über die weiteren Schritte, die vor ihm lagen.

 

 

Am nächsten Tag experimentierte Julius morgens mit der Sonnenstrahlung und prüfte nach, ob ein Schnellwachsgebräu, das ähnlich den Rapicrescentus-Tropfen wirkte, eine Sonnenblume innerhalb von einer Minute zur vollen Größe aufwachsen lassen konnte, wenn die Blume mit hauptsächlich roter Sonnenstrahlung beleuchtet wurde. Am nachmittag holte ihn Virginie Delamontagne zum Schachspiel mit ihrer Mutter ab. Er flog auf seinem eigenen Besen neben der Tochter der Dorfrätin her und hörte, daß Madame Lumière, die Vorsitzende des Festkommitees von Millemerveilles angefragt hatte, ob Julius im nächsten Jahr wieder zum Sommerball erscheinen würde. Julius erwiderte, daß er darüber noch nichts sagen könne, da er nicht wisse, wie sich für ihn das nächste Schuljahr entwickeln würde.

"Zumindest wirst du in Verwandlung, Kräuterkunde und Verteidigung gegen die dunklen Künste besser dastehen, als im letzten Jahr", vermutete Virginie mit einer Sicherheit, die Julius verblüffte.

"Wie kommen Mademoiselle denn darauf?" Wollte er wissen.

"Du wohnst bei einer engagierten Lehrerin, die dich bestimmt nicht nur füttert und bettet. Dann hat dich Madame Dusoleil andauernd im Beschlag, und dies bestimmt nicht, wenn sie dir nichts von ihrer Kunst vermitteln will, was, wie zu folgern ist, auf ein gewisses Interesse von dir zurückzuführen sein dürfte, da sich Madame Dusoleil nichts aus Ignoranten macht, die ihre grüne Magie nicht ehren wollen. Ich habe sie und dich gesehen, als wir auf dem Sommerball waren. Außerdem wäre sie nicht auf die Idee gekommen, an deiner Geburtstagsfeier im Garten aufzuspielen, wenn du ihr nicht imponiert und sie dazu veranlaßt hättest, dir möglichst viel von ihrem Wissen und Können beizubringen. Wetten, daß wir beide, Claire und Caro in den nächsten Tagen noch zum See der Farben reisen, wo sie uns die Unterwassergärten zeigen wird, die sie mit Madame Undine Neirides betreut?"

"Wieso sollten wir soeinen ausflug machen?"

"Weil Caro und ich neben den bereits eingeschulten Dusoleil-Mädchen die besten Kräuterkundeschüler von Beauxbatons sind. Die macht das mit uns jedes Jar kurz vor Ferienende. Das würde mich heftig wundern, wenn du nicht auch aufgefordert wirst, mitzukommen."

"Ich fürchte, da habe ich nichts zu zu entscheiden. Wenn dieser See nicht in einem gewissen Umkreis um Madame Faucons Haus liegt, ist er für mich tabu, will sagen, nicht gestattet."

"Kommt Zeit, kommt Rat", erwiderte Virginie.

 

Madame Delamontagne bedankte sich nach einer vierstündigen Schachpartie bei Julius für seinen Einsatz und seinen Spielwitz. Zwar verlor Julius die Parti, hatte aber außer zwei Läufern, einem Turm und drei Bauern keine Figuren von Madame Delamontagne auf dem Brett gelassen.

"Ich habe mir die Notizen unserer Partie beim Turnier angesehen. Du hättest mich in unserem Halbfinalspiel schon früher schlagen können. Mir sind da nämlich noch zwei Fehler aufgefallen, die ich gemacht habe. Aber das ist schon Geschichte. Ich gehe davon aus, daß du nächstes Jahr wieder am Turnier teilnehmen wirst, um vielleicht den goldenen Zaubererhut zu gewinnen."

"Was, wenn nicht?" Fragte Julius lässig.

"Dann eben das Jahr darauf. Ich weiß, daß du mit Sicherheit irgendwann wieder herkommen wirst. Blanche und ich sind lange genug auf dieser Welt, um junge Zauberer und Hexen schon nach wenigen Begegnungen gut genug einzuschätzen, daß wir wissen, wie jemand handelt, wenn ihm oder ihr bestimmte Möglichkeiten gegeben oder genommen werden. Wenn ich eines mitbekommen habe, dann dein Wohlbefinden, hier das zu sein, was du zu Hause nicht sein darfst."

"Da sage ich jetzt nichts zu, weil ich nicht möchte, daß Sie einen falschen Eindruck von mir bekommen", erwiderte Julius, der sich beherrschen mußte, nicht loszuplappern, daß die Hexe mit der blonden Zopffrisur, die sich in einen rosenroten Seidenumhang gehüllt hatte, absolut recht hatte. Seitdem er wußte, daß er zu den Zauberern gehörte, hatte er in seinem Elternhaus immer unter Druck gestanden. Er durfte seinen Freunden nichts erzählen, mit denen er früher alle Geheimnisse seiner abenteuerreichen Kinderwelt geteilt hatte. Er hatte sich mit rein naturwissenschaftlichen Dingen zu beschäftigen, die ihn zwar interessierten, aber auch wieder den Gedanken eingaben, damit überhaupt nichts anfangen zu können, wenn er einmal mit Hogwarts fertig sein würde. Hier in Millemerveilles, dem Zaubererdorf im Süden Frankreichs, war das einzige, was er nicht erzählen durfte, daß er Muggelstämmiger war. Doch auch das wußten die, mit denen er sich in den letzten Wochen bekanntgemacht hatte, und sie hatten ihre Einstellung zu ihm nur dahingehend geändert, daß sie einiges nachsahen, was andere Zauberer als selbstverständlich und richtig kennengelernt hatten.

Das Abendessen, bei dem auch Prudence und Monsieur Delamontagne anwesend waren, verlief mit einer für Julius interessanten Unterhaltung über die Verbindungen zwischen den Zauberern in aller Welt. Er erfuhr von der internationalen Zauberervereinigung, in der auch Prof. Dumbledore Mitglied war. Er erfuhr, daß es eine Form des stillen Wahlkampfes gab, wenn ein Zaubereiminister ernannt werden sollte. Dabei hörte er auch, daß der französische Zaubereiminister schon seit zwanzig Jahren im Amt war und den damaligen französischen Staatspräsidenten der Muggel gut gekannt hatte.

"Ich habe mir nie viel aus Politik gemacht, weil unsere Politiker gerne übertreiben, lügen oder sich gegenseitig herunterputzen, anstatt den Leuten zu erklären, wieso und weshalb sie eine bessere Politik machen können. Manche sind sogar so überheblich, daß sie nicht einmal versuchen, ihren Wählern zu erklären, was genau sie vorhaben", berichtete Julius.

"Unsere Politiker, Julius? Du meinst die Politiker der Muggel", korrigierte Prudence Julius lächelnd.

"Natürlich, Prudence", bestätigte Julius und errötete. Daß er manchmal noch so daherredete, als gehöre er nicht wirklich zur Zaubererwelt, hatte er sich in Hogwarts abgewöhnt, dachte er. Gut, dann mußte er eben noch besser überlegen, was er sagte.

Kurz vor zehn Uhr begleitete Madame Delamontagne den Hogwarts-Schüler zurück zu Madame Faucons Haus. Dort erstattete sie Madame Faucon kurz Bericht, wie sich Julius benommen und wie gut er Schach gespielt und zu Abend gegessen hatte. Dann kehrte die Dorfrätin zu ihrem Haus zurück, während Julius sich bettfertig machte.

 

 

Die nächsten zwei Tage verstrichen mit der Vorbereitung des kurzen Vortrages, den Julius halten wollte, sowie Musik zusammen mit Madame Faucon, Virginie und Claire Dusoleil. Dann kam am neunten August eine Eulenpost für Julius, die aus drei Briefen bestand. Ein Brief kam vom englischen Zaubereiministerium und teilte dem Jungen mit, daß Mrs. Porter am 15. August bei seiner derzeitigen Gastgeberin vorsprechen würde, um im Auftrag des Zaubereiministeriums Julius in ihre Obhut zu nehmen. Der zweite Brief kam von Cynthia Flowers, der Sekretärin für muggelstämmige Neuzugänge aus Hogwarts. Sie schrieb:

 

Sehr geehrter Mr. Andrews,

Im Zuge der Vorkommnisse um das Manöver, mit dem Ihr Vater Ihr Fernhalten von unserer Lehranstalt zu erwirken versuchte, sind folgende Beschlüsse seitens des Zaubereiministeriums, im Besonderen die Abteilung für Ausbildung und die Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit, ergangen:

 

  1. Für die restliche Dauer der Schulferien werden Sie im Hause von Mr. Plinius Porter und seiner Familie wohnen, da Mr. Porter zusichern konnte, für Ihre Ausstattung und Anfahrt nach Hogwarts zu garantieren und bei benannten Abteilungen hohes Ansehen genießt. Ich gehe davon aus, daß Ihnen diese Entscheidung genehm ist.

     

  2. Wir erhielten eine Posteule von Ihrer Mutter, Mrs. Martha Andrews, in der Sie ihr tiefes Bedauern über diese Affäre bekundet. Sie gibt außerdem zu bedenken, daß sie erst durch eine Posteule von uns davon erfuhr, daß seitens Ihres Vaters geplant war, Sie von der Fortsetzung Ihrer Zaubereiausbildung abzuhalten. Sie bot an, sich mit uns direkt in Verbindung zu setzen. Ich werde in meiner Funktion am 13. August mit Ihrer Mutter in London zusammentreffen. Ich gehe davon aus, daß alle aufgeworfenen Probleme gelöst werden können, zur gegenseitigen Zufriedenheit aller Parteien.

     

  3. Gemäß der Gesetze zur Ausbildung magisch begabter Kinder und Jugendlicher, gegen die Ihr Vater verstoßen hat, wurde eine hier nicht zu erwähnende Strafsumme verhängt, die Ihre Eltern zu entrichten haben. Sollten sich Ihre Eltern weigern, dem Strafbefehl nachzukommen, müssen weitere Schritte unternommen werden. In Ihrem Sinne hoffe ich, daß dies nur eine Information bleibt und nicht den Charakter einer unterschwelligen Drohung annimmt.

Ich wünsche Ihnen im Namen der Schulleitung weiterhin erholsame und erquickliche Sommerferien!

Cynthia Flowers

 

Julius legte den Brief von Cynthia Flowers beiseite und nahm den dritten Brief, der irgendwie muggelmäßig aussah, mit drei Briefmarken und dem Papierumschlag. Allerdings war kein Poststempel zu sehen. Julius öffnete den Umschlag und zog eine Papierseite heraus, betrachtete sie kurz und las dann richtig:

 

Hallo, Julius!

Tut mir leid, daß ich erst vor einer Woche erfuhr, daß dein Paps Joe einen Brief geschickt hat, in dem er behauptet, du wärest in Gefahr, einer geheimnisvollen Sekte eingegliedert zu werden. Ich habe deinen Paps nicht so recht verstanden, weshalb er mit mir nach Amerika wollte. Wir wohnten bis vor einer Woche noch in New York. Andauernd kamen Briefe von Hogwarts oder einer anderen Stelle der Zaubererwelt. Richard hat die Briefe sofort weggeworfen, bevor ich sie lesen konnte. Wir mußten aus dem Hotel raus, in dem wir gewohnt haben und mit einem gemieteten Wohnmobil wegfahren. Ich fragte deinen Vater, was er zu verbergen hatte, daß er nicht einmal mir die Möglichkeit gab, die Briefe zu lesen.

Unterwegs kamen weitere Briefe mit Eulen. Dein Vater wollte einmal einen dieser Postvögel mit einer gekauften Pistole abschießen, doch ich konnte das noch gerade verhindern. Ich weiß nämlich nicht, ob diese Tiere nicht telepathisch fernbeobachtet werden und der Zauberer oder die Hexe, die den Eulenflug überwacht, nicht auf dumme Ideen kommen könnte. Dein Vater hat jeden neuen Brief sofort verbrannt, bis ein scharlachroter Umschlag gebracht wurde. Ich fürchtete schon, mein Gehör verloren zu haben, als dein Vater den Brief öffnete und eine überlaute Stimme, die Stimme einer Frau, wüste Beschimpfungen über uns hereinbrechen ließ. Dabei konnte ich verstehen, daß es darum ging, daß wir gezielt gegen die korrekte Ausbildung unseres Sohnes, also dir, gehandelt hätten und uns dafür gefälligst zu rechtfertigen und zu verantworten hätten. Schweigen, so die unheimlich laute Stimme, würde uns nichts nützen. Als diese magische Briefbombe ihre offenbar eingespeicherte Wut an uns ausgelassen hat, zerfiel der Umschlag. Dein Paps und ich fuhren sofort in die nächste größere Stadt und suchten einen Ohrenarzt auf. Zum Glück war mit unseren Ohren nichts passiert. Aber dein Paps gab vor, einen schweren Schock erlitten zu haben und ließ sich in ein Krankenhaus bringen. Ich bezog ein kleines Zimmer in einem Hotel, wo ich eine weitere Eulenpost erhielt, diesmal einen normalen Brief. Ich las darin, daß uns vorgeworfen wurde, dich mit einem Brief an Joe, der mit dir ans Mittelmeer fahren wollte und dabei einen Unfall erlitten hat, von England und damit von Hogwarts fernzuhalten. Eine Schriftprüfung und deine Aussage vor einem Beamten der französischen Zaubererbehörden soll ergeben haben, daß dein Vater den Brief verfaßt hat. Daraufhin seist du in die Obhut eines Lehrers der französischen Entsprechung von Hogwarts, der selbst Familie hat, überstellt worden und dürftest vor Ferienende nicht mehr zu uns zurückkommen.

Ich rief deinen Vater in seinem Krankenzimmer an und brachte ihn dazu, mir alles zu verraten. Er hat tatsächlich einen Brief an Joe geschickt, in dem er über eine Sekte berichtete, die dich angeblich deshalb eingliedern will, weil wir gutverdinende Leute seien. Ich glaube im Moment, daß der Autounfall nicht zufällig passiert ist und die Zauberer und Hexen schon lange Verdacht schöpften, daß du nicht mehr zu ihnen zurückkehren solltest. Ich schickte die Eule mit einer Antwort zurück, daß ich von diesem Manöver nichts mitbekommen hatte und bat um eine Unterredung mit den Verantwortlichen. Dein Vater verbot mir, mich auf eine Unterredung einzulassen. Doch ich halte es für vernünftig, den Schaden, der entstanden ist, in deinem Sinne zu beheben und bin deshalb unterwegs nach England. Diese Eule durfte ich an dich abschicken. Mir wurde geschrieben, daß sie dich finden würde, auch wenn ich nicht sagen konnte, wo genau du untergebracht bist. Falls du diesen Brief bekommen hast, schicke mir die Antwort in dem Umschlag. Falls du nicht mitteilen darfst, wo genau du bist, schicke den Brief nur mit unserer Heimatadresse ab!

Ich hoffe, dich doch noch vor Ferienende wiederzusehen.

deine dich liebende Mum

 

Julius dachte nach, was er antworten sollte. Er wußte, daß seine Gastgeberin nicht wollte, daß er ihren Namen erwähnte. Immerhin ging es ja auch um Catherine und Joe. Sicher würde es irgendwann herauskommen, daß Catherine zur Zaubererwelt gehörte. Aber solange sie das nicht preisgeben wollte, wollte Julius sie auch nicht in die Bredullie bringen. Daß sein Vater versucht hatte, ihn wider besseres Wissen von der weiteren Ausbildung in Hogwarts fernzuhalten, zeigte Julius, daß er immer noch nicht damit klarkam, daß sein Sohn einmal zaubern und auf einem Besen fliegen würde, als sei es das normalste von der Welt. Daß seine Mutter da anders dachte und handelte, freute ihn wiederum. Er ging zu Professeur Faucon und las ihr den Brief vor. Dann fragte er:

"Wie soll ich denn jetzt antworten? Ich kann doch nicht schreiben, wo ich bin."

"Du kannst schreiben, wie der Ort heißt. Dann weiß deine Mutter auch gleich, daß du hier nicht isoliert gehalten wirst. Schreibe ihr ruhig auch, daß du mittlerweile einen eigenen Besen bekommen hast! Sie scheint mir doch die vernünftigere deiner Eltern zu sein."

"Sie beurteilt alles nach dem, was tatsächlich passiert. Paps denkt immer noch, ich könnte aus der ganzen Kiste wieder raus und das lernen, womit er seinen Fachkollegen gegenüber angeben kann. Stellen Sie sich mal vor, Babette würde nach der Grundschule ein Muggelinternat besuchen und sich für Computer, Fernseher und Stereoanlagen begeistern. Könnten Sie das so vertreten?"

"Wenn dies ein gewisses Verteidigungsplädoyer für deinen Vater sein soll, dann lasse mich darauf folgendes sagen:

Babette freut sich, daß sie eine Hexe ist. Das äußert sich darin, daß sie gerne mit ihrer heranreifenden Zauberkraft experimentiert. Computer findet sie langweilig, weil sie nur das tun, was man umständlich in sie einprogrammieren muß. Was das andere angeht, so kennt Babette Fernseher und Musikanlagen. Sie wäre todtraurig, wenn sie in eine Schule ginge, wo sie nicht hexen dürfte, egal, was ihr dort alles geboten würde. Aber den akademischen Fall einmal aufgreifend, den du konstruiert hast:

Babette würde nicht von mir oder von Catherine daran gehindert, die Welt der Muggel kennenzulernen. Allerdings würden wir ihr auferlegen, ihre Zauberkräfte nicht mehr zu verwenden. Ich gehe davon aus, daß diese Hürde ihr zu hoch sein dürfte, um wirklich für alle Zeiten Joes Welt beizutreten. Und damit kommen wir wieder zurück zu dir.

Du könntest natürlich auf Beschluß des Zaubereiministeriums von Hogwarts ausgeschlossen werden und eine Schule besuchen, die den Lernvorstellungen deines Vaters entspricht. Allerdings würde man dir ebenfalls auferlegen, nie wieder irgendeine Form von Magie zu äußern. Da du jedoch auch ohne Zauberstab Magie äußern kannst, was ja dazu geführt hat, daß du überhaupt in Hogwarts aufgenommen wurdest, kann niemand, auch nicht du selbst, mit Sicherheit ausschließen, daß du deine Magie nicht irgendwie freisetzt, sei es nur, um dich aus einer bedrohlichen Situation zu befreien oder Selbstheilung zu betreiben. Insofern dürfte es dir schwerfallen, dich in einer reinen Muggelschule auch nur ein Jahr zu behaupten, ohne Zauberkräfte zu äußern."

"Hat's das schon gegeben, daß ein Muggelstämmiger an einer Muggelschule weitergelernt hat, obwohl er wußte, daß er zaubern konnte?"

"Das wurde viermal im Verlauf der letzten zweihundert Jahre ausprobiert, und jedesmal mit negativem Erfolg. Die betreffenden Schüler fielen auf, weil sie unbewußte Fernlenkungen, Farbveränderungen oder Formveränderungen ausgelöst haben. Sie wurden von ihren Lehrern und Mitschülern gefürchtet und isoliert. Seit 1956 gibt es auf Beschluß der internationalen Zauberervereinigung den Zusatz zum Ausbildungsgesetz, den du wohl gut kennst, wenn ich das richtig verstanden habe. Es handelt sich um den Unterabschnitt e) des Abschnittes 324. Damit sollte den nichtmagischen Eltern klargemacht werden, daß sie auch dann nicht dagegen vorgehen können, ihre Kinder an den Zaubererschulen ausbilden zu lassen, falls diese Magisch begabt sind, wenn sie meinen, ihre Kinder hätten diese Art von Ausbildung nicht nötig oder dürften dergleichen nicht lernen. Gerade im Zuge der rasant fortschreitenden Technisierung der Muggelwelt ist es immer schwerer für magisch begabte Kinder, sich ohne negative Folgen in die Gesellschaft von Nichtmagiern zu integrieren. Will sagen: Magisch begabte Kinder fallen noch eher auf, wenn sie bestimmte Dinge ohne elektronische oder elektrische Hilfsmittel erledigen können oder außerhalb der von Muggeln bekannten Naturgesetze handeln.

Deine Mutter hat es wohl begriffen, daß du längst über die Schwelle getreten bist, von der aus es nicht mehr zurückgeht. Vielleicht bilden sich manche Muggel ein, magische Begabung könne durch Medikamente oder Chirurgie aufgehoben werden. Doch dem ist nicht so", sagte Madame Faucon.

Julius sagte dazu nichts mehr. Er nahm Feder und Pergament zur Hand und schrieb seiner Mutter eine Antwort:

 

 

Hallo, Mum!

Vielen Dank für deinen Brief. Ich habe nicht mehr damit gerechnet, von euch zu hören, als ich vor nun gut und gern drei Wochen mit Joe aufbrach, um am Mittelmeer zu campen. Wie genau der Autounfall passiert ist, kann ich nicht mehr genau sagen. Als ich wieder aufwachte, hatte ich keine Verletzungen oder Schmerzen. Ein Heilmagier hat mich wohl behandelt. Ich hatte euch ja erzählt, daß die Knochenbrüche und nichtmagische Verletzungen in wenigen Minuten kurieren können. Jemand vom französischen Zaubererministerium hat mir dann einen Brief zu lesen gegeben. Ich dachte, Paps hätte mir etwas geschrieben. Doch als ich las, daß Joe und Catherine mich bis nach dem ersten September bei sich halten sollten, war mir doch schon ganz anders. Ein Ministeriumszauberer wollte wissen, ob das die Handschrift meines Vaters war, und ich habe es bestätigt. Danach wurde verfügt, daß ich zumindest bis zum Ende der Sommerferien hier in Frankreich in die Obhut eines Beamten aus der Zaubererwelt übergeben werden soll. Ich durfte mich nicht darüber beschweren. Ich kenne die Gesetze der Zaubererwelt. Das Ding von Paps kann so heftig nach hinten losgehen, daß ihr beide mich demnächst nur noch in Anwesenheit eines für mich verantwortlichen Zauberers sehen dürft. Sage ihm das bitte, wenn du wieder mit ihm sprichst!

Jetzt bin ich hier in Millemerveilles. Das ist ein Dorf nur für Hexen und Zauberer in Südfrankreich. Es ist sonnig hier. Ich habe bald die ganze Sonnentinktur aufgebraucht, die ich von Miss Dawn bekommen habe. Hier gibt es viele Familien mit mehr als einem Kind. Fast alle spielen Quidditch, dieses Spiel mit den vier Bällen, das ihr in Hogwarts gesehen habt. Ich habe mich breitschlagen lassen, mitzutrainieren. Ich mußte mir dafür bis zu meinem Geburtstag einen Besen ausleihen. Dann bekam ich von Miss Dawn, den Porters und einigen anderen Klassenkameraden beziehungsweise deren Eltern zusammen einen eigenen Rennbesen, einen Sauberwisch 10. Das ist ein sehr guter Flugbesen, wenn er auch noch nicht an den Feuerblitz heranreicht, mit dem einer der Hogwarts-Schüler fliegt. Miss Dawn hat mir darüber hinaus noch eine eigene Posteule geschenkt, damit ich endlich vernünftig meine Post erledigen kann. Ich finde, daß sie recht hat.

Die Leute hier haben zwar am Anfang etwas gestutzt, wegen meiner Abstammung. Aber ich konnte mich schnell hier einleben und habe neue Kontakte geknüpft, zumindest für diese Ferien. So werde ich wohl meine Hausaufgaben zur vollen Zufriedenheit meiner Lehrer hinkriegen.

Wo ich untergebracht bin, darf ich dir nicht mitteilen, da die Ministeriumsleute nicht wollen, daß ihr oder sonstwer aus der Nichtmagierwelt der Amtsperson auf die Bude rücken könnt, die mich bei sich beherbergt. Nur soviel: Die Person kann gut Schach spielen, kennt sich gut in französischer Küche aus und verehrt klassische Musik und Gesellschaftstänze. Sowohl was Schach als auch das Tanzen angeht muß ich zugeben, daß ich mich hier mehr oder weniger heftig gut hervorgetan habe, so daß ich nicht weiß, ob die mich nächstes Jahr nicht wieder hierher einladen wollen, um sowohl die Schhachtrophäe als auch den goldenen Tanzschuh zu verteidigen. Du kannst Paps ruhig unter die Nase halten, daß du recht hattest, mich mit Moira zu diesem Tanzkurs zu schicken. Das war zumindest was, was ich hier gut anwenden konnte, ohne dumm aufzufallen.

Wie geschrieben übe ich hier viel Quidditch. Dabei habe ich ein Ehepaar mit drei Töchtern kennengelernt, das ebenfalls leidenschaftlich gerne Quidditch spielt. Die Mutter ist die hiesige Pflanzenexpertin. Ich war so voreilig, mein Wissen über die Zauberpflanzen preiszugeben. Seither darf ich immer bei ihr antreten, um noch mehr zu lernen.

Ich habe von meinen Schulkameraden Bücher geschenkt bekommen, darunter eines über Zauberkraft und Sonnenlicht. Ich habe mich darangemacht, Experimente aus diesem Buch nachzuvollziehen, vielleicht sogar vor Leuten, die sich dafür interessieren.

Ich schicke dir den Brief mit einer hiesigen Posteule, dann hast du den heute noch. Du brauchst mir keine Antwort mehr zu schicken, da ich nicht weiß, ob du heute oder morgen erst ankommst.

Wir lesen oder hören voneinander.

dein Sohn Julius

 

 

Um sicherzustellen, daß er nicht gegen Madame Faucon handelte, legte er seinen Brief noch mal bei ihr auf den Schreibtisch und wartete, bis sie ihn gelesen hatte. Dann nickte sie und reichte ihm den Pergamentbogen zurück.

"In Ordnung. Die Post ist noch geöffnet. Hast du Geld für eine Expresssendung?"

"Ja, habe ich noch. Ist ja nur in Europa."

Julius packte den Brief in einen Umschlag, schrieb die richtige Adresse seiner Mutter auf, als Absender jedoch nur Millemerveilles und ließ auch den Vermerk "Antwort erbeten" weg. Dann flog er auf seinem Sauberwisch 10 zum Postamt, trat an einen Schalter in der Nähe der meergrünen Wand heran, an der die langen Sprossen für die Eulen, die im europäischen Raum die Post überbrachten saßen und gab den Brief auf. Er zahlte die Gebühr für eine Expresszustellung ohne Rückmeldung und verließ das Postamt. Draußen lief er Prudence über den Weg, die gerade einen Brief abliefern wollte.

"Hi, Julius! Darfst du bei Madame Faucon keine Post abschicken?" Fragte sie nur.

"Doch, aber die Eule bräuchte länger als die Posteule hier. Ich möchte sicherstellen, daß der Brief noch heute ankommt. Ich habe übrigens gehört, daß ich nach dem Hecate-Leviata-Konzert nach England zurückkehren kann."

"Das heißt, du kommst auch zu Hecate Leviata?" Wollte Prudence wissen.

"Ich weiß nicht. Ich weiß ja nicht, was die so für Musik macht. Meine Gastmutter behauptet, sie sei wild. Für mich klingt das vielversprechend."

"Achso, ihr habt ja kein Zauberradio. Ich habe gehört, daß die ehrenwerte Professorin nur handgemachte Musik duldet. Virginie hat ein Notenbuch mit den 100 Superschlagern von ihr. Soll ich sie fragen, ob sie dir das mal leiht?"

"Hmm, dann lese ich, was sie spielt, aber nicht wie. Ach, Prudence, ich lasse es mal darauf ankommen, ob Madame Faucon mir das überhaupt erlaubt. Versteh mich nicht falsch. Ich bin eigentlich kein Kriecher. Aber hier habe ich den Eindruck, daß ich mir mehr verbauen kann als ich rausholen kann, wenn ich ein falsches Wort sage."

"Oha, das habe ich auch gemerkt. Als ich Madame Delamontagne gesagt habe, daß ich eigentlich keine Lust auf das Schachturnier hätte, setzte es eine überaus heftige Strafpredigt. Ich hatte zeitweilig den Eindruck, daß meine derzeitige Gastmutter ihren Zauberstab herausholen und mir einen Fluch aufhalsen würde. Aber irgendwie hat sie sich wieder beruhigt. Das hat mir aber gereicht, um mich doch auf das Turnier einzulassen."

"Das heißt, daß du auch nicht zum Tanz wolltest?" fragte Julius frech.

"Oh doch! Da wollte ich hin. Ich wußte das ja schon, daß dieser Sommerball gegeben würde. Du schuldest Virginie übrigens noch einen Tanz."

"Sie möchte sich an meine Managerin wenden", entgegnete Julius. Dann fiel ihm noch etwas ein.

"Am 13. August halte ich einen kurzen Vortrag über Sonnenmagie. Pina, du weißt, die mit dem langen blonden Zopf, hat mir das Buch über Sonnenmagie geschenkt. Ich dachte, Versuche daraus nachzuvollziehen brächte es. Meine Hausmutter hat mich auch gleich dazu angetrieben, daraus eine Publikumsvorführung für geladene Gäste zu machen. Ich bin bald fertig mit der Vorbereitung. Ich schicke euch meine eigene Eule mit einer Einladung für Virginie, Dich und deine derzeitige Heimstattgeberin."

"Häh?! Heimstattgeberin? Wo hast du denn den Ausdruck her?"

"Meine Mutter hat mir mal einen alten Roman gegeben. War zwar trocken wie Wüstensand am Mittag aber mit ein paar lustigen Ausdrücken drin, so richtig altmodisch."

"Okay, Julius! Ich schicke jetzt meine Post los. Schönen Tag noch!" Sagte Prudence und winkte Julius zu. Dann verschwand sie im fünfeckigen Postgebäude. Julius schwirrte mit seinem Besen los und überholte eine Posteule, die genau auf das Faucon-Haus zusteuerte. Er war wiedereinmal beeindruckt, wie schnell diese Postvögel fliegen konnten, denn nach dem Fahrtwind, den er bei seinem eigenen Flug spürte, hatte er die Eule erst bei ungefähr 100 Stundenkilometern einholen können.

Kaum wieder im Faucon-Haus angelangt traf die Posteule ein und ließ einen Brief für Julius und einen für Madame Faucon auf den Tisch der Wohnküche flattern. Sie setzte sich auf den Kaminsims und entspannte sich, als wüßte sie, daß sie lange warten müßte, bevor sie mit einer Antwort zurückfliegen konnte.

"Das habe ich mir doch gedacht!" Rief Madame Faucon und fischte den an sie adressierten Briefumschlag vom Tisch. Julius zögerte kurz, dann holte er sich den an ihn adressierten Umschlag. In blattgrüner Tinte las er:

 

Hallo, Julius!

Da ich davon ausgehen darf, daß du zumindest noch bis zum anstehenden Konzert von Hecate Leviata in unserem schönen Dorf verweilen wirst, bin ich auf die Idee gekommen, dich zu fragen, ob du nicht Lust hättest, eine außergewöhnliche Sehenswürdigkeit der näheren Umgebung zu besuchen, den See der Farben. Hier finden sich neben gängigen magischen Wasserpflanzen auch Unterwassergrotten und magische Kreaturen, die sonst in den Tiefen des Meeres zu finden sind.

Jedes Jahr mitte August biete ich für Jugendliche und je einen Elternteil oder sonstigen erwachsenen Anverwandten einen Ausflug zum See der Farben an. Falls du Zeit und Lust hast und es deine derzeitige Gastgeberin und Aufsichtsperson erlaubt, wovon ich stark ausgehe, kannst du uns gerne auf meinen nächsten Ausflug begleiten.

Mit freundlichen Grüßen

Camille Dusoleil

 

"Ich habe davon gehört, daß Madame Dusoleil Leute zu einem großen See mitnimmt, wo es interessante Wasserpflanzen gibt. Virginie Delamontagne hat sowas angedeutet."

"Ja, und mich hat sie angeschrieben und aufgezählt, wie wichtig das für deine Bildung in Kräuterkunde ist. Ich kenne diesen See. Ich war da schon oft genug mit Catherine. Da gibt es auch Grindelohs und Saugfarne. Außerdem kann ich diesmal nicht mit dir mitkommen, da ich für Beauxbatons noch etwas vorbereiten muß, daß mich hier hält."

"Dann gestatten Sie mir nicht, diesen Ausflug mitzumachen?" Fragte Julius.

"Nicht, wenn Madame Dusoleil nicht eine Begleitperson für dich findet. Es ist vorgeschrieben, das pro Minderjährigem ein erwachsener Zauberer an einem solchen Ausflug teilnimmt. Außerdem, wie möchtest du unter Wasser atmen, da du bestimmt noch keinen Kopfblasenzauber gelernt hast?"

"Mit meinem Schnorchel", erwiderte Julius schlagfertig. Er hätte auch etwas von Dianthuskraut erzählen können, einer tangartigen Pflanze aus dem Mittelmeer, die einem Zauberer für eine bestimmte Zeit Kiemen und Schwimmhäute wachsen und ihn damit für eine gewisse Zeit unter Wasser leben lassen konnte. Doch Madame Faucon sah ihn vorwurfsvoll an.

"Du weißt doch, daß wir keine Muggeltechnik verwenden. Naja, dann eben nicht."

Julius behielt die Ruhe und dachte, daß er erst mit seinem Wissen herausrücken würde, wenn es unmittelbar verlangt wurde.

Madame Faucon schrieb eine Antwort und schickte die Eule damit zurück zu ihrer Absenderin.

"Deine Vorführung der Sonnenexperimente soll am 13. August sein? Habe ich das richtig verstanden?" Wollte Madame Faucon wissen.

"Ja, das habe ich mir so vorgestellt. Ich habe mir auch schon überlegt, wen ich dazu einladen möchte."

"Wen denn?"

"Madame Delamontagne, ihre Tochter Virginie, Prudence Whitesand, die Dusoleils und eine gewisse Madame Faucon."

"Soso. Das heißt, daß Catherine nicht dabeisein darf?"

"Wieso Catherine? Sie erzählten doch, daß sie nur kurz hier vorbeischauen würde", wunderte sich Julius.

"Meine Schwester hat sich erboten, Babette bis einen Tag vor Ferienende bei sich aufzunehmen. Catherine wird also noch einige Tage länger hierbleiben."

"Das macht die Kleine mit? Ich hatte den Eindruck, daß sie nicht gerne mit richtigen Hexen oder Zauberern zusammen ist."

"Nun, ohne in Familienangelegenheiten einzudringen kann ich dir versichern, daß meine Enkelin mit meiner Schwester und ihrer Familie, zu der zwei erwachsene Kinder mit Ehepartnern und Kindern gehören, besser klarkommt. Ich muß sogar einräumen, daß Babette nicht gerade mit der Sorgfalt und Energie angefaßt wird, die ihrer quirligen Natur eine kontrollierte Betätigung verschafft. Doch das ist unwichtig für dich. Wichtig ist nur, daß ich das zweite Gästezimmer für Catherine hergerichtet habe. Sie kommt am zwölften August hier an und wird bis zum siebzehnten hier wohnen. Aber erzähl das noch niemanden! Catherine liebt es, ihre alten Schulkameraden zu überraschen."

"Verstehe", erwiderte Julius. Dann sagte er noch:

"Dann kann sie auch bei meiner Live-Vorführung dabeisein."

Madame Faucon räusperte sich bei der Erwähnung des englischen Ausdrucks "Live-Vorführung" und verbesserte den Jungen:

"Öffentliche Vorführung oder Vorführung vor Publikum. Deine Landsleute bilden sich ein, unsere schöne Sprache mit ihren schlichten Schlagworten durcheinanderbringen zu dürfen wie sie wollen. Aber das ist nicht so."

"Oh, entschuldigen Sie! Natürlich gibt es für jedes englische Wort eine französische Entsprechung. Wie konnte ich vergessen, daß Sie ja in dem Verein drinsind, der die französische Sprache vor ausländischen Ausdrücken schützt?"

"Na, nicht unverschämt werden!" Mahnte Madame Faucon.

Nach dem Abendessen saßen Madame Faucon und ihr Gast im großen Garten und spielten Schach. Zu Madame Faucons Unmut plumpste um neun Uhr ein zusammengeschnürtes Notenbuch von einer Eule herunter, die wankend über den Garten angeflogen kam. Julius nahm das buch und zog einen kleinen Pergamentzettel unter der Schnur heraus, mit der es zusammengebunden war.

"Hallo, Julius!

Prudence hat mir erzählt, daß du von Hecate Leviata keine einzige Note kennst. Daher leihe ich dir das Buch: "Meine hundert Spitzentitel zum nachspielen und mitsingen" bis zum Konzert aus. Hoffentlich kriegst du es, ohne daß Madame Faucon das mitkriegt.

Virginie", las Julius laut vor, was in der kurzen Mitteilung stand und wußte nicht, ob er jetzt grinsen oder erröten sollte. Er entschied sich dafür, loszulachen und sah seine Gastmutter an, die das golden glitzernde Buch beäugte, als wolle sie es unter ihrem Blick zu Asche werden lassen.

"Achso, Mademoiselle Delamontagne hegt mir gegenüber gewisse Abneigung, was mein Musikempfinden angeht und gedenkt, dir an mir vorbei dieses Notenbuch zuspielen zu müssen, da sie wohl befürchtet, ich könne es beschlagnahmen und dir vorenthalten. Nun, ich gebe dir eine Chance, diese Maßnahme zu verhindern. Du mußt bis morgen drei der in diesem Buch beschriebenen Stücke auswendig spielen können. Ich werde nachprüfen, ob du die Noten richtig interpretierst. Falls auch nur eine Note falsch gespielt wird, ziehe ich das Buch ein und werde mich mit meiner hochangesehenen Nachbarin über die Anwandlungen ihrer Tochter beraten."

"Sie durften wohl nie was aus reinem Vergnügen tun, wie?" Grummelte Julius leise. Doch für Madame Faucon war es immer noch laut genug.

"Ich hatte und habe immer noch mein Vergnügen, allerdings dann, wenn ich es in sinnvoller Kreativität erringen konnte. Du wirst doch nicht etwa deinen guten Manieren untreu, Julius Andrews?"

Die Frage hatte sie mit einem leicht drohenden Unterton gestellt. Julius sagte nichts darauf. Er besah sich das Buch und war fasziniert von der sich in einem schnellen Tanzrhythmus bewegenden Hexe im schwarzen Kostüm mit goldenen und silbernen Säumen und den vielen Arm- und Halsbändern in schillernden Farben. Sie besaß eine strohblonde Löwenmähne und große graugrüne Augen. Sie besaß lange Beine und einen zierlichen Körperbau. Im Hintergrund konnte Julius vier Zauberer in schillernden Umhängen erkennen, die verschiedene Instrumente spielten. Über den abgebildeten Musikern glitzerten silberne und weiße Sternchen.

"In Ordnung, Madame. Ich lerne drei der Titel auswendig. Aber ob ich das bis morgen hinkriege, weiß ich nicht."

"Wie gesagt. Bis morgen kannst du drei Stücke spielen, oder das Buch wandert bis zu deiner Abreise in meinen Schrank unter Verschluß", bekräftigte Madame Faucon noch mal ihren Entschluß.

Julius setzte die Schachpartie mit seiner Gastmutter fort und ging nach zwanzig Zügen unter. Als er daraufhin zu Bett geschickt wurde, zog er sich gehorsam ins Haus zurück.

 

 

Am nächsten Tag verbrachte er den Morgen mit den letzten Vorbereitungen seiner Sonnenlichtexperimente. Er plante, Handzettel mit Stichwörtern an die Gäste zu verteilen, wußte jedoch nicht, wie er Kopien anfertigen sollte, wenn er nicht jeden Zettel einzeln abschrieb.

Am Nachmittag übte er im Musikzimmer drei Stücke von Hecate Leviata auswendig auf der Panflöte. Es handelte sich um einen Tanz, der von einem afrikanischen Stamm entnommen war, ein sehr schnelles Lied, zu dem ein Text vorhanden war, der Julius an einen Rap aus den Ghettos von New York erinnerte und ein langsames Stück, das "Hexenruhe" genannt wurde. Er fürchtete schon, Madame Faucon könnte wegen seiner Übungen genervt sein, als sie an die Musikzimmertür klopfte. Julius beendete eine Passage des langsamen Liedes und hörte zu, was Madame Faucon sagte:

"Ich werde dich noch vor dem Abendessen abhören. Aber es klang vielversprechend. Nun ja, die Stücke sind ja alle nicht schwierig, da sie ja vom Durchschnittsvolk sofort aufgenommen und mitgesungen werden sollen. Also, um halb sieben ist die Stunde der Wahrheit."

Julius übte noch bis zur angekündigten Stunde.

Als Madame Faucon ins Musikzimmer kam, hielt sie ihren Zauberstab in der Hand.

"Accio Liederbuch!" Rief sie, auf das goldene Buch vor Julius deutend. Wie von einem Magneten angezogen schwirrte das Liederbuch zu Madame Faucon hinüber.

"So", begann Madame Faucon. "Sage mir, welche Stücke du gelernt hast, damit ich sie nachlesen kann!"

Julius zählte schnell die drei Titel auf, die er geprobt hatte. Madame Faucon blätterte in dem Buch und fand das erste der drei Stücke. Sie forderte Julius auf, es nachzuspielen, was der Hogwarts-Schüler auch fehlerfrei erledigte. Dann kam das ruhige Stück, daß er gelernt hatte. Auch das brachte er fehlerfrei heraus. Nur bei dem dritten, dem schnellen Stück, verspielte er sich bei einer Note, die lang gehalten werden sollte, aber von Julius kurz angespielt wurde. Madame Faucon klappte nach dem Stück das Buch zu und wies Julius darauf hin, daß er sich doch einmal verspielt hätte. Dann tippte sie das Buch mit dem Zauberstab an und murmelte ein paar Worte. Unvermittelt verschwand das Buch.

"Gemäß der von mir festgelegten Bedingungen muß ich das Liederbuch beschlagnahmen, da du bei dem dritten Stück einen Notenwert falsch interpretiert hast. Weil du bei den anderen beiden Stücken keinen Fehler gemacht hast, muß ich annehmen, daß es nicht an einer Unkenntnis der Notenschrift liegt. Soviel zu diesem Liederbuch. Keine Sorge! Mademoiselle Virginie Delamontagne wird es zurückbekommen, wenn du wieder abreist."

Julius wagte nicht, gegen diese harte Maßnahme zu protestieren. Wegen eines Liederbuches würde er sich nicht noch mehr mit der Beauxbatons-Lehrerin verscherzen. Sie wollte ihm zeigen, daß sie bestimmte, was er las oder tat. Dagegen konnte er nichts machen, wenn er nicht weglaufen wollte."

Doch am Abend vor dem Schlafengehen schickte er noch seine Eule Francis mit einem Brief für Virginie Delamontagne los:

 

 

Hallo, Virginie!

Danke für das Liederbuch. Die Sache ist jedoch danebengegangen, weil Madame Faucon dabeiwar, wie ich es bekam. Sie hat es eingezogen, nachdem ich es nicht ganz schaffte drei Titel daraus fehlerfrei nachzuspielen. Du kriegst es wohl erst nach dem Konzert von Hecate Leviata zurück, wenn ich wieder weg bin.

Das wollte ich dir nur mitteilen, damit du weißt, bei wem du dir dein Buch wiederholen kannst.

Viele Grüße an Prudence!

Julius

 

 

Am nächsten Tag erlaubte ihm Madame Faucon, mit seinem Besen auszufliegen. Er traf sich im Park mit Caro, die beim Sommerball am selben Tisch wie er gesessen hatte.

"Claire hat erzählt, du kämst auch mit zum See der Farben", sprach sie den Hogwarts-Schüler an. Julius erwiderte:

"Wenn Claire das von ihrer Maman hat, dann nur, weil diese glaubt, mich ohne Probleme mitnehmen zu können. Aber meine Gastmutter ist nicht gerade begeistert, daß Madame Dusoleil mich derartig in Beschlag nimmt."

"Das heißt, du kommst nicht mit?" Fragte Caro, während sie neben Julius über einer großen Wiese verschiedene Figuren flog.

"Wollen will ich schon. Aber wenn die große Dame nein sagt, heißt das wohl nein", sagte Julius.

"Das ist allerdings richtig. Aber Claire wird das nicht freuen. Sie lag Elisa und mir schon in den Ohren, daß sie gerne sehen möchte, wie du unter Wasser klarkommst."

"Wie geht das denn? Nehmt ihr alle Dianthuskraut?"

"Jawohl! Für diese Frage bekämst du von Madame Dusoleil möglicherweise hundert Punkte.

Claire war im letzten Jahr dabei, weil sie die Tochter von Madame Dusoleil ist. Sonst dürfen ja nur Beauxbatons-Schüler mit. Wir haben alle Dianthuskraut bekommen, während die Eltern oder Onkel und Tanten den Kopfblasenzauber angewendet haben. Es ist jedes Jahr was anderes, weil neue Pflanzen oder Tiere dazukommen. Aber ich will dir nicht zuviel verraten."

"Dianthuskraut wird im Katalog für käufliche Zauberpflanzen mit sechs Sickeln pro Viertelpfund angeboten. Der Ausflug kostet wohl was, wie?"

"Nur für die Erwachsenen. Kinder und Jugendliche unter siebzehn zahlen nichts. Das läuft dann unter Ausbildungskosten."

"Aja! Wie gesagt, im Moment sieht es bei mir nicht gerade toll aus, was meine Teilnahme angeht."

"Vielleicht überlegt es sich deine Gastgeberin noch mal", erwiderte Caro.

"Ich denke nicht, daß sie sich ohne Änderung der Situation anders entscheidet. Ihr kennt sie bestimmt besser als ich. Womöglich darf ich mir als Gast noch Sachen leisten, die ihr als Schüler nicht einmal in Gedanken durchführen dürft."

"Das ist das erste, was wir in Beauxbatons lernen. Leg dich niemals mit Professeur Faucon an! Im Grunde genommen ist sie die perfekte Stellvertreterin von Madame Maxime. Ich wage nicht daran zu denken, wie das sein wird, wenn Madame Maxime nicht da ist und Professeur Faucon die Schule in eigener Regie führt."

"Wie gesagt, ich kenne sie nur als Gastgeberin, und das reicht mir schon", sagte Julius.

Claire Dusoleil und Elisa Lagrange flogen auf ihren Besen herbei. Julius sah, wie sich die etwas ältere Beauxbatons-Schülerin über der großen Wiese in einen Sturzflug warf, der sie fast auf dem Boden aufschlagen ließ. Claire blieb in der Luft und kam links von Julius längseits.

"Heh du! Warum möchte Professeur Faucon nicht, daß du mit zum See der Farben kommst?" Begrüßte Claire den Hogwarts-Schüler. Dieser erwiderte:

"Sie hat nicht grundsätzlich gesagt, daß ich da nicht mitkommen darf. Aber sie kann mich nicht begleiten."

"Hmm, das ist dumm. Tante Uranie muß auf Denise aufpassen weil Paps zu einem Kunden nach Lyon muß, der mit einer Weinkellerkühlanlage Probleme hat."

"Wenn ich das richtig verstanden habe, muß jedes Kind von einem Erwachsenen begleitet werden. Wie sieht das dann mit Prudence aus?" Fragte Julius. Dann beantwortete er selbst die Frage:

"Womöglich kommt Monsieur Delamontagne mit."

"Der läßt sich das nie entgehen."

"Das wird wieder ein Riesenspaß", kicherte Caro. "Wenn die dicke Madame Delamontagne versucht, sich unter Wasser zu halten."

"Was lästerst du wieder, Caro?" Kam eine Mädchenstimme von weit oben, und Virginie sauste wie ein Greifvogel auf Beutefang herunter, fing sich auf Julius Höhe ab und schwirrte wie eine gereizte Hornisse um Caro herum.

"Ich finde es faszinierend, wie eine Frau wie deine Mutter sich unter Wasser bewegen will", grinste Caro unverholen frech.

"Das hat sie zwei Jahre hintereinander geschafft, und das schafft sie auch dieses Jahr wieder", knurrte Virginie. "Oder soll ich dir den Adipositus-Fluch anhexen, damit du dir ein eigenes Urteil bilden kannst, Mademoiselle Renard?"

Caro lachte erst, dann verstummte sie, als sie Virginies wütendes Gesicht sah. Dann sagte sie:

"Du darfst aber nicht zaubern! Schon gar keine Flüche aussprechen."

"Ich nicht. Aber meine Mutter findet das nicht lustig, wenn sich spindeldürre Hungergestalten wie du über ihren stattlichen Körperbau auslassen."

Caro verstummte vollends. Julius ließ sich mit Claire zurückfallen, um der Streiterei aus dem Weg zu bleiben. Elisa Lagrange winkte den beiden, neben ihr zu landen.

"Laßt die beiden Gewitterhexen da oben zanken, bis sie vom Besen fallen", sagte die dreizehn Jahre alte Schülerin, die mit ihrem Tanzpartner den dritten Platz beim Tanzwettbewerb errungen hatte.

"Wie die hinterletzten Muggel", knurrte Claire. "Die hängen sich auch so sehr am Aussehen anderer Leute auf. Das sollte Virginie doch eigentlich von sich weisen."

"Wenn das Muggel wären, würden die sich noch lauter anbrüllen und mit den gemeinsten Flüchen um sich werfen", bemerkte Julius. Elisa horchte auf. Julius fiel ein, daß die Junghexe, die den bronzenen Tanzschuh gewonnen hatte, vielleicht noch nichts von seiner Abstammung wußte. Deshalb sagte er noch:

"Das habe ich schon häufig von anderen erzählt bekommen. Bei den Muggeljungen gibt es eine Prügelei, nach der die beiden entweder geklärt haben, wer recht hat oder zusammen eine Party feiern, weil sie sich beide so toll gerauft haben. Mädchen und Frauen zanken sich selbst dann noch, wenn sie sich förmlich die Haare ausgerissen und die Kleider zerfleddert haben."

"Das gibt's bei uns auch. Dorian hat einmal in Beauxbatons ein Duell durchführen müssen, nur um von seinem Schlafsaalkameraden für voll genommen zu werden. Beide sind im Krankenflügel gelandet und haben heftig hohe Strafen aufgebrummt bekommen", wußte Elisa zu berichten.

Irgendwann hörten die beiden Junghexen mit ihrem Streit auf. Caro schwirrte davon, ohne sich von Julius oder den anderen beiden Junghexen zu verabschieden. Virginie schoß wie ein angreifender Adler auf Julius zu, streckte den linken Arm von sich, fing Julius damit ein und bugsierte ihren Besenstiel zwischen seine Beine durch, bis er perplex vor ihr auf dem Ganymed 8 saß und unvermittelt mit Virginie in die Höhe getragen wurde. Claire schimpfte noch, was ihr denn einfiele, doch Virginie war bereits mehrere Meter über dem Boden und rauschte über die Lichtung hinweg, bis der Besen 15 Meter über dem Boden gerade über den Baumwipfeln flog.

"Wieso hast du deiner Gastmutter gesagt, daß du das Notenbuch von mir bekommen hast?" Fragte Virginie. Julius meinte, Wut in der Stimme zu hören. Womöglich wollte sich die Junghexe wegen dieser Zankerei mit Caro abreagieren. Vielleicht aber auch nicht.

"Ich habe das Buch bekommen, als wir, Madame Faucon und ich, draußen in ihrem Garten Schach spielten. Deine Eule ließ mir das Buch direkt vor ihrer Nase auf den Tisch fallen. Sie hat sich erkundigt, was das sollte und deinen Zettel gesehen. Deshalb wußte sie was davon."

"Sie hat Maman eine Eule geschickt, daß ich doch bitte daran erinnert werden möge, daß deine Hausmutter es nicht gutheißt, daß Hecate Leviata uns mit angeblich wilder und ungehöriger Musik traktiert und nicht will, daß du verdorben wirst. Maman hat mich gefragt, was ich Madame Faucon getan hätte und gab keine Ruhe, bis ich ihr erzählte, daß du nicht wüßtest, wer Hecate Leviata sei. Maman hielt es für geboten, mich daran zu erinnern, daß Madame Faucon auch außerhalb von Beauxbatons bestimmen wolle, was ihre Schüler so hören oder tun. Offenbar muß deine Futtergeberin sich heftig über mich ausgelassen haben. Maman versteht zwar meine Begeisterung für Hecate, aber will auch nicht haben, daß ich es mir mit Madame Faucon verscherze."

"Dann sage deiner Eule, daß sie erst klären muß, daß die Person allein ist, für die sie was dabeihat, von dem du weißt, daß es nicht erlaubt ist!" Erwiderte Julius trotzig. Ihm gefiel es nicht, wegen eines Notenbuches derartig dumm angeblafft zu werden.

"Gut, in Ordnung! Ich wollte mich auch nur dazu äußern, daß ich es nicht schön fand, daß sie dir das Buch beschlagnahmt hat. Wahrscheinnlich läßt sie dich auch nicht zum Konzert gehen. Mir wird sie wohl erst in der Schule eine kurze Gardinenpredigt halten, bevor sie mir das Buch zurückgibt."

"Ich finde es blöd, daß ich mich mit einem drei Jahre älteren Mädchen darüber streiten soll, wie Madame Faucon drauf ist, ich meine, was sie so für richtig oder falsch hält. Ich bekam immerhin eine Chance, daß Notenbuch bis zum Konzert zu behalten. Ich sollte drei Stücke daraus auswendig nachspielen lernen und ihr dann vorspielen. Bei einer einzigen Note habe ich mich verhauen, deshalb hat sie das Buch einkassiert", berichtete Julius kurz.

"Das war ja dann wohl nichts. Ich hätte auf Prudence hören und dir die Eule eine Stunde später schicken sollen. Passiert ist passiert. Da in dem Buch keine Magie vorhanden ist, werde ich es wohl wiederkriegen. Vielleicht bin ich nur wegen dieser Caro so ausgerastet. Meiner Mutter würde die nie sagen, daß sie sie für fett hält."

"Das ist sie ja auch nicht", sagte Julius, der meinte, für schönes Wetter sorgen zu müssen.

"Ach neh, ist sie nicht?" Fragte Virginie lauernd.

"Wer so toll Quidditch spielen und so gelenkig tanzen kann, ist bestimmt nicht fett. Sie ist eben nicht unterernährt."

"Wielange bist du jetzt schon in Frankreich?" Wollte Virginie wissen.

"Seit dem siebten Juli. Wieso?" Erwiderte Julius Andrews.

"Weil du wohl schnell gelernt hast, zu schmeicheln", sagte Virginie und landete wieder.

"Was sollte das denn, Virginie?" Fragte Claire die etwas ältere Beauxbatons-Schülerin.

"Ich mußte was klären, wo nicht jeder dabeistehen mußte", gab Virginie Delamontagne kalt zurück. Dann flog sie wieder davon. Julius nahm seinen Sauberwisch 10 und saß auf. Claire und Elisa bestiegen ebenfalls ihre Besen und warteten, bis Julius sich abgestoßen hatte. Claire flog an Julius rechter Seite und fragte:

"kannst du heute Nachmittag zu uns kommen? Maman möchte im Garten Musik machen. Da Jeanne nicht da ist, fehlt uns eine Flötenstimme."

"Oh, das geht nicht. Ich muß noch was vorbereiten, was am dreizehnten August steigen soll. Deine Mutter und ihr anderen kriegt noch genauer Bescheid."

"Schade! Wenn Maman im Garten spielt klingt das immer so erhaben, noch mehr als in einer Konzerthalle. Aber ich kann verstehen, daß Professeur Faucon meint, daß du schon sooft bei uns warst. Womöglich verlangt sie von dir noch mehr Hausaufgaben, wo du ihr Gast bist."

"Kein Kommentar", erwiderte Julius lächelnd. Claire flog einmal um den Jungen herum und balancierte ihren Besen neben ihm aus.

"Ich weiß nicht, was Professeur Faucon auf einmal mit dir hat. Zum See der Farben darfst du nicht mit, zu uns sollst du auch nicht mehr kommen, und wenn ich das eben mitbekommen habe, hat sie Virginies Mutter wegen eines Buches über Hecate Leviata angeschrieben, daß du nicht haben solltest."

"Es geht auf das Ferienende zu. Vielleicht will sie wieder ihre normale Strenge proben und hat bei mir halt wen, an dem sie ihre Durchsetzungskraft ausprobieren kann", sagte Julius.

"Schade, und ich hoffte, wir könnten zusammen in die Unterwassergärten hinabtauchen. Kannst du dir vorstellen, wie das geht?"

"Na klar! Ich habe doch meinen Schnorchel und meine Gummiflossen mitgebracht."

"Deinen was?" Fragte Claire.

"Wie wollt ihr denn tauchen, wenn ihr keinen Schnorchel kennt?" Fragte Julius gehässig zurück.

"Das wirst du erleben. Ich glaube nämlich nicht, daß Professeur Faucon dich nicht doch gehen läßt. Maman wird noch mal mit ihr sprechen."

"Deine Mutter war Schülerin bei ihr. Du bist Schülerin bei ihr. Glaubst du, die läßt sich breitschlagen?"

"Das hat sie doch auch bei dem Besenflug getan", erinnerte sich Claire grinsend.

"Ja, aber nur, damit ich nicht mit dem Gefühl ins Bett gehe, komplett versagt zu haben. Vielleicht wollte sie auch nur wissen, ob ich auch ohne Angst mit wem hinter mir fliegen kann."

"Was auch immer, Julius, wir sehen uns wohl noch mal, bevor du wieder abreist."

"Das denke ich schon", erwiderte Julius. Dann flogen die Beiden noch ein wenig über den Park hinweg. Julius verriet Claire noch ein paar Landetips, die er bei seinen Flugstunden von Madame Hooch beigebracht bekommen hatte und zeigte ihr ein paar zusätzliche Bremsmanöver, die bei schnellen Quidditchspielen hilfreich waren.

"Kein wunder, daß England und Irland Favoriten der Weltmeisterschaft sind", sagte Claire, als beide noch mal auf einer anderen Lichtung gelandet waren.

"England ist ja mittlerweile raus aus dem Turnier, habe ich gehört. Meine Gastmutter liest mir jeden Morgen aus der Zeitung vor."

"Dann waren die aber weiter als unsere Mannschaft. Ich hoffe, Jeanne amüsiert sich gut", sagte Claire.

Die beiden Kinder unterhielten sich noch eine Weile über Quidditch, sprachen Englisch miteinander, wobei Claire für ihr Alter schon sehr gut gelernt hatte und sangen einfache französische Zaubererlieder. Dann vibrierte das Verbindungsarmband von Julius, und der Hogwarts-Schüler mußte sich verabschieden. Claire und er umarmten sich kurz, dann flogen sie in unterschiedliche Richtungen davon.

Nach dem Mittagessen schloß Julius die Vorbereitung seines Vortrags über die Sonnenmagie ab und ging noch mal seine Aufzeichnungen und Stichwortblätter durch. Dann fragte er, wie man die Stichwortzettel kopieren konnte und sah, wie Madame Faucon mit einem Zauber, den sie Multiplicus nannte, zehn Kopien herstellte. Sie berührte beim Sprechen dem Zauberwort "Multiplico!" jedes Blatt mit dem Zauberstab, worauf daraus ein weißer Nebel quoll, der sich zu zehn wohl vollkommen identischen Kopien des berührten Pergamentblattes verdichtete. So stellte sie zehn Kopien der Stichwortblätter her und ließ sie von Julius zusammenrollen und in einer kleinen Kiste unterbringen.

"Dieser Zauber, den ihr bestimmt ab der fünften Klasse lernen werdet, kann nur tote Materie nichtmetallischer Beschaffenheit bis zu zehnmal pro Zauber vervielfältigen. Du kannst jedoch nur Kopien eines Originals anfertigen, da Kopien einer Kopie ungenau ausfallen. Der Zauber ist daher nicht belibig ausbaubar, zumal es noch gesetzliche Einschränkungen gibt, was mit ihm vervielfältigt werden darf", erläuterte die Lehrerin für Verwandlung und die Abwehr dunkler Kräfte den Zauber.

"Ich habe es schon gehört, daß Muggelgeld nicht damit vervielfältigt werden darf."

"Und noch einiges mehr. Ach ja, es können auch keine magischen Artefakte damit vervielfältigt werden, da es zu einer Magiedispersion kommen kann. Die Originalgegenstände können dabei zerstört werden, falls nicht der Zauberstab unter den Auswirkungen leidet."

"Pech!" Sagte Julius.

 

 

Die nächsten Tage bis zum zwölften August vergingen mit Quidditchübungen, Nachhilfe in Verwandlung und Fluchabwehr, wobei Julius den Reflectatus-Zauber mehrfach erfolgreich anwenden konnte, sowie Musik mit seiner Gastmutter oder den Dusoleils und Schach gegen Madame Delamontagne oder Mademoiselle Dusoleil. Mit letzterer besuchte er auch einmal die Sternwarte von Millemerveilles. Madame Faucon begleitete die beiden dabei und flog um zwölf Uhr mit Julius zurück.

Am elften August saß Claire mit Julius am Nachmittag im großen Garten der Dusoleils unter einem Kirschbaum und redete über alles mögliche. Dabei stellten sie fest, daß Julius sich sehr gut vorstellen konnte, nach Millemerveilles zu ziehen, wenn er mit seiner Ausbildung fertig war.

"Ich habe zwar nur wenige Leute hier kennengelernt, aber im Moment wäre das für mich kein Problem, hier zu wohnen. Aber ich denke mal, die wollen keine Zugereisten", sagte Julius.

"Viele haben Probleme mit Muggelstämmigen. Die meisten Einwohner hier leben schon in der vierten Generation hier. Zwischendurch ziehen welche weg, sowie meine Großeltern, die in Lyon und Bordeaux untergekommen sind. Für manche ist das Dorfleben nichts. Einige möchten nicht jeden Tag von jedem beobachtet werden."

"In der Stadt ist das anders. Du lebst für dich und brauchst dich nicht ständig mit den Nachbarn zu unterhalten, wenn du das nicht willst", erzählte Julius.

Irgendwann im Verlauf der Unterhaltung ging es noch mal um die unfreiwillige Besenflugübung, bei der Julius Claire auf seinem Besen hatte mitnehmen müssen. Sie fragte ihn noch mal:

"Hattest du wirklich Angst um mich?"

"Ja, hatte ich. Ich wollte nicht, daß ich dich wegen meiner Unfähigkeit auf den Boden fallen lasse."

"Dann bin ich also kein plumper Sack für dich?"

"Das habe ich nie behauptet", sagte Julius und zwang sich zu einem Grinsen. Daraufhin umfing Claire ihn mit ihren Armen und drückte ihm einen Kuß auf die linke Wange.

"Du bist echt mutig, dafür, daß du ein Muggelkind bist", hauchte sie Julius ins Ohr, während dieser rot anlief wie eine Tomate.

"Ich bin ja kein urstämmiger Muggelnachkomme. Madame Faucon hat rauskriegen lassen, daß ich vor mehreren hundert Jahren Zauberer und Hexen in meiner Verwandtschaft hatte."

"Deshalb kannst du auch so gut fliegen. Ich habe Muggelstämmige gesehen, die haben sich schlicht geweigert, Besen zu benutzen, weil sie damit Probleme hatten. Da bin ich ja noch wirklich gut drin, auch wenn ich bei den Landungen noch nicht so richtig abschätzen kann, wie ich aufsetzen muß", sagte Claire.

Madame Dusoleil kam leise hinter dem Kirschbaum hervor. Sie sah Julius lächelnd an, der immer noch verlegen aussah und jetzt, da er merkte, daß er beobachtet worden war, wieder errötete.

"Erwischt!" Flachste Madame Dusoleil und trat auf Julius zu. Dieser sah die Gartenhexe an und stammelte, daß er sich nichts herausnehmen wollte, falls Claires Mutter dies von ihm denke.

"Sowie ich das sehe hast du nicht den ersten Schritt getan und daher keinen Grund, dich zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. Jeanne war elf Jahre alt, als sie mit Bruno anbandelte."

"Maman, du glaubst, daß ich mit Julius ...?" Fragte Claire und errötete ihrerseits, was bei ihrem braunen Hautton eine interessante Tönung ergab.

"Ich habe deine große Schwester gesehen, und ich selbst bin ja auch nicht gerade spät ins Leben aufgebrochen. Mehr sage ich dazu nicht", erwiderte Madame Dusoleil.

Julius kehrte mit wirren Gedanken in seinem Kopf zurück ins Haus Madame Faucons und stürzte sich auf sein Buch über die Geschichte von Hogwarts. Beim Abendessen fragte Madame Faucon ihn kurz, ob er sich gut fühle, weil ja in zwei Tagen der Vortrag sein sollte.

"Doch, mir geht's gut", sagte Julius. "Die Einladungen sind ja alle raus. Madame Delamontagne hat sofort zugesagt, ebenso die Dusoleils und Prudence Whitesand. Ich hoffe nur, daß das in Ihrem Garten klargeht", sagte Julius noch.

"Ich habe es dir angeboten und halte mein Angebot aufrecht", bestätigte Madame Faucon noch mal, was sie vor Tagen schon gesagt hatte.

Am zwölften August frühstückten Madame Faucon und Julius, als Catherine Brickston aus einem wilden Luft- und Aschenwirbel heraus im Kamin der Wohnküche erschien. Sie trug einen großen Koffer unter dem Arm und trug eine dunkelblaue Jeanshose und ein hellweißes T-Shirt. Sie sah sich kurz um, bevor sie aus dem Kamin stieg und sich die Asche von der Kleidung und aus den Haaren klopfte. Ihre Mutter sah sie vorwurfsvoll an.

"Guten Morgen, Maman! Die Kleidung mußte sein. Muggelabwehr verlangte nach Muggelkleidung. Die haben sich aber auch was dabei gedacht, Zauberer und Hexen in diesen engen Zugabteilen der Muggel reisen zu lassen. Ich möchte nicht wissen, ob nicht einige der Galleonen für die Eintrittskarten für die Zugreservierungen ausgegeben werden mußten. - Hallo, Julius. Ich sehe, du hast etwas zugenommen. Hätte mich auch gewundert, wenn du so dünn geblieben wärest, wie du warst, als ich dich am Flughafen abgeholt habe."

"Catherine, zieh dich bitte um! In deinem alten Kinderzimmer hängen vier Umhänge und zwei Kleider. Such dir eins aus und komm dann wieder zu uns!" Bestimmte Madame Faucon. Catherine Brickston nickte zustimmend und verließ die Wohnküche.

"Wie kommt sie darauf, daß ich zugenommen hätte?" Fragte Julius. Madame Faucon sah ihn prüfend an und erwiderte:

"Sie hat dich zuletzt vor ihrer Abreise gesehen. Da warst du wirklich nicht gerade wohlgenährt. Aber das habe ich ja vortrefflich ausgleichen können. Deine sportlichen Betätigungen haben ihr übriges getan, um dich körperlich besser auszuprägen."

"Oha! Nachher wollen meine Eltern noch wissen, was es sie kostet, daß ich soviel zu essen bekommen habe", seufzte Julius. Wie zum Widerspruch legte Madame Faucon dem Jungen noch zwei Schnitten Baguette mit Schinken, Käse und Tomaten auf den Teller und sagte:

"Du ißt, was du brauchst. Guten Appetit!"

Als Catherine mit gekämmtem Haar und in einem veilchenblauen Seidenumhang in die Wohnküche zurückkehrte, lächelte sie Julius an. Sie nahm rechts von ihm Platz und nahm einen sauberen Teller, den ihre Mutter in die Tischmitte gestellt hatte und schnitt sich selbst etwas von einer Baguettestange ab, das sie nach ihrem Geschmack belegte.

"Du kannst froh sein, daß du hier untergekommen bist. Joe hat mir gestern erzählt, daß er eigentlich vorhatte, mit dir an deinem Geburtstag einen Ausflug zu einem der pariser Flughäfen zu machen. Wie ich hörte, hast du dich hier sehr erfolgreich betätigt. Hat Camille Maman schon gefragt, ob du nicht bei ihr bleiben könntest?"

"Das hat sie bisher nicht gewagt, Catherine. Aber den Eindruck habe ich schon gewonnen, daß sie dies gerne versucht hätte."

"Ich denke nicht, daß das gut gegangen wäre, Madame Faucon. Eine Großtante von mir hat mal gesagt, daß Kinder nur was schönes sind, wenn man sie abends wieder abgeben kann."

"Oho, das lasse Camille aber nicht hören. Sie wird mich fragen, warum ich Babette nicht mitbringen wollte."

"Wo ist die jetzt? Deine Mutter hat gesagt, daß sie bei einer Großtante ist."

"Ja, das ist sie. Als ich ihr erzählt habe, daß ihr Vater mit dir einen Unfall gebaut hat, war sie noch nicht einmal traurig, daß du nicht mehr im Krankenhaus warst. Ich habe ihr erzählt, du seist nach Hause gebracht worden. Ich denke, daß das auch in deinem Sinn war, Maman."

"Inwiefern, meine Tochter?"

"Daß Babette nicht mitbekommt, daß Julius von dir abgeholt wurde, bevor Joe meinte, in den Muggelabwehrbann hineinrasen und bei der überstürzten Rückkehr irgendwo gegenprallen zu müssen. Es wäre auch für mich sehr beruhigend, wenn Babette nicht erzählen kann, daß Julius bei ihrer Oma, einer richtigen Hexe, gewohnt hat."

"Insofern ist mir das in der Tat sehr willkommen, daß du Babette bei Madeleine gelassen hast, Catherine", pflichtete Madame Faucon ihrer Tochter bei.

"Was hat Joe gesagt, als du ihn besucht hast?" wollte Julius wissen.

"Er hat mich losgeschickt, mich nach dir zu erkundigen. Ich versprach ihm, daß ich herausbekommen würde, wo du bist, wenn er dafür nichts zu deinen Eltern sagt, daß ich eine Hexe bin. Er hat es mir versprochen."

"Die Gefahr besteht, daß er meint, Julius' Eltern jetzt als Eingeweihte und damit Informationsberechtigte zu betrachten. Ich werde mich bei meinem nächsten Besuch bei euch noch mal mit ihm unterhalten", sprach Madame Faucon. Dann fragte Madame Brickston:

"Kann ich mir nachher mal ansehen, wie gut du auf deinem neuen Besen fliegst, Julius? Etwas zu lesen ist eines, es zu erleben eine andere Sache."

"Selbstverständlich", stimmte Julius zu.

"Julius möchte morgen einen Vortrag über Sonnenmagie halten. Eine Klassenkameradin hat ihm ein Buch darüber geschenkt, das höchst informativ ist. Ich habe ihm mitgeteilt, daß du die nächsten Tage hierbleiben wirst."

"Natürlich werde ich mir das nicht entgehen lassen. Das kann nur das Buch von Prof. Meridies und Prof. Dias sein. Ich habe einen Verweis darauf im Buch "Dunkelheit aus Licht" gelesen, das die schwarzmagischen Aspekte uralter Sonnenkulte behandelt. Aber dein Buch ist natürlich frei von dunklen Anwendungsmöglichkeiten, sonst hätte Maman es bestimmt beschlagnahmt."

"Ich halte das Buch für neutral. Ich kann mir zwar vorstellen, daß einige Sachen auch für schwarze Magier interessant sind, aber im wesentlichen doch auch für rechtschaffende Zauberer und Hexen."

"Das denke ich auch. Man muß noch andere Bücher lesen, um sich mit schwarzmagischen Abwandlungen vertraut zu machen", sagte Madame Faucon. "Im Grunde kann jeder Zauber, der nicht ursächlich ein Abwehrzauber oder Heilzauber ist, der schwarzen Magie untergeordnet werden. Dann wären wir genauso hysterisch wie die Muggel, die Magie als von einer dämonischen Instanz vermittelte Kraft gegen Menschen ansehen."

"Ja, die Leute gibt's noch", wußte Julius.

Nach dem Frühstück führte Julius Catherine Brickston seine Flugkünste vor. Catherine war hellauf begeistert und spornte Julius zu wilden Flugmanövern an, bis ihre Mutter sie beide energisch zur Ordnung rief. So setzten sich Julius und die Frau seiner Mutter alten Studienfreundes Joe zusammen in den Garten und unterhielten sich über Julius' Ferien und die Quidditch-Weltmeisterschaft.

"Ich bekam für 25 Galleonen einen mittleren Sitzplatz. Babette durfte für die Hälfte einen Platz haben. Aber wir konnten viel sehen. Ich habe Babette eines dieser Omnigläser gekauft, mit dem man Spieler näher heranholen und verlangsamt beobachten kann, wie die Zeitlupenaufnahmen im Muggelfernsehen. Allerdings hätte ich bestimmt keine zehn Galleonen hingelegt, wenn Babette schon mehrere Quidditchspiele gesehen hätte."

"Zehn Galleonen. Da sind wohl einige Leute arm bei geworden, wie?" Erkundigte sich Julius. Dann erzählte er noch, daß einer seiner Onkel einmal für ein Spitzenspiel der obersten englischen Fußball-Liga einhundert Pfund hingeblättert hatte.

"Angebot und Nachfrage, Julius. Wenn du nur zehntausend Omnigläser hast, aber 100.000 Zuschauer kommen, kannst du sowas schon machen. - Hallo, Camille!" Catherine hatte bei ihrer Ausführung einen Blick nach oben geworfen, weil dort ein Schwirren eines heranrauschenden Besens zu hören war und winkte nun der Gärtnerei-Hexe Camille Dusoleil, die in einem dunkelgrünen Arbeitsumhang auf ihrem Transportbesen heranflog und zurückwinkte, als sie Catherine sah.

"Ich dachte, du bist mit der Kleinen bei der Weltmeisterschaft, Catherine!" Rief Madame Dusoleil und landete neben dem Gartentisch, an dem Catherine und Julius saßen.

"Ich wollte mir nur drei Spiele ansehen. Babette wäre gerne bis zum Finale geblieben, aber nicht zu dem Preis. Da arbeitest du ja ein ganzes Jahr für, nur um das eine Spiel zu sehen. Ich meine, wenn Frankreich dabei gewesen wäre, hätte ich mir das natürlich angesehen. Aber so war es auch schon spannend."

"Ich dachte erst, du wärest mit unserem jungen Gast zusammen hergekommen, weil er nicht damit herausrücken wollte, bei wem er wohnt", sprach Madame Dusoleil und lächelte Julius verwegen an.

"Das hatte seine Gründe, Madame Dusoleil", erinnerte Julius die Gartenhexe noch mal daran, weshalb er sich nicht dazu ausgelassen hatte, wo er untergebracht war.

"Ich habe gehört, du und dein Gatte hätten im Tanzen nachgelassen. Oder hast du deiner Tochter mal was gönnen wollen, Camille?"

"Punkt eins: Wir hatten nichts zu verschenken. Punkt zwei: Ich bin froh, daß Claire bei ihrem ersten Sommerball einen so gut mit ihr harmonierenden Tanzpartner gefunden hat. Ich fürchtete schon, sie hätte mit Jacques Lumière tanzen müssen."

"Apropos, ich habe deine Tochter Jeanne und Barbara Lumière getroffen. Sie bedauerten, nicht selbst beim Ball mittanzen zu können, freuten sich aber auch auf die Weltmeisterschaft. Die beiden bleiben ja bis zum Finale."

"Hat Julius dir erzählt, daß er morgen einen Vortrag über Sonnenstrahlung und Zauberei halten möchte?"

"Hat er. Ich bin auch da, falls nicht zu wenig Stühle vorhanden sind", erwiderte Catherine Brickston.

"Wo ist denn Babette abgeblieben? Ist sie mit ihrem Vater alleine?"

"Bloß nicht. Die ist so aufgedreht, daß sie im Moment nur mit echten Zauberern klarkommen kann. Sie ist bei einer Tante von mir, die einen ganzen Stall voll Kinder hat. Denise kann sich also wieder beruhigen."

"Erzähl Catherine doch mal, wie du die Abreise unserer Abordnung zur Weltmeisterschaft beobachtet hast!" Wandte sich Madame Dusoleil an Julius. Dieser errötete leicht, weil er genau wußte, worauf die Gartenhexe anspielte. Catherine sah erst zu, wie Madame Dusoleil ihre Arbeitstasche auspackte und an die Beschneidung der hohen Graswedel ging, die in der sonnenbeschienenen Ecke des Gartens im Wind wehten. Dann fragte sie Julius, was denn passiert sei, und Julius flüsterte ihr zu, was ihm passiert war, daß er fast mit den anderen abgereist wäre, nur weil er wie hypnotisiert hinter Fleur Delacour hergetrottet war. Er gestand auch ein, daß er zuerst geglaubt hatte, sie stehe unter dem Auraveneris-Fluch, der damit belegte Personen hundertfach anziehender wirken ließ, so daß ihnen zugeneigte Leute ihnen verfallen würden.

"Hat dir meine Frau Mutter etwa ihr Standardbuch für Schüler ab der sechsten Klasse gegeben? Oder wo hast du diese Vermutung her?"

"Ich habe das Buch über Gegenflüche und Abwehrzauber zum Geburtstag bekommen und darin gelesen. Ich fand das irgendwie lustig, bis ich selbst gemerkt habe, daß das nicht gerade lustig ist."

"Was hat Fleur gesagt? Fand sie es lästig oder lustig, daß du ihr nachgedackelt bist?"

"Sie hat sich erst gewundert und mich dann merkwürdig angeguckt, bevor sie weiterlief. Ihre Mutter kam dann noch, um mich zu begutachten. Das war mir schon peinlich."

"Interessant. Dann hast du natürlich allen Grund, das Buch über Gegenflüche zu lesen, damit du demnächst auf sowas besser vorbereitet bist", stellte Catherine nüchtern fest.

Bis zum Mittagessen vertrieben sich Catherine und Julius noch die Zeit mit Malerei. Julius bekam tatsächlich ein Bild so hin, daß auf Catherines Pictovivo-Zauber hin das gemalte Geschehen lebendig wurde, und das kleine rot-weiße dampfschiff auf ruhigem Meer unter strahlender Sonne kleine weiße Wölkchen ausstieß und aus dem Bild hinausschaukelte, eine schaumige Wasserspur hinter sich lassend.

"Aha! Und wo kommt das Schiff wieder heraus?" Fragte Julius.

"Das war ein einfacher Belebungszauber. Das Schiff kannn zwar aus dem Bild fahren, muß aber nach einer gewissen Zeit wieder zurückkommen. Wenn ich das Bild jetzt an einer Wand befestigt und mit einer Erweiterung des Zaubers belegt hätte, hätte es überall hinfahren können, wo ein See oder Ozean abgemalt wurde. Wie kam denn Maman auf die Idee, dir ein Buch und eine Farbenpalette für magische Malerei zu schenken?"

"Weil sie fand, daß ich das neben dem ganzen Wissenschaftszeug nötig hätte, mich auch mit Kunst zu beschäftigen", sagte Julius.

"Das gleicht schon viel aus, Julius. Die Erfahrung habe ich auch gemacht", verriet Catherine Brickston.

Nach dem Mittagessen unterhielten sich Madame Dusoleil und Catherine Brickston über den Ausflug an den See der Farben. Catherine konnte ihre Mutter dazu überreden, mit Julius zusammen an dem Ausflug teilnehmen zu dürfen.

Madame Faucon gestattete es auch, daß Catherine mit Julius Quidditch trainieren konnte. Alsbald waren die beiden nicht alleine auf dem Platz. Denn Jacques Lumière, Virginie Delamontagne, Prudence Whitesand und Claire Dusoleil fanden sich ebenfalls zum Training ein. Madame Delamontagne, die ihnen zusah, ließ sich anschließend von Catherine berichten, wie es bei der Weltmeisterschaft zuging. Dann ging es auch schon wieder zurück zum Haus von Madame Faucon, wo Catherine Julius zuerst ins Badezimmer schickte, bevor er mit ihr und Madame Faucon zusammen zu Abend aß. Den restlichen Abend vertrieben sich die drei Hausbewohner mit Musik. Catherine spielte Harfe, Madame Faucon Cello und Julius auf seiner Blockflöte. Um zehn schickten Mutter und Tochter den Hogwarts-Schüler ins Bett, während sie sich noch ein wenig unterhielten. Julius legte sich schlafen und dachte daran, daß morgen sein großer Tag sein würde. Hoffentlich lief alles glatt.

 

 

Zwei Eulen klopften um sechs Uhr an Julius' Fenster. Es waren Trixie, das Steinkauzweibchen von Gloria Porter und Viviane, Claires Waldohreule. Beide Posteulen hatten einen Brief für Julius dabei. Er las zunächst den von Gloria Porter:

 

Hallo, Julius!

Meine Mum und ich kommen am fünfzehnten August zu euch nach Millemerveilles und übernachten im Chapeau Du Magicien. Wir wollen uns das Hecate-Leviata-Konzert ansehen. Kevin hat geschrieben, daß er sich auf das Endspiel freut. Irland spielt gegen Bulgarien, das heißt Victor Krum gegen Aidan Lynch. Er hat sich über eine Gruppe überheblicher Franzosen beschwert, die ihm begegnet sind. Ich gehe davon aus, daß du einige davon kennengelernt hast.

Daddy ärgert sich, daß er einen riesigen Berg von Tabellen und Berichten durchsehen und dazu in der Weltgeschichte herumreisen muß. Im Moment ist er in Brasilien unterwegs, um Fundstücke eines alten Indianerschatzes zu untersuchen. Womöglich kommt er erst am zwanzigsten August nach Hause.

Im Moment haben wir noch einen Gast. Meine Oma Jane ist aus den Staaten herübergekommen, um sich die englischen Zaubereimuseen anzusehen, jetzt, wo die meisten bei der Weltmeisterschaft herumhängen.

Wir sehen uns bald!

Gloria

 

Julius nahm den zweiten Brief und las, daß Claire sich freute, daß er ddoch mit auf den Ausflug gehen könne und daß sie mit ihrer Familie am Nachmittag kommen würde. Dann traf noch Francis ein, der in der Nacht draußen herumgeflogen war.

Der Vormittag flog nur so dahin, während Julius die Vorrichtungen prüfte, die er verwenden wollte. Da waren die Sammellinsen, die vier verschieden großen Prismen zur Aufspaltung des Sonnenlichts, Chemikalien, die er noch anrühren mußte, um die ultraviolette Sonnenstrahlung sichtbar zu machen, setzlinge, die er im Verlauf der Vorführung auswachsen lassen wollte, sowie das Stativ mit Madame Faucons Fernrohr, mit dem er die Sonnenflecken auf weiße Leinwand projizieren wollte. Er ordnete die Gegenstände, Chemikalien und Versuchsobjekte so, daß er sie unverzüglich nach seinem Plan gebrauchen konnte. Catherine half ihm dabei, die Stühle aufzustellen, denn Madame Faucon hantierte in der Küche. Julius hatte sich breitschlagen lassen, die Gäste nach dem Mittagessen mit einem Glas Wein für die Erwachsenen und einem Fruchtsaft-Cocktail für die Kinder zu begrüßen.

"Was ziehst du eigentlich an, wenn du den Vortrag hältst?" Fragte Catherine.

"Den türkisfarbenen Umhang, den mir deine Mutter zum Ausgehen herausgelegt hat", erwiderte Julius.

"Nein, den nicht. Wenn du schon meine Schulzeit-Umhänge anziehst, solltest du dir einen nehmen, der zu deinem Vortrag paßt. Ich glaube, Maman hat den aprikosengelben Umhang von mir noch irgendwo hängen. Ich sehe noch mal nach. Den ziehst du dann an."

"Sie hat mir die neutralen Umhänge gegeben. Wahrscheinlich sieht alles andere wie ein Kleid aus", versetzte Julius. Catherine schüttelte den Kopf und ging ins Haus. Wenig später kehrte sie mit einem Umhang aus aprikosengelber Seide zurück.

"Der hat ja Rüschen. Neh, Catherine, eine Verkleidungsschau wollte ich hier nicht abziehen", protestierte Julius. Madame Faucon steckte ihren Kopf zu einem Fenster der Wohnküche heraus und sah den gelben Umhang.

"Catherine, du möchtest deinen Tanzumhang für einen wissenschaftlichen Vortrag hergeben. Der Junge kann ruhig den türkisfarbenen Umhang tragen, den ich aus einem deiner Umhänge erstellt habe."

"Maman, du hast sehr viel Ahnung von gesellschaftsfähiger Kleidung und weißt auch, wie man sich für wissenschaftliche Vorträge kleiden sollte. Aber in diesem Fall muß ein Kompromiß aus beiden Betätigungsfeldern herhalten. Ich denke, daß ein Vortrag über die Kräfte der Sonne in einem entsprechenden Aufzug abgehalten werden sollte. Wenn Julius den gelben Umhang nicht so anziehen möchte, wie er ist, dann färbe ich eben einen anderen Umhang entsprechend um. Komm mit rein, Julius!"

Julius trottete hinter Catherine her, die aus einem seiner Leihumhänge einen hellgrünen Umhang mit Stehkragen aussuchte. Mit diesem verschwand sie kurz im Badezimmer, um ihn dann sonnengelb eingefärbt zurückzubringen.

"Jetzt werden die Leute durch meine Erscheinung so geblendet, daß sie vom Vortrag nicht viel mitkriegen", spottete Julius. Catherine Brickston lachte nur.

"Verlass dich drauf, Julius, daß ich genau weiß, wofür was die beste Kleidung ist."

Nach dem Mittagessen wusch sich Julius noch mal, zog sich um und kämmte sich das Haar, das schon ziemlich lang geworden war.

"Wenn du keine Mädchenkleider anziehen willst, solltest du auch keine Mädchenfrisur haben", stellte Catherine fest und ließ ohne Warnung ihren Zauberstab über Julius' Kopf herumkreisen. Schlagartig schrumpften die Haare des Hogwarts-Schülers auf eine ordentliche Igelfrisur zusammen.

"Gut, daß du das erledigt hast, Catherine. Sonst hätte ich ihm die Haare gemacht", sagte Madame Faucon, als sie Julius kurz beäugte und nickte.

Um kurz nach zwei Uhr trafen sämtliche geladenen Gäste ein. Madame Delamontagne flog auf dem Ganymed 9 zusammen mit Virginie, während Prudence ihren eigenen Besen flog. Madame Dusoleil kam zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter Denise auf dem Cyrano-Familienbesen angesegelt, während Claire und Mademoiselle Dusoleil auf ihren eigenen Besen flogen. Julius wunderte sich, wo Monsieur Delamontagne abgeblieben war. Doch die Antwort bekam er als Madame Delamontagne, die einen himmelblauen Seidenumhang trug, ihren modernen Renn- und Familienbesen in den Schuppen gebracht hatte, wo die übrigen Besen untergebracht wurden.

"Mein Mann muß noch etwas erledigen und ist daher im Moment auswärts tätig. Er hofft, daß Sie eine kurze Zusammenfassung Ihres Vortrages erstellt haben, die Sie ihm bitte mitgeben möchten", erläuterte Madame Delamontagne. Julius nickcte. Dann bat er die Gäste an den Gartentisch, wo er ihnen Gläser mit Wein oder Fruchtsaftmischung überreichte. Er dachte erst, daß ein Weinglas zuviel auf dem Tisch stand, bis Madame Dusoleil sich an ihn wandte und flüsterte:

"Warte bitte noch fünf Minuten! Es kommt noch wer."

Julius überlegte, wen Madame Dusoleil noch meinen könnte. Doch als ein weiterer Flugbesen auftauchte, auf dem eine Hexe in königsblauem Kleid saß, strahlte er mit der Nachmittagssonne um die Wette.

"Ich habe es doch noch geschafft, meine Vortragsreise zu beenden, um noch rechtzeitig wieder hierzusein", grüßte Aurora Dawn Julius Andrews, als sie kurz vor dem Gartentisch gelandet war. Madame Faucon freute sich ebenfalls, die berühmte Heilkundlerin und Kräuterexpertin zu sehen.

Nachdem der Begrüßungsschluck getrunken war und alle Gäste auf den in zwei Reihen aufgestellten Stühlen platzgenommen hatten, trat Julius nach vorne und öffnete die erste Kiste, aus der er die Stichwortzettel und seinen eigenen Vortragsplan zog. Er förderte vier große Leinwände zu Tage und breitete die erste davon über ein Gestell aus, über das er das Stativ mit dem Fernrohr bugsieren wollte. Er teilte die Handzettel aus und wandte sich den Zuschauern zu.

"Mesdames et Messieurs et Mesdemoiselles, ich freue mich, daß Sie heute nachmittag Zeit fanden, meinen allerersten wissenschaftlichen Vortrag zu hören. Ich wußte nicht, ob und wie ich das Thema vor Publikum darstellen sollte, doch ich denke, Sie werden es nicht bereuen, sich die Zeit genommen zu haben.

Mein Thema lautet: Sonnenlicht und Zauberei. Ich werde dabei Versuche zur Sonnenlichtfilterung und Sonnendarstellung machen, sowie zeigen, unter welchen Anteilen des Sonnenlichts bestimmte Wachstums und Reifungsprozesse bei Pflanzen ausgelöst oder gesteuert werden können. Die Stichwortzettel, die ich Ihnen ausgehändigt habe, dienen dazu, sich einen Überblick über meinen Vortrag zu verschaffen, sowie für spätere Fragen die notwendigen Stichwörter zu liefern. Fragen dürfen während der Versuche gestellt werden, wenn aus dem, was ich sage, nicht eindeutig hervorgeht, was ich meine. Die Zeit für meinen Vortrag habe ich ohne Zwischenfragen auf eine halbe Stunde geschätzt. Ich habe aber keine Probleme damit, länger zu machen, solange die Sonne scheint. Beginnen wir!"

Höflicher Beifall klang von den Sitzreihen her. In der vordersten Reihe sah Julius noch mal Madame Faucon, ihre Tochter Catherine, Madame und Mademoiselle Dusoleil, sowie Aurora Dawn. In der Zweiten Reihe saßen Monsieur Dusoleil und Claire links und rechts von Denise. Links von Claire saßen Virginie Delamontagne und Prudence Whitesand, die wiederum von Madame Delamontagne flankiert wurde.

Julius begann mit von ihm für allgemein bekannt gehaltenen Fakten zur Sonne. Er projizierte die grelle Sonnenscheibe durch Madame Faucons Fernrohr auf das aufgespannte Stück Leinwand und deutete auf die dunklen Sonnenflecken. An diesem Punkt erwähnte er, daß es sich um kühlere Regionen an der Sonnenoberfläche handelte, die durch magnetische Felder entstünden, die das heiße Gas der Sonnenoberfläche bewegten. Hierzu machte er einen kurzen Versuch mit einer sehr heiß glühenden Kerze und einem Satz sich verstärkender Magnetsteine. Er wies nach, daß die Flamme bei ausreichend hoher Magnetfeldstärke wenn auch nur wenig, doch immerhin verformt wurde.

"Ich weiß, daß kommt Muggelforschung gleich, aber ist auch im Bezug auf folgende Dinge zu berücksichtigen, die durchaus nur im magischen Betätigungsfeld zu gebrauchen sind", warf Julius ein, der durchaus wußte, daß er sich nicht zu sehr auf naturwissenschaftliche Einzelheiten einlassen durfte, die für Zauberer und Hexen uninteressant bis ablehnungswürdig waren. So kam er auch schnell auf das zu sprechen, was im Bezug auf die Magnetfelder wichtig war. Er ging auf den Einfluß auf Energieströme ein, die durch Zauberei Magnetfelder erzeugten oder umgekehrt von Magnetfeldern abhängig waren und fuhr mit Tabellen fort, die auch im Buch von Professor Meridies und Professor Dias beschrieben wurden. Dann kam er zum Spektrum des Sonnenlichtes und machte hierzu den Versuch mit einer Sammellinse und einem Prisma, mit dem er das Sonnenlicht in ein Band sich abwechselnder Farben von Indigo bis Rot zerfallen ließ. Er beschrieb kurz aber genau die Eigenschaften der verschiedenen Farben im Sonnenlicht und erwähnte auch, daß ein unsichtbarer Anteil der Sonnenstrahlung für die Wärmeübermittlung wichtig war und ein anderer unsichtbarer Anteil für Bräunung der Haut oder Sonnenbrände verantwortlich war. Hierzu schirmte er durch eine selbstkonstruierte Papiervorrichtung die sichtbaren Anteile des aufgespaltenen Sonnenlichts ab und träufelte kurz eine Tinktur auf die Leinwand, die er angerührt hatte.

"Wer möchte, kann nachher die genaue Formel für diese Substanz haben", sagte er und ließ durch die Linsen-Prisma-Konstruktion Sonnenlicht auf die Leinwand tropfen. Ein leichtes grünliches Leuchten erschien dort, wo die durchgelassene Reststrahlung der Sonne auftraf. Julius schirmte die Leinwand noch mal komplett gegen einfallende Sonnenstrahlung ab, worauf das grünliche Leuchten verschwand. Dann ließ er es noch mal entstehen und erklärte, daß die Substanz eben jene ultravioletten Anteile der Sonnenstrahlung sichtbar machte, die für Bräunungsvorgänge verantwortlich waren. Es wunderte ihn nicht, daß Aurora Dawn sich dazu einschaltete:

"Ist es nicht so, daß diese Strahlung durch eine von Muggeln gemachte Vergiftung der Lufthülle stärker durchgelassen wird? In Australien haben wir Heilkundler und Kräuterkundler zunehmend mit den Folgen dieser Verstärkung zu tun."

"Leider ist das richtig, Miss Dawn. Die Lufthülle unseres Planeten enthält einen Stoff, der Ozon heißt und eben jene Ultraviolettstrahlung so gut schluckt, daß wir gerade die Menge abkriegen, um nicht davon geschädigt zu werden. Aber das ändert sich durch Stoffe, die eben jenes Ozon zerstören und damit der Ultraviolettstrahlung mehr Durchlaß gewähren. Gerade auf der Südhalbkugel ist es durch die Klimabeschaffenheit so stark ausgeprägt, daß die Strahlen mehr Schäden an lebenden Wesen anrichten. Deshalb wollte ich kurz noch zeigen, mit welchen Tinkturen man gegen diese Strahlenart vorbeugen und schützen kann. Ich beziehe mich hierzu auf einen Artikel, den Sie, Miss Dawn, vor einem Jahr ungefähr im Fachblatt für magische Kräuterkunde veröffentlicht haben. ..."

Julius führte kurz den Artikel an, in dem über die Eigenschaften von Sonnenkraut und seine Verwendung als Sonnenschutzmittel mit garantierter Abwehr von Sonnenbrand oder zumindest dessen Heilung berichtet wurde. Aurora Dawn war höchst beeindruckt, wieviel Julius aus diesem Artikel frei und ohne Ablesen von einem Stichwortblatt widergeben konnte. Danach fuhr Julius mit seinem Vortrag wie geplant fort.

Er beschrieb die Einwirkungen der verschiedenen Strahlenanteile auf bestimmte Zauber, wobei ihm Madame Faucon zur Hand ging und einige Zauber wirkte, die er vom Gesetz her nicht wirken durfte, weil er noch zu Jung war. Er ließ Sonnenblumen innerhalb weniger Minuten wachsen, was ihm, wie er vorhergesehen hatte, eine Frage von Madame Dusoleil einbrachte.

"Wieso kann man dann nicht auf die Herstellung teurer Schnellwachselixiere wie Rapicrescentus-Tropfen verzichten und nach diesen Angaben zerstörte Pflanzungen wiederherstellen?"

"Aus zwei Gründen. Zum Einen muß die entsprechende Pflanze ständig von der Sonnenstrahlung beschienen werden, die für ihr Wachstum benötigt wird. Alle Sonnenstrahlung würde den Vorgang behindern oder gar ins negative Ausmaß verkehren. Das heißt, daß Sie niemals einen Baum derartig behandeln können, wenn Sie keine Vorrichtung schaffen können, die ihm nur die Sonnenstrahlung zuführt, die für den Prozeß benötigt wird.

Zum Zweiten ist es auch eine Frage der Menge des Pflanzenmaterials. Ich muß entsprechend viel von der Substanz verwenden, wenn ich einen Baum oder Strauch neu anwachsen lassen möchte. Ich habe das mal mit Preislisten für entsprechende Substanzen und Apparaturen durchgerechnet. Sie bräuchten genausoviel Geld, um das Wachstum einer großen Pflanze zu begünstigen wie Sie für Rapicrescentus-Tropfen ausgeben müssen. Bis jetzt ist zumindest nichts bekannt, um mit Hilfe der Sonnenstrahlung auch größere Bäume oder Strauchgewächse im Ganzen wachsen zu lassen. Sie können nur geschädigte Teile damit wiederherstellen oder kleine Pflanzen neu aufwachsen lassen. Aber das ist ein interessantes Forschungsgebiet. Immerhin sitzen hier zwei Expertinnen für Pflanzenkunde."

"Gibt es auf Grund der Sonnenstrahlung auch Auswirkungen auf Zaubertalent oder magische Gegenstände wie Flugbesen. Vampire und Nachtschatten vergehen ja schon beim allerersten Sonnenlicht", warf Prudence Whitesand ein.

"Für manche Unsichtbarkeitszauber ist längere direkte Sonnenstrahlung das Aus. So wird im Buch von der Magie des Sonnenfeuers geraten, Tarndecken oder Tarnumhänge nicht länger als einen halben Tag direktem Sonnenlicht auszusetzen, wenn sie nicht ihre Kraft verlieren sollen. Es gibt auch magische Geschöpfe, die von Sonnenlicht leben und daraus ihre Stärke beziehen. So kann die namibische Goldpanzer-Riesenameise nur in den Mittagsstunden beobachtet werden, wenn die Sonnenstrahlung ihren Höhepunkt erreicht. Eine Mutmaßung von Professor Meridies geht dahin, daß Dementoren, mit denen einige von uns letztes Jahr zweifelhafte Bekanntschaft gemacht haben, sich nicht in der Sonne tropischer Breiten aufhalten können, weil sie dadurch in ihrer Bewegungsfähigkeit behindert werden. Doch ist dies nur eine Mutmaßung und daher mit Vorsicht zu genießen."

"Die Mutmaßung geht auf eine Veröffentlichung von Professor Liberty Balder zurück, die vor dreizehn Jahren ein Buch über die Stärken und Schwächen der Dementoren verfaßt hat. Das Buch wurde jedoch von allen Zaubereiministerien der Welt vom freien Zugang ausgeschlossen, da gerade eine Einigung darüber getroffen worden war, Dementoren als Wächter in Askaban zu beschäftigen und möglichen Zaubererrverbrechern keine Möglichkeiten bieten wollte, sich ihrem Zugriff zu entziehen. Nur soviel zur Quelle der Mutmaßung", sprang Madame Faucon Julius bei. Offensichtlich mochte sie die Dementoren noch weniger als die restlichen Anwesenden. Denn im Gegensatz zur unbehaglichen Miene der restlichen Zuhörer sah Madame Faucon sehr erzürnt drein, als sie ihre Erläuterung sprach.

Julius kehrte zu seinem Vortragsablauf zurück und machte noch einige leicht verspielt wirkende Versuche mit Filtern für Sonnenlicht und Vergrößerungen von Sonnenflecken, wobei er die projizierte Sonnenscheibe immer auf der Leinwand entlangwandern lassen mußte, um nicht ein Loch in den Stoff zu brennen, so stark war das gebündelte Sonnenlicht.

"Bei einer Sonnenfinsternis", begann er mit seinem letzten Abschnitt, "werden interessante Zauber möglich, die weder bei unverdeckter Sonne noch bei Nacht so stark gelingen. ..."

Er zählte die Zauber auf und beschrieb kurz, wie sie anzuwenden waren. Dann erwähnte er kurz, wann und wo die nächsten vollständigen Sonnenfinsternisse zu sehen waren und daß man mit dem Trick, mit dem er Sonnenflecken ohne Gefahr für die Augen sehen konnte, auch den sich zwischen Sonne und Erde schiebenden Mond abbilden konnte, ohne einen Spezialfilter oder eine besondere Schutzbrille benutzen zu müssen. Dann entzündete er mit einem Brennglas eine Kerze, die er auf den Tisch stellte und beendete seinen Vortrag mit den Worten:

"Ich hoffe, allen denen, die sich sonst nicht für diese Forschungen interessieren, keinen langweiligen Nachmittag bereitet zu haben und bitte die Fachleute im Publikum, mir den einen oder anderen Fehler oder die eine oder andere Nachlässigkeit zu verzeihen. Ich lerne das ja noch! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Wer möchte, kann gerne noch Fragen stellen!"

Zunächst klatschten die Zuhörer Beifall. Denise saß schlummernd auf ihrem Stuhl. Dann fragten einige Gäste noch was. Madame Dusoleil wollte die Formel für den Ultraviolettanzeiger haben, Aurora Dawn erkundigte sich noch mal nach der Konstruktionsweise der Filter, mit denen Julius Sonnenlichtanteile ausblenden konnte. Prudence Whitesand fragte danach, ob man nicht Flugbesen durch Sonnenlicht verbessern könne, was Julius nicht beantworten konnte. Mademoiselle Dusoleil wollte gerne eine Tabelle über die Stärke der verschiedenen erwähnten Zauber bei zunehmender oder abnehmender Sonnenfinsternis haben. Sie besprachen alle noch die Wirkung von Sonnenkraut, weil Aurora Dawn nun schon einmal dabei war, um mehr über ihre Arbeit zu erfahren. Vor allem die Schülerinnen hingen ihr an den Lippen, und Madame Faucon schrieb sich sogar einige Einzelheiten auf. Dann sagte Aurora Dawn:

"Ich möchte unserem jungen Referenten zum Erfolg seines Debut-Vortrages gratulieren. Wenn ich davon ausgehen darf, daß vieles in höchst eigener Regie vorbereitet und geprüft wurde, sehe ich hier und heute einen talentierten Nachwuchswissenschaftler der Zaubererwelt, von dem ich denke, noch einiges interessante zu hören zu bekommen. Lasse dich nicht unterkriegen, Julius. Wir brauchen genauso Forscher und Denker wie die Muggel. Wir haben nur den Unterschied, daß vieles, was den Nichtmagiern erst seit kurzem Bekannt ist, wir schon seit Jahrhunderten kennen und wie alltäglich benutzen. Herzlichen Glückwunsch zu einer sehr kurzweiligen Vorführung!"

Prudence unterhielt sich derweil mit Madame Faucon und fragte sie, ob sie wisse, daß das Buch "Entzauberung der Dementoren" in der verbotenen Abteilung der Hogwarts-Bibliothek aufbewahrt würde. Madame Faucon nickte.

"Das ist nicht das Buch, das ich gemeint habe. Bei diesem Buch geht es um die Abwehr der Dementorenkräfte, während es im Buch von Professeur Balder tatsächlich um die Bekämpfung der Dementoren an sich geht. Der Patronus-Zauber dient ja nur der Abwehr, während in besagtem Buch echte Schwächungen der Körper und die mögliche Fesselung von Dementoren geschildert werden. Als Mitglied in der Liga zur Abwehr dunkler Kräfte habe ich von derartigen Dingen Kenntnis, darf jedoch einem Eid folgend nicht darüber berichten, selbst Abschlußklässlern von Beauxbatons gegenüber nicht."

"Harry Potter hat doch den Patronus verwendet", sagte Prudence bedenkenlos.

"Ja, und das aus gutem Grund", gab Madame Faucon mit schneidender Stimme zurück. Prudence war sofort ruhig und trat verschüchtert zurück. Catherine löste die angespannte Stimmung dadurch, daß sie Tee und Kaffee kochte und im Garten servierte.

"Morgen geht's zum Farbensee", flüsterte Claire Dusoleil, die rechts neben Julius saß, während ihre kleine Schwester mit Catherine auf der Wiese herumtobte und den Dusoleils dadurch einen gewissen Freiraum gab, sich mit Aurora Dawn und Julius zu unterhalten. Julius fragte Aurora Dawn, wielange sie noch in Millemerveilles bleiben würde und erfuhr, daß sie am nächsten Morgen schon wieder nach Australien zurückreisen würde. Bei der Gelegenheit überreichte sie Julius eine große Fotografie der australischen Quidditch-Nationalmannschaft. Julius erkannte die muskulöse Rhoda Redstone, die zierliche Pamela Lighthouse und zwei weitere Spieler, die er in seinen letzten Weihnachtsferien live erleben durfte. Die Mannschaftsmitglieder trugen Umhänge, deren Grundton ein leuchtendes Rot war und die kastanienbraune Längsstreifen besaßen. Alle flogen auf Feuerblitzen.

"Sie sind gegen Transsylvanien ausgeschieden, ein Spiel vor England", berichtete Aurora Dawn mit etwas Wehmut in der Stimme. "Aber immerhin haben sie noch das russische Team aus dem Turnier geworfen, das neben Irland und Bulgarien zu den Favoriten gezählt wurde.

"Wer, glauben Sie, gewinnt die Weltmeisterschaft?" Fragte Prudence Whitesand.

"Ich denke, Irland gewinnt durch Punkteüberschuß", sagte Aurora Dawn.

"Ich denke, die kommen ganz knapp vor Bulgarien weg", warf Julius ein. "Ich habe Jeanne gesagt, daß Irland nur zehn Punkte Vorsprung hat, wenn das Spiel vorbei ist."

"Das hieße, daß Victor Krum den Schnatz fängt", schloß Madame Dusoleil.

"Warum nicht?" Fragte Virginie Delamontagne. "Immerhin ist Krum auf der Liste der besten internationalen Sucher noch vor Lynch von der irischen Nationalmannschaft."

"Dafür haben die Iren die besseren Jäger", wandte Aurora Dawn ein.

So drehte sich die Kaffeetischunterhaltung eine Weile lang um Quidditch, bis Denise vom Spielen müde war und an den Tisch zurückkam, wo sie einen großen Becher Kakao trank, während Catherine sich bei Julius noch mal für den interessanten Vortrag bedankte. Danach ging es um die Heiltinkturen, die Aurora Dawn in ihrem Buch beschrieb. So verflog der Nachmittag, bis Madame Faucon die Tischgemeinschaft auflöste und die Gäste nach Hause schickte. Unverzüglich flogen die Hexen und Zauberer auf ihren unterschiedlichen Besen davon, nachdem Julius Madame Delamontagne eine kurze schriftliche Zusammenfassung des Vortrages mitgegeben und auch für Aurora Dawn ein Exemplar seines Vortragsplans aufgetrieben hatte.

Nach dem Abendessen holte sich Catherine Brickston bei ihrer Mutter die Erlaubnis ein, mit Julius noch mal einen Ausflug ins abendliche Millemerveilles zu unternehmen, wozu sie ihren aprikosengelben Umhang anzog und Julius den mitternachtsblauen Umhang anzog, den er an seinem ersten Tag im französischen Zaubererdorf getragen hatte. Sie gingen zu Fuß und genossen eine Stunde lang die Musik, die im Musikpark von Millemerveilles gespielt wurde. Fünf Hexen und drei Zauberer spielten ein Konzert aus dem 17. Jahrhundert. Julius traf einige alte Schulkameraden von Catherine, die Julius noch mal zu seiner Leistung beim Sommerball gratulierten. Um neun Uhr abends kehrten die beiden Ausflügler in das Haus von Madame Faucon zurück, wo Catherine Julius mit der sanften Strenge einer Mutter ins Bett schickte, da es morgen früh um sieben Uhr schon losgehen sollte.

 

 

Um sechs Uhr weckte Catherine Julius durch sanftes Klopfen an der Tür und wies in flüsternd an, möglichst leise das Bad zu benutzen. Doch vergebens. Madame Faucon schlüpfte in einem bunten Morgenrock aus ihrem Schlafzimmer und wünschte den beiden Frühaufstehern einen guten Morgen. Catherines Vorschlag, sich wieder hinzulegen, wies sie energisch zurück.

"Wenn ich schon einmal auf den Beinen bin, kann ich auch eine Stunde länger arbeiten. Immerhin kamen gestern noch sechs Eulen an, deren Post ich beantworten muß. Macht euch ruhig ausgehfertig!"

"Gibt es bei diesem See eigentlich umkleidekabinen?" Fragte Julius Catherine.

"Nicht das ich wüßte. Wir haben unsere Badesachen immer schon zu Hause angezogen und die Umhänge oder Kleider drübergezogen."

"So habe ich das auch immer gemacht, wenn wir auf einer Klassenfahrt an einen Badesee gefahren sind", sagte Julius und verschwand kurz in seinem Zimmer, um eine blaugrüne Badehose und eine ebensogefärbte Bademütze zu holen.

"Du hast doch eine Practicus-Tasche von Maman bekommen, wenn ich richtig gesehen habe. Da packen wir unsere Umhänge rein, wenn wir ankommen", bestimmte Catherine wie beiläufig. Julius nickte.

Die Practicus-Tasche war eine große Tasche, wie eine Reisetasche. Sie war nur dahingehend verzaubert, daß sie durch eine magische Innenraumvergrößerung viermal soviel aufnehmen konnte wie ihr von außen anzusehen war. Zudem hatte Julius das praktische Gepäckstück mit Madame Faucons Hilfe so bezaubert, daß sie nur von ihm aufgehoben und fortgetragen werden konnte. Ebenso wie die von Aurora Dawn geschenkte Miniausgabe, die er als Brustbeutel unter der Kleidung tragen konnte und in der eine große Flasche mit einem Breitbandgegengift geborgen lag.

Julius nahm eine kurze Dusche in der Badewanne, zog sich die Badehose an, schlüpfte in einen meergrünen Umhang, den Catherine für den Ausflug empfohlen hatte und begab sich in die Wohnküche zum Frühstück, wo Catherine in einem tiefseeblauen Umhang saß, während Madame Faucon ein bonbonfarbenes Kleid trug.

"Wir essen unterwegs zu Mittag. Also hau nicht so mit dem Frühstück rein, Julius!" Riet ihm Catherine.

"Catherine, beachte doch bitte eine gesittete Wortwahl!" Maßregelte ihre Mutter die Frau Joe Brickstons.

"Aber recht hat sie. Schwimmen mit vollem Magen ist selbst dann nicht ratsam, wenn du gewisse Maßnahmen zur Anpassung an die Unterwasserwelt triffst", fügte Madame Faucon dem Ratschlag ihrer Tochter hinzu und sah Julius noch mal fragend an.

"Weißt du denn schon, wie du dich für den Unterwasseraufenthalt anpassen willst. Bitte komm auf etwas besseres als dieses sechzig Zentimeter lange Plastikrohr und die unförmigen Flossenatrappen, die deine Eltern für Tauchgeräte ansehen!"

"Das Dianthuskraut, so heißt es im Buch über magische Wasserpflanzen des Mittelmeerraums", begann Julius, "besitzt die Gabe, jedem Magier, der es kaut, für einen gewissen Zeitraum mit Kiemen und Schwimmhäuten auszustatten und gegen die kalten Temperaturen unter Wasser unempfindlich zu machen. Von der zu kauenden Menge hängt es ab, wielange der damit hantierende Zauberer unter Wasser zubringen kann. Eine durchschnittliche Schätzung gibt an, daß bei der Einnahme von zehn Gramm eine Verweildauer von dreißig Minuten unter Wasser möglich ist, ohne auftauchen zu müssen. Das Dianthuskraut kommt vor allem ..."

"Nicht wichtig", stoppte Catherine grinsend den Redefluß des Hogwarts-Schülers und sah ihre Mutter an, die zufrieden nickte.

"Seit wann weißt du das? Das Buch hast du ja zu deinem Geburtstag bekommen und bis jetzt nicht gelesen, wie ich sicher weiß."

"Ich habe es in Hogwarts gelesen, als es um körperverändernde Pflanzenextrakte ging. Das Kraut kam zwar in keiner Stunde dran, war jedoch sehr interessant, wie ich fand. Hinzu kommt noch, daß man damit beliebig tief tauchen kann, ohne Druckausgleich oder Atemgasmischungen beachten zu müssen, wenn man in der festgelegten Zeit wieder an die Wasseroberfläche kommt, Madame Faucon."

"Was beweist, daß der sogenannte Fortschritt der Muggel eine Viertelsache ist", triumphierte die Beauxbatons-Lehrerin.

"Maman hat mal einen Muggelstämmigen erwischt, der mit einem Sauerstoffgerät in unserer Bucht tauchen wollte. Sie hat das Gerät beschlagnahmt und ihm zur Aufgabe gemacht, einen magischen Weg zu finden, unter Wasser zu existieren."

"Ich schlug ihm sogar vor, ihm eine unterwassertaugliche Gestalt zu geben, falls er nicht von seiner Muggeltechnik Abstand nehme. Das half ihm sehr rasch, die drei einzig wahren Wege zum Verweilen unter Wasser zu finden, die da sind?"

"Dianthuskraut, Selbstverwandlung in einen Fisch oder entsprechendes, sowie irgendwas, das als Kopfblasenzauber bezeichnet wird. Wahrscheinlich ist es eine Sphäre aus Magie, die dem Anwender die Möglichkeit gibt, unter Wasser normal weiterzuatmen wie eine Taucherglocke", erwähnte Julius.

"Du darfst also an diesem Ausflug teilnehmen", erklärte Madame Faucon.

Nach dem Frühstück bestiegen Catherine und Julius mit dessen Zaubertasche, in der eine Warmhaltekanne mit Tee, mehrere Badetücher und ein kleiner Beutel mit Zauberergold verstaut waren den Cyrano-Familienbesen. Catherine hatte ihren Zauberstab eingesteckt und saß vor Julius auf dem schlanken Besenstiel.

"Maman hat mir gesagt, daß du sehr schnell gelernt hast, im Tandemverbund zu fliegen. Camille hätte dich sogar dazu genötigt, mit ihrer Tochter auf deinem Besen zu fliegen", sagte Catherine.

"Ja, und damit die Dame Ruhe gab, habe ich sie anschließend höchstselbst auf einem Besen herumjongliert. Wer ins kalte Wasser geworfen wird, lernt schwimmen oder geht unter", maulte Julius. Catherine lachte nur.

"Denk dran, daß du das alles nachholen mußt, was Zauberergeborene schon in frühester Kindheit lernen. Das hat dir Camille nur zeigen wollen."

"Ja, und der Weg zur Hölle ist gepflastert mit tausend guten Absichten pro Kilometer", gab Julius gehässig zurück.

"Gute Absichten sind die Futterkrippe schwarzer Magier, sagen wir Hexen und Zauberer. Aber du hast es doch geschafft. außerdem hätte Camille dich bestimmt niemals auf einem Besen mit ihrer Tochter fliegen lassen, wenn du ihr nicht vorher gezeigt hättest, daß du ein guter Flieger bist. Camille war zu unserer Beauxbatons-Zeit eine der besten Quidditchspielerinnen und hat soviel ich weiß, mit Jeanne eine Tochter in ihren Fußstapfen wandeln."

Julius schwieg den Rest des Weges zum Haus der Dusoleils. Dort warteten bereits Madame Delamontagne und ihre Tochter Virginie, Prudence Whitesand, Caro und ihr Vater, Elisa Lagrange und ihr Vater, sowie Jacques Lumière mit seiner Mutter. Catherine gönnte sich den Spaß, drei schnelle Runden über die versammelten Hexen und Zauberer hinwegzufliegen. Dann landete sie schnell zwischen Madame Delamontagnes und Monsieur Lagranges Familienbesen.

"Sie sind immer noch eine wilde Windhexe, Madame Brickston", grinste Elisas Vater.

Catherine lachte. Elisa grinste Julius an und sagte:

"Da hast du ja doch noch wen gefunden, der deiner würdig ist."

"Irgendwer hat befunden, daß ich nicht nach England zurückfliegen darf, bevor ich nicht die Unterwassergärten besucht habe."

"Dorian kommt noch mit seiner älteren Schwester", sagte Elisa noch. Julius sah zum Dusoleil-Haus hinüber und erkannte Claire Dusoleil, die in einem sandfarbenen Umhang herauskam, eine große Tasche unter dem Arm. Hinter ihr verließ Madame Dusoleil das Haus in einem fließenden Umhang aus meergrünem Stoff. Sie trug den Ganymed 8 von Jeanne unter ihrem rechten Arm. Um den Hals hing eine Trillerpfeife. Schnell überblickte sie die bereits wartenden Ausflugsteilnehmer und nickte. Dann sah sie in Richtung Dorfmitte, von wo ein weiterer Besen heranrauschte, ein Ganymed 8, wie Julius erkannte, als der mit einer jungen Hexe von wohl zwanzig Jahren und dem Jungen Dorian besetzte Besen zur Landung ansetzte. Madame Dusoleil nickte nochmals und winkte den Ankömmlingen zu, möglichst in ihrer Nähe zu landen. Der Besen sank federleicht vor Madame Dusoleil zu boden. Danach winkte die Gartenhexe alle Teilnehmer des Ausflugs zu sich heran. Sie rief die Namen der Teilnehmer auf, stellte fest, daß alle da waren, dann erläuterte sie, wie der Tagesausflug ablaufen sollte.

"Wir fliegen gleich zu dem See der Farben. Für alle diejenigen, die dort noch nie waren einige Anmerkungen:

Der See der Farben liegt noch soeben im Abwehrbannkreis gegen nichtmagische Personen in einem Waldstück. Der See mißt zwei Kilometer in der Länge und neunhundert Meter in der Breite. Seine Tiefste Stelle liegt 250 Meter unter der Wasseroberfläche. Der See beherbergt fünf große Unterwassergärten mit verschiedenen Zauberpflanzen. Um eine gewisse Natürlichkeit zu gewährleisten, leben dort auch magische Geschöpfe. Daher werden alle volljährigen Zauberer und Hexen gebeten, ihre Zauberstäbe bereitzuhalten.

Zum Ablauf: Wir fliegen zu dem See, landen dort und entkleiden uns soweit, wie es die Anstandsregeln zulassen. Danach erhält jeder, der nachweislich nicht den Kopfblasenzauber anwenden kann, eine Portion Dianthuskraut, die für zwei Stunden vorhält. Nach der Einnahme dieses Zaubermittels tritt die Wirkung sehr rasch ein. Jene, die damit noch nie Erfahrung gesammelt haben, werden gebeten, in meiner Nähe zu bleiben, um sofort richtig angeleitet werden zu können, um jede Komplikation zu vermeiden. Wie gesagt werden wir für zwei Stunden unter Wasser bleiben und die südlichen Gärten besichtigen. Danach sammeln wir uns am Ufer und nehmen eine kleine Zwischenmahlzeit ein. Eine halbe Stunde danach betauchen wir für weitere zwei Stunden die nördlichen Gärten des Sees.

Nun müssen wir festlegen, wer unsere Gruppe anführt und nach hinten begrenzt. Wer kennt den Weg, den wir einschlagen müssen so gut, daß er oder sie den hinteren Abschnitt übernehmen kann?"

Elisas Vater meldete sich per Handzeichen. Madame Dusoleil nickte und fragte, ob er denn auch bereit sei, den Abschluß zu bilden. Er bejahte und stellte sich mit seiner Tochter so auf, daß er hinter der gesamten Mannschaft herfliegen konnte. Madame Dusoleil übernahm die Führung. Auf einen Pfiff von ihr hoben alle Teilnehmer mit ihren Besen ab und folgten ihr. Catherine flog mit Julius neben Madame Delamontagne und Virginie, hinter ihnen flogen Monsieur Delamontagne und Prudence Whitesand auf ihrem Besen. Julius sah von allen Fluggeräten die nützlichen Zaubertaschen herabhängen.

Der Flug in der Besenformation dauerte knapp zehn Minuten, da alle mit gemächlichem Tempo in vierzig Meter Höhe dahinglitten. Julius spürte zwischendurch, wie sein Verbindungsarmband leicht ruckelte, dann wieder ruhig an seinem rechten Handgelenk ruhte. Er fragte Catherine, ob dies etwas bedeutete und erfuhr, daß sie nun den unmittelbaren Erfassungsbereich des Verbindungsarmbands verlassen hatten. Sie waren nun mehr als sieben Kilometer vom Haus der Beauxbatons-Lehrerin entfernt.

Durch die Bäume eines Mischwaldes glänzte die Wasseroberfläche eines Sees, der von einem drei Meter breiten Fluß gespeist wurde. Am Südufer des Gewässers, daß Julius nicht gerade außergewöhnlich erschien, landete die Gruppe der Besenreiter. Madame Dusoleil stellte fest, daß alle Teilnehmer des Ausflugs sicher angelangt waren, dann deutete sie auf einen von dichten Büschen bestandenen Platz.

"Hier bitte entkleiden!" Wies Madame Dusoleil die Ausflugsteilnehmer an und teilte die Gruppe in kleine Abteilungen auf, die nacheinander hinter den natürlichen Schutzwall traten und ihre Kleidung ablegten. Julius schlüpfte etwas verschüchtert aus seinem Umhang und die Unterkleider, bis er nur in seiner Badehose dastand. Catherine wand sich locker und unbekümmert aus ihrem Umhang und zeigte sich keine Minute später in einem orangeroten Badeanzug mit halblangen Armen und Beinen. Barfuß kehrten die beiden Ausflugsteilnehmer mit ihrer verzauberten Sporttasche zu den anderen zurück. Elisa und Virginie trugen königsblaue Badeanzüge, während Madame Delamontagne und Prudence Whitesand apfelgrüne Badeanzüge vorführten. Julius stellte fest, daß Madame Delamontagne ihren Schwimmanzug sorgfältig groß ausgewählt hatte, so daß er ihre üppigen Körperformen ziemlich verspielt umhüllte. Claire Dusoleil, die mit ihrer Mutter zwei Minuten Später ohne Umhänge hinter dem Gebüsch hervorkam, trug wie ihre Mutter einen schillernden Badeanzug aus ockergelbem Stoff.

So fanden sich bald sämtliche Teilnehmer der Expedition am Südufer ein. Madame Dusoleil ließ die Taschen in einen kleinen Schuppen stellen, die Besen ebenfalls.

Am Seeufer trafen die badefertigen Hexen und Zauberer eine großgewachsene Hexe im himmelblauen Badeanzug, die ihr pechschwarzes Haar mit mehreren himmelblauen Bändern durchflochten hatte, so daß es wie eine angewachsene Badehaube wirkte. Die Unbekannte sah die Ausflügler mit dunkelbraunen Augen an, prüfend, wertend. Julius meinte, die Fremde würde seine Gedanken lesen wollen, so eindringlich fühlte er den Blick der Unbekannten auf sich ruhen. Neben der fremden Hexe stand ein ein Meter hoher Glaszylinder, in dem im klaren Wasser zusammengerollte graugrüne Tangbündel schwammen. Julius erkannte sofort, was es war: Dianthuskraut. Sofort fiel ihm ein, was über Aufbewahrung und Zucht dieser magischen Meerespflanze geschrieben stand:

"Dianthuskrautbündel müssen immer in salzhaltigem Wasser aufbewahrt werden, bis sie gebraucht werden. Dabei muß der Behälter, in dem sie aufbewahrt werden, genug Licht und Wärmestrahlung der Sonne einlassen, um das Wachstum der Pflanze zu fördern. Nach Entnahme der benötigten Menge kann diese gerade eine Stunde an der frischen Luft gehalten werden, bevor die magischen Eigenschaften nachlassen."

"Mesdames, Messieurs und Mesdemoiselles, ich möchte Ihnen, die noch nie hier waren, unsere Gewässerkundlerin Madame Undine Neirides vorstellen. Sie lehrte bis vor zehn Jahren Pflege magischer Geschöpfe und Kräuterkunde in Beauxbatons und betreut seitdem den See der Farben", führte Madame Dusoleil aus, mit wem sie es zu tun hatten. Danach winkte sie die ersten Junghexen und -zauberer zu sich heran. Julius mußte sich zwingen, nicht nach vorne zu stürmen. Er eilte neben Claire und Jacques nach vorne, bis Madame Dusoleil ihnen Halt gebot.

"Jeder oder jede von euch nimmt ein Bündel aus dem Vorratsbehälter und tritt an das Seeufer, bis eure erwachsene Begleitung bei euch ist. Dann steckt ihr das Bündel in den Mund, kaut es und schluckt es."

"Das glibberige Zeug?" Fragte Jacques angewidert.

"Ja, das glibberige Zeug", grinste Madame Dusoleil gehässig zurück. "Deine Maman hat dir doch gesagt, was Dianthuskraut ist, wenn du es noch nicht in der Schule hattest. - Wenn jeder von euch seine Portion geschluckt hat, wartet jeder solange, bis er meint, keine Luft mehr zu bekommen und taucht dann ab! So einfach ist das. Bei Eintritt der Wirkung wird jeder einen kurzen stechenden Schmerz am Hals unter den Ohren verspüren. Das gehört dazu und ist kein Grund zur Besorgnis."

Madame Dusoleil fragte, wer zuerst wollte. Julius starrte bereits auf den Glaszylinder. Claire meldete sich freiwillig und trat vor. Sie fischte eines der Tangbündel aus dem Behälter und hielt es in der Hand. Julius durfte als nächster und griff mutig in den Wasserbehälter und zog eines der kleinen Tangbündel heraus. Zusammen mit Claire Dusoleil trat er an das Seeufer heran. Dort warteten bereits Catherine und Madame Lumière.

"Wollte Jacques nicht zuerst?" Fragte die Vorsitzende des Festkommitees von Millemerveilles.

"Das Gemüse ist schon gewöhnungsbedürftig", sagte Julius und knetete das Dianthuskrautbündel in seiner Hand. Madame Neirides, die nur drei Meter entfernt stand, lachte über diese Bemerkung. Als Jacques mit seiner Portion ankam, mit leicht angewidertem Gesichtsausdruck, wurde er von seiner Mutter begrüßt.

"Stell dich nicht so an, Jacques! Du hast im Zaubertrankunterricht schlimmere Sachen zu dir nehmen müssen."

"Dafür habe ich auch entsprechende Noten gekriegt, Mam", gab Jacques verbittert zurück.

Als alle Kinder ihre Portion Dianthuskraut abgeholt hatten, trat auch Madame Dusoleil an das Seeufer heran und stellte sich neben Catherine Brickston.

"Also, Leute! Wir steigen ins Wasser hinein. Jeder kaut seine Portion Dianthuskraut und wartet auf die einsetzende Wirkung. Wir Erwachsenen wenden andere Zauber an. Die zum erstenmal Dianthuskraut benutzen, bleiben bitte in meiner Nähe!"

Catherine zog Julius etwas näher zu sich heran und sprach ihm Mut zu, was jedoch nicht nötig war. Julius stand regelrecht unter Dampf und mußte sich eher dazu antreiben, nicht voreilig ins Wasser zu hüpfen und loszuschwimmen, als dazu, sich mit den anderen zu der magischen Unterwasserexpedition aufzubrechen. Madame Dusoleil trat nach vorne, besah sich die Aufstellung der Ausflugsteilnehmer und nahm ihre Trillerpfeife.

"Auf meinen Pfiff geht es los!" Rief sie. Die erwachsenen Hexen und Zauberer hoben ihre Zauberstäbe. Madame Neirides stieg bereits in die grünen Fluten des Sees. Als Madame Dusoleil pfiff, murmelten die Erwachsenen Zauberwörter und tippten sich mit dem Zauberstab an den Kopf, während alle in die ufernahen Fluten des Sees stiegen. Julius schob sich die Portion Dianthuskraut in den Mund und fing an, auf der gummiartigen Masse herumzukauen, während er das Gefühl der Kälte verdrängte, das seine Beine hinaufkroch und den Unterleib umfing, immer weiter nach oben vorankroch. Neben ihm stapften Madame Dusoleil und Catherine durch das Wasser, ihre Zauberstäbe bewegend, von denen eine bläulich leuchtende Kugel aus magischer Energie die Köpfe umschloß.

Als Julius seine Portion vollständig hinunterbekommen hatte, was ihm doch einige Überwindung gekostet hatte, wartete er, bis sich die von Madame Dusoleil bezeichnete Wirkung einstellte. Als er unvermittelt das Gefühl bekam, jemand wolle ihm mit aller Gewalt ein Kissen auf Mund und Nase pressen und jemand ihn mit zwei Messern gleichzeitig in den Hals genau unter den Ohren stechen, ließ auch das Kältegefühl nach. Julius sah kurz auf seine Hände und stellte fest, daß zwischen seinen Fingern Schwimmhäute gewachsen waren. Keinen Augenblick später warf er sich mit seinem Oberkörper in die Fluten und ließ das Wasser über seinem Kopf zusammenklatschen. Etwas unsicher holte er Atem und sog Wasser durch zwei Kiemenschlitze, die hinter seinen Ohren entstanden waren. Das Wasser gab ihm den benötigten Sauerstoff. Er warf einen Blick zur Seite und erkannte Catherine, um deren Kopf eine große Blase lag, die ihre Gesichtszüge verzerrte. Ohne es zu bemerken, glitt Julius neben Catherine Meter für Meter in die Tiefe hinab. Er mußte sich sogar beherrschen nicht zu schnell zu schwimmen, denn seine umgewandelten Füße, die wie gewachsene Schwimmflossen wirkten, peitschten das Wasser regelrecht zurück. Madame Dusoleil tauchte links neben Julius auf. Ihr ockergelber Badeanzug glänzte selbst in den trüben Fluten noch weithin sichtbar, wenngleich Julius vermeinte, einen leichten Grünstich in der Farbe zu sehen. Auch Madame Dusoleil atmete durch eine magische Luftblase um ihrem Kopf. Julius hörte, wie sie sprach und glaubte, ein leises Flüstern zu hören:

"Keine Sorge, Julius. Du machst das dafür, daß du das noch nie gemacht hast, hervorragend. Catherine paßt auf, daß dir keine Grindelohs oder sonst was etwas tun kann."

Claire Dusoleil, die ebenfalls unter der Wirkung des Dianthuskrautes tauchte, schwamm neben Julius heran. Er betrachtete sie, um zu sehen, was mit ihm selbst passiert war und sah die breiten Schwimmhäute zwischen den Zehen der Tochter von Madame Dusoleil. Jacques kraulte gemächlich neben seiner Mutter her, die ebenfalls eine magische Luftblase um ihren Kopf errichtet hatte und ihren Zauberstab als Lichtquelle benutzte. Elisa und Dorian schwammen etwas weiter hinten neben ihren Verwandten. Julius riskierte einen Blick nach oben und sah die sonnenerhellte Wasseroberfläche glitzern, mindestens schon fünfzehn Meter über ihm. davon abgesetzt erkannte er die Schatten von drei Menschen, von denen einer ziemlich raumfüllend war und einen apfelgrünen Schwimmanzug trug. Dann warf er wieder einen Blick nach vorne und erkannte Madame Neirides, die gleichmäßig paddelnd in die Tiefe steuerte.

Das Wasser wurde immer trüber. Nun entzündeten auch Madame Dusoleil und Catherine Brickston ihre Zauberstäbe, deren dünner Lichtstrahl vom Wasser in schillernde Muster zerlegt wurde. Julius versuchte zu sprechen, bekam aber nur ein von Luftblasen getragenes Flüstern zu Stande:

"Wie passen Sie auf, daß alle dabeibleiben?"

Madame Dusoleil schien ihn jedoch zu verstehen. Sie deutete auf die Gruppe der Ausflügler, die von Julius unbemerkt aufgeschlossen hatte.

"Es dauert immer ein paar Minuten, bis alle sich richtig angepaßt haben. Solange schwimmen wir extralangsam. Dann deutete sie nach vorne, wo Madame Neirides gerade schneller aufeinanderfolgende Beinbewegungen ausübte. Alle Teilnehmer des Unterwasserausfluges beschleunigten, wobei Julius unvermittelt schneller als die restlichen Schwimmer wurde, so daß Catherine mit wilden Arm- und Beinschlägen an ihn heranschwimmen mußte.

"Nicht so wild!" Drang ihre zum Flüstern verzerrte Stimme an Julius Ohren. Der Hogwarts-Schüler, der fast Madame Neirides überholte, hielt inne und ließ sich vom eigenen Schwung einige Meter tragen, bis er mit gemächlicheren Kraulbeinschlägen weiterschwamm. Claire Dusoleil kam rechts von ihm längseits, während ihre Mutter links an ihm vorbeischwamm.

"Wir schwimmen hier keinen Wettbewerb. Genieße die Umgebung, die Unterwasserlandschaft!" Riet Claire, wobei ihr wieder feine Blasen aus dem Mund sprudelten. Julius nickte und sah sich um.

Die trübe Unterwasserwelt war wahrhaftig beeindruckend. Julius hatte sowas bei einem Schnorchel-Tauchgang vor zwei Jahren erleben dürfen, als er mit seinen Eltern am Mittelmeer Urlaub gemacht hatte. An und für sich wollte er danach auch das Tauchen mit Pressluftflaschen lernen, doch durch die Einschulung in Hogwarts waren derartige Vorhaben hinfällig geworden. So, fand Julius, machte es aber auch mehr Spaß, wenn man nicht dauernd Luftblasen vor einer Taucherbrille herumblubbern hatte, und wenn keinzischendes und blubberndes Geräusch benutzter Atemgeräte zu hören war. Er genoß die Stille, die nur von den Geräuschen sich unter Wasser bewegender Arme und Beine durchbrochen wurde. Er sah im Licht der entzündeten Zauberstäbe die Farnpflanzen, die Felsen, die mit Sand oder Schlamm überzogen waren und freute sich über die kleinen Fische, die herumschwammen. Dann endlich gelangten alle auf den Grund und tauchten durch ein Farnkrauttor in den ersten Unterwassergarten ein. Hier enthüllte sich, warum dieses Gewässer "See der Farben" genannt wurde. Denn Julius dachte zuerst, einen Garten mit tausenden bunter Blumen zu betreten, wenn die Blütenkelche sich nicht mehrere Meter unter der Wasseroberfläche befunden hätten. Unvermittelt griff eine schmutziggrüne Hand aus der Anordnung der Blumen und versuchte, Claires linken Arm zu packen. Die langen dünnen Finger schnappten ins Leere. Keine Sekunde später durchzuckte ein sich zerfasernder roter Blitz die Unterwasserlandschaft und traf den gehörnten Kopf eines Grindelohs, der sich vom eigenen Schwung nach vorne gerissen aus der Blumenanordnung geschält hatte. Catherine hatte einen Bannzauber geschleudert.

"Schönheit blendet", sagte Madame Dusoleil, die neben Julius auftauchte und den getroffenen Wasserdämon begutachtete.

"Der Lähhmzauber hält nicht lange vor", flüsterte Catherines Stimme.

Auf einem runden Platz in der Mitte der Gartenanlagen erzählte Madame Neirides den Ausflüglern unter Zuhilfenahme von Tafeln und Bildern, welche Pflanzen hier angesiedelt wurden und wozu sie gebraucht wurden. Dann deutete sie auf eine plump aussehende Gestalt mit graugrünen Haaren, die zwischen zwei Unterwasserstauden hervorkam. Das Wesen besaß einen silbern geschuppten Unterleib mit einem langen kräftigen Fischschwanz und trug Gartenwerkzeuge in den grauen Händen. Julius, der bei einem nicht gerade erlaubten Experiment mit Natrium am See von Hogwarts unfreiwillig mehrere Merrleute aus der Tiefe des Sees herausgelockt hatte, staunte, wie derlei Wesen im Ganzen aussahen und wie gewand sie sich unter Wasser bewegten. Madame Neirides tauschte mit dem Wassermenschen einige Gesten und fremdartige Laute aus. Dann verschwand das Wesen wieder.

So ging die Expedition weiter durch die Unterwassergärten. Julius, den ein in einem Farndickicht lauernder Grindeloh am linken Bein zu packen bekommen hatte, überzeugte mit einem schnellen Wendemanöver und einem rücksichtslosen Hebelgriff nach den Fingern des Wasserdämons, daß auch ohne direkten Einsatz von Zauberei diese Wesen bezwungen werden konnten. Catherine schockte den Wasserdämon mit einem Zauber und holte Julius mit einem Arm zu sich heran.

"Die Viecher sind zwar schnell zu überwinden, aber sehr stark im Zupacken. Du solltest immer mit Magie versuchen, sie zu kontern. Ergreift dich ein Grindeloh am Hals, hast du vielleicht nur noch Sekunden, um dem Tod durch Blutabschnürung zu entgehen. Ich denke, daß sollte euer Verteidigungslehrer euch gesagt haben."

"Wir haben diverse Zaubersprüche gelernt, um solche Biester zu plätten", erwiderte Julius kleine Blasen sprudelnd. Dann fragte er, ob man diese Wesen kaufen und verschicken könne. Catherine, die den Jungen immer noch mit einem Arm umfing und mit der Zauberstabhand drohend herumschwenkte, lachte. Zumindest verrieten ihr Gesicht und der rhytmisch zuckende Körper, daß sie lachte. Denn außer merkwürdigen Lauten kam nichts bei Julius an. Deshalb sagte Julius noch, daß sein Freund Kevin gerne einen für den Teich seines Großvaters haben wollte. Catherine stutzte und ließ Julius aus der leichten Umarmung frei.

Den Rest des ersten Unterwasserbesuchs verbrachten die Ausflügler ohne weitere Störungen. Madame Dusoleil und Madame Neirides erläuterten weitere Pflanzen und Unterwassergeschöpfe, die in schillernden Farben und abwechslungsreichen Formen angetrofffen wurden. Die Zeit verflog so schnell, daß erst Madame Dusoleils Hinweis Julius und die übrigen Ausflugsgäste daran erinnerte, daß sie nun langsam wieder auftauchen mußten. Madame Neirides sicherte die Gruppe nach hinten ab, während Madame Dusoleil die Führung übernahm. Julius und Claire schwammen direkt hinter ihr her, während Catherine hinter den beiden Kindern herschwamm. Kurz unter der Wasseroberfläche hielt Madame Dusoleil inne und wandte sich Claire und Julius zu.

"Erst wenn ihr merkt, daß ihr nicht mehr atmen könnt, dürft ihr auftauchen. Claire wweiß das ja schon."

Dann wandte sie sich Jacques Lumière zu und gab ihm dieselbe Anweisung. Tatsächlich dauerte es nur wenige Minuten, bis Julius ein starkes Kältegefühl überkam und ihm das Atmen unmöglich zu werden drohte. Schnell durchstieß er mit dem Kopf die Wasseroberfläche und kniff geblendet die Augen zu, bevor er tief Luft holte. Neben ihm tauchten die Köpfe aller Ausflügler auf. Catherine paddelte neben Julius und beglückwünschte ihn zu seiner gelungenen Unterwasserpartie. Ihr Kopf war frei von der schützenden Luftblase.

Am Ufer trockneten sich die Unterwasserexpeditionsteilnehmer mit ihren Badetüchern, die, wie Julius feststellte, dahingehend verzaubert waren, daß sie Wasser zehnmal so schnell aufnehmen und mit ihnen abgeriebene Körper blitzschnell trocknen konnten. Danach zogen sie sich ihre Umhänge wieder an und setzten sich am Ufer des Sees an einem Tisch hin. Dort nahmen die Ausflügler eine kleine Mahlzeit aus Schinken-Käse-Croissants und kleinen Pizzataschen, zumindest etwas, das so ähnlich zusammengestellt war ein. Dazu gab es Kaffee, für Catherine und Julius Tee aus ihrer Warmhaltekanne. Eine halbe Stunde nach dem Essen flogen die Ausflügler auf ihren Besen zum nördlichen Ufer des Sees, wo sie erneut die Umhänge ablegten und sich einfanden, um noch mal eine Portion Dianthuskraut zu sich zu nehmen oder den Kopfblasenzauber anzuwenden.

Als die Wirkung der magischen Pflanze einsetzte, tauchten Julius und die übrigen Kinder unter. Keine Sekunde danach glitten auch die Erwachsenen durch die Fluten des Sees.

Von Begegnungen mit vier Meerleuten und einer bunten Riesenschnecke abgesehen geschah während des Besuchs der nördlichen Unterwassergärten nichts besonderes. Julius mußte nur achtgeben, nicht von einem freischwingenden Saugfarn eingefangen zu werden. Madame Neirides erläuterte die magischen Unterwassersträucher, die mit flügelartigen Riesenblättern das Wasser aufwühlten und führte eine Leuchtqualle vor, die so wirkte, als würden tausend bunte Lichter in ihr erstrahlen.

Nach dem Besuch der nördlichen Unterwassergärten ging es noch durch eine Ansiedlung der hier lebenden Wassermenschen. Eine zierliche Meerjungfrau mit grünen Locken und einem silberweißen Fischschwanz führte die kleine Expedition an. Madame Neirides übersetzte die auf Meerisch übermittelten Erläuterungen. Julius sah mehrere Grindelohs, die vor den höhlenartigen Unterwasserbauten angebunden waren und beobachtete, wie zehn offenbar junge Wasserleute mit einem ständig die Farben wechselnden Ball spielten. Er hörte einen Chor aus Meerjungfrauen, die in der für ihn unverständlichen Meersprache einen vielstimmigen Gesang darboten. Er saß zwischen Catherine und Virginie Delamontagne. Als das kurze Konzert vorüber war, tauchten die Gäste der Meerleute wieder nach oben und kehrten ans Nordufer zurück, wo sie aus dem Wasser stiegen, sobald die Wirkung des Dianthuskrauts bei allen denen abgeklungen war, die davon gegessen hatten.

Als alle sich wieder abgetrocknet und angekleidet hatten, bedankten sich die Expeditionsteilnehmer noch mal bei Madame Neirides und versprachen, bald einmal wiederzukommen.

Madame Dusoleil führte die Ausflugsgesellschaft zu einem erhabenen Platz wenige hundert Meter vom See entfernt, wo mehrere Tische und Stühle aufgebaut worden waren. Julius konntte gerade noch zwei Hauselfen erkennen, die Schüsseln und Teller, Becher und Besteckteile auf den Tischen ablegten, bevor diese verschwanden, als hätten sie sich in Luft aufgelöst.

"Das gehört zum Ausflug dazu", sagte Madame Dusoleil, die Julius' fragendes Gesicht sah. Zwischen ihr und Madame Lumière nahm Julius Platz, während Catherine sich zwischen Prudence und Madame Delamontagne Julius genau gegenüber setzte.

Das Essen war ein drei-Gänge-Menü aus einer deftigen Pilzcremesuppe mit Kräutern, gebratenem Huhn in Honigsoße mit Röstkartoffeln und in Pfannkuchen eingewickelten Bananen mit Zimt und Schokoladenbröseln.

"Alle diejenigen, die heute das erstemal diesen Ausflug mitgemacht haben, erhalten nachher noch eine Urkunde über ihre Teilnahme an der Expedition. Für alle, die meinen, das sei doch nur ein Ausflug wie jeder andere verlaufen, möchte ich betonen, daß die Gärten im See der Farben in dieser Anlageform einzigartig auf der gesamten Nordhalbkugel sind und hier viele Erkenntnisse über die Zucht magischer Wasserpflanzen gewonnen werden, die in allen Feldern der Magie, die sich mit Pflanzen und daraus gewonnenen Wirkstoffen befassen, wichtige Hilfestellung leisten."

"Warum haben wir uns die ganzen Dinge da unten nicht vorher aufgeschrieben?" Wollte Jacques Lumière wissen.

"Weil zu dem Ausflug ein kostenloses Exemplar der Beschreibung der Unterwassergärten gehört", erwiderte Madame Dusoleil ruhig und holte aus ihrer großen Tasche für jeden der jugendlichen Zauberer und Hexen ein meergrün eingebundenes Büchlein. Julius bekam ganz glänzende Augen, als er die erste Seite des kleinen Buches betrachtete. Catherine sah ihn lächelnd an und flüsterte ihm zu:

"Sowas erlebst du nur in der Zaubererwelt, Julius."

Nach dem Mittagessen flogen die Besucher des Sees der Farben noch über die weiten Flächen um Millemerveilles herum und besichtigten die Parkanlagen, auf die Madame Dusoleil sehr stolz war. Zur Kaffee- oder Teezeit ging es nach Millemerveilles zurück. Madame Dusoleil verleitete die Ausflügler dazu, ein Wettfliegen auf ihren Besen zu veranstalten. Klar waren die ausgewiesenen Rennbesen am schnellsten. Doch sie waren nicht so wendig, wenn zwei Personen auf ihnen saßen. So schaffte es Madame Delamontagne zwar, auf geradem Weg am besten zu beschleunigen, vermochte mit Virginie jedoch nicht in Steilkurfven oder Sturzflügen so gut abzuschneiden wie die Familienbesen. So überholte Catherine mit Julius den Ganymed 9 und versuchte, sich auch noch an Madame Dusoleils Ganymed 8 vorbeizudrängeln. Doch Madame Dusoleil war als Quidditchspielerin und mehrfache Familienmutter zu geübtt, um sich einfach überholen zu lassen. Selbst das schnell aufeinander eingespielte Tandem Catherine und Julius konnte Madame Dusoleil und ihre zweite Tochter nicht ausmanövrieren.

Nach einer wilden Besenpartie, die mit einem riskanten aber dafür um so prickelnderen Sturzflug von 90 auf 10 Meter Tiefe endete, fragte Catherine Julius:

"Und, noch alles am richtigen Platz?"

"Hui!" Stieß Julius aus. "Ich werde wohl nie wieder Geld für eine Achterbahnfahrt ausgeben. Das war ja heftiger als die schnellsten Karussells, die ich je ausprobiert habe."

"Mir hat das auch noch mal richtig gut getan", freute sich Catherine. "Mit Joe kann ich sowas nicht machen. Babette ist noch zu jung dafür, und Maman will das nicht. Danke für dieses Erlebnis!" Erwiderte Catherine. Julius bedankte sich seinerseits dafür, vor dem Ende der Schulferien noch einmal sowas tolles erlebt zu haben.

"Mußte das sein, Mam!? Ich hätte fast mein Mittagessen wieder ausgewürgt", maulte Jacques Lumière.

"Mann, Jacques, stell dich nicht empfindlicher an als ein Mädchen!" Tadelte Elisa den Sohn der Festkommiteevorsitzenden von Millemerveilles. Das wirkte. Jacques gab sofort Ruhe.

Als alle dann vor dem Haus von Madame Dusoleil landeten, übergab die Gärtnerei-Hexe jedem Beauxbatons- und jedem Hogwarts-Schüler eine Urkunde, in der aufgeführt war, daß sich deren Inhaber sehr gut bis mittelmäßig bei der Expedition geschlagen hatte. Jacques las kurz und sah dann seine Mutter an, wobei er nur "Mittelmäßig" seufzte. Julius freute sich, daß er als sehr guter Teilnehmer bewertet worden war. Dann verabschiedete er sich mit Catherine von Madame Dusoleil und bedankte sich noch einmal für diesen wundervollen Tagesausflug.

Zurück im Haus von Madame Faucon mußte Julius ohne Catherines Unterstützung berichten, was er erlebt und gesehen hatte. Es dauerte solange, bis Abendessenszeit war und Madame Faucon in der Küche verschwand, um ein am Nachmittag vorbereitetes fünf-Gänge-Menü aufzuwärmen.

Der Abend des vierzehnten Augusts klang mit Musik aus. Julius gähnte um zehn Uhr so gotterbärmlich, daß Catherine sich erbot, den Jungen ins Bett zu tragen, wenn er nicht auf eigenen Beinen in das Badezimmer gehen würde.

Julius wünschte Madame Faucon eine angenehme Nachtruhe und ging zu Bett.

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