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Julius Andrews - Auf seinem Weg in die Zaubererwelt von Thorsten Oberbossel

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Am nächsten Morgen, dem Donnerstag nach Ostern, fanden Julius und Gloria die beiden Hollingsworths vor Snapes Klassenzimmer tief traurig vor. Jenna konnte sich gerade noch beherrschen, nicht zu weinen, während Betty sich stumm in einer Ecke herumdrückte. Leon Turner stand bei ihr und hatte seinen Arm um ihre Schulter gelegt.

"Was ist denn mit euch los?" Fragte Kevin locker. Jenna sah erst ihn, dann Julius an und sagte:

"Henry Hardbrick hat gestern wieder Punkte verspielt, weil er einen funktionslosen Zauberstab benutzt hat. Flitwick und McGonagall haben ihm je zwanzig Punkte abgezogen, McGonagall soll ihm sogar eine Strafarbeit angekündigt haben, sagt Laura Medley."

"Hmm, der war doch auch in den Ferien zu Hause", grummelte Julius. Jenna nickte. Sie wollte noch etwas sagen, doch Snape kam die Steintreppe herunter und grinste bösartig, als habe er einen gelungenen Streich gespielt.

"Wie ich sehe sind die Damen und Herren aus Hufflepuff nicht besonders begeistert, daß sie nun wieder arbeiten müssen. Das liegt wohl daran, daß mein Fach eben zu schwer ist, um allen zugänglich zu sein."

Keiner der Hufflepuffs wagte, dazu etwas zu sagen. Die Ravenclaws, Gloria, Pina und Julius ausgenommen, grummelten etwas. Snape starrte mit drohendem Blick in die Runde der Zweitklässler. Weil ihm keiner eine Gelegenheit bot, Punkte für ein Haus abzuziehen, schloß er die Kerkertür auf und trieb die Schüler hinein.

Diese Doppelstunde mußten sie einen Schwelltrank brauen. Snape sah besonders den Hollingsworths über die Schultern, gab gehässige Kommentare ab und trieb sie dazu, unvermittelt loszuheulen. Tränen von Jenna fielen zischend in das Gebräu und ließen es sofort eitergelb umschlagen und aufschäumen. Julius zwang sich, nicht einen der feingemörserten Pillendreher in seine Hand zu schütten, um schnell damit zum vermurksten Trank hinüberzulaufen. Snape bellte nur:

"Heulsuse! Wegen dir ist der ganze Trank nun wertlos! Zwanzig Punkte abzug für Hufflepuff!"

"Gemeiner Kerl!" Verstieg sich Leon Turner zu einer Beschimpfung. Snape wirbelte herum, daß sein schwarzer Umhang hochflog.

"Und noch mal zwanzig Punkte Abzug für Hufflepuff! Und eine Stunde Nachsitzen für Mr. Turner, wegen unflätiger Beschimpfung eines Lehrers!"

Blubbernd kochte Jennas Trank über. Die beiden Mädchen sprangen zurück, um der gelben Brühe auszuweichen, die den Kessel hinunterlief und laut zischend im Feuer unter dem Kessel verdampfte. Snape holte seinen Zauberstab hervor und ließ den Kessel vom Feuer aufsteigen, zu einem Ausguß hinüberfliegen und sich dort umstülpen, so daß der verkorkste Trank brodelnd im Ausguß verschwand. Danach ließ er mit einem Wink seines Zauberstabs die Reste des gescheiterten Versuchs vom Tisch verschwinden. "Lernen Sie gefälligst mehr Selbstbeherrschung, Hollingsworth!" Zischte Snape Jenna zu und schritt die übrigen Tische entlang. Julius' Trank hatte sich mittlerweile vorschriftsmäßig entwickelt, so daß der Lehrer nichts beanstanden konnte.

Betty und Jenna trollten sich, nachdem sie ihre Kessel ausgespült hatten, vor den anderen Hufflepuffs nach draußen. Leon stand stocksteif da und wartete auf Snapes Bestrafung.

"Ich habe nicht gedacht, daß Tränen einen Trank so schnell so drastisch umschlagen lassen", gestand Kevin Julius auf dem Weg in die große Halle ein.

"Es gibt körperflüssigkeiten, die Tränke total verändern können. Tränenflüssigkeit gehört neben Blut zu den heftigsten Ingredientien der Zaubertrankbrauerei", erläuterte Julius.

"Deshalb hat die alte Hakennase die beiden so drangsaliert. Der hat doch gesehen, wie tief unten die waren", knurrte Kevin und warf schnell einen Blick zurück, ob nicht ein Lehrer oder Vertrauensschüler mitgehört hatte. Doch niemand hatte es mitbekommen, der nicht gleicher Meinung sein würde.

Beim Mittagessen sprachen die Ravenclaws über den Unterricht. Julius warf zwischendurch Blicke zu den Hufflepuffs. Henry Hardbrick saß für sich allein. Die Hollingsworths hingen mit ihren Klassenkameraden zusammen und tuschelten.

"Was Jenna erzählt hat klingt für mich so, als hätten Henrys Eltern ihm verboten, weiterzuzaubern", flüsterte Kevin Julius ins Ohr. Julius nickte. Dann flüsterte er zurück:

"Aber das muß er nicht einhalten. Wenn's nach meinem Vater gegangen wäre, hätte ich hier überhaupt nichts zaubern dürfen."

Gloria entging nicht, daß Julius immer wieder zum Hufflepuff-Tisch hinüberstierte. Sie zupfte Julius am Umhang und sagte:

"Du bist nicht für diesen Ignoranten verantwortlich, nur weil er selbst ein Muggelstämmiger ist, Julius."

"Ich weiß nicht, ob der ein ignoranter Muggelstämmiger ist, Gloria. Nach Weihnachten hat der doch versucht, die verhauenen Punkte wieder reinzuholen. Warum murkst der jetzt wieder rum? Außerdem sagt das die Richtige, daß ich mich nicht für jemanden anderen verantwortlich fühlen darf."

"Hängt davon ab, wer wem Punkte vermasselt", antwortete Kevin. Gloria warf dem irischen Haus- und Klassenkameraden einen sehr bösen Blick zu. Julius war sich sicher, daß sie Kevin eine runtergehauen oder vors Schienbein getreten hätte, wenn sie nicht in der großen Halle gesessen hätten.

"Sag bloß nicht, daß es dir auf die Nerven gegangen sei, daß ich dir beigestanden habe", zischte Gloria Julius zu. Dieser sah sie beruhigend an und antwortete:

"Im Gegenteil. Das war das beste, was mir hier passieren konnte."

Nach dem Mittagessen ging es zur Zauberkunststunde. Julius bekam die Zusatzaufgabe, ein Glasgefäß so zu bezaubern, daß es nicht abkühlte oder erhitzt werden konnte, wenn eiskalte oder heiße Flüssigkeiten eingefüllt wurden. Nach dem üblichen Unterrichtsstoff las sich Julius das entsprechende Kapitel im Lehrbuch der Zaubersprüche Band 3 durch und testete die Formeln und Zauberstabbewegungen an anderen Objekten. Als es ihm gelang, ein leeres Glas zu bezaubern, ohne daß es sich verformte, zersprang oder verdampfte, mußte er ein großes Einmachglas bezaubern. Alle sahen ihm dabei zu. Punktgenau sprechend und den Zauberstab über dem zu bezaubernden Glas bewegend, stand Julius aufrecht vor Flitwicks Pult. Der kleine Lehrer mit dem weißen Haarschopf hatte sich auf einen großen Bücherstapel gestellt, um die Zauberei zu beobachten. Als Julius zum Abschluß der Formel das Glas einmal oben und einmal unten mit dem Zauberstab antippte, fragte ihn Professor Flitwick:

"Können Sie Ihren Klassenkameraden vorab kurz verraten, wieso Sie diese Schlußberührungen machen mußten?"

"Ähm, das hat, wenn ich das richtig gelesen habe, was mit den Eigenschaften warmer und kalter Stoffe zu tun. Selbst in der Muggelphysik ist bekannt, daß jede sich erwärmende Flüssigkeit oder Gasform nach oben bewegt, weil sie leichter wird als die verhältnismäßig kältere. Beim Abkühlen ist das genau umgekehrt. Miranda Habicht beschreibt, daß ein Aequicalorus-Zauber, wie das heißt, was ich hier gemacht habe, deshalb nach den Grundbewegungen und Wirkformeln durch Berührung des oberen und unteren Randes des damit zu belegenden Gefäßes abgeschlossen werden muß, da sonst eine Spannung im Gefäß auftreten kann."

"Gut erklärt", lobte der Hauslehrer von Ravenclaw den kurzen Vortrag. Dann stellte er einen Kupferkessel mit gewöhnlichem Wasser auf einen Porzellanuntersetzer und tippte ihn mit seinem Zauberstab an. Unvermittelt dampfte und brodelte das Wasser im Kessel. Flitwick füllte etwas von dem kochenden Wasser vorsichtig in das von Julius bezauberte Glas um. Das Wasser blubberte und dampfte noch, als es bis zum oberen Rand im Glas war. Vorsichtig berührte Flitwick mit dem kleinen Finger der linken Hand das Glas, dann mit zwei Fingern und hielt es schließlich hoch. Das Wasser beruhigte sich zwar, aber eine durchsichtige Dampfwolke wie bei einer Tasse heißen Tee quoll immer noch heraus. Professor Flitwick hielt das Glas fest und sicher.

"Einmachgläser werden normalerweise sehr heiß, wenn kochende Stoffe darin sind. Ich halte es, ohne mich zu verbrennen. Offensichtlich funktionierte der Zauber bis jetzt."

Julius fand es sehr gewagt, das Glas ohne Handschuhe anzufassen. Wenn der Zauber nicht vorhielt, konnte es platzen.

Flitwick goß das heiße Wasser in den Kupferkessel zurück und tippte diesen erneut mit dem Zauberstab an. Keine Sekunde später kühlte das Wasser so stark ab, daß einzelne Eisstückchen an seiner Oberfläche auftauchten. Von diesem Wasser fülte der Lehrer wieder etwas ins Glas, so schnell, daß alle den Atem anhielten, auch Julius. Flitwick nahm das Glas in die Hand, blies dagegen und nickte.

"Kein fühl- und sichtbarer Unterschied zu eben. Mein Atem beschlägt nicht am Glas, und es fühlt sich so warm oder kalt an wie es war, als ich es Mr. Andrews abgenommen habe. Ich gehe davon aus, daß der Zauber noch eine Stunde vorhält, da keine thaumaturgischen Gravuren gemacht wurden, die ihn dauerhaft an das Glas binden. Zehn Punkte für Ravenclaw für gute Erklärung und erfolgreiche Umsetzung, Mr. Andrews."

Die Klassenkameraden klatschten Beifall. Pina ließ sich hinreißen zu rufen:

"Du bist ein Künstler, Julius."

Julius lief tomatenrot an und duckte sich hinter seinem Tisch. Gloria griff ihn sanft beim Kragen und zog ihn wieder in die aufrechte Sitzhaltung.

"Nun, Ms. Watermelon", erwiderte Flitwick auf Pinas Ausruf, "Sie sehen, daß Ihr Klassenkamerad verlegen auf Ihr Kompliment reagiert. Künstler ist auch eine sehr hohe Auszeichnung für einen jungen Zauberer. Allerdings, legt man zu Grunde, daß Kunst von Können kommt, gestehe ich Mr. Andrews zu, daß er etwas kann und daher zumindest eine wichtige Voraussetzung mitbringt, später einmal Ihr Lob als gerechtfertigt sehen zu können."

Alle lachten über diese humorvolle Einlassung Flitwicks.

"Wozu ist dieser Aequicalorus-Zauber denn gut?" Fragte Fredo Gillers.

"Sie meinen, ein bezauberter Kessel nützt nichts, wenn man darin etwas aufwärmen will? Das ist richtig, Mr. Gillers. Wenn Sie jedoch eine heiße oder kalte Flüssigkeit in einem verschließbaren Behälter transportieren, bleibt sie so, wie sie sie eingefüllt haben. Muggel haben diesen Komfort durch doppelwändige Kannen und Transportbehälter ausgeglichen, soviel ich weiß. Allerdings ist unsere Methode schon Jahrhunderte im Gebrauch."

"In "Tinkturen zum selbermachen" von Aurora Dawn heißt es, daß bestimmte Elixiere im heißen Zustand wirken. Man kann ja nicht dauernd ein Zauberfeuer unter einer Flasche in einer Tragetasche brennen lassen", warf Julius schnell ein. Flitwick nickte.

"Ich gehe davon aus, daß in dem von Ihnen erwähnten Buch auch steht, weshalb das so ist. Ansonsten bin ich zuversichtlich, daß Ihnen Professor Snape darauf in seinem Unterricht eine Antwort geben wird."

Alle grinsten erheitert.

Nach dem Unterricht trat Pina noch mal an Julius heran und entschuldigte sich dafür, ihn in Verlegenheit gebracht zu haben. Julius schüttelte bedächtig den Kopf. "Dir war eben danach, weil das eben funktioniert hat. Hätte ja auch danebengehen können", sagte er ruhig.

"wollen wir uns noch mal die Regenbogensträucher ansehen? Prudence hat gesagt, daß sie nun richtig austreiben", schlug die Junghexe mit dem blonden Haarzopf und den wasserblauen Augen vor. Julius nickte und fragte Kevin, ob er mitkomme. Dieser verneinte und erklärte, mit Gilda noch in der Bibliothek arbeiten zu müssen. Flitwick hatte ihnen aufgegeben, noch mal über die Zauber der vergangenen Unterrichtsstunden nachzulesen. Außerdem wollten sich die Beiden auf die morgige Stunde Verteidigung gegen die dunklen Künste vorbereiten. Gloria wünschte Pina und Julius einen schönen Nachmittag. Fredo fragte Julius, wo man noch mal über die veränderlichen Sterne etwas nachlesen konnte, da sie am Abend ja noch Astronomie hatten. Julius gab Buch und Kapitel an und verließ mit Pina das Schloß.

Hinter den Gewächshäusern standen drei bunte Büsche mit unterschiedlich großen Blättern, die von violett bis silbern und golden glänzten. Julius warf einen prüfenden Blick auf die Triebe der einzelnen Sträucher und ging mit Pina um die drei gepflanzten Zierbüsche herum, die er mit ihr, Prudence, Kevin und den Hollingsworths als Freizeitprojekt betreute. Pina bekam große Augen, als sie ein goldenes Blatt, so groß wie ein Suppenteller streichelte. Die Pflanze wiegte sich sanft unter den Berührungen.

"... wieso? Was treibt Sie auf einmal um, sich wieder gegen uns zu stellen?" Hörten die beiden Zweitklässler Professor Sprouts energische Stimme. "Kommen Sie sofort zurück, Mr. Hardbrick! Ich bin noch nicht mit Ihnen fertig!"

Pina und Julius hörten jemanden auf sie zurennen, der so groß wie sie sein mußte. Keine fünf Sekunden später preschte Henry Hardbrick an ihnen vorbei, bremste ab und kehrte um.

"Ihr habt mich nicht gesehen, klar!" Zischte er Pina und Julius zu und machte drohende Handbewegungen gegen die beiden Zweitklässler.

"Spinn nicht rum!" Zischte Julius zurück. Henry warf sich unter einen der Sträucher, gerade als Professor Sprout keuchend angelaufen kam.

"Hallo, Ms. Watermelon, Mr. Andrews", schnaufte sie. "Wo ist dieser Flegel hingerannt? - Aha, da liegt er und meint, ich würde ihn unter den Blättern nicht sehen!"

Henry Hardbrick tauchte unter dem Strauch hervor, als seine Hausvorsteherin ihn hart angefahren hatte, sich nicht wie ein Angsthase zu verkriechen. Doch der Junge mit der ordentlichen kurzen brünetten Frisur, dem blassen Gesicht mit der breiten Nase sah Professor Sprout nicht ins Gesicht. Er stand nur da, trotzig die Schultern hochgezogen, in seinem mit Erde verschmierten Umhang. Sein Zaubererhut lag noch unter dem Strauch.

"Heben Sie ihren Hut auf und putzen Sie sich den Umhang!" Herrschte Professor Sprout Henry Hardbrick an. Dieser stand nur da, sah Pina an, dann Julius und grinste albern.

"Was bilden Sie sich ein! Weil die Beiden dabei sind, spielen Sie sich als die ultrastarke Herrin auf?" Begehrte Henry ohne jeden Grund auf. Dann griff er eines der kleineren Blätter an dem Strauch, neben dem er stand und zog daran.

"Das würde ich lassen", fuhr Julius ihn an, bevor Professor Sprout ihn tadeln konnte. Henry zog an dem Blatt und riß es aus. Der Strauch schüttelte sich, daß alle Blätter wie ein Wasserfall rauschten. Dann rollten sich alle Triebe komplett ein. Die beiden anderen Sträucher rollten ebenfalls ihre Triebe ein, so daß bald nur bebende Kugeln auf kleinen schillernden Stümpfen zu sehen waren. Henry hielt das ausgerupfte Blatt hoch und besah es sich. Das Blatt war purpurrot gefärbt und etwa so groß wie ein Papiertaschentuch. Unvermittelt zerrann es zu einer zähflüssigen Masse, die Henrys hand überzog und sie purpurn einfärbte. Henrys gehässiges Grinsen verging. Sein Gesicht wurde noch blasser als sonst.

"Strafarbeit über das ganze Wochenende und 50 Punkte Abzug, so leid mir das tut, für Hufflepuff!" Schnaubte Professor Sprout, die vor wut dunkelrot angelaufen war und nicht wußte, ob sie nun den Zauberstab ziehen und dem Missetäter einen Fluch aufhalsen oder ihn gleich übers Knie legen und versohlen sollte. Henry schien das absolut nicht zu beeindrucken. Angsterfüllt starrte er auf die Hand, mit der er dem Regenbogenstrauch ein Blatt ausgerupft hatte. Sie war nun völlig purpurn eingefärbt, nicht nur dort, wo die zähflüssige Masse aus dem Blatt sie berührt hatte. Die Verfärbung wanderte sogar schon in Richtung Handgelenk weiter. Julius sah ihn mit einer Mischung aus Wut und Schadenfreude an. Dann sagte er:

"Ich habe dir gesagt, du solltest das lieber lassen."

"Mann, was ist das für ein Hexengestrüpp?" Zeterte Henry mit immer schneller gehendem Atem.

Julius sah Professor Sprout an. Diese nickte, behielt Henry jedoch im Blick.

"Darf ich vorstellen? Dies ist Kallidendron polychromos, der Regenbogenstrauch. Er kommt in allen Gebieten zwischen Warm- und kaltgemäßigten Breiten Europas und Asiens vor, wird fünf Meter breit und zwei Meter hoch und treibt an sich gabelnden Zweigen Blätter in allen Farben zwischen Schwarz bis goldgelb aus. Der Saft der Blätter wird in der Herstellung von Zauberfarben gebraucht. Ansonsten ist es einfach eine schöne Zierpflanze, wenn nicht ein Barbar wie du Blätter abreißt. Das mögen die nämlich nicht. Wenn nämlich sowas passiert, zerfallen die abgerissenen Blätter zu einer sich über alle feuchten Flächen ausbreitenden Farbsubstanz, die wasserbeständig ist. Außerdem stößt jede verletzte Pflanze jedesmal dann, wenn der Übeltäter, der sie angegrabscht hat, in ihre Nähe kommt, einen stinkenden Nebel aus, der den Missetäter wie Tränengas beeinträchtigt. Das war heute wohl das letzte Mal, daß du eine dieser Pflanzen angefaßt hast."

"Wie kriege ich diesen Dreck wieder runter von meiner Hand?" Quängelte Henry und krempelte seinen Ärmel hoch um mit Entsetzen festzustellen, daß die Purpurverfärbung sich mittlerweile über den halben Unterarm ausgedehnt hatte, und zwar gleichmäßig. Henry wirbelte herum und rannte davon, Richtung Schloß.

"Ich fürchte, Professor, der wird nicht zur Strafarbeit antreten. Der wird hoffen,daß man ihn jetzt rauswirft, damit er nach Hause kann", wandte sich Julius verknirscht an Professor Sprout, die nun mit besorgtem Blick die eingerollten Sträucher begutachtete. Pina sah ebenfalls besorgt auf die drei eingekugelten Büsche, die erst jetzt zu zittern aufhörten.

"Sie beide können im Moment nichts für die Pflanzen tun. Sie sind traumatisiert. Sie wissen ja, daß sich die Pflanzen untereinander ihre Empfindungen mitteilen. Vor morgen Mittag, wenn die Sonne sie bescheint, werden die sich nicht erholt haben. Falls Sie möchten, können Sie mir morgen früh dabei helfen, den Erdboden neu zu gießen und Phytosansalbe auf den verwundeten Trieb zu geben."

"Wir sagen den anderen bescheid, daß sie mitmachen können", versprach Julius und wollte mit Pina zum Schloß zurückgehen, als Jeanne zusammen mit Belle Grandchapeau fröhlich schwatzend angeschlendert kam. Jeanne stockte der Atem. Sie bedeutete Belle, zurückzubleiben und kam mit wehendem Umhang herangelaufen.

"Quelle Malheur! Was ist denn 'ier passiert?" Fragte sie Professor Sprout und die beiden Zweitklässler.

"Jemand hat sich unfachmännisch ein Blatt von einer der drei Pflanzen gezogen", gab Julius gehässig zur Antwort. Jeanne sah auf die eingekugelten Gewächse und knurrte:

"Welcher Barbar war das?"

"Keiner von uns", sagte Julius leicht verängstigt, als ihn der Blick der dunkelbraunen Augen traf, der nun sehr viel Ähnlichkeit mit dem strengen Blick hatte, mit dem ihn ihre Mutter vor wenigen Tagen noch angesehen hatte, als sie ihn darauf hinwies, daß er nicht so leichtfertig über Geistesbeeinflussungsarten spotten sollte.

"Ich habe den Missetäter bereits zur Verantwortung gezogen, Mademoiselle Dusoleil", beruhigte Professor Sprout die siebzehnjährige Hexe aus Beauxbatons. Doch diese gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden. Sie drehte sich um, murmelte einige Verwünschungen, während sie zu ihrer Kameradin zurückging und ging dann mit dieser zurück zur blaugrauen Beauxbatons-Kutsche.

"Oh-oh! Das gibt noch Ärger", unkte Julius.

"Nicht für Sie", sagte Professor Sprout entschieden. Dann schickte sie die Beiden zum Schloß zurück.

"Glaubst du, der geht zu Madame Pomfrey?" Fragte Pina.

"Wenn du Kevin wärst, dann würde ich jetzt mit dir darum wetten. Aber so sage ich gleich, daß der sich nicht traut, zu Madame Pomfrey zu gehen. Die Farbe kriegst du nämlich nicht ohne einen entsprechenden Aufguß vom Körper, der tierisch brennt, wie ich in Auroras Tinkturenbuch gelesen habe. Andererseits war das Blatt so groß, daß er bald einen königlichen Arm haben wird, wenn die Verfärbung nicht sofort behandelt wird. Auf jeden Fall weiß ich zwei Sachen:

Wenn er sich den Arm nicht behandeln läßt, werden alle sehen können, daß er etwas merkwürdiges hat, auch Jeanne Dusoleil.

Egal, ob er sich Handschuhe anzieht oder nicht, wird sie wissen, was los ist. Das ist dann heftig für Betty, Jenna und die anderen Hufflepuffs."

"Wieso das?" Fragte Pina etwas beklommen.

"Weil Jeanne ihrer Mutter schreiben wird, daß eine ihrer geliebten Pflanzen verletzt wurde. Du kannst mir glauben, daß Madame Dusoleil im Moment sehr wütend auf Muggel ist. Mein Vater hat sie dumm, sehr dumm angemacht. Wenn sie dann noch mitkriegt, daß ihre Regenbogensträucher nicht vor solchen Wandalen sicher sind, setzt das dem ganzen noch die Krone auf. Am besten sollte ich mir den Typen schnappen und ihm einschärfen, daß er sich den Arm sofort behandeln läßt, bevor ihm noch was weit schlimmeres passiert als einige Stunden Strafarbeit."

"Was könnte das sein?" Fragte Pina, die sich von Julius' Unbehagen immer mehr hatte anstecken lassen.

"Unter einem Heuler ist da nichts drin", antwortete Julius.

Sie hatten fast das Schloß erreicht, als von hinten ein Flugbesen angerauscht kam. Jeanne saß darauf und landete mit einer schnellen Bremskurve neben Julius.

"So, und du sagst mir jetzt sofort, wer das war!" Fuhr sie Julius auf Französisch an. Dieser schüttelte vorsichtig den Kopf.

"Jeanne, es war keiner von uns, die wir mit diesen Pflanzen arbeiten. Das war jemand, der Professor Sprout ärgern wollte, weil sie diesen Jemand runtergeputzt hat."

Jeanne starrte Julius sehr streng an. Dann sprang sie vor, schlang ihre Arme um ihn, hob ihn entschlossen vom Boden, griff sich ihren Besen, zog diesen in die Aufstiegshaltung, schwang sich auf und setzte Julius vor sich auf den Stiel. Pina starrte sie angsterfüllt an und stieß aus:

"Bitte tun Sie ihm nichts! Er hat das nicht getan!"

Jeanne stieß sich vom Boden ab und zog den Besen steil nach oben, so daß Julius ihr an die Brust zurückfiel.

"Du weißt, daß Maman alle ihre Pflanzen liebt, egal, wo sie aufwachsen?"

"Ist mir bekannt. Aber dir und ihr bringt das nichts, wenn du mich vom fliegenden Besen wirfst, nur weil ich nicht sagen werde, wer das war", gab Julius trotzig zur Antwort.

"Ach nein?" Erwiderte Jeanne und ließ den Ganymed 8 nach vorne überfallen. Julius klammerte sich fest und verdrängte die Angst, die in ihm aufstieg. Dann brachte Jeanne Dusoleil den Besen wieder in die Waagerechte und flog über den See auf dem Schulgelände dahin.

"Du möchtest mir also nicht verraten, wer es deiner Meinung nach wert ist, ungestraft davonzukommen, obwohl er einen Regenbogenstrauch verletzt hat?"

"Es ist es mir nicht wert, vom Besen zu fallen. Aber er ist es auch nicht wert, daß du ihn lynchst. Askaban ist kein Mensch der Welt wert, sagt Professeur Faucon."

"Womit sie recht hat. Außerdem würde ich ihm nichts tun.Zumindest würde ich ihm keinen Fluch anhängen oder ihn gar töten. Aber wer immer das auch ist sollte wissen, daß magische Pflanzen ... Aha, dieser jemand, ein Er, weiß das wohl nicht, wie empfindsam Zauberpflanzen sein können. Danke für die Auskunft", sagte Jeanne zufrieden, wendete und brachte Julius zum Schloß zurück, wo Pina immer noch angsterfüllt stand.

"Dann geh mal wieder rein, du 'eld!" Sagte Jeanne auf Englisch zu Julius und klopfte ihm locker auf die Schultern. Dann schwirrte sie mit ihrem Besen davon.

"H-hast du es i-ihr g-gesagt, w-wer e-es g-getan hat?" Stotterte Pina voller Angst.

"Nein, habe ich nicht. Zumindest habe ich ihr keinen Namen und kein Haus genannt."

"Aber? Das klingt so, als wenn du nicht weißt, ob du nicht doch was gesagt hast?"

"Falsch, Pina. Ich habe ihr wohl was verraten,nämlich, daß es ein Er war. Sie geht davon aus, daß er keinen Dunst davon hat, daß magische Pflanzen sehr empfindlich reagieren können. Die sitzen nicht umsonst bei uns am Haustisch, Pina. Die können eins und eins zusammenzählen. Und wenn unser Pflanzenschänder seinen Arm nicht behandeln läßt, kommt noch eine Eins dazu, und dann wird er Geschichte machen."

"Bitte?!" Wunderte sich Pina.

"Weil er der erste Muggelstämmige ohne Zaubererverwandtschaft sein dürfte, der einen Heuler kriegt."

"Ou!" Entfuhr es Pina.

Als Kevin und Prudence im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws davon hörten, was passiert war, zog Prudence hörbar luft durch die zusammengebissenen Zähne. Kevin erging sich in wilden Wortausbrüchen.

"Dieser ignorante Engländer. Keine Ahnung von Zauberpflanzen aber sie gleich kaputtmachen! Hoffentlich wird sein Gesicht auch noch purpur eingefärbt. Unser schönes Projekt. Die Pflanzen sahen vor den Ferien doch ganz toll aus."

"Das werden sie auch wieder tun", beruhigte Julius die beiden Hauskameraden.

"Jeanne hat es nicht von dir herausgekriegt? Aber die wird das so oder so rauskriegen. Wenn er Glück hat, fährt der morgen schon nach Hause zu den Muggeln", antwortete Prudence Whitesand.

"Böse Zauberbriefe kann man auch nach Hause kriegen. Aber das erinnert mich daran, daß ich meinen Eltern noch schreiben muß", sagte Julius und verließ den Gemeinschaftsraum der Ravenclaws. Da er immer kleine Pergamentstücke und Schreibzeug mitführte, um sich schnell mal was notieren zu können, konnte er seinem Vater einen Brief schreiben, als er in der Eulerei ankam. Er schrieb:

 

 

Hallo, Paps!

Erst einmal möchte ich dir schreiben, daß ich wieder gut in Hogwarts angekommen bin und mich über die Ferien sehr gut erholt habe. Man hat mich weder zu irgendwas unanständigerem als zum Tangotanzen aufgefordert, noch irgendwas von mir abgefressen.

Damit bin ich auch schon beim wichtigsten Punkt dieses Briefes.

Madame Dusoleil, die Dame, die dir freundlicherweise geschrieben hat, um dir zu sagen, daß es mir gut geht und ich die Ostertage bei ihr verbringe, war sehr wütend über das, was du ihr geschickt hast. Das du ihre Eule mit Sprühfarbe besudelt hast, war auch gemein. Mach dich darauf gefaßt, daß sie dich anzeigen wird. Denn auch wenn du bestimmt nicht zaubern kannst gehörst du dem Gesetz nach zu einer Zaubererfamilie und unterstehst daher unseren Gesetzen. Ich weiß nicht, was sie tun wird. Aber der wenige Respekt, den ich noch für dich empfinde, sowie die Achtung für alles, was du bis zu meiner Einschulung in Hogwarts für mich getan hast, verpflichten mich, dich zu warnen. Du hast dich mit einer Hexe angelegt. Mittlerweile solltest du es gechekct haben, daß die wirklich zaubern können. Du solltest also daher einen Brief an Madame Dusoleil schicken, dem du einige Galleonen beifügst. In dem Brief solltest du dich für die Beleidigungen entschuldigen, die du ihr wohl geschrieben hast. Falls nicht, würde ich an deiner Stelle keinen handschriftlich adressierten Brief mehr anrühren, der nicht von mir oder von den dir bekannten Lehrern aus Hogwarts kommt. Sag das auch bitte Mum, damit sie nicht unter dem Schaden leidet, den du angerichtet hast.

Madame Dusoleil ist eine sehr umgängliche Hexe, die drei Töchter hat, von denen eine in meinem Alter ist. Ich habe sie im letzten Sommer kennengelernt, als ich wegen deines Versuchs, mich von Hogwarts fernzuhalten, dort hingeschickt wurde. Es war nicht die Person, bei der ich gewohnt habe, aber ich habe viel Zeit in ihrem Zaubergarten verbracht und eine Menge dabei gelernt. Ihr zu unterstellen, sie würde mich fressen wollen, falls du das wirklich so geschrieben hast, wovon ich im Moment ausgehen muß, da Mum dich gesehen hat, wie du ihre Eule besudelt hast, war das muggelmäßigste, was du tun konntest. Ich habe geglaubt, etwas von deinem Verstand geerbt zu haben. Falls dies so ist, wirst du dich bei Madame Dusoleil entschuldigen, bevor sie auf die Idee kommt, dich zu maßregeln, ob gesetzlich oder durch Zauberei.

Mrs. Priestley sagt, ihr dürft mir beide wieder schreiben. Ich werde jedoch nur Schuleulen zu euch schicken, weil meine Eule mir zu wertvoll ist, um sie rotgesprenkelt zurückzukriegen.

Bis dann!

Julius

 

 

Mit etwas gemischten Gefühlen schickte Julius eine Eule zu seinen Eltern, die er im letzten Jahr schon benutzt hatte. Francis, der auf einer niedrigen Stange saß, sah Julius erstaunt an.

"Francis, mein Vater mag nicht, daß ich dich habe. Wenn er schon keine Angst vor ausgewachsenen Hexen hat, wird er vor mir erst recht keine Angst haben. Genieße deine Freizeit!" Sprach Julius zu seiner Schleiereule.

Betty Hollingsworth kam allein in die Eulerei, ohne ihre Schwester.

"Huch, was ist denn mit euch los? Sonst gibt es euch doch nur im Doppelpack", grüßte Julius die Klassenkameradin aus Hufflepuff.

"Jenna guckt sich die Bescherung an, die Hardbrick angerichtet hat. Professor Sprout kam zu uns rein und suchte Henry im Gemeinschaftsraum. Danach schickte sie die Vertrauensschüler in die Schlafsäle. Doch er ist im Moment nicht in Hufflepuff."

"Vielleicht hat er sich unter einem der Mädchenbetten verkrochen", feichste Julius.

"Da war er auch nicht, oder hälst du uns für blöd?" Fauchte Betty, während sie einen Brief am Fuß ihrer Waldohreule Speedy festband und den Vogel hinausschickte.

"Oh, schade, daß du den Brief schon losgeschickt hast. Ich hätte dir sonst gesagt, daß du bitte deinen Eltern schreiben möchtest, daß ihr Weihnachtsgeschenk tadellos funktioniert", sagte Julius und tippte mit dem rechten Zeigefinger an das unzerbrechliche Glas der magischen Armbanduhr, die neben Stunden-, Minuten- und Sekundenzeiger einen vierten, zusätzlichen Zeiger für die Stunden vor oder nach der englischen Zeitzone besaß, der sich bei seiner Reise nach Millemerveilles unverzüglich eine Stunde vorgestellt hatte, um die dortige Zeit korrekt zu zeigen.

"Deine Eule sitzt doch noch da. Du kannst doch schreiben", erwiderte Betty grinsend. Julius räumte ein, daß später zu tun, nicht gerade jetzt, weil er wieder zurück in den Gemeinschaftsraum der Ravenclaws wollte. Er fragte noch:

"Was wollte denn Sprout noch von eurem Totalverweigerer?"

"Ich dachte, du hättest gesehen, daß er sich die Hand mit einer magischen Farbe besudelt hat, die dann den ganzen Arm verfärbt hat", wunderte sich Betty. Julius gab nur ein "na und?" zurück.

"Normalerweise geht man damit in den Waschraum oder zu Madame Pomfrey. Da er jedoch weder in einem der Waschräume war, noch bei Madame Pomfrey ist, läuft er wohl immer noch mit diesem roten Arm herum."

"Es gibt soviele Waschräume in Hogwarts. Vielleicht wollte er nicht von irgendwelchen Hufflepuffs gemaßregelt werden. Daß ihm Sprout wieder Punkte abgezogen hat, weißt du ja wohl schon."

"Ja", fauchte Betty wütend. "Warum tut er das wieder? Nach Weihnachten glaubte ich, der hätte sich endlich bekriegt. Aber nach den Osterferien kam der ganz verschlossen zurück. Danach ging es dann wieder los wie am Schuljahresanfang. Wir haben ihn gefragt, warum er das wieder macht, wieso es ihm nicht viel wert ist, sich zu entschuldigen und die Punkte, die er geholt hat wieder zu verschleudern. Er knurrte nur, daß wir das eh nicht kapieren würden und er keinen Bock mehr habe, sich von Hexen und Zauberern herumkommandieren zu lassen, was immer das heißen soll."

"Zoff in der Familie, Betty. Seine Eltern und Anverwandten haben ihn wohl dumm angemacht, weil er auf einmal zu uns gehören wollte. Warhscheinlich haben sie ihn sogar zu einem Arzt oder zu einem Pfarrer gebracht, damit er diesen gefährlichen Unsinn austreibt."

"Das ist aber gefährlich für Muggel, wenn sie einen unausgebildeten Zauberer in die Enge treiben", wußte Betty.

"Das hat jeder Lehrer hier meinen Eltern gesagt, sogar Snape, der keinen Anlaß dazu hatte, Muggeln etwas beibringen zu wollen."

"Außerdem ist das kein gefährlicher Unsinn, zaubern zu können", griff Betty auf, was Julius vorhin gesagt hatte.

"Für meinen Vater schon", wandte Julius ein. Dann verließ er mit Betty die Eulerei.

An der Treppe zur großen Halle verabschiedeten sich Betty und Julius voneinander. Betty wollte ihre Schwester suchen, während Julius in den Gemeinschaftsraum der Ravenclaws ging.

Als sie beim Abendessen in der großen Halle saßen, fiel Julius auf, daß Henry Hardbrick immer noch nicht zurückgekehrt war. Die Hollingsworths saßen zusammen am Hufflepuff-Tisch und unterhielten sich mit Cedric Diggory. Julius sah zum Lehrertisch hinüber und erwischte Snape dabei, wie der belustigt zu den Hufflepuffs hinüberblickte.

"Der denkt, Hardbrick sei schon im Zug nach Hause", überlegte Julius leise. Dann sah er Professor Sprout, die neben Professor McGonagall saß und mit ihr diskutierte. Julius fragte sich, ob es auch magische Ohren gäbe, die aus seiner entfernung zu den Lehrern jedes von diesen gesprochene Wort hören könnten. Vielleicht beratschlagten die beiden Lehrerinnen, ob Henry von der Schule fliegen oder in eine harte Maßregelung genommen werden sollte. Möglicherweise war es das, was Snape zusätzlich amüsierte.

"Kuck nicht immer dahin", flüsterte Kevin Julius ins Ohr, als er zum X-ten Mal zum Hufflepuff-Tisch spähte. "Deine französische Freundin hat dich unter Beobachtung", warnte Kevin Julius noch flüsternd. Julius erschrak und zwang sich dazu, den Kopf nicht herumzuwerfen, sondern ihn bedächtig in die Richtung des Slytherin-Tisches zu drehen, wo sich Draco Malfoy wieder in Szene setzte und mit Victor Krum, dem berühmten Gast aus Durmstrang unterhielt. Er sah Lea Drake und Chuck Redwood, die etwas abseits neben einer Siebtklässlerin und der rothaarigen Durmstrang-Schülerin Ilona Andropova saßen. Dann suchte er den Blick von Jeanne Dusoleil. Sie sah ihn ganz entspannt an. Als sich ihre Blicke trafen beugte sie sich hinter Glorias Rücken vorbei und flüsterte auf Französisch:

"Also doch! Ich wußte es in dem Moment, wo mir klar war, daß kein Zaubererkind bedenkenlos und ohne Handschuhe eine Zauberpflanze verletzt. Er ist auch nicht besonders mutig, wie? Sonst wäre er hier und würde sich seinen Hauskameraden stellen."

"Wen meinst du, Jeanne?" Tat Julius so, als wisse er überhaupt nicht, wen Jeanne meinte.

"Diesen Muggelstämmigen, den wir vor Weihnachten zu Madame Pomfrey gebracht haben natürlich. Nur der kann es gewagt haben, sich an Mamans Pflanzen zu vergreifen. Aber du solltest jetzt noch etwas essen, Julius. Maman fürchtet, du könntest vor lauter Anstrengung das Essen vernachlässigen."

"Wie du meinst", fügte sich Julius. Er legte es nicht darauf an, sich jetzt mit Jeanne zu streiten. Jeanne setzte sich wieder ordentlich hin und aß von den gerösteten Kartoffeln, die sie noch auf ihrem Teller liegen hatte. Julius tat sich auch noch etwas zu Essen auf und verzichtete auf neue Rundblicke zu den anderen Tischen.

Erst als ein Tuscheln an den Haustischen anhob, wagte Julius einen Rundblick. Professor Sprout war aufgestanden und ging an den Haustischen vorbei zur Eingangstür. Professor Moody stand ebenfalls an seinem Platz. Sein magisches Auge war auf die Tür gerichtet, als wenn es diese durchleuchten wollte. Julius lief es kalt den Rücken hinunter, als er dachte, daß Moody tatsächlich etwas hinter der Tür gesehen hatte, was normalen Augen verborgen war. Professor Sprout öffnete die Tür und schlüpfte schnell hinaus. Keine zehn Sekunden später kam sie mit Henry Hardbrick am linken Arm zurück. Henry sah trotzig auf die vier Haustische. Die Slytherins stimmten ein amüsiertes Johlen an. Henry winkte fröhlich zurück, nach dem Motto: Was wollt ihr denn noch?

Professor Sprout führte den Schüler ihres Hauses an den Hufflepuff-Tisch und bugsierte ihn zu einem Stuhl neben Cedric Diggory. Mit diesem wechselte sie ein paar Worte, dann sagte sie etwas zu Henry und kehrte dann an ihren Tisch zurück.

Julius sah sofort, daß der rechte Arm von Henry immer noch purpurrot verfärbt war.

"Wahrscheinlich soll er noch etwas essen. Die Zugfahrt nach London dauert lang", trällerte Kevin. Gilda, die neben ihm saß, stubste ihn kurz den rechten Ellenbogen in die Seite. Kevin schwieg. Die Slytherins, die meinten, sich ungehemmter über Henry auslassen zu können, lachten ihn an oder aus, schnitten Grimassen und winkten ihm zwischendurch zu. Erst als Snape an ihren Tisch ging, kehrte wieder Ruhe ein.

"Die Stimme ihres Herren", flötete Julius.

Nach dem Abendessen verließen die Slytherins schnell die große Halle, ohne ein weiteres Wort zu sprechen. Offenbar hatte Snape ihnen befohlen, sich nicht vor Dumbledore und den anderen Lehrern um wichtige Punkte zu bringen, denn was sonst hätte es sein können, daß dieses so selbstherrlichen Jungzauberer und -hexen derartig diszipliniert die Halle verließen?

Die Hufflepuffs blieben an ihrem Tisch sitzen, während die Gryffindors ebenfalls in geordneter Formation die Halle verließen. Als Julius zusammen mit seinen Klassenkameraden aufstand und ebenfalls die Halle verlassen wollte, trat Jeanne noch mal an Julius heran.

"Ich werde Maman davon in Kenntnis setzen, was heute passiert ist. Sie wird ihm schon nichts tun", sagte sie leise.

Vor der Tür zur großen Halle sah Julius einen großen Schulkoffer, wie er ihn auch besaß. Er stand am Fuß der Marmortreppe herum und schien niemandem zu gehören. Kevin, der bereits auf dem ersten Absatz der Treppe angekommen war, sah Julius und hüpfte die Treppe wieder hinunter.

"Wetten, daß der Henry Hardbrick gehört?" Grüßte Kevin seinen muggelstämmigen Freund. Julius schüttelte den Kopf.

"Das riskiere ich nicht. Du würdest auf jeden Fall gewinnen. Wenn der den ganz allein runtergeschleppt hat, dann will er es wirklich wissen."

"Verstecken wir uns hinter den Rüstungen und sehen, was mit ihm passiert?" Fragte Kevin. Julius willigte sofort ein. Sie stellten sicher, daß niemand hinter ihnen aus der Halle kam. Offenbar stauchte Professor Sprout ihren zukünftigen Ex-Hufflepuff vor versammeltem Haus noch mal zusammen, denn die Hufflepuffs waren noch in der großen Halle, und durch die im Moment geschlossenen Türen drang dumpf aber verärgert klingend Professor Sprouts Stimme.

Julius und Kevin tauchten hinter einer überlebensgroßen Ritterrüstung in der Vorhalle unter. Julius hoffte, daß die Rüstung nicht so bezaubert war, sie zu verraten, wenn die Hufflepuffs aus der großen Halle kamen.

Fünf Minuten warteten die beiden Zweitklässler, die sie sich flüsternd mit einem Schachspiel vertrieben, das nur in ihren Köpfen zu sehen war.

"Springer von e7 nach d5! Schach!" Flüsterte Julius gerade seine Antwort auf Kevins letzten angesagten Zug, als die großen Flügeltüren aufgingen und die Hufflepuffs herauskamen, angeführt von Professor Sprout,Professor Dumbledore und Henry Hardbrick. Den Abschluß bildeten die übrigen Lehrer. Julius zogen sich die Eingeweide zusammen, als er Moody sah, der mit seinem blaßblauen magischen Auge die Vorhalle durchmusterte. Er hoffte, daß Metallrüstungen, noch dazu bezauberte, seinen Röntgenblick stören würden. Tatsächlich schien es Moody nicht zu gelingen, die beiden versteckten Jungen hinter der Rüstung zu sehen, denn er hinkte klonkend hinter den Hufflepuffs her, ohne die Lehrer auf etwas fremdes aufmerksam zu machen. Snape Stieg zu den Kerkern hinunter, McGonagall folgte den Hufflepuffs. Am oberen Absatz der Marmortreppe bogen alle Lehrer, die hinter der Schülergruppe hergegangen waren, in einen anderen Gang ab, als die Hufflepuffs, auch Moody, dessen Holzbein rhythmisch klonkte, immer leiser werdend. Kevin und Julius huschten so leise wie möglich hinter den Hufflepuffs her, wobei sie stets darauf achtteten, unter den brennenden Fackeln hindurchzuschlüpfen, um keine verräterischen Schatten zu werfen. Irgendwann bogen die meisten Schüler in einen Gang nach rechts ein, während Dumbledore, Sprout und Hardbrick geradeaus weitergingen.

"Da geht's zum Krankenflügel", flüsterte Julius kaum hörbar.

"Ist ja logisch. Die werden ihn nicht mit diesem purpurroten Arm zu den Muggeln schicken", flüsterte Kevin Malone.

Offenbar hatte Henry auch gemerkt, was mit ihm geschehen sollte. Denn unvermittelt wirbelte er herum und rannte davon, in die Richtung von Julius und Kevin.

"Hardbrick, kommen Sie wohl zurück!" Schrillte Professor Sprouts Stimme durch die weitläufigen Gänge und hallte wider wie in einer Kathedrale. Doch Henry Hardbrick hörte nicht. Julius sah, wie er auf ihn zurannte, um dann unvermittelt loszuspringen, den rechten Fuß zum Karatetritt ausholend.

Dank seiner eigenen Karateübungen und den vielen Quidditchspielen konnte Julius unverzüglich reagieren und den ihm geltenden Tritt durch eine Fallrolle ausweichen. Sofort stand er wieder auf, tanzte einen ihm geltenden Handkantenschlag aus und sprang zurück, mit der rechten Hand zum Zauberstab greifend.

"Maneto!" Rief er, als seine Zauberstabspitze genau auf Henry zeigte. Unvermittelt stand Henry still da, nicht wie versteinert, aber völlig bewegungslos.

"Hui, bist du auf Zack. Das sah so aus, als wolle der dich mit einem Tritt wegfegen", sagte Kevin anerkennend.

"Ich weiß nicht, ob es sein Pech oder Glück ist, daß ich das auch kann, was er kann."

"Was treiben Sie denn hier?!" Rief Professor Sprout beinahe atemlos, als sie angelaufen kam.

"Wir waren unterwegs, um uns einige Gemälde auf dem Weg zum Krankenflügel anzusehen, von denen Jenna und Betty erzählt haben, Professor Sprout", erwiderte Julius schlagfertig. Im schnellen Ausredenfinden war er seit je her ein Meister gewesen.

"Mr. Hardbrick hat sich da wohl einen ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht, um sich der notwendigen Behandlung durch die Flucht zu entziehen", ertönte Dumbledores amüsierte Stimme. Der Schulleiter eilte keuchend heran.

"Ich werde langsam zu alt für Verfolgungsjagden", gestand er ein und sah auf Henry Hardbrick, der sich zwar nicht rühren, dafür aber wütend dreinschauen konnte, wütend und auch verängstigt.

"Weshalb, wenn ich fragen darf, hast du ihn durch einen Bewegungsbann gestoppt, Julius?" Wollte der Schuldirektor wissen. Hinter seinen halbmondförmigen Brillengläsern glommen hellwache Augen, die den Blick des Ravenclaw-Zweitklässlers einfingen und festhielten.

"Weil er ihn angegriffen hat, Professor Dumbledore", antwortete Kevin.

"Er hat versucht, mir einen Karatetritt zu versetzen, eine waffenlose Kampftechnik der Muggel, Sir. Ich hätte ihn auch mit dieser Technik abwehren können, aber ich wollte ihn und mich nicht verletzen, daher der Bewegungsbann. Schocker sind zu heftig, finde ich", fügte Julius noch hinzu.

"Hat er Sie verletzt, Mr. Andrews?" Fragte Professor Sprout.

"Nein, hat er nicht", sagte Julius.

"Offenbar möchte er nicht in den Krankenflügel. Er hofft wohl, wir würden ihn dann schnell von der Schule weisen. Aber mit einem eingefärbten Arm können wir niemanden der Schule verweisen. Außerdem ist die Beschädigung einer Zauberpflanze kein direkter Rauswurfgrund, auch wenn er seinen Koffer schon gepackt hat", sagte Dumbledore immer noch amüsiert.

"Leider muß ich Professor Dumbledore zustimmen, daß die Verletzung einer Zauberpflanze kein Ausweisungsgrund ist, zumal die Pflanze sich erholen kann", fügte Professor Sprout hinzu.

"Dann hätten Sie ja Harry Potter vor zwei Jahren rauswerfen müssen", erinnerte sich Julius an die Berichte der älteren Schüler, die von Harrys und Rons ankunft in einem verzauberten fliegenden Auto handelten.

"Sehr richtig", sagte Dumbledore. "Pflanzen gelten, so leid es mir tut, Frau Kollegin, immer noch als Sache."

"Das sollten Sie bestimmten Leuten so nicht schreiben", murmelte Julius. Professor Sprout räusperte sich, mußte jedoch zustimmend nicken.

"Mr. Hardbrick, wenn Sie nicht freiwillig mit in den Krankenflügel kommen, um sich der notwendigen Behandlung zu unterziehen, wird Madame Pomfrey Sie eben in Hufflepuff aufsuchen. Das wird ihr zwar nicht behagen, aber was sein muß muß sein", sprach Dumbledore zu Henry Hardbrick. Dann nahm er seinen Zauberstab und murmelte "Removete!"

Henry stand einen Moment noch still da, dann hob er langsam den rechten Arm und deutete auf Julius. In seinem Gesicht stand Hoffnungslosigkeit, keine Wut mehr.

"Ich möchte, daß die beiden mit in den Krankenflügel kommen. Ich möchte Andrews etwas erklären."

"Er gehört nicht zu Hufflepuff", widersprach Professor Sprout energisch. "Wenn Sie jemandem etwas zu erklären haben, sind das die Bewohner Ihres Hauses, Mr. Hardbrick."

"Vielleicht kann er etwas erläutern, was seinen Hausbewohnern unverständlich bleibt", schaltete sich Dumbledore ein.

"Mr. Andrews ist doch nicht der einzige Muggelstämmige. Justin Finch-Fletchley ..."

"Dürfte angesichts des drastischen Umschwungs im Verhalten Henry Hardbricks nicht geneigt sein, sich irgendwelche Erklärungen anzuhören", unterbrach Dumbledore seine Kollegin. Diese nickte beipflichtend. Dann sagte sie:

"Begleiten Sie uns, Mr. Andrews! Mr. Malone kann ja schon in sein Haus zurückkehren."

"Ja, mach ich", willigte Kevin ein und verabschiedete sich von Julius.

Zu viert ging es in den Krankenflügel, wo Madame Pomfrey Henry sehr streng ansah und mit der Frage begrüßte:

"Warum hast du mich solange warten lassen? Warum bist du nicht sofort zu mir gekommen?"

"Dazu sage ich nichts", sagte Henry trotzig. Danach mußte er in das Behandlungszimmer mitkommen. Julius setzte sich mit Professor Sprout und Professor Dumbledore in den Vorraum.

"Ich möchte nicht unverschämt sein, Professor Dumbledore. Aber macht es nicht einen falschen Eindruck, wenn Sie dieses Verhalten durchgehen lassen. Andere Muggelstämmige, ich eingeschlossen, könnten denken, daß sie ohne Probleme die Schulregeln mißachten könnten, ohne rauszufliegen", wagte Julius, Dumbledores Entscheidung zu kritisieren.

"Nun, die Gefahr besteht zwar, junger Mann, aber mit einem Schulverweis würden wir anderen Muggelstämmigen das Gefühl geben, unsere Bemühungen seien nichts wert und sie könnten bestimmen, wann sie die Schule verlassen sollen, indem sie mutwillig schwere Regelverstöße begingen. Ich kann mir denken, wieso Henry wollte, daß du mit uns hierherkommst. Er geht davon aus, daß du seine Lage verstehst, besser als die Muggelstämmigen, die von ihren Eltern gefördert werden, wie eben Mr. Finch-Fletchley", sagte Dumbledore.

"Sie meinen, daß er Eltern hat, die ihn nicht zum Zauberer ausbilden lassen wollen?" Fragte Julius.

"Genau. Und was den Verweis von Hogwarts angeht, so wäre der Schuldisziplin kein guter Dienst erwiesen, wenn Henry ohne weiteres Schaden angerichtet hat, ohne dafür zu büßen. Ein Verweis würde ihm wie eine Belohnung als wie eine Strafe vorkommen. Du hast vielleicht den großen Koffer gesehen, der an der Treppe in der Vorhalle stand?"

"Ja, habe ich."

"Weißt du, was er damit vorhatte?" Fragte Dumbledore. Professor Sprout knirschte verärgert mit den Zähnen. Julius schüttelte den Kopf.

"Ein Hufflepuff-Bewohner hat ihn im Gemeinschaftsraum reden hören, daß er sich noch am Abend von uns "Abnormalen" verabschieden wolle. Wenn er dabei Beleidigungen gegen uns alle ausgestoßen hätte, wäre dies ein internationaler Skandal geworden, weil Professor Karkaroff und Madame Maxime zurecht ungehalten gewesen wären und das Turnier sofort für abgebrochen erklärt hätten, wie es in einer Regel des Turniers festgeschrieben ist. Professor Moody hat uns darauf hingewiesen, daß er mit gepacktem Koffer vor der Tür zur großen Halle stand. Falls wir zugelassen hätten, daß Henry Hardbrick ..."

Aus dem Behandlungszimmer war ein lauter Schmerzensschrei zu hören, gefolgt von einer harschen Aufforderung Madame Pomfreys, Henry möge sich gefälligst zusammenreißen.

"Das Zeug kommt gleich nach konzentrierter Salzsäure", kommentierte Julius den Schrei Henrys.

"Du kennst die Behandlung gegen Verfärbungen durch unbehandelten Regenbogenstrauchsaft?" Fragte Dumbledore, eher wie ein Lehrer, der die richtige Antwort erwartet, als ein Lehrer, der über das Wissen seines Schülers staunt.

"Sagen wir es so: Ich habe davon gelesen, wie man die Verfärbungen wegbekommt, und daß das entsprechende Mittel auf der Haut brennt, wie eine Säure. Außerdem muß man danach noch ein bestimmtes Gegengift in Form eines Zaubertranks einehmen, um das Absterben der behandelten Körperstellen zu verhindern. Ich würde keinem Regenbogenstrauch ein Blatt ausreißen, ohne Handschuhe anzuhaben, die aus Drachenhaut sind. Hinzu kommt noch, daß Henry den halben Arm verfärbt hat. Das Ergebnis haben wir gerade gehört", sagte Julius.

"Wie heißt das Mittel denn?" Fragte Dumbledore erheitert.

"Heilbrandelixier. Es besteht aus dem Saft des Rotblattstrauches, scharfen Hahnenfuß, die Säure von fünfzig roten und fünfzig schwarzen Waldameisen, wahlweise fünfzehn Gramm Drachenzahn gemahlen und feingesiebt oder den Scheren von fünfzig Kreuzspinnen. Das ganze wird angedickt mit einem halben Esslöffel Weidenrinde und in einem Kessel der Normgröße 2 eine Stunde lang in Bergquellwasser gekocht. Es empfiehlt sich, das Gebräu in einem gegen Wärmeaustausch behexten Behälter zu lagern, da es mit mindestens 50 Grad Celsius auf die verfärbten Stellen aufgetragen werden muß. Zumindest steht das so in "Tinkturen zum Selbermachen"."

"Ich bin zwar nicht Professor Snape, aber ich gebe dir für diese ausführliche Antwort zehn Punkte für Ravenclaw mit auf den Weg", lächelte Dumbledore. Julius dachte im Stillen, daß Snape ihm niemals dafür auch nur einen Punkt gegeben hätte. Dem wäre es sogar eingefallen, ihm Punkte abzuziehen, weil er sich als Experte aufspielte. Aber das sagte er besser nicht laut.

"Dazu gehört ja noch der Trank gegen die Giftstoffe der Ingredientien. Aber den habe ich mir nicht gemerkt, weil der wesentlich komplizierter ist und nicht ohne weiteres selbst gemacht werden kann", fügte Julius noch hinzu.

"Buä! Sauzeug!" Hörten sie Henry von drinnen angeekelt ausrufen.

"Besser als ohne den Arm zu leben", sagte Madame Pomfrey. "Magische Ersatzarme werden nur erwachsenen Zauberern angepaßt."

"Das hätte ihm auch noch gepaßt, einen magischen Arm zu verdienen, weil er Madame Dusoleils Regenbogenstrauch verletzt hat", kommentierte Julius, was sie gerade gehört hatten. Professor Sprout nickte zustimmend.

Nach fünf Minuten kam Madame Pomfrey aus dem Behandlungszimmer. Henry Hardbrick trottete wie ein begossener Pudel hinter ihr her. Der vorher verfärbte Arm sah nun wieder ganz normal aus.

"Sie wollten uns noch etwas erzählen, Mr. Hardbrick", begrüßteProfessor Sprout den Erstklässler. Dieser nickte eingeschüchtert und setzte sich zu ihnen hin. Madame Pomfrey sah Julius Andrews an und lächelte geheimnisvoll. Dann zog sie sich in ihr Büro zurück. Da im Krankenflügel zur Zeit niemand lag, konnten die vier, die beiden Lehrer und die beiden Schüler sich in Ruhe unterhalten, ohne jemanden zu stören.

"Ich habe", begann Henry Hardbrick ohne große Einleitung, "in den Osterferien erzählt, was ich alles neues gelernt habe. Meine Eltern hörten erst zu, dann schickten sie mich in mein Zimmer.

Am nächsten Tag sind sie dann mit mir zu einem Arzt gegangen, der mich von oben bis unten Untersucht hat. Weil er nichts gefunden hat, haben sie mich dann zu einem Priester geschleppt. Der hat gesagt, wenn ich wirklich glaube, mit Magie zu tun zu haben, müsse man davon ausgehen, daß ich entweder eine gestörte Phantasie hätte oder von einem Dämon besessen sei. Meine Eltern zwangen mich, ihm etwas vorzuzaubern, obwohl ich sagte, daß ich das nicht dürfe. Der Priester schlug ein Kreuz nach dem anderen und wollte mich festbinden, um an mir irgendein Ritual zur Teufelsaustreibung vorzunehmen. Dabei kamen zwei Zauberer vom Ministerium, die prüften, was passiert sei. Sie haben dem Priester irgendwie das Gedächtnis verändert und meine Eltern verwarnt, mich nicht gegen die Gesetze handeln zu lassen.

Mein Bruder versucht seitdem, mich immer wieder anzugreifen, um mich dazu zu bringen, zu zaubern. Meine Eltern haben gesagt, daß ich zusehen soll, aus diesem gefährlichen Institut herauszukommen. Sie haben meinen Zauberstab einbehalten und mir eine Nachbildung mitgegeben. Sie sagten, daß ich nach der ersten Schulwoche wieder nach Hause kommen solle, sonst würden sie mich in den Sommerferien in einem Irrenhaus einquartieren. Mein Bruder drohte sogar, er wolle mich persönlich umbringen, denn ein Monster wolle er nicht zum Bruder haben."

"Und ich dachte schon, bei mir wäre das krass", wandte Julius ein.

"Ich habe Ihren Eltern doch geschrieben, daß unsere Lehranstalt dazu da sei, um mit Magie begabten Jungen und Mädchen eine umfassende Ausbildung zu geben, eben damit sie nicht unkontrolliert zaubern", wunderte sich Dumbledore.

"Eben das wollen sie ja nicht. Was meinen Sie wieviel Prügel ich bekommen habe."

"Ach, und du hast dich nicht gewehrt?" Wunderte sich Julius.

"Würdest du dich gegen deinen eigenen Vater wehren?" Kam Henrys gehässige Gegenfrage.

"Wenn er mich so geschlagen hätte, daß ich eher Angst um meine Gesundheit als vor ihm haben müßte, ja", gab Julius sofort zurück.

"Du glaubst also selbst, du seist ein Monster?" Fragte Dumbledore direkt heraus.

"Was sonst?" Fragte Henry zurück.

"Und du hast dir ausgedacht, möglichst gemein zu deinen Kameraden zu sein und irgendwas anstellen zu können, um die Schule zu verlassen. Wann soll diese Woche umsein?" Fragte der Schulleiter.

"Samstag soll ich wieder zu Hause sein", sagte Henry.

"Und was glaubst du, was deine Eltern dann mit dir anstellen? Dein Bruder wird dich immer noch als Monster bezeichnen. Deine Eltern müssen für dich eine andere Schule finden und erklären, wieso du nicht gleich dort hingekommen bist. Mein Vater hat sich auch eingebildet, daß er mich nach Belieben von der Schule nehmen könne", wandte Julius ein. Dumbledore nickte, ebenso Professor Sprout.

"Nein, dann wäre das Kapitel abgehakt. Wenn ich nichts mehr hier lerne, kann ich nichts mehr anstellen. Das wäre für uns alle am besten."

Julius stöhnte auf. Dann sah er Dumbledore fragend an. Dieser überlegte, ob er Julius sprechen lassen sollte und entschied sich dann, dem Jungen das Wort zu erteilen.

"Du glaubst, für dich und deine Familie sei das das Beste, von Hogwarts zu fliegen. Mein Vater bildet sich das auch ein, mußte aber erkennen, daß es nicht reicht, einen erkannten Zauberer einfach von der Schule fernzuhalten. Ich habe, wie du wohl auch, nur deshalb den Brief bekommen, weil ich unbewußt Sachen bewirkt habe, für die es keine wissenschaftliche Erklärung gab oder die vom Zaubereiministerium eindeutig als Magie zugeordnet werden konnten. Diese unbewußten Sachen können mir immer noch passieren, wenn ich zu Hause bin. Aber hier lerne ich, meine Kräfte zu beherrschen, bevor sie mich beherrschen. Wenn du zu Hause bist und es zu brennen anfängt, wird man nicht lange nach einer normalen Erklärung suchen. Du warst das dann. Fällt deiner Mutter oder deinem Vater was runter, warst du das auch. Das gleiche gilt dann, wenn du in einer neuen Schule bist und was da passiert. Außerdem werden du und deine Eltern ständig überwacht, eben um nicht ans Licht kommen zu lassen, daß es Zauberer gibt. Willst du sowas haben? Und falls dein Bruder meint, dich wirklich umbringen zu müssen, weil er zu viel Angst vor dir hat, kann ich mir sogar vorstellen, daß deine Eltern sich freuen, auch wenn ich sie nicht kenne."

"Das glaube ich dir nicht", sagte Henry. Julius machte ein trotziges Gesicht. Dumbledore schien kurz zu überlegen. Dann sagte er:

"Den letzten Teil möchte ich gerne ausschließen. Aber ansonsten stimmt alles, was Mr. Andrews gesagt hat. Auch in der nichtmagischen Welt wirst du nicht ohne Überwachung leben können, und wenn etwas passiert, so normal es auch zu erklären sei, wird man es dir anlasten. In dem Moment, wo das Zaubereiministerium verfügt hat, daß du für eine Zaubereiausbildung zu uns kommst, sind wir hier für dich verantwortlich. Sicher liegt es bei deinen Eltern, Einfluß und Einsicht auf unseren Umgang mit dir zu nehmen, aber aus der Verantwortung können sie uns nicht entlassen. Das können nur wir oder die Abteilung für magische Ausbildung und Studien, die ich heute Nachmittag angeschrieben habe, um meine Entscheidung korrekt abzustimmen. Eine schnelle Eule brachte mir kurz vor dem Abendessen die Antwort. Sie lautet:

"Wenn Sie feststellen können, daß alle begangenen Regelverstöße ohne Einfluß von außerhalb stattgefunden haben, sind Sie verpflichtet, den Schüler der Lehranstalt zu verweisen und uns dies mitzuteilen."

Da ich nun auch nach kurzer Recherche und dem bisherigen Schriftwechsel mit deinen Eltern den Eindruck gewonnen habe, daß du nicht unbeeinflußt von außen deine Missetaten verübst, bleiben mir nur die Möglichkeiten, dich bis zu den Ferien in Sondermaßnahmen einzubinden, um den angerichteten Schaden für dein Haus zu beheben. Mr. Julius Andrews hier hat unsere Gesetze gelesen und auch schon erfahren, wie sie vollstreckt werden. Ich sah es ein, ihn mit hierher zu nehmen, da ich davon ausgehe, daß ihm klar geworden ist, daß Eltern von Muggelstämmigen zwar Einspruch gegen bestimmte Maßnahmen einlegen können, beispielsweise die Teilnahme am Quidditchtraining verbieten oder die Anwendung körperlicher Strafmaßnahmen hinterfragen dürfen, aber nicht unseren Unterricht verbieten können, ohne alternative Möglichkeiten vorzuschlagen, wie die Einschulung in einer Tagesschule für Muggelstämmige oder Halbmuggelstämmige in der Nähe, wo die nichtmagischen Wissenschaften gelehrt, aber auch Dinge wie Zauberkunst und Verwandlung unterrichtet werden. Ich gehe davon aus, daß deine Eltern diese Alternative nicht akzeptieren werden. Wie gesagt: Du hast ausgesagt, und meine Nachforschungen bestätigen das, daß du nicht aus eigenem Willen regelbrüchig wurdest. Hinzu kommt dein Engagement nach den Weihnachtsferien, die davor vergebenen Punkte wieder hereinzuholen, was bestätigt, daß nicht du ein Interesse daran hast, Hogwarts verwiesen zu werden. Sicherlich dürfte es jetzt wesentlich schwieriger für dich sein, wieder Anschluß in deinem Haus und deiner Klasse zu bekommen, da jeder denkt, du seist wortbrüchig, was absolut keine Hufflepuff-Eigenschaft ist. Da der sprechende Hut dich jedoch dort hingeschickt hat, müssen Hufflepuff-Eigenschaften in dir vorhanden sein. Sieh es als Teil einer Wiedergutmachung an, daß du diese Eigenschaften in dir suchst und zeigst! Dein Koffer kommt wieder zurück in euer Haus. Morgen trittst du zum Unterricht an! Professor Sprout hat Strafarbeit für die Verletzung des Regenbogenstrauches angeordnet. Du wirst sie ausführen oder deine Freizeit in einem Kerker zubringen, was meiner Meinung nach nicht die beste Alternative, aber die einzige ist. Ich werde deinen Eltern vorschlagen, unsere Schule zu besuchen, um zu sehen, was wir hier machen. Um den Hufflepuff zugefügten Schaden zu begrenzen, werde ich wohl Regel 50a nutzen. Hierzu werde ich morgen mit den Lehrern eine kurze Beratung führen. Professor Sprout wird jetzt mit dir in dein Haus zurückgehen und es deinen Mitschülern erklären, was passiert ist. Wie gesagt: Du solltest dein mögliches tun, um die Mißgunst deiner Hauskameraden zu beseitigen, indem du lernst und arbeitest, ohne dich gegen weitere Regeln zu vergehen", schloß Dumbledore seinen Redebeitrag ab. Julius fragte noch:

"Hast du deinen Eltern erzählt, was vor Weihnachten mit dir passiert ist, weil du eine Durmstrang-Schülerin beleidigt hast?"

Julius konnte sich das herausnehmen, weil alle im Raum, einschließlich Madame Pomfrey, die hinter der angelehnten Bürotür saß und beiläufig mithörte, von Henrys kurzer zweiter Babyzeit wußten. Eine Durmstrang-Schülerin, von der Julius während des Weihnachtsballs erfuhr, daß es sich um Ilona Andropova handelte, hatte Henry nach einer wilden Schimpfkanonade gegen sie mit dem Infanticorpore-Fluch in den Körper eines Neugeborenen zurückversetzt. Hätten Julius und Jeanne ihn nicht zu Madame Pomfrey gebracht, wäre er wohl jetzt noch ein Baby.

Henry verstand die mit dieser Frage verbundene Vorstellung und erblaßte. Dann sagte er:

"Ich habe es nicht erzählt, weil sie mir das nicht geglaubt hätten."

"Das ist zu befürchten", sagte Professor Dumbledore. Danach verließ er mit Henry und Professor Sprout den Krankenflügel. Julius wollte zwar auch mit hinaus, doch Madame Pomfrey kam aus ihrem Büro und winkte ihm, noch dazubleiben. So verabschiedete sich Julius von Henry und riet ihm:

"Ich habe gute Freunde in Hufflepuff. Ich möchte nicht noch mal hören, daß du Ihnen wichtige Punkte verdorben hast. Bis dann!"

Als die Tür zum Korridor vor dem Krankenflügel zugefallen war, winkte die Schulkrankenschwester Julius in ihr Büro. Julius fröstelte ein wenig. Er wußte nicht, was die Krankenschwester noch von ihm wollte.

"Ich habe vorhin gut zuhören können, während ich diesen törichten Jungzauberer behandelt habe. Professor Dumbledore fragte dich, wie genau die Therapie ausgeführt werden müsse, die ich an Henry Hardbrick durchgeführt habe. Du hast sehr kurz aber gründlich aufgezählt, wie die Heilbrandsalbe zur Beseitigung magischer Farbstoffe zusammengestellt wird. Dabei erwähntest du noch einen Trank, den der Behandelte trinken muß, um nicht die behandelten Körperstellen zu verlieren. Du sagtest, daß er zu kompliziert sei, um ihn dir gemerkt zu haben. Jetzt weiß ich, daß der Trank nicht so kompliziert ist, daß er nicht nach zweimaligem Lesen der Zubereitung auswendig wiederholt werden kann. Da ich nicht davon ausgehe, daß du dir eine Therapie, die meine Fachkollegin Aurora Dawn in einem Buch für selbst herzustellende Tinkturen und Elixiere erwähnt, nur zum Teil auswendig merkst, wirst du mir hier und jetzt die Rezeptur des Folgetranks hersagen."

"Professor Dumbledore hat recht. Professor Snape gibt Zaubertrankunterricht", widersprach Julius.

"Das ist zwar richtig. Aber zu meinen Aufgaben gehört es, sicherzustellen, daß Schüler, die erste Hilfe leisten können, nicht mit unzureichenden Fachkenntnissen ausgestattet sind. Das Tinkturenbuch ist eine Anleitung zu Ersthilfemaßnahmen und Behandlung kleinerer Erkrankungen. Ms. Dawn hat dir dieses Buch wohl nicht zukommen lassen, damit du nur korrekte Unterrichtsantworten geben kannst. Außerdem möchte ich dich noch mal darauf hinweisen, daß ich neben den Lehrern zu den Schulbediensteten gehöre, die dir wegen Gehorsamsverweigerung oderoffener Rebellion Punkte abziehen können. Also keine Antwort würde mich dazu bringen, dir Punkte abzuziehen, und zwar mehr als die zehn Punkte, die Professor Dumbledore dir zugestanden hat."

Julius setzte sich entspannt hin, dachte nach und betete dann die Rezeptur des Zusatztranks herunter, wobei er fast immer wörtlich aus dem Buch von Aurora Dawn zitieren konnte. Madame Pomfrey nickte bei jeder richtigen Antwort. Dann fragte sie:

"War das zu kompliziert für dich? Wen es interessiert, und du hast versäumt dieses Interesse rechtzeitig zu verbergen, lernt diese Rezeptur ohne jede Probleme. Außerdem ist dieses Buch für Hexen und Zauberer geschrieben worden, die es nur als Nachschlagewerk nutzen, weil sie im Zaubertrank- und Kräuterkundeunterricht nicht mitkamen. Auf jeden Fall weiß ich jetzt, daß du dein Wissen nicht auf Halbheiten beruhen läßt. Mit dieser Gewißheit kann ich dich nun entlassen."

"In Ordnung", sagte Julius und verließ eilig, aber nicht rennend den Krankenflügel.

Auf dem Weg zum Ravenclaw-Eingang begegnete ihm Lea Drake, die gerade aus der Bibliothek kam.

"So spät noch unterwegs?" Fragte sie Julius. Julius nickte. Dann sah er Ilona Andropova, die zehn Schritte hinter Lea herging. Er zwang sich, nicht vor Angst zu erstarren. Dann entspannte er sich wieder. Sie hatte ihn ja damals nicht gesehen, als sie Henry mit dem mächtigen Infanticorpore-Fluch belegt hatte.

"Hallo, wen haben wir denn da? Ist das der junge Muggelstämmige, der alle Zaubertränke der zweiten Klasse auswendig kann?"

"Das kann ich nicht beurteilen, weil die Zweite Klasse noch nicht zu ende ist", sagte Julius mutig. Die beiden Mädchen lachten.

"Hast du gehört, was mit diesem Henry Hardbrick passiert ist? Der soll eine Zauberpflanze angerupft haben und hat dafür einen roten Arm gekriegt", grinste Lea bösartig.

"Dann muß er zu Madame Pomfrey. Wenn das der Regenbogenstrauch war, kriegt er die Farbe nicht von seinem Arm runter", erwiderte Julius so beiläufig, als habe er davon überhaupt nichts mitbekommen, und es würde ihn auch nicht interessieren.

"Die Regenbogensträucher hinter dem Gewächshaus drei? Oh, dann wird er sich wünschen, schnell nach Hause geschickt zu werden. Denn die kommen wohl aus Frankreich, habe ich mir sagen lassen. Eine von den Beauxbatons, deine Tanzpartnerin von Weihnachten, hat eine Mutter, die sowas anpflanzt und sehr empfindlich auf Leute reagiert, die sich an ihren Pflanzen vergreifen", spottete Ilona Andropova. Julius behielt die Ruhe und antwortete:

"Wird wohl so sein. Dann kriegt der wohl bald einen Heuler zugeschickt. Das wird ihm helfen, sowas in Zukunft zu lassen."

"Ach der arme Junge kennt ja sowas gar nicht", flötete Lea. "Wo dieser Trottel Longbottom den letztes Jahr gekriegt hat, war Mr. Ich-gegen-Hufflepuff noch nicht hier."

"Kann passieren", sagte Julius. Dann verabschiedete er sich von Lea und Ilona Andropova. Diese sah ihn eher herablassend an. Offenbar widerte es sie an, daß er als Muggelstämmiger mit ihr gesprochen hatte. Julius interessierte das nicht. Wenn sie ihn anquatschte, mußte er ihr antworten.

Vor dem Eingang zum Ravenclaw-Gemeinschaftsraum stand Penelope Clearwater.

"Ich soll dir von Professor Dumbledore ausrichten, daß er wünscht, daß du keinem deiner Freunde erzählst, was du mit ihm zusammen erlebt und besprochen hast, weil es nur die Hufflepuffs etwas anginge."

"Befehl verstanden, Penelope!" Bestätigte Julius. Danach gaben sie das richtige Passwort "Cogito ergo sum" an die beiden gemalten Hexen Petra und Angella Skyland und traten in den Gemeinschaftsraum ein.

Gloria, Pina, Kevin und Gilda stürmten schon auf ihn zu und fragten ihn, was passiert sei. Julius wiederholte die von Penelope weitergegebene Anweisung Dumbledores, dies nicht zu erzählen, da es sich um Hufflepuff-Angelegenheiten handele.

"Wenn Jenna und Betty uns das erzählen wollen und dürfen, werdet ihr das erfahren. Ich jedenfalls werde keine Punkte riskieren, weil ich eine Anweisung des Schulleiters mißachtet habe", beendete Julius seine kurze Ausführung.

Später im Schlafsaal wartete Julius solange, bis er das leise regelmäßige Atmen seiner Bettnachbarn hörte. Dann holte er so leise wie möglich den großen Band "eine Geschichte von Hogwarts" aus dem Schulkoffer und zog den Vorhang zu. Im licht seines Zauberstabes las er unter der Decke, was Dumbledore mit der Regel 50a gemeint hatte. Im Anhang zu den Personen und Begebenheiten in der Geschichte von Hogwarts waren die Schulregeln abgefaßt, wie sie im Laufe der Zeit entstanden und verändert worden waren. Die Regel nr.50 besagte, daß ein Schüler, der mutwillig gegen die Unterrichtsdisziplin verstieß und den Eindruck erwecke, als sei er über alle Regeln erhaben, gesonderte Hausaufgaben und regelmäßige Strafarbeiten zu verrichten habe und von allen Vergünstigungen in der Freizeit ausgeschlossen würde. Früher, so las Julius, hätten Schüler dafür sogar wochenlange Kerkerhaft auf sich nehmen müssen. Er erinnerte sich, daß in Beauxbatons diese drastische Strafe noch immer angewendet wurde. In der 1920 hinzugefügten Hausregel 50a hieß es:

"Im Bezug auf Schüler, die aus reinen, der nichtmagischen Welt entstammenden Familien abstammen, muß die zunehmende Ablehnung der hexerei und Zauberei als Grund für massive Regelverstöße beachtet werden. Da Regelverletzungen jedoch nicht mit der Abstammung entschuldigt werden dürfen, gilt es, daß dem Haus, dem der undisziplinierbare Schüler angehört, keinen Schaden durch dessen Mitgliedschaft erfahren darf. Wenn festgestellt wird, daß ein Schüler aus besagter nichtmagischer Abstammung dauerhaft regelwidrig handelt, sind bei Auszeichnungen für die übrigen Bewohner des betroffenen Hauses zusätzliche Punkte zu vergeben, die bis zum doppelten Maß des von der sie vergebenden Lehrperson erachteten Menge betragen können."

In einem Kommentar stand noch, daß diese Ergänzung bis zum Druck der gegenwärtigen Auflage nicht angewandt werden mußte.

"Dann schreibt dieser Typ tatsächlich Geschichte", flüsterte Julius für sich. Auf jeden Fall wußte er jetzt, daß seine Schulfreundinnen aus Hufflepuff vielleicht doch mit einem Punktekonto über Null das Schuljahr beenden würden. Julius sah noch mal nach, ob nur die Auszeichnungen, nicht die Abzüge von dieser Regel betroffen waren. Dann dachte er, daß Snape sich wohl nicht damit aufhalten würde, Hufflepuff Punkte zu geben. Er konnte so weitermachen wie bisher auch. Aber es gab ja noch andere Lehrer, wie Flitwick, Sinistra, Sprout und McGonagall. Vielleicht solte er Betty und Jenna einige passable Fluchabwehrzauber beibringen, um ihnen auch bei Moody einige Punkte zu sichern. Aber das hatte ihmProfessor Faucon verboten, seine Kenntnisse beliebig mitzuteilen. Außerdem durfte er nicht vergessen, daß er durch die bei ihm erkannte hohe Grundkraft manche Gegenmagie aus dem Handgelenk schaffte, die bei anderen gefährlich aus der Bahn geraten konnte. So legte er das dicke Buch zurück in den Koffer und schlief.

 

 

Die nächsten Tage verliefen ohne bedeutsame Ereignisse für Julius. Die von Dumbledore angekündigte Regelauslegung, sowie die Sondermaßnahmen für Henry Hardbrick, waren angelaufen. Betty und Jenna berichteten nach der Kräuterkundestunde am Montag Nachmittag, daß sie insgesamt 40 Punkte bekommen hatten. Cedric Diggory, den sie in der Bibliothek trafen, war nun wieder mit Übungen für die dritte Runde des trimagischen Turniers beschäftigt. Die Regenbogensträucher hatten sich erholt. Da, wo Henry ein Blatt ausgerupft hatte, war schon ein neues nachgewachsen, weil Julius mit den Hollingsworths, Pina, Prudence und Kevin Heilelixiere anwendete, die sie am Sonntag in einem leeren Kerker gebraut hatten. Jeanne, die ihnen dabei zugesehen hatte, lobte die sechs Freizeitgärtner und verkündete Julius, dies ihrer Mutter zu schreiben, daß er interessierte Mitarbeiter für das Projekt ausgesucht hatte.

Am Dienstag passierte das, was Julius befürchtet hatte.

Die Schüler saßen an den Haustischen beim Frühstück. Julius beobachtete, daß sich die Hollingsworths, Laura Medley und Cedric Diggory demonstrativ mit Henry Hardbrick unterhielten, um ihn in die vergraulte Hausgemeinschaft zurückzuholen. Gloria fragte Julius noch mal etwas zur bevorstehenden Stunde bei Moody. Sie wollten heute gegen den Ortsgebundenen Angstfluch lernen. Da Gloria eine der wenigen war, die wußten, daß Julius ein umfassendes Buch über Gegenflüche besaß, machte es Julius nichts aus, ihr die wichtigsten Grundregeln zuzuflüstern.

Rauschend kam ein Schwarm von über zweihundert Posteulen in die große Halle geflogen. Prudence bekam einen Brief von Virginie Delamontagne, wie Julius an dem großen Uhu erkannte, den sie immer dann zu sehen bekamen, wenn Virginie Post für ihre Brieffreundin schickte. Gloria bekam ein Päckchen von ihren Eltern, sowie einen Brief von ihrer Tante Greta. Kevins Eule Boann brachte einen Brief von dessen Cousine Gwyneth, Cho und Roger Davis bekamen gleich vier Eulenbriefe. Julius sah hinüber zu den anderen Tischen, wo ebenfalls die unterschiedlichsten Eulen Post ablieferten. Immer noch flogen Eulen in die große Halle und suchten die anzufliegenden Empfänger. Schließlich kamen auch Eulen für Julius. Eine Eule von Mrs. Priestley, eine Schuleule, die er an seine Eltern geschickt hatte, kam auch wieder zurück, unversehrt. Dann flog noch eine Eule von Madame Faucon an und schließlich noch eine Eule von Madame Dusoleil, die Post für Jeanne am Bein und für Julius im Schnabel trug. Sie ließ den Brief im blauen Umschlag vor Julius auf den Tisch fallen, bevor sie zu Jeanne Dusoleil flog, um den für sie bestimmten Brief abzuliefern.

"Im Doppelpack spart's die Kosten, wie?" Fragte Kevin, der gerade einen veilchenblauen Umschlag seiner Cousine öffnete. Julius grinste. Jeanne räusperte sich nur vernehmlich. Julius nahm zunächst den Brief von Madame Faucon und steckte diesen in seinen Umhang. Dann öffnete er den Brief von Madame Dusoleil. Sie schrieb:

 

Hallo, Julius!

Ich habe mich erkundigt, ob und wie ich gegen deinen Vater vorgehen kann, ohne die Gesetze zu brechen. Eine Klageschrift an das Kommitee zur internationalen Zivilrechtsprechung kam gestern zurück. Man teilte mir mit, daß ich nur auf Ersatz für materielle Schäden klagen könne, da mein Opponent ein reinrassiger Muggel sei. Das heißt, daß ich nur die Reinigung und die tierärztliche Behandlung meiner Eule ersetzt bekommen dürfte. Da ich jedoch, wie ich dir geschrieben habe, nicht einsehe, daß dein Vater mit seinen Beleidigungen durchkommt, werde ich gemäß der mir erlaubten Möglichkeiten eine angemessene Maßnahme treffen, die ihn mehr Respekt vor Hexenmüttern lehren wird.

Jeanne und Professor Sprout berichteten mir, daß ein Muggelstämmiger aus der ersten Klasse sich an einem der von mir geschickten Regenbogensträucher vergriffen hat. Ich bewundere es zwar, daß du den Namen dieses Untäters nicht preisgeben wolltest, halte es jedoch für angeraten, ihm dies nicht durchgehen zu lassen. Er mag aus Unwissenheit oder Bösartigkeit gehandelt haben. Wie Professor Sprout mir mitteilte, war es bösartiges Verhalten. Ich habe, wie ich dir eindringlich geschrieben habe, ein sehr persönliches Verhältnis zu allen Pflanzen, die in meiner Obhut aufwachsen. Dies gilt auch für deren Ableger. Daher wirst du meine Wut verstehen, die mich packte, als ich erfuhr, daß mir durch einen Muggelstämmigen derartig übel mitgespielt wurde. Der Umstand, daß die Pflanzen sich unter Professor Sprouts und deiner Obhut wieder erholen werden, reicht mir nicht aus, um von einer Ahndung abzusehen.

Ich wünsche dir bis zum nächsten Brief alles liebe und viel Erfolg im Unterricht.

Camille Dusoleil

P.S. Halte dir besser die Ohren zu, wenn du den Brief gelesen hast.

 

Julius schrak zusammen, als er den Anhang des Briefes las. Er warf einen schnellen Blick zu Jeanne, die ebenfalls etwas zusammengefahren war aber eher befriedigt dreinschaute.

Julius sah schnell zum Hufflepuff-Tisch hinüber, wo eine große Schleiereule gerade einen scharlachroten Umschlag vor Henry auf den leeren Teller fallen ließ. Kevin folgte seinem Blick und verstand.

"Leute, Heuleralarm!" Rief er gerade so laut, daß es die Ravenclaws verstanden. Sofort steckten sich alle die Finger in die Ohren. Julius sah zum Hufflepuff-Tisch hinüber, wo die Hollingsworths Henry bedrängten, den Brief nicht in der Halle zu öffnen. Doch Henry lachte nur und riß den Umschlag auf, um wie von einem Klatscher in den Magen getroffen zusammenzufahren und laut zu schreien, allerdings zu leise, um das mörderische Gebrüll zu übertönen, das über ihn und die anderen Schüler hereinbrach. Julius konnte trotz der Finger in den Ohren Madame Dusoleils wütende Stimme hören, die in stark französisch eingefärbtem Englisch polterte:

"Wer oder was glaubst du, das du bist, daß du es dir herausnimmst, eine meiner interessierten Schülern anvertrauten Regenbogenstrauchpflanzen derartig zu verletzen, daß sie sich zusammenrollen mußte. Hast du keinen Respekt vor lebenden Wesen, oder denkst du, alle Zauberpflanzen seien Unkraut?

Ich sage es dir im wohlwollenden Verständnis einer Mutter, die weiß, wie wild ein Kind sein kann:

Reiße nie wieder an irgendwelchen Zauberpflanzen etwas ab, nur weil du denkst, dir mit Gewalt Eindruck bei deinen Mitschülern zu verschaffen, oder du wirst erleben, wie leicht sich derartige Barbareien gegen dich selbst wenden werden!"

Henry hing wie ein Schluck Wasser in der Kurve auf seinem Stuhl und zitterte. Eine derartige Antwort auf seine Untat konnte er nicht absehen. Henry Sah, wie sich der rote Umschlag in Asche verwandelte, starrte auf den Fleck, an dem vor wenigen Sekunden noch der schlimmste Brief seines Lebens gelegen hatte.

Die Slytherins glotzten Henry Hardbrick an, die Gryffindors tuschelten aufgeregt miteinander, und die Hufflepuffs sahen Henry teils mitleidsvoll, teils strafend an. Über alle Tische sank Staub von der hohen verzauberten Decke herunter, so laut war der Heuler losgegangen.

"Jetzt weiß er es", grinste Kevin Julius an. "Das macht der nicht noch mal."

"Ob er zu Madame Pomfrey rennt, um sich die Ohren untersuchen zu lassen? Die müssen dem doch jetzt glockenhell klingeln", spottete Fredo Gillers.

"Findest du das etwa lustig, Fredo?" Fragte Penelope Clearwater.

"Ja", erwiderte Fredo.

"Du kennst das doch, Penny. Anderen beim verprügelt werden zuschauen macht mehr Spaß als selbst verklopt zu werden", sprang Dustin McMillan Fredo bei.

Jeanne beugte sich kurz an Gloria Porter vorbei und lächelte ihn an.

"Er wird sich das nicht noch einmal trauen, jetzt wo er weiß, welche Art von Post er kriegen kann."

"Hermine Granger hat doch auch schon Heuler bekommen", sagte Julius.

"Ja, aber er hat nicht damit gerechnet, daß er sowas kriegen kann, weil er keinen Zauberer in der Verwandtschaft hat."

Julius nahm sich den Brief von Mrs. Priestley vor und las, daß sie seine Mutter angerufen habe und mit ihr verabredet habe, sich mit ihr in London zu treffen. Sein Vater habe ihr bereits abgesagt.

Im Brief seiner Eltern stand:

 

Hallo, Julius!

Ich denke nicht, daß ich noch einmal irgendeinen Brief aus dieser verfluchten Zaubererwelt aufmachen werde. Ich bekam nämlich am heiligen Sonntag einen Wisch, in dem ich dazu verdonnert werden soll, dieser Madame Dusoleil vier Galleonen und zwei Sickel für die Behandlung einer Eule zu bezahlen. Das kann sie vergessen. Ich zahle nichts an Hexen, die meinen Sohn verderben wollen. Deine Mutter scheint da auf einem anderen Gleis zu fahren. Sie meint, sich damit abfinden zu müssen, daß du Zauberei lernst. Schreib das dieser Dusoleil, daß sie nicht damit rechnen braucht, von meinem hart verdienten Geld etwas abzubekommen. Ihr dürft ja nichts tun, was mir Schaden zufügen kann, hast du gesagt. Also kann ich diesen Unsinn beruhigt in den Müll werfen.

Sage diesem Dumbledore, er braucht keine Briefe mehr an uns zu schicken. Es interessiert mich nicht mehr, was die mit dir anstellen, da es ja keinen Weg mehr gibt, dich zur Vernunft zu bringen.

Dr. Richard Andrews

 

Julius stöhnte kurz auf. Gloria, die wissen wollte, was los war, lies sich kurz vorlesen, was sein Vater geschrieben hatte. Dann fragte sie, ob Mr. Andrews sich nicht besser um einen Kurs in korrektem Verhalten bemühen sollte.

"Außerdem wird er es bereuen, daß er sich mit Madame Dusoleil angelegt hat... aber Moment, meine Mutter schrieb mir, daß sie versucht hat, mit deinen Eltern zu telefonieren. Dein Vater hat sie brüsk abgewiesen. Deine Mutter jedoch möchte weiterhin mit uns, also auch mit dir in Verbindung bleiben. Kann man Eulen so schicken, daß sie nur deine Mutter erreichen?"

"Nur, wenn die Eulen sie in ihrer Firma aufsuchen. Das wäre aber gegen die Geheimhaltungsvorschriften."

"Es wird sich schon ein Weg finden."

"Die Eulen können doch den Briefkasten benutzen, wie auch am Anfang, wo ich die Briefe von Hogwarts bekommen habe."

"Das tun sie ja auch. Aber vielleicht sollten wir nur telefonieren. Immerhin glaubt mein Vater ja, daß Telefonieren anständig ist."

"Dann werde ich das meiner Mutter schreiben. Man kann ja Telefonzeiten ausmachen", sagte Gloria. Julius nickte.

Zum Schluß las Julius noch den Brief von Madame Faucon. Sie schrieb:

 

Ich grüße dich, Julius Andrews!

Ich freue mich, daß es dir gelungen ist, die Prüfung für den Sozius-Besenflug zu bestehen und dabei so gute Punktzahlen zu erwerben.

Hier in Beauxbatons war es erholsam ruhig während der Ferien. Die Schülerinnen und Schüler aus Millemerveilles sind alle nach Hause gefahren, um dort ein Quidditchspiel unserer Lokalhelden zu sehen. Soviel mir zu Ohren kam, war deine respektable australische Bekannte Aurora Dawn auch dort.

Als die Ferien zu Ende gingen, durfte ich im Miroir Magique lesen, daß du dich von Madame Delamontagne in die feinere Gesellschaft hast einführen lassen. Soso, das bringt mich doch zum grübeln, inwieweit ich meine Anstrengungen, dich in unsere Welt hineinzugeleiten, verstärken soll, oder ob ich es lediglich dabei belassen soll, dir weiterhin soviel Anerkennung zu wünschen, wie du sie dir verdienst. Catherine erwähnte in ihrem letzten Brief, daß du nun bei einer Hexe in Cambridge die Ferien zubringen wirst, solange dich niemand anderweitig verplant. Was mich angeht, so steht mein Angebot noch, dich in den Sommerferien wieder als meinen Gast zu begrüßen. Ich hörte jedoch auch, daß Camille dich gerne für die Sommerferien zu sich einladen wolle. Ich gehe davon aus, daß du rechtzeitig genug entscheidest, ob du lieber ein wildes Familienleben oder beschauliche Wochen mit kultivierter Freizeitgestaltung wählst.

Meine Kollegin Professor McGonagall hat mir berichtet, daß du dich sehr gut in der Vivo-ad-Vivo-Verwandlung kleinerer Tiere machst. Sie geht davon aus, daß du am Ende der zweiten Klasse das Verwandlungsgeschick eines Viertklässlers erreichen wirst. Dies und nichts anderes erwarte ich von dir. Also enttäusche mich nicht!

Weiterhin viel Erfolg in Hogwarts!

Prof. Blanche Faucon

 

"Na toll!" Sagte Julius. Gloria fragte, was "sie" wolle.

"Sie meint nur, ich sollte mich im Unterricht Ihrer Kollegin gut ranhalten, dann könnte ich bald Viertklässlerniveau haben", flüsterte Julius.

"Und was passiert, wenn du das nicht schaffst?" Fragte Gloria leise.

"Dann darfst du im nächsten Schuljahr ohne mich zurückfahren." Flüsterte Julius.

Im Unterricht bei Moody schaffte es Julius, im Rahmen dessen, was sie offiziell lesen sollten, die Antworten auf die ihm zugedachten Zauberflüche zu geben. Gloria schaffte es beim ersten Mal nicht, das von Moody um einen Tisch herum aufgebaute Zauberfeld, das Panik verursachte, zu durchbrechen. Julius juckte es in den Fingern, mit dem Monstrato Incantatem, einem Zauber zur Entdeckung magischer Kraftfelder und Gegenstände, den genauen Wirkungsbereich von Moodys Fluch zu enthüllen. Doch der Enthüllungszauber gehörte nicht zu den offiziellen Nachschlagewerken. Also benutzte Julius einen Zauber, der ihn gegen plötzliche Gefühlsschwankungen abschirmte. Tatsächlich konnte er sich dem Tisch nähern und etwas von diesem herunternehmen, ohne in Panik zu fliehen.

Dann folgte eine weitere Runde direkter Fluchabwehr. Julius gewann dabei den Eindruck, als wolle Moody ihn besonders hart fordern. Julius benutzte die in Moodys Stunden offiziell gelernten Abwehrzauber und parierte alle ihm geltenden Flüche. Selbst jene, die sich nicht durch einen magischen Lichtblitz oder -strahl vermittelten, fing Julius mit der Aurarma-Magie auf, dem körperumschließenden Zauberschild, daß an und für sich schwer zu halten war, wenn ein Fluch darauf einwirkte.

"Mr. Andrews erweist sich als hartnäckiger Gegner, wenn es darum geht, von dunklen Flüchen heimgesucht zu werden. Allerdings ist zu beachten, daß dieser Gegenzauber, den er anwendet, nur dann funktioniert, wenn ein großes Grundpotential an Zauberkraft vorhanden ist. Hinzu kommt eine sehr schnelle Auffassungsgabe, was ihm geltende Angriffszauber angeht. Wenn ein schwarzer Magier jedoch von hinten angreift, ohne dies vorher angekündigt zu haben - was in über neunzig von hundert Fällen passiert -, dürfte er Schwierigkeiten bekommen. Immer wachsam! Ich kann das nicht oft genug wiederholen", knurrte Moody wie ein gereizter Wachhund.

Kevin hatte nicht so viel Erfolg, sich gegen Moodys direkte Angriffe zu verteidigen. Drei Flüche trafen ihn voll. Einer ließ ihm innerhalb von Sekunden ein immer dichteres struppiges Fell wachsen, einer verpaßte ihm Wabbelbeine, auf denen Kevin sich fast gar nicht halten konnte. Der dritte Fluch ließ seine Zunge zu einem ekelhaft großen rosa Ungetüm anschwellen, das Kevin zu ersticken drohte, wenn Moody nicht den Gegenfluch gewirkt hätte.

Nach der Stunde behielt Mad-Eye Moody Julius und Kevin zurück, während die übrige Klasse schon zum Zauberkunst-Klassenzimmer unterwegs war.

"Was hattet ihr beiden eigentlich vor einigen Wochen hinter dieser Ritterrüstung zu suchen, eh?" Herrschte Moody die beiden Jungen an.

"Welche Ritterrüstung?" Fragte Kevin.

"Die in der Vorhalle! Denkst du wirklich, ich hätte euch nicht gesehen?" Bellte Moody zornig.

"Ja, das haben wir tatsächlich gedacht", sagte Julius mit leicht enttäuschtem Tonfall. Dann fügte er noch an, daß er mit Kevin gewettet habe, daß Professor Moody sie beide nicht sehen könne, wenn sie hinter einer Metallrüstung, die wohl bezaubert war, in Deckung gingen.

"Um was habt ihr gewettet?" Fragte Moody knurrig.

"Das er mir den Zauber zeigt, mit dem man den Rauminhalt eines Behälters vergrößert, ohne den Behälter selbst zu vergrößern", sprang Kevin sofort darauf an. Julius nickte und antwortete:

"Daß Kevin mir die nächsten Geschichtsaufgaben macht. Aber das kann ich ja nun vergessen, weil Ihr Auge uns doch gesehen hat."

"Eure Experimentierlaune könnte euch eines Tages in wüste Schwierigkeiten bringen. Ich ziehe jedem von euch fünf Punkte wegen Respektlosigkeit ab. Klar?"

"Mein Vetter Ronin hat gefragt, ob es stimmt, daß so ein magisches Auge alle Mädchen und Frauen nakt sieht. Stimmt das?" Wagte Kevin eine Frechheit. Julius setzte noch einen drauf und sagte:

"Das ist doch langweilig, wenn man das eine Stunde lang getan hat, Kevin."

"Noch mal fünf Punkte pro Nase weniger! Raus jetzt, ihr Lümmel!" Bellte Moody wütend. Sein magisches Auge wirbelte wild in seiner Höhle herum, drehte sich mal nach innen, mal nach oben, und immer wieder rollte es von links nach rechts und zurück.

Wie von der Bogensehne geschnellt rannten Julius und Kevin aus dem Klassenzimmer und hasteten die Treppen hinauf und hinunter, auf die Trickstufen achtend, die so taten, als wenn sie fest wären, aber dann ein Bein, das auf sie trat, wie in einem Schlammloch festhielten.

"Das war aber jetzt nah an der Grenze, Kevin. Dann bringe ich dir den Rauminhaltvergrößerungszauber bei. Am besten an den Wochenenden", keuchte Julius. Kevin nickte nur.

Vor dem Zauberkunstraum bremsten die beiden Jungen ihren schnellen Lauf und traten gesittet ein. Professor Flitwick hob gerade an, das Thema der heutigen Unterrichtsstunde zu beschreiben. Julius suchte sich einen Platz in der hintersten Reihe, Kevin schlüpfte leise neben Gilda Fletcher auf den Stuhl, den sie für ihn freihielt. Gloria sah sich zu Julius um, wandte dann aber ihre ganze Aufmerksamkeit der Tafel zu.

"Magische Spiegelungen, meine Herrschaften, bilden den Grundstein für das breite Feld optischer Illusionen, bis hin zur Unsichtbarkeit von Gegenständen oder Lebewesen. Sie können zeitlich begrenzt oder dauerhaft aufgerufen werden", erläuterte Flitwick. Wie üblich stand der kleine Professor mit dem weißen Haar auf einem hohen Bücherstapel, um sein Pult und die Klasse überblicken zu können. Dann deutete er auf sechs Fingerhüte auf seinem Pult.

"Fünf dieser Fingerhüte hier sind nicht wirklich vorhanden, lediglich eine räumliche Abbildung des sechsten Fingerhutes. Sieht sich jemand von Ihnen im Stande, ohne die Fingerhüte zu berühren den greifbaren von den scheinbaren zu unterscheiden?" Fragte er.

Die Klasse senkte fast zeitgleich die Köpfe. Julius wußte, daß man mit dem Zauberfinder, wie er den Enthüllungszauber unsichtbarer Zauberfelder nannte, problemlos den bezauberten und damit echten Fingerhut herausfinden konnte. Doch den durfte er hier nicht anwenden, ohne sich lang und breit darüber auslassen zu müssen, woher er ihn kannte. Dann fiel ihm etwas ein, was Arcadia ihm kurz vor der Abfahrt aus den Osterferien noch über sein Trimax-Vergrößerungsglas erzählt hatte.

"Es arbeitet mit einem dauerhaften Abbildezauber, ähnlich einer beweglichen Illusion. Wenn zwei optische Zauber sich überlagern, siehst du nur ein rotes Flimmern statt der Vergrößerung des Objektes, über das du dieses Glas führst. Das Trimax-Glas hatte Julius wie den Enthüller für unsichtbare Schrift in seine Schultasche gesteckt, um es jederzeit benutzen zu können. Er richtete sich kerzengerade auf, hob den Arm und sagte:

"Ich kann das versuchen, Professor Flitwick."

Zwar wußten seine Klassenkameraden, daß Julius von Flitwick schon Zusatzaufgaben aufbekam, doch sahen sie ihn staunend und etwas verunsichert an, als habe er gerade gesagt, einen ausgewachsenen Drachen mit bloßen Händen umwerfen zu können. Professor Flitwick nickte ihm jedoch zu und forderte ihn auf, vorzutreten und sein Glück zu versuchen. Julius holte das Trimaxglas aus der Schultasche, umschloß es so gut mit der Faust, daß man nicht sofort sehen konnte, was er da hatte und ging ans Pult.

Dort zeigte er das magische Brennglas vor und hielt es über den ersten der sechs Fingerhüte.

Über dem Brennglas entstand ein rötlich-violettes Wabern, wie von einer roten Lampe, die durch eine dichte Rauchwolke leuchtet.

"Negativ!" Kommentierte Julius die Erscheinung und hielt das Glas über den nächsten Fingerhut. Wieder waberte rötlich-violetter Dunst über dem Brennglas. Wieder sagte Julius laut und vernehmlich "Negativ!"

So geschah es beim nächsten Fingerhut. Doch Nummer vier löste etwas anderes aus. Unvermittelt stand eine meterhohe, räumlich und scharf konturierte Abbildung über dem Brennglas, die bis zur Zimmerdecke reichte und Flitwick total überdeckte, ein gigantischer weißer Fingerhut, in dessen Oberfläche armdicke Rillen und faustgroße Löcher geschnitten waren. ein lautes "Uuii!" kam von den übrigen Zweitklässlern. Julius griff mit der freien hand nach dem gerade überprüften Fingerhut, nahm das Glas zurück, schloß die Finger um den Fingerhut und hob ihn auf. Unvermittelt lösten sich fünf bildgleiche Fingerhüte in Nichts auf.

"Positiv!" Kommentierten Professor Flitwick und Julius gleichzeitig. Julius' Klassenkameraden klatschten Beifall und jubelten ihm zu. Flitwick ließ sie drei Sekunden lang aplaudieren, dann gebot er Ruhe.

"Das ist ein Trimax-Glas von Prazap. Richtig?" Erkundigte sich der Zauberkunstlehrer bei Julius. Dieser nickte. Dann fragte Professor Flitwick:

"Wie kamen Sie darauf, daß Ihnen dieses magische Hilfsmittel ohne Fehler den echten von den illusorischen Fingerhüten unterscheiden helfen könne?"

"Eine berufsmäßige Zauberkunsthandwerkerin verriet mir kurz vor der Rückfahrt aus den Ferien, daß Abbildungszauber, die sich überlagern, am Ort der üblichen Abbildung einen formlosen roten Nebel zeigen würden. Da das Trimaxglas so bezaubert ist, daß es unter ihm liegende Gegenstände hundertfach vergrößert und räumlich in der Luft schwebend abbildet, kam ich darauf, daß hier mit einem optischen Zauber gearbeitet wurde, der Ihrer scheinbaren Vervielfältigung in die Quere kommen würde, beziehungsweise, daß die scheinbaren Fingerhüte nicht als Vergrößerungen, sondern eben als rötlicher Nebeldunst abgebildet würden. Quod erat demonstrandum, wie der Wissenschaftler sagt, wenn er bekräftigt, daß seine Vermutung zu beweisen war."

Wieder aplaudierten seine Klassenkameraden. Pina und Gloria standen sogar von ihren Stühlen auf. Kevin staunte nur.

"Womit wir einen Punkt vorab geklärt haben, nämlich daß man durch ein illusorisches Bild andere Illusionen durchdringen kann, wenn das Bild oder der verwendete Zauber dem Trugbild überlagert wird. Das sind zehn Punkte für Ravenclaw für gutes Kombinieren und fünf Punkte für die korrekte Erläuterung des angewandten Verfahrens", quittierte Flitwick die Leistung von Julius Andrews. Danach nahm er den bezauberten Fingerhut zurück, legte ihn wieder auf das Lehrerpult, worauf sofort wieder fünf gleichaussehende Abbilder erschienen. Danach projizierte er mit seinem Zauberstab und einer kurzen Zauberformel eine weiße freischwebende Lichtkugel von zwei Zoll Durchmesser und lenkte sie durch sachte Stabführung über die aufgereihten Fingerhüte. Wie bei Julius' Versuch mit dem magischen Brennglas entstand an Stelle der weißen Leuchtkugel immer ein rotes Nebelgebilde, bis Flitwick den richtigen Fingerhut mit dem gezauberten Lichtkügelchen überstrich.

"Diesen Zauber lernen wir im ersten Teil der Stunde. Danach lernen wir den Zauber, der eine optische Illusion aufhebt", verkündete Flitwick.

Julius ging zu seinem Platz zurück und steckte das Trimaxglas wieder fort. Dann schrieb er sich die Formel und die Zauberstabführungstechnik auf, die Flitwick erläuterte. Anschließend mußte er versuchen, die immer noch vorhandenen Abbilder vom echten Fingerhut zu unterscheiden. Gloria, Pina, Fredo und Gilda schafften das ohne Mühe, Kevin tat sich schwer, weil seine gezauberte Lichtkugel zerfiel, als sie den ersten stofflosen Fingerhut überdeckte. Es flimmerte kurz, dann war die Lichtkugel wieder verschwunden. Bei den anderen kam überhaupt keine Lichtkugel zum Vorschein, die man hätte lenken können. Julius schaffte es, die Lichtkugel etwas heller erstrahlen zu lassen. Ohne Schwierigkeiten konnte er damit die Trugbilder vom echten Gegenstand unterscheiden.

Die zweite Stundenhälfte lernten sie den Gegenzauber, um einfache Spiegelungen zu zerstreuen. Hierbei schafften es alle, den Zauber korrekt anzubringen, nachdem Flitwick neue Spiegelungen gezaubert hatte.

"Fünf Punkte für jeden, der den Erkennungszauber korrekt angebracht hat. Das gleiche gilt für die Anwendung des Zerstreuungszaubers. Als Hausaufgabe schreiben Sie mir bitte auf, was der Unterschied zwischen der Spiegelung und freien Trugbildern ist. Die optischen Illusionen als solche sind als Anwendungsfach zwar Stoff der übernächsten Klasse, aber wenn Sie heute die Grundlagen können, sind Sie zumindest in der Lage, scheinbare Objekte von greifbaren zu unterscheiden."

Die Schüler verließen den Zauberkunstraum. Gloria flüsterte ihm auf dem Gang zu:

"Warum hast du dich nicht neben mich gesetzt. Du hast doch sowieso deinen Auftritt gehabt."

"Ich wollte nicht anderen im Weg rumlaufen", sagte Julius.

"Auf jeden Fall scheint dir der Tapetenwechsel in den Ferien sehr gut zu bekommen. Ich habe gelesen, daß Arcadia Priestley den silbernen Hammer der englischen Thaumaturgenvereinigung für kreative Zauberkunst im Alltag dreimal hintereinander gewonnen hat. Damit liegt sie im internationalen Vergleich auf Platz drei hinter Laurin Lighthouse aus Sydney und einem gewissen Florymont Dusoleil aus Millemerveilles in Frankreich", tat Gloria kund, womit sie sich beschäftigt hatte, wenn sie nicht gerade Hausaufgaben beackerte, Schach spielte oder mit den anderen Hauskameraden musizierte.

"Soso. Jetzt wundert es mich nicht, daß Monsieur Dusoleil sich so interessiert mit Mr. Lighthouse unterhalten hat", bemerkte Julius dazu.

Die Nachmittagsstunden Kräuterkunde waren wie üblich kein Problem für Julius. Selbst die Sticheleien der Slytherins, die mit ihnen zusammen unterrichtet wurden, prallten wirkungslos an ihm ab.

"Na, wolltest du nicht auch noch irgendwas abreißen, Muggelbalg?" Zischte ihm Melissa Ashton zu. Julius grinste nur und fragte:

"Na, können wir mittlerweile Besenfliegen?"

Am Ende der Stunde hatten Lea Drake und Julius für ihre Häuser 20 Punkte abgestaubt und jede Menge interessantes für spätere Stunden erfahren, was Julius sich bei nächster Gelegenheit durchlesen wollte.

Als er dann die Hausaufgaben für Flitwick durchlas, kam Julius eine Idee. Er würde so oder so für Claire etwas zum Geburtstag besorgen müssen, ob er es ihr schicken oder persönlich in die Hand drücken würde. Die Stunde Zauberkunst hatte ihn auf die Idee gebracht, etwas selber zu basteln. Hier in Hogwarts, wo er mit Zauberfarben malen und Gegenstände bezaubern durfte, stand ihm die Möglichkeit offen, etwas eigenes, nicht so ohne weiteres in jedem Laden zu kaufendes zu schaffen. Julius schmunzelte, wenn er sich vorstellte, daß selbst die Nichtmagier den Gegenstand, an den er dachte, als "Zauberlaterne" bezeichneten. Nur seine Zauberlaterne, von der er nicht wußte, ob er sie jetzt schon zusammenbasteln konnte, würde tatsächlich was magisches an sich haben. Allerdings mußte er dafür viele Bücher lesen, neben den Hausaufgaben, um sich klug zu machen, wie sein Vorhaben am besten gelingen konnte.

Am nächsten Tag durfte Julius in der Vormittagsdoppelstunde Verwandlung erst ganz normal mit den übrigen Schülern zusammen die vorgelegten Aufgaben abarbeiten. Da er die zehn vorgelegten Schmetterlinge jedoch schon nach einer Minute in Goldfische verwandelt hatte, vertrieb er sich die Zeit, die die anderen benötigten, mit lockeren Übungen, tote Objekte beliebig oft zu verwandeln. Als Professor McGonagall das mitbekam, holte sie einen großen Käfig mit Meerschweinchen herbei, die sie Julius vor die Nase stellte, als der gerade einen Fetzen Pergament in eine Trillerpfeife verwandelte.

"Über das Niveau sind Sie doch schon längst hinaus, Andrews. Sie wirken so, als sei mein Unterricht für Sie zu langweilig. Nun, Sie werden verstehen, daß ich das nicht auf mir sitzen lasse. In dem Käfig befinden sich 30 Meerschweinchen, die Produkte einer Stunde der vierten Klasse. Sie werden mir diese Meerschweinchen vollzählig in Schildkröten verwandeln. Vollzählig, und wie sich versteht, auch vollständig, Mr. Andrews."

Kevin, der direkt hinter Julius saß und gerade einen Schmetterling in eine Untertasse zu verwandeln versuchte, verzog den Zauberstab, und das bunte Tier zerplatzte in einem knisternden Regen roter, blauer und gelber Funken. Kevin schien das nicht zu stören. Er sagte leise aber laut genug für Professor McGonagall:

"Julius, das mußt du doch nicht machen. Das ist Stoff der vierten Klasse. Was will sie bloß von dir?"

"Nun, Mr. Malone, wie ich das sehe, haben Sie Ravenclaw soeben um fünfzig hart erarbeitete Punkte gebracht, wegen Anstiftung zum Ungehorsam, Respektlosigkeit einem Lehrer gegenüber, vermeidbares Versagen einer Aufgabe, sowie unerwünschter Kritik an der Entscheidung eines Lehrers. Zusätzlich werden Sie nach dem Unterricht von mir noch eine Strafarbeit aufbekommen, über die ich noch befinden muß. Mr. Andrews kann meinen Auftrag erfüllen, und er wird es tun. Meine Motive gehen Sie nichts an, Mr. Malone und stehen daher nicht zur Diskussion."

"F-fünfzig P-punkte?" Begehrte Gilda Fletcher auf. "Er wollte doch nur ..."

"Fünfzig Punkte Abzug wie angegeben und noch mal zwanzig für Ms. Fletcher wegen fortgesetzter Störung des Unterrichts", schrillte Professor McGonagall durch das Klassenzimmer. Julius sah Gloria an, die ruhig an ihrem Schmetterling herumzuzaubern versuchte, dann Pina, die Kevin entgeistert ansah, dann seine Bettnachbarn, die kurz davor standen, aufzuspringen und zu protestieren. Dann sah er Kevin und Gilda an und versuchte, möglichst beruhigend zu gucken.

"Ich hoffe, Ihre Anweisung hundertprozentig umzusetzen, Professor McGonagall", sagte Julius laut und in Gedanken fügte er noch an: "Damit ich die verzockten Punkte zum Teil wieder reinholen kann."

Julius konzentrierte sich. Er peilte ein Meerschweinchen an und wollte gerade den Bewegungsbann auf das quirlige Tier legen, als die Verwandlungslehrerin ihm zuflüsterte:

"Ohne Bewegungsbann, Mr. Andrews. Ich werde Ihnen gut auf die Finger schauen."

Julius sah die Entschlossenheit im Gesicht der Hexe mit den quadratischen Brillengläsern. Dann fing er an.

Er kam zwar ins Schwitzen, und sein Kopf brummte wie ein Schwarm wilder Hornissen, doch am Ende der Doppelstunde krochen statt 30 quirliger Meerschweinchen braun und beige gemusterte Schildkröten im Käfig herum, ohne Fell und ohne Schnurrbart. Die ersten zehn Verwandlungen waren die schwierigsten gewesen, weil die quirligen Nagetiere im Käfig herumgewuselt waren und Julius wie ein Tontaubenschütze punktgenau zaubern mußte, um jedes Meerschweinchen mit der vollen notwendigen Zauberkraft zu erwischen, um die vollständige Verwandlung zu schaffen. Immerhin hatte er schon gelesen, wie aus Säugetieren Kriechtiere derselben Größe gemacht werden konnten. Offenbar wußte Professor McGonagall das, sonst wäre sie nicht auf die Idee gekommen, ihm ausgerechnet diese Aufgabe zu geben. Nach den ersten Zehn Meerschweinchen wurden die restlichen zwanzig durch die zehn träge herumkriechenden Schildkröten in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Mit jeder weiteren Verwandlung kam eine Schildkröte hinzu. So gelang es Julius schließlich, die letzten beiden Meerschweinchen in nicht einmal einer Minute zu transformieren.

"Vollständige Verwandlungen, Ladies and Gentlemen. Sie sehen also, daß es absolut unnötig war, Mr. Andrews derartig zu unterschätzen. Für jede gelungene Verwandlung gebe ich einen Punkt für Ravenclaw, zuzüglich zehn Punkten für ausgefeilte Koordination zwischen Zauberstabführung und zu verwandelndem Ziel. Die anderen erhalten für jede gelungene Verwandlung fünf Punkte", verkündete Professor McGonagall. Da jedoch außer Gloria Kevin und Pina, die Julius' Zauberstabtechnik benutzten, keiner eine vollständige Verwandlung geschafft hatte, kamen nur noch fünfzehn Punkte hinzu, was den drastischen Einbruch im Punktestand von 70 auf 15 reduzierte. Kevin sprang auf und rannte mit trotziger Miene aus dem Klassenzimmer. Gilda rannte hinterher, noch ehe Professor McGonagall ihm mitteilen konnte, welche Strafarbeit Kevin auszuführen hatte.

"Teilen Sie ihrem impulsiven Kameraden bitte mit, daß ich die von ihm gewonnenen Punkte wieder zurücknehmen muß. Ich werde mit Professor Flitwick darüber sprechen müssen", fauchte die Verwandlungslehrerin wie eine wütende Katze.

Julius ging zusammen mit Gloria hinter den anderen Ravenclaw-Zweitklässlern her. Gloria flüsterte:

"Willst du ihm sagen, daß man verfügt hat, daß du die Verwandlungsprüfung für Viertklässler machen mußt?"

"Dann müßte ich sagen, weshalb, und dazu habe ich keine Lust. Du und die Hollingsworths, sowie Prudence Whitesand, seid die einzigen, die wissen, bei wem ich in den letzten Sommerferien war und warum. Kevin ist zwar ein guter Freund, aber ihm jetzt alles auseinanderlegen zu müssen, fehlt mir die Lust zu. Aber es war es nicht wert, sich meinetwegen so reinrasseln zu lassen", bekundete Julius.

Am Mittagstisch kam Professor Flitwick mit einem Pergament zu Kevin Malone und flüsterte ihm zu, daß er nach der Geschichtsstunde in sein Büro kommen solle.

"Was? Ich soll diese ganzen alten Gemälde in den für alle zugänglichen Korridoren abstauben? Die Alte ...", brach es aus Kevin heraus. Gilda, die neben ihm saß, hielt ihm schnell den Mund zu. Penelope Clearwater, die sich sehr wohl denken konnte, daß mit "der Alten" Professor McGonagall gemeint war, fragte lauernd:

"Möchtest du mir einen Vorschlag machen, wieviel Punkte ich dir abziehen soll, oder gibst du mir da freie Hand?"

"In Ordnung, Penny. Du darfst mir minus zwanzig Punkte abziehen", sagte Kevin schnell.

"Du meintest mindestens zwanzig, Kevin. Gut, dann will ich mal nicht so sein und werde dir nur zwanzig Punkte wegen respektloser Äußerungen über eine Lehrerin abziehen."

"Boing! Kevin, diesen Mumpitz bin ich doch überhaupt nicht wert!" Rief Julius laut. Dann flüsterte er Kevin zu:

"Schlaf dich bei Binns aus, geh zu Flitwick und hör dir an, was er will!"

In der Nachmittagsstunde bei Professor Binns, dem Geist, der Geschichte der Zauberei gab, konnten Gloria und Julius den Punkteverlust des Vormittags und Mittags noch mal verkürzen, indem sie je zehn Punkte für die bestmögliche Erledigung der letzten Hausaufgabe erhielten. Als Kevin dann zu Flitwick ging, begleitete Gilda den Freund, der wohl mehr für sie war als nur ein guter Schulkamerad, wie Julius heimlich vermutete.

Am Abend schrieb er noch einen Brief an Madame Faucon, in dem er vorwarnte, daß er vielleicht doch nicht die in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllen könne, zumal er ja noch mehr als nur Verwandlung habe.

 

 

In den nächsten Wochen war Julius häufiger in der Bibliothek als im Ravenclaw-Gemeinschaftsraum anzutreffen. Neben den sowieso schon umfangreichen Hausaufgaben, zu denen noch Zusatztexte für Professor Flitwick und Professor McGonagall kamen, las er in seinem Buch über Zaubermalerei, wie man durchsichtige Bilder auf Glas malen konnte, die dann mit den bekannten Zaubern zum Leben erweckt werden konnten. Zudem hatte er sich "noch mal die Zaubereigesetze ausgeliehen, die Abschnitte über Bezauberung von Gegenständen abgeschrieben und notiert, wie er sein Geburtstagsgeschenk für Claire Dusoleil ohne Verstoß gegen die Gesetze fertigstellen konnte. Danach kam ein Wälzer über "Thaumaturgische Alchemie", der die Substanzen und Rezepturen behandelte, die zur dauerhaften Bindung verschiedener Zauber an feste Körper und Gegenstände mit beweglichen Teilen benötigt wurden, wenn man keine direkten, also mit dem Zauberstab zu bewirkenden Zauber allein benutzen konnte.

Die einzigen Gelegenheiten, ihn an der frischen Luft zu sehen, waren die Kräuterkundestunden und die damit zusammenhängenden Stunden in der Arbeitsgruppe Regenbogenstrauch, wie Julius das Freizeitprojekt nannte. Jeanne Dusoleil ging ihnen dabei zur Hand, wenn Professor Sprout nicht immer bei ihnen sein konnte. Kevin, dem die Strafarbeit fürs erste jeden Drang nach Frechheit genommen hatte, hoffte, daß sie für diese Arbeit am Schuljahresende genug Punkte bekommen würden.

Von Prudence Whitesand, die mit ihnen in der Projektgruppe arbeitete, lieh sich Julius ein Runenwörterbuch aus, das die Symbole für Licht und Farben beinhaltete. Er hatte Prudence unter dem Versprechen, nichts an Virginie oder anderen weiterzueerzählen, verraten, was er mit den Runen wollte. Prudence hatte ihm daraufhin noch ihr Zauberkunstbuch der fünften Klasse gegeben, aus dem er sich die eingeschränkten Trugbilder abschrieb.

 

 

Am 30. April bekam Julius drei Eulen. Eine von Mrs. Priestley, die zwei Briefe in einem Umschlag mitbrachte, von denen einer ein handschriftlicher Brief seiner Mutter war. Sie schrieb ihm, daß sie sich am zweiten Maiwochenende mit Mrs. Priestley nach Hogwarts begeben werde. Julius' Vater sei zu diesem Zeitpunkt in New York auf einem Treffen mit Managern einer weltweiten Chemiefirma.

"Ich habe ihm nicht einmal den Vorschlag gemacht, mitzukommen, nachdem ich von ihm hörte, was passiert war und er kein Interesse mehr daran hat, von Hogwarts auch nur ein Wort zu hören", schrieb seine Mutter.

Mrs. Priestley teilte mit, daß sie es erreicht hatte, daß sie und seine Mutter zusammen mit den Hardbricks nach Hogwarts kommen würden. So spare sich das Ministerium eine Fahrt, und die Lehrer könnten sich auf ein Wochenende beschränken.

Die zweite Eule kam von Madame Faucon. Sie schrieb:

 

Verehrter Monsieur Andrews,

Sie dürfen davon ausgehen, daß ich stets darüber nachdenke, was ich in meinen Briefen schreibe. Ich verstehe zwar, daß Sie besorgt um Ihr Leistungsvermögen sind und lieber eine Vorwarnung aussprechen als sich der Gefahr auszusetzen, einem Trugschluß aufgesessen zu sein. Doch ich meine, was ich schrieb. Ich habe Ihre zauberischen Fähigkeiten gut genug kennengelernt, sowie Ihren Willen, zu lernen, um mein Urteil auf einer sicheren Grundlage fällen zu können. Mir ist zwar auch bekannt, daß Sie lieber die taktische Untertreibung nutzen, um in Sie gesetzte Erwartungen nicht allzu hoch ausfallen zu lassen, bestehe jedoch auf der Richtigkeit meiner Angabe, daß Sie am Ende des laufenden Schuljahres das Leistungsniveau eines Zauberschülers ohne vorhandenes Ruster-Simonowsky-Potential der vierten Klasse erreicht haben werden.

Ich gehe auch davon aus, daß Sie Ihre sonstigen Lernfortschritte ohne die zusätzliche Belastung durch die erweiterten Anforderungen im Fach Verwandlung im gleichen Maß wie Ihre Klassenkameraden erzielen werden. Verzichten Sie also zukünftig auf Ausflüchte, sich wegen anderer Fächer nicht in dem von mir vorhergesagten Maße entwickeln zu können!

In der festen Überzeugung, daß Sie einen kurzweiligen und erfolgreichen Schuljahresabschluß erleben werden, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Professor Blanche Faucon

 

"Na, wunderbar!" Knurrte Julius leise genug, daß im Lärm der schwatzenden Schüler in der großen Halle keiner verstehen konnte, was ihn ärgerte.

Die dritte Eule kam von Claire Dusoleil. diese schrieb ihm, daß Jeanne ihn gerne mit zur Walpurgisnachtfeier genommen hätte, jedoch Fleur Delacour ihr Vorrecht als Champion auf die Einladung eines Begleiters genutzt habe, so daß sieben Hexen und sieben Zauberer daran teilnehmen würden.

"Es ist schade", schrieb sie weiter, "daß du nicht dabeisein kannst. Aber du wirst noch die Gelegenheit bekommen, dieses Fest der Hexen mit uns zu verleben, da bin ich mir ganz sicher."

Dann schrieb sie noch von den neuesten Fortschritten, die sie in Beauxbatons gemacht habe. Julius grinste, als er las, daß sie in Zauberkunst aus Versehen ein Knutstück hatte verschwinden lassen. Dann aß er in Ruhe sein Frühstück auf und ging mit den restlichen Ravenclaws aus der großen Halle.

Nach einem Dauerlauf rund um den See, bei dem sich Barbara Lumière, Cesar Rocher und Nadine Pommerouge aus Beauxbatons zu ihm gesellten, kehrte er voller Tatendrang zurück in den Ravenclaw-Gemeinschaftsraum, wo er bis zum Mittagessen in "Verwandlung Zwischenstufen" über Auswirkungen fehlerhafter Zauber beim Wechsel zwischen zwei Tierarten las und sich Notizen machte.

Am Nachmittag las er in seinem Buch über Zaubermalerei und dachte daran, wie er Claire Dusoleils Geburtstagsgeschenk so abwechslungsreich wie möglich zusammenbasteln konnte. Er beabsichtigte, mindestens zwanzig Glasplättchen mit verzauberten Bildern zu machen, die durch einen dauerhaften Abbildungszauber in der Zauberlaterne räumliche Gestalt annahmen, aber ohne die Fähigkeit, ein eigenes Denkvermögen zu besitzen. Denn sowas, hatte er gelesen, berührte die Gefilde der schwarzen Magie und konnte ihm unangenehme Nachforschungen des Zaubereiministeriums einbringen. Auch mußte er einen Muggelabwehrzauber erlernen, um sein Geschenk für den Gebrauch durch Muggelhände zu schützen, damit es nicht aus Versehen in der nichtmagischen Welt für Aufruhr sorgte. Zwar kannte man dort das Verfahren der Holographie, das räumliche Bilder erzeugen konnte, aber bestimmt keine selbständig handelnden Bilder, wie sie ihm vorschwebten. Er fragte sich allerdings, wielange er brauchen würde, um seinen Wunsch umzusetzen.

Prudence, die mit einem Schwung Bücher aus der Bibliothek hereinkam, sah Julius und fragte ihn, ob sie sich an den Tisch setzen könne, an dem er allein saß.

"Wo sind denn die anderen?" Fragte Prudence und meinte Julius' übliches Gespann, Gloria, Pina, Kevin und Gilda.

"Die sind in der Bibliothek. Du müßtest sie noch gesehen haben."

"Denke ich nicht. Ich war so weit vom Eingang weg, daß ich das nicht mitbekommen habe, wer alles hereinkam und hinausging. Dir ist ja bekannt, daß wir unsere ZAG-Prüfungen vor uns haben."

"Ja, ich habe im Moment einen ziemlich guten Eindruck davon, wie das ist, sich mit immer heftigeren Aufgaben rumzuschlagen", flüsterte Julius. Prudence lächelte.

"Das Zusatzprojekt hast du dir selbst aufgeladen. Aber sonst hast du wohl recht, daß sie dich sehr intensiv einspannen. Kevin meinte vor einem Tag ja, daß du bei der Abteilung für magische Ausbildung und Studien Beschwerde einreichen könntest, weil sie von dir ein höheres Niveau verlangen als von den anderen."

Julius mußte heftig darum ringen, nicht loszuprusten vor Lachen.

"Sicher könnte ich wen aus der Ausbildungsabteilung anschreiben und offizielle Beschwerde einreichen. Aber dann solltest du dir von Professor Sprout Ohrenschützer besorgen, weil mir dann mindestens zwei Heuler zufliegen werden. Außerdem fühle ich mich langsam sicherer hier, was meine Zaubereiausbildung angeht. Wenn ich jetzt schreibe, daß man mich hier überfordert, gibt es eine Anhörung. Die dauert dann erst einmal ein halbes Jahr. Egal wie sie ausgeht bin ich dann bei fast allen Lehrern unten durch, mit Ausnahme von Binns. Dem ist doch egal, ob jemand sich für sein Fach interessiert oder nicht. Der zählt nur die Punkte, die aus den Hausaufgaben zu errechnen sind", sagte Julius leise.

"Du meinst also, du könntest das alles durchstehen?"

"Im Moment wird ja kein Quidditch trainiert", erwiderte Julius. Prudence grinste.

"Wieso habe ich den Eindruck gewonnen, daß du aus allem ein großes Schachspiel machst, in dem du prüfst, wie weit du kommst, bevor du im Schachmatt stehst?"

"Hmm, interessante Idee. Du meinst, ich würde jede Herausforderung deshalb unangefochten auf mich nehmen, weil ich sonst nicht erfahre, wie stark ich bin?"

"Genau. Wo du hier ankamst hast du immer gesagt, daß du nicht weißt, ob du hier richtig bist. Aber du hast alles gemacht, was sie von dir verlangt haben und bist als Zweitbester unserer Klasse durch die Prüfungen gekommen. In diesem Jahr scheint es, legst du es darauf an, zu sehen, wie weit du kommen kannst."

"Im Punkte Zauberei ja. Allerdings stört es mich auch, daß jetzt Aufgaben von mir verlangt werden, die ihr im letzten Jahr gemacht habt. Professor McGonagall hat mir ja in dieser Schicksalsstunde Meerschweinchen vorgesetzt, die eine vierte Klasse aus Perlhühnern gemacht hat. Deshalb hat sich Kevin ja so aufgeregt."

"Du hast also Angst vor deinen neuen, ähm, Förderern?" Fragte Prudence.

"Vielleicht ist es eher die Angst, jetzt auf halbem Weg umzudrehen, ohne gesehen zu haben, wo ich hätte ankommen können. Meine Mutter sagt, daß jedes laufende Computerprogramm nur noch nicht ausreichend getestet wurde. Das heißt, daß eine Befehlsabfolge solange reibungslos funktioniert, solange man die Bedingungen nicht verändert, ohne Korrekturbefehle eingebaut zu haben. Aber das ist Muggelkram."

"Aber ich verstehe was du meinst und erkenne, daß ich richtig liege. Du möchtest jetzt wissen, wie weit du vorankommst, bevor du umfällst. Entweder stehst du dann wieder auf und gehst weiter, oder bleibst liegen", sagte Prudence.

"Mag sein. Vielleicht ist das die Beharrlichkeit meiner Mutter, verstärkt durch die Sturheit meines Vaters, der immer mit dem Kopf durch die Wand will. Im Gegensatz zu ihm weiß ich jedoch, wozu Hexen und Zauberer fähig sind."

"Aber deine Mutter ist diejenige, die unumkehrbare Tatsachen akzeptieren und sich danach richten kann. Immerhin kommt sie übernächste Woche her."

"Oh, ich glaube, ich sollte meine Ohren untersuchen lassen. Ich habe die große Buschtrommel nicht gehört, die das so schnell verbreitet hat."

"Du glaubst wohl immer noch, hier wäre alles geheimzuhalten, wie?"

"Ich sagte schon einmal, daß Hogwarts ein Dorf ist. Als Stadtkind ist das für mich zwar nicht immer so einfach zu verkraften, aber ich kann damit umgehen", erwiderte Julius.

"Immerhin wissen die meisten von uns nicht, wo genau du im Sommer warst und warum", flüsterte Prudence so leise, daß ihre Worte fast im Kratzen von Federn auf Pergament und dem Rascheln umgeblätterter Buchseiten untergingen. Julius nickte nur.

Den Rest des Nachmittags las Julius leichte Lektüre, das Buch über Muggelartefakte, daß er sich gekauft hatte. Einige Passagen brachten ihn zum grinsen. Zum Beispiel schrieben die Verfasser über die elektrischen Haushaltsgeräte:

"Weil Muggel keine Magie benutzen können, haben sie sich Werkzeuge geschaffen, die durch einen Fingerdruck warme Luft ausblasen können (Haartrockner), mit schnell schwingenden Scheren Bärte stutzen können (Rasierapparate) oder den Boden reinigen können (Staubsauger)."

Zum Staubsauger stand:

"Ein Staubsauger ist ein zusammengesetztes Ding, das aus einem langen Metallrohr, einem mit einem feinporigen Beutel bestückten Gehäuse mit der Antriebsvorrichtung (Motor) und einem Halte- und Steuergriff besteht. Früher mußten Muggel nichtmagische Besen mit Borsten benutzen, um den Boden ihrer Behausungen von Staub- und Schmutzteilchen zu befreien. Durch die Erfindung des elektrischen Stroms, den man aus in die Wand eingeborhten Löchern (Steckdosen) saugen kann, wird der Motor mit Kraft versorgt und wirbelt die Luft im Gehäuse nach hinten, so daß von vorne durch das Metallrohr Luft nachströmen muß. Diese reißt einen Großteil des Bodenschmutzes mit sich und drückt ihn in den Beutel, so daß er dort aufgefangen wird. Aber einiges davon wird so schnell durch das Gehäuse gewirbelt, daß es hinten wieder herauskommt. Insofern muß diese Vorrichtung als unvollkommener Ausgleich für Reinigungszauber angesehen werden."

Er bekam noch mit, wie sich Roger Davis, der Kapitän der Ravenclaw-Quidditchmannschaft, mit einem seiner Klassenkameraden unterhielt.

"... Wenn das für die eine wichtige Party ist, solltest du deinen Festumhang noch mal anziehen, Roger", hörte Julius den älteren Hauskameraden zu Davis sagen.

"Das ist kein Problem. Die Sprache ist mein Problem. Denkst du, ich hätte auch nur zwei Sätze mit Madame Maxime wechseln können, als die mich heute nachmittag noch mal ansprach?"

"Ja und, dann redest du eben mit Händen und Füßen, Roger."

"Wie überaus lustig", knurrte Roger.

Julius brauchte nicht mehr zu hören. Roger Davis war zu der Walpurgisnachtfeier eingeladen worden, wohl von Fleur Delacour. Julius nickte nur, als müsse er jemanden etwas bestätigen.

"Frag doch Julius Andrews, ob er nicht für dich hingeht. Der kann die Sprache doch."

"Der hat die wohl auch schon lange gelernt. Gloria hat ihm doch dieses Sprachlernbuch geschenkt. Jetzt damit anzufangen wäre reichlich früh, oder?"

"Das ist richtig, Roger."

 

 

Nach dem Abendessen in der großen Halle spielten Gloria und Julius noch zwei Partien Schach. Eine gewann Gloria, die zweite Julius.

"Am besten gehst du heute etwas früher ins Bett. Irgendwie siehst du so aus, als hättest du dich überanstrengt", meinte Gloria fürsorglich. Julius erwiderte nur:

"Das geht wieder vorbei. Ich kriege schon genug Schlaf."

"Was wollte deine französische Gastmutter eigentlich, daß du heute morgen so angespannt warst?"

"Sie hat mich in der förmlichen Form angeschrieben und mitgeteilt, daß sie meint, was sie sagt, wenn sie schreibt, daß ich diese erweiterten Verwandlungsaufgaben bis zum Schuljahresende so gut schaffe, daß ich mit jedem Viertklässler konkurrieren kann. Indirekt warnt sie mich davor, dies nicht zu schaffen. Ich möchte gerne was von den Sommerferien haben, egal, wo ich sie verbringen werde."

"Du meinst, sie könnte dir sonst die Ferien verderben?"

"Ja, so kann man das wohl nennen", erwiderte Julius.

Im Schlafsaal der Zweitklässler stand Kevin mit seiner magischen Kamera an einem Fenster, das weit geöffnet war. Er zielte damit auf eine große Wiese, die gut zweihundert Meter vom Schloß entfernt lag.

"Suchst du interessante Motive, Kevin?" Fragte Julius.

"Die Beauxbatonss sind da draußen und haben einen großen Kreis aus Lichtern aufgebaut. Roger Davis sitzt neben Fleur Delacour und sieht so aus, als fühle er sich unbehaglich", sagte Kevin.

"Du willst den doch nicht etwa fotografieren, Kevin. Das wäre unfair."

"Wäre eine interessante Idee. Aber so gesehen ist es wohl besser, ihn in Ruhe feiern zu lassen. Ich wollte nur mal sehen, ob das Nachtobjektiv, das ich zu Weihnachten bekommen habe, wirklich so stark aufhellt, wie mein Daddy es gesagt hat."

Julius holte sein magisches Fernrohr für Nachtsicht hervor und spähte zu den Beauxbatonss hinüber, die nun zu den Klängen einer bezauberten Harfe tanzten.

"Das ist die Walpurgisnachtfeier, Kevin. Das ist für die Leute vom Kontinent so wichtig, wie für uns Halloween. Es ist nur so, daß da die Hexen den Ton angeben", wußte Julius.

"Dann müßten die Durmstrangs ja auch feiern, oder?" Fragte Julius.

"Werden die wohl auch, auf ihrem Gespensterschiff", vermutete Julius. Er spielte mit den Drehknöpfen, mit denen er beobachtete Objekte näher heranholen oder den Helligkeitsgrad verändern konnte. Weil dort unten Lichter brannten, konnte er nicht den Wärmesichtregler benutzen, der ihm in völliger Dunkelheit Wärmeunterschiede bei Gegenständen oder Personen gezeigt hätte.

"Das hast du zum Geburtstag bekommen? Ist ja genial", flüsterte Kevin, nachdem er einen Blick durch das Zauberfernrohr geworfen und Fleur Delacour in enger Umarmung mit Roger Davis tanzen gesehen hatte.

"Angeblich soll das Sachen in zwei Kilometern Entfernung so nahe heranholen können, daß man glaubt, keinen Meter davon wegzustehen", flüsterte Julius.

Fredo, Marvin und Erick kamen in den Schlafsaal. Schnell hatten Julius und Kevin ihre magischen Ferngucker fortgepackt.

"Mach das fenster wieder zu, hier wird's kalt drin!" Grummelte Fredo. Kevin kam der Aufforderung nach.

Julius entsann sich, daß sein gemalter Kalender, den er von Claire Dusoleil zu Weihnachten bekommen hatte, ja auch für diesen Feiertag eine Szenerie bereithalten sollte und drehte das Bild, auf dem die gemalten Abbilder von Claire und ihm in dem nun vom Mond beschienenen Baumhaus verborgen waren zur Wand hin. Unvermittelt tauchten erst vier, dann zehn Hexen auf fliegenden Besen auf, alle herausgeputzt in festlichen, im Mondlicht glitzernden Umhängen und bunt leuchtendem Kopfschmuck, wie zu einem Hecate-Leviata-Konzert umgeben von bunten Lichtern. Über dem gemalten Dorf, das immer zu sehen war, wirbelten sie laut und vielstimmig singend herum und sprühten bunte Funken aus ihren Zauberstäben. Fünf Minuten lang besahen es sich Julius und seine Schlafsaalmitbewohner, dann drehte Julius das Bild wieder mit der Alltagsseite nach vorne.

"Was will dieses Mädchen von dir, daß die sich sowas ausdenkt und das so toll malt?" Fragte Kevin.

"Vielleicht freut sie sich nur, daß sie mit mir diesen Sommerball besucht hat. Für eine andere Antwort halte ich mich noch für zu jung."

"Du dich, aber sie sich auch?" Stichelte Kevin grinsend.

"Unzureichende Angaben", antwortete Julius schlagfertig.

 

 

In den nächsten zwei Wochen verzichtete Julius auf die regelmäßigen Schachspiele. Stattdessen experimentierte er mit einfachen Gegenständen, um sein Geburtstagsgeschenk für Claire Dusoleil vorzubereiten. Im Buch "Schutz und Trutz" standen zwei nützliche Muggelschutzzauber für mechanische Geräte drin. Der eine, mit vier Formeln zu wirken, blockierte Mechanismen, Schlösser oder Verschlüsse, wenn sie von der Hand eines Nichtmagiers berührt wurden. Der andere, mit drei Formeln zu wirken und mit alchemistischen Lösungen zu verstärkende, brachte jeden Nichtmagier dazu, das Interesse an dem Gegenstand oder Raum zu verlieren, der so bezaubert wurde. Diese Zauber wollte er an seiner Mutter und den Hardbricks ausprobieren. Er bezauberte ein leeres Tintenfaß mit dem Blockadezauber und legte noch einen Rauminhaltsvergrößerungszauber darauf. Denn so herum mußte gezaubert werden, schrieb "Schutz und Trutz" vor, um die Magie, die in einem Artefakt gespeichert werden sollte, nicht durch den Muggelabwehrzauber zu verfälschen. Dann füllte er in das Fäßchen einen ganzen Eimer Wasser ein und versteckte das schwere Faß unter einem Waschbecken im Jungenklo im zweiten Stock. Den Interessenlosigkeitszauber legte er auf ein Pergament, das er anschließend so bezauberte, das es jedesmal die Farbe änderte, wenn jemand es in die Hand nahm.

Zusätzlich lernte er, die Runen für Licht und Farbe zu zeichnen, so daß er sie mit einem kleinen Pinsel auf alle Gegenstände auftragen konnte, egal, wie groß sie waren. Da im Unterricht bei Professor Flitwick die einfachen Spiegelungszauber drankamen, fand Julius Gelegenheit, die weiterführenden Trugbildzauber zu probieren. Flitwick, der ihn dabei erwischte, fragte, ob er sich mehr Punkte erhoffe, wenn er Stoff höherer Klassen ohne Aufforderung vorzog. Julius sagte ihm, daß er testen wollte, ob er diese Zauber jetzt auch schon könne, wenn ihmProfessor McGonagall zumutete, Verwandlungsübungen der höheren Klassen zu bewältigen.

Am Ende der Stunde bekam Julius für eine mehrfache Spiegelung eines bunten Kissens zehn Punkte und noch einmal fünf Punkte für schnell wechselnde Lichteffekte.

"Wieso spielst du denn jetzt schon mit den größeren Bildillusionen herum, Julius? Die brauchen wir doch noch gar nicht zu können", meinte Kevin.

"Jetzt will ich es wissen, Kevin. Ich habe mir nur einen Abschnitt aus dem Buch für Fünftklässler abgeschrieben, um zu testen, ob es geht. Tatsächlich reicht mein Talent wohl hin", erwiderte Julius. Sicher hätte er Kevin erzählen können, wozu er die Scheinbildzauber lernte, aber nachher wanderte die Nachricht über verschiedene Wege zu Jeanne Dusoleil. Sicher, wenn er ihr erzählte, was er vorhatte, würde sie wohl Claire gegenüber nichts sagen. Aber erst einmal mußte Julius ja herausbekommen, ob das alles so ging, wie er sich das vorstellte.

Im Zaubertrankunterricht drangsalierte Snape Julius damit, daß er wohl bald wisse, ob er überhaupt noch in Hogwarts bleiben würde, wenn herauskäme, daß er sich nicht mehr richtig auf die Unterrichtsstunden konzentrieren könne. Julius meinte nur:

"Dann habe ich eben Pech gehabt, Professor Snape."

Einmal wollte der Zaubertranklehrer wieder den Trank verderben, den Julius anrührte, doch dieser hatte aus den Büchern über druidische Zaubertränke gelernt, welche Zutaten verfehlte Gebräue doch noch so hinbekamen, daß sie korrekt wirkten. Ein Selbstversuch mit dem gebrauten Feuerunempfindlichkeitstrank enttäuschte Snape. Dieser hatte versucht, Julius mit einer brennenden Kerze eine Brandwunde beizubringen. Doch Julius hatte den brennenden Docht umfaßt und die Flamme einfach ausgedrückt. Den Beifall, den Julius dafür bekam, deutete Snape als Verstoß gegen sein Gebot, ruhig zu bleiben und zog jedem, der geklatscht hatte einen Punkt für sein oder ihr Haus ab.

"Glück hat nichts mit Können zu tun, sondern ist reiner Zufall. Offenkundig hat Andrews es gerade soeben geschafft, einen Irrtum zu korrigieren. Daß er dabei nicht zu Schaden kam, ist reines Glück."

"Ignorant!" Fluchte Kevin nach der Zaubertrankstunde leise und weit genug weg von Snape. "Was meint er eigentlich, daß es bald klar ist, ob du noch hierbleiben kannst?"

"Er hofft, daß die anderen Lehrer mich hoffnungslos überschätzt haben und ich mit Karracho durch alle Prüfungen rassel, weil sie mir zuviel aufgeladen haben, meint er.

"Ja, was hättest du denn gemacht, wenn du dir durch den Trank oder durch die Kerzenflamme was zugezogen hättest?" Fragte Gloria.

"Snape mag unfair sein. Aber wenn er jemandem was antut, fliegt er schneller von Hogwarts als ich. Der hat mir genau zugesehen, wie ich die Rattenleber, die ich zum Ausgleich für seine Maiglöckchenwurzeln einfüllen mußte, nach Vorschrift des Druiden Logan von den Nordfeldern eingerührt habe. Sauzeug, wenn man weiß, was da alles reingehört", erwiderte Julius.

"Das ist im Grunde jeder Trank. Schmecken soll's nicht, sondern wirken", lachte Pina.

"Immerhin läßt Mr. Alles-für-Slytherin Jenna und Betty in Ruhe, wenn er sich mit mir anlegt", sagte Julius noch.

Nachmittags nach dem Zauberkunstunterricht zitierte Flitwick Julius in sein Büro, um ihm zu sagen, wann seine Mutter eintreffen würde. Es war der letzte Donnerstag vor dem kleinen Elternsprechtag, den Dumbledore ermöglicht hatte.

"Ihre Mutter wird am Samstag ohne Ihren Vater um zehn Uhr hier eintreffen. Geplant sind Gespräche und Vorführungen. Ich bedauere es zwar, daß Ihr Vater unsere Informationsangebote nicht mehr wahrnimmt, aber muß das doch akzeptieren.

Zunächst möchte sie mit Professor McGonagall sprechen. Anschließend hat sie einen Termin bei Professor Snape. Da ihr Mrs. Priestley mitgeteilt hat, daß Sie im nächsten Jahr Pflege magischer Geschöpfe beginnen möchten, möchte sie auch mit dem dafür verantwortlichen Lehrer sprechen, um zu erfahren, wie gefährlich dieses Fach sei."

"Oh-oh! Sie wird ja schon einen Schreck kriegen, wenn sie Hagrid sieht, geschweige denn, mit was für Tieren er am liebsten arbeitet", stöhnte Julius.

"Dann möchte sie sich noch mal mit Professor Sprout unterhalten und schließlich mit mir. Professor Dumbledore wird sie dann mit den Hardbricks zusammen zum Tee bitten, bevor sie heimfährt."

"Sie sprachen von Vorführungen. Was soll denn da genau laufen?" Fragte Julius besorgt.

"Wahrscheinlich wird Professor McGonagall Sie heranziehen, einige Verwandlungsübungen zu zeigen. Ich selbst werde wohl keine großen Anforderungen an Sie stellen, da Ihre Mutter ja gesehen hat, wie Sie im letzten Jahr gezaubert haben."

"Mrs. Priestley wird dabeisein, richtig?" Erkundigte sich Julius.

"Richtig", erwiderte Professor Flitwick.

"Hat meine Mutter nicht gefragt, ob sie mit Professor Moody sprechen kann? Letztes Jahr war unser Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste ja schon fort, als meine Eltern kamen."

"Der Direktor hat es ihr wohl angeboten. Aber sie hat ausdrücklich uns fünf, Professor McGonagall, Professor Snape, Hagrid, Professor Sprout und mich um einen Termin gebeten."

"Vielleicht hat Mrs. Priestley ihr im Vorfeld mitgeteilt, daß Professor Moody sehr beschäftigt sei", warf Julius ein. Flitwick nickte leicht, als wäre er sich da nicht so sicher, müsse es aber bestätigen.

"Wir sehen uns dann also morgen im Unterricht, Mr. Andrews", entließ Flitwick den Jungen aus seinem Büro. Julius eilte zu Gloria und Pina, die vor dem Einstieg in den Ravenclaw-Gemeinschaftsraum warteten. Sie fragten ihn, ob Flitwick ihm Anweisungen erteilt habe, was er tun solle, wenn seine Mutter käme.

"Er hat mir den Terminplan meiner Mutter vorgelesen und mir gesagt, daß ich wohl nur bei McGonagall zaubern müsse. Außerdem will sie Hagrid besuchen, weil er wohl nächstes Jahr noch Pflege magischer Geschöpfe geben wird."

"Oh, dann bekommt sie von diesem Fach gleich den richtigen Eindruck", trällerte Gloria gehässig.

"Ich bin mal gespannt, was sie sagt, wenn sie bei allen Lehrern durch ist."

"Wird Snape auch mit ihr sprechen?" Fragte Pina.

"Mum will mit ihm sprechen. Ich weiß zwar nicht wieso, weil Snape letztes Jahr deutlich erklärt hat, daß er meine Eltern für Ignoranten hält. Aber vielleicht läßt er sich dazu herab, weil er Munition braucht, um mich anschließend wieder zu verhöhnen", sagte Julius ganz ruhig, als sei ihm Snapes Einstellung zu seinen Eltern und ihm völlig egal.

"Dann wollen wir noch die Abwehrzauber durchsprechen, von denen Moody uns in der letzten Stunde erzählt hat?" Fragte Gloria. Pina und Julius nickten.

 

 

Der Freitag verging ohne nennenswertes Ereignis. Julius war ganz gelassen durch die Schulstunden gekommen, hatte in Kräuterkunde erneut zehn Punkte für Ravenclaw geholt und sich danach mit den Kameraden von der Arbeitsgruppe Regenbogenstrauch getroffen. Es galt, die exakten Abmessungen der Pflanzen zu notieren und die Form und Farbvielfalt der Blätter zu protokollieren. Die Hollingsworths maßen, Prudence und Pina zählten die Blätter und notierten die Farben auf einer Tabelle von schwarz bis weißgelb.

Danach kehrten sie ins Schloß zurück.

Beim Abendessen sah Julius, wie sich Betty und Jenna mit Henry Hardbrick unterhielten, ihm Mut zusprachen, sich nicht beirren zu lassen, vermutete Julius.

Jeanne spielte wieder die fürsorgliche Mutter, indem sie Julius anhielt, doch noch etwas mehr zu essen.

"Deine Eltern könnten den Eindruck bekommen, du bekämst hier nicht genug zu essen", sprach sie Julius zu. Keiner der Ravenclaws lachte, auch wenn es für die, die nicht wußten, daß Julius mit den Dusoleils näher bekannt war, bestimmt lustig rüberkam.

Nach dem Abendessen musizierten die Ravenclaws noch ein wenig, als keiner mehr Hausaufgaben machte.

Am nächsten Morgen ging Julius schon um Viertel nach Sieben zum Frühstück. Die Beauxbatonss, das wußte er, kamen an den Wochenenden nie vor acht Uhr in die große Halle. Ungestört nahm er mit fünf weiteren Frühaufstehern aus Ravenclaw sein Frühstück ein. Überhaupt waren zu dieser Zeit nur dreißig Leute in der Halle. Die meisten davon saßen am Hufflepuff-Tisch, die wenigsten, nur zwei Fünftklässler aus Slytherin, hüteten ihren Haustisch.

"Warum bist denn du so früh raus aus den Federn, Julius?" Fragte ein Mädchen aus der Ravenclaw-Hausmannschaft und fuhr fort: "Wolltest du ohne Mademoiselle Dusoleils Anweisungen frühstücken? Wieso sagst du ihr nicht einfach, daß sie dich in Ruhe lassen soll?"

"Das wäre erstens unhöflich, und zweitens handelt sie wohl nicht so, weil sie das so toll findet. Ich muß nicht auswalzen, warum ich denke, daß sie meint, mich betreuen zu müssen. Ich täte ihr damit auch unrecht. Immerhin hat sie mich zum Weihnachtsball mitgenommen, den ich sonst nicht hätte mitmachen können", antwortete Julius. Das genügte dem Mädchen, keine weiteren Fragen mehr zu stellen.

Nach dem Frühstück, genau um acht Uhr morgens, eilte Julius in die Bibliothek, um gelihene Bücher zurückzugeben.

"Hast du dir doch vorgenommen, nur das zu lesen, was du lesen mußt?" Fragte Madame Pince.

"Das nicht. Ich brauche diese Bücher nur nicht mehr. Zumindest habe ich mir das notiert, was ich wissen wollte", antwortete Julius fröhlich grinsend.

Dann ging er schnell in den Toilettenraum für Jungen im zweiten Stockwerk und prüfte, ob sein bezaubertes Tintenfaß noch verschlossen und kein Wasser ausgetreten war. Er nahm das kleine Faß und brachte es nach draußen. Das Pergament, das bei Berührung die Farbe wechselte, steckte zusammengefaltet in seiner rechten Umhangtasche.

Die Zeit bis zum angekündigten Eintreffen seiner Mutter verbrachte Julius mit einem Spaziergang um den See auf dem Hogwarts-Gelände. Dabei dachte er noch einmal über das bisherige Schuljahr und die Ferien nach, die er verbracht hatte. War sein Vater wirklich nicht mehr interessiert, was er in Hogwarts lernte, oder hatte Mr. Richard Andrews, der es gewohnt war, ständig den Überblick zu behalten und alles zu entscheiden, was um ihn herum geschah, nur einen neuen Versuch gestartet, Julius von Hogwarts abzubringen. Julius dachte an den unausgesprochenen Geburtstagswunsch, den er sich überlegt hatte, als er im großen Garten Madame Faucons die zwölf Kerzen auf seiner Geburtstagstorte ausgeblasen hatte. Er wünschte sich damals, daß er mit seinem Vater wieder in Frieden weiterleben konnte,daß dieser sich damit abfand, daß Julius Zauberei lernte und möglicherweise nur noch mit Hexen und Zauberern zusammenlebte. Nun, abgefunden hatte sein Vater sich wohl damit, daß er nur noch mit Zauberern zusammenlebte und Magie lernte. Aber das hatte er so hingedreht, daß er sich nicht mehr dafür interessierte, was Julius tat. Aurora Dawn hatte ihm in den Osterferien noch mal erklärt, daß es nur auf ihn, Julius, ankomme, was er aus seinem Leben mache, jetzt, wo klarwar, daß er kein nichtmagisches Leben wie geplant führen könne. Dies hatte Julius in seinem bereits gefaßten Entschluß bestärkt, in Hogwarts weiterzulernen, nicht auf Teufel komm raus den Rauswurf zu erreichen, wie es Henry versucht hatte.

"Heh, schlaf nicht ein beim Laufen!" Kam eine strenge Mädchenstimme auf Französisch von Hinten. Julius wirbelte herum und sah Barbara Lumière, die auf ihn zulief.

"Ich habe nicht geschlafen, sondern gedacht. Als Ravenclaw darf ich das", erwiderte Julius schnell, um den Schrecken zu verdrängen, den ihm die Beauxbatons-Schülerin eingejagt hatte.

"Ach ja, du kriegst ja heute Besuch. Jeanne hat dich nämlich vermißt", antwortete die athletische Junghexe mit dem kurzen braunen Haar.

"Mich? Wo?"

"Sie ging davon aus, daß du vorher noch etwas essen und trinken würdest, wenn deine Mutter kommt."

"Habe ich auch", erwiderte Julius lässig und klopfte sich auf den Bauch. Es klang etwas hohl. Barbara grinste.

"Wohl nicht genug. Aber das ist nicht mein Problem. Ich lauf dann mal weiter", sagte die Beauxbatons-Schülerin und trabte an Julius vorbei und davon.

Julius ging den Weg zurück, den er geschafft hatte und kam um halb zehn wieder beim Schloß an. Dort warteten Gloria, Pina und Kevin auf ihn.

"Deine Freundin aus Beauxbatons hat dich schon gesucht. Sie sagte irgendwas von wegen, du solltest doch zumindest vor dem Besuch deiner Mutter noch was essen. Als unsere Hausmannschaftskollegin ihr sagte, daß du gefrühstückt hast, war sie beruhigt", eröffnete Kevin Julius grinsend.

"Habe ich auch schon gehört", erwiderte Julius, ebenfalls grinsend.

"ob wir heute noch mal Quidditch trainieren können?" Fragte Kevin.

"Nein, denke ich nicht. Madame Hooch hat sowas angedeutet, daß sie die Erstklässler der Hufflepuffs dazu angestachelt hat, mit Henry Hardbrick eine Flugschau zu veranstalten. Dieses Jahr sind wir nicht dran, Kevin."

"Schade. Ich hätte noch mal gerne den dreifachen Looping ausprobiert, den ich in den Weinachtsferien gelernt habe", sagte Kevin.

"Außerdem hat meine Mum einen vollen Terminplan", wandte Julius ein.

"Wird die McGonagall dich wieder irgendwelche schweren Verwandlungen ausführen lassen?" Fragte Kevin sehr leise, um nicht von Leuten gehört zu werden, für die es nicht bestimmt war.

"Im Moment gehe ich stark davon aus", sagte Julius.

Cho und Cedric kamen aus dem Schloß. Cho grüßte die vier Hauskameraden. Cedric sah Julius an und sagte nur:

"Einen erfolgreichen Tag wünsche ich dir. Ich muß zum Quidditchfeld."

Cho begleitete Cedric.

"Vielleicht solltest du deine Eltern auch mal fragen, ob sie herkommen wollen. Dann könntest du auch herumfliegen", meinte Pina zu Kevin. Dieser sah sie an und fragte, ob sie das ernst meine. Julius sagte trocken:

"Dieser Service ist nur für Muggeleltern, die Probleme haben, ihre Kinder hier lernen zu lassen. Steht in den Regeln von Hogwarts."

"Öööhm", machte Kevin nur.

Die vier Freunde setzten sich auf eine Bank vor dem Schloß, von der aus sie das mit geflügelten Ebern geschmückte Eingangstor zu den Ländereien im Blick behalten konnten. Sie unterhielten sich über die bald anstehenden Schulprüfungen. Pina und Julius erläuterten Kevin noch mal, wie man anhand der Zeiten, in denen sich veränderliche Sterne verdunkelten und wieder aufhellten, ihre Entfernung vom Sonnensystem bestimmen konnte. Gloria erklärte Julius noch mal, worum es während der Zaubererkonferenz von 1354 ging, und Pina ließ sich noch mal den einfachen Lichtspiegelungszauber zeigen, den sie bei Flitwick gelernt hatten. Dabei verging die Zeit so schnell, daß Julius fast verpaßte, wie sich das Schloßtor öffnete und die Professoren Dumbledore, McGonagall und Sprout herauskamen.

"Meine Damen und herren, die Schau beginnt", verkündete Julius im Ton eines Zirkusdirektors. "Heute gelangen zur Vorführung:

Ein Paar ignoranter Muggel, eine durch unumstürzliche Tatsachen bekräftigte Muggelfrau, sowie eine abwechslungsreiche Diskussionsrunde mit Angehörigen des Lehrkörpers von Hogwarts."

Das große Eingangstor zum Schloßgelände tat sich auf, und fünf Personen kamen zu Fuß.

"Die werden doch nicht appariert sein", wunderte sich Kevin. Julius grinste nur.

"Wahrscheinlich haben sie das Auto vor dem Tor abgestellt. Muß ja nicht jeder wissen, daß da drei Muggel aufs Schloßgelände kommen."

Julius erkannte seine Mutter sofort, weil sie ihr azurblaues Festkleid trug, das sie sonst zu Konzertbesuchen und wichtigen Empfängen zu tragen pflegte. Letztes Jahr war sie in einem Kleid erschienen, in dem sie früher schon zu Elternversammlungen gegangen war. Die Hardbricks trugen schlichte Alltagskleidung, nichts besonderes. Mrs. Hardbrick trug sogar Jeans anstatt eines Rocks oder Kleides. Mrs. Priestley hatte sich in einen apfelgrünen Umhang gekleidet und trug einen kleinen weißen Hexenhut, der wie eine halbhohe, weißgefärbte Version der Schulhüte in Hogwarts wirkte.

Professor Dumbledore begrüßte zunächst Mrs. Hardbrick, di, wie Julius fand, sehr angespannt dreinschaute. Dann kam Mrs. Andrews an die Reihe. Danach begrüßte er Mrs. Priestley und schließlich Mr. Hardbrick. Dieser verweigerte ihm jedoch die Hand zum Gruß. Julius sah ihm an der Körperhaltung an, daß er so eingestimmt war wie sein Vater, wenn er eine lästige Angelegenheit möglichst schnell hinter sich bringen wollte. Als die kleine untersetzte Lehrerin, Professor Sprout, die Hardbricks begrüßte und sich wohl als Hauslehrerin von Hufflepuff vorstellte, sah Julius, wie die Eltern Henrys die Schultern hochzogen.

"Was hat Sprout gesagt, daß die beiden sich so abwehrend zeigen?" Fragte Pina.

"Vielleicht: "Endlich sehe ich die Leute leibhaftig vor mir, die meinem Haus soviele Minuspunkte eingebrockt haben"?" Kommentierte Julius das gesehene. Seine Klassenkameraden lachten. Dann deutete er auf Mrs. Priestley, die er nicht erst vorstellen mußte, da die drei Freunde ja wußten, daß sie die Hexe aus der Ausbildungsabteilung war, die Julius in den Osterferien zu sich geholt hatte. In ihrer Aufmachung hob sie sich klar von den drei Nichtzauberern ab.

"Ist die nun nur wegen dir hier oder vielleicht auch wegen der Hardbricks?" Fragte Kevin.

"Das weiß ich nicht. Abstreiten würde ich das aber nicht", sagte Julius.

Als Professor McGonagall Mrs. Priestley und Mrs. Andrews begrüßte, sahen die Hardbricks sie wohl sehr kritisch an, denn die Verwandlungslehrerin versteifte sich unvermittelt zu der Haltung, in der sie meistens Schüler zusammenstauchte. Offenbar mußte sie die Hardbricks mit einem bedrohlichen Blick bedenken, denn diese wichen einen Schritt zurück, bevor sie sich wieder fassen konnten.

Die sieben Personen kamen den Weg zum Schloß hoch. Dabei drehte Julius' Mutter den Kopf in die Richtung der Beauxbatons-Kutsche und des Durmstrang-Schiffes. Dumbledore nickte nur, als er das sah.

Schließlich trafen sie beim Schloßeingang ein. Professor Sprout winkte den Hardbricks, ihr zu folgen, und widerwillig, als müßten sie in einen tückischen Sumpf hineinwaten, folgten ihr die Eltern Henrys zum Quidditchfeld.

"Das kuck ich mir an, wie die draufsind, wenn sie ihren Jungen auf einem Besen sehen", verkündete Kevin und lief ohne weitere Worte davon, wobei er einen anderen Weg zum Stadion nahm. Julius wünschte ihm in Gedanken viel Spaß und rechnete sich aus, später in allen Einzelheiten erzählt zu bekommen, was auf dem Quidditchfeld passierte.

Julius stand von der Bank auf und wollte sich von den Mädchen bis zum Mittagessen verabschieden. Doch diese begleiteten Julius. Pina kannte Julius' Mutter nur aus der Ferne, und Gloria wollte Mrs. Andrews begrüßen und dabei auch Mrs. Priestley aus der Nähe sehen.

"Hallo, Kinder!" Begrüßte Professor Dumbledore die drei Zweitklässler. Julius trat vor und wünschte den beiden Lehrern einen guten Morgen. Dann sah er seine Mutter und umarmte sie.

"Schön, daß du kommen konntest", sagte er glücklich. Als er Mrs. Priestleys aufmerksamen Blick bemerkte, lief er leicht rosa an. Dann begrüßte er Mrs. Priestley förmlich. Daß er sie beim Vornamen nannte, wenn er bei ihr im Haus wohnte, mußte die Lehrer in Hogwarts nicht interessieren.

"Ich freue mich, wieder einmal nach Hogwarts zu kommen, Mr. Andrews", sagte Mrs. Priestley ebenfalls förmlich. "Ihre Mutter war damit einverstanden, daß ich sie hierher begleite. Es ist bedauerlich, daß Ihr Vater keine Zeit erübrigen konnte, ebenfalls herzukommen", sagte Mrs. Priestley weiter.

"Ich denke, Ms. Porter und Ms. Watermelon möchten sich anderweitig beschäftigen?" Wandte sich Professor McGonagall an die beiden Mädchen. Diese nickten und verabschiedeten sich bis zum Mittagessen von Julius.

Professor Dumbledore verabschiedete sich von den Gästen und seiner Kollegin und kehrte in seine Räume zurück, nachdem sie die ersten Treppen hinaufgestiegen waren. Mrs. Priestley, Julius' Mutter und er folgten Professor McGonagall in ihr Büro. Julius tastete schüchtern nach seinem Zauberstab in der rechten großen Umhangtasche. Dann standen sie vor der Bürotür der Verwandlungslehrerin und Hausvorsteherin von Gryffindor.

Julius sah gleich, daß im Büro mehrere Gegenstände bereitstanden, die nicht zur reinen Schreibarbeit gehörten. Da standen mehrere leere Zuckerdosen, eine Zigarrenkiste, vier Teetassen und ein Käfig mit fünf weißen Kaninchen, die im Stroh herumhüpften. Julius schwante, daß er mit dem ganzen Zeug und den Tieren seine Verwandlungskünste vorführen sollte.

"Noch einmal, herzlich Willkommen in Hogwarts, Mrs. Andrews, Mrs. Priestley. Ich freue mich, daß zumindest Sie, Mrs. Andrews, ein Interesse daran zeigen, wi gut Ihr Sohn unsere Ausbildungsanforderungen erfüllt. Ich muß zwar noch einmal betonen, daß ich die Haltung, die Ihr Mann uns gegenüber vertritt, nicht akzeptieren kann, werde mich jedoch weder von ihm, noch von seiner aggressiven Ablehnungshaltung in meinen Zielen beirren lassen, Ihren Sohn zu einem vollwertigen Zauberer zu erziehen. Ich kann dies auch im Namen meiner Kollegen sagen, daß die außerordentlich hohe Grundbegabung Ihres Sohnes uns geradezu verpflichtet, ihm die Ausbildung zu bieten, die er bekommen soll. Ich stelle auch in der Grundhaltung Ihres Sohnes einen positiven Umschwung fest. Sie erinnern sich gewiß daran, daß ich Ihnen im letzten Schuljahr sagte, daß Julius sich selbst gerne unter Wert verkauft und Angst vor der eigenen Begabung hat. Dies hat sich seit den letzten Sommerferien gelegt. Im Gegenteil. Wir müssen von unserer Seite her steuernd eingreifen, um seine magische Experimentierlaune in konstruktiven Bahnen zu halten, wenn Sie verstehen, was ich meine", sprach Professor McGonagall.

"Ich habe meinem Mann geraten, sich nicht abzuwenden und die Tatsachen, die nicht mehr zu leugnen sind, anzuerkennen. Er entschied sich jedoch dafür, jedes Interesse an unserem Sohn zu verdrängen, solange Julius Zauberei lernt und mit echten Hexen und Zauberern Umgang pflegt", erwiderte Mrs. Andrews. Mrs. Priestley hielt sich wie Julius schweigend im Hintergrund.

Professor McGonagall führte nun aus, wie sich Julius in ihrem Unterricht entwickelt hatte und erwähnte kurz seinen Aufenthalt in Millemerveilles, ohne jedoch Professor Faucon namentlich zu erwähnen. Sie sprach nur von einer "Kollegin aus Beauxbatons", die ihr Schulfach unterrichte und Julius offenbar motiviert habe, seine magischen Fähigkeiten vollständig auszubilden. Mrs. Andrews fragte, warum Professor McGonagall nicht den Namen der Person erwähnte.

"Die Zaubereiministerien von Frankreich und Großbritannien haben verfügt, daß ihr Name nicht genannt werden darf, da die betreffende Person eine gewisse Abneigung gegen nichtmagische Eltern von Zauberschülern hegt und die Gefahr besteht, daß sie grundsätzlich für die Betreuung solcher Zauberschüler herangezogen werden könnte. Es war also nur eine Ausnahme."

"Aber an und für sich müssen die Eltern doch immer informiert werden, bei wem ihre Kinder unterkommen", wandte Mrs. Andrews ruhig ein. Doch dann zog sie ihren Einwand sofort zurück und sagte, daß es ja auch in der nichtmagischen Welt Fälle gebe, wo Kinder ihren Eltern weggenommen würden, falls diese ihre Kinder mißhandelten oder körperlich und geistig verwahrlosen ließen, da würden die neuen Pflegeeltern ja auch nicht bekanntgegeben."

"Aber immerhin hat diese Amtsperson es zugelassen, daß Julius sowohl an einem Schachturnier als auch an einem Sommerball teilnehmen durfte. Wie deckt sich das mit der Abneigung gegen sogenannte Muggeleltern?" Fragte Julius' Mutter.

"Dadurch, daß Ihr Sohn nicht wie ein Gefangener gehalten und ihm erlaubt sein sollte, an Freizeitaktivitäten der Dorfgemeinschaft teilzunehmen. Da meine Kollegin seine gute Schach- und Tanzausbildung ergründete, befand sie, daß er an den entsprechenden Aktivitäten teilnehmen sollte", antwortete Professor McGonagall ruhig. Sie hatte wohl mit dieser Frage von Mrs. Andrews gerechnet.

"Das hat meinen Mann ja am meisten irritiert und nicht nur bei ihm, wie ich zugeben muß, die Befürchtung geweckt, daß man unseren Sohn durch gezielte Beeinflussung gegen uns wenden wolle. Was die Schach- und Tanzkenntnisse von Julius angeht, muß ich jedoch bekennen, daß ich stolz darauf bin, ihm etwas mitgegeben zu haben, das er auch in Ihrer Welt nutzen kann. Die Computerkenntnisse, sowie die naturwissenschaftlichen Interessen, sind hier ja nicht gefragt."

"Oh, das will ich so nicht sagen. Sicher, der Umgang mit Rechenmaschinen der Muggelwelt gehört nicht zu den lebensnotwendigen Kenntnissen angehender Hexen und Zauberer. Aber die Herangehensweise an Projekte und Rezepturen ist durch dieses wissenschaftliche Interesse Ihres Sohnes vorteilhaft beeinflußt worden.

Kommen wir zu den praktischen Fortschritten!

Wie Sie sofort gesehen haben, als Sie hereinkamen, habe ich hier einige Gegenstände und Lebewesen bereitgestellt. Bitte vollführen Sie nun Verwandlungsübungen nach meinen Anweisungen!"

Mrs. Andrews nahm eine etwas angespanntere Körperhaltung an, als Julius mit seinem Zauberstab auf die erste Zuckerdose zeigte, sie nach Anweisung in einen Unterteller verwandelte und diesen dann in eine Garnspule. Danach sollte er jede der vier Untertassen in Regenwürmer verwandeln. Innerhalb von fünf Minuten standen keine toten Gegenstände mehr auf dem Tisch. Regenwürmer, Spinnen und Mäuse krabbelten auf dem Tisch herum. Dann sollte Julius das erste Kaninchen in eine Ratte verwandeln. Nach kurzer Konzentrationspause schaffte es Julius, das weiße Kaninchen in eine weiße Ratte zu verwandeln. Seine Mutter bekam große Augen. Dann sollte er aus einem Kaninchen eine Schildkröte machen, was ihm auch nach kurzer Konzentration gelang. Das dritte Kaninchen wurde auf Professor McGonagalls Geheiß ein Regenwurm, und aus dem vierten machte Julius nach einem kurzen Blick auf seine Mutter eine Hutschachtel. Mrs. Andrews bekam einen derartigen Schreck, daß sie fast von ihrem Stuhl fiel. Sie starrte auf die leblose Schachtel, mit angstgeweiteten Augen, kreidebleich im Gesicht. Professor McGonagall war davon nicht beeindruckt. Sie schwang kurz ihren Zauberstab, und mit einem kurzen Plopp verwandelte sich die Hutschachtel wieder in ein Kaninchen, das aufgeregt davonhüpfte.

"Das haben Sie ihm alles beigebracht?" Fragte Martha Andrews erschüttert.

"Ja, das tat ich. Ich sehe es Ihnen an, daß dies sie schockiert hat, daß wir Lebewesen in tote Objekte zu wandeln vermögen. Aber gerade deswegen ist es überaus wichtig, daß jeder, bei dem auch nur im Ansatz die Begabung dazu vorhanden ist, eine umfassende Ausbildung erhält, um damit umzugehen. Ich wiederhole mich dahingehend, daß ich Sie damals vor ungefähr zwei Jahren warnte, daß Ihr Sohn eines Tages aus einem Wut- oder Angstanfall heraus genau soetwas anrichten könnte, wie das, was er hier gerade vorgeführt hat. Ersparen Sie sich und mir also bitte den Einwand, daß wir Ihrem Sohn dies nicht beibringen dürften, um ihn nicht zum Größenwahn zu verleiten. Andersherum wäre es nämlich viel schlimmer, wenn Julius dieses Talent unüberwacht erkennt, weiterentwickelt und sich für allmächtig hält."

"Ich weiß, Professor McGonagall. Ihre Demonstration hat ihr Ziel erreicht. Aber es ist wirklich beängstigend, was Julius nun kann", erwiderte Mrs. Andrews.

"Normalerweise vermögen erst junge Hexen und Zauberer der dritten und vierten Klasse, diese Verwandlungen ohne große Anstrengung zu vollbringen. Sie sehen also, wie hoch die Grundbefähigung für Magie bei Ihrem Sohn jetzt schon entwickelt ist. Der Grund dafür liegt in Ihrer und Ihres Mannes Ahnenreihe begründet. Sowohl Sie, als auch Ihr Mann, haben vor einigen Jahrhunderten Vorfahren aus der Zaubererwelt besessen, die Kinder ohne magische Befähigung bekamen. Eine weiterführende Nachforschung brachte dies an den Tag."

"Das heißt, er hätte das, was er mit dem Kaninchen angestellt hat, schon viel früher machen können?" Fragte Martha Andrews.

"Möglicherweise. Aber bestimmt nicht so kontrolliert wie eben. Das hätte also nur schlimmer werden können, wenn Ihr mann es vermocht hätte, sein unüberlegtes Vorhaben durchzusetzen, Mr. Julius Andrews an der Ausbildung seiner Fähigkeiten zu hindern", erwiderte die Verwandlungslehrerin trocken.

"Das ist ja auch der Grund dafür, weshalb ich beauftragt wurde, mich seiner anzunehmen", schaltete sich Mrs. Priestley ein, die immer noch beeindruckt auf die Ergebnisse der Verwandlungsübungen blickte. Dann fragte sie:

"Wie möchten Sie also den Unterricht für Julius Andrews fortsetzen, wenn er jetzt schon das Niveau einer höheren Schulklasse erreicht hat?"

"Für Mrs. Andrews müßte ich kurz erwähnen, daß Verwandlungen von Gegenständen in lebende Wesen Stoff der dritten und die Verwandlung von lebenden Tieren in andere Tiere oder Pflanzen Stoff der vierten Klasse ist. Ab da hängt es von der Größe des zu transformierenden Objektes oder Lebewesens ab, wie weit seine Talente gediehen sind."

"Hierbei spielt Größe und Gewicht eine Rolle, Mum", warf Julius ein, der fand, daß er auch mal etwas sagen sollte, wenn er schon dabei war.

"Die Verwandlung von Menschen ist auch ein Bestandteil Ihres Unterrichts?" Fragte Martha Andrews.

"Ja, aber erst in den Klassen sechs und sieben. Das hängt nicht zuletzt auch mit der geistigen Reife des Schülers zusammen, ob ich ihm oder ihr diese Kunstfertigkeiten beibringe. Deshalb erst zu diesem späten Zeitpunkt", erwiderte Professor McGonagall.

Den Rest der kurzen Unterredung verbrachten sie damit, über den Umgang zwischen Julius und der Delegation von Beauxbatons zu sprechen.

"... Dann stimmt es also, daß Julius von einer wesentlich älteren Schülerin aus dieser französischen Zaubererschule zum Weihnachtsball eingeladen wurde?" Wunderte sich Martha Andrews.

"Aber gewiß. Immerhin hat er in Millemerveilles einige Kontakte geknüpft. Außerdem ist Mademoiselle Dusoleil nur fünf Jahre älter als Ihr Sohn, Mrs. Andrews."

"Das ist in dieser Entwicklungsphase eine ganze Welt", wußte Mrs. Andrews zu bemerken. Julius nickte. Dann sagte er:

"Aber in unserem Schulhaus sind wir alle wie Geschwister. Manche mögen sich, manche verachten sich. Aber wir müssen alle irgendwie zusammen auskommen."

Mrs. Andrews wirkte so, als müsse sie sich dazu durchringen, ob sie etwas sagen oder besser schweigen sollte. Dann erwähnte sie, was in den Osterferien passiert war und schickte sofort hinterher, daß sie ihrem Mann geraten habe, sich zu entschuldigen, weil er Madame Dusoleils Eule verfärbt hatte. Professor McGonagall verzog das Gesicht zu einer erzürnten Miene.

"Offenbar scheint seine Angst vor uns Hexen und Zauberern nicht groß genug zu sein, daß er es riskiert, sich den Zorn einer ihm völlig wohlwollend gegenüber auftretenden Hexe zuzuziehen. Ich kenne Madame Dusoleil zwar nur von Erzählungen meiner Kollegin Professor Sprout, weiß jedoch, daß sie sehr familienbezogen lebt und keinen Undank duldet. Außerdem sind Posteulen die wichtigste Verbindung in unserer Welt. Stellen Sie sich vor, jemand käme bei Ihnen vorbei und würde ohne Grund Ihr Telefon zerschlagen. Wenn Sie dieses Gefühl noch verstärken wenn es um ein lebendes Wesen geht, sehen Sie zweifellos ein, welche Wut jemanden ergreifen kann."

"Aber Ihre Geheimhaltung verbietet doch jedes Aufsehen", wandte Mrs. Andrews ein.

"Darauf sollten Sie sich nicht verlassen", warnte Mrs. Priestley, bevor Professor McGonagall sich dazu äußern konnte. Damit war dieser Punkt erst einmal abgehakt.

Professor McGonagall entließ Martha Und Julius Andrews zusammen mit Mrs. Priestley nach Beendigung der Unterredung.

Auf dem Weg zum Büro von Professor Snape sagte Martha Andrews zu Julius:

"Das darf ich deinem Vater nicht erzählen, was du mir eben vorgeführt hast. Er würde einen Herzinfarkt kriegen."

"Ich dachte, du hättest ihm nicht gesagt, daß du herkommst", flüsterte Julius. Seine Mutter nickte.

Die Unterredung mit Snape verlief ähnlich wie die im letzten Schuljahr. Snape ließ sich darüber aus, daß Julius sich immer noch für einen Musterschüler hielt, wo er doch nur das verlangte Niveau gerade so erreichen konnte. Mrs. Priestley, die mit im Büro saß, wandte ihren Blick von den eingelegten Tieren und Pflanzen ab, die sie interessiert gemustert hatte und fragte:

"Gerade so erreicht? Dann erreicht er doch das Klassenziel, oder?"

"Dann hat er Glück", erwiderte Snape kurz angebunden. Offenbar, so fand Julius, behagte es ihm nicht, daß Mrs. Priestley bei der Unterredung dabei war. Julius konnte sich auch denken, warum. Immerhin war Mrs. Priestley eine ausgezeichnete Zaubertrankbrauerin, ihm bestimmt ebenbürtig.

"Sie behalten also Ihre voreingenommene Ansicht bei, die Sie uns im letzten Jahr schon verkündet haben?" Fragte Julius' Mutter und sah dabei sehr entschlossen aus.

"Sagen wir es so: Keine Veränderung der Leistung ist auf jeden Fall keine Verschlechterung."

"Diese Art von pseudologischer Wortklauberei liegt unter meiner Würde", erwiderte Mrs. Andrews entschieden. Snape war wohl nicht darauf gefaßt, denn er sagte keinen Ton. Mrs. Priestley blickte Snape sehr lauernd an, während Mrs. Andrews fortfuhr:

"Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie tatsächlich wollen, daß mein Sohn bei Ihnen alles lernen kann, was Sie im Unterricht behandeln. Es ist doch einfacher, ein altes Vorurteil zu bestätigen, als es zu widerlegen. Aber ich bedanke mich dafür, daß Sie sich noch mal die Zeit genommen haben, mir zu erläutern, worauf es Ihnen ankommt. Vielen Dank, Professor Snape."

Snape sagte kein Wort mehr als für den kurzen Abschied nötig war. Dann verließen Mrs. Priestley, Mrs. Andrews und Julius das Büro des Zaubertrankmeisters. Draußen vor der Tür stand Professor Moody.

"Hat Professor Snape dich wieder daran erinnert, wo du herkommst?" Fragte Moody mit seiner knurrigen Stimme. Julius, der nun schon lange genug mit diesem Lehrer zusammengearbeitet hatte, konnte den ironischen Tonfall heraushören, mit dem der Lehrer sprach. Er sagte nur, daß Snape immer noch überrascht sei, daß ein Muggelstämmiger sich so in Zaubertränke hineinknien könne und stellte seine Mutter vor.

Moody gab ein "Freut mich" von sich und klopfte an die Bürotür vonProfessor Snape.

"Was ist mit dem denn passiert?" Fragte Mrs. Andrews, als sie aus dem Schloß gingen, um zu Hagrids Hütte am Rande des verbotenen Waldes zu gehen.

"Alles mögliche, Mum. Er hat gegen schwarze Magier gekämpft und dabei dieses und jenes verloren. Aber das blaue Auge von ihm ist echt superstark."

"Der sieht ja sehr gruselig aus. So stellt man sich Horrorfiguren vor", sagte Mrs. Andrews.

"Alastor Moody ist dafür, daß er so aussieht, aber sehr kompetent in der Abwehr dunkler Kräfte, Mrs. Andrews. Julius kann froh sein, bei ihm die Abwehr von Flüchen aller art zu lernen", wandte Mrs. Priestley ruhig ein.

Auf dem Weg zu Hagrids Hütte kamen sie an der riesigen Reisekutsche der Beauxbatons und der Koppel mit den riesenhaften geflügelten Pferden vorbei. Mrs. Andrews bewunderte die gigantische Kutsche. Unvermittelt öffnete sich der rechte Wagenschlag und Madame Maxime kam die goldene Treppe herunter.

"Was ist das denn?" Entfuhr es Martha Andrews unbeherrscht, als sie die überlebensgroße Frau zu sehen bekam, die in ihrem schwarzen Satinumhang eine erhabene Erscheinung bot.

"Mum, werde nicht unhöflich! Nicht was, sondern wer! Dies ist Madame Maxime, die Schulleiterin der Beauxbatons-Akademie für Hexerei und Zauberei. Die ist eben so groß, wie sie ist. Aber im Vergleich zu Hagrid ist sie noch elegant", sagte Julius. Madame Maxime warf den drei Personen, von denen eine als Muggelfrau zu erkennen war, einen tadelnden Blick zu. Danach ging sie mit großen Schritten in Richtung Schloß davon.

Mrs. Priestley klopfte an die Tür von Hagrids Hütte. Hier war Julius noch nie gewesen. Von drinnen klang lautes Hundegebell, und eine tiefe Stimme befahl:

"Ruhe, Fang!"

Die Tür ging auf, und Mrs. Andrews erschauerte unvermittelt, als ein riesenhafter Kopf mit struppigen Haaren und Bart herauslugte.

"Guten Tag, die Damen! Professor Dumbledore hat mir gesagt, daß Sie mich besuchen wollen. Hallo, Junge! Du bist Julius andrews?"

"Richtig, Hagrid", erwiderte Julius frei heraus.

In der Holzhütte, von deren Decke verschiedene kleinere Tiere herabhingen, erläuterte Hagrid Mrs. Andrews, worum es in seinem Fach ginge. Julius präsentierte sein erstes Grundwissen, in dem er auf die Frage Hagrids, wieviele Einhornrassen es auf der Erde gebe, antwortete, daß es zwanzig Rassen gebe, von denen das Waldeinhorn die bekannteste und verbreitetste Rasse sei.

"Richtig! Kannst du mir auch erzählen, welches das größte magische Geschöpf ist?" Fragte Hagrid. Mrs. Andrews sah ihren Sohn mit einer Mischung aus Unbehagen und gespannter Erwartung an, als wäre die Frage ihr gestellt worden und würde benotet.

"Moment! Das größte magische Geschöpf, das der Cryptozoologie bekannt ist, ist der hawaiianische Feuertaucher, eine alte Drachenart, die grundsätzlich nur in vulkanischen Höhlen und Kratern lebt. Das Männchen kann bis zu 25 Metern groß werden, das Weibchen bis zu 18 Metern. Da diese Drachenart ausschließlich bei Temperaturen von mindestens 100 Grad lebt, kann sie nur in unmittelbarer Nähe vulkanischer Hitzequellen leben. Die Tiere ernähren sich von Mineralien, die aus dem Erdinneren freigesetzt werden. Sie sind rotgolden geschuppt. Ihre Haut, falls man eine erwischen kann, wird gerne für feuerfeste Zelte benutzt, die nicht nur nicht brennensondern die intensive Hitze vollständig aussperren. Die Eierschalen dienen gemahlen in der Heilkunde zur Herstellung von sofort wirksamen Gegenmitteln gegen erlittene Feuerschäden und Rauchvergiftungen. Allerdings kostet ein Gramm dieser Eierschalen 20 Galleonen, die Drachenhaut wird gar mit 1000 Galleonen pro Quadratzoll gehandelt, da sehr schwer an diese Tiere heranzukommen ist."

"Wo hast du denn das alles her?" Fragte seine Mutter.

"Das steht in "Die größten Drachen der Erde" von Professor Teras Rex", antwortete Julius. Hagrid strahlte ihn nur an.

"Offenbar hat Hermine Granger einen Konkurrenten in diesem Fach."

"Dann sollten Sie erst einmal meinen Freund Kevin Malone abfragen", wandte Julius ein.

"Ich las, daß Sie bis vor Weihnachten mit unerlaubten Tierarten arbeiteten, Mr. Hagrid. Wie schützen Sie die körperliche Unversehrtheit Ihrer Schüler?" Fragte Mrs. Priestley. Hagrid lief rot an, zumindest die Haut, die durch den dichten Bart zu sehen war.

"Nun, öhm, ich erzähle den Schülern vorher immer, worauf sie achten müssen. Ich würde nie Tiere im Unterricht benutzen, wenn ich meine Schüler nicht vorher darauf hinweisen würde, wie sie sich zu verhalten haben. Was diesen Artikel von dieser Kimmkorn angeht, auf den Sie wohl hinauswollen, hat Professor Dumbledore mir volle Unterstützung zugesichert, daß ich mit meiner Arbeit weitermachen soll. Außerdem haben viele Eltern von Schülern, die bei mir im Unterricht sind, geschrieben, daß sie mein Wissen schätzen und mit einigen Ausnahmen davon ausgehen, daß ich niemanden verletzen will. Ich kann Ihnen gerne die Tiere zeigen, von denen in diesem Artikel die Rede war."

"Das wird nicht nötig sein", entschied Mrs. Priestley. Martha Andrews wußte nicht, worum es hier ging. Doch die Vorstellung, daß ihr Sohn mit Drachen und anderen Zauberwesen zu tun bekommen würde, war ihr nicht so geheuer. Doch die riesenhafte Erscheinung Hagrids gab ihr eine gewisse Sicherheit, daß ihr Sohn nicht von einem unfähigen Typen unterrichtet werden würde.

"Meine Mutter hat die großen Flügelpferde gesehen, die auf der Koppel stehen. Können wir die uns nicht näher ansehen?" Fragte Julius. Hagrid strahlte wieder und nickte.

"Sind die gefährlich?" Fragte Julius' Mutter.

"Nur, wenn wir in die Reichweite ihrer Füße und Mäuler kommen", sagte Hagrid erheitert. Dann gingen sie hinaus zur großen Koppel.

Aus der Nähe sah Julius erst, daß die golden glänzenden Pferde die Größe von Elefanten fast übertrafen. Die großen Schwingen zitterten rauschend, als sich die vier Besucher näherten. Eines der Tiere, möglicherweise der Leithengst, kam mit laut donnernden Hufen herangetrabt und warf seinen mächtigen Kopf in den Nacken. Hagrid trat bis auf zwei Meter heran und bellte einen scharfen Befehl in die Koppel. Das große Tier senkte den Kopf wieder und schritt zurück.

Julius sah eine silberne Bannlinie um die Koppel laufen. Er kannte diese magische Zeichnung von seinem Besuch in Millemerveilles, wo fliegende Tiere auf diese Weise in ihrem Gehege gehalten wurden. Seine Mutter fragte, ob die Tiere nicht wegfliegen könnten und ließ sich von Julius erklären, wie die magische Absperrung wirkte.

"Woher weißt du denn das schon?" Wunderte sich Hagrid.

"Ich habe einen magischen Zoo besucht. Daher weiß ich das", sagte Julius.

"'agrit! Ist das nicht wag'alsig, ungeschulte Leute an die Rosse 'eranzulassen?"

"Wieso? Die sind doch weit genug von der Bannlinie weg!" Rief Hagrid zurück. Julius sah Madame Maxime heranlaufen, in ihrer Begleitung waren Barbara Lumière und Jeanne Dusoleil, die in respektvollem Abstand folgten.

Julius stand starr da, während Madame Maxime Mrs. Andrews und Mrs. Priestley anblickte. Mrs. Priestley begrüßte Madame Maxime in fließendem Französisch. Diese erwiderte, daß sie überrascht sei, die berühmte Alchemistin persönlich zu treffen. Darf ich fragen, was diese Muggelfrau hier zu suchen hat?"

"Sie ist die Mutter von Monsieur Andrews und hat sich bei Hagrid erkundigt, wie sein Unterricht gestaltet wird, da Monsieur Andrews demnächst sein Fach belegen wird", erwiderte Mrs. Priestley. Julius' Mutter wandte sich an ihren Sohn und flüsterte:

"Was sagen sie?"

"Madame Maxime wollte nur wissen, was du hier machst, Mum. Mrs. Priestley hat ihr erzählt, daß du dich für Hagrids Unterricht interessierst. Mehr war nicht."

"'agrit, ich 'abe Ihnen doch gesagt, niemanden ohne meine Anwesen'eit an die Tiere 'eranzulassen. Aber ich sehe einmal davon ab, da Sie ja dafür gesorgt 'aben, daß Ihre Besucher den Abstand ein'alten."

Dann ging Madame Maxime zu der großen Kutsche. Jeanne und Barbara durften draußen bleiben. Sie warteten, bis ihre Schulleiterin den großen Wagenschlag hinter sich zugemacht hatte. Dann kamen sie näher.

"Hallo, Julius!" Begrüßte Jeanne den Zweitklässler auf Französisch. Julius winkte den Mädchen und erwiderte den Gruß. Als die beiden Beauxbatons-Schülerinnen näherkamen, stellte Julius sie seiner Mutter und Mrs. Priestley vor.

"Ich erkenne die junge dunkelhaarige Dame, Julius. Das ist wohl die Schwester des Mädchens im rotgoldenen Kleid, mit dem du getanzt hast", sagte Martha Andrews.

"Richtig, Mum."

"'ast du deiner Maman auch erzählt, daß wir beide zu Weihnachten getanzt 'aben?" Fragte Jeanne auf Englisch. Mrs. Andrews und Julius nickten.

"Sie sind Gastschülerinnen hier, solange dieses Zaubererturnier läuft?" Fragte Mrs. Andrews. Barbara und Jeanne nickten. Martha Andrews wollte gerade noch etwas sagen, als eine überaus wütende Fleur Delacour mit wehendem Haar herangejagt kam, wilde französische Verwünschungen ausstoßend. Jeanne, Barbara und Julius liefen rot an, als sie hörten was Fleur von sich gab. Der Wagenverschlag flog auf und Madame Maxime rief heraus, daß Fleur sich beherrschen solle. Fleur verstummte sofort, gestikulierte jedoch immer noch wütend und sprang in die große Kutsche hinein. Drinnen wechselten Madame Maxime und Fleur im Rekordtempo mehrere Sätze. Jeanne winkte Julius zu sich heran und flüsterte ihm etwas zu. Julius mußte sich anstrengen, nicht loszulachen, während Jeanne ihn sehr streng ansah.

"Was wollte sie, Julius?" Fragte Mrs. Andrews mißtrauisch.

"Nichts von Belang, Mum. - Wollen wir noch um den See gehen, bevor es Mittag ist?"

"Dieser Professor Dumbledore will mich um zwölf an einer Seitentür abholen. Solange können wir noch spazierengehen", sagte Mrs. Andrews. Offenbar schien es ihr nicht so wichtig zu sein, was Jeanne Julius zugeflüstert hatte.

Die beiden Frauen und Julius verabschiedeten sich von Hagrid und den Beauxbatons-Mädchen und gingen in Richtung des großen Sees.

Als sie aus der Hörweite der beiden Gastschülerinnen waren, fragte Mrs. Andrews noch mal, was Jeanne Julius zugeflüstert hatte. Julius sagte nur:

"Ich denke nicht, daß Fleur Delacour möchte, daß außenstehende Leute das erfahren. Bitte respektier das. Es hatte nichts mit mir zu tun. Jeanne hat es mir nur zugeflüstert, weil ich ihre Sprache verstehe und sonst vielleicht wilde Gerüchte gestreut hätte."

"Gut, ich verstehe. Im Gegensatz zu deinem Vater halte ich nämlich viel von privater Diskretion. Wie hieß dieses Mädchen? Fleur Delacour?"

"Yep", erwiderte Julius.

"Fleur Delacour tritt als Turnierteilnehmerin für Beauxbatons an", informierte Mrs. Priestley Julius' Mutter.

Nach einem gemütlichen Rundgang um den See, während dem Julius seiner Mutter alles erzählte, was er seit den Weihnachtsferien erlebt hatte, kehrten sie zum Schloß zurück. Dort warteten schon Professor Dumbledore und Professor Sprout. Bei ihnen waren die Hardbricks. Mrs. Hardbrick gestikulierte wild, während ihr Mann sehr verbittert dreinschaute. Henry stand dabei und war bleicher als sonst.

"Mrs. Andrews, Mrs. Priestley, es kam zu einem bedauerlichen Vorfall auf dem Quidditchfeld. Daher möchte ich sie fragen, ob sie zunächst mit Professor Flitwick die angemeldete Unterredung führen möchten", begrüßte Professor Dumbledore die anderen Besucher von Hogwarts.

"Aber sicher haben wir kein Problem damit", sagte Julius' Mutter sofort. Professor Sprout atmete erleichtert durch.

"Dann folgen Sie mir bitte, Mrs. Andrews und Mrs. Priestley. Wir wollen zusammen zu Mittag essen."

"Damit Sie uns vergiften können, nachdem dieses Geschöpf mit den silberblonden Haaren meinen Mann schon behexen wollte, wie?" Zeterte Mrs. Hardbrick. Julius sah Henry an, und dieser bekam schlagartig ein tomatenrotes Gesicht, vom Hals bis zu den Ohren.

"Ihr beiden dürft dann zu euren Hauskameraden an die Tische. Ah, da kommen ja schon welche von euren Freunden", sagte Dumbledore und wies auf eine Gruppe von Zweitklässlern, angeführt vom rotblonden Kevin Malone, gefolgt von Gloria, Pina und Gilda, sowie den Hollingsworths. Dahinter, in etwa vier Metern Abstand, kamen Cho Chang und Cedric Diggory. Letztere diskutierten miteinander.

Bis nachher", wünschte Mrs. Andrews ihrem Sohn und umarmte ihn kurz. Dann folgte sie Dumbledore, den Hardbricks und Mrs. Priestley ins Schloß, wobei sie jedoch nicht den großen Eingang benutzten, sondern eine kleine Seitentür, wie für Dienstboten.

Kevin spurtete vor den Anderen auf Julius los und lachte laut.

"Soll ich dir erzählen, was auf dem Quidditchfeld passiert ist?"

"Bitte nicht", flehte Henry Hardbrick und lief noch röter an. Kevin schien diese Bitte nicht gehört zu haben, denn er sprudelte drauflos:

"Ich war ja in das Stadion gelaufen, um mir die Flugschau anzusehen, die die Hufflepuffs gebracht haben. War auch ganz toll. Henry hier flog sogar einige Runden hinter Betty - oder war's Jenna? - her und hat sich sehr gut gehalten. Da rief sein Vater erst einmal, daß er damit aufhören solle, was Henry fast vom Besen gekippt hätte."

"Mann, hör auf!" Maulte Henry und machte Anstalten, Kevin eine zu langen. Doch dieser wich zurück und wartete bis die Hollingsworths und Diggory heranwaren.

"Komm, Henry! Hallo, Julius! Madame Maxime wird sich nachher noch mit deinen Eltern und Professor Sprout über die Sache unterhalten", sagte Cedric Diggory und zog Henry mit sich ins Schloß. Die Hollingsworths warfen Julius verlegene Blicke zu und eilten dann auch ins Schloß.

"Also gegen das, was heute passiert ist, waren deine Eltern noch diplomatisch, Julius", kommentierte Cho Chang einen Vorfall, von dem Julius noch nicht alle Einzelheiten kannte. Dann ging sie mit Pina und Gilda ins Schloß.

"Kevin hat dir das mit Fleur schon erzählt, Julius?"

"Nein, hat er nicht", sagte Julius auf Glorias Frage. Kevin sah dies als sein Stichwort, weiterzuerzählen.

"Also, Julius! Der fiel fast vom Besen, einem guten Sauberwisch 7 übrigens, und konnte gerade soeben noch landen. Sein Vater hat dann einen tierischen Terz gemacht, von wegen, man wolle seinen Sohn in den Tod treiben und ihn vom "normalen Weltbild" abdrängen. Henrys Mutter hat ihren Sohn in ihre Arme genommen und gezetert, was den Leuten von Hogwarts denn einfiele, ihren "geliebten Sohn" derartig für solche "haarsträubenden Flugsachen" heranzuziehen. Professor Sprout wollte diesen überängstigten Muggel beruhigen. Doch der sprang herum und tobte wie ein wilder Troll und fuhr sie an, daß er nicht Jahre lang Geld in eine gute Ausbildung für seinen Sohn gesteckt hätte, damit der bei einem wilden Hexentanz draufginge. Irgendwie muß das Gebrüll die Mädchen von Beauxbatons angelockt haben. Die kamen aufs Feld und sahen nur die beiden Hollingsworths herumfliegen. Diese Barbara, oder wie die Muskeltante mit der braunen Bürstenfrisur heißt, hat ihren Besen genommen und sich zu den Hollingsworths gesellt und mit ihnen Angriffsübungen geflogen, sie im Tor und die zwei davor. Madame Hooch hat sie das mitmachen lassen und sich selbst in der Luft aufgehalten.

 

Als Mr. Hardbrick mal Pause machte, um Luft zu holen, sah er Fleur Delacour und verfiel unmittelbar in eine Art Traumzustand wie damals mit mir vor dem Weihnachtsball. Fleur merkte das und zog sich ganz ruhig zurück. Doch dieser Muggel ist nicht nur langsam hinter ihr hergelaufen, sondern ist förmlich auf sie zugerannt. Deine Jeanne hat ihn dann am Kragen gepackt und zurückgezogen. Fleur blieb stehen und sah zu, was passierte, wie eine Königin, die wartet, was ihre Untertanen tun.

Daddy Hardbrick fand dann wieder zu sich, sah Fleur noch mal an und zeterte dann los, daß es Dumbledore ähnlich sehe, ihm einen Succubus zu schicken, um ihn zu verhexen. Ou, da hättest du Fleur Delacour mal sehen sollen. Die wurde ja richtig wild wie eine Raubkatze. Die ist auf Mr. Hardbrick losgestürzt und hat dem links und rechts mindestens einmal eine runtergehauen und dabei geschrien, was Hardbrick denn einfiele, sie so zu beleidigen."

"Ich habe sie später gesehen, wie sie auf die Beauxbatons-Kutsche zurannte und wilde Verwünschungen durch die Gegend schleuderte. - Außerdem ist das nicht "meine Jeanne", Kevin. Ist schon schlimm genug, daß sie meint, für mich verantwortlich zu sein", tadelte Julius Kevin kurz. Dieser grinste nur und erzählte weiter:

"Auf jeden Fall mußte Professor Sprout die werte Mademoiselle beruhigen. Die hat Mr. Hardbrick dann kurz vor die Füße gespuckt und ist davongelaufen. Ich denke, was auch immer das sein soll, ein Succubus, muß für Fleur die schlimmste Beleidigung ... Hallo, Mademoiselle Dusoleil!" Aus Kevins Gesicht verschwand alles Lachen und wich einer Schreckensblässe, die eine Sekunde später von Rosa nach Blutrot umschlug.

"Ich wußte doch, daß ich schnell 'erkommen mußte", sagte Jeanne ganz ruhig und stellte sich neben Julius hin.

"Dieser Muggel 'at Fleur aufs Schlimmste gedemütigt. Er kann froh sein, daß sie nicht ihren Zauberstab gezogen und ihn in einen Molch verwandelt 'at. Bei einem Drittklässler 'at sie das vor zwei Jahren mal gemacht, weil der ihr vor'ielt, sie sei das Ergebnis einer schwarzmagischen Pfuscherei, weil sie so toll aussä'e. Also würde ich das nicht bei Tisch 'erumerzählen, Monsieur Malone!" fuhr Jeanne leise, aber mit sehr bedrohlichem Unterton in der Stimme fort. Kevin wurde wieder bleich. Dann kehrte seine übliche Gesichtsfarbe zurück und er ging mit leicht hängendem Kopf ins Schloß.

"Beides ist eine heftige Beleidigung für eine Halb- oder Viertelvila", bemerkte Julius schüchtern. Jeanne nickte.

"Fleur ist auf ihre 'erkunft stolz und glücklich über ihre Familie. Du 'ast ja gese'en, wie sie auf die unbedachte Vermutung deines Freundes Kevin reagiert 'at, als er sie unter dem Auraveneris-Fluch glaubte", erinnerte Jeanne Julius auf Englisch an den kläglichen Versuch Kevins, sie zu fragen, ob sie mit ihm zum Weihnachtsball gehen wolle. Das hatte er nur getan, weil er wissen wollte, wieso alle Jungen so hin und weg waren, wenn Fleur Delacour in ihre Sichtweite kam.

"Du hast bestimmt Hunger, Julius", sprach Jeanne auf Französisch weiter. Julius sagte, daß er bis zum Abend warten könne. Das veranlaßte Jeanne dazu, ihn locker an der Schulter zu ergreifen und vor sich her in die große Halle zu Bugsieren. Hier ließ sie erst von ihm ab, bevor die Slytherins oder andere Schüler das sehen konnten. Julius fügte sich und nahm neben Kevin Platz. Kevin flüsterte schnell:

"Weißt du denn, was das ist, ein Succubus?"

"Ein weiblicher Dämon, der nachts zu Männern ins Schlafzimmer schleicht und mit ihnen körperliche Unzucht treibt, bis sie ihm total verfallen sind und sich nach belieben auszehren lassen. Ich dachte bislang, daß seien nur Märchen verschiedener Kirchenleute, die glauben, körperliche Triebe seien grundsätzlich böse", flüsterte Julius. Jeanne, die mit Gloria den Platz tauschte, räusperte sich nur kurz und deutete auf die Suppenterrine.

"Wann seid ihr für eure nächste Besprechung dran?" Fragte Kevin ruhig.

"Mum sagte was von zwei Uhr. Da wir doch zuerst zu Flitwick gehen waren die Hardbricks schon bei ihm gewesen. Da ich nicht weiß, zu wem die dann noch wollen, weiß ich nicht, wann Dumbledore sie wieder einsammeln möchte."

Fleur Delacour kam in die große Halle, sah Jeanne an, die beruhigend nickte, setzte sich mit ihren Schulfreundinnen von Beauxbatons Julius genau gegenüber hin. Julius wurde das Gefühl nicht los, daß sie ihn genau im Auge behalten wollte. Zwischendurch warf sie einen Blick zu Henry Hardbrick, der neben Cedric Diggory am Hufflepuff-Tisch saß. Cho saß mit Prudence und Barbara Lumière und Nadine Pommerouge zusammen.

Julius aß solange, bis Jeanne ihn nicht mehr fordernd anblickte. Dann begab er sich zunächst ins Badezimmer und dann in den Flur, der zuProfessor Sprouts Büro führte. Er hatte das bezauberte Tintenfaß und das bezauberte Pergamentstück noch bei sich. Das Pergamentstück zog er vorsichtig aus der Umhangtasche. Es verfärbte sich von hellbraun nach giftgrün. In dieser Einfärbung ließ er es zu Boden gleiten und eilte so lautlos wie möglich auf den Gang zur großen Halle zurück. Er schaffte es noch, sich hinter einer Ritterrüstung zu ducken, als die Hardbricks zusammen mit Professor Sprout um die Ecke kamen. Die kleine kugelrunde Kräuterkundelehrerin sagte gerade:

"... Ich sehe ein, daß Sie die Wirkung von Mademoiselle Delacours Ausstrahlung irritiert hat. Aber darum dürfen Sie sie doch nicht gleich mit der schlimmsten Beleidigung bedenken, die einer Hexe aus einer alten Zaubererfamilie an den Kopf geworfen werden kann, Mr. Hardbrick."

"Dieses Miststück hat meinen Mann bewußt in ihren Zauberbann gezogen. Denken Sie ich sehe mir das gern an, wie ein so junges Ding meinen Mann betört und willenlos macht?"

"Das war gewiß nicht ihre Absicht", sagte Sprout noch, bevor sie an der Rüstung vorbeiging, hinter der Julius hockte.

"Das können Sie mir nicht erzählen, Mrs. Sprout. Die wußte, daß Paul ein reicher Chirurg ist. Sie wäre nicht das erste Mädchen, das versucht, ihn mir auszuspannen", zeterte Mrs. Hardbrick weiter.

"Evilyn, bitte laß es. Ich habe dieser Hexengöre gesagt, was sie ist. Ob sie mir dafür eine runterhaut oder mir fast meine italienischen Schuhe besabbert ist mir jetzt egal. Ich will davon nichts mehr hören", knurrte Mr. Hardbrick.

Julius tauchte lautlos hinter der Rüstung auf, sah hinter den dreien her, wie sie an der Stelle vorbeikamen, wo das Pergamentstück lag. Mrs. Hardbrick sah es, doch sie blickte schnell woanders hin. Mr. Hardbrick sah es wohl auch, aber schien nichts davon wissen zu wollen.Professor Sprout blieb zurück.

"Wer hat denn hier ein verfärbtes Pergamentstück fallen gelassen?" Fragte sie halblaut. Mrs. und Mr. Hardbrick drehten sich um und fragten, wo denn ein Pergamentstück gelegen haben soll. Sie bückte sich und hob es auf, worauf es seine Farbe augenblicklich von giftgrün nach orangerot wechselte. Sie sah sich das Pergament an. Mr. Hardbrick fragte, was sie da treibe. Professor Sprout wunderte sich. Dann steckte sie das Pergament wieder fort und überholte die Hardbricks, um in ihr Büro zu gehen.

"Dieses war Test Nummer eins. Ergebnis: Beide Zauber haben gehalten", flüsterte Julius und schlich den Korridor entlang in Richtung Treppe. Er wollte gerade die ersten Stufen nehmen, als die riesenhafte Gestalt Madame Maximes um eine Ecke bog und hinter ihm stehenblieb.

"Wo wollen wir hin, Monsieur?" Fragte sie auf Französisch. Sie wußte sehr gut, daß Julius die Sprache konnte. So zu tun, als habe er sie nicht verstanden, wäre absolut verkehrt gewesen.

"Ich habe mich vertan, Madame. Ich dachte, ich müßte erst zu Professor Sprout. Aber ich muß zu Professor Flitwick. Ich habe leider keine Zeit mehr und muß mich beeilen", sagte Julius so akzentfrei und schnell sprechend, wie er es seid seinem Aufenthalt in Millemerveilles im letzten Sommer durch Sprachlernzauber gelernt hatte.

"Dann voran, Monsieur", wies Madame Maxime den Jungen an, der sich dies nicht zweimal sagen ließ und die Treppen hinaufspurtete.

Vor Professor Flitwicks Büro wartete bereits Mrs. Priestley.

"Professor Dumbledore unterhält sich noch mit deiner Mutter über die Art, wie Professor Snape über dich gesprochen hat", begrüßte Mrs. Priestley ihren amtlich verordneten Schützling. Dieser atmete auf.

"Ich mußte noch wohin und lief erst in Richtung von Professor Sprout. Ich dachte, ich sei zu spät dran."

"Nein. Professor Flitwick ist auch noch nicht hier. Ich habe schon geklopft."

"Man hat mir erzählt, daß es auf dem Quidditchfeld zu einem dummen Vorfall gekommen ist", sagte Julius.

"Ja, ich hörte auch davon. Mr. Hardbrick denkt, in eine vorbereitete Falle getappt zu sein und seine Frau zeigt ein eifersüchtiges Verhalten wegen dieses Vorfalls."

"Hoffentlich hat das keine Auswirkungen auf das Turnier", seufzte Julius.

"Nein, hat es nicht. Ich denke, spätestens dann, wenn die Hardbricks Madame Maxime gesehen haben, werden sie sich schnell wieder beruhigen", grinste die Hexe von der Abteilung für magische Ausbildung und Studien.

Professor Flitwick kam mit Julius' Mutter den Gang entlang und begrüßte Mrs. Priestley und Julius. Dann schloß er sein Büro auf und bat die Gäste und den Schüler hinein.

Die nächsten fünfzehn Minuten informierte Flitwick Mrs. Andrews darüber, daß Julius sich im zweiten Jahr sehr vorteilhaft geändert habe, daß er nun seinen Spaß an der Zauberei entdeckt hätte, sowie sich sehr gut mit seinen Klassenkameraden verstand und ihnen immer noch gerne half. Er berichtete auch, daß Julius nun auch weiterführende Zauberkunst-Aufgaben erledigen konnte. Julius Mutter sagte:

"Professor McGonagall hat schon erzählt, daß sie und Sie, Herr Professor Flitwick, höhere Anforderungen an Julius stellen. Sie bezog sich darauf, daß mein Sohn sich während der Sommerferien in einem französischen Zaubererdorf aufhielt, weil mein Mann einen Brief an einen Bekannten von uns schickte, in dem er Julius von Hogwarts fernzuhalten wünschte. Dieser Brief wurde nach einem Verkehrsunfall gefunden, hieß es, als mein Bekannter mit Julius eine Tour ans Meer machen wollte. Mein Mann war davon alles andere als begeistert, und ich, wo ich gerne bereit bin, die Zaubereiausbildung weiter zu fördern, die Sie meinem Sohn hier bieten, war auch nicht besonders beruhigt. Was hat diese Professeur Mutata meinem Sohn alles eingeredet, wie er sich zu benehmen hat, zum Beispiel?"

"Hmm", machte Flitwick und dachte kurz nach. Dann sagte er:

"oh, ich dachte, meine Kollegin hätte Ihnen den Namen nicht verraten. Nun denn, was sie ihm erzählt hat? Am besten fragen Sie Ihren Sohn selbst. Das darf er Ihnen ja erzählen", sagte der kleine Zauberkunstlehrer noch. Julius zwang sich, nicht verdutzt oder erheitert dreinzuschauen. Seine Mutter hatte wohl darauf gesetzt, daß Flitwick auf ihren offenkundig erfundenen Namen hin den richtigen Namen aussprechen würde. Insgeheim war er sogar froh, daß er das nicht getan hatte. Denn daß die Dame, bei der er gelebt hatte, Faucon hieß, hätte seine Mutter wohl sehr stutzig gemacht.

"Sie hat mir geraten, mich nicht von meiner Natur abzuwenden, weil diese mich wieder einkriegen würde, wenn ich nicht darauf gefaßt sei. Sie hat meine Zaubergaben geprüft - als Beamtin darf sie das bei Minderjährigen - und mir nahegelegt, mich nicht von dir oder Paps von Hogwarts fortekeln zu lassen. Außerdem fand sie es toll, wie gut ich Schach spielen könne. Das habe ich euch aber schon geschrieben, bevor man mir sagte, daß ich erst einmal nicht mehr an euch schreiben soll."

"Ja, in Ordnung", sagte Mrs. Andrews. Ihre Taktik war nicht aufgegangen. Also vergaß sie den Versuch erst einmal wieder.

Sie unterhielten sich noch darüber, ob Julius diese anstrengenden Zusatzaufgaben schaffen könne, ohne zusammenzubrechen.

"Also was mich angeht, so habe ich eher die Sorge, daß Julius Andrews sich selbst mehr aufladen möchte als ich ihm zugestehe. Deshalb denke ich, daß er seine Prüfungen auch dieses Jahr wieder schaffen wird."

"Julius hat angeblich eine Art Besentransportflugführerschein gemacht. Was hat er davon?" Wollte Mrs. Andrews wissen. Professor Flitwick gab diese Frage an Julius weiter.

"Was hat ein Junge davon, Fahrrad zu fahren oder Moped? Ich habe gehört, daß man lernen kann, mit jemanden zusammen auf einem Besen zu fliegen und habe bei Madame Hooch gelernt, wie das geht und bestanden. Ich gehe davon aus, daß ich später hauptsächlich fliegen werde, wenn ich nicht nur durch Flohpulver oder die Apparition reise, also das, wasProfessor McGonagall vor zwei Jahren bei uns gezeigt hat."

"Das heißt, du wolltest das?" Fragte seine Mutter zur Sicherheit noch mal.

"Ja, das stimmt", bestätigte Julius.

Zum Schluß unterhielten sie sich noch mal über Julius' erwachsene Bekannte. Professor Flitwick erzählte, daß er von Professor Sprout gehört habe, daß sich diese Kontakte sehr positiv auf Julius und dessen Freunde auswirkten.

"Ich würde gerne noch mal mit dieser Aurora Dawn reden. Allerdings habe ich einen geregelten Beruf, und nachdem mein Mann mir klargemacht hat, daß er keine Hexe und keinen Zauberer in unserem Haus dulden wird, habe ich keine Gelegenheit, diese Unterredung zu führen. Ich möchte auch gerne dieser Madame Dusoleil schreiben, daß ich mich sehr gefreut habe, von ihr zu hören, daß Julius die Ostertage gut verbringt. Leider hat mein Mann ihr schon eine sehr unfeine Antwort geschickt, bevor ich meinen Brief ausformuliert hatte. Ich kann nämlich kein Französisch und mußte daher auf ein nicht gerade komfortables Übersetzungsprogramm zurückgreifen."

"Das dürfte kein Problem sein", schaltete sich Mrs. Priestley ein. Ich kann Ihnen gerne bei der Übersetzung helfen."

"Nun, ich gehe auch davon aus, daß Ms. Dawn nicht abgeneigt ist, mit Ihnen in Verbindung zu bleiben", sagte Professor Flitwick. Mrs. Priestley nickte nur. Julius wußte, daß sie nicht verraten wollte, daß Aurora Dawn ihre Nichte war.

Als die Viertelstunde dann doch zwanzig Minuten gedauert hatte, kamen sie alle zu dem Schluß, daß weitere Besuche nach dem Stand der Dinge nicht mehr notwendig seien. Man würde weiterhin Eulenpost hin- und herschicken, um Mrs. Andrews auf dem Stand der Dinge zu halten.

"Ich weiß nicht, wann meine Kollegin Professor Sprout den eingeschobenen Termin mit den Eheleuten Hardbrick abgehandelt haben wird. Vielleicht warten Sie noch hier, bis sie mir bescheid gibt", schlug Flitwick vor.

Julius holte das bezauberte Tintenfaß heraus und sagte Flitwick, daß er es so bezaubert hätte, daß es einen magisch vergrößerten Rauminhalt habe. Flitwick erlaubte es, daß Julius seiner Mutter das kleine Fäßchen gab. Sie versuchte, es zu öffnen. Doch es war wie zugeklebt. Mrs. Priestley zog ihren Zauberstab und rief den Zauberfinder auf, einen rotblauen lichtkegel, der dort, wo er auf ein magisches Kraftfeld traf, zu einem rotblauen Lichtgebilde wurde, das sich soweit ausdehnte, wie das Kraftfeld reichte. Im Lichtkegel leuchtete das Tintenfaß goldenrot auf, ein Zeichen für eine Bezauberung eines Gegenstandes.

"Könnte es sein, Junger Sir, daß Sie nicht nur den Rauminhalt magisch vergrößert haben?" Fragte Mrs. Priestley. Dann nahm sie das kleine Tintenfaß und klappte leicht den Deckel auf.

"Oh, wo haben Sie das denn gelernt?" Fragte Professor Flitwick erstaunt Julius. Dieser sagte nur:

"Hat mir jemand gesagt, wo ich das nachlesen kann."

"Sie sehen, daß Ihr Sohn gerne das erprobt, was er hier lernen kann. Daher ist es wichtig, daß er hier weiterunterrichtet wird", bekräftigte Flitwick und nahm das geöffnete Tintenfäßchen. Mit seinem Zauberstab und einem Ding, daß wie ein Dreieck aus Glas, ein Prisma, aussah, unterzog er das Tintenfäßchen einer Prüfung und nickte dann.

"Mmmhmm! Sie konnten dieses kleine Faß nicht öffnen, Mrs. Andrews, weil Ihr Sohn es mit einem Zauber belegt hat, der nur magischen Wesen ermöglicht, es zu öffnen. Das werde ich mir gleich notieren, daß Ihr Sohn diesen Verschlußzauber gelernt hat. Immerhin funktioniert er tadellos, wie ich hier ablesen kann."

"Wie heißt dieses Instrument, Professor Flitwick?" Fragte Julius neugierig und deutete auf das kleine Prisma.

"Ein Incantimeter. Es zeigt diverse Zauber an, wie sie wirken und wie stark sie sind, wenn man einen Prüfzauber auf den zu untersuchenden Gegenstand legt. Damit kann man auch Flüche exakt erkennen, ohne den Gegenstand zu berühren."

"Das habe ich aber bei Prazap in der Winkelgasse nicht gesehen", wunderte sich Julius. Mrs. Priestley nickte nur und sagte, daß so ein Gerät nur an Lehrer oder Ministerialbeamte ausgeliefert würde, weil ja sonst jeder kommen und gezielt Abwehrzauber erkennen und aushebeln könne.

Professor Flitwick notierte sich, daß Julius den Blockadezauber gegen Muggel erlernt hatte und öffnete das Fenster, um den eigentlichen Zauber zu demonstrieren, den Julius auf dieses kleine Tintenfaß gelegt hatte. Tatsächlich sprudelte soviel wasser aus dem Faß, als wenn ein Putzeimer darin abgefüllt worden war.

"Ui!" Machte Mrs. Andrews.

"Offenkundig arbeitet Ihr Sohn an etwas, daß vor Nichtmagiern geschützt werden muß. Erzählen Sie uns bitte, was Sie vorhaben!"

"Gern! Ich arbeite an einem Geburtstagsgeschenk für eine Bekannte, die in Beauxbatons zur Schule geht. Es soll eine Laterna Magica sein, eine echte Zauberlaterne, nicht nur eine Lampe mit Linse und durchsichtigen Glasplättchen, auf denen durchsichtige Bilder gemalt sind. Dieser Zauber diente mir dazu, zu prüfen, ob ich das fertige Gerät gegen den Zugriff von Nichtmagiern sichern kann. Das hat wohl so funktioniert."

"Oho! Ich hoffe, Sie haben sich vorher noch die entsprechenden Gesetze angesehen, die die Herstellung magischer Artefakte regeln", sagte Flitwick in einem Ton, als sei diese Bemerkung rein formal, weil er davon ausging, daß Julius die Gesetze gut kenne.

"Deshalb habe ich das ja gemacht. Ich werde keine eigenständig denkenden Abbilder schaffen, sondern nur räumliche Abbilder von Landschaften mit kleinen Kreaturen oder Geschöpfe, die herumlaufen, aber nicht auf den Betrachter einwirken können, so wie es das Gesetz zur Beschränkung von Illusionen verlangt."

"Gut", sagte Flitwick. Dann warf er das bezauberte Tintenfaß in eine Schublade.

Fünf Minuten später flog eine kleine graue Eule durch das geöffnete Fenster herein und brachte einen Zettel im Schnabel mit. Flitwick nahm den Zettel und las kurz. Dann nickte er und verabschiedete sich mit den Worten:

"Professor Sprout erwartet Sie in ihrem Büro. Die Angelegenheit konnte geklärt werden. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag."

Mrs. Priestley ging voraus, Julius folgte seiner Mutter.

"Und du willst wirklich so eine Illusionslaterne machen? Wie muß ich mir das vorstellen?" Fragte Mrs. Andrews. Julius deutete statt einer Antwort auf eines der Waldlandschaftsgemälde, über das gerade ein Vogel hinwegflog. Dann sagte er:

"Eben nur dreidimensional, räumlich, wie ein Hologramm."

"Hoffentlich leidet deine Schularbeit nicht darunter", sagte Mrs. Andrews.

"Ich dachte, du sagst jetzt, daß ich prüfen soll, ob die Person das wert ist, daß ich meine Freizeit damit zubringe, sowas zu machen", erwiderte Julius.

Im Büro von Professor Sprout sah es so aus wie das letzte Mal, als Julius hier war, um Henrys Zauberstab zu prüfen. Immer noch waren die Wände mit lebendigen Bildern geschmückt, die verschiedene Arten von Pflanzenwuchs darstellten. Auch die Regenbogenkelchblume war noch da, die ihre Farbe ständig wechselte oder die Farbe annahm, die denjenigen in gute Stimmung versetzte, der sie berührte.

Wie Julius erahnt hatte, lobte Professor Sprout Julius' Einsatz im Unterricht und dessen Hilfe für seine Klassenkameraden. Sie führte auch an, daß er durch seine Kontakte zu erwachsenen Hexen, die Kräuterkunde beherrschten, viele Anregungen für seine weiteren Studien der magischen Kräuterkunde bekommen hätte. Wieder versuchte Julius' Mutter, Informationen über Julius' Ferienaufenthalt herauszubekommen. Auch hier probierte sie den Trick mit dem angeblichen Namen aus, diesmal nannte sie die ihr unbekannte Person "Madame Metamorpho". Professor Sprout verzog das Gesicht und wollte gerade ansetzen, den richtigen Namen zu sagen, doch dann lächelte sie kalt, weil sie den Trick durchschaut hatte.

"Interessant. Ich weiß, daß Julius Andrews Schach spielt und dieses von Ihnen gelernt hat. - Auch wenn er nicht zu meinem Haus gehört, bekomme ich doch dieses und jenes mit. - Das war ein guter Versuch. Bedauerlich für Sie ist nur, daß er für mich nicht neu ist. Ich bin schon seit geraumer zeit Lehrerin und kenne daher diverse Tricks, um vertrauliche Informationen zu erhaschen. Aber kommen wir wieder zurück zu meinen Einschätzungen. ..."

Professor Sprout beschrieb noch mal die Schwierigkeiten, die ihr Unterrichtsfach biete und das es ihr egal sei, wie gut oder wie schlecht jemand mit dem Zauberstab hantieren könne, solange er oder sie genügend Aufnahmevermögen für das Wissen mitbringe und anwende, das sie vermitteln müsse.

"Es gibt Fälle, wo ich darauf achten muß, daß jemand mit einem Überwissen nicht die Mitschüler seiner Klasse davon abhält, sich einzubringen. Im Fall Ihres Sohnes kann ich jedoch beruhigt davon ausgehen, daß er nur dann etwas beiträgt, wenn ich ihn dazu auffordere, ich aber dann immer die korrekten Antworten bekomme. Zudem beruhigt es mich auch, daß ich mich nicht allzulange mit Erklärungen aufhalten muß, weil ich weiß, daß Ihr Sohn Arbeitsgruppenfähig ist. Läge es in seinem Charakter, würde er immer die Führung übernehmen, wenn er in eine Gruppe hineinkommt, wo er der Experte ist. Da er dies jedoch nicht tut, sondern nur dann sein überragendes Wissen äußert, wenn er darum gebeten wird, kann ich mich um die Gruppen kümmern, die nicht so enthusiastische Schüler umfassen. Außerdem schrieb mir meine Fachkollegin Camille Dusoleil, daß sie der Meinung sei, Ihr Sohn müsse die Hemmungen abbauen, die ihn daran hinderten, sich frei zu entfalten, ohne gleich den Charakter eines Strebers zu erwerben. An Ihrer Stelle würde ich diesen Kontakt nicht mutwillig verderben, Mrs. Andrews. Teilen Sie dies auch bitte Ihrem Mann mit, der bedauerlicherweise nicht zu dieser Unterredung kommen konnte", sprach Professor Sprout weiter. Mrs. Andrews lief leicht rot an, fing sich jedoch schnell wieder und antwortete:

"Sie kennen seine Ansichten über magische Pflanzen und überhaupt zu dem ganzen Lernstoff hier. Zaubertränke sind für ihn unexakte Alchemie, Zauberkunst, Verwandlung und Besenflug dürfen nach den gängigen Wissenschaften gar nicht existieren und Personen wie dieser Hagrid oder diese Madame Maxime, so respektabel sie auch sein mögen, wären für ihn Monster."

"Nicht nur für ihn", murmelte Julius. Professor Sprout und Mrs. Priestley sahen ihn vorwurfsvoll an und warteten, bis er sich dazu durchrang, seine Bemerkung zu erklären. Er gab kurz den Artikel von Rita Kimmkorn wieder und was dieser ausgelöst, besser, was dieser angerichtet hatte.

"Sie Sehen, daß Sie die Vorurteile nicht für Ihre Welt allein reserviert haben", schloß Professor Sprout das Thema ab. Dann schlug sie vor, den Gästen die Regenbogensträucher zu zeigen. Julius strahlte unvermittelt und sprang wie von einer Feder geschnellt von dem Stuhl auf, auf dem er gesessen hatte.

Hinter Professor Sprout ging es her nach draußen und hinter die Gewächshäuser. Dort warteten bereits Pina, Kevin, die Hollingsworths, Prudence und Jeanne Dusoleil, die an den Sträuchern arbeiteten.

"Ach, kommst du auch mal?" Fragtte Kevin. "Wir dachten schon, Professor Snape würde sich ausführlicher mit deiner Mutter unterhalten."

"Wer ist denn das?" Fragte Martha Andrews erheitert. Julius warf sich in eine wichtige Pose und sprach:

"Darf ich vorstellen? Die Arbeitsgruppe Regenbogenstrauch!" Dann stellte er die Mitglieder seiner Projektgruppe namentlich vor, wobei er auf jeden und jede deutete:

"Betty Hollingsworth, ihre Schwester Jenna, Pina Watermelon und Kevin Malone; alle aus meiner Klasse, wobei die Zwillinge im Haus Hufflepuff wohnen. Dann darf ich dir noch Prudence Whitesand vorstellen, eine Hauskameradin aus der fünften Klasse. Jeanne Dusoleil kennst du ja schon. Von ihrer Mutter haben wir die drei Pflanzen bekommen."

"Du hast die bekommen", korrigierte Kevin Julius sofort. Julius räusperte sich verlegen und bestätigte, daß er die Samenkapseln für diese Pflanzensorte bekommen habe und die, die hier arbeiteten, dazu eingeladen habe, mit ihm zusammen die Pflanzen zu ziehen. Seine Mutter staunte nur über die Farbenpracht der drei Pflanzen und wollte eine dieser Sträucher berühren. Jeanne sah sie genau an. Julius zeigte ihr, wie man vorsichtig die Blätter streicheln mußte, wenn man die Pflanze nicht verschrecken wollte.

"Die reagieren noch empfindlicher auf festes Zupacken als Mimosen, Mum. Vor kurzem hat hier jemand einer Pflanze ein Blatt ausgerupft. Die haben sich eingekugelt und wie Espenlaub gezittert. Dieser Jemand mußte danach seinen Arm in einer Speziallösung waschen, weil der ganz purpurn verfärbt war."

"Ach, um diese Pflanzen ging es. Man hat es mir am Mittagstisch erzählt, daß jemand angebliches Hexenunkraut angefaßt und sich dabei den Arm verfärbt habe", wußte Mrs. Andrews.

"Also, um dies noch mal zu bekräftigen, Madame: Diese Pflanzen ge'ören nicht zu den magischen Unkräutern, sondern zu den Zierpflanzen. Und an Ihrer Stelle würde ich 'offen, niemals wirkliches Zauberunkraut zu sehen zu bekommen", schaltete sich Jeanne Dusoleil mit kalter Betonung ein, wieder ihr stark französisch eingefärbtes Englisch sprechend. Mrs. Andrews schrak zusammen, als habe sie einen Stromstoß erhalten. Dann wandte sie sich der ältesten Tochter Camille Dusoleils zu und sagte:

"Ich hoffe, Sie meinten dies nur aus Spaß, Mademoiselle! Andernfalls muß ich dies als Drohung auffassen, die ich nicht verdient habe. Ich respektiere die Arbeit, die mein Sohn hier ausübt und versuche auch nicht, seine Bemühungen um freundschaftliche Kontakte zu Angehörigen Ihrer Welt zu hintertreiben. - Aber ich muß mich doch nicht vor Ihnen rechtfertigen", sprach Martha Andrews energisch. Jeanne sah sie beruhigend lächelnd an.

"Meine Mutter weiß schon, an wen sie sich 'alten muß, um ihre persönlichen Angelegenheiten zu klären, Madame Andrews", sagte sie nun wieder mit der ruhigen Stimme, die Julius von ihr kannte, wenn sie sich nicht ärgerte oder jemanden tadelte, mit der sie Julius immer dazu anhielt, ihre Art von Vernunft zu bewahren, wohl im Auftrag ihrer Mutter.

"Was passiert mit den Pflanzen, wenn sie ausgewachsen sind?" Fragte Mrs. Priestley, um die Anspannung der letzten Minute zu lösen.

"Diese Pflanzen werden drei Jahre alt. Am Ende ihres Lebens treiben sie kleine goldfarbene Früchte aus, die von magischen Tieren wie Einhörnern, Phönixen und Handtellerkäfern gefressen werden. Sind alle Früchte abgefressen, wirft die Pflanze alle Blätter ab und zerfällt im Laufe von zwei Tagen zu Staub, auf dem neue Pflanzen wachsen können."

"Korrekt, Mr. Andrews", bestätigte Professor Sprout. Dann sagte sie noch, daß man zwischendurch die kleineren Blätter abernten könne, um Zauberfarben und Wirkstoffe für Heiltränke zu gewinnen.

"Unsere Schulkrankenschwester freut sich bereits auf die türkisfarbenen Blätter, weil sie ein gutes Mittel gegen Schwindelanfälle beinhalten", ergänzte die Kräuterkundelehrerin noch.

Mrs. Andrews und Mrs. Priestley sahen zu, wie die Mitglieder der Arbeitsgruppe Regenbogenstrauch noch einige notwendige Arbeiten durchführten und gingen dann mit Julius zurück ins Schloß. Auf dem Weg dorthin kam ihnen Fleur Delacour mit Belle Grandchapeau entgegen. Die Junghexe aus Beauxbatons, die für ihre Schule am trimagischen Turnier teilnahm, hatte sich offenbar wieder beruhigt. Sie schritt graziös daher und versprühte ihre magische Ausstrahlung. Julius mußte sich konzentrieren, diesem Veelazauber nicht zu verfallen. Seine Mutter ging rasch weiter in Richtung des Büros von Professor Sprout.

"Wer ist die Frau, Fleur?" Fragte Belle auf Französisch.

"Auch eine Muggel. Das ist die Mutter von Monsieur Andrews, den Jeanne zum Tanz mitgebracht hat", erwiderte Fleur beinahe im Flüsterton. Julius und Mrs. Priestley warfen sich einen kurzen Blick zu und nickten. Sie wollten sich nicht dazu äußern, daß sie die beiden Mädchen verstanden hatten.

Vor dem Büro warteten die Hardbricks mit Henry. Henry wirkte total eingeschüchtert, während sein Vater entschlossen und seine Mutter erzürnt dreinschaute.

"Wir haben beschlossen, Ihre Scharlatanerie nicht mehr weiterführen zu lassen", begann Mr. Hardbrick. Dann sah er Julius und dessen Besucher.

"Ich hoffe, Sie sind fertig, Mrs. Andrews", sagte er.

"Soweit so gut, Mr. Hardbrick. Allerdings war da doch noch der Fünf-Uhr-Tee mit Professor Dumbledore, wenn ich mich recht erinnere", wandte Mrs. Andrews ein.

"Den können Sie trinken, Mrs. Andrews. Die Party findet ohne uns statt. Dieser Snape, was bildet der sich ein. Erst diese McGonagall. Die wagt es sogar, uns zu drohen", empörte sich Mr. Hardbrick.

"Bitte warten Sie vor dem Büro von Professor Flitwick! Professor Dumbledore wird Sie benachrichtigen, wenn es fünf Uhr ist", empfahl Professor Sprout. Dann zog sie noch ein Stück Pergament aus dem Umhang, das rosarot schimmerte.

"Das hat vor kurzem jemand hier auf dem Gang verloren. Da unser Poltergeist kein Farbenkünstler ist, muß es jemand gewesen sein, der jemanden darauf aufmerksam machen wollte, ein Schüler. Falls Sie wissen, wem es gehört, geben Sie es ihm bitte zurück! Immerhin hat er sich bemüht, zwei Zauber darauf zu legen. Außer daß es bei jeder neuen Berührung die Farbe ändert, ist es völlig harmlos", sagte die Kräuterkundelehrerin und drückte Julius das Pergament in die Hand, worauf es kirschrot wurde. Julius nickte und zwang sich zur Kontrolle seiner Gesichtszüge. Er war sich sicher, daß Professor Sprout wußte, wer ihr das Pergament vor die Tür gelegt hatte. Außerdem hatte sie etwas von zwei Zaubern gesagt.

"Was soll das denn sein?" Fragte Mrs. Andrews, als habe sie das Pergament nicht gesehen und wundere sich über dieses Verhalten. Julius hielt ihr das Stück Pergament unter die Nase und meinte:

"Professor Sprout hat das hier vor ihrem Büro gefunden. Es wechselt die Farbe." Er ließ es fallen, schnappte es kurz vor dem Fußboden wieder auf, worauf es dunkelblau anlief.

"Eine einfache Spielerei", befand Mrs. Priestley und lächelte hintergründig. "Offenbar so bezaubert, daß es einem Nichtmagier nicht wichtig ist und daher ignoriert wird. Eine interessante Kostprobe der Muggelabwehr auf kleinstem Niveau. Darf ich noch mal?" Fragte Julius' amtliche Fürsorgerin. Julius gab ihr das Pergament, worauf es strahlendweiß anlief.

"Genau wie ich vermutete. Eine einfache Spielerei mit Farben. Du kannst es der Person wiedergeben, die es bezaubert hat", sagte sie und reichte das Pergament zurück, das sofort einen himmelblauen Farbton annahm.

Während Julius und seine Besucher durch das Schloß streiften, weil sie noch eine halbe Stunde Zeit hatten, fragte Mrs. Andrews, ob die Hardbricks Henry wieder mit nach Hause nehmen würden.

"Perseus hat die Anweisung, nur jene wieder abzuholen, die er hierhergebracht hat. Die Hardbricks irren sich, wenn sie davon ausgehen, nach Belieben ihren Sohn wieder mitnehmen zu können. Immerhin schuldet er Hufflepuff noch einige Leistungspunkte", antwortete Mrs. Priestley kalt.

"Ich fürchte, die werden dieses Argument nicht gelten lassen, Mrs. Priestley. Die glauben noch weniger als wir vor einem Jahr, daß ihr Sohn hierhergehört. Wahrscheinlich hat ihnen dieser Snape noch Horrorgeschichten über ihren Sohn aufgetischt, und Professor McGonagall legt wert darauf, daß alles seine Ordnung hat", sagte Mrs. Andrews.

"Hui!" Machte es unvermittelt, und ein randvoller Eimer Wasser flog auf die kleine Gruppe zu. Julius hatte seinen Zauberstab schneller in der Hand als Mrs. Priestley ihn davon abbringen konnte. Mit einer schnellen Handbewegung und dem Spruch "Reversimotus", schickte er einen violetten Lichtstrahl aus, der den Eimer traf, bevor dieser über ihnen umkippen konnte. Der Eimer zitterte und sauste dann in die Gegenrichtung, um dann mit lautem Klatschen seinen Inhalt über einem unsichtbaren Etwas zu verschütten, das laut prustete, wüste Beschimpfungen ausstieß und davoneilte, offenbar fliegend.

"Was war das denn?" Fragte Mrs. Andrews.

"Unser Chaot vom Dienst, mit Namen Peeves, Berufung Poltergeist", erläuterte Julius.

"Fernlenkungszauber sind wohl Ihre Spezialität, Mr. Andrews", bemerkte Mrs. Priestley anerkennend.

"Ach, ich habe doch nur die Bewegungsmagie umgepolt", sagte Julius schüchtern.

"Angewandte Telekinese", staunte Mrs. Andrews.

"Telekine-tik, Mrs. Andrews. Telekinese heißt das nur, wenn es natürlichen Ursprungs ist, Sachen fernzubewegen. Die Kunst, durch Magie Fernlenkungen zu vollziehen, heißt Telekinetik."

"Entschuldigen Sie meine Unbildung, Mrs. Priestley", erwiderte Martha Andrews verlegen.

Ein leises Miauen kam von dort, wo der Wassereimer Peeves übergossen hatte. Julius riet leise zum schnellen Rückzug in einen anderen Korridor. Mrs. Priestley wollte auf dem Gang bleiben und dem entgegentreten, was da kommen würde. Julius zog seine Mutter in den Seitengang, der mit Gemälden von älteren Hexen und Zauberern geschmückt war, die alle herüberblickten und dann einander besuchten, um miteinander zu tuscheln.

"Wasser! Als wenn ich überhaupt nichts anderes zu tun hätte, als Wasserpfützen aufzuwischen!" Keuchte eine wütende Männerstimme. Julius flüsterte seiner Mutter zu, daß dies Hausmeister Filch war.

"Filch!" Rief Mrs. Priestley.

"Haben Sie es immer noch nicht geschafft, diesen Poltergeist rauszuwerfen?"

"Was? - Peeves! Wer sind Sie? - Achso, June Priestley. Ihre Gören haben mir schon zu schaffen gemacht. Was wollen Sie hier?"

"Ich komme einer Verpflichtung des Ministeriums nach und betreue einen der Schüler. Peeves wollte mir einen Eimer Wasser überkippen. Ich befand, daß ich ihm dies nicht erlauben durfte und lenkte den mir geltenden Wassereimer auf den Untäter zurück. Diese Pfütze ist doch kein Hindernis."

"Dann machen Sie die doch weg", schnaubte Filch.

"Ich möchte Ihnen nicht die Arbeit fortnehmen. Aber wie Sie meinen. Telurseco!"

Julius hörte ein leises Rauschen. Dann trat Stille ein. Filch stöhnte kurz auf, dann zog er sich mit seiner miauenden Katze Mrs. Norris zurück.

"Arcadia hatte recht. Der Mensch ist ein Squib", sagte Mrs. Priestley, die ein Julius sympathisches Schulmädchengrinsen aufgesetzt hatte.

"Ein was?" Fragten Mutter und Sohn Andrews gleichzeitig.

"Einer, der aus einer Zaubererfamilie stammt, aber fast gar keine Magie besitzt, fast ein Mug.., ähm, Mensch ohne Magie."

"Ich habe das Wort "Muggel" in den letzten zwei Jahren so häufig gehört oder gelesen, daß es keine Empörung mehr in mir auslöst. Sättigung erzeugt Langeweile, Mrs. Priestley", antwortete Martha Andrews.

"Am besten gehen wir hinunter zum Büro von Professor Flitwick", schlug Mrs. Priestley vor. Die Andrews' waren einverstanden.

Als Professor Dumbledore Mrs. Andrews und Mrs. Priestley vor der Tür von Flitwicks Büro fand, entschuldigte er sich noch mal für die ungeplanten Pausen. Dann lud er die beiden Besucherinnen zum Tee in seinen Räumen ein.

Julius eilte durch das Schloß, auf der Hut vor Peeves oder Filch und seiner Katze. Unterwegs hörte er eine heftige Diskussion zwischen den Hardbricks und Professor McGonagall, die auf dem Weg zu Dumbledores Räumen waren.

"... und Sie können mir noch soviel drohen, Sie alte Hexe! Henry fährt mit uns zurück nach Sheffield, basta!" Polterte Mr. Hardbrick. "Denken Sie, ich will mir in den Ferien ständig anhören, wie toll er mittlerweile zaubern kann? Ich glaube Ihnen kein Wort, daß er aus Versehen Magie anwenden wird. Flitwick und Sie haben gesagt, daß er nicht zaubern kann, wenn er nicht will, und dieser Giftpanscher Snape hat ihn gar einen gefährlichen Chaoten genannt, dem er an und für sich nichts in die Hand drücken würde, wenn er dies nicht müßte. Dann hat er hier nichts zu suchen. Noch dazu, wo diese ausländische Hexe und ihre Chefin, die Riesin herumlungern. Nachher gibt es hier noch Vampire oder Werwölfe oder so'n Spukzeug. Nein, Henry fährt mit uns zurück!"

"Was fällt Ihnen ein? Sie kommen hierher, weil Professor Dumbledore Ihnen die Gelegenheit geben wollte, zu sehen, was wir für Ihren Sohn tun und ..", schrillte Professor McGonagalls Stimme durch die Korridore.

"Mit Ihrer Keiferei imponieren Sie mir nicht, auch wenn Sie mir einen Hörschaden verursachen könnte", polterte Mr. Hardbrick dazwischen.

"Paul, hör auf. Die will es nicht einsehen, daß immer noch wir bestimmen, was unser Sohn lernt. Die haben sie doch im Mittelalter vergessen, auf den Scheiterhaufen zu werfen", fuhr Mrs. Hardbricks Stimme kalt und scharf wie eine Schwertklinge dazwischen. Julius stöhnte auf. Das konnte ein Wort zuviel gewesen sein.

"Was war das?! Sie kommen hierher, soviel sagte ich, weil Professor Dumbledore Sie einlud, sich hier anzusehen, wie Ihr Sohn unterrichtet wird und wagen es, nicht nur respektable Gäste unseres Hauses zu beleidigen, sondern auch uns, den Lehrkörper?"

"Mit zwei E, denke ich ...", setzte Mr. Hardbrick an. Doch ein lauter Knall, gefolgt von einem angsterfüllten Quieken, wie von einer Ratte oder Maus, brach seinen Satz ab. Mrs. Hardbrick schrie auch. Wieder knallte es, und noch ein lautes Quieken ertönte.

"Wie gesagt, ein Wort zuviel", flüsterte Julius.

Dann sah er zu, daß er Land gewann, bevor die wütende Professor McGonagall noch auf die Idee kam, ihn als unliebsamen Lauscher auch noch in ein Nagetier oder sonst etwas zu verwandeln. Denn anders konnte Julius die Knälle und das angstvolle Quieken nicht erklären.

"Die sind doch wahnsinnig", sagte er keine zwei Minuten später zu Gloria Porter im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws. Diese fragte, wen er meine und er flüsterte ihr zu, was er mitbekommen hatte.

"Ich stimme dir uneingeschränkt zu", bemerkte Gloria dazu nur. Cho Chang, die sich mit Prudence über die letzten Aufgaben vor den in zwei Wochen beginnenden Prüfungen unterhielt, sah kurz zu Julius herüber. Dann winkte sie ihm zu. Gloria zischte ihm zu, nicht zu verraten, was er erlauscht hatte. Julius nickte und ging an den Tisch der beiden älteren Mädchen.

"Cedric hat gesagt, daß die Hardbricks ihren Sohn mitnehmen wollen. Stimmt das?"

"Sagen wir es so, sie haben es vor", erwiderte Julius und erzählte nur, daß er sie vor Professor Sprouts Büro gesehen hatte.

"Du hast gehört, was heute morgen auf dem Quidditchfeld passiert ist?" Fragte Cho.

"In allen Einzelheiten", erwiderte Julius.

"Also wenn der Sohn schon für Hufflepuff der wahre Alptraum ist, dann könnten seine Eltern den Ablauf des trimagischen Turniers total vermiesen", sagte Cho. Julius beruhigte sie.

"Fleur hat es eingesehen, daß man sich wegen eines ignoranten Muggels nicht so lange aufregen soll. Insofern darf Cedric sich weiterhin freuen, sie in der dritten Runde zu besiegen."

"Du bist ein alter Scherzbold, aber einer mit Wortwitz, Mr. Julius Andrews", grinste Cho Chang.

"Ihr macht euch schon für die Prüfung fit? Gute Idee! Damit sollte ich morgen auch sofort weitermachen. Ich bin nur froh, daß meine Mutter keinen Ärger mehr haben will. Ich gehe dann wieder zurück zu Gloria. Bis dann irgendwann!"

Julius warf noch einen Blick auf die langen Arithmantiktabellen, die die beiden Fünftklässlerinnen vor sich liegen hatten und fragte sich, ob er dieses Fach wirklich haben wollte. Aber andererseits war Muggelkunde wirklich lächerlich für ihn, und Wahrsagen erschien ihm doch ein abgedrehter Budenzauber zu sein.

"Erklärst du mich für eifersüchtig, oder darf ich fragen, was Cho von dir wollte?" Begrüßte Gloria Julius lächelnd.

"Du darfst fragen. Sie wollte nur wissen, ob Cedric noch die dritte Runde gegen Fleur antreten muß oder diese vorher wutentbrannt und beleidigt von Dannen zieht."

"Und?"

"Ich habe ihr gesagt, daß Cedric nun keine Chancen mehr gegen Fleur hat, wo sie jetzt so richtig angeheizt ist", sagte Julius halblaut. Gloria lachte und kniff Julius verspielt in die Nase.

"Wenn du ihr das so erzählt hättest, hätte sie dich nicht so angestrahlt. Dir geht es auf jeden Fall wieder gut, oder?"

"Besser als vor diesem Tag, Gloria", erwiderte Julius. Dann bot er an, mit ihr Schach zu spielen. Sie nickte. So holte jeder der Beiden sein oder ihr Zauberschachspiel aus dem jeweiligen Schlafsaal, und bald war eine wüste Schlacht auf dem Schachbrett im Gange. Besonders die Springer und Türme schlugen gnadenlos, wenn sie eine Figur vom Brett werfen konnten.

"Welcher impertinente Rohling erdreistet sich, mich zu bedrohen", empörte sich Glorias weiße Dame über einen Springer, der sich gerade in Schlagposition gebracht hatte.

"Der edle Ritter von Villenoire trägt den Wunsch nach Sieg vor Eure Tore, Madame", frohlockte der schwarze Ritter und winkte mit der Lanze.

"Dame von e5 nach f4!" Befahl Gloria.

"Haltet ein, denn sehet ihr nicht den schwarzen Turm auf f7?" Flehte die weiße Königin und deutete auf den gedrungenen schwarzen Turm, der eine Reihe weiter rechts von ihr stand.

Gloria zog ihre Dame zwei Felder vor, so daß sie den schwarzen Springer im nächsten Zug schlagen konnte. Doch Julius zog den Springer wieder so, daß er die Dame erneut bedrohte.

Gloria zog die Dame nun ganz aus der Gefahrenzone, geriet dabei aber in Schach. Ihr König stieß eine kurze Verwünschung aus, während Julius den nächsten Zug vorbereitete, mit dem er den König ins Schachmatt treiben konnte, ohne selbst Gefahr zu laufen, noch zu unterliegen. Er gewann die Partie fünf Züge später, weil Gloria, die eine Falle witterte, aber dafür drei Züge später keinen Zug mehr tun konnte, ohne daß ihr König geschlagen wurde.

Julius gewährte Gloria eine Revanche, die er nach zwanzig Zügen gewann.

"Das ist ja gruselig", hörte Julius die Stimme seiner Mutter hinter sich. Julius fuhr herum und sah seine Mutter in Begleitung vonProfessor Flitwick und Mrs. Priestley.

"Ach, die tun sich nicht richtig weh, Mum. Die stehen alle wieder auf dem Brett, wenn neu gespielt wird. Haben sie dir erlaubt, in den Gemeinschaftsraum zu kommen?"

"Ich war so frei, nachdem Professor Dumbledore und Professor McGonagall befanden, daß Mrs. Andrews bei der Unterredung mit den Eheleuten Hardbrick nicht anwesend zu sein brauchten", sagte Professor Flitwick.

"Wann müßt ihr wieder weg?" Fragte Julius.

"Um sieben kommt dieser Perseus, der Herr, der uns hergebracht hat", sagte Mrs. Andrews. Dann fragte sie:

"Ist das die übliche Art, Schach zu spielen?"

"Yep!" Erwiderte Julius trocken. Gloria fragte, ob Mrs. Andrews nicht einmal gegen Julius antreten wolle.

"Ich weiß nicht. Lebende Spielfiguren grenzen für mich an Alpträume. Nachher verliere ich noch, weil es mich zu sehr graut, Figuren zu verlieren", sagte Mrs. Andrews.

Cho und Prudence tauschten kurz Blicke aus und kamen dann herüber.

"Ist es nicht wahr, daß du mir noch ein Spiel schuldest, Julius?" Fragte Prudence.

"Du meinst, weil ich im letzten Sommer nicht gegen dich gewonnen habe, Prue?" Fragte Julius.

"Wie oft habe ich dir gesagt, ...? Aber lassen wir das. Ja, du mußt noch gegen mich verlieren, du Künstler. Immerhin bist du dieses Jahr schon fest angemeldet, während ich anderweitig verpflichtet bin", sagte Prudence. Gloria nickte ihr zu und wechselte den Platz, damit die ältere Hauskameradin mit ihren Schachmenschen spielen konnte.

Mrs. Andrews beobachtete das Getümmel auf dem Schachbrett mit einer Mischung aus Unbehagen, Aufregung und Interesse. Julius tat sich am Anfang schwer, eine nützliche Eröffnung zu Wege zu bringen. Doch nach dem zwanzigsten Zug protestierte die weiße Königin aus Glorias Schachspiel:

"Ich ging davon aus, daß sie erfahrener sei. Doch offenkundig hat sie sich übertölpeln lassen und uns wieder der demütigenden Niederlage preisgegeben. Vermag auch nur eine Person in diesem Raum die Schmach zu tilgen, der wir wieder und wieder unterzogen wurden?"

"Fermez votre Bouche!" Entgegnete einer der schwarzen Türme, der gerade den weißen König ins Schach gezwungen hatte.

"Wie bitte?!" Regte sich die weiße Königin auf.

"Wenn du nicht verlieren kannst, laß es bleiben", knurrte der Turm.

"Uuöööah!" Entfuhr es Julius' Mutter. "Wenn ich heute nacht Alpträume von menschengroßen lebenden Schachfiguren habe, kriegst du was zu hören, Julius Andrews", drohte Julius' Mutter, wohl wissend, daß sie damit nichts ausrichten konnte. Nach vier weiteren Zügen war für Prudence kein Ausweg mehr frei. Mrs. Andrews klatschte Beifall, wofür sie mit Schschsch-Lauten bedacht wurde.

"Revanche, Ms. Whitesand?" Fragte Julius, nachdem der weiße König die Krone vom Kopf genommen und sie mit dem Zepter vor den schwarzen Figuren abgelegt hatte. "Langsam droht uns die Pein eines tückischen Hexenschusses", schnaubte der unterlegene König gereizt. Julius lachte hinter vorgehaltener Hand, während ein schwarzer Bauer den weißen König einen Schwächling schalt.

"Mit diesen Figuren hast du dieses Schachturnier gespielt?" Fragte Mrs. Andrews.

"Ja, die habe ich extra zu diesem Zweck bekommen", sagte Julius ruhig und bereitete sich darauf vor, wieder einen Versuch abzuwehren, den Namen von Madame Faucon herauszubringen. Doch Julius' Mutter nutzte die Chance nicht aus, die sie hatte. Immerhin wußte sie ja, daß Julius die Hexe, bei der er die Ferien verlebt hatte, ihn zu der Teilnahme an dem Turnier bewogen hatte.

"Ich werde meine Hausaufgaben noch beenden", sagte Prudence ruhig und kehrte mit Cho an den Tisch zurück, wo noch ihre Bücher und Pergamentrollen lagen.

Kurz vor sieben gingen Professor Flitwick, Mrs. Andrews, Mrs. Priestley, Gloria und Julius hinunter und zum Schloßtor hinaus. Draußen sahen sie Professor Sprout und Professor McGonagall, die sich wieder mit den Hardbricks um Henry stritten.

".. Er wird in den Ferien zu Ihnen zurückkehren. Vorher nicht. Immerhin muß er noch die Prüfungen bestehen", bestand Professor Sprout darauf, daß Henry in Hogwarts blieb.

"Vergessen Sie's!" Knurrte Mr. Hardbrick. Professor McGonagall schnaubte:

"Sie wollen nicht lernen. Aber Ihr sohn, der will lernen. Dies wird er nur bei uns können. Es ist gleich sieben Uhr. Der Fahrer wird vor dem Tor auf Sie warten. Der Junge bleibt bis zu den Ferien bei uns, wird sich bemühen, die Prüfungen zu bestehen und dann zu Ihnen nach Hause kommen. Da wir jetzt wissen, daß er auf Ihr Geheiß hin Unruhe stiftete und ein schlechtes Licht auf sein Haus warf, werden wir dies zukünftig unterbinden. Wir haben noch lange nicht alle Mittel ausgeschöpft", drohte die Verwandlungslehrerin.

"Dann darf Henry doch zumindest bis zum Tor mitkommen?" Erkundigte sich Mrs. Hardbrick.

"Ja, das darf er", gestand Professor McGonagall den Hardbricks zu. Julius durfte auch mit bis ans Tor. Er sah bereits, daß sich die Durmstrangs und Beauxbatonss aus ihren Reisefahrzeugen zum Schloß begaben.

"Also, Mum! Ich bleibe mit dir in Kontakt. Falls irgendwas passiert, schreibe mir bitte!" Verabschiedete sich Julius von seiner Mutter. Zu Mrs. Priestley sagte er:

"Ich bedanke mich dafür, daß Sie es ermöglicht haben, daß meine Mutter mich besuchen durfte. Grüßen Sie mir Arcadia und Ihren Mann!"

"Werde ich tun, Mr. Andrews", erwiderte Mrs. Priestley.

Vor dem Tor wartete Perseus, der Ministeriumsfahrer mit den beiden magischen Kunstarmen. Er trug seine übliche Chauffeursuniform und die fleischfarbenen Handschuhe, die die silbernen Hände überdeckten.

"Hallo, junger Sir! Alles in Ordnung?" Fragte der Mann, von dem Julius wußte, daß er früher als Drachenjäger für das Ministerium gearbeitet hatte. Julius erwiderte, daß es ihm sehr gut gehe.

Die Hardbricks verabschiedeten sich von Henry und rieten ihm, sich nicht von "diesen Hexen" einschüchtern zu lassen.

"Unsere Abmachung gilt noch", sagte Mr. Hardbrick nur zu seinem Sohn, dann ging er durch das Tor hinaus und hinunter zu dem Ministeriumswagen. Mrs. Hardbrick rannte ihm nach, während Julius' Mutter und Mrs. Priestley gemessenen Schrittes zum Auto gingen. Als das blaue Auto des Ministeriums davongeholpert war, kehrten die Lehrer und Julius zum Schloß zurück.

"Ich muß Ihnen ein Kompliment aussprechen, daß Ihre Mutter wesentlich vernünftiger auf uns zugegangen ist als die Eltern von Henry Hardbrick", gestand Flitwick Julius ein. Dann betraten sie das Zauberschloß und die große Halle.

Jeanne winkte Julius schon zu. Sie saß rechts neben Gloria, rechts von ihr war ein Platz frei.

"Nein, Jeanne", dachte Julius bei sich. Langsam ging ihm das mütterliche Umsorgen der ältesten Dusoleil-Tochter auf die Nerven. Doch er zwang sich, zu lächeln und setzte sich hin und ließ sich gefallen, daß Jeanne ihm wieder mehrere Portionen vorlegte, hauptsächlich Gemüse und Kartoffeln.

"Was hat deine Mutter noch gesagt?" Fragte Gloria, als Julius endlich einmal Pause machen konnte.

"Sie möchte mit mir in Verbindung bleiben. Sie möchte Madame Dusoleil und Aurora Dawn noch mal anschreiben, wenn sie die Gelegenheit dazu hat."

"Dann hat sie es also begrüßt, daß du hier bist?" Fragte Gloria.

"Sagen wir es so: Die Schachfiguren und die Verwandlungsübungen haben ihr schon zugesetzt. Aber sie sieht ein, daß ich hier besser damit umgehen lerne als anderswo."

"Besser als in Beauxbatons?" Fragte Jeanne lauernd.

"Nachdem sie eure Schulleiterin gesehen hat und zwischen unserem Schulleiter und ihr einen Vergleich anstellen konnte, glaube ich schon, daß sie das so meint, Jeanne."

 

 

In den letzten Maiwochen ackerte Julius wie wild. Wenn er nicht las und Unterrichtsnotizen nachprüfte, um für die Jahresendprüfungen fit zu sein, experimentierte er weiter mit Abbildungszaubern oder malte die ersten Motive für seine Laterna Magica. Zwei Tage vor der ersten Prüfung hatte er die kleinen Glasplättchen fertig, die mit durchsichtigen Farben bemalt waren. An und für sich wollte er nur zwanzig Bilder machen, doch in seiner Schaffenswut, die ihn wunderbar vom bevorstehenden Prüfungsdruck ablenkte, wurden es dann dreißig. Bilder von Einhörnern in einem Wald, einer Wüstenlandschaft mit Kamelen, einem Pferdeschlitten in einer Schneelandschaft, einem Unterwasserbild mit einem Kraken und einer strohblonden Meerjungfrau mit korallenrotem Fischschwanz, sogar eine Mondlandschaft unter einer aufgehenden Erde. Sein Meisterwerk war eine Szene aus einem Quidditchspiel, für die er fast zwei Tage an einem Plättchen gemalt hatte. Die Kunst dabei war das Überdecken der ersten Bilder mit neuen Vordergrundbildern, die immer wieder mit einem Rückstellzauber gelöscht und an Vorgegebene Bewegungsmuster angekoppelt werden mußten. Einen Tag vor der Prüfung, Gloria und Jeanne wiesen ihn darauf hin, daß er sich nun besser zurücknehmen und auf die Bewältigung der Prüfungsfragen konzentrieren solle, überraschte er Kevin, der am Nachmittag in den Schlafsal kam und unvermittelt einem ungeheuren bretonischen Blauen, dem größten in Frankreich lebenden Drachen gegenüberstand, der, so schien es, durch die Wand in den Schlafsaal hereingebrochen war.

"W-was ist d-das d-denn?!" Rief Kevin, als er in eine gelbrote Flammenwolke eingehüllt wurde. Er spürte keine Hitze, keinen Schmerz und hörte auch kein Geräusch.

Von einem Augenblick zum nächsten verschwand der Drache und hinterließ eine völlig unversehrte Schlafsaalwand.

"Wau!" konnte Kevin nur dazu sagen. Julius hielt eine altmodisch wirkende Laterne aus Metall in der rechten Hand.

"Das hast du also die ganze Zeit gebaut. Gloria und Pina haben schon gefürchtet, du würdest andauernd nur Übungen für McGonagall machen. Ist das die Rache für die Walpurgisnachthexen?"

"Yep!" Erwiderte Julius. Dann führte er Kevin seine besten Bilder vor. Kevin stand einmal auf dem Mond unter dem schwarzen Himmel, an dem gerade der blaue Ball der Erde über den Horizont stieg, stand vor einem Wasserfall, der aus hundert Metern Höhe herabzustürzen schien oder sah durch dunkelblaues Wasser eine Meerjungfrau und einen schwarzen Riesenkraken, weit über sich das flackernde Licht einer sich in der Wasseroberfläche brechenden Sonne.

"Man hört ja nichts", bemerkte Kevin.

"Das mache ich noch rein, wenn die Prüfungen vorbeisind. Da muß man sich nämlich eine Minute lang auf die Geräusche konzentrieren, die das Bild liefern muß. Ansonsten ist die Geschichte fertig", antwortete Julius und packte die bemalten Glasplättchen in seine diebstahlsichere Reisetasche. Auch die Laterne mit dem bezauberten Linsenpaar legte er sicher fort.

"Wenn die Prüfungen durchsind, kriegt Flitwick die Konstruktionsliste", sagte Julius. Kevin nickte.

"Pina hatte recht. Du bist ein Künstler. Irgendwer in deiner Familie muß dir das vererbt haben. Das müssen ja nicht deine Eltern sein", bekundete Kevin.

"Eine Urgroßmutter von mir soll gemalt haben. Aber von der ist nichts berühmt geworden", murmelte Julius nicht ganz sicher.

"Na, bitte!" Sagte Kevin dazu nur.

Mit Julius' Erlaubnis konnte Kevin die Neuigkeit den Mädchen aus der zweiten Klasse beibringen. Gloria und Pina gratulierten Julius zu dieser Arbeit und fragten, ob er sie ihnen nach den Prüfungen vorführen könne. Julius sagte, daß er das möglicherweise in der letzten Zauberkunststunde machen wolle, bevor die Ferien anfingen.

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