Am Tag der ersten Prüfung hörte Julius Andrews erstmals genauer hin, als am Tisch der Ravenclaws über die dritte Turnierrunde gesprochen wurde. Er erfuhr, daß man auf dem Quidditchfeld ein Labyrinth aus schnellwachsenden Hecken errichtet hatte, das bis zum 24. Juni sieben Meter hoch anwachsen würde. Fleur Delacour erzählte ihren Schulkameraden, daß man Kreaturen und Zauberfallen in diesen Irrgarten einbauen würde, an denen die Champions vorbeikommen müßten. Kevin Malone hatte Julius Schokofrösche neben den Teller gelegt, die Wettschuld, die er zu entrichten versprochen hatte, wenn tatsächlich ein Labyrinth als dritte Aufgabe drankommen sollte.
"Dem Prüfungsablauf nach dürfen wir erst bei Binns schwitzen, dann bei Moody, danach McGonagall, dann Snape, Sinistra, anschließend Flitwick und schließlich Sprout", seufzte Kevin. Außer in Zauberkunst interessierte es ihn nicht, was er in anderen Fächern hervorragendes bringen konnte. Gloria hatte Julius zugeflüstert, daß er diesmal in Zaubereigeschichte besser abschneiden solle als im lezten Jahr. Julius meinte nur:
"Hauptsache in Zaubertränken läuft's. Nachdem meine Mutter hier war, wird Snape darauf brennen, mich durchrasseln zu lassen."
"Du hast ihm nichts getan, wofür es sich lohnt, dich durchrasseln zu lassen", tröstete Gloria Julius.
"Wird sich zeigen", sagte Julius nur.
Alle atmeten auf, als die Prüfung bei Binns vorüber war. Julius wurde gefragt, wie er die vierte Frage beantwortet habe, in der es um Ursache und Auswirkung der Zaubererkonferenz von 1451 ging. Julius erzählte kurz, wie er geantwortet hatte. Gloria und Gilda sahen ihn zufrieden an, während Kevin ein langes Gesicht zog.
"Oha, da habe ich wohl eine andere Konferenz gemeint."
Den Nachmittag vertrieben sich die Zweitklässler mit Spaziergängen und lesen, um sich von den nächsten Prüfungen abzulenken.
Am nächsten Tag kam Moodys Prüfung dran.
"Zuerst werdet ihr mir alle aufschreiben, wie die Stufeneinteilung der weniger starken Flüche aussieht. Danach werdet ihr mir eine Liste mit mindestens zwanzig Flüchen und Gegenflüchen zusammenstellen, auf der ihr auch beschreibt, wie sie wirken. Anschließend werde ich jeden einzeln auf sein oder ihr praktisches Talent prüfen. Da wird sich zeigen, ob ihr bei mir wirklich etwas gelernt habt", verkündete Moody knurrig und lächelte mit seinem geschundenen Mund so gruselig, daß es allen Schülern kalt den Rücken herunterlief. Dabei rollte sein magisches Auge zu Julius und Kevin hinüber, von denen er sich wohl ein hohes Leistungsvermögen versprach.
Die schriftliche Arbeit war nach einer Stunde erledigt. Julius hatte ausführlich beschrieben, wie die verschiedenen Flüche wirkten und das mancher Gegenfluch ohne vorhergehenden Fluchangriff ebenfalls schädlich für den damit bezauberten ausfiel. So löste ein Entstarrungszauber, der auf jemanden gelegt wurde, der nicht vorher durch einen Erstarrungszauber wie zu Stein verflucht war, eine totale Elastizität aus, machte alle Knochen gummiartig. Dagegen half dann nur ein Delastikus-Zauber, der die natürliche Festigkeit der Knochen wieder herstellte.
Dann kam der praktische Teil. Alle mußten vor der Klasse warten, während Moody die schriftlichen Arbeiten verstaute. Dann rief er die Prüflinge alphabetisch sortiert herein. Wie üblich war Julius Andrews wieder als erstes dran.
"Du hast über das ganze Schuljahr den Eindruck gemacht, als müßtest du dich zurückhalten, um nicht zuviel zu zeigen. Flitwick und McGonagall haben gesagt, daß du ein starkes Zauberpotential hast. Das wirst du jetzt brauchen", begann Moody und löste unvermittelt einen Angriffszauber gegen Julius aus. Julius war auf der Hut und parierte den Fluch durch schnelles Ausweichen und das Aussprechen einer Breitbandabwehr. Diese hielt dem darauf folgenden Fluch stand, mußte jedoch nach dem nächsten Angriff erneuert werden. Julius beließ es nicht dabei, die Abwehr grundsätzlich hochzuhalten. Er versuchte es mit Gegenangriffen, wobei er sich bemühte, keinen wirklich schädlichen Fluch zu schleudern. Moody machte es wild, daß Julius so schnell reagierte, daß er alle zwei Sekunden vier Flüche hintereinander losließ, von denen drei direkt abgeschlagen und der Vierte durch einen Schutzschildzauber aufgehalten werden konnten.
"Horritimor!" Rief Moody. Julius grinste und murmelte: "Auracalma!"
Moodys Fluch sollte für fünf Minuten eine unbezähmbare Panik auslösen. Julius Abwehr schuf um ihn eine Magie, in der Gefühlsbeeinflussungszauber verpufften. Tatsächlich knisterte und sprühte es um Julius herum, als der Fluch, der auf keinem sichtbaren Strahl übertragen wurde, in der ebenfalls unsichtbaren Schutzumhüllung zerstreut wurde.
Nach ungefähr zehn Minuten hatte Moody genug. Er entließ Julius mit der Bemerkung, daß er sehr flexibel und stark sei.
Die nächsten Prüflinge hatten nicht soviel Glück, unversehrt aus der Klasse zu kommen. Eric rannte von wilder Panik ergriffen aus dem Raum davon, Fredo rollte mehr heraus als er lief, weil ein Bauchschwellzauber seinen Bauch zu einer metergroßen Kugel aufgebläht hatte. Kevin kam heraus wie ein aufgedrehter Diskotehkenbesucher herumzuckend und tanzend. Gloria Porter kam mit solch langen Haaren aus dem Klassenzimmer, daß sie fast schon darauf trat. Dann wirkte sie den entgegenwirkenden Zauber und ließ ihre hellblonde Lockenpracht wieder soweit zurückgehen, bis sie ihre bevorzugte Frisur wiederhatte.
"Immerhin hast du es länger ausgehalten als Kevin", stellte Julius fest.
Pina weinte, als sie vollständig mit strohblondem seidenweichem Fell in Gesicht und an den freiliegenden Hautpartien aus der Klasse kam.
"Ich kann diesen Gegenfluch nicht", schluchzte sie, "um das Zeug wieder loszuwerden."
Julius half ihr mit den entsprechenden Formeln aus, so das Pina bis auf den für sie typischen Haarzopf keine überflüssigen Haare mehr im Gesicht und an den Händen hatte.
Am Nachmittag ruhten sich die meisten Ravenclaws in den Schlafsälen aus. Prudence, die an diesem Morgen Verwandlungsprüfung mit Zag-Schwierigkeiten gehabt hatte, unterhielt sich mit Cho noch über den Zwischenfall, bei dem einer ihrer Klassenkameraden bei der Verwandlung eines Schweines in einen Schäferhund das Schwein kunstvoll in der Wand des Klassenzimmers verschmolzen und sich aus Versehen eine Hundeschnauze angehext hatte.
"Der wird es nicht geschafft haben", meinte Cho mitfühlend, als der betreffende Schüler durch den Eingang kletterte, mit einem völlig normalen Gesicht."
"Offenbar wird es wohl nur eine Vier, weil ich irgendetwas erreicht habe", sagte er niedergeschlagen. Julius wollte das nicht hören. Denn am übernächsten Tag hatte seine Klasse Verwandlungsprüfung.
Den Freien Tag zwischen der Prüfung bei Moody und der nächsten Prüfung trainierte Julius, sich auf Geräusche zu konzentrieren, um die bezauberten Bilder für die Laterna Magica noch unterlegen zu können. Ein räumliches Abbild war zwar beeindruckend. Doch wenn dann noch entsprechende Geräusche dazukamen, wirkte die Illusion besser. Auf einer Wiese vor dem Schloß probierte er den Zauber noch mal aus, indem er eine Teetasse zu bezaubern versuchte, daß sie eine einfache Melodie erklingen ließ. Hierzu mußte er die Runen für Hören und Klang aufmalen und die Zauberworte am Anfang und am Ende so sprechen, daß sie in das von ihm nur in Gedanken verursachte Geräusch hineinreichten. Es gelang ihm irgendwann, sich so zu konzentrieren, daß die Teetasse die Melodie eines beliebten Ohrwurms von Hecate Leviata trällerte. Jeanne, die mit Fleur über die dritte Runde und die von den Beauxbatonss, die mit ihrem Champion in Hogwarts geblieben waren, zu bewältigenden Prüfungen sprach, kam herüber und lauschte kurz.
"Ich dachte, du magst mittlerweile selbstgespielte Musik, Julius. Ist das noch für Zauberkunst?"
"Weiß ich nicht, Jeanne. Ich wollte nur testen, ob ich mich so gut konzentrieren kann, daß ich das machen kann. Man kann ja auch Grußkarten damit zum singen bringen."
"Allerdings", meinte Jeanne. Dann fragte sie:
"Was habt ihr morgen?"
"Verwandlung. Mittlerweile kann ich aus vollen Gläsern leere machen. Damit dürfte ich die Prüfung schaffen", antwortete er.
"Ach ja? Dann mach das mal, ohne die Tasse zu berühren!" Forderte Jeanne und ließ unvermittelt aus ihrem Zauberstab einen Strahl Rotwein in die Teetasse fließen. Julius wollte schon nach der Tasse greifen, doch Jeanne bedeutete ihm, nicht zu mogeln. Julius seufzte und erwiderte:
"Das war nur ein Scherz, Jeanne. Jeder kann ein volles Glas leertrinken. Das kann jeder Muggel."
"Soso, du kannst also keine vollen Gläser in leere verwandeln, ohne sie zu berühren. Dann wirst du wohl durch die Prüfung fallen", grinste Jeanne ihn an. Sie hob ihren Zauberstab und ließ ihn einmal über der Tasse kreisen. Unvermittelt verdunstete der Rotwein zu einer duftenden Dampfwolke und ließ die Tasse leer und völlig sauber zurück.
"Das war zwar Zauberkunst, aber eine Methode, um Behälter ohne Berührung zu leeren", sagte Jeanne und wünschte Julius viel Erfolg bei der nächsten Prüfung. Julius griff die Teetasse, warf sie hoch in die Luft und führte schnell eine bestimmte Abfolge von Zauberstabbewegungen aus. Als die Stabspitze die fallende Tasse anvisierte, knallte ein violetter Blitz heraus und traf die Teetasse, die unverzüglich verschwand. Statt ihrer sank nun ein roter Luftballon zur Erde.
"Magnifique!" Lobte Fleur Delacour, die Julius aus der Ferne beobachtete. Er hörte Jeanne sagen, daß das für Julius schon reine Spielerei war, worauf die Beauxbatons-Turnierteilnehmerin Julius mit einem hochachtungsvollen Blick bedachte, der Julius einen Schauer über den Körper jagte, als sei er erst in kochendes und sofort danach in eiskaltes Wasser geworfen worden.
"Hallo, Julius!" Grüßte Roger Davis, der Ravenclaw-Quidditchkapitän den Hauskameraden. Julius drehte sich um. Roger hatte am ganzen sichtbaren Körper Einstiche. Der Umhang war zerrissen, und die sonst so ordentlichen Haare total mit Erde verschmutzt.
"Ui! Was hast du denn angestellt?"
"Einen leidenschaftlichen Ringkampf mit einem Lauerbusch, einer bodenständigen fleischfressenden Wanderhecke. Sprout hat uns durch einen Gartenparcours geschickt, um nützliche und schädliche Pflanzen für sie zu beschreiben. Dabei bin ich diesem Gewaltgemüse ins Gehege gekommen und kann froh sein, daß ich noch alle Glieder am Leib habe. Aber geh besser rein, sonst meint Fleur noch, ich würde immer so herumlaufen."
Davis verzog sich schnell ins Schloß. Julius grübelte. Dann ging er zu Jeanne hinüber und fragte sie:
"Entschuldigung, Jeanne! Aber deine Maman hat mir da in der grünen Gasse den Lauerbusch vorgestellt. Ist es nicht so, daß diese Carnivoren eine Zeit lang auch auf nichtmagisch angereichertem Boden umherlaufen können?"
"Wenn sie nicht von einer Bannlinie abgehalten werden, können die schon zwei wochen ohne magischen Dünger überleben. - Hat Davis sich mit diesem Unkraut angelegt?"
"Wohl eher umgekehrt", erwiderte Julius leicht grinsend.
"Also diese Pflanzen kommen nur dort vor, wo magische Kleintiere zu finden sind. Sie fressen zwar auch Fleisch von gewöhnlichen Tieren, brauchen aber für ihre Laufwurzeln entsprechende Dünger. Ein guter Hexengärtner bringt immer einige Gramm Drachentaugrassaft in den Mutterboden ein, wenn er einen Garten bepflanzt. Das Zeug mögen die Lauerbüsche nicht", sagte Jeanne.
Julius erkundigte sich noch, wie die Beauxbatonss an Prüfungen teilnahmen. Jeanne erklärte ihm, daß sie im Verbund mit den sechsten und siebten Klassen von Hogwarts geprüft wurden.
"Die Prüfungsrichtlinien sind ja schon seit dem 19. Jahrhundert vereinheitlicht worden, gerade um junge Hexen und Zauberer in aller Welt zu gleichen Bedingungen Arbeit geben zu können. Das ginge ja nicht, wenn eine Eins in Hogwarts einer Zwei in Beauxbatons entspreche, zumindest bei den Abschlußprüfungen", antwortete Jeanne. Das genügte Julius, um sich ein Bild davon zu machen, wie es für angehende Zauberer und Hexen, die in einem wichtigen Beruf anfangen wollten, sein mußte, wenn sie um die halbe Welt reisten, was ja durch gewisse magische Verkehrssysteme noch einfacher war als für die Nichtmagier.
Er verabschiedete sich von Jeanne und Fleur und kehrte ins Schloß zurück.
Nach dem Abendessen las Julius noch etwas in "Eine Geschichte von Hogwarts". Um neun Uhr lagen die Zweitklässler bereits in ihren Betten, um vor der Prüfung am nächsten Tag genug Schlaf zu bekommen.
Julius wachte bereits um fünf Uhr morgens auf und war so wach, daß er wohl vor der Aufstehzeit keinen weiteren Schlaf bekommen würde. Deshalb nahm er sich leise das Buch über Muggelartefakte, um vor dem Aufstehen noch etwas für ihn erheiterndes zu lesen. Er mußte sich anstrengen, nicht laut loszulachen, als er das Kapitel über Flugmaschinen las. Dort hieß es, daß der Traum vom Fliegen für die handwerkliche und technische Entwicklung der Muggel so verführerisch war, daß sie es als großen Fortschritt ansahen, als sie nach dem Heißluft- und dem Wasserstoffgasballon nun auch fliegende Maschinen erfanden, ohne die Sache fortzuentwickeln.
"Ihre eingeschränkte Auffassung von den Abläufen in der Natur zwingt die Nichtmagier dazu, sich mit halbherzigen Produkten zu begnügen. Das Flugzeug, das wie ein großer Vogel aus Metall mit starren Flügeln und ohne Schwanzfedern aussieht, stellt für Nichtmagier ein vorher nie dagewesenes Erfolgserlebnis dar, weil sie nun in der Lage sind, in einem Tag einmal um die Welt zu reisen, größere Lasten zwischen den Kontinenten zu befördern oder schneller zu fliegen als sich der Schall in der Luft fortbewegt. Letztere Art der Flugmaschinen dienen jedoch eher gewaltsamen Auseinandersetzungen, da ihre Schnelligkeit sich bei Kämpfen in der Luft besonders auszahlt und der hohe Verbrauch einer Flüssigkeit, die den Maschinen die Antriebskraft gibt und daher Treibstoff heißt, sich nur in gewaltsamen Handlungen rechtfertigen lassen, die zwischen mehreren Ländern ausgefochten werden. Das einzige nichtkriegerisch genutzte sogenannte Überschallflugzeug heißt Concorde. Es besitzt schmalere Flügel und ist lang und spitz gebaut, um der Luft, die sie bei ihren Flügen durchpflügt ohne größeren Widerstand um das Flugzeug herumfließen zu lassen. Da jedoch Flüge mit solch hohen Geschwindigkeiten eben viel Treibstoff brauchen, müssen Personen, die sich damit befördern lassen, viel Geld ausgeben, um den Treibstoff bezahlen zu können, wenn sie zwischen Amerika und Europa hin- und herfliegen."
Dann las er noch etwas über Hubschrauber, die viel Lärm machten, nicht allzuschnell aber dafür wendig flögen, Jumbojets und Propellermaschinen. Danach las er noch etwas über den Computer, der als "Schnellrechenmaschine" bezeichnet wurde. Als er mit dem Kapitel fertig war, zeigte seine Armbanduhr bereits halb sieben. Leise stand er auf, zog seinen Bademantel über, klemmte sich sein Unterzeug und den Schulumhang unter den Arm und verließ leise den Schlafsaal.
Julius kam als erster in der großen Halle an und sah gerade noch vier Hauselfen, die das Geschirr für das Frühstück auf die vier Tische verteilten. Sie beendeten ihre Arbeit und verschwanden durch eine kleine Klappe in einer Wand nahe dem Gryffindor-Tisch. Julius stand da und sah sich in der menschenleeren Halle um. Es war schon ein beklemmendes Gefühl, diese sonst so vertraute Halle ohne Schüler oder Lehrer zu sehen. Jetzt erst fiel ihm auf, wie weitläufig sie war. Ein Blick zur verzauberten Decke zeigte ihm eine gerade aufgegangene Sonne, deren Licht sich in den wenigen weißen Wolken widerspiegelte. Heute würde wohl ein schöner Tag zum Spazierengehen sein.
"Auch schon auf, Muggelkind?" Kam die Stimme eines zwölfjährigen Mädchens aus dem Gang hinter Julius. Dieser sprang vor in die Halle hinein. Dann drehte er sich um und sah Lea Drake, die putzmunter und mit ordentlich geglättetem kastanienbraunen Haar aus der Vorhalle hereinkam.
"Ja, bin ich", erwiderte Julius auf die Frage Leas.
"Konntest wohl auch nicht schlafen, wie?"
"Sagen wir's so: Ich habe genug geschlafen", antwortete Julius. Er wußte immer noch nicht, was er von der Slytherin-Zweitklässlerin halten sollte, die als eine der seltenen Ausnahmen dieses Schulhauses einen nichtmagischen Elternteil besaß, wofür sie in Slytherin bestimmt häufig genug drangsaliert wurde.
"Ich habe auch genug geschlafen. Ich denke mal, die Zaubertrankprüfung werde ich locker durchstehen können. Was habt ihr heute?"
"Verwandlung, also etwas, das man als ausgewachsener Zauberer nur selten bis gar nicht braucht", erwiderte Julius. Ungünstigerweise traten gerade die Professoren McGonagall und Snape in die Große Halle ein. Ihre Schritte hallten wider wie in einer mittelalterlichen Kathedrale. Julius sagte schnell noch:
"Zaubertränke kann man dagegen immer gut anwenden, auch ohne Zauberstab."
Lea grinste gehässig und verzog sich an den Slytherin-Tisch. Julius sah Snape, wie er verächtlich zu ihm herübersah und dann gehässigProfessor McGonagall angrinste. Diese bedachte Julius durch ihre quadratischen Brillengläser mit einem vorwurfsvollen Blick, als habe er etwas gesagt, das nicht nur ungezogen sondern auch falsch war.
Nach und nach trafen die übrigen Schüler in der großen Halle ein und ließen sich an den Haustischen nieder. Auch die Lehrer erschienen vollzählig, Dumbledore zum Schluß. Dann trafen noch die Abordnungen aus Beauxbatons und Durmstrang ein. Niemand sprach über mehr als über das Wetter und die neusten Quidditchergebnisse.
Als das Geschwader der über hundert Posteulen in die große Halle flog, reckten alle Schüler und Schülerinnen ihre Hälse. Julius bekam die neuste Ausgabe des Tagespropheten und hoffte, daß nicht noch eine Eule für ihn eintreffen würde, da er sich gerne auf die Prüfungen konzentrieren wollte. Doch ein Sperlingskauz schwirrte zielstrebig auf ihn zu. Das war eine der Schuleulen, erkannte Julius. Am rechten Bein des Vogels war ein kleiner Briefumschlag festgebunden, einer aus Papier.
Julius ahnte, daß es sich um einen Brief seiner Mutter handeln mußte und band ihn vorsichtig vom Bein des Sperlingskauzes. Der Vogel flog sogleich davon.
Julius überlegte, ob er den Brief gleich oder erst nach der Prüfung lesen wollte. Er entschied sich, erst nach der Prüfung zu lesen, was seine Mutter schrieb.
"Willst du nicht lesen, was deine Mutter schreibt?" Fragte Gloria leise, während eine Eule zu Jeanne hinüberflog, die Madame Dusoleil gehörte.
"Besser nach der Verwandlungsprüfung. Dann kann ich ihr auch besser antworten, wie die ersten Prüfungen gelaufen sind", antworttete Julius, während Gloria ein kleines Paket öffnete, welches ihr ihre Großmutter Jane geschickt hatte.
"Hier, Julius! Oma Jane hat mir diese Honigkekse geschickt. Ich darf meinen Freunden welche davon abgeben, schreibt sie."
Julius bedankte sich und nahm einen Keks in der Form eines Zauberwesens mit Löwenkörper, Flügeln und einem Menschenkopf entgegen. Gloria knabberte gerade das mit weißer Zuckerglasur überzogene Horn eines Kekses in Einhornform ab.
"Jamm, eine Sphinx. Wenn ich sowas esse kann ich bestimmt alle Fragen beantworten. Paßt gut zu einer Prüfung", erwiderte Julius, als er seinen Keks genauer betrachtete.
"Deine Oma ist wohl in einem früheren Leben Küchenhexe gewesen, wie?" Fragte Kevin, der gerade einen mit brauner Schokoglasur überzogenen Miniminotaurus verputzte, den Gloria ihm gereicht hatte.
"Gewesen. Immer noch."
Pina bekam einen Keks in der Form einer Meerjungfrau, Gilda ein weiteres Einhorn, Holly Lightfoot bekam von Gloria einen Zentauren mit goldbrauner Glasur.
"Backt die immer nur Zauberwesen oder kann die auch einfach runde Plätzchen backen?" Mampfte Julius.
"Nein, sie kann auch berühmte Bauwerke backen", erwiderte Gloria und gab Julius einen Keks in der Form eines geflügelten Pferdes. Diesen sollte er an Jeanne weitergeben. Als er Jeanne den Keks gab, sah sie ihn schmunzelnd an und fragte ihn:
"Hast du Post bekommen?"
"Ja, aber ich lese das erst nach Verwandlung", sagte Julius.
"Ist vielleicht auch besser", antwortete Jeanne mit immer breiterem Grinsen. Julius gefiel das überhaupt nicht. Hatte Madame Dusoleil ihrer Tochter etwas fröhliches oder etwas gehässiges geschrieben, womöglich noch auf Kosten seiner Eltern? Doch er widerstand dem Drang, jetzt schon den Brief seiner Eltern zu lesen.
Nach dem Frühstück marschierten die Klassen, die Prüfung hatten, in die entsprechenden Klassenräume. Julius marschierte mit Gloria zum Verwandlungsraum, wo die übrigen Zweitklässler aus Ravenclaw standen. Keiner sagte auch nur einen Ton. Jedem war anzusehen, daß er oder sie im Kopf alle schwierigen Verwandlungsübungen sortierte, die im letzten Schuljahr durchgenommen wurden. Als Professor McGonagall in ihrem smaragdgrünen Umhang herbeikam, bildete sich sofort eine Gasse durch die Schülerreihen, um sie ungehindert zur Tür durchzulassen. Immer noch schweigend gingen die Schüler und Schülerinnen in den Klassenraum und suchten die üblichen Sitzplätze auf. Erst dann sahen alle Julius Andrews an, als hinge es von ihm allein ab, ob sie alle die Prüfung schaffen würden.
Professor McGonagall begrüßte die Schüler und Schülerinnen und sprach:
"Wir werden uns heute im wesentlichen mit den Vivo-ad-Invivo-Verwandlungen beschäftigen, was für jene, die in diesem Schuljahr immer diszipliniert mitgearbeitet haben, kein Problem darstellen wird. Jene, die sich nicht sonderlich bemüht haben, können mir und vor allem sich selbst beweisen, daß sie den Lernstoff des letzten Jahres begriffen haben, indem sie die heutige Prüfung mit einer guten Abschlußleistung bestehen. Ich wende mich hier vor allem an jene, die die Auffassung vertreten, Verwandlung sei ein Zweig der Magie, welcher zwar kompliziert und auch gefährlich ist, ansonsten jedoch völlig bedeutungslos für das Leben als erwachsene Hexen oder Zauberer sei. Was Sie jetzt hier lernen, ist kein magischer Unsinn, nur dazu gedacht, um zur Freude irgendwelcher Lehrer Tiere in Gegenstände oder umgekehrt zu verwandeln. Es ist vielmehr eine Übung zur konzentrierten Anwendung und Lenkung der eigenen Zauberkräfte, sowie der Umsetzung schwieriger Magie, die auch in anderen Zweigen notwendige Disziplin und Vorstellungskraft fordert. Jetzt mag es den einen oder die andere geben, der oder die behauptet, daß die Zaubertrankbraukunst wichtiger sei als die Verwandlung. Hierzu möchte ich nur zu bedenken geben, daß Sie in eine Situation geraten können, in der sie nur durch Verwandlungszauber die eigene Unversehrtheit schützen können, indem Sie beispielsweise die Waffe eines Angreifers in einen ungefährlichen Gegenstand verwandeln, ohne den Angreifer selbst zu verletzen. Wenn Sie nämlich einen nichtmagischen Angreifer zurückdrängen wollen, wären Zauberflüche nicht nur übertrieben, sondern auch verheerend. Dies sage ich nur, weil mir zu Ohren kam, daß es jemanden geben könnte, der meint, nur die Stundenleistungen zu bringen und dann dieses Fach getrost vergessen kann. Dabei haben es diese Leute nicht nötig, derartig zu reden und sollten es auch besser wissen."
Die letzten Worte sprach sie sehr getragen, um jedes einzelne Wort wirken zu lassen. Dabei sah sie wie beiläufig zweimal zu Julius hinüber, der sich bemühte, ruhig zu bleiben, um jede unerwünschte Körperreaktion zu vermeiden.
Professor McGonagall teilte die Prüfungsbögen aus und vergewisserte sich, daß jeder Schüler die besonderen Prüfungsfedern benutzte, die durch einen Zauber jede Schummelei verhinderten. Als sie den Rundgang beendete, kam sie noch zu Julius Andrews und sagte leise:
"Sie haben genauso lange Zeit wie Ihre übrigen Mitschüler, Andrews. Im praktischen Teil jedoch werden Sie eine Sonderprüfung ablegen, die mit der Ausbildungsabteilung im Ministerium abgeklärt wurde. Ich weiß, daß Sie das können, also lassen Sie sich bloß nicht dazu hinreißen, sich unter Wert zu präsentieren!"
Im theoretischen Teil sollten Zauberformeln und Zauberstabbewegungen beschrieben werden. Julius schrieb alles auf, wie es verlangt wurde. Zu den Zauberstabbewegungen schrieb er jedoch noch, daß es auch andere Formen der Stabführung gebe, die jedoch ein hohes Maß an Koordination und Wissen um die entsprechenden Zauberformeln voraussetzten und Kinetologos-Verknüpfungen heißen. Zusammen mit Gloria, Pina und Gilda gab Julius die beschriebenen Prüfungsbögen als einer der ersten zurück. Doch anstatt sich für den praktischen Teil sammeln zu können, mußte Julius noch eine kurze Zusatzaufgabe erfüllen und über die gesetzliche Beschränkung von Vivo-ad-Vivo-Verwandlungen und die gängigen Zauberformeln für den Wechsel zwischen zwei Tierarten niederschreiben. So wurde er mit Fredo Gillers als letzter mit dem schriftlichen Teil fertig.
Danach bekam jeder Schüler vier lebende Kaninchen, die in Porzellanvasen zu verwandeln waren. Julius sah Gloria und Kevin an, als beneide er sie um diese leichte Übung. Kevin schüttelte energisch den Kopf, als Julius' Blick ihn traf. Offenbar war es für Kevin alles andere als eine leichte Übung.
"Die Endprodukte der Verwandlungen müssen weiß sein, mindestens einen halben Meter hoch und dürfen sich nicht mehr bewegen, wenn ich sie anfasse", bemerkte Professor McGonagall. Dann trat sie mit einer geschlossenen Kiste zu Julius hinüber und stellte die Kiste auf den Tisch.
"Sie bekommen die Aufgabe, jedes der vier Tiere in dieser Kiste in ein Exemplar einer völlig anderen Gattung zu verwandeln. Schaffen Sie dies vollständig, ist der praktische Teil für Sie mit der maximalen Punktzahl bestanden. Wenden Sie auch nur einmal einen Bewegungsbann oder ähnliche nicht zu diesem Unterrichtsfach gehörende Zauber an, wird die Prüfung mit Ungenügend bewertet. Viel Erfolg!"
Julius versank fast auf seinem Stuhl. Doch dann erwachte in ihm der Kampfgeist, der ihn immer dazu trieb, das zu schaffen, was andere ihm nicht zutrauten. Es war ihm egal, daß Professeur Faucon von ihm erwartete, daß er einen sehr guten Abschluß schaffen möge. Es ging nur um ihn selbst. Außerdem wollte er nicht den Eindruck aufkommen lassen, er hätte das mit der Wichtigkeit von Verwandlung am Morgen nur gesagt, weil er damit nicht klarkam.
Während die übrigen Schüler sich mit ihren Kaninchen herumärgerten - sie durften ja genauso wenig Erstarrungs- oder Bewegungsbannzauber verwenden -, öffnete er die Kiste und fand eine Hausspinne, eine Ratte, eine Eidechse und ein Perlhuhn vor. Im Deckel der Kiste las er:
"Wandeln Sie das Perlhuhn in eine Erdkröte um! Verwandeln sie die Spinne in eine Maus! Aus der Ratte machen Sie eine Schildkröte und aus der Eidechse einen Admiralsfalter im Erwachsenenstadium! Die Verwandlungen müssen vollständig durchgeführt sein. Für jede vollständige Verwandlung gibt es zehn, für jede unvollständige einen Punkt weniger pro Grad der Unvollständigkeit."
Julius nahm sich als erstes die Spinne vor, da er in diesem Punkt bereits ausreichend Übung hatte. So dauerte es auch keine zehn Sekunden, bis eine Maus, ohne Anzeichen, daß sie einmal eine Spinne war, durch die Kiste flitzte. Julius nahm das Perlhuhn, das laut Gackerte, als er es vor sich auf den Tisch setzte. Ein lautes Klirren und ein Fluch in irischem Gälisch verkündeten der Klasse, daß Kevin mit einer Verwandlung gescheitert war. Er fragte:
"Kann jemand den Vogel zum schweigen bringen?"
"Ruhe!" Herrschte Professor McGonagall Kevin an und fegte mit einem Zauberstabwink weiße Porzellanscherben, von denen einige wie abgebrochene Kaninchenohren aussahen, vom Tisch in einen Müllschlucker. Julius mußte schnell den Zauberstab bewegen, weil ihm das Perlhuhn davonzuflattern drohte. Fast ohne zu denken vollführte er die Bewegungen, die ihm Professeur Faucon eingeschärft hatte und dachte nur zweimal an die Formeln für die Umwandlung vom Vogel zum Amphibium. Ein kurzer Knall ertönte, und eine dicke graugrüne Kröte hüpfte auf den Rand des Tisches zu. Julius las das Tier mit der linken Hand auf und legte es in die Kiste zurück. Danach holte er die Ratte aus der Kiste und jagte sie einmal auf dem Tisch herum, bis sie so stand, daß er sie gezielt bezaubern konnte. Es vergingen keine zwanzig Sekunden, bis die Ratte als kleine Landschildkröte über den Tisch kroch. Danach wandte er sich der Eidechse zu, die versuchte, ihm zu entlaufen. Es gelang ihm gerade noch, die entsprechenden Zauberbewegungen zu machen, um die Eidechse mit der vollen Wirkung zu bezaubern, bevor sie über den Tischrand hinweg nach unten schlüpfen konnte. In einem kurzen Lichtblitz verschwand die Eidechse, und ein großer Schmetterling flatterte durch den Klassenraum. Professor McGonagall ließ aus dem Nichts ein Schmetterlingsnetz erscheinen, das das Insekt einfing. Danach sammelte sie alle gezauberten Tiere von Julius ein und ging damit zurück an ihr Pult. Julius lehnte sich zurück und betrachtete, was die anderen schafften. Gloria hatte vier Vasen, die wie die Meisterwerke chinesischer Porzellanhersteller aussahen, vor sich auf dem Tisch stehen. Kevin zauberte an seinem dritten Kaninchen herum, verfehlte es und traf nur den Tisch, aus dem knisternd eine blaue Porzellanscherbe herausbrach. Eine Vase stand zwar auf dem Tisch, doch besaß sie ein Muster wie von Kaninchenohren und Barthaaren. Dann gelang es Kevin, das vorletzte Kaninchen in eine Vase zu verwandeln. Zwei Minuten später standen zwei gute Vasen vor ihm.
Pina hatte ihre liebe Not mit den Tieren. Entweder wollten sie nicht so, wie sie wollte, oder die Verwandlungen gelangen nicht vollständig. Eine Vase hoppelte auf vier Beinen zum Tischrand und fiel klirrend zu boden. Das zweite Kaninchen wurde zwar zu Porzellan, blieb jedoch von der Form her ein Kaninchen. Das dritte Kaninchen wuchs auf die Größe eines Terriers an und setzte mit großen Sprüngen durch den Klassenraum, bevor es unter bunten Funken zu seiner normalen Größe zurückschrumpfte.
Am Ende der Prüfung hatten außer Gloria nur Marvin Sallers und Holly Lightfoot vier vollständige Vasen auf dem Tisch stehen. Professor McGonagall ging herum und notierte sich zu jedem Schüler etwas. Dann trat sie an ihr Pult zurück und verkündete:
"Wie Sie alle sehen können, ist Verwandlung keineswegs unsinnig oder unnütz, weil sie eben die Konzentration und die Lenkung der Zauberkräfte verlangt. Ms. Porter hat neben Ms. Lightfoot und Mr. Sallers alle vier Versuche erfolgreich und vollständig beendet. Alle anderen erhalten Punktabzüge wegen verfehlter oder unvollständiger Verwandlungen. Mr. Andrews hat die in ihn gesetzten Erwartungen voll erfüllt und vier vollständige Umwandlungen ohne Rückstand der alten Formen vollbracht, ohne der Versuchung nachzugeben, die Versuchstiere durch Bewegungsbannzauber unter seine Kontrolle zu zwingen. Damit hat er die volle für seine Prüfung angesetzte Punktzahl erreicht."
Alle klatschten Beifall, auch wenn sie frustriert waren, weil sie es nicht geschafft hatten. Kevin wagte es, Julius zu fragen, ob er beabsichtige, im nächsten Jahr mit den fünftklässlern zusammen zu lernen. Professor McGonagall zog ihm dafür fünf Punkte ab, wegen unangebrachter Kritik an ihr.
Als es zum Mittagessen läutete, beeilten sich Gloria, Pina und Julius, in die große Halle zu gehen. Julius lag nichts daran, sich noch etwas von Professor McGonagall erzählen zu lassen. In Gedanken spielte er schon mit allen Zaubertrankrezepturen und Möglichkeiten, Zaubertränke mit gleicher Wirkung auf verschiedene Weise herstellen zu können.
"Die haben dir tatsächlich eine Tier-zu-Tier-Verwandlung aufgetragen?" Fragte Pina. Julius nickte.
"Es hätte ja auch danebengehen können", warf Gloria ein. "Irgendwo stößt doch jeder an Grenzen."
"Ich hatte halt unverschämtes Glück", erwiderte Julius.
Jeanne Dusoleil kam lächelnd mit den übrigen Beauxbatons-Schülern herein und suchte Julius Andrews.
"Eins Plus in Kräuterkunde", flüsterte sie Julius zu. Belle und Barbara waren nicht so gut gelaunt wie Jeanne. Fleur, die an den Endprüfungen nicht teilnehmen mußte, wirkte wie immer, graziös und über allen Dingen schwebend.
"Noch ein Heuler, der uns also erspart bleibt", kommentierte Julius diese Mitteilung und gab seinerseits bekannt, daß er die schwierige Verwandlungsprüfung vollständig geschafft hatte.
"Das wird jemand wohl zu würdigen wissen", erwiderte Jeanne tiefgründig lächelnd. Julius schüttelte den Kopf.
"Ich fürchte, jemand wird das als selbstverständlich ansehen und gar nichts dazu sagen", wandte Julius ein.
"Maman hält das aber nicht für selbstverständlich, wenn Claire oder ich gute Noten in Kräuterkunde bekommen", sagte Jeanne und lächelte Julius wohlwollend an.
Julius brauchte sich nicht von Jeanne anhalten zu lassen, mehr zu essen. Er langte bei dem irischen Eintopf, den Bratkartoffeln mit Hackfleischbällchen in Pfeffersoße und den verschiedenen Salatsorten ordentlich zu.
Am Nachmittag drehte Julius erst einmal ein Paar Runden auf seinem Besen über dem Schloßgelände. Die Beauxbatonss, die Quidditch spielten, gesellten sich bald zu ihm und flogen einige schnelle Manöver, um sich in Form zu halten. Offenbar wurde das Madame Maxime zu bunt, und sie kam auf einem langen Besen heran und rief ihre Schützlinge zur Ordnung.
"Mesdemoiselles und Messieurs, ich verstehe zwar, daß Sie gerne überschüssige Energien abbauen möchten, muß Sie jedoch daran erinnern, daß Sie Rücksicht auf Ihre Unversehrtheit nehmen sollten. Das gilt auch für Sie, Monsieur Andrews. Nicht, daß Sie sich darauf zu berufen wagen, meine Anweisungen gelten nicht für Hogwarts-Schüler", herrschte sie alle herumfliegenden Schüler an. Julius grinste nur und trieb seinen Sauberwisch zu einem schnelleren Tempo an und setzte sich damit von der Gruppe der Beauxbatonss ab. Madame Maxime rauschte ihm hinterher und rief ihm nach, er solle verlangsamen. Julius hielt sich nicht daran und steuerte direkt auf den großen See hinaus. Er flog schnelle Figuren, um einem möglichen Bannzauber auszuweichen. Dennoch holte Madame Maxime auf und kam auf Sprechweite an ihn heran, den Zauberstab in der rechten Hand.
"Ich erteilte Ihnen eine klare Anweisung, Ihre Flugübungen auf ein ungefährliches Maß zu beschränken, Monsieur. Ich kann und werde Ihnen nicht erlauben, mich vor meinen Schülern derartig zu despektieren. Sie kehren jetzt sofort um und landen, oder ich hole Sie eigenhändig vom Besen!"
Julius warf sich unvermittelt nach vorn und ging in einen steilen Sturzflug über. Aus 30 Metern Höhe jagte er dem See zu. Madame Maxime warf sich ebenfalls nach vorne und raste auf Julius zu. Ihre Beschleunigung war erheblich besser. Kurz vor der Wasseroberfläche riß Julius den Besen in die Waagerechte und schwirrte knapp über dem Wasserspiegel dahin. Hinter ihm gab es einen lauten Platscher. Sofort drehte Julius mit einer Kombination aus einem Looping und einer Seitenrolle den Besen und raste zurück. Er sah die gigantische Gestalt der französischen Schuldirektorin im See, der Besen dümpelte wie ein Ast im Wasser. Julius hielt es für angebracht, das Weite zu suchen. Quer über den See ging es zum Ufer, wo er sofort zur Landung überging und zwanzig Meter von der Landungsplanke des Durmstrang-Schiffes entfernt auf den Boden aufkam. Lea Drake, die sich mit Ilona Andropova unterhielt, sah Julius und staunte nur noch.
"Wenn sie dich dafür nicht rauswerfen bekommst du nächstes Jahr einen Stammplatz in eurer Hausmannschaft", sagte Lea anerkennend.
"Offenkundig hat diese Monsterfrau die eigene Massenträgheit unterschätzt", grinste Ilona Andropova.
"Das war Ziel und Zweck der Übung. Sie konnte zwar schnell manövrieren. Aber im direkten Sturzflug habe ich sie letztendlich ausgetrickst", grinste Julius, der im Moment nicht über einen eventuellen Punkteverlust nachdachte.
Jeanne Dusoleil und Barbara Lumière kamen angeflogen und landeten bei Julius.
"Dir ist hoffentlich klar, daß du dir mindestens fünfzig Punkte Abzug eingehandelt hast, Julius Andrews", keuchte Jeanne verärgert. "Du weißt doch, daß unsere Schulleiterin es nicht mag, wenn sich jemand ihren Anweisungen widersetzt."
"Sie hat mir gedroht, und ich bin geflüchtet. Das war mein gutes Recht, Jeanne. Sie wollte sehen, ob sie mir überlegen ist und ging baden. Hätte mir auch passieren können", erwiderte Julius.
"An und für sich hätte Madame Maxime sich nicht auf diesen Wronsky-Bluff einlassen dürfen, Jeanne. Sie hat doch gesehen, das sowas danebengehen kann", sprang Barbara Julius bei.
"Welcher Idiot aus eurer Hausmannschaft hat dich nur als Reservespieler eingeteilt?" Fragte sie noch. Dann sah sie Ilona Andropova und verzog ihr Gesicht. Dann stieß sie aus:
"Sage eurem bulgarischen Nationalhelden, daß er sich ranhalten muß. Der Nachwuchs übt schon!"
"Das war ein Glücksfall. Das Schlammblut hat dieses Mischlingsweib einfach durch sein geringeres Gewicht ausgetrickst. Aber ich gebe dir recht, daß das Victor sicherlich fasziniert hätte", erwiderte Ilona Andropova. Barbara spannte die Muskeln an und glotzte die rothaarige Durmstrang wütend an. Jeanne zog Julius bei Seite.
"Hör nicht auf diese Giftmischerin. Sie plappert nur den Unsinn nach, den ihr Schulleiter predigt!" Zischte Jeanne auf Französisch, während Barbara Ilona zurechtwies, sie möge sich gefälligst einer gesitteten Ausdrucksweise befleißigen. Ilona zog den Zauberstab. Julius rief:
"Mädels, das bringt nichts! Ich habe keine Lust, mir anzusehen, wie ihr euch gegenseitig wegfegt."
Ilona Andropova warf Barbara einen finsteren Blick zu und hüpfte dann auf die Landeplanke des Schiffes zurück. Lea sah Barbara Lumière an, erwartungsvoll und lauernd zugleich.
"Spekulier nicht darauf, daß deine ältere Freundin aus Durmstrang mich mit ihrer schwarzen Magie fertiggemacht hätte, junge Mademoiselle! Ich bin in der Abwehr dunkler Kräfte eine Spitzenschülerin. Das hat auch dieser Moody einsehen müssen."
"Sie hätte dir den Imperius-Fluch oder schlimmeres aufhalsen können, Barbara", warnte Jeanne.
"Oder den Infanticorpore-Fluch", streute Julius gehässig ein. Jeanne trat ihm kräftig auf den rechten Fuß.
"Woher weißt du denn, was das für ein Fluch ist?" Fragte Barbara. Jeanne sah die Schulkameradin an, dann lächelte die Hüterin der Millemerveilles Blumentöchter.
"Dann stimmt es doch, daß jemand ihm höhere Literatur zu lesen gab", flüsterte Barbara auf Französisch. Dann blickte sie auf den See hinaus, wo sich eine triefnasse Madame Maxime gerade mit ihrem Besen ans Ufer gerettet hatte.
"Wenn ihr nicht den Auftrag habt, mich festzuhalten, werde ich mich jetzt empfehlen", sagte Julius nur und nahm seinen Besen.
"An deiner Stelle würde ich jetzt zu Ende bringen was du angestellt hast. Alles andere wäre dir nur abträglich", belehrte ihn Jeanne und griff ihn fest bei seinem Arm.
"Wir fliegen jetzt hin und klären das. Vielleicht gewährt Madame Maxime dir mildernde Umstände, weil du nicht gelernt hast, ihr zu gehorchen. Barbara, nimm bitte meinen Besen mit und geh zurück zu unserem Reisewagen!"
"In Ordnung, Jeanne", bestätigte Barbara Lumière und klemmte sich unter jeden Arm einen Besen. Jeanne nahm Julius locker den Besen aus der Hand, brachte ihn in Aufstiegsposition und bugsierte Julius hinter sich. Julius gab jeden Widerstand auf und saß hinter Jeanne auf. Diese stieß sich mit ihm vom Boden ab und brachte den Sauberwisch auf den Kurs zum See. Dort bemühte sich Madame Maxime, ihren durchnäßten Umhang mit einem Vestisecus-Zauber zu trocknen.
"Dieser Bengel. Das ist das erste mal in meiner langen Laufbahn als Erzieherin, daß mich ein Zwölfjähriger ins Wasser geworfen hat", schimpfte sie, als sie Jeanne anfliegen sah.
"Immerhin beweist er genug Größe, sich zu seinen Untaten zu stellen. Kommen Sie herunter, Mademoiselle Dusoleil!"
Jeanne landete neben Madame Maxime. Diese richtete sich zu ihrer furchterregenden Größe von zwei ausgewachsenen Frauen auf und trat vor Julius hin.
"Hatte ich Ihnen nicht eindeutig gesagt, Monsieur Andrews, daß auch Sie meinen Anweisungen unterworfen sind, solange keiner Ihrer hiesigen Lehrer zugegen ist?"
"Das behaupteten Sie", erwiderte Julius lässig. "Ich ging davon aus, daß Sie dies nur sagten, um Ihren Eindruck bei Ihren Schülern nicht zu schwächen."
"Ach ja, und deswegen haben Sie noch darauf hingearbeitet, meine Autorität zu schmälern? Ich denke, Dumbelydore hat Ihnen allen gesagt, daß sowohl Professeur Karkaroff als auch ich nicht nur über unsere Schutzbefohlenen gebieten, wenn Angehörige Ihrer Lehranstalt mit Angehörigen unserer Lehranstalten gemeinsamen Aktivitäten nachkommen. Falls Dumbelydore Ihnen dies tatsächlich vorenthalten hat, handelte er fahrlässig. Ihr Hauslehrer ist Flitwich?"
"Professor Flitwick? Ja, ist er."
"Ich werde mit ihm sprechen müssen, welche Auswüchse von Insubordination in Hogwarts geduldet werden. Mademoiselle Dusoleil, bitte kehren Sie zu unserem Reisewagen zurück!"
Jeanne nickte und ließ Julius allein mit Madame Maxime zurück.
"Das einzige Zugeständnis, daß ich Ihnen mache, ist, daß ich mich auf diese Verfolgungsjagd eingelassen habe, wo ich auch direkt hätte umkehren und Ihren Hauslehrer aufsuchen können. Sie haben mich sehr gut ausmanövriert, muß ich Ihnen gestehen. Es wäre also schade, wenn dieses Talent an seiner weiteren Entfaltung gehindert würde. Normalerweise würde ich Ihnen nun den Besen fortnehmen und mindestens bis Schuljahresende vorenthalten. Allerdings fehlt mir hierzu dann doch die Befugnis. Da Sie in Ihrer Schule ein fragwürdiges Hausbewertungssystem anwenden, demnach für Leistung und Regelverletzungen Punkte an- oder aberkannt werden, wäre es zudem eine Strafe für Ihr Haus, wenn ich Ihnen nun 100 Punkte abziehen muß, selbst wenn Sie daraufhin von Ihren Mitschülern zur Einhaltung der Disziplin angehalten werden. - Stehen Sie gefälligst gerade, wenn ich mit Ihnen spreche!"
Julius zuckte zusammen, als die laute Stimme der Halbriesin über ihn hereinbrach. Dann streckte er sich zur vollen Größe und hörte weiter zu.
"Allerdings habe ich einen Ruf zu verteidigen, immer konsequent durchzugreifen, wenn sich mir jemand offen widersetzt. Daher verfüge ich zum ersten, daß Ihrem Haus nur 50 Punkte abgezogen werden sollen, was ich Ihrem Hauslehrer unverzüglich mitteilen werde. Zum Zweiten werden Sie den Reisewagen meiner Abordnung vor dem letzten Turniertag ohne Zuhilfenahme von Zauberkraft auf Hochglanz polieren. Dixi!"
"Bitte was?" Fragte Julius.
"Oh, natürlich haben Sie alte Sprachen noch nicht zur Auswahl. Das heißt, daß ich gesprochen habe und daß gilt, was ich verfügt habe."
"Dann verstehe ich das richtig, daß ich zur Strafe dafür, daß ich besser fliegen konnte als Sie, Ihre Reisekutsche vor der dritten Runde wasche?"
"Waschen, Schrubben und polieren. Ich werde Ihre Arbeit höchstpersönlich überwachen."
"Sie sagten, Sie hätten nur dort Befugnisse, wo ich mit Ihren Schülern zu tun hätte. Da dies auf dem Gelände von Hogwarts nur an unserem Haustisch oder in der Bibliothek der Fall ist, wenn ich nicht draußen herumlaufen will, könnte mir einfallen, Ihnen zu sagen, daß ich das nicht tue. Wollen Sie dann auf meinen sofortigen Schulverweis hinwirken oder mir gleich einen Fluch anhängen?"
"Ich gehe davon aus, daß dies nur die Prüfung der Ihnen möglichen Alternativen ist und keineswegs der Versuch, es jenem undisziplinierten Abkömmling ignoranter Muggel nachzutun, dessen Eltern Mademoiselle Delacour beleidigt haben. Gut, die Antwort sollen Sie haben:
Ich werde mit jenen, die Ihnen bislang wohlgesonnen sind, wie Madame Dusoleil und vor allem meiner geschätzten Kollegin Faucon Kontakt aufnehmen und sie darüber informieren, daß jegliche Zuwendung von ihnen an Sie dazu beiträgt, Sie geistig und moralisch zu verderben und daher unterbleiben müsse, als auch alle bisherigen Zuwendungen, von denen Ihr Flugbesen nur ein Teil ist, gänzlich zurückgenommen werden müssen. Das hieße, man müßte Ihnen sämtliche Habseligkeiten fortnehmen, die Ihnen als Geschenk oder Lohn für große Leistungen überlassen wurden. Ich denke, diese Alternative dürfte Sie zur Vernunft bringen."
"Sie sagten schon, man soll immer sehen, welche anderen Möglichkeiten es gibt", erwiderte Julius kleinlaut. Dann zeigte er auf seinen Besen und erwähnte, daß dieser nicht nur von Madame Faucon und der Familie Dusoleil bezahlt worden sei.
"In diesem Fall würde den übrigen Investoren ihr Anteil zurückgezahlt", gab Madame Maxime trocken zur Antwort. Julius fragte dann nur noch, wann er antreten solle.
"Wie ich orientiert bin, haben Sie am 22. Juni Ihre letzte Prüfung im Fach Kräuterkunde. Sie werden den Tag darauf antreten, um neun Uhr in der Frühe." Kommen Sie auch nur eine Minute zu spät, ohne einen triftigen Grund dafür angeben zu können, tritt die von mir erörterte Alternative in Kraft."
"Das würde mir zumindest angenehme Sommerferien ohne Schach und Nachhilfestunden einbringen", dachte Julius leise. Doch laut sagte er:
"Ich habe vor einiger Zeit einem Mitschüler gesagt, daß man für das, was man tut, auch bis zum Ende durchstehen muß. Insofern werde ich dasein."
Madame Maxime gestattete ihm danach, zum Schloß zurückzufliegen. Unterwegs dachte er darüber nach, wie er es seinen Freunden beibringen sollte, daß er fünfzig Punkte abgezogen bekommen hatte. Im Grunde hatte er damit wohl die Jahresendpunkte für das Regenbogenstrauchprojekt verspielt. Andererseits vertrat er die Auffassung, daß es ohne Risiko keinen Spaß geben könne. Hinzu kam noch, daß es ihn schon interessierte, nach Millemerveilles zurückzukehren, wenngleich er sicher war, daß außer Madame Faucon niemand dort alles wiederhaben wollte, was er oder sie ihm geschenkt hatte, zumal Madame Maxime sicherlich nur von dem Besen wußte, den er bekommen hatte und daher nicht nachprüfen konnte, was er alles zurückgeben sollte.
Kevin freute sich, als er Julius sah. Die Aussicht, durch diesen fünfzig Punkte für Ravenclaw verloren zu haben, ärgerte ihn überhaupt nicht.
"Nur fünfzig? Das geht doch noch. Nachdem Pina mir erzählt hat, daß diese Maxime hinter dir hergeflogen und durch ein cooles Sturzflugmanöver von dir zum überfälligen Bad im See gezwungen wurde, habe ich mich nur gekringelt. Wie bescheuert muß eine Frau von der Größe und von dem Alter sein, sich hinter einem Zwölfjährigen her in die Tiefe zu stürzen."
"Ich hoffe mal, die große Dame schreibt nicht doch alle an, die ich in Millemerveilles kenne. Sonst drohen mir mindestens drei Heuler."
"Hmm, dann solten wir uns Ohrenschützer von Professor Sprout besorgen", sagte Kevin grinsend.
"Außerdem möchte ich mir diese Kutsche gerne genauer ansehen. so eine Gelegenheit bietet sich mir bestimmt nicht noch mal. Dazu kommt noch, daß die Schrubberei ein gutes Konditionstraining für mich ist. Die Karre ist schließlich zwanzig Meter lang und mindestens so groß wie ein dreistöckiges Haus. Da habe ich zumindest den ganzen Tag zu tun, wenn ich das nach dem Dreisatz umrechne, wie lange ich dafür gebraucht habe, den Bentley meines Vaters zu waschen, wenn der mich maßregeln wollte."
"Dreisatz?" Fragte Kevin. Julius sah ihn ungläubig an. Dann fragte er, wieviele Rechenstunden Kevin gehabt hätte.
"Wir haben nur die vier Grundrechenarten und die Bruchrechnung durchgenommen. Für höheres Zeug mit hunderten von Unbekannten hatte unser Rechenlehrer keine Verwendung, hieß es."
"Also, das mit dem Dreisatz geht so ...", begann Julius und erklärte in wenigen Sätzen, wie man ausrechnen konnte, wieviel Zeit, Geld oder Gut man benötigte, wenn man die Menge für eine bestimmte Zahl wußte und das auf eine andere Zahl umrechnen mußte. Gloria hörte ihnen schweigend zu.
"Das hat mein Daddy immer gesagt, daß einige Rechenarten schon in den Grundschulen und nicht als Begleitkurs für angehende Hexen und Zauberer angeboten werden sollten. Das mit den fünfzig Punkten ist zwar heftig. Aber du hast im laufenden Schuljahr viele Punkte geholt, um einen derartigen Verlust zu verkraften. Diese Frau ist doch nur wegen ihrer lächerlichen Figur gekränkt, die sie gemacht hat. Vielleicht überlegt sie sich mal, ob es nicht auch anders geht, wenn sie auf Leute trifft, die ihr nicht gleich blind gehorchen oder sie total respektieren. Sie könnte sich ein Beispiel an Dumbledore nehmen. Der hat noch einen gewissen Humor."
"Wie war das? Julius hat Madame Maxime in den See fliegen lassen und nur fünfzig Punkte dafür abgezogen bekommen?" Fragte Roger Davis verschmitzt grinsend.
"Woher weißt du das denn?" Fragte Kevin den Kapitän der Hausmannschaft.
"Mademoiselle Delacour war so frei, mir das zu erzählen, als ihre Kameraden sie darüber informiert hatten", sagte Roger und lief rot an.
"Dafür darf ich ihr Wohnmobil putzen, daß es mit Helios' Sonnenwagen um die Wette strahlen kann, wenn Mademoiselle Delacour im Labyrinth verlorengeht", gab Julius mit einer Betonung wie im Theaterstück zur Antwort.
"Helios? Ich kenne einen Helios Bibouncer von den Newcastle Nightmares", wunderte sich Roger Davis. Cho Chang lachte nur darüber.
"Julius meint den altgriechischen Sonnengott, Roger. Helios Bibouncer sieht zwar strahlend schön aus mit seinen zwei Metern in der mitternachtsblauen Kluft und den weißblonden Locken, aber hat mit Sonne nichts am Hut. Eher mit dunkler Nacht, wenn er einen Klatscher gezielt gegen einen Gegner drischt."
"Ach, der ist das!" Fiel es Kevin lautstark ein. "Dieser Typ hat Moran vor der Weltmeisterschaft fast vom Besen gefeuert. Naja, dafür hat Transsylvanien ihn und die englische Gurkentruppe ja versenkt."
Diese Bemerkung löste lautstarke Unmutsbekundungen aus. Zwar wußten alle, daß Kevin seiner Herkunft wegen ein glühender Irland-Fan war, aber so einfach konnte man ihm die Beleidigung der englischen Nationalmannschaft nicht durchgehen lassen. Ein Viertklässler forderte ihn gar zum Zaubererduell, zog seine Forderung jedoch nach wenigen Sekunden zurück, als Kevin Julius ansah und ihn als Sekundanten auswies. Gemäß den Duellregeln konnten ja auch die Sekundanten gegeneinander antreten. Doch alle wußten, daß Julius nicht nur starke Zauberkräfte sondern auch genügend höheres Grundwissen mitbekommen hatte und besonders gut in Verwandlung und Zauberkunst war. Außerdem meinte man es hier nicht so. Kevin wurde lediglich daran erinnert, wo er war und daß er die Hand nicht beißen sollte, die ihn fütterte.
Die Beauxbatonss, Jeanne eingeschlossen, sahen Julius erwartungsvoll an, als man sich abends in der großen Halle traf. Julius zeigte ihnen sein strahlendstes Lächeln.
"Ich hatte recht. Madame Maxime hat sich dir gegenüber gnädig erwiesen", bemerkte Jeanne zu Julius gewandt. Gloria wandte ungefragt ein, ob das gnädig sei, einem gleich fünfzig Punkte abzuziehen. Jeanne sah sie vorwurfsvoll an und fragte, ob ihre Tante Geraldine, die ja mal in Beauxbatons ein Austauschjahr verbracht hatte, alles erzählt habe, was dort an Maßregelungen angewandt würde. Gloria gab kühl zurück, daß ihre Tante ihr zwar vieles erzählt habe, ihr aber keine Alpträume bereiten und ihr daher die widerlichsten Maßnahmen verschweigen wollte. Das stimmte Jeanne verärgert. Doch die anerzogene Haltung hielt sie davon ab, Gloria anzubrüllen oder ihr eine herunterzuhauen.
Julius atmete auf, als keiner der Ravenclaws ihn wegen des mutwilligen Punkteverlustes tadelte. Zum einen hatte er viele Punkte für Ravenclaw gesammelt. Zum anderen war die Vorstellung, daß die Halbriesin Madame Maxime wegen Julius in den See gefallen war, zu köstlich. - Dies empfanden wohl auch Professor Dumbledore und Professor Flitwick, die am Lehrertisch mit Madame Maxime sprachen. Julius sah sie spitzbübisch grinsen. Dann sprach Dumbledore zu Madame Maxime. Snapes gehässiges Grinsen, mit dem er Julius und die anderen Ravenclaws bedachte, verflog und machte einer leisen Enttäuschung Platz. Professor McGonagall mußte wohl auch etwas enttäuscht sein, denn sie sprach heftig gestikulierend mit Dumbledore, als müsse sie ihn mit allem Nachdruck von etwas überzeugen. Als Dumbledore sie beruhigt ansah, aber immer noch leicht grinste, sank sie auf ihrem Stuhl zusammen, um sich erst nach fünf Sekunden wieder gerade hinzusetzen.
"Häh?" wunderte sich Kevin, der wie Julius zum Lehrertisch geblickt hatte.
"Offenbar ärgern sich Snape und McGonagall darüber, daß wir nur fünfzig Punkte verloren haben. Immerhin spekulieren ja beide auf den Hauspokal", meinte Julius.
Jeanne tauschte mit Gloria den Platz und schob Julius unvermittelt eine in Honig gebackene Banane in den Mund, so das jedes weitere Wort erstickt wurde.
"Du brauchst Kraft, du junger Held. Du hast heute viel Energie verbraucht, in der Prüfung und beim Besenflug. Außerdem wirst du froh sein, wenn du Madame Maximes Strafarbeit verrichten mußt, wenn du dir genug Reserven angelegt hast", sprach Jeanne im ruhigen belehrenden Ton einer Mutter.
Julius aß schnell die Banane. Dann sah er Jeanne an und fragte:
"Könnte es sein, daß du an mir ausprobieren möchtest, wie es ist, einmal eigene Kinder zu haben?"
"Dazu brauche ich dich bestimmt nicht", erwiderte Jeanne kalt lächelnd. "Dafür habe ich zwei jüngere Schwestern. Aber ich weiß aus Erfahrung, wie schnell man sich in deinem Alter überschätzen kann, was die eigenen Energiereserven angeht."
Julius verzichtete auf weitere Bemerkungen. Er wollte es sich mit Jeanne nicht noch im letzten Moment verscherzen. Dafür hatte er ihr doch zu viel zu verdanken.
Nach dem Essen fragte ihn Jeanne, ob Julius den Brief seiner Eltern gelesen hatte. Julius schüttelte den Kopf. Als Jeanne ihn wieder gehässig angrinste, beschloß er, doch zu lesen, was seine Mutter ihm geschrieben hatte. Er holte den Brief aus seinem Umhang und öffnete den Umschlag. Er zog einen handschriftlichen Brief heraus, der eindeutig von seinem Vater stammte. Er las:
Hallo, Julius!
Deine Mutter ist wieder unterwegs in Amerika, um dort aquirierte Aufträge zu erfüllen. An und für sich wollte ich dir nicht mehr schreiben. Aber man zwingt mich dazu.
Irgendwer aus dieser Zauberer- und Hexenbande hat es wohl für den Scherz des zwanzigsten Jahrhunderts gehalten, mein Grundstück mit irgendwelchem Unkraut zu bepflanzen. Teile dieser Sprout mit, daß sie mich damals angelogen hat, als sie sagte, daß Hexengewächse nur auf Drachenmist wachsen können.
Ich kam vor einer Woche nach Hause und warf mich rechtschaffend müde ins Bett. Am nächsten Morgen wollte ich zur Firma fahren. Doch ich kam mit dem Wagen nicht mehr aus der Garage. Irgendeine Art Gebüsch stand da und hat mich daran gehindert, herauszusetzen. Die ganze Heckpartie ist eingebeult worden. Dann habe ich mich umgesehen und festgestellt, daß mein ganzes Grundstück von diesen Pflanzen umstellt ist, wie von einer Begrenzungshecke. Ich konnte nur noch auf dem Plattenweg das Grundstück verlassen und mußte mit einem Taxi zur Arbeit. Als ich wieder nach Hause kam, sah ich, daß dieses Buschwerk von draußen wie ein Fliederbusch aussieht. Mrs. Jennings aus dem Haus Nummer fünfzehn hat gefragt, wie ich so schnell diese schönen Zierpflanzen bekommen hätte.
Am nächsten Tag habe ich versucht, diese Büsche zu stutzen. Doch alle Gartenscheren sind mir dabei zerbrochen. Darüber hinaus wucherten mir die den Plattenweg flankierenden Gewächse den Plattenweg immer mehr zu. Ich konnte gerade noch einmal zur Firma und wieder zurück.
Am Morgen darauf stand das Grünzeug über zwei Meter hoch und hat den Plattenweg total zugewuchert. Ich wollte hindurch, doch wurde unsanft zurückgestoßen und wäre fast verletzt worden. Ich versuchte, mit einer Leiter über dieses Gestrüpp zu klettern, doch die Leiter wurde sofort umgestoßen, als ich sie angelegt habe. Dann versuchte ich es mit Unkrautvertilger. Doch das hat dieses Zeug dazu gebracht, giftigen Nebel auszustoßen. Ich mußte mich in meinem Labor einschließen und den Sauerstoff aus der Bombe für den Bunsenbrenner atmen, um nicht zu ersticken. Erst am nächsten Morgen war die Luft wieder klar, aber das Grünzeug dafür zwei Meter höher und hatte schwertartige Dornen ausgetrieben. Ich mußte in der Firma anrufen, um mich krank zu melden und meine Untergebenen anweisen, wie sie ohne mich zurechtkommen sollten. Dann rückte ich dem Monstergemüse mit weißem Phosphor und Benzin zu Leibe. Doch außer einem hellen Feuer, das fast mein Haus ergriffen hätte, geschah nichts. Das Zeug ist auch feuersicher.
Ich komme hier nicht mehr heraus! Unsere Lebensmittelvorräte sind aufgebraucht, und ich finde keinen Ausweg aus dem Haus, und niemand kann zu mir herein. Sogar die ätzendsten Säuren tropfen wie gewöhnliches Wasser von den Blättern und Dornen ab.
Gestern traf auf wundersame Weise ein großes Fresspaket mit irgendwelchen Früchten und Käsesorten ein. Ich prüfte es auf Giftige Inhaltsstoffe und aß davon. Dabei lag ein Zettel auf dem stand, daß ich nun Zeit zum ruhigen Nachdenken habe, wen ich mir zum Feind machen wolle und wen zum Freund. Die Buchstaben waren mit einem Druckkasten auf Pergament gebracht worden.
Ich wollte heute die Presse anrufen, um einen Hubschrauber herkommen zu lassen. Doch in meinem Telefon knisterte es nur noch. Offenbar hat das Horrorunkraut die unterirdischen Leitungen mit seinen Wurzeln blockiert, wie auch immer. Ich habe dann das Mobiltelefon versucht. Doch da hörte ich nur ein merkwürdiges Singen im Hörer und bekam keine Verbindung.
Dann kamen zwei Eulen von Hogwarts. Eine habe ich an diese Sprout geschickt, um sie zu bitten, mir das Zeug wieder wegzumachen. Die andere schickte ich dir, um dich zu ersuchen, deine erwachsenen Freundinnen, die mit sowas herummachen daran zu erinnern, daß ich mir sowas nicht bieten lasse und das sie das Zeug wieder fortschaffen sollen. Denn eine von denen war es. Entweder diese Aurora Dawn, weil ich ihr gesagt habe, daß sie für mich eine Gaunerin ist, oder diese Camille Dusoleil, die mich verhöhnt hat, daß sie dich bei sich hätte und es dir gut ergehe und dafür von mir entsprechend bescheid bekam.
Also, das Alptraumgebüsch muß weg, oder ich hole mit meinen letzten brennbaren Chemikalien Feuerwehr und Militär her, um das Zeug zu vernichten. Nur, damit du es weißt.
Dr. Richard Andrews
Julius schwankte zwischen Schrecken, Unbehagen und Belustigung. Die Belustigung setzte sich schließlich durch. Jeanne, die an seinem Gesicht abgelesen hatte, was Julius während des Lesens empfunden haben mußte, lachte nur laut und steckte Julius mit diesem Lachen an. Gloria wollte wissen, worüber die beiden sich denn amüsierten, und Julius gab ihr den Brief zu lesen.
Gloria erblaßte, als sie den Brief las. Julius erzählte es Kevin im Flüsterton. Dieser lachte unvermittelt los und schlug sich dabei auf die Schenkel.
"Voll krass! Der grüne Fluch", begeisterte er sich.
"Achso, ja! Davon habe ich gelesen. Es ist eine durch Zaubertränke und Befehlszauber verursachte Barriere aus einer Kolonie von Omnirepellenda scototropha, der nachtwachsenden Sperrdornhecke. Oha!" Kommentierte Julius den Vorfall im Haus seines Vaters.
"Suche keinen Streit mit einer Kräuterhexe!" Bemerkte Kevin dazu nur. Schließlich kannte er die Geschichte mit der eingefärbten Eule.
"Dabei hat Paps noch Glück gehabt, daß er meinen Besen und die anderen Zaubersachen nicht verbrennen konnte. Sonst hätte er sich noch mit anderen Leuten Ärger eingehandelt", sagte Julius leise. Dann dachte er kurz noch, ob Madame Dusoleil, der sein Vater die Sache mit dem "Alptraumgebüsch" zu verdanken hatte, gegen irgendwelche Gesetze verstoßen hatte. Ihm fiel alles ein, was er über Omnirepellenda scototropha gelesen hatte. Die Hecke sonderte auf der Seite, wo nicht ihre Sperrdornen austrieben, einen süßriechenden Nebel ab, der Nichtmagier die Sinne betäubte, so das sie vergaßen, was sie am Ursprungsort des Nebels sahen und Magier einen höllischen Niesreiz verpaßte. Da durch den Vergessensnebel auch die magische Pflanze an sich vergessen wurde, blieb die Geheimhaltung gewahrt. Julius wußte aus Aurora Dawns "kleinem Hexengarten", daß viele Kräuterkundler weite Grundstücke mit dieser Zauberhecke bepflanzten, um sie nach außen undurchlässig zu machen, solange bestimmte Passwörter, die bei der Aussaat festgelegt wurden, nicht genannt wurden.
Die Lehrer Flitwick und Sprout kamen an den Ravenclaw-Tisch. Flitwick mußte sich auf die Zehenspitzen stellen, um über Jeannes Schulter sehen zu können.
"Mr. Andrews! Auf Grund einer Vereinbarung zwischen den Schuldirektoren Dumbledore und Maxime wurde beschlossen, daß Ravenclaw wegen des von Ihnen an den Tag gelegten Ungehorsams gegenüber Madame Maxime Punkte abgezogen werden müssen. Eigentlich", so flötete Flitwick mit ernstem Unterton, "hätten wir ihretwegen fünfzig Punkte abziehen müssen. Da Madame Maxime jedoch bekundete, eine Teilschuld an Ihrer Reaktion zu tragen und ohnedies nicht wünsche, daß alle für den Fehler eines einzelnen büßen müßten, wurde sich daarauf verständigt, nur fünfundzwanzig Punkte von Ravenclaw abzuziehen, zumal Sie reumütig und einsichtig auftraten und die sofort ausgesprochene Bestrafungsanordnung widerspruchslos hinnahmen, wie uns Madame Maxime mitteilte. Hinzu kommen Ihre vorbildlichen Leistungen im schulischen und sozialen Bereich, die eine mildernde Funktion ausüben. Die Höhe der Strafe bleibt bestehen. Dies nur, damit Sie wissen, woran Sie sind", verkündete Flitwick abschließend und lächelte. Der Zauberkunstlehrer trat vom Ravenclaw-Tisch zurück, an dem nur noch fröhliche Gesichter zu sehen waren. Julius wunderte sich, was an einem Einbruch um 25 Punkte so toll sein sollte, kam jedoch zu dem Schluß, daß es ja auch 75 Punkte mehr hätten sein können.
Professor Sprout wartete, bis Julius und seine Freunde sich wieder beruhigt hatten. Dann bat sie ihn und Mademoiselle Dusoleil, sie zu begleiten.
Durch die Korridore und über die Tricktreppen des altehrwürdigen Schlosses ging es ins Büro der Kräuterkundelehrerin. Mit einem Wink des Zauberstabes zündete Professor Sprout den Deckenleuchter und zwei Wachskerzen auf dem Tisch an und bat Jeanne und Julius, sich zu setzen.
"Ich entnahm Ihrer Unterhaltung undem deplatzierten Amusement bei Tisch, daß Sie, Mr. Andrews, von Ihrem Vater einen Brief bekommen haben, in dem er sich wohl über die Vorkommnisse um sein Grundstück ausläßt. Mir schrieb er, daß ich ihn arglistig darüber hinweggetäuscht habe, daß "höllisches Unkraut" auch auf sogenannten normalen Böden wachse. Ich fand den Stil dieser Mitteilung äußerst ungehörig für jemanden, der mich eigentlich um Hilfe bitten wollte. Sie wissen, wie ich den letzten Abschnitten Ihrer Unterhaltung mit Mr. Malone entnehmen durfte, was dort passiert ist, wo Ihre Eltern wohnen, Mr. Andrews?"
"Irgendein Kräuterkundler - drei kommen in Frage -, hat meinem Vater durch Anpflanzen der nachtwachsenden Sperrdornhecke den Weg von seinem Grundstück versperrt. Omnirepellenda scototropha, wie die Pflanze wissenschaftlich heißt, ist gegen alle formen der nichtmagischen Gewalt gefeit, wehrt sich gegen Giftgaben, widersteht Feuer und Verätzungen und kann bei Temperaturen zwischen minus 30 und plus 50 Grad Celsius überleben. Möchten Sie noch mehr wissen?"
"Nicht jetzt. Es genügt mir nur, daß Sie die Pflanze kennen. Dann wissen Sie auch, daß sie eine starke magische Ausstrahlung besitzt und nach außen hin allen Muggeln die Erinnerung an sie verwehrt, ob sie sie nun vom Boden aus sehen oder aus der Luft. Es besteht sogar zu fürchten, daß man das Grundstück nicht mehr beachtet, auf dem die Pflanzen angewachsen sind. - Aber was meinen Sie mit drei möglichen Experten für Kräuterkunde?"
"Daß mir nur drei einfallen, die das gemacht haben. Da wäre Ms. Dawn, weil mein Vater sie ungehörig behandelt hat. Die nimmt es aber mit Humor, wie ich weiß. Dann haben wir noch Sie persönlich, Professor Sprout. Aber so gesehen kommen Sie nicht in Frage, da Sie vor zwei Wochen die Gelegenheit hatten, mit meiner Mutter alle Unstimmigkeiten zu lösen und Ihren Ruf als Lehrerin nicht aufs Spiel setzen, indem Sie ein Elternpaar in seinem eigenen Haus einsperren. Außerdem gäbe es da wesentlich bessere Kandidaten für solch eine Maßnahme. Dann bleibt nur noch Madame Dusoleil übrig. Von der weiß ich, daß mein Vater sie massiv beleidigt und Ihre Gutmütigkeit verachtet hat. Sie muß sich wohl durch die Gesetze gelesen und die eine Lücke genutzt haben, die es gibt, nämlich die Anbringung magischer Sperrpflanzen für einen begrenzten Hausarrest auf Grund nicht erfüllter Entschädigungsansprüche, wie es in den Gesetzen zum Umgang zwischen Zauberern und Muggeln geregelt ist."
"Deshalb hat Ihr Vater dieses Problem noch. Sonst wäre schon längst ein Kommando des magischen Unfallumkehrtrupps bei ihm gewesen, um die Pflanzen zu beseitigen. Aber Madame Dusoleil hat es tatsächlich erwirkt, daß Ihrem Vater, Mr. Andrews, bis zum Ende des USA-Aufenthalts Ihrer Mutter am 22. Juni der Zugang nach draußen verwehrt werden darf, falls er nicht bereit ist, ihr die vier Galleonen für die Behandlung ihrer Posteule und einen offiziellen Brief mit einer Entschuldigung und dem Widerruf seiner Beleidigungen zuschickt. Madame Dusoleil hat sowohl dem französischen als auch dem englischen Zaubereiministerium den Brief zugeschickt, den Ihr Vater verfaßt hat. Die Strafverfolgungsabteilungen haben ihr erlaubt, diese Maßnahme zu ergreifen, wenn gesichert ist, daß Ihrem Vater kein Schaden zustößt."
"Hoffentlich verhungert er nicht", unkte Julius.
"Du kennst doch meine Mutter. Sie wird ihn schon nicht ver'ungern lassen, Julius", warf Jeanne ein.
"Schon was von Hungerstreik gehört?" Fragte Julius.
"Wird ihm nichts 'elfen. Er ist alleine, und Maman wird schon dafür sorgen, daß er ißt", sagte Jeanne wiederum beruhigt.
"Offenbar hat Ihr Vater Sie angewiesen, Ihre Kontakte mit ausgebildeten Zauberpflanzenexpertinnen zu bemühen, um ihm diesen Fluch vom Hals zu schaffen", sagte Professor Sprout ruhig.
"Wenn ich das Aurora Dawn schreibe, dann lacht die nur. Aber sie würde wahrscheinlich helfen, wenn da nicht das dumme Ding wäre, daß sie weiß, was Paps Madame Dusoleil geschrieben hat und ihrer Meinung ist."
"Also verstehen wir uns richtig. Madame Dusoleil hat mit Zustimmung des Ministeriums eine zeitlich befristete Strafmaßnahme vollstreckt. Ihr Vater wird wohl die Gelegenheit haben, über seine Einstellung wohlgesonnener Hexen nachzudenken."
"Da ist nur ein Problem: Mein Vater ist in seiner Firma sehr wichtig. Wenn er nicht erreicht werden kann, könnte er seine Anstellung verlieren. Ob das aber noch gerechtfertigt ist, weiß ich nicht."
"Wieso, ihr Vater hat sich doch krank gemeldet und deligiert, was zu tun ist. In zwei Wochen wird die Sperre verschwinden, genau an dem Tag, an dem Ihre Klasse bei mir geprüft wird", erwiderte Professor Sprout leicht belustigt.
"Hmmm! Wenn mein Vater keinen Ausweg mehr sieht, könnte er versuchen, mit Gewalt durch die Hecke zu laufen. Dabei könnte er sterben", murmelte Julius nun nicht mehr belustigt.
"Davon ist nicht auszugehen, da die Pflanzen schon abschreckend genug wirken und Ihr Vater sicherlich an seinem Leben hängt", sprachProfessor Sprout tröstende Worte.
Julius dachte daran, daß sein Vater noch einige hundert Kubikmeter Wasserstoffgas im Keller lagerte. Womöglich bastelte er sich einen Ballon, nur um aus dem Haus und von dem Grundstück zu kommen. Zuzutrauen war es ihm.
Julius bekam den Auftrag einen Brief, den Professor Sprout bereits vorgeschrieben hatte, mit einer kurzen Bemerkung von sich zu unterschreiben. er schrieb nur:
Hallo, Zauberlehrling!
Ich fürchte, daß du die Geister, die du riefst, nur loswirst, wenn du auf Madame Dusoleils Forderungen eingehst.
Such niemals Streit mit einer Hexe!
Nutze deine Freizeit! Alles Gute!
Julius
Professor Sprout las die Anmerkung von Julius und wunderte sich über die Anrede. Dann verstand sie und zitierte einige Zeilen aus dem alten Gedicht von dem Zauberlehrling, der die Abwesenheit seines Meisters ausnutzt, um dienstbare Geister zu rufen, die er jedoch nicht mehr zur Ruhe bringen kann und fast in seinem Haus zu ertrinken droht.
"Obwohl es von einem Muggel verfaßt wurde, ist es doch ein wertvolles Stück auch in unserer Literatur, daß warnt, sich nicht mit Dingen einzulassen, ohne die Auswirkungen vorher genau zu bedenken und Lösungsmöglichkeiten bereitzuhalten, wenn es nicht so läuft, wie es soll", sagte die Kräuterkundelehrerin. Dann schickte sie den Brief mit einer ihrer Posteulen los.
Jeanne und Julius kehrten in die große Halle zurück, wo Belle und Barbara auf Jeanne und Gloria und Kevin auf Julius warteten.
Auf dem Rückweg zum Ravenclaw-Gemeinschaftsraum erzählte Julius kurz, was Professor Sprout ihm erzählt hatte.
"Wenn meine Oma so einen Brief bekommen hätte, als du letztes Jahr bei uns warst, hätte sie auch ziemlich empört reagiert. Dein Vater hat Glück, sich nur mit einer Kräuterhexe angelegt zu haben", sagte Gloria.
"So gesehen ist die Sache für uns noch witzig. Aber stellt euch mal vor, in einem Haus ganz allein eingeschlossen zu sein, umgeben von einer hohen Heckenmauer, die dich nicht mehr rausläßt!"
"Ja, das hat schon etwas gruseliges an sich", befand Kevin.
"Nicht wie der Infanticorpore-Fluch, Kevin. Das ist noch heftiger, denke ich."
"Der was?"
"Habe ich in einem Buch über dunkle Zauber gelesen. Du kannst damit jemanden in den Zustand des Neugeborenen zurückversetzen, allerdings nur den Körper", erklärte Julius.
"Ja, oder wie ist es mit der progressiven Verwandlung. Jeden Tag wächst dir etwas mehr Fell, und irgendwann mußt du auf allen Vieren laufen. Auch gemein", wandte Gloria ein.
"Deshalb ja auch nicht gestattet", legte Julius sofort nach.
Julius las sich das Kapitel über die Sperrdornhecke im Buch "der kleine Hexengarten" durch und beschloß, sich dieses gruselige Gewächs als eigene Vorbereitung zu dem Regenbogenstrauch zu merken, falls Sprout ihm dazu noch mehr Wissen abfragen würde.
Die Zaubertrankprüfung, die sie einen Tag später hatten, verlief etwas gesitteter als im letzten Jahr, wo Snape versucht hatte, Julius' Trank nachträglich zu verderben. Diesmal war der Trank jedoch sehr kompliziert, und außer Julius, der das Rezept mit gewissen Abänderungen perfekt hinbekam, schafften es nur die Hollingsworths, Gloria, Pina und Kevin, ihre Tränke nach Wunsch zu brauen.
Snape mußte jedem dieser sechs mit knirschenden Zähnen eine gute Note geben, wohingegen er den Hufflepuffs und den Ravenclaws, die seinen Anweisungen entgegengearbeitet hatten, je fünf Punkte abzog.
"Die allseits berühmte Sechserbande der zweiten Klasse, hat es mit viel mehr Glück als Verstand wieder einmal geschafft, etwas zu brauen, das tatsächlich so wirkt, wie es soll. Ich bin versucht, Mr. Andrews, der zweifelsohne nichts anderes zu tun hat, als alle Zaubertrankbücher zu lesen, die in unserer Bibliothek herumstehen, zu meinem Nachfolger zu erklären. Aber ich weiß, daß jedes Genie, oder jeder, der sich dafür hält, irgendwann die eigenen Grenzen überschreitet und Fehler macht, die dann so schwer sind, daß sie niemand mehr korrigieren kann. Deshalb vergesse ich diesen dummen Gedanken schnell wieder."
Julius mußte zwangsläufig grinsen über eine derartige Bemerkung, die ihm nur verriet, daß Snape nichts anderes gegen ihn in der Hand hatte, als Demütigungen.
Die Astronomieprüfung war ein Galaauftritt für Pina, Gloria und Julius. Sie konnten die Entfernungen der Sternbilder anhand der veränderlichen Sterne sehr präzise vorhersagen, und Julius zeichnete als Zusatz zu den eigentlichen Aufgaben noch eine Sternenkarte, die er beschriftete:
"Nördlicher Sternenhimmel in 20.000 Jahren"
In Zauberkunst mußten sie die verschiedenen erweiterten Fernlenkzauber, sowie die einfachen Spiegelungszauber vorführen. Wie letztes Jahr mußten sie alle einzeln zu den Prüfungen antreten. Julius bekam in den fünfzehn Minuten noch die Zusatzaufgabe, eine Teetasse mit Rauminhaltsvergrößerungszauber zu belegen, so das nachher ein ganzer Putzeimer Wasser hineingefüllt werden konnte. Danach sollte er die Teetasse so bezaubern, daß sie bunte Lichterscheinungen zeigte, wenn man sie drehte. Dafür bekam er die Bestnote in diesem Fach.
Am 22. Juni, zwei Tage vor der dritten Runde des trimagischen Turniers, kam dann noch die Kräuterkundeprüfung. Hierzu mußten die Schüler Pflanzen, die sie im Verlauf des Schuljahres kennengelernt hatten, beschneiden und die unterirdischen Sprossen der Maulwurfsstaude abschneiden und nach der Dicke der Wurzeln bestimmen, wie lang die Pflanze noch bis zum Aussamen brauchte.
Anschließend wurde jeder noch mal einzeln geprüft. Wie üblich ging es dem Alphabet nach. Die Slytherins spotteten:
"Jetzt kommt unser Spitzenkönner, der für uns die Latte so hoch legt, daß wir alle drunter durch passen."
Julius hörte nicht darauf und folgte Professor Sprout ins Gewächshaus drei, wo er ihr einige giftige Pflanzen beschreiben mußte, sowie an den Blättern Alter und Geschlecht in der Erde verborgener Alraunen zuordnen.
"Die da mit den orangeroten fünfblättrigen Blättern sind Halbwüchsige, an der Helligkeit eindeutig als Weibchen zu erkennen. Ein erwachsenes Männchen sitzt dort drüben, erkennbar an den blutroten, handtellergroßen Blättern mit der rauhen Oberfläche."
"Wunderbar! Können Sie mir auch sagen, welches von den erwachsenen Weibchen bereits befruchtete Sämlinge trägt?" Fragte Professor Sprout. Julius sah sich um und deutete auf zwei große Töpfe, aus deren Kompost je ein trichterförmiges rubinrotes Blatt lugte, das wie ein großer Rosenkelch geschlossen war.
"Sehr gut! Das haben die Hollingsworths auch direkt sehen können. Zufälle gibt es", ließ sich die Kräuterkundelehrerin zu einer nicht direkt zum Unterricht gehörenden Bemerkung hinreißen. Dann fragte Sie Julius über den Regenbogenstrauch aus und hörte sich an, welche Erkenntnisse und Vermutungen er aus der Arbeit mit diesen exotischen Zierpflanzen gewonnen hatte.
"Wie zu erwarten, sehr gut mit Bonus! Herzlichen Glückwunsch!" Beendete Professor Sprout die Prüfung und bat Julius, "Ashton, Melissa" hereinzurufen.
Julius ging hinaus, sagte der Slytherin-Mitschülerin, daß sie hineingehen könne und zog sich schnell zurück zu seinen Freunden. Er wußte, daß sie alle in verschiedenen Pflanzen abgefragt wurden. Die Regenbogenstrauchgruppe war sich sicher, daß alle Notizen und Vermutungen auswendig saßen, ob bei Julius, Pina oder Kevin.
Melissa kam mit verknirschtem Gesicht heraus und sagte dem nächsten Prüfling bescheid.
Lea Drake kam mit einem Pokergesicht heraus, in dem niemand lesen konnte, ob es gut oder schlecht für sie gelaufen war. Einige Slytherins, darunter Carol Ridges und Chuck Redwood, kamen mit zufriedenen Gesichtern heraus. Kevin kam fröhlich heraus und trat zu Julius und Pina:
"Dieser Regenbogenstrauch hat mich gut rausgerissen", flüsterte er so leise, daß nicht einmal die gespitzten Ohren von Melissa Ashton etwas davon auffangen konnten.
Gloria zeigte beim Verlassen des Gewächshauses ebenfalls ein Gesicht ohne jede Regung. Julius' Schlafsaal-Kameraden, die neben dem Gespann Julius und kevin ihre eigene kleine Gruppe gebildet hatten, kamen mit leicht hängenden Schultern heraus. Fredo meinte zu Kevin,
"Gut, daß es in Zauberkunst so gut für mich gelaufen ist, sonst würde mich das und die Verwandlungsnote runterziehen."
Julius schwieg dazu. Er hatte den dreien einmal seine Hilfe angeboten, sie auch gefragt, ob sie ihm bei den Regenbogensträuchern zur Hand gehen wollten. Doch sie wollten davon nichts wissen, da sie sich für andere Dinge interessierten, die ihrer Meinung nach wichtiger waren, wie Zauberkunst, Geschichte der Zauberei und Verteidigung gegen die dunklen Künste. Pina kam als eine der letzten an die Reihe und verließ strahlend das Gewächshaus.
"Die Schau ist vorbei", hakte Julius die Prüfungen leise flüsternd ab.
Professor Sprout verteilte noch einmal die Noten. Julius, Pina und Gloria bekamen mit eins Plus die besten Noten, Kevin, Lea und Chuck schnitten mit einer glatten Eins ab, Melissa Ashton kam mit einer Zwei davon, während Carol Ridges sich wohl irgendwo verkalkuliert hatte und mit einer Drei herauskam. Fredo, Marvin und Eric hatten je eine glatte Vier, jedoch nicht die schlechtesten Noten, wenn Calligulas Fünf und die Fünf Plus von Gordon Stonecore als Schlußlichter der Zweitklässler angesehen werden mußten. Somit war außer einer Sechs alles vertreten, was die Notenskala hergab.
In der Bibliothek trafen Julius und Pina die Hollingsworths, die an diesem Tag Verwandlung hatten. Sie strahlten.
"Unser Notendurchschnitt liegt wohl um einen Wert höher als im letzten Jahr", bemerkte Betty. "Wir haben zwar noch nicht die Zaubertranknoten, aber alle Prüfungsnoten sollen nach der dritten Runde bekanntgegeben werden", sagte Jenna.
Cedric Diggory kam in Begleitung von Cho Chang herein, die ihre letzte Prüfung bereits hinter sich hatte: Arithmantik.
"Diese raumgreifenden Zahlen sind ziemlich heftig, Ced. Sei froh, daß du damit schon durchbist. Ich werde froh sein, wenn die ZAG-Kommission mir schreibt, wieviele ZAGS es dann wirklich sind", sagte Cho. Dann sah sie Pina, die Hollingsworths und Julius. Cedric kam zu Betty und Jenna und gratulierte ihnen zu ihren hervorragenden Arbeiten.
"Ich habe mit McGonagall gesprochen. Ihr kriegt wahrscheinlich eine glatte Eins in Verwandlung. Leon hat es ja wohl voll niedergerissen, wie?"
"Kann man sagen. Aber der kommt da wieder drüber weg", sagte Jenna Hollingsworth zu Cedric.
"Hallo, ihr beiden. Wie schwer war es, euch um eine gute Note zu bringen?" Fragte Cho belustigt.
"Zu schwer. Wir haben es nicht geschafft", sagte Pina sofort. Julius lachte nur darüber. Dann fragte Cho:
"Möchtest du immer noch Arithmantik machen, Julius? Wir hatten in unserer Klasse die räumliche Wirkung von Zahlenketten, aber nicht so, wie ein Buchhalter das verstehen mag, sondern in der Symbolik, wie sie Raum und Zeit umfassen. Ich hoffe mal, mich da gut aus der Affäre gezogen zu haben", erläuterte Cho.
"Klingt so wie Rechentabellen für einen Überlichtantrieb in einem Zukunftsroman", lachte Julius über Chos Erläuterung.
"Prue denkt, das sie außer in Zaubertränken in allen Fächern brauchbare Noten hat. Muggelkunde war etwas haarig, weil sie die Entwicklung von Funkverständigungsmaschinen und -verfahren nicht mehr so genau wußte. Wie hieß noch mal der Muggel, der das Punkt-und-Strich-Alphabet erfunden hat?"
"Samuel Morse, wieso?"
"Oh, dann stimmt das ja. Vorausgesetzt, deine Information stimmt auch", strahlte Cho.
"Sollte man meinen, weil ich in meiner früheren Schule einen Vortrag über die Telegraphie und den ersten Funk gehalten habe. Kam ziemlich gut rüber und trug mir sogar eine Belohnung meines Vaters ein, weil sich die Lehrer so lobend über mich verbreitet haben. Aber ich denke mal, daß ihr das hinkriegt. Auch wenn man die interessantesten Sachen aus der Muggelwelt nicht praktisch vorführen kann, ist es wohl eher ein Fach, wo man sich schlaulesen kann", sagte Julius.
"Dann habt ihr, Hugo Delphi und du, uns ja auch regelmäßig geholfen. Hugo kommt wohl mit einer Eins Plus aus Muggelkunde", sagte Cho.
"Ich sag's doch. Für unsereins, die aus der echten Technikwelt in die Welt der Zauberei gewechselt sind, ist Muggelkunde ein Spaziergang durch einen Blumengarten."
"Aber du machst das nicht, hat Prue gesagt", wandte Cho lächelnd ein.
"Ich mach das nicht, weil ich meine Zeit gerne mit interessanteren, für mich interessanteren Dingen verbringen möchte wie Pflege magischer Geschöpfe."
"Das war auch schön. Wir hatten schon befürchtet, Hagrid würde uns diese knallrümpfigen Kröter aufhalsen. Doch er brachte echte Waldnymphen an, Dryaden, die sich in Bäume verwandeln können, wenn sie wollen. Als Kenner der alten Mythen, wo solche Wesen noch für Muggel als wirkliche Wesen galten, hast du da bestimmt schon von gelesen."
"Yep!" Antwortete Julius.
Julius fragte dann noch, wie die Prüfung bei Moody abgelaufen sei. Cho zitterte ein wenig, dann sagte sie schnell:
"Grausam! Er hat uns dem Imperius-Fluch unterworfen, um zu sehen, ob wir uns daraus befreien können."
"Ich dachte, der wäre verboten", wunderte sich Julius.
"Außerhalb des Klassenzimmers von Moody ist er das auch. Aber gemäß einer Vereinbarung zwischen Dumbledore und dem Ministerium darf Moody die höheren Klassen damit prüfen."
"Das gemeine an diesem Fluch soll ja sein, daß du nachher weißt, was du gegen deinen Willen getan hast", erinnerte sich Julius.
"Ist es auch. Prue mußte fünf Minuten im Handstand bleiben und irgendwelche schmutzigen Lieder singen, die sie vorhin noch nicht kannte. Mir hat er abverlangt, wie ein kleines Kind herumzuquängeln. Ist schon gemein, was du damit anrichten kannst."
"Ich will ja nicht den Rohling geben, aber wissen möchte ich schon, wie sich das anfühlt, wenn einen dieser Fluch trifft, bevor das jemand in böser Absicht bei mir schafft", sagte Julius.
"Ach, das ist ein unwahrscheinlich befreiendes Gefühl. Du vergißt alle Sorgen und Gedanken und treibst in einer Woge aus absoluter Unbeschwertheit dahin, bis du die Befehle kriegst, die dich dazu zwingen, gegen deinen Willen zu handeln."
"In deinem Kopf oder laut gesprochen?"
"In deinem Kopf, als wenn es die eigenen Gedanken wären", erläuterte Cho.
"Verrat ihm jetzt bloß noch, wie dieser Fluch gewirkt wird, Cho, und er läßt alle Spinnen, Mäuse und Schmetterlinge tanzen, ohne sich darüber klarzusein, daß dieser Fluch jemanden zu den schlimmsten Untaten zwingen kann", schaltete sich Cedric ein.
"Ich habe schon einen Dunst davon, wie das sich auswirken dürfte. In einer Geschichte, die in unserem Fernseher lief, mußte der Kapitän eines Weltraumschiffes gegen die eigenen Leute kämpfen, weil eine gefühllose außerirdische Lebensform ihn zu einem der ihren gemacht hat. Er konnte sich an alles erinnern und litt unter schweren Gewissensbissen und Alpträumen, als seine Leute ihn befreit hatten", sagte Julius beklommen. "Außerdem habe ich genug Geschichten gelesen, in denen sogenannte Psycho- oder Hypnostrahlen angewandt wurden, um lebende Wesen zu versklaven. Darum geht es doch bei dem Imperius-Fluch."
"Merk dir das und hoffe, daß du niemals unter seinen Einfluß gezwungen wirst!" Sagte Cedric.
"Wenn mein Vater wüßte, was Zauberer alles anstellen können, um anderer Leute Willen zu brechen, würde er sich freuen, noch mit zivilisierten Leuten zu tun zu haben", murmelte Julius.
"Das wundert mich auch bei den Hardbricks. Fleur Delacour hatte ihren Zauberstab schon fast in der Hand, als Mr. Hardbrick sie beleidigt hat", sagte Cedric gedämpft.
"Das wäre bestimmt lustig gewesen, wie Mrs. Hardbrick herumgezetert hätte, wenn Fleur ihren Mann mit irgendwas Behext hätte, den Capillicorpus-Fluch zum Beispiel."
"Suchst du Streit, Mr. Andrews? Es war nicht angenehm, plötzlich überall mit Fell bedeckt zu sein wie ein Affe", zischte Pina, die sich gut an die Prüfung in Verteidigung gegen die dunklen Künste erinnern konnte.
"Der Rhinotruncus-Fluch wäre auch nicht schlecht gewesen", sagtte Julius gehässig. Die Hollingsworths erinnerten sich daran, wie sie Henry Hardbrick mit einer angehexten Rüsselnase angetroffen hatten.
"Was hat dieser Muggel denn auch zu Mademoiselle Delacour gesagt?" Fragte Pina noch mal. Julius flüsterte es ihr zu und erläuterte, was an dieser Bemerkung Hardbricks so schlimm war. Pina lief rot an und sah dann Julius an.
"Den Kindern in der Muggelwelt erzählt man wohl früh sehr viel, wie?"
"Das Erzählen ist nicht so heftig wie das Vorführen", erwiderte Julius, in einer anrüchig tiefen Tonlage sprechend.
"Hallo, Professor McGonagall", grüßte Pina die Verwandlungslehrerin, die gerade hinter einem der hohen Bücherregale hervortrat.
"Ich war gezwungen, einen Teil Ihrer Unterhaltung mitzuhören, Ms. Chang, Mr. Andrews. Offenkundig fasziniert es Sie, wie man sich gegenseitig Schaden zufügen kann, oder, Mr. Andrews?"
"Eben nicht. Das mag vielleicht für Sie so rübergekommen sein, ist aber durchaus nicht so beiläufig gemeint, wie ich es betont habe. Ich mache mir schon Sorgen darum, daß mein Vater einmal Krach mit dem falschen Zauberer bekommen kann und dann unter einem dieser Flüche leidet. Mir will er ja nicht glauben, daß die Zaubererwelt gefährlicher ist als er sich eingestehen will. Dasselbe fürchte ich für Mr. Hardbrick und seine Frau. Aber möglicherweise kann man da ja was dran ändern", sagte Julius und mußte sich beherrschen, Professor McGonagall zu sagen, daß sie ja schon gezeigt hatte, wie schnell jemand sich über eine gefährliche Grenze begab.
"Immerhin ist Henry Hardbrick zumindest lernfähig. Er hat sich sehr gut zusammengenommen bei den Prüfungen."
"Ja, wie einer, der schon mit dem Kopf unter dem Fallbeil hängt und den schlimmsten Spott über sich ergehen läßt, weil das ja noch schlimmer wird, wenn das Beil fällt", sagte Julius.
"Wie bitte?" Fragte Professor McGonagall.
"Fragen Sie Ihre Kollegin Sprout, was Henry ihr damals im Krankenflügel erzählt hat, als er sich an Madame Dusoleils Regenbogenstrauch vergriffen hat!" Verwies Julius die Verwandlungslehrerin an die Hauslehrerin von Hufflepuff.
"Ach, das meinen Sie. Ich denke, das Ministerium wird ihn sehr gut beobachten, so wie es Sie beobachtet hat, Andrews. Insofern wird keine der aus Hilflosigkeit geborenen Drohungen wirklich vollstreckt werden. Und was die Flüche und ihre verheerende Wirkung angeht, sollten Sie sich im Sommer ruhig die Zeit nehmen und sie mit jener Kollegin von mir diskutieren, die Sie im letzten Jahr kennenlernten. Einen schönen Tag noch", sagte die Hauslehrerin der Gryffindors und verließ die Bibliothek mit einigen dicken Wälzern über stationäre Verwandlungszauber.
"Huh, das muß ich wohl als Tadel auffassen, was sie zum Schluß gesagt hat", preßte Julius leise zwischen den Zähnen hervor.
"Möglich ist es", grinste Pina schadenfroh.
Kevin kam in die Bibliothek. Er brachte einige Bücher zurück, die er sich ausgelihen hatte, darunter eines über körperverändernde Flüche.
"Das Labyrinth sieht schon echt gut aus, Julius. Hättest du Lust, da mal reinzugehen, natürlich mit Kompaß und einem Garn, damit wir uns wieder zurückbewegen können", flüsterte Kevin.
"Schon mal sehen, ob einige Zauberfallen aktiviert sind, Kevin? Oder liegt dir was daran, einem Riesenskorpion vor die Fangscheren zu kommen?"
"Ich denke nicht, daß die Zauberwesen da schon drin sind. Die müßten noch drei Tage ohne Futter auskommen", flüsterte Kevin.
"Was gibt es alles für schöne Zauberfallen?" Fragte sich Julius und vermutete Zeitbremsezauber, in denen du ein Jahr innerhalb von einer Sekunde verlebst, starke Illusionen, stationäre Flüche und Verwandlungen.
"Nachher ist da noch ein Verwandlungsfeld drin, daß aus jeden der in es hineingerät einen Frosch macht. Quoooak!" Flüsterte Julius. Das brachte Kevin davon ab, in das Labyrinth zu gehen.
Beim Abendessen schaufelte ihm Jeanne von den nahrhaftesten Speisen mindestens drei Portionen auf den Teller und unterhielt sich mit ihm und Gloria über ihre letzte Prüfung: Pflege magischer Geschöpfe. Dann sagte sie noch zu Julius:
"Madame Maxime wartet morgen um neun an unserem Reisewagen. Reinigungsmittel haben wir vorrätig, ebenso eine Lange Leiter und Sicherungsseile."
Julius lächelte nur und sagte:
"Ich freue mich schon, in eure Schlafzimmerfenster hineinsehen zu können."
"Frechheit!" Empörte sich Jeanne und stieß Julius den linken Ellenbogen in die Seite. Julius fuhr vom Schmerz getroffen zusammen, fing sich jedoch wieder. Dann sagte er:
"Wenn du das noch mal machst, kommt alles wieder hoch, was du in mich hineingeschaufelt hast, Jeanne."
"Wahrscheinlich mag das Claire an dir, daß du immer einen schnellen Spruch bereithältst", lächelte Jeanne. Julius errötete, was Jeanne herzhaft lachen ließ.
"Habe ich etwas unanständiges gesagt, oder hat das, was ich sagte, unanständige Gedanken ausgelöst?" Fragte sie zwischen zwei Lachsalven.
"Kein Kommentar", sagte Julius.
Kevin trietzte den Freund noch damit, daß er morgen für die feinen Mesdemoiselles und Messieurs den Putzknecht spielen durfte.
"Wenn sie dich zu fassen bekommen hätte, hättest du der großen Dame vielleicht noch die Schuhe putzen dürfen, alle Paare, die sie mithat", konterte Julius.
Peeves, der Poltergeist, lauerte den Ravenclaws auf dem Weg zu ihrem Gemeinschaftsraum auf und ließ unvermittelt eine Ladung Sand auf sie herunterregnen. Gloria, Julius und Kevin griffen Peeves mit drei unterschiedlichen Flüchen an, von denen nur der von Julius durchkam, ein Visovolvus-Zauber, der den, den er traf, die Welt um sich herum immer schneller im Kreis drehen sehen machte. Peeves begann, sich selbst um die eigene Achse zu drehen, stieß dabei glucksende Schreckenslaute aus, bevor er dann mit lautem Knall gegen die rechte Wand des Korridors prallte. Dann war der Fluch wohl vorbei.
Mit wüsten Beschimpfungen rauschte Peeves davon.
"Der will es nicht lernen", sagte Gloria.
"Die Lust am Chaos ist größer als die Sorge vor Vergeltung", sagte Julius.
An diesem Abend ging er auch wieder früh zu Bett und schaffte es bis um sechs Uhr morgens durchzuschlafen.
Julius ließ sich Zeit beim Frühstück. Er las den Tagespropheten, den er wie jeden Morgen zugestellt bekam, trank mindestens vier Tassen Tee und aß von allem etwas, von den Haferflocken, Eiern mit Schinken, Tomaten, Marmeladentoast und Croissants mit Schokoladenfüllung. Kevin Malone trietzte Julius damit, daß er sich hatte dressieren lassen wie ein niederer Hauself, bekam dafür jedoch von Gloria und Jeanne bitterböse Blicke zugeworfen. Julius ignorierte die nicht so ernst gemeinten Spötteleien des Freundes und beendete das Frühstück satt und zufrieden.
Nachdem Julius noch mal das Jungenbadezimmer im ersten Stock aufgesucht hatte, wo er sich unter anderem die Haare mit dem Frisurhalt-Elixier von Mrs. Porter das hellblonde Haar, das ihm fast wieder in den Nacken herabreichte, zurechtkämmte und seine freien Hautpartien mit Sonnenkrauttinktur einrieb, um keinen Sonnenbrand zu kriegen, marschierte er entschlossen, sich nicht kleinkriegen zu lassen, zur Beauxbatons-Kutsche. Als er direkt vor einem der vier mächtigen Räder stand und die Speichen ansah, welche dick wie junge Baumstämme waren, mußte er sich jedoch schwer beherrschen, nicht zu verzweifeln, daß er sich derartiges hatte aufhalsen lassen. Kevin hatte ihm ja noch gesagt, daß er bei Flitwick hätte anfragen sollen, ob er nicht eine andere Strafarbeit hätte ausführen müssen, doch jetzt war es zu spät, noch umzukehren.
Vor dem Wagenschlag mit den zwei gekreuzten Zauberstäben, aus denen je drei goldene Funken sprühten, stellte sich Julius in Wartestellung und sah zu dem Fenster in der Wagentür hinauf. Julius dachte noch mal daran, daß Jeanne bereits die letzte Prüfung hinter sich hatte. Sie war in der sechsten Klasse der Ravenclaws gewesen, solange ihre Zeit hier dauerte. Einige Beauxbatonss mußten noch ran, um die letzten Prüfungen zu schaffen, heute und morgen, wußte Julius. Nur Fleur Delacour, der Beauxbatons-Champion, war ja von allen Prüfungen befreit.
Die beiden Stundenzeiger von Julius' Armbanduhr standen auf der Neun, der silberne Sekundenzeiger rückte soeben auf die Zwölf, wo der Minutenzeiger sich gerade hinbewegt hatte. Als der Sekundenzeiger mit letztem kleinen Schritt die Zwölf erreichte, klappte der Wagenschlag auf, und die beiden übergroßen Füße von Madame Maxime traten auf die goldene Treppe, die zum Erdboden hinabreichte. Eines der riesigen Pferde schnaubte, daß die Luft erzitterte.
"Einen wunderschönen guten Morgen, Monsieur Andrews!" Begrüßte ihn Madame Maxime, als sie in ihrer ganzen Größe der Kutsche entstiegen war. "Ich freue mich, daß Sie zumindest soviel Verantwortungsgefühl besitzen, sich an gewünschte Zeiten zu halten. Sie werden hier und heute die wegen offener Gehorsamsverweigerung ausgesprochene Strafarbeit verrichten, die darin besteht, diesen Reisewagen von den Rädern bis zum Dach von außen zu reinigen und mit magischer Spiegelglanzpolitur zu behandeln. Reinigungsmittel und Arbeitsgerätschaften werden Ihnen sogleich zur Verfügung gestellt. Um zu vermeiden, daß Sie sich die auferlegte Arbeit durch Zauberei vereinfachen und dadurch das Maß Ihrer Bußleistung willkürlich verringern, werden Sie mir zeitweilig Ihren Zauberstab überlassen", sagte Madame Maxime und deutete auf die rechte große Umhangtasche, in der Julius seinen Zauberstab mit sich führte. Julius zögerte, als die Halbriesin ihre rechte Hand, die so groß wie sein eigener Kopf sein mochte, ausstreckte und wartete, daß Julius ihr den Zauberstab übergab.
"Na los, wird's bald!" Schnaubte Madame Maxime ungehalten. Julius zog seinen Zauberstab heraus und reichte ihn der Schulleiterin.
"Julius, bist du bescheuert?!" Rief Kevin Malone hinter Julius Rücken aus der Deckung einer Rhododendronhecke. Madame Maxime steckte Julius' Zauberstab unverzüglich fort und zog ihren eigenen hervor, mit dem sie durch eine schnelle Handbewegung das Gebüsch zerteilte. Sofort danach flog Kevin Malone wie an einem Kran eingehakt nach oben und raste auf die Kutsche zu, wo er in der Luft hängenblieb.
"Was 'atten Sie in diesem Busch zu suchen, Monsieur Malone?" Rief Madame Maxime sehr eindringlich. Kevin hing immer noch in der Luft und ruderte wild mit allen vier Gliedmaßen herum.
"Runterlassen!" Rief er trotzig. Dann versuchte er, an seinen Zauberstab zu gelangen, doch Madame Maxime ließ ihn schnell einmal herumwirbeln, und der Eschenholzstab des rotblonden Klassenkameraden von Julius klapperte zu Boden.
"Ich wollte nur sehen, ob Julius sich tatsächlich hertraut", stieß Kevin aus. Unvermittelt sank er zu boden, wo er auf allen Vieren landete. Er wollte aufspringen, doch irgendeine unsichtbare Last drückte ihn zu Boden.
"Ich frage mich ernst'aft, ob Sie tatsächlich in das 'aus ge'ören, in dem Sie wohnen, Monsieur Malone. Sehen Sie mich nicht so an, als dürfte ich nicht wissen, wer Sie sind. Da Ihnen Monsieur Andrews sicherlich erzählt 'at, daß auch ich Ihnen Punkte abziehen kann, dürfte es Sie nicht überraschen, wenn ich nun beschließe, daß Sie für Ihre voyeuristische Unflätigkeit fünfzehn Punkte verlieren. Monsieur Andrews wird hier und jetzt seine angewiesene Strafarbeit ableisten. Dafür benötigt er keinen Zuschauer außer mir persönlich. Nehmen Sie Ihren Zauberstab und kehren Sie ins Schloß zurück!"
Kevin stand auf, fischte nach seinem Zauberstab und wollte ihn schon auf die riesenhafte Frau im langen Satinumhang richten, verzichtete jedoch darauf, als sie ihren Zauberstab drohend anhob. Im Geschwindschritt eilte Kevin zurück zum Schloß.
"Könnte es sein, daß dieser junge Mann einen schlechten Einfluß auf Sie ausübt?" Fragte Madame Maxime im Lehrerinnenton, wobei sie sich wieder ihrer Muttersprache bediente.
"Wohl eher umgekehrt", gab Julius trotzig zurück. Madame Maxime verzichtete darauf, ihn für diese Frechheit zu rügen oder mit schlimmerem zu kommen und holte per Aufrufezauber vier große Flaschen, einen dreißig Liter fassenden Eimer mit zwei Griffen, eine zusammenfaltbare Leiter von bis zu 15 Metern Länge und Schrubber, Schwämme und große Putzlappen herbei. Aus ihrem Zauberstab ließ sie einen Strahl heißen Wassers in den Eimer strömen, dann wieß sie auf die Leiter.
"Es sind Seile mit verschiebbaren Halteschlingen daran, wenn Sie nach oben arbeiten. Wohlan, Monsieur! Bis heute Abend haben Sie alles geputzt und poliert. Ich gestatte Ihnen zwei Pausen. Eine zum Mittagessen und eine heute Nachmittag, um etwas zu trinken. Fangen Sie an!"
Julius bugsierte den schweren eimer vor das rechte Vorderrad und träufelte etwas von dem Scheuermittel hinein, das sofort eine brodelnde bläuliche Flüssigkeit im Eimer erzeugte. Dann nahm er den Scheuerlappen und begann, sich von unten nach oben am Rad entlang vorzuarbeiten, erst außen Herum, wobei er die Leiter in der zusammengefalteten Form benutzte, dann jede der dicken Speichen entlang.
Es war eine Heidenarbeit, die Speichenräder komplett zu putzen. Es dauerte eine halbe Stunde, bis er eines der Räder sauber hatte. Dann ging er das nächste Rad an, für das er, weil er sich nun einen brauchbaren Arbeitsgang zurechtgelegt hatte, nur zwanzig Minuten benötigte. Diese Zeit brauchte er auch für die letzten beiden Räder. Danach kam die Baumlange Deichsel, an der die zwölf fliegenden Pferde angespannt werden konnten an die Reihe. Diese schaffte er in schweißtreibender Arbeit innerhalb einer stunde. Das ohrenbetäubende Wiehern eines der Pferde, die auf der Koppel standen, ließ Julius zusammenfahren. Doch dann machte er mit dem großflächigen Boden weiter. Er hörte Madame Maxime über sich mit César und Belle Grandchapeau sprechen, es ging wohl um die Prüfungsergebnisse. César war dabei wohl nicht so gut weggekommen, während Belle die absoluten Spitzennoten erreicht hatte.
Julius arbeitete sich mit dem Wischer und der Politurflasche Quadratmeter für Quadratmeter von Vorne nach hinten, und von hinten nach vorne durch. Immer wieder mußte er die Leiter verschieben, den Wischlappen im Putzwasser tränken und wieder auf die Leiter klettern, um zu scheuern und sofort nachzupolieren, wie er es auch schon bei den Rädern und der Deichsel gemacht hatte. Dabei sang er fröhlich das Lied von dem betrunkenen Seemann, daß er gerne sang, wenn er seinem Vater den Wagen wusch. Offenbar erregte er damit eine gewisse Belustigung im Wageninneren, denn zwischenzeitig lachten Schüler der Beauxbatons-Lehrerin. Nach dem Seemannslied sang Julius alte Schlager aus seiner früheren Schulzeit. Er war froh, daß der breite Boden der Kutsche genug Schatten bot, denn die Sonne brannte immer Heißer herab. Keine einzige Wolke war am Himmel, und es ging kein Wind.
Als er den Unterboden komplett geschafft hatte und den durchgeschwitzten Umhangkragen zurechtzupfte, hüpfte Jeanne Dusoleil aus dem Wagenschlag und winkte ihm zu.
"Mittagszeit! Madame Maxime hat mir aufgetragen, sie mit ins Schloß zu nehmen."
Julius verstaute die Putzutensilien neben dem linken Vorderrad und folgte Jeanne.
"Belle fragte, ob du dich nicht übernimmst, wenn du noch beim Arbeiten singst", teilte Jeanne dem Zweitklässler mit.
"Im Moment nicht. Außerdem kann ich dabei gut den Atem einteilen und nicht zu hektisch prusten. Die Muggelseeleute haben früher auch gesungen, wenn sie ihre Schiffe be- oder entladen haben, habe ich mal gehört. Dann muß das ja was taugen", sagte Julius, der jetzt erst merkte, wie sehr ihn die Arbeit bis jetzt schon ausgelaugt hatte. "Ich hoffe nur, ich habe niemanden beim Lernen gestört", sagte Julius.
"Wir sind fast alle durch. Nur heute haben noch welche Prüfung. Fleur hat sich in eurer Bibliothek vergraben, um noch was zu lesen. Insofern hast du keinen gestört. Zumindest hast du nicht schlecht gesungen. Sonst hätte dir Madame Maxime sicherlich den Sprechbann auferlegt", erwiderte Jeanne mit verschmitztem Grinsen.
Kevin Malone sah Julius mit einer Mischung aus Bedauern und Ehrfurcht an, als er an den Tisch kam.
"Die alte spinnt doch", flüsterte er und nickte kurz in Richtung Madame Maxime, die neben Dumbledore am Lehrertisch saß. "Warum schmeißt du die Brocken nicht hin, wenn sie dir nicht zusieht?" Fragte Kevin noch.
"Eben das ist mein Problem. Wann sieht sie mir nicht zu? Außerdem werd ich ihr beweisen, daß ich mich nicht so einfach unterkriegen lasse, nur weil ihr Wohnmobil so schön groß ist. Morgen haben wir keine Prüfungen mehr, so daß ich ausschlafen kann."
"Du bist echt lustig", sagte Kevin. "übrigens, was ist ein Voyeurist?"
"Voyeur, Kevin! Einer, der Leuten unerlaubt zusieht, eigentlich dann, wenn sie sich ausziehen oder sich sehr lieb haben. Ein Spanner."
"Soso", gab Kevin zurück und errötete, offenbar weil er etwas unschickliches dachte.
Julius aß nur von der Suppe und trank Kürbissaft. Jeanne beanstandete es nicht, daß Julius kurz nach dem Mittagessen wieder zur Reisekutsche ging und nun die Seitenwände und die Fensterscheiben in Angriff nahm. Er sah, daß sich seine Arbeit offenbar gelohnt hatte, denn das graublaue Reisegefährt glitzerte richtig in der Sonne, die als greller weißgelber Feuerball über den Ländereien von Hogwarts thronte. Immer noch zog nicht ein einziges weißes Wölkchen am hellblauen Himmel dahin. Dieser Tag war an und für sich ein idealer Badetag, fand Julius und sah kurz auf die spiegelnde Oberfläche des Sees.
Mit Hilfe der Leiter und einem Seilzug, den er oben an der Kutsche festschraubte, holte er den neu gefüllten Eimer immer auf die gerade benötigte Höhe. Zwei Stunden verbrachte er an der linken Außenwand, die er von oben nach unten, dann wieder von oben nach unten von hinten nach vorne bearbeitete. Dabei blickte er neugierig auf die breiten Fensterbänke aus lackiertem Ebenholz, warf einen Blick durch die Kristallscheiben auf die bunten Vorhänge, von denen die meisten halb geschlossen waren. Zum Fensterputzen benutzte er eine kleine Sprühflasche mit Zauberblick- Kristallreiniger, wie das platinfarbene Schildchen auf der großen Flasche ihm verriet. Julius sah, daß die Fenster von innen sauber waren. Offenbar hielten die Bewohner der kleinen Abteile, die hinter den Fenstern lagen, die Räume von innnen sauber. Einmal sah er Nadine Pommerouge, die gerade in ihr Abteil hineinkam und ein Buch fortlegte. Sie trat an das Fenster und winkte Julius zu, als er die Scheibe wischte. Dieser wußte nicht, ob er sie ansprechen durfte und arbeitete schweigend weiter, von Fenster zu Fenster.
"An und für sich komfortabel da drinnen", dachte Julius. "Große Betten, ein Wandschrank und weiche Teppiche. Was will man mehr?"
Es mußte um vier Uhr herum sein, als Julius sich um die Kutsche herum gearbeitet und die Heckseite fertiggeputzt und poliert hatte. Die Sonne brannte ihm zwar heiß auf Gesicht, Nacken oder Hände, konnte jedoch keinen Schaden anrichten.
Die letzte Etappe der großen Säuberungsaktion war die Reinigung des Daches. Hierzu hievte Julius den vollen Eimer nach oben, turnte mit dem Schrubber und den Putzmitteln nach oben und trat auf die glatten breiten Dachplanken. Unvermittelt ließ er den Schrubber aus der Hand fallen, als er den etwa drei Meter durchmessenden runden Tisch sah, um den herum fünf Stühle standen. Auf einem dieser Stühle saß Fleur Delacour und blickte ihn direkt an. Julius verlor fast das Gleichgewicht, so heftig traf ihn die Ausstrahlung des Veela-Mädchens mit den langen silberblonden Haaren, daß ihm zulächelte, als Madame Maxime durch eine Luke im Dach der Kutsche herausstieg und auf den Tisch zutrat. Dahinter enterten Jeanne Dusoleil und Nadine Pommerouge auf. Jeanne trug ein Tablett mit Waffeln und eine große Kanne, während Nadine weiß-blaues Kaffeegeschirr balancierte.
Julius wollte gerade den Schrubber wieder aufnehmen, um zumindest den hinteren Bereich des Daches zu putzen, bevor die vier Beauxbatonss mit ihrer Teestunde fertig waren, doch Madame Maxime gebot ihm, den Schrubber wieder hinzulegen und zu ihnen zu kommen.
Julius zögerte eine Sekunde, dann legte er den Schrubber über den Eimer, so daß er sich nicht würde bücken müssen, um ihn zu ergreifen und ging zu dem großen Tisch, der, wie Julius jetzt sah, auf einem versenkbaren Sockel verankert war.
"Ich wünsche den Damen einen schönen Nachmittag", grüßte Julius die Tischgesellschaft. Madame Maxime, die auf ihrem extragroßen Eichenholzstuhl saß, erwiderte den Gruß. Julius sah sich vor, Fleur nicht länger als eine Sekunde anzusehen, als die Schulleiterin sagte:
"Ich ordne an, daß Sie die von mir eingeräumte Teepause hier und jetzt nehmen, bevor Sie das Dach reinigen. Setzen Sie sich!"
Julius nahm den freien Stuhl zwischen Nadine und Jeanne. So mußte er Fleur Delacour nicht direkt ansehen, wenn er es nicht wollte.
"Wo sind denn die anderen?" Fragte Julius vorsichtig, als Jeanne ihm zwei große Waffeln auf einen Teller legte.
"Die werden noch kommen", sagte Madame Maxime. Einige müssen noch ihre letzte Prüfung zu Ende bringen. Sie sind damit ja schon fertig."
"Ja, das stimmt", sagte Julius leicht erschöpft von der Hitze und der harten Arbeit.
"Nadine hat gesagt, daß du ja richtig professionell gearbeitet hast", sagte Jeanne Dusoleil.
"Alles eine Frage der Übung. Ich habe meinen Eltern schon häufig beim Hausputz und der Wagenwäsche geholfen. Daher weiß ich, wie ich mir die Arbeit einteilen kann, um nicht zuviele Wege zurückzulegen und möglichst schnell mit allem fertigzuwerden", erwiderte Julius.
"Eine Tasse Tee mit Kürbissaft?" Fragte Nadine Pommerouge. Julius nickte und nahm die bauchige Kanne, aus der er sich vorsichtig die Tasse vollschenkte.
Der mit Kürbissaft gemischte schwarze Tee war eiskalt. Julius wunderte sich darüber, mußte dann aber über seine eigene Einfalt grinsen. Er selbst hatte ja bei Flitwick den Aequicalorus-Zauber gelernt, der Behälter wie Kannen oder Flaschen zu Kühl- oder Warmhaltebehältern machte, gegen die sogar die Thermoskannen der Muggelwelt blaß aussahen.
"Sie wirken zwar angestrengt, aber nicht direkt erschöpft", stellte Madame Maxime fest, und in ihrem Tonfall schwang für Julius eher Anerkennung als Enttäuschung mit, daß sie ihn nicht mit dieser Strafe kleingekriegt hatte.
"Für mich ist die Arbeit zwar anstrengend, aber ein gutes Ausdauertraining. Außerdem fördert sie meine Organisationstalente, weil ich überlegen muß, wie ich was am besten schaffen kann", erwiderte Julius ruhig.
"Sie wollen doch nicht etwa behaupten, dies sei keine Strafe für sie?" Fragte Madame Maxime lauernd. Julius sagte schnell:
"Ich hätte in der Zeit andere Sachen tun können, die mir richtig viel Spaß gemacht hätten. Außerdem ist Putzen nicht ganz die Lieblingsbeschäftigung von mir. Insofern ist das schon eine Strafe für mich."
"Immerhin kannst du sehr gut putzen, auch ohne Zauberkraft", gestand Jeanne Julius zu.
"Danke, Mademoiselle", antwortete Julius.
"Hast du schon Pläne für deine Ferien, Julius?" Fragte Nadine Pommerouge.
"Direkt nicht. Aber ich hörte, daß Madame Delamontagne mich erneut für das Schachturnier in Millemerveilles gemeldet hat. Ihr schien das sehr wichtig, daß ich daran teilnehme. Ansonsten weiß ich noch nicht, was ich in den Ferien tun werde."
"Deine Eltern werden wohl darüber entscheiden müssen, ob du in Millemerveilles Schach spielst", sagte Fleur Delacour wie beiläufig.
"Meine Mutter hat da bestimmt nichts gegen", sagte Julius.
"Wie geht es eigentlich deinem Vater, Julius? Hat er sich noch mal gemeldet?" Wollte Jeanne wissen. Julius hörte sehr wohl den gehässigen Unterton in ihrer Frage.
"Er hat mir nichts mehr geschrieben, seit dem letzten Brief. Ich hoffe nur, daß deine Mutter sich nicht doch verkalkuliert hat."
"Bestimmt nicht", widersprach Jeanne energisch. Madame Maxime wandte ein:
"Ich hörte von diesem Vorfall mit Madame Dusoleils Posteule und welche Beleidigungen er gegen sie im besonderen, und womöglich gegen uns alle im allgemeinen vorgebracht hat. Ich ging davon aus, daß die dummen Vorurteile der Muggel ausgeräumt würden, bevor jemand aus einer nichtmagischen Familie eine Zaubereischule besucht."
"Das tat ich auch, Madame Maxime. Allerdings weiß ich, daß meine Eltern immer noch ihre Schwierigkeiten haben, sich mit meiner neuen Ausbildung und den Leuten, denen ich dabei begegne, abzufinden. Denn es ist ja nicht so einfach, die lange für einzig richtig gehaltenen Kenntnisse und Erfahrungen zu verwerfen. - Aber ich möchte mich nicht unnötig über meine Eltern unterhalten, wenn Sie erlauben. Ich denke, daß ich schon weiß, wohin ich gehöre und was ich damit anfangen muß."
"Es ist nur eine unsägliche, fast unverzeihliche Unterstellung, wir Hexen und Zauberer lebten in wilder Barbarei", sagte Madame Maxime. Fleur Delacour rümpfte die Nase und schüttelte empört den Kopf.
"Ich habe nicht vergessen, was dieser Muggel zu mir gesagt hat. Unverschämtheit!"
"Ich gehe davon aus, Madame Maxime, daß Julius Andrews gerne wieder nach Millemerveilles kommen wird, um dort Madame Delamontagne im Schach zu besiegen", erwiderte Jeanne. "Außerdem gehe ich stark davon aus, daß es noch andere Aktivitäten gibt, die er wieder wahrnehmen möchte."
"Ja, könnte sein", sagte Julius und fügte hinzu: "Ich müßte zum Beispiel wieder Quidditch trainieren."
"Ja, das wäre sehr schön, wenn wir wieder einen jungen Mitspieler hätten, der so gut manövrieren kann. Ich muß sagen, daß ich selten einen Jäger erlebt habe, der besser vorausberechnen kann, wo ein Klatscher hinfliegt, als ich und es sogar ausnutzt, wenn er direkt von einem Klatscher angeflogen wird. César mußte lernen, daß man auch anders Tore machen kann, als nur durch direkte Angriffe."
"In einer Woche beginnen die Ferien in Hogwarts. Ich werde wohl erst zurückfahren und sehen, was dort anliegt. Womöglich gibt es auch andere Dinge, die ich erledigen muß. Was sind da schon Zauberpflanzen, Quidditchspiele oder ein Schachturnier, wenn mir jemand aufträgt, etwas anderes in dieser Zeit zu erledigen. Ich habe ja noch gar nicht die Endnoten. Ich denke mal, daß ich lieber warten soll, ob ich Nachhilfeunterricht brauche, falls sowas in der Zaubererwelt geht."
"Sowie ich dies mitbekommen habe, wurden Sie im letzten Sommer sehr hochrangig unterrichtet", wandte Madame Maxime ein. "Womöglich besteht diese Chance für Sie auch dann, wenn Sie unerwarteter Weise das Klassenziel verfehlt haben könnten."
Julius mochte nicht daran denken, was passierte, wenn er durch eine Prüfung rasselte. Zwar hatte ihm Professor McGonagall angedeutet, daß er in Verwandlung auf jeden Fall überdurchschnittlich gut abgeschnitten hatte, auch wenn man die hohe Grundkraft außer Acht ließ, die er mitbrachte, und die Professoren Sprout und Sinistra hatten ihm bereits die Bestnoten in ihren Fächern bescheinigt, aber Geschichte der Zauberei oder Zaubertränke waren seine Problemfächer, selbst wenn er sich bei Zaubertränken sehr sicher fühlte, alles richtig gemacht zu haben.
Durch die Dachluke stiegen Barbara, Belle und Gustav van Heldern herauf und trugen Stühle an den Tisch. Schnell hatten sie sich niedergelassen, als Madame Maxime es ihnen gestattete. Barbara sah Julius an, dann den großen Putzeimer auf dem hinteren Teil des Daches.
"Da sieht man doch wieder, wie wertvoll eine gute körperliche Ausbildung ist", sagte die athletische Sechstklässlerin aus Beauxbatons, die in der Mädchenmannschaft von Millemerveilles Hüterin spielte.
"Ich werde das nachher noch fertigputzen, dann bin ich auch schon wieder weg", sagte Julius.
"Habe ich das eben richtig mitbekommen, daß du nicht weißt, was du in den Ferien machen wirst?" Fragte Barbara Lumière. Julius nickte.
"Aber sicher weißt du das. Du wirst dort weitermachen, wo du letzten Sommer aufgehört hast. Immerhin steht noch eine Revanche im Schachturnier aus, dann brauche ich einen flinken Gegenspieler im Quidditch, und ich denke, daß Jeannes Familie da auch noch gewisse Einwände hätte, wenn du nicht wieder zu uns kämst, zumal du ja sonst nirgendwo hinkannst, um das zu tun, wofür du geschaffen bist."
"Er möchte halt nicht angeben, mit wem er alles verkehrt, Barbara. Das ist eine Tugend, keine Schwäche", wandte Jeanne ein.
"Dann hätte er in den Osterferien nicht am Empfang von Madame Delamontagne teilnehmen dürfen", sagte Fleur Delacour belustigt. "Immerhin stand das ja in der Zeitung."
"Ja, tat es", seufzte Julius.
"Wie gesagt, Barbara, Fleur, Monsieur Andrews hat gelernt, daß man sich nicht nur auf seinen Ruhm verlassen soll", wiederholte Jeanne.
Nach der Teestunde sah Julius zu, wie der große Tisch im Dach versank und eine Dachplanke darüberglitt und sich fugenlos in die restlichen Dachdielen einpaßte. Julius ging zu den Putzmitteln zurück, die er auf dem Kutschdach hatte stehenlassen. Madame Maxime griff noch den Wassereimer, schleuderte dessen Inhalt wie nichts ins Gelände, füllte ihn erneut mit heißem Wasser und kommandierte ihre Schützlinge unter Deck. Julius wartete, bis alle durch die Dachluke verschwunden waren, dann putzte er das Kutschdach so sauber, daß es auch schon ohne Politur glänzte. Nach anderthalb Stunden war er mit der Putzerei fertig. Madame Maxime kam mit einem großen weißen Tuch und prüfte nach, ob auch kein Stäubchen vergessen worden war. Als sie nichts zu beanstanden hatte, ließ sie den Eimer von Zauberhand vom Dach schweben, sich über dem unbepflanzten Gelände ausleeren und im Wageninneren verschwinden. Dann wartete sie ab, bis Julius von der Anstrengung erschöpft vom Dach kletterte und gab ihm seinen Zauberstab zurück.
"Sie haben Ihre Strafarbeit erfüllt und damit gezeigt, daß Sie die Konsequenzen dessen tragen können, was Sie tun, Monsieur. Verzichten Sie zukünftig auf Ungehorsam oder Mißfälligkeiten, dann dürften Sie keine weiteren Probleme haben", belehrte die überlebensgroße Schulleiterin den Zweitklässler. Julius nickte und wollte schon loslaufen, um ins Schloß zu kommen. Jeanne kam aus dem Wagenverschlag und hielt ihn zurück.
"Wir gehen zusammen. Immerhin warst du den ganzen Tag hier", bestimmte sie. Julius sah Madame Maxime an, doch diese machte keine Einwände.
Als die restlichen Schülerinnen und Schüler aus der Kutsche gestiegen waren, ging es in Zweierreihen zum Schloß hinauf, durch das hölzerne Tor in die große Vorhalle und hinein in die große Halle.
Kevin verzichtete auf jede Form der Bemerkung, als Jeanne Julius rechts von sich und links von Gloria Porter platzierte.
"Du hast so getan, als wenn dir das alles nichts ausgemacht hat. Aber morgen wirst du merken, was du alles getan hast. Außerdem brauchst du viel Energie. Also halt dich ran mit dem Essen!" Ordnete Jeanne an. Kevin sah die ältere Schülerin aus dem französischen Zaubererinternat an, wagte es jedoch nicht, etwas zu sagen.
Dies tat er erst, als Julius und er allein unterwegs zum Jungenschlafsaal für Zweitklässler waren.
"Was will die von dir? Die ist fünf Jahre älter als du und hat doch genug um die Ohren, als sich mit dir abzugeben. Nichts für ungut, Julius! Aber irgendwie bildet die sich ein, wie eine Mutter zu dir sein zu müssen. Willst du da wirklich wieder hinfahren? Wenn die älteste Tochter schon so ist, wie ist dann erst die Mutter?"
"Was meinst du, wer Jeanne wohl gesteckt hat, mich so umsorgen zu müssen, Kevin? Ich glaube nicht, daß Jeanne das wirklich alles von sich aus tut."
"Dann sage ihr doch, daß du das nicht nötig hättest, daß wer anderes meint, dir alles vorbeten und nachtragen, dich füttern und vielleicht sogar ins Bett bringen zu müssen!"
"Kevin, wie gesagt, die macht das nicht, weil sie das will. Die macht das für ihre Mutter. Außerdem wäre es undankbar, ihr das so zu sagen, selbst wenn du natürlich recht hast."
"Ja, nur wegen diesem Tanz hier in Hogwarts. War der wirklich so wichtig für dich?"
"Wichtig im Sinne von besser als mich von meinen Eltern dazu anhalten zu lassen, nicht mehr nach Hogwarts zu kommen, Kevin. Außerdem hat es mir unheimlich gut gefallen, frag dazu auch Gloria und Pina. Die hätten ja auch nicht tanzen gehen müssen."
"Geschenkt", erwiderte Kevin Malone und öffnete die Tür zum Schlafsaal.
Bald lagen alle in ihren Betten. Julius fiel sofort in einen tiefen Schlaf des von harter Arbeit Erschöpften.
Julius erwachte um kurz nach sechs Uhr morgens mit heftigem Muskelkater in allen Gliedern und schmerzendem Rücken. Er setzte sich zitternd in seinem Himmelbett auf und versuchte, die Arme und Beine zu bewegen, um zu erkennen, wie stark er sie wohl an diesem Tag würde belasten können. Er überlegte, ob das Putzen und Polieren der Beauxbatons-Kutsche nicht doch mehr von ihm verlangt hatte als er vermutete. Die Kletterei auf der Leiter, das Heben und bewegen von Schrubbern und Eimern, die Bückerei und die verschiedenen Drehungen, die er ausgeführt hatte, um den großen graublauen Reisewagen auf Hochglanz zu bringen, mußten seinem eigentlich gut in Form gehaltenen Körper stark zugesetzt haben.
Mit steifen Bewegungen wie ein Roboter aus einem Zukunftsfilm quälte sich der Zweitklässler aus dem Bett und suchte sein Waschzeug. Dann stapfte er so leise wie möglich aus dem Schlafsaal, in dem immer noch ein regelmäßiges Atmen und leises Schnarchen erklang, um sich zum Jungenwaschraum zu begeben.
Langsam, ganz langsam, kehrte die Beweglichkeit in Julius' geschundene Glieder zurück, wenn auch unter dumpfen Schmerzen.
Die Badezimmertür tat sich auf, und Roger Davis, Kapitän der Ravenclaw-Quidditchmannschaft, schlüpfte herein, frisch und munter, als habe er allen Schlaf der Welt genossen und könne nun die härtesten Prüfungen durchstehen.
"Morgen, Julius! - Oh, das hat dich wohl mehr mitgenommen als ein hartes Quidditchtraining, wie?" Bemerkte Davis. Julius drehte sich etwas hölzern um und erwiderte mit ruhiger Stimme:
"Woran siehst du denn das?"
"Die Körperhaltung, die Arme und Beine, die leicht, ganz leicht, zittern, als wenn du mordsmäßig schwere Gewichte gestemmt und zwei Runden um den See gerannt wärst. Ich treibe schon seit bald zehn Jahren regelmäßigen Sport, da fällt einem das sofort auf."
"Es ist genau das passiert, was ich vorhergesagt habe. Diese Strafarbeit, oder sollte ich Straftat sagen, hat mir ein optimales Konditionstraining beschert. Es ist immer heftig, wenn du erst am nächsten Morgen merkst, wo deine Grenze liegt, aber macht auch froh, daß man sich selbst mehr abverlangt hat als früher möglich war. Die Schmerzen sind morgen schon wieder weg."
"Hast du heute noch eine Prüfung?" Fragte Roger Davis und ließ warmes Wasser in das große Marmorwaschbecken neben dem von Julius einlaufen.
"Neh, mit den Prüfungen sind wir durch, die für mich beste zum Schluß, wie sich das gehört, wenn man ein Schuljahr gut umgebracht hat", antwortete Julius.
"Ich bin heute noch fällig. Verwandlung. McGonagall wird uns ganze Kleiderschränke in irgendwelche Tiere verwandeln lassen. Hoffentlich bringe ich das gut hinter mich."
"Ich sage da besser nichts zu. Mir hat McGonagall Zusatzaufgaben aufgeladen, weil ich ihr nicht schwach genug war."
"Ich habe deine Experimente gesehen. Damit hast du dir natürlich den Ehrgeiz der Alten zugezogen. Außerdem habe ich das mit Kevin mitgekriegt."
"Immerhin habe ich gestern die fünfundzwanzig Punkte abgearbeitet, die Ravenclaw doch nicht abgezogen wurden. Ich freue mich auf die dritte Runde. Ich hätte das Labyrinth gerne mal besichtigt, aber da kam ich nicht mehr zu."
"Ich habe Hagrid mit einem seiner neuen Lieblinge in das Labyrinth gehen sehen. An und für sich wollte ich das Ced und Fleur noch sagen, doch dann habe ich gedacht, daß die damit sowieso fertig werden", sagte Roger Davis.
"Du meinst diese Kröter? Ich habe nur den gesehen, den Hagrid in der Neujahrsnacht mal so nebenbei übers Gelände hat laufen lassen. Muß nicht sein, mit so einem Vieh zu kämpfen. Ich würde da eher einen Minotauren oder eine Sphinx nehmen. Bei ersterem würde ein Feuerstoß reichen, und bei zweiterer würde ich es darauf anlegen, mir ein Rätsel stellen zu lassen, falls diese Geschöpfe sich an die alte Vorgabe halten."
"Tun sie. Wir hatten mal eine in Pflege magischer Geschöpfe nach Weihnachten, wo Hagrid wegen dieses Kimmkorn-Schrotts pausiert hat. Professor Rauhe-Pritsche, die ihn vertreten hat, hat uns die Wesen der alten Zeiten gezeigt. Eine Sphinx wollte uns ein Rätsel stellen, aber dafür umgebracht zu werden, wenn wir es nicht gelöst hätten, war der Lehrerin doch zu riskant."
"Im Zweifelsfall geht doch immer noch der Schocker", sagte Julius.
"Keiner kann so schnell reagieren wie eine Sphinx. Professor Rauhe-Pritsche hat uns das vorgeführt, in dem sie einer Sphinx einen Erstarrungsfluch aufbrennen wollte. Doch das Biest ist so schnell zehn Meter aus der Ziellinie gesprungen, daß der Fluch mit voller Wucht in die Mauer gekracht ist, die das Sphinxgehege umgibt."
"Gut zu wissen", bemerkte Julius.
"Ich habe dich am Nachmittag mit der Halbriesin und den Mädchen auf dem Dach dieser Kutsche gesehen. Haben sie dir erzählt, wie die Walpurgisnacht war?" Fragte Roger mit etwas Beklemmung in der Stimme.
"Nöh! Wir haben uns nur darüber unterhalten, was ich in den Ferien anstelle. Ich war ja letztes Jahr in Millemerveilles und kenne daher ja einige Leute aus der Beauxbatons-Truppe."
"Ja, sowie den französischen Zaubereiminister", gab Roger belustigt zurück. "Fleur hat mir diesen Artikel vorgelesen und übersetzt, wo dein Bild drin war. War echt komisch, wie du hinter dieser vollschlanken Matrone abgetaucht bist."
"Arrrg! Diese Tante, Ossa Chermot, hat mich dargestellt, als wenn ich ein Popstar wäre, also einer wie Hecate Leviata oder die Schwestern des Schicksals. Dabei habe ich mit Monsieur Grandchapeau nur drei Sätze gewechselt, mehr nicht. Ich persönlich bezeichne sowas nicht als Großtat, sondern als Zufall."
"Es ist auch keine Großtat, einen Minister für Zauberei zu kennen. Mein Vater hat mal in der Abteilung für magische Gewerbe gearbeitet und sich oft genug mit den Fudges getroffen. Einmal habe ich Mr. Fudge persönlich getroffen. Ich kann nicht behaupten, daß ich mich danach groß oder wichtig gefühlt habe", sagte Roger Davis. Dann erzählte er Julius, wie die Walpurgisnacht abgelaufen war.
"Irgendwie war das mit der Sprache doch sehr schwierig. Die paar Brocken, die ich mal gelernt habe, brachten es nicht. Aber dafür habe ich viel getanzt und bin dann auf dem Besen mitgenommen worden."
"Immerhin durftest du dabeisein. Man hat mir schon angekündigt, ich würde das irgendwann auch mal miterleben", sagte Julius. Danach verließ er mit Roger Davis den Waschraum und ging in die große Halle hinunter.
Beim Frühstück ließ sich Julius viel Zeit und genoß es, wie die anderen, die die letzte Prüfung des Schuljahres, einige auch die letzte Schulprüfung überhaupt, hatten, mehr oder weniger hektisch die Morgenmahlzeit beendeten und in die Klassen eilten.
Als die Posteulen kamen, erhielt er eine Ausgabe des Tagespropheten und stutzte. Rita Kimmkorn hatte wieder einen Artikel verfaßt. Diesmal behauptete sie, Harry Potter sei womöglich geistesgestört und derartig schwach, daß er wohl nicht am trimagischen Turnier teilnehmen, geschweige denn die Hogwarts-Schule besuchen könne. Sie verwies darauf, daß er die Schlangensprache Parsel sprechen könne, sowie im Unterricht Schmerzen an der Blitznarbe, die als Hinterlassenschaft des Todesfluches Voldemorts verblieben war, verspüre und womöglich halluziniere. Malfoy am Slytherin-Tisch rief einmal etwas, ob Harrys Kopf noch in Ordnung sei oder er gleich über alle herfallen würde. Julius las den Artikel noch mal gründlich, dann sah er zu den Gryffindors, dann zu den hämisch grinsenden Slytherins.
"Die glauben wirklich jeden Schwachsinn", zischte Julius nur. Gloria, die den betreffenden Artikel gerade las, fragte:
"Wie kann die solche Behauptungen in Umlauf bringen? Jemanden als Parselmund zu bezeichnen ist so, als würdest du ihn des Diebstahls oder der Mordlust bezichtigen. Die Erklärung dafür liefert sie ja noch mit, wieso."
"Das stimmt aber, Gloria. Ms. Priestley, also die Tochter der Hexe, bei der ich untergebracht bin, hat mir die Kiste mit dem Duellierclub erzählt. Da hat Harry Potter eine schwarze Schlange angefaucht, die aus Draco Malfoys Zauberstab gekommen war. Aber die Schlange soll den Jungen, um den es hier geht, nicht angegriffen haben, sondern sich aufgelöst haben, als Potter sie anfauchte. Da ich dieser Schmiererin kein Wort glaube, frage ich mich nur, wie sie an die ganzen Informationen gekommen ist. Obwohl ...", erwiderte Julius flüsternd.
"Was meinst du?" Flüsterte Gloria zurück.
"Unsichtbar kann sie nicht herumlaufen, weil Moody sowas mitbekommt. So darf sie nicht ins Schloß, nachdem sie diesen Artikel über die Turnierteilnehmer geschrieben hat. Bleiben also nur magische Belauschung oder eine exzellente Tarnung", formulierte Julius aus, was er dachte.
"Tarnung?"
"Verwandlung, Gloria. Du weißt doch noch, daß McGonagall uns erzählt hat, daß ein mächtiger Verwandler sich in einen toten Gegenstand verwandeln und trotzdem alle Sinne benutzen kann. Allerdings ... Moment mal!"
"Ja, was denn?" Fragte Gloria flüsternd.
"Sie hat mir damals genau erzählt, was ich zu meinen Freunden gesagt und was ich mit ihnen zusammen angestellt habe. - So geht's!"
"Bitte was?" Fragte Gloria nun laut genug, daß alle es hören konnten.
"Das ging um die Sache, wie ich von den Leuten hier aus Hogwarts angesprochen wurde. Ich hatte Geburtstag und war mit meiner ehemaligen Schulkameradin unterwegs zu ihr, als ich meine alten Freunde traf. Wir sahen eine getigerte Katze mit viereckigen Zeichnungen um die Augen, die um uns herumstrich. Lester wollte das Tier mit einer Knallerbse verscheuchen, was ihm nicht gelang, weil das Ding nicht zerplatzt ist", flüsterte Julius Gloria zu. Diese verstand, ohne weitere Erklärung.
"Die Person, die das damals bei euch tat, die darf das. Aber wenn du recht hast, wäre das illegal", flüsterte Gloria.
"Darf man mal wissen, wovon ihr es jetzt habt?" Fragte Kevin.
"Interna, die meine Familie mit Julius geteilt hat", erwiderte Gloria. "Es bezog sich dabei auf diese Rita Kimmkorn."
Julius nickte ihr in stummer Dankbarkeit zu. Gloria wußte als einzige Schülerin von Hogwarts, daß Julius von Professor McGonagall besucht wurde, die ihm und seinen Eltern erklären wollte, warum Julius den Brief bekommen hatte. Außerdem wußten Gloria und Julius, daß die Verwandlungslehrerin sich in eine getigerte Katze mit eben viereckigen Zeichnungen um die Augen verwandeln konnte. Professor McGonagall hatte es ihnen damals vorgeführt, als ein Unfall im Zaubertrankunterricht die Mehrzahl der Schüler der zweiten Klasse in Vögel verwandelt hatte und von den Ravenclaws nur Gloria, Pina und Julius verschont geblieben waren.
"Soviel ich weiß, gibt es ein Register, das wir einsehen können", erinnerte sich Julius, wobei er wieder flüsterte.
"Dann sollten wir uns das ansehen", erwiderte Gloria.
Nach dem Frühstück eilten Gloria und er in die Bibliothek und suchten in der Abteilung "Zauberer und Hexen mit besonderen Anlagen" nach dem kleinen, aber aussagekräftigen Register. Hermine Granger stand bereits in der Abteilung und hielt den rubinroten Band mit der goldenen Inschrift "Registrierte Besonderheiten und Lizenzen" hoch.
"Was wollt ihr denn hier", Fragte Hermine Granger barsch.
"Ich vermute, dasselbe wie du, Hermine", erwiderte Julius trocken. Dann fragte er frei heraus:
"Ist Rita Kimmkorn auf der Liste der Animagi?"
Hermine Granger zuckte kurz zusammen. Dann schlug sie das Buch auf, blätterte durch und schüttelte den Kopf. Ihre Mundwinkel umspielte ein äußerst siegessicheres Lächeln.
"Die Antwort lautet "Nein". Sie ist nicht registriert, und die Liste stammt vom letzten Jahr. Es sind nur zwei Animagi dazugekommen, zumindest solche, die sich haben registrieren lassen."
"So ging das also", schnaubte Gloria. "Sie hat sich in ein Tier verwandelt, um uns zu belauschen."
"Nicht nur belauschen, sondern auch um Interviews zu kriegen", zischte Hermine Granger kampfeslustig.
"Wahrscheinlich hat sie mal davon gehört, daß Muggel kleine Abhörgeräte Wanzen nennen. Damit steht für mich fest, daß jedes Insekt, das mir heute begegnet, gnadenlos gegrillt wird", schnaubte Julius.
"Bitte was?" Fragte Gloria verdutzt. Hermine Granger sah Julius durchdringend an.
"Erstens wäre das Mord, wenn du sie dabei zufällig erwischen solltest, zweitens würdest du damit jeden Beweis vernichten, um sie zu überführen."
"Stimmt. Die Tussi ist es nicht wert, für sie in Askaban zu landen", stimmte Julius zu.
"Wieso kommst du auf Insekten?" Fragte Gloria.
"Weil sie erstens klein sein muß, um möglichst nicht aufzufallen. Katzen und Eulen fallen auch hier auf, wenn sie länger als nötig irgendwo herumhängen. Zweitens sollte sie, wenn sie klein ist, fliegen können. Dann bleiben nur Fliegen, Wespen, Schmetterlinge oder Käfer, die sonst keiner beachtet", flüsterte Julius und sah sich um, ob eines dieser Tiere nicht irgendwo hockte und mithörte.
"Sehr gut kombiniert", lobte Hermine Granger Julius. Dann verriet sie, daß sie auf einen Käfer tippte, auch im Flüsterton sprechend. Gloria sah alles ein und nickte.
"Dann brauchen wir hier nicht mehr herumzusuchen", sagte Julius laut zu Gloria und verließ mit ihr die Bibliothek.
Julius nutzte den freien Morgen, um die Bilder seiner Laterna Magica für Claire mit Geräuschen zu unterlegen. Dazu setzte er sich in den Schlafsaal und pinselte die Runen für Klang und Raum winzig klein an den Rand jedes Glasplättchens, das bemalt und bezaubert war. Dann tippte er mit dem Zauberstab die Runen an, murmelte"Sonojectus" und dachte solange an das gewünschte Hintergrundgeräusch, bis die Runen verschwunden waren. Julius testete, ob der Zauber funktioniert hatte und warf das Abbild des Wasserfalls in den Raum. Unvermittelt donnerte es, als wenn echte Wassermassen aus großer Höhe ins Tal brausten. So verfuhr Julius auch bei den übrigen 29 Bildern. Für das Unterwasserbild mit dem Kraken und der Meerjungfrau erdachte er sich einen lieblichen, hallenden Gesang, wie er ihn für eine Nixe typisch hielt. Das Ergebnis war so verblüffend, daß Julius fast meinte, die blonde Meerjungfrau sei tatsächlich vor ihm im Raum und würde mit weittragender Stimme singen.
So verging eine ganze Stunde, bis Kevin in den Schlafsaal eilte und Julius mit großen Augen ansah.
"Hier hast du dich verkrochen. Die Hollingsworths suchen dich. Die haben die Ergebnisse ihrer Prüfungen bekommen."
"Ich bin auch gerade fertig mit der Vertonung meiner Zauberbilder. Hör mal!" Erwiderte Julius und legte das Glasplättchen mit dem Drachen ein und entzündete die kleine Kerze im Inneren der Zauberlaterne.
Ein mörderisches Gebrüll hob an, gefolgt von einem lauten Zischen, als der bretonische Blaue eine Flammenwolke ausblies, die, wäre sie echt gewesen, den ganzen Schlafsaal in einen einzigen Aschenhaufen verwandelt hätte.
"Uaa! Heftig!" Bemerkte Kevin. In dem Moment flog die Schlafsaaltür auf, und Fredo Gillers prallte erschrocken zurück, weil der körperlose Drache sein spitzes Maul aufriß und fauchend und schnaubend auf Fredo zuging. Julius löschte schnell das Licht, und die Erscheinung verschwand übergangslos.
"Was war denn das?" Brachte Fredo heraus.
"Nur eine Zauberlaterne, Fredo. Damit kann man räumliche Abbilder machen, solange die Kerze brennt. Der Ton ist nur Luxus."
"Darfst du die haben?" Fragte Fredo schnell.
"Die ist nicht für mich. Flitwick hat die Konstruktionspläne dafür schon bekommen, allein um sicherzustellen, daß ich nicht gegen ein Gesetz verstoßen habe", sagte Julius schnell.
"Deshalb hast du dich immer versteckt in den letzten Wochen. Superarbeit! Willst du die verkaufen?"
"Neh, das nicht", erwiderte Julius.
"Ach, dann ist das wohl die Revanche für diesen magischen Wandkalender", vermutete Fredo und deutete auf das von Claire Dusoleil gemalte Bild, auf dem ihre und Julius' Abbilder in einem Baumhaus saßen.
"Kein Kommentar", sagte Julius nur. Doch Fredo und Kevin grinsten nur spitzbübisch.
Julius verbarg die Zauberlaterne wieder in seiner Reisetasche, nachdem Kevin und Fredo den Schlafsaal verlassen hatten. Er würde den Diebstahlschutz nach der Rückfahrt von Hogwarts auffrischen müssen, da die Laterne als Metallgegenstand irgendwann den Diebstahlschutz der Reisetasche aufheben würde. Doch da sie nicht aus Kupfer, Bronze, Silber oder wertvollerem Edelmetall war, würde der Diebstahlschutz noch bis zur Fahrt in die Ferien vorhalten.
Julius ging hinunter in den Gemeinschaftsraum, wo Gloria und Pina schon warteten.
"Jenna und Betty wollen sich bedanken, weil sie bei Snape eine Zwei geschafft haben. Dann waren die noch sehr gut in Verwandlung, hat Jenna gesagt. Die sind draußen vor dem Schloßtor", sagte Gloria und bugsierte Julius zum Ausgang aus dem Gemeinschaftsraum der Ravenclaws.
Die Hollingsworth-Schwestern freuten sich unbändig, als Julius in Begleitung von Gloria Porter und Pina Watermelon aus dem Schloß kam.
"Wir haben die Bestnoten unserer Klasse in Hufflepuff", begrüßte Betty Julius überschwenglich. Dieser schrak zurück und stieß aus:
"Damit habe ich doch nichts zu tun. Das habt ihr alleine geschafft."
"Na klar!" Grinste Gloria. Jenna erwiderte:
"Sicher haben wir deine Hilfe sehr gut ausgenutzt. Eine Eins in Verwandlung für uns beide, eine Zwei in Zaubertränken, eine Zwei plus in Astronomie und eine Eins minus in Kräuterkunde. Nur in Geschichte der Zauberei, Zauberkunst und Verteidigung gegen die dunklen Künste kamen wir nur auf eine Zwei minus. Aber immerhin gab es für unsere Verwandlungsfortschritte noch mal fünfzig Punkte, und für die Regenbogenstrauch-Arbeit hat uns Sprout je fünfzig Punkte gegeben."
"Wie? Ich habe von ihr nur fünfundzwanzig Punkte gekriegt, wie Kevin, Prudence und Julius auch", wandte Pina ein und wollte schon ansetzen, Professor Sprout mit Snape gleichzusetzen, der seine Hausschüler immer bevorzugte. Julius sah sie jedoch durchdringend an und sagte nur:
"Das ist dieses Jahr ein Sonderfall, Pina. Die Hufflepuffs bekommen Extrapunkte, um den Absturz durch Mr. Hardbrick abzufangen."
Pina nickte, wobei ihr strohblonder Zopf wie ein Uhrenpendel hin- und herschwang.
"Das hat Professor Sprout uns allen erklärt, als die Hardbricks fortgefahren waren. Cedric ist richtig erleichtert."
"Na, vielleicht kommen heute abend noch einmal zweihundert Punkte dazu, wenn er das Turnier gewinnen sollte", wandte Julius ein.
"Dann glaubst du also, daß Cedric gewinnt?" Fragte Jenna Hollingsworth.
"Ehrlich gesagt, ich fürchte, die Runde ist geschoben", grummelte Julius leise, als müsse er sich vor unliebsamen Lauschern hüten.
"Ach, die alte Geschichte, daß du glaubst, Harry Potter sei durch jemanden ins Turnier geschmuggelt worden, um es zu gewinnen", erinnerte sich Gloria Porter. Doch in ihrer Stimme klang weder Verachtung noch Unglauben mit. Immerhin hatte sie es ja mit angesehen, wie Harry Potter das Dianthuskraut benutzt hatte, um während der zweiten Runde unter Wasser atmen zu können. Da sie wie Julius wußte, daß dieses magische Tanggewächs nur in Snapes Büro zu beschaffen war, war ihr Unglaube Julius' Vermutung gegenüber geschwunden.
"Wir werden sehen", gab Betty genervt zurück. Ihr paßte es nicht, daß Julius ihrem Champion so wenig zutraute. Julius wollte ihr erklären, wieso er glaubte daß Harry Potter gewinnen sollte. Aber dann hätte er allles verraten müssen, was ihm Professor Faucon geschrieben hatte, und das war ihm von dieser verboten worden.
"Auf jeden Fall sind wir Hufflepuffs wieder über einhundert Punkte im Plus, ob Cedric nun Punkte für den Gewinn des trimagischen Turniers bekommt oder nicht", stellte Jenna klar.
Vier Slytherins giggelten, als sie vom See her auf das Schloß zumarschierten. Sie unterhielten sich immer noch über den neuesten Rita-Kimmkorn-Artikel. Julius dachte bei sich, daß die besser aufpassen sollten, nicht vom Zaubereiministerium wegen Verleumdung und Beihilfe zu einer Straftat belangt zu werden. Dabei suchte er die Büsche nach fliegenden Insekten ab und beruhigte sich, als er keines sah, daß verdächtig genug herumbrummte, um von ihm einer kurzen Behandlung mit dem Fernlenkzauber unterzogen zu werden.
Um seinen Muskelkater in den Gliedern loszuwerden, legte Julius eine Runde leichten Dauerlaufs um den See ein. Doch die Erschöpfung vom Vortag ließ seine Beine immer schwerer werden, bis er fast hinfiel.
Ein Schwirren kam von oben her auf ihn zu, und Barbara Lumières Stimme rief auf Französisch:
"Das würde ich nicht mit der Radikalbewegungskur versuchen, Julius. Ich habe auch mal dem Grundsatz geglaubt, man müsse sich ausgiebig mit der gleichen Sportart weiterbeschäftigen, die einem den Muskelkater beschert hat. Am Besten gehst du zu eurer Krankenschwester und läßt dir den Myoregenium-Trank geben. Ich habe meine Erholungssalbe nicht mit, sonst würde ich sie dir leihen. Ich bring dich zum Schloß zurück, bevor du hier noch völlig von den Beinen kippst."
Julius dachte nicht erst an Widerspruch. Er schwang sich hinter Barbara Lumière auf den Besen und flog mit ihr zum Schloß zurück.
"Ich habe mir sowas gedacht, als du gestern zum Schloß zurückgegangen bist. Ich habe diesen Reisewagen auch einmal putzen dürfen, was zwar schon fünf Jahre her ist, aber nichts desto trotz eine Höllenschufterei war", erzählte Barbara Lumière. "Ich glaubte auch, das durch leichte Übungen wegzukriegen. Aber so einfach ist das dann doch nicht, wenn man bald zehn Stunden an dieser Kutsche herumwerkelt. Denkst du, Madame Maxime hätte dir das aufgetragen, wenn es nicht den Körper auszehrt?"
"Ich hatte gestern den Eindruck, daß sie enttäuscht war, daß ich nicht so leicht eingeknickt bin."
"Das war sie nicht. Im Gegenteil: Sie hat dir nach dem Abendessen ein hohes Maß an Durchhaltevermögen zugesprochen, als wir in unserer Kutsche waren. Du wärst ein Beispiel dafür, daß jemand ohne Murren und Selbstaufgabe eine gestellte Aufgabe zu Ende bringen würde, ohne sich vor den Folgen zu drücken. Ich weiß ja nicht, was Professeur Faucon ihr vielleicht geschrieben hat. Aber irgendwie schien sie eine Bestätigung für etwas gefunden zu haben."
"Dann wollte sie nur sehen, ob ich Idiot alles schlucke, was sie mir eintrichtert", murrte Julius.
"Nein, das nicht. Du hast dich ihrem ausdrücklichen Befehl widersetzt, dich bei den Flugübungen zurückzunehmen und bist ihr sogar noch davongeflogen. Das durfte sie nicht durchgehen lassen. Wehret den Anfängen!"
"Ich begehe gerne den Akt der Insubordination, auch Ungehorsam genannt, wenn ich behaupte, daß dies glauben kann, wer will, Barbara", schnaubte Julius.
Barbara Lumière brachte Julius höchst selbst in den Krankenflügel, wo Madame Pomfrey ihn besah, mißbilligend mit der Zunge schnalzte und ihn dann in ruhigem Ton fragte:
"Wieso kommst du erst dann, wenn du irgendwo hingefallen bist? Du solltest doch wissen, daß hier fast jede Beschwerde sofort geheilt wird. An und für sich müßte ich dir für diese Selbstüberschätzung fünf Punkte abziehen, aber davon werden deine geschundenen Körperteile nicht wieder geheilt."
"Muskelkater ist für uns kein Grund, zum Arzt zu rennen", sagte Julius mit fester Stimme.
"Weil die Ärzte der Muggel das nicht heilen, sondern nur betäuben können. Ich las von barbarischen Methoden, überarbeitete Berufssportler durch eingespritzte Betäubungsmittel zu weiteren Höchstleistungen zu bringen, nur um damit viel Geld zu verdienen. Und sowas darf sich Arzt nennen, Heilkundler!" Schnaubte Madame Pomfrey und ging in ihr Büro, während Barbara Lumière wie eine Wächterin vor der Tür stand und aufmerksam darauf achtete, daß Julius nicht unvermittelt weglaufen konnte.
"Vielleicht soll das noch zu dieser Strafarbeit gehören, daß mir alles wehtut", sagte Julius.
"Unfug!" Rief Madame Pomfrey, obwohl sie nicht gemeint war. Dann kam sie mit einem Becher voll mit einer dampfenden grünen Flüssigkeit zurück.
"Das trinkst du jetzt in einem Zug aus, dann bist du wieder in Ordnung!" Ordnete Madame Pomfrey an. Julius nahm den handwarmen Becher entgegen, kniff sich mit der linken Hand die Nase zu und stürzte den sprudelnden Inhalt in einem Zug hinunter.
Julius glaubte erst, er habe reine Salzsäure getrunken, die sich brennend von seinem Hals, in seinen Magen und dann mit einem Schlag in seine Glieder ergoß. Er mußte sich beherrschen, nicht herumzuspringen und schmerzvoll dreinzuschauen. Das Gefühl hielt auch nur vier Sekunden vor. Dann war das Brennen, sowie aller Muskelkater, sowie die Rückenschmerzen völlig verflogen.
"Ich gehe davon aus, daß der Herr weiß, was er da eingenommen hat", sprach Madame Pomfrey.
"Wenn ich mich nicht schon als Liebhaber der Alchemie verraten hätte, würde ich jetzt sagen: "Dreckzeug!" Aber das wäre zu unprofessionell. Deshalb sage ich nur, daß dieser Trank im wesentlichen aus Drachenblut, zerriebenem und feingesiebtem Büffelhorn, Sud aus der Eichenwurzel, sowie dem pulverisierten Schwanz einer Eidechse, sowie fünf zerkochten Regenwürmern zusammengesetzt wird, mit Tee und Himbeersaft geschmacksverfeinert und eine Stunde lang unter Luftabschluß gekocht wird. Brrrrr!"
"Der frißt Zaubertrankbücher! Wundere mich, daß ihr in eurer Bibliothek noch welche habt", staunte Barbara Lumière.
"Ein gewisser Professor Albus Dumbledore hat vor 60 Jahren diese Rezeptur entwickelt", wußte Julius noch. "Sie steht in "Elixiere der Heilkraft" von Hippokrates Salus, das ich mir mal ausgeliehen habe, nur um zu lesen, was die hier so reichen, wenn es einem schlecht geht."
"Immerhin geht es dir wieder gut", bemerkte Madame Pomfrey energisch.
"Barbara?! Ah, du bist doch hier", kam Jeannes Stimme von der Tür her. Madame Pomfrey sah Jeanne an und bat darum, sie möge englisch sprechen. Jeanne entschuldigte sich und erklärte, daß sie Barbara Lumière und auch Julius Andrews suche und fragte, ob dieser noch hierbleiben müsse. Madame Pomfrey sagte, daß Julius nun wieder gehen könne.
"Was möchtest du denn von mir?" Fragte Julius die älteste Tochter von Camille und Florymont Dusoleil.
"Dich vor eventuellen Dummheiten bewahren. Denn wahrlich, die Champions haben Besuch von ihren Verwandten bekommen. Unter anderem ist Madame Delacour hier."
"Achso, und ihr habt Angst, ich könnte mich bei ihrem Anblick zu peinlichen Ausrutschern hinreißen lassen", gab Julius keck zurück.
"Drastisch, aber korrekt", erwiderte Jeanne.
So kam es, daß Julius beim Mittagstisch zwischen Barbara Lumière und Jeanne Dusoleil saß. Die Delacours, Mutter und Töchter, saßen zwischen Roger Davis und Penelope Clearwater. Roger, der fon Fleurs Mutter flankiert wurde, schien völlig abwesend zu sein. Julius spürte die lauernde Bezauberung, die Madame Delacour umgab. Er wußte mittlerweile, daß sie eine halbe Veela war, ihre Töchter Viertelvilas. Auch wußte er, daß sowohl Fleur, als auch ihre Mutter die Stärke der bezaubernden Ausstrahlung mehr oder weniger bewußt verstärken konnten. Wenn sie wütend waren, ging dieser Zauber nicht von ihnen aus, wohingegen er voll wirkte, wenn sie jemanden umgarnten.
Julius sah schnell zu den Tischen der Hufflepuffs, Slytherins und Gryffindors hinüber. Am Slytherin-Tisch saß ein Ehepaar, von dem der Mann eindeutig Victor Krums Vater war, was Haar und Gesicht unschwer verrieten. Am Hufflepuff-Tisch saß Cedric zwischen seinen Eltern. Sein Vater schwelgte wohl in Vorfreude, daß sein Sohn gewinnen würde, weil er Cedric immer anstrahlte, im auf die Schultern klopfte und gut zuredete. Am Gryffindor-Tisch schließlich sah Julius eine rundliche Frau mit flammendrotem Haar, die einen mitgenommen aussehenden Umhang trug, sowie einen jungen Mann, der fast wie Percey Weasley aussah, nur das dieser Mann keinen Wert auf korrekte Kleidung legte. Sein Haar war lang und struppig, seine Kleidung knitterig, und an seinen Ohren hingen Ohrringe, die mit langen Fangzähnen besetzt waren.
"Huch! Ich dachte, Mr. Weasley wäre etwas älter", wunderte sich Julius. Gloria, die rechts neben Jeanne saß, beugte sich herüber und sagte leise:
"Das ist Bill Weasley. Das ist der älteste der sieben Weasleys. Mein Dad hat ihn mir mal vorgestellt. Er arbeitet auch für die Bank, als Fluchbrecher."
"Ah, er macht die verzauberten Schatzhöhlen frei", kommentierte Julius Glorias Erklärung. Dann fragte er:
"Halten die bei Gringotts nichts von Kleiderordnung und Haartracht? Als ich deinen Dad sah, glaubte ich, die müßten da alle so herumlaufen."
"Soviel ich weiß, gibt es da keine feste Ordnung. Wer Geld reinbringt, kann sein wie er will, auch wenn er stinkt", soll ein Kobold mal zu meinem Dad gesagt haben, als so ein Hutzelzwerg einen quaffelgroßen Goldklumpen eingezahlt hat."
"Bei den Muggeln ginge das absolut nicht. Je wichtiger die Arbeit, desto korrekter das Aussehen, hat mein Vater mal gesagt, als ich fragte, ob ich wirklich diese antiquierte Schuluniform anziehen sollte, die in der dritten Klasse angeschafft wurde."
"Seitdem du hier bist, siehst du, wie deine Lehrer rumlaufen", sagte Barbara Lumière. Dabei deutete sie auf die Lehrer Hagrid und Sprout. Die Kräuterkundelehrerin trug ihren erdverkrusteten Arbeitsumhang und den Flickenhut, den sie über ihr graues Haar gestülpt hatte.
"Madame Maxime beantwortete mir meine Frage nach jenem, der den Reisewagen der Beauxbatons-Delegation so vortrefflich geputzt hat mit Ihrem Namen, Monsieur Andrews", wandte sich Madame Delacour an Julius. Dieser lief unmittelbar tomatenrot an und glaubte, durch seinen Stuhl hindurch im Boden zu versinken. Es dauerte eine Weile, bis sein Verstand sich durch die Woge aus Verlegenheit und Hingerissenheit hindurchgearbeitet hatte und Julius sagen konnte:
"Das ist richtig, Madame Delacour. Es war eine Strafarbeit, die in Übereinkunft mit den Lehrern ausgesprochen wurde."
"Wie dem auch sei, ohne Zauberkraft ein solches Gefährt zu putzen bedarf einer großen Ausdauer und praktischer Veranlagung."
Julius bedankte sich höflich. dann wandte er sich wieder dem Gryffindor-Tisch zu und sah Mrs. Weasley und Bill Weasley. Dann fragte er:
"Sind die wegen Harry Potter hier? Er hat ja Muggelverwandte."
"Bestimmt", sagte Gloria. "Wie Padma uns doch erzählte, muß es bei seinen Verwandten wie der Vorhof von Askaban sein. Die legen keinen Wert darauf, daß er hier ist."
"Deshalb sind die Verwandten seines besten Freundes hier", stellte Julius leise fest. Jeanne sagte ebenfalls leise:
"Wenn du an diesem Turnier teilgenommen hättest, wäre Maman sicherlich auch hier, oder Glorias Eltern."
"Das mag sein. Aber ich weiß nicht, ob man meinen Eltern nicht unrecht tut, wenn jemand sagt, daß sie nicht herkommen würden, wenn ich wirklich an diesem Turnier teilnehmen würde. Meine Mutter käme bestimmt. Mein Vater käme nicht darum herum, mit eigenen Augen zu sehen, was ich hier anstelle. Aber ich nehme nicht an diesem Turnier teil."
"Es ist auch fraglich, ob und wo das nächste Turnier stattfinden wird", wandte Barbara ein.
"Erst einmal muß das hier durchsein", wandte Julius wiederum ein.
Am Nachmittag genehmigte sich Julius einen ausgedehnten Spaziergang, auf dem ihn Gloria, Pina, Kevin, Gilda und die Hollingsworths begleiteten. Dabei kamen sie auch an der Beauxbatons-Kutsche vorbei, die glitzernd blau das Licht der Sommernachmittagssonne spiegelte.
"Du warst nicht ganz klar, als du die da geputzt hast, oder?" Stöhnte Kevin. Vom Dach der Kutsche her tönte Jeannes Stimme her.
"Wagt euch, unseren Reisewagen zu beschmutzen!"
"Bloß nicht!" Rief Julius.
Auf dem Dach sah er, wie Barbara und Jeanne Schach spielten. Er sah zwar nicht, wie die Figuren gerade standen, doch erkannte er, daß Jeanne Weiß spielte. Gloria folgte dem Blick von Julius und rief dann hinauf:
"Lohnt sich das, so früh zu trainieren? Das Schachturnier soll doch erst in einem Monat sein?"
"Man kann nie früh genug anfangen!" Rief Barbara zurück.
"Julius zieht euch doch eh wieder ab, wenn er mitspielt", wagte Kevin sich eine Frechheit.
"Ach, dann kommt er also?" Rief Jeanne nach unten.
"Nein, ich schicke Mr. Malone als Sekundanten!" Rief Julius zurück. Kevin erschrak und wich mehrere Meter zurück. Gloria und die Hollingsworths lachten. Jeanne lachte auch.
"Danke verbindlichst. Da unten ist es mir viel zu heiß, zu trocken, und das Essen ist da unten äußerst merkwürdig", gab Kevin zu bedenken.
Der Wagenschlag flog auf. Julius fürchtete schon, Madame Maxime würde nun herausfahren und sie wütend darüber unterrichten, daß sie sehr laut seien. Doch es war Fleurs Mutter, die aus dem Wagenschlag herausglitt, die goldene Treppe wie eine berufsmäßige Ballerina heruntertanzte und auf die Gruppe der Hogwarts-Schüler zueilte.
"Nicht so laut. Gabrielle und Fleur schlafen. Madame Maxime ist bei Ihren Lehrern, um die letzte Runde vorzubereiten", zischte sie Julius auf Französisch an. Julius übersetzte und entschuldigte sich im Namen seiner Freunde und Klassenkameraden. Kevin erschauerte unter der plötzlichen Einwirkung des Veelazaubers, der von Fleurs Mutter ausstrahlte.
"Gehen wir weiter!" Entschied Julius. Seine Freunde und Klassenkameraden nickten und folgten ihm.
Es war Abend. Alle Schüler und Gastschüler von Hogwarts saßen in der großen Halle beim Abendessen. Julius hatte sich nicht auf eine Wette mit Kevin eingelassen, wer nun das Turnier gewinnen würde. Seit dem Nachmittag beschlich ihn dieses unangenehme Gefühl, daß hier und heute etwas bedrohliches heranmarschierte, das nur noch zuzuschlagen brauchte wie ein angreifender Löwe, oder das herabstoßen konnte, wie ein Greifvogel auf einen Hasen. All die Briefe, die Professor Faucon und er in den letzten Monaten einander geschrieben hatten, fielen ihm nun wieder ein. Er sah zu Karkaroff, dem Durmstrang-Schulleiter, seinem Champion Victor Krum und dann zum Lehrertisch. Auch dort sah er die steigende Anspannung, insbesondere bei den Hausvorsteherinnen der Hogwarts-Champions, Professor Sprout und Professor McGonagall. Er dachte an Rita Kimmkorn. War sie wirklich ein nichtregistrierter und damit unerlaubter Animagus? Wenn ja, wo war sie jetzt?
Julius sah noch mal zum Lehrertisch. Dort saß an Stelle von Mr. Crouch oder dessen Stellvertreter Percey Weasley ein Mann im Nadelstreifenumhang, mit purpurnen Stiefeln an den Füßen und einem limonengrünen Bowler, wie ihn früher einmal die englischen Geschäftsleute als Markenzeichen trugen, bis der Filmstarr Charlie Chaplin diesen Hut zum Markenzeichen gewählt hatte. Das mußte Cornelius Fudge sein, der Zaubereiminister Englands persönlich.
Dumbledore wartete ab, bis alle fertig gegessen hatten, dann kündigte er an, daß er in fünf Minuten alle Schüler zum Quidditchfeld schicken würde, um die letzte Runde des trimagischen Turniers zu verfolgen. Jeanne und die anderen Beauxbatons hatten sich an diesem Abend zu einer geschlossenen Gruppe zusammengesetzt, ebenso die Durmstrangs.
"Ich hol mein Omniglas. Das soll zwar nur für Quidditchspiele taugen, aber als Vergrößerungsglas ist es auch gut geeignet", sagte Kevin. Julius nahm diese Ankündigung zum Anlaß, sein Nachtsichtfernrohr zu holen. Vielleicht konnte er durch das Labyrinth sehen, wenn sie so hoch wie möglich saßen.
Julius eilte mit Kevin zu den Schlafsälen, wobei er Peeves, dem Poltergeist gerade noch aus dem Weg springen konnte, als dieser wie ein Klatscher mit Armen und Beinen entgegenflog.
"Uuuuaaah!!" Brüllte Peeves. Julius duckte sich noch rechtzeitig unter ihm durch und eilte weiter.
Innerhalb von drei Minuten hatten Kevin und er ihre Ferngläser aus dem Schlafsaal geholt.
Gloria, Gilda und Pina begleiteten Kevin und Julius auf die höchsten Ränge des Quidditchstadions. Dort saßen auch Slytherins und Gryffindors, die dem Spektakel beiwohnen wollten.
Als sich alle Ränge gefüllt hatten, hielt Ludo Bagman mit magisch verstärkter Stimme eine kurze Ansprache und erläuterte, daß er nun die Teilnehmer in der Reihenfolge ihrer Plätze in das Labyrinth schicken würde. Kevin stellte sein Omniglas auf die Champions ein, Julius testete die Lichtverstärkung seines Nachtfernrohrs und schaffte es sogar, Wärmebilder von Professor McGonagall, Professor Moody und Hagrid zu sehen. Er holte vor allem das Bild Moodys so nahe wie es ging heran. Julius grinste, weil er sich nun vorkam, wie einer, der auch ein magisches Auge besaß. Moody schien nervös zu sein. Julius sah deutlich, wie sein warmes Blut durch die Gesichtsadern gepumpt wurde. Aber das war wohl klar, weil Moody immer auf einen Angriff gefaßt war. Dann trat Moody zur Seite und präsentierte einen roten Stern auf seinem Hut, der im Verstärkungsbetrieb des Fernrohrs gleißend hell wie die Sommermittagssonne war. Julius kniff schnell das Auge zu, mit dem er durch das Fernglas spähte und drehte den Wärmebildregler auf die Nullstellung zurück. Jetzt konnte er zwar noch Restlichtverstärkung benutzen, aber nicht mit voller Stärke.
Bagman pfiff. Julius wirbelte mit seinem Fernrohr zum Labyrintheingang und holte Harry und Cedric so nahe zu sich heran, als stünden sie keine zwei Meter entfernt.
"Ich wußte, warum ich das haben wollte", flüsterte Julius begeistert. Kevin drückte an einem Knopf seines Omniglases. Dann lachte er.
"Ist ja cool. Ich habe gerade den Spielkommentarknopf probiert, der mir nur die Quidditchspielzüge zeigt. Da stand doch jetzt:
"Illegaler Anpfiff! Spieler nicht auf den Besen!" Amüsierte sich Kevin.
"So funktionieren auch Computer, Kevin. Sie können nur damit arbeiten, was man in sie eingespeichert hat", entgegnete Julius.
Victor Krum trat ins Labyrinth, und Julius konnte ihn per Wärmebildansicht eine Hecke entlang verfolgen, dann wurde seine Körperwärme von einer zweiten Hecke verschluckt. Julius drehte so aus Jux sein Fernrohr zu Fleur Delacour, die noch am Eingang stand. Die Wärmebildansicht, die auf volle Empfindlichkeit gedreht war, zeigte sie Julius wie unbekleidet, von einem dunkelroten Dunstschleier umgeben. Julius errötete unmittelbar und ließ das Fernglas sinken.
"Huch! Was ist denn jetzt los?" Wollte Kevin wissen, der ebenfalls zu Fleur Delacour hinüberblickte.
"Da gehört ein Schild drauf! Voyeurismus bei Veela-Frauen nur auf eigene Gefahr!" Flüsterte Julius, immer noch knallrot vom Hals bis zu den Ohrenspitzen.
"Ja? Stark! Kann ich auch mal?" Begeisterte sich Kevin. Doch in dem Moment pfiff Bagman zum dritten Mal, und Fleur entzog sich ohne es zu wissen den neugierigen Blicken zwölfjähriger Jungen mit magischen Nachtsichtgläsern.
"Julius, benimm dich!" Zischte Gloria Julius ins Ohr. "Damit schaut man keinem Mädchen durchs Kleid, klar?"
"Sehe ich jetzt vollkommen ein", erwiderte Julius, der trotz der Abendkühle das Gefühl hatte, sein Gesicht brate in der Glut der Mittagssonne.
Kevin spielte mit seinem Omniglas und lachte über nur für ihn lesbare Kommentare. Julius versuchte, von oben her das Labyrinth zu überblicken und konnte die Köpfe der Champions als rote Farbtupfer ausmachen, die er sich bei Bedarf näher heranholte. Unvermittelt blitzte es im Fernrohrokular auf, und Fleur Delacour fiel um, laut schreiend. Julius erschrak und teilte es Kevin und Gloria mit.
"Irgendwas hat ihr den Schocker verpaßt. Wußte gar nicht, daß da auch Wärme bei freiwird", wunderte sich Julius und suchte die restlichen Champions, die in großer Hast durch das Labyrinth jagten. Nicht immer konnte er sie genau in seinen Blick bekommen. Einmal sah er einen hellen Feuerstoß, der ein ekelerregendes, krabbenartiges Monster erleuchtete, einen knallrümpfigen Kröter.
"Cedric ist gerade auf einen dieser Kröter getroffen. Er muß wegrennen", kommentierte Julius das Gesehene. Dann mußte er schnell die Augen vom Fernglas nehmen, weil ein verstärkt widergegebener Lichthof die Annäherung eines Patrouillengängers ankündigte, entweder Flitwick, McGonagall, Hagrid oder Moody. Nach einigen Sekunden wagte er wieder einen Blick durch das Fernglas und sah, wie der bewußtlose Körper Fleur Delacours aus dem Labyrinth geholt wurde.
"Eine ist draußen, drei sind noch drin!" Bemerkte Julius. Kevin, der mit dem Omniglas wohl auch eine gewisse Aufhellung nutzen konnte, nickte und drückte den Kommentarknopf.
"Bewußtloser Spieler! Medimagier im Einsatz!" Las er für Julius, Gloria und Gilda laut vor.
"Das stimmt mal", grinste Gilda Fletcher, die ebenfalls mit einem Fernrohr ins Labyrinth hinunterspähte, das wohl aber nicht über den zusätzlichen Kram verfügte, den Kevins und Julius' magische Ferngläser besaßen. Julius reichte Gloria das Fernglas und warnte sie vor den total überhellen Sternen auf den Hüten der Patrouille.
Gloria suchte das Labyrinth ab, grinste zufrieden und zuckte dann zusammen.
"Harry Potter hat gerade einen dieser Kröter mit dem Schockzauber angegriffen. Der Fluch ist zurückgeprallt. Das sah aus wie gleißende Blitze. Jetzt greift er wieder an. - Ja! Das Biest fällt um. Tolles Gerät, Julius!"
"Techniker aus Frankreich haben das Ding gebaut. Das allein würde jede Armee der Welt eine Milliarde Pfund wert sein. Aber für uns ist es auch ideal", sagte Julius.
"Interessant! Wieso hält Moody seinen Zauberstab in der Hand?" Fragte Kevin.
"Häh?" Wollte Julius wissen. Gloria reichte ihm das Fernrohr. Julius drehte den Lichtverstärker soweit zurück, daß er Moody ohne Angst, geblendet zu werden, suchen konnte. Tatsächlich sah er Moody mit leicht schwingendem Zauberstab.
"Hmmm! Ich hoffe, er hält ihn nur in der Hand, um einem Champion bei höchster Gefahr beizustehen", flüsterte Julius.
"Du hoffst?" Fragte Kevin irritiert.
"Die anderen zwei Erklärungen wären nicht besonders erfreulich."
"Jetzt bin ich aber neugierig", flüsterte Gloria, während die Schüler in den unteren Rängen raunten und johlten, als Fleur Delacour von einem magischen Lichtstrahl erfaßt wurde.
"Moody kann durch massive Hindernisse durchsehen. Er kann unsichtbare Körper erkennen, wie wir gehört haben und sein magisches Auge in jede Richtung drehen. Somit hat er direkten Sichtkontakt zu jedem Champion. Das ist gut für sie, wenn er sie beschützt, kann aber auch gefährlich sein, wenn er meint, ihnen zusätzliche Fallen stellen zu müssen oder sie direkt angreift."
"Unfug! Der würde doch keinen Schüler, auch keinen Champion ohne Vorwarnung ...", setzte Kevin an. Doch Gilda hielt ihm den Mund zu.
"Und die zweite Möglichkeit, Julius?" Fragte Gilda Fletcher.
"Er könnte Hindernisse gezielt bewegen, sie wegzaubern oder verschlimmern, um gezielt einen Champion durch das Labyrinth zu lotsen. Ich hoffe nur, daß Moody nicht merkt, daß wir ihn beobachten. Bekanntlich kann er ja auch im Dunklen sehen."
"Ja aber nur so weit wie ein normales Auge", sagte Gilda. "Sonst könnte er ja die Hausaufgaben kontrollieren, ohne sie entgegenzunehmen. Wir sitzen zu hoch. Er muß auf das Labyrinth achten."
Julius beruhigte diese Schlußfolgerung merkwürdigerweise, als sei dies die Versicherung, nicht in Gefahr zu sein.
Julius suchte den Richtertisch und holte sich einen Turnierrichter nach dem Anderen so nahe heran wie möglich. Dabei fiel ihm auf, daß Bagman leicht zitterte, als habe er vor etwas Angst oder habe gerade sein Leben auf den Spieltisch gelegt. Karkaroff blickte immer wieder auf seinen linken Arm. Julius wunderte sich, was da wohl war und vergrößerte den linken Arm des Durmstrang-Schuldirektors so stark, daß er ihm wie ein dicker Baumstamm vor den Augen stand. Dann regelte er vorsichtig die Restlichtverstärkung höher und erschrak.
Karkaroffs linkes Handgelenk zierte eine abscheuliche Tätowierung, eher ein Brandmal, das einen Totenschädel zeigte, aus dessen Mund eine Schlange herauszüngelte. Wie ein Stromstoß durchzuckte ihn, wasProfessor Faucon ihm geschrieben hatte:
"Agenten der Liga, die unter Einsatz ihres Lebens Zugang zu kleinen Gruppen der alten Anhängerschaft erlangt haben, berichteten davon, daß das Stigma der Zugehörigkeit wieder sichtbar wird. Früher konnten Todesser von den Auroren, also den Kämpfern gegen die dunklen Magier an einem magisch eingebrannten Mal, das das dunkle Zeichen des schwarzen Lords zeigt, wie du es auf dem Foto von der Quidditch-Weltmeisterschaft gesehen hast, erkennen. Doch nach dem Machtverlust Voldemorts verschwanden diese Zeichen fast vollständig. Jetzt, so die Agenten der Liga, würden bei erwiesenen, jedoch rechtlich nicht dingfest zu machenden Todessern Frankreichs diese Symbole wieder deutlicher. Andere Hinweise auf eine mögliche Rückkehr des dunklen Lords habe ich aus einer zuverlässigen Quelle, die mir allein zugänglich ist."
Julius überlegte. Sicher hatte er davon gehört, daß Karkaroff einst der dunklen Seite angehört hatte. Er kannte auch die Gerüchte, der Schulleiter von Durmstrang würde die schwarzen Künste in seiner Schule unterrichten. Deshalb saßen die ja wohl auch bei den Slytherins.
"Dumbledore muß das doch auffallen", dachte Julius, als er Karkaroff dabei beobachtete, wie er wieder das dunkle Mal an seinem Arm begutachtete. Um sich von düsteren Gedanken abzulenken, schwenkte er das Fernrohr wieder zum Labyrinth hinüber. Gerade rechtzeitig sah er, wie ein Schocker gleißend hell durch die Nacht fuhr und den großen Körper von Victor Krum umwarf. Dann sah er Cedric Diggory, der total abgekämpft aussah und am ganzen Leib zitterte, als sei ihm eben eine Unmenge Strom durch den Leib gejagt worden. - Schon wieder stach ein finsterer Gedanke in Julius' Verstand ein, wie eine Dolchspitze. Hatte man Cedric mit dem verbotenen Cruciatus-Fluch angegriffen? Wenn ja, war es Victor Krum? Oder hatte der Angriff erst Cedric und dann Victor Krum gegolten? Als Cedric jedoch wieder aufstand und zusammen mit Harry Potter rote Funken in den Himmel schoß, war sich Julius sicher, daß Krum Cedric angegriffen haben mußte. Denn Krum blieb reglos liegen, während die beiden nun verbliebenen Champions weiterrannten.
In Julius' Magen schien sich ein großer Bleiklumpen eingefunden zu haben, der immer schwerer wurde.
"Krum ist raus! Was war da los?" Fragte Kevin, als Victor Krum von der Irrgartenpatrouille aus dem Labyrinth geholt wurde.
"Es sieht so aus, als habe Krum Cedric mit einem Fluch angegriffen und sei von Harry Potter gestoppt worden", sprach Julius die Hälfte der Vermutung aus, die er hatte.
"Häh? Spinnt der? Bist du dir sicher, daß Krum Cedric angegriffen hat, Julius?" Fragte Kevin, dem die Interprretationen seines Omniglases nicht mehr soviel Spaß machten.
"Ich habe Krum unter dem Schockzauber zusammenbrechen gesehen und Cedric, der gezuckt hat, als wäre er mit einem heftigen Angriffsfluch belegt worden", flüsterte Julius mit einem dicken Kloß im Hals.
"Wenn das stimmt, dann kann das nur der unverzeihliche Fluch Cruciatus gewesen sein", gab Gloria stimmlos eine Vermutung preis. Julius nickte, ehe er sich dazu zwingen konnte, nicht zu zeigen, daß er Gloria rechtgab.
"Wer ist also jetzt noch im Rennen?" Fragte Gloria laut.
"Cedric Diggory und Harry Potter", antwortete Kevin laut.
"Jetzt weißt du, warum ich nicht wetten wollte, Kevin", sagte Julius halblaut. Kevin Malone erblaßte. Dann nickte er.
"Du hast das geahnt, daß die Nummer nicht ganz astrein über die Bühne geht, richtig?"
"Exactement", erwiderte Julius.
"Dann sage mir jetzt bitte, wer das deiner Meinung nach gewinnen wird!" Forderte Kevin. Gloria Porter nickte beipflichtend.
"Keiner!" Sagte Julius unvermittelt und unerwartet.
"Bitte?"
"Ich habe gehofft, nur etwas von Moodys Verfolgungswahn mitbekommen zu haben, Leute. Aber wie die Dinge jetzt gerade laufen werden wir heute abend keinen glücklichen Gewinner unter den vier Champions haben. Mehr werde ich jetzt nicht sagen."
"Das reicht auch", stieß Gilda aus. Julius hörte keinen Vorwurf heraus, keine Verachtung, daß er vielleicht zu übertrieben geredet hatte. Gloria legte ihm die linke Hand auf die Schulter und zog ihn vorsichtig zu sich heran:
"Eine Frage möchte ich aber von dir noch beantwortet haben, und zwar wahrheitsgemäß", flüsterte sie. "Teilt Professeur Faucon deine Furcht? Immerhin habt ihr euch dauernd Briefe geschickt."
"Sie schließt nicht aus, daß es sich um eine Falle für Harry Potter handelt. Meine Vermutungen sollen sich ihren Antworten nach mit Informationen decken, die sie anderswoher bekommen haben will."
"Oma Jane hat mir etwas ähnliches geschrieben. Ein ehemaliger Todesser in Amerika hat Streit mit einem Voodoo-Magier bekommen. Dabei kam raus, so meine Oma, daß der Typ davon ausging, bald wieder an die Macht zu kommen, mit dem dunklen Lord", flüsterte Gloria.
Diese Nachricht traf Julius zwar nicht unerwartet, aber unvorbereitet. Also hatte Glorias Großmutter, die in einem Fluchabwehrinstitut arbeitete, ähnliche Informationen bekommen wie Professor Faucon.
"Leute, wißt ihr was, eure Flüsterei macht mir Angst", wandte sich Pina an Gloria und Julius.
"Rat mal, wem noch!" Stimmte Kevin zu. Julius schwenkte das Fernrohr, um das Labyrinth zu sehen. Dabei fiel sein Blick auf Cho Chang, die immer noch in gespannter Erwartung auf einem Platz neben Prudence Whitesand saß. Julius mußte das Fernrohr absenken und schnell nach dem von Pina geschenkten Reinigungstuch greifen, um die plötzlich aufgekommenen Tränen fortzuwischen. Ihm fiel gerade ein, daß Cho immer noch erfreut war, daß Cedric im Rennen war. Sicher wußte sie, daß Julius an eine geschobene Endrunde des trimagischen Turniers glaubte, glaubte aber selbst nicht daran, zumal sie immer davon ausgegangen war, daß Potter sich selbst irgendwie ins Turnier eingebracht hatte. Julius suchte mit seinem Fernrohr die Eltern von Cedric und Fleur Delacour. Cedrics Vater klopfte rhythmisch auf seinen Sitz, als könne er Cedric dadurch zum Sieg treiben. Fleurs Mutter und die kleine Gabrielle standen bereits bei Fleur Delacour und sprachen mit ihr. Wieder wünschte sich Julius, ein magisches Ohr zu haben, um zu hören, was gesagt wurde. Sicher würde Fleur erzählen, wie sie angegriffen wurde.
Julius suchte wieder das Labyrinth und konnte die beiden Champions nach einiger Suche ausmachen, wenn auch verschwommen. Irgendwas in dem Labyrinth störte die Restlichtverstärkung. Julius suchte und fand den trimagischen Pokal. Er war die Störquelle, weil von ihm ein starkes magisches Leuchten ausging. Da er nun wußte, daß er die Champions selbst nicht mehr direkt finden konnte, konzentrierte sich Julius auf den Pokal.
Irgendwann vermeinte er, zwei Schatten auf den Pokal zurennen zu sehen. Dann tauchte ein dritter, riesiger Schatten auf. Dann blitzte es mehrfach. Offenbar wurde eine große Kreatur unter Schockzauber genommen, beziehungsweise, man versuchte es. Irgendwann schien es geklappt zu haben, denn der große Schatten fiel auf die Seite. Julius spielte mit dem Restlichtverstärker und konnte die Umrisse einer riesigen Spinne ausmachen. Dann sah er die Schatten zweier Menschen, einem etwas größeren und einem kleineren. Beide Hogwarts-Champions gingen langsam zum Pokal.
"Die werden den doch nicht gleichzeitig anfassen wollen!" Wunderte sich Julius laut. Dann erklärte er, was er sah. Er wollte gerade von der Riesenspinne erzählen, als ihm der Atem und damit das Wort im Hals steckenblieb. Der Pokal war mit beiden Champions verschwunden, hatte sich in Luft aufgelöst.
"Gloria, der Pokal ist weg", sagte Julius zu Gloria Porter. Kevin fuhr Julius an, er möge doch keine Witze machen. Doch dann sah er, wie Moody zum Richtertisch rannte und etwas mitteilte. Danach war Kevin nicht mehr nach Tadel zu Mute.
"Das Zauberer nicht von Hogwarts aus disapparieren können wissen wir ja. Aber wie ist es, wenn man Gegenstände bezaubert, die bei Berührung den Standort wechseln?" Fragte Julius. Gloria schien kurz nachzudenken.
"Portschlüssel, so heißen diese Gegenstände, waren vor achthundert Jahren nicht bekannt, wo die wesentlichen Sperren eingerichtet wurden. Die gibt es erst seit vierhundert Jahren. Da in Hogwarts niemand einen Portschlüssel herzustellen lernte, war es offenbar nicht nötig, dagegen Sperren einzurichten. Es wurde wohl nur dafür gesorgt, daß man Hogwarts nicht als Ziel fremder Portschlüssel anpeilen konnte."
"Eh, du willst doch nicht behaupten, daß der Pokal als Portschlüssel ausgelegt war?" Wandte Kevin ein. Wieder hielt ihm Gilda den Mund zu und machte "schschsch!"
Julius schwieg einige Sekunden. Dann kam ihm eine schreckliche Gewißheit:
Professeur Faucon hatte recht. Es ging denen, die Potter ins Turnier geschmuggelt hatten, nicht darum, ihn zu töten, sondern irgendwie in die Gewalt des dunklen Lords oder seiner Handlanger zu bringen, zu welchem Zweck auch immer. Man hatte die einzige Möglichkeit genutzt, jemanden in einem Augenblick aus Hogwarts fortzuschaffen.
"Jede Festung hat ein Klo mit Abwasserkanal", hatte Malcolm während einer Rollenspielsitzung im Rahmen der Kerker-und-Drachen-Abenteuer gesagt, als er den Dieb King Klepto gespielt hatte. Tatsächlich hatte diese Spielfigur eine feindliche Burg durch die Kloake betreten und die Zugbrücke runterkurbeln können. Der Spielleiter hatte dafür hundert Spielpunkte verteilt. Hier und jetzt waren das wohl hundert Minuspunkte für ganz Hogwarts, wegen gefährlicher Unterlassung und vielleicht, nein, wahrscheinlich, hundert Punkte für Voldemort, der seinen letzten Gegner in seine Gewalt gebracht hatte. Julius spürte seine Eingeweide immer schwerer in seinem Leib zusammenschrumpfen. Er saß hier oben auf dem höchsten Rang des Quidditchstadions und hatte gerade gesehen, wie das trimagische Turnier zu einer tödlichen Falle für die letzten beiden Champions geworden war, möglicherweise zum Beginn einer neuen unheimlichen Zeit, wo magische Verbrecher die Welt terrorisieren würden. Er saß hier oben und wußte das. Er ahnte es nicht nur, nein, er wußte es sicher, und er konnte nichts dagegen machen. Er war nur ein zwölfjähriger Junge, ein Muggelstämmiger, der so getan hatte, als sei eine Atombombe das schlimmste, was ihn bedrohen könne. Sicher, diese Waffen gab es noch. Niemand konnte sagen, ob und wie sie eingesetzt wurden. So gesehen stand es um die Zaubererwelt genauso schlecht, wenn in der Muggelwelt jemand den berühmten roten Knopf drücken und damit den Atomkrieg auslösen könnte. Doch würde ein dunkler Lord mit seiner Armee machtgieriger Marionetten, zu denen Leute wie Karkaroff oder Lucius Malfoy gehörten, zulassen, daß die ihrer Meinung nach wertlosen Muggel ihnen ihre schöne Welt kaputtmachten? Wo blieb denn da der geisteskranke Spaß, Menschen zu quälen, wenn sich die Menschheit in einem lauten Knall vernichtete?
Julius mußte sich von den unvermittelten Schreckensvorstellungen losreißen. Er mußte sich umsehen wie die anderen auch. Dabei geriet der Blick durch das Fernrohr wieder zum Richtertisch, wo Moody mit Dumbledore sprach. Dieser sah Karkaroff an, sowie Madame Maxime, Cornelius Fudge und Ludo Bagman. Dann nahm Dumbledore den Zauberstab, schwang diesen gegen das Labyrinth, das augenblicklich in grellem Zauberlicht erstrahlte. Hagrid, Professor McGonagal, Flitwick und Moody rannten durch die Heckengänge. Hagrid kümmerte sich um die verbliebenen Kreaturen, während Flitwick, Moody und McGonagall die Zauberfallen unschädlich machten.
"Die bauen das Labyrinth ab! Wo sind denn die beiden Champions nun?" Fragte Kevin irritiert.
"Das wissen wir nicht", herrschte Gloria Kevin an. Sie klang überaus nervös und gereizt, wie eine Katze, die den nahenden Hund wittert und nicht weiß, wohin sie noch flüchten kann.
Dumbledore benutzte den Sonorus-Zauber, um seine Stimme magisch zu verstärken. Er sagte mit widerhallender Stimme:
"Meine Damen und Herren!
Es ist etwas unvorhersagbares eingetreten. Irgendwie muß es bei der Auslösung des trimagischen Pokals zu einem unbeabsichtigten Ortsversetzungszauber gekommen sein. Beide Champions wurden davon betroffen, weil sie, wie Moody mir mitteilte, den Pokal in einem Akt der Übereinkunft gleichzeitig berührt haben. Anstatt die sofortige Erleuchtung und Entschärfung aller Hindernisse im Irrgarten, wirkte der Pokal als Versetzungshilfe, als Portschlüssel. Die Suche nach Cedric Diggory und Harry Potter läuft."
"Ich habe das unbestimmte Gefühl, daß Fleur und Krum unverschämtes Glück hatten", sagte Gilda Fletcher. Julius widerstand dem Drang, laut auszurufen, daß die beiden nie wirklich gefährdet waren. Er glaubte sogar, daß Cedric nicht in die Schußlinie geraten sollte. Immerhin hatte Krum ihn vorher angegriffen. - Julius überkam ein Schauer der Angst, als ihm klarwurde, daß Krum womöglich nicht aus eigenem Antrieb gehandelt hatte.
"Verdammt!" Zischte er nur. Gloria legte ihm wieder die Hand auf die Schulter und flüsterte:
"Was ist verdammt? Wenn du schon fluchst, solltest du einen guten Grund dafür haben."
"Den habe ich. Krum hat Cedric angegriffen, habe ich gesehen. Wenn ihm jemand per Imperius-Fluch den Befehl gegeben hat, das zu tun, um ihn dann später selbst aus dem Weg zu schaffen, wäre Harry Potter unangefochten durchgekommen. Fleur war die erste. Krum hätte der dritte sein sollen, der ausgeschaltet wurde."
"Dann wäre hier ein schwarzer Magier, der keine Skrupel hat, diesen Fluch anzuwenden", vermutete Gloria leise.
"Falsch! Ein schwarzer Magier und mindestens zwei Personen, die den Fluch auch können. Ich habe nicht den Eindruck bekommen, daß Dumbledore Harry Potter an den dunklen Lord ausliefern will oder sich dazu zwingen läßt. Bei Karkaroff kann ich mir das wiederum vorstellen. Bleibt noch jemand, der diesen Fluch schon hier praktiziert hat, ganz legal, mit Erlaubnis der Schulleitung."
"Das darf niemand vorher wissen", flüsterte Gloria, die Julius' Gedankengang ohne weitere Worte mitverfolgen konnte.
"Cho kommt zu uns", raunte Kevin Julius zu und boxte ihm sanft aber unmißverständlich in die Seite.
"Habt ihr auch den Pokal verschwinden sehen? Prue und ich haben mit unseren Omnigläsern nur den schwachen Lichtschimmer des Pokals gesehen."
"Der Pokal ist verschwunden, und mit ihm Cedric und Harry", erwiderte Julius, der um Fassung ringen mußte.
"Mehr wollte ich nicht wissen", erwiderte Cho und wandte ihr hübsches Gesicht ab. Julius konnte glitzernde Tränen in ihren Augen sehen, bevor sie diese von ihm abgewandt hatte und sich schnell zu Prudence Whitesand zurücksetzte.
"Die ahnt dasselbe wie ich", dachte Julius und verfiel in ein nachdenkliches Schweigen.
Er nahm wieder sein Fernrohr, auf dessen Einsatz er sich so gefreut hatte und das ihm jetzt den Blick durch das Schlüsselloch in die Hölle gewährte, so dachte er, und suchte den trimagischen Richtertisch. Karkaroff saß dort alleine. Bagman war mit dem Zaubereiminister im Labyrinth unterwegs, nachdem die Patrouille wohl gemeldet hatte, daß kein Monster und keine Zauberfalle mehr vorhanden war. Dumbledore stand bei Moody und Professor McGonagall und Professor Sprout. Die Diggorys saßen noch auf ihren Sitzen. Mr. Diggory redete auf seine Frau ein. Er sah noch zuversichtlich aus, während sie immer ängstlicher wirkte. Karkaroff sah immer ängstlicher aus. Snape trat hinzu und sprach mit ihm. Da der Tisch stark erleuchtet wurde, konnte Julius nur mit dem Ranholregler des Fernrohrs spielen und den Beiden bei einer schnellen und hitzigen Debatte zusehen.
"Will Treaty hätte nun an den Lippen ablesen können, was die da reden", grummelte er nach mehreren Minuten des Schweigens. Gloria fragte unvermittelt:
"Wer ist Will Treaty?"
"Ein erfundener Superheld, ein Spion und Gegenspion in einer Fernsehserie. Der kann alles, weiß alles und hat für jedes Ding die richtige Ausrüstung. Der hätte jetzt Snape und Karkaroff durchs Fernrohr angesehen und von den Lippen abgelesen."
"Snape und Karkaroff hängen zusammen?" Fragte Gloria tiefgründig dreinschauend. Julius gab ihr das Fernrohr und ließ sie hindurchspähen. Tatsächlich fand sie die beiden. Snape sagte gerade etwas, dann trat er von Karkaroff zurück. Dieser zog sich den linken Ärmel hoch, als er meinte, unbeobachtet zu sein. Gloria erschauderte.
"Er trägt das dunkle Mahl. Es stimmt also. Karkaroff ist einer von denen. Naja, nun wissen wir's", sagte sie, nachdem der Schrecken vorbei war.
Julius wollte gerade das Fernrohr zurückerbitten, als Gloria wieder zusammenfuhr und ausstieß:
"Karkaroffs Mahl ist gerade blutrot angelaufen und scheint ihm höllisch wehzutun."
"Von was habt ihr's?" Fragte Kevin mit ziemlicher Beklemmung in der Stimme.
"Davon, daß gerade der Alptraum aller Zauberergeborenen wahrgeworden ist, Kevin", sagte Gloria. Julius nickte. Die beiden hatten sich wieder ohne viele Worte verstanden.
"Moment! Gloria, du machst Witze!" Stieß Gilda aus.
"Das fürchte ich nicht", sagte Julius, nun ungewöhnlich ruhig. Jetzt, wo die dumpfe Furcht zur schrecklichen Gewißheit geworden war, fühlte er sich ungewöhnlich erleichtert. Dieses Gefühl hatte er gespürt, wenn er etwas verbotenes getan hatte und nicht wußte, welche Strafe er dafür bekam. Egal, wie hoch die Strafe dann tatsächlich ausfiel, fühlte er sich dann immer erleichtert, daß die Ungewißheit vorbeiwar.
"Nein, ihr macht einen Scherz, ihr beiden. Ihr macht doch immer Scherze darüber, daß er einmal wiederkommen könnte. Das wissen wir doch", zeterte Kevin mit sich überschlagender Stimme. Julius stellte sich hin und sagte mit fester Stimme:
"Kevin, in diesem Leben war ich noch nie so sicher, recht zu haben und habe es nie mehr bereut, recht zu haben, wie jetzt gerade. Ich weiß, daß ich gerne über den dunklen Lord gespottet habe, weil ich nicht einsah, wie gefährlich er sein konnte, wenn man die Waffen der Muggel mit ihm vergleicht. Aber in den letzten zwei Jahren habe ich vieles gelernt. Ich weiß nun, daß die Gefährlichkeit dieses Irren nicht darin besteht, wieviele Leute er auf einen Schlag umbringen kann, sondern, wieviele Leute er dadurch beeinflussen kann, daß er damit droht. In jedem Land gibt es Terrorbanden, die genauso vorgehen. Die haben aber nicht die Macht, Leute durch Versklavungsflüche unter ihre Macht zu zwingen oder zu foltern, bis sie wahnsinnig werden. Aber ich sage dir was, Kevin: Wenn der wirklich wiederkommen sollte, werde ich nicht um Gnade winseln. Wenn er mich umbringen will, soll er das tun. Ich kann ihn sowieso nicht daran hindern. Ich lasse mich auf jeden Fall nicht von ihm und denen, die meinen, durch ihn groß und stark zu sein, vom Spaß am Leben abbringen. Gerade dann nicht, wenn ich damit rechnen muß, daß es jeden Tag vorbei sein kann."
"Gesunde Einstellung, Kevin. Deshalb habe ich dir und jedem, der es hören mußte, gesagt, daß ich es dumm finde, wenn wir diesen Verbrecher weiterhin nur Du-weißt-schon-wer nennen", pflichtete Gloria Julius bei, wandte sich aber an Kevin.
"Ihr seid euch sicher?" Fragte Pina Watermelon. Julius und Gloria nickten. Dann sagte Gloria:
"Karkaroff rennt zum Seeufer. Jetzt holt er einen Besen. Er fliegt fort. Er flüchtet!"
"Mehr brauchen wir nicht zu wissen", sagte Julius und nahm das Fernrohr zurück.
"Du meinst, er hat den Pokal verhext, daß er Potter und Diggory entführt hat?" Fragte Gilda.
"Neh, jetzt nicht mehr", sagte Julius.
Auf den anderen Rängen hatten die Fernrohrbenutzer wohl auch die Flucht Karkaroffs beobachtet. Sie sahen ihm nach und tuschelten laut, was das solle. Julius sah Dumbledore, der neben Moody stand. Snape sah starr nach unten, als suche er eine verlorengegangene Münze. Julius suchte mit dem Fernrohr die Slytherins, um sich anzusehen, wie sie gerade gestimmt waren. Sie sahen ratlos auf das Quidditchfeld. Einige tuschelten miteinander. Lea Drake, die ebenfalls ein Nachtsichtglas benutzte, winkte Julius wie beiläufig zu und sah dann wieder auf das Quidditchfeld.
"Sollen wir reingehen?" Fragte Kevin mit belegter Stimme.
"Erst, wenn Dumbledore es sagt", entschied Gloria Porter. Auch sie schien nun, da sie sich sicher war, was passiert sein mußte, ruhiger und beherrschter zu sein. Pina war immer noch still und hing auf ihrem Sitz, als warte sie auf eine Explosion, die sie davonreißen würde. Julius stand vor seinem Sitz und beobachtete die Zuschauer und Betreuer der dritten Runde des trimagischen Turniers. Gloria flüsterte ihm die Frage zu, ob er noch damit rechne, daß auch nur ein Champion lebend wiederkommen würde. Julius schüttelte den Kopf. Gloria schien das als erwartete Antwort zu deuten, denn sie verzog keine Miene.
"Ob das Zaubereiministerium mich diesen Sommer nach Hause läßt?" Fragte sich Julius lautlos. Er stellte sich vor, daß nun alle Muggelstämmigen zu ihren Eltern geschickt würden, um dort die Ferien zu verbringen. Er dachte an alle Einladungen, die man ihm direkt oder indirekt ausgesprochen hatte. Würden die Dusoleils es riskieren, einen Muggelstämmigen in ihr Haus zu lassen, wenn derjenige, der alle Muggelstämmigen und Muggelfreunde umbringen wollte, wieder herumlief?
In diesem Moment fragte er sich ernsthaft, ob es nicht vielleicht doch besser gewesen wäre, wenn sein Vater ihn nicht nach Hogwarts gelassen hätte. Doch diese Frage ließ sich schnell beantworten. Entweder hätte er sich selbst irgendwann in die Luft gejagt, oder Voldemort hätte herausgefunden, was Julius war und hätte ihm entweder ein Leben in seinem Dienst oder den Tod freigestellt. Jetzt, wo Julius sich sicher war, daß die Schreckenszeit wieder weitergehen würde, von der er nur aus Berichten und Büchern etwas wußte, war er sich sicherer als zuvor, daß er hier in Hogwarts am besten aufgehoben sein würde, solange die Schule nicht unter den Einfluß des Bösen geraten würde.
"Na, stellen wir uns wieder die Sinnfrage?" Mengte sich Glorias Stimme in seine Gedanken.
"Bitte?" Erwiderte Julius.
"Du soltest lernen, deine Augen und deine Gesichtszüge von deinen Gedanken abzukoppeln. Ich kenne dich mittlerweile gut genug, um zu sehen, ob dich irgendwas umtreibt. Du hast dich wieder gefragt, ob du nicht besser zu Hause geblieben wärst. Offenbar bist du aber zu einer Antwort gekommen, die dich sicherer gemacht hat", flüsterte Gloria.
"Ich weiß, daß ich mich richtig entschieden habe. Das weiß ich seit dem letzten Sommer mit absoluter Sicherheit. Ich habe nur die Möglichkeiten durchgespielt, die ich gehabt hätte. Die Leute von Hogwarts hatten recht. Ich wäre irgendwann aufgefallen. Dann wäre er gekommen, hätte mich gefragt, ob ich nicht mit ihm zusammen groß werden wolle, und wenn ich "nein" gesagt hätte, hätte er nur noch die letzten Zwei Worte gesagt, und es wäre vorbei gewesen. So oder so, hier bin ich auf jeden Fall besser aufgehoben. Es ist nur so, daß wenn irgendwo in der Muggelwelt ein Flugzeug entführt wird, weil Verbrecher Geld haben oder Staaten erpressen wollen, werfen viele Leute alle Pläne für die Ferien um, wenn sie dafür in ein Flugzeug hätten steigen müssen. So ähnlich geht es mir gerade."
"Kevin ist im Moment nicht in der Stimmung zum wetten. Ich denke, du wirst deine Ferien in unserer Welt verbringen. Das Angebot meiner Eltern steht noch. Außerdem wollte meine Oma einige Freunde von mir nach New Orleans einladen. Ich denke jedoch, daß du doch in Europa bleiben wirst."
"Wir werden sehen", sagte Julius.
Es dauerte wohl eine halbe Stunde, in der die wildesten Gerüchte herumschwirrten, von einem gelungenen Scherz des Zaubereiministeriums, das die Champions irgendwo anders weitere Aufgaben lösen ließ, bis zu Vermutungen, Cedric und Harry hätten sich um den Pokal gezankt und sich dabei mit irgendwelchen Flüchen belegt.
Dann tauchte der Pokal unvermittelt wieder auf. Harry Potter hing mit blutendem Bein und blutgetränktem Umhang daran. An der anderen Hand hielt er Cedric Diggory. Julius nickte nur. Cedric hatte es erwischt. Damit hatte er sich bereits abgefunden. Es konnte aber auch keine richtige Freude aufkommen, daß Harry Potter überlebt hatte, was auch immer passiert war. Dumbledore, Cornelius Fudge und Mad-eye Moody eilten zu Harry. Professor Sprout hielt die Diggorys noch eine Weile zurück, während in den Rängen des Stadions allmählich durchsickerte, daß Cedric Diggory tot war und eine Mischung aus Seufzern, Wehklagen und Entsetzensschreien anhob. Julius sah zu Cho hinüber. Sie weinte hemmungslos. Prudence Whitesand saß neben ihr und hielt ihr die rechte Hand. Ihr Blick wanderte fast leer umher und fand den von Julius. Prudence sah ihn unvermittelt klar und deutlich an. Dann sah sie Gloria Porter an und winkte beiden zu, zu ihnen zu gehen, während Kevin mit Pina und Gilda zurückblieb.
"Ich möchte von euch beiden nur eine Antwort hören, weil ich weiß, daß ihr das irgendwie vorhergeahnt habt: Habt ihr damit gerechnet, daß auch nur einer lebend zurückkommt?" Fragte Prudence, die selbst mit ihrer Fassung rang.
"Nein", sagte Julius kurz und knapp. Gloria sagte es auch.
"Was macht ihr jetzt?" Fragte Prudence. Offenbar brauchte sie etwas, woran sie sich halten konnte, um nicht wie Cho total in Trauer zu versinken.
"Wenn Dumbledore sagt, wir sollen reingehen, werde ich noch ein paar Eulen verschicken. Mehr nicht. So gemein das jetzt klingt: Ändern können wir's nicht mehr. Bei einem angesagten Schachmatt kannst du nur entscheiden, ob du ein neues Spiel anfangen oder dich verziehen möchtest, um dir Selbstvorwürfe zu machen, warum du nicht gewonnen hast."
"Du hast recht, es klingt gemein. Aber leider stimmt das auch", seufzte Prudence.
Julius sah zu Dumbledore hinunter, der sich mit Harry Potter unterhielt, ihn aufmunterte. Dann ging er mit Cornelius Fudge zu den Diggorys, die bei Professor Sprout standen und führte sie zu Cedric Diggory, der ohne äußere Verletzung am Boden lag, reglos, bleich, die Augen in stummem Entsetzen aufgerissen, als habe er das Schlimme kommen sehen und gewußt, daß er es nicht verhindern konnte. Julius sah diese toten Augen und fühlte, wie sich der seelenlose Glanz in sein Gedächtnis einbrannte. So also sah einer aus, der mit der vollen Wucht des verbotenen Fluches Avada Kedavra getroffen worden war. Ihn schauderte, wenn er daran dachte, daß Brutus Pane, ein Exklassenkamerad, ihn, Julius Andrews damit anzugreifen versucht hatte, nur weil Julius bessere Noten in den Prüfungen abgeräumt hatte.
Dann sah er Moody, der Harry Potter aufhalf und ihn mit sich zog, Richtung Schloß. Da klingelte es in seinem Kopf Alarm. Er warf Gloria einen Blick zu, der ihr verhieß, zu Kevin und den anderen zurückzukehren. Er selbst stürmte unvermittelt los, die Treppen der Sitzreihen hinunter. Er wollte zu Dumbledore, der gerade noch mit Fudge sprach. Doch eine große Menschenmenge, alles Schüler aus Hufflepuff, verlegte ihm den schnellsten Weg und staute sich so stark, daß Julius es Aufgab, loszurennen. Er wußte nicht, ob er den Sonorus-Zauber anwenden sollte, um Dumbledore zu warnen, daß Harry Potter von Moody ins Schloß gebracht würde. Außerdem wußte er nicht, ob Dumbledore Moody das nicht befohlen hatte. Wie lächerlich konnte er sich machen, wenn er nun kam und Panik machte?
Professor Sprout mußte die vorrückenden Hufflepuffs zurückdrängen, damit die Diggorys Ruhe hatten. Julius sah in diesem Gewühl, wie Dumbledore eilig von Fudge fortging, Professor McGonagall und Snape zuwinkte, kurz einige Worte mit ihnen wechselte und dann in Richtung Schloß davonzog, wild entschlossen, etwas möglichst schnell zu erledigen. Julius atmete hörbar auf.
"Hallo, Julius?" Rief eine weinerlich klingende Betty Hollingsworth. Julius fuhr herum und sah die Zwillingsschwestern, die mit Leon Turner und anderen Hufflepuff-Zweitklässlern zusammenstanden. In ihrer Nähe stand Henry Hardbrick, der noch bleicher als gewöhnlich, mit einem Ausdruck unbändigen Entsetzens auf Cedric Diggorys Leiche starrte.
"Hallo, ihr beiden!" Grüßte Julius, der jetzt doch von der Woge der allgemeinen Trauer erfaßt wurde.
"Wer war das? Wer hat das getan?" Fragte Jenna mit erstickter Stimme.
"Der dunkle Lord, Jenna. Das ist kein Witz. Da mache ich keine Witze mehr drüber."
"Bist du dir sicher?" Fragte Jenna.
"Ich wünschte, ich wäre es nicht", erwiderte Julius.
"Ich will hier weg!" Schrie Henry Hardbrick. Eine Hufflepuff-Sechstklässlerin, die das Vertrauensschülerabzeichen auf dem Umhang trug, wie auch Cedric Diggory, eilte zu Henry und zog ihn sanft mit sich, wobei sie versuchte, tröstende Worte zu finden.
"Der ist völlig fertig. Der ist hergekommen, obwohl er das nicht wollte, mußte hierbleiben, und jetzt sieht er sowas. Ich hoffe, daß Madame Pomfrey ihn auch wieder hinkriegt."
"Wieso auch, Julius?"
"Weil ich hoffe, daß Dumbledore rechtzeitig losmarschiert ist, um Harry Potter in den Krankenflügel zu bringen."
"Wieso sollte er da nicht landen, Julius?"
"Weil jemand in Hogwarts ist, der ihn tot sehen will. An und für sich hat der Unnennbare geplant, nur ihn, Harry Potter, zu kriegen. Cedric ist per Zufall in seinen Weg geraten", gab Julius seine Vermutung preis.
"Alle Schüler in die Häuser oder Gastfahrzeuge!" Befahl Professor Flitwick, der offenbar als dritter nach Dumbledore und Professor McGonagall die Führung in der Schule innehatte. Trotz der geringen Körpergröße hatte sich Flitwick sehr schnell durchgesetzt. Alle Schüler und Lehrer, die noch verblieben waren, kehrten ins Schloß zurück. Julius sah noch die Diggorys, die in tiefer Trauer bei ihrem toten Sohn standen.
Julius eilte durch die Korridore und suchte die Eulerei auf. Hier schrieb er zwei Briefe, einen an Professeur Faucon, den zweiten an Aurora Dawn. Im Brief an Aurora Dawn schrieb er:
Hallo, Aurora!
Leider muß ich etwas schreiben, von dem ich mir zwar sicher bin, daß es passiert ist, aber nicht die offizielle Bestätigung habe.
Bei der dritten Runde des Turniers kam es zu einem Todesfall mit merkwürdigem Ablauf.
Der trimagische Pokal war von einem Handlanger des dunklen Lords verhext, daß er als Portschlüssel funktionierte, der Cedric Diggory und Harry Potter, die ihn beide zeitgleich angefaßt haben, irgendwo hingebracht hat. Als der Pokal später wieder auftauchte, war Harry Potter verletzt und Cedric Diggory tot, ohne Verletzungen. Er sah so starr und entsetzt drein. Ich vermute, er wurde vom unverzeihlichen Todesfluch getroffen.
Weil in der Zwischenzeit, wo der Pokal verschwunden war,Professor Karkaroff flüchtete, bin ich mir sicher, daß der dunkle Lord sich wieder zurückgemeldet hat.
Näheres kann ich im Moment nicht sagen. Die Sache ist zu schrecklich, um sie jetzt schon ganz zu überblicken.
Ich hoffe, du kannst dein Leben trotzdem weiter so glücklich gestalten!
Julius
An Professeur Faucon schrieb er:
Sehr geehrte Professeur Faucon!
Ich finde selten einen Grund, zu bedauern, daß ich recht hatte.
Die dritte Runde war eine Falle für denjenigen, der als erster den trimagischen Pokal anfaßte. Da dies Harry Potter und Cedric Diggory gleichzeitig taten, warum auch immer, gerieten sie mit dem Pokal, der ein Portschlüssel war, irgendwo hin. Dort muß Cedric Diggory durch den Todesfluch getötet worden sein. Harry Potter schaffte mit dem Pokal und Cedric die Rückkehr. Doch Karkaroff sah, wie ich durch ein magisches Fernrohr beobachten konnte, ein eingebranntes Mal, das dem dunklen Mal Voldemorts entspricht, dunkelrot anlaufen und floh darauf aus Hogwarts.
Sie hatten wohl recht, daß Harry Potter vom dunklen Lord in eine Falle gelockt werden sollte und dadurch dessen Rückkehr oder Wiedererstarkung ermöglicht hat.
Noch was, Karkaroff ist wohl nicht der Todesser, der Voldemorts Spion in Hogwarts war. Ich beobachtete, wie Moody, unser Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste, mit immer auf das Feld für das Turnier gerichteten Zauberstab herumlief. Fleur Delacour fiel als erste aus, dann griff Krum Cedric Diggory an, wurde von Harry Potter geschockt und auch aus dem Feld geholt.
Nach der Rückkehr nahm Moody Harry Potter mit sich. Ich fürchte, er ist ein Verräter und hoffe, mich zumindest hier zu irren.
Dies nur, damit Sie meine Sicht der letzten Runde mitbekommen, die leider nichts ruhmreiches oder fröhliches ausgelöst hat.
Mit freundlichen Grüßen
Julius Andrews
Julius kehrte in den Ravenclaw-Gemeinschaftsraum zurück, aus dem viele Schüler hinausströmten, Briefe für ihre Eulen in Händen.
Julius diskutierte nicht lange mit Kevin und den anderen. Sie legten sich zu Bett und schliefen unruhig. In seinen Träumen sah Julius immer wieder Cedrics bleiches Totengesicht. Er hörte ihn lachen, sich über Henry Hardbrick beschweren, ihm einen Brief an Cho Chang mitgeben. "Bring den bitte Cho! - Cho!! - Cho!!!"
Am nächsten Morgen teilte Dumbledore den Schülern mit, daß Cedric Diggory nicht durch einen Unfall beim Turnier ums Leben gekommen war, sondern durch eine Falle, die nicht für ihn, sondern für Harry Potter gestellt worden sei. Julius sah die betrübten Gesichter am Hufflepuff-Tisch, sowie die Trauer im Gesicht von Cho Chang. Alle Ravenclaws wußten, daß sie für Cedric mehr empfunden hatte als nur Freundschaft. Alle trauerten mit ihr.
"Was Professor Karkaroff angeht, der diese Nacht floh, so hat diese Flucht unmittelbar etwas mit den Ereignissen vom gestrigen Abend zu tun. Allerdings, und dies betone ich im Wissen um bestimmte Vorbehalte gegen unsere Gäste aus Durmstrang, ist Professor Karkaroff nicht der Verantwortliche für die Tragödie von gestern. Dies muß ich eindringlich festhalten, daß das, was Harry Potter beinahe und Cedric Diggory schrecklicherweise zugestoßen ist, nicht das Werk eines Gastes aus Durmstrang oder Beauxbatons war, dem daran gelegen war, das Turnier zu seinen Zwecken zu mißbrauchen. Näheres möchte ich jedoch jetzt noch nicht sagen, da gewisse Einzelheiten noch der Klärung und Regelung bedürfen", sprach Dumbledore.
Danach verkündete er, daß der Unterricht weiterlaufen würde, auch wenn dies unter den Umständen, die eingetreten seien, schwerfalle. Julius vermutete, daß Dumbledore wie ein guter Schachspiler seine Taktik nicht verraten wollte, um denen im Slytherin-Haus, die wohl schon ahnten, was passierte, einen Grund zu liefern, ihre Eltern, zumindest jene, die mit dem dunklen Lord verbündet waren, nicht warnen zu können.
Julius bekam am nächsten Tag zwei Briefe. Einen von Professeur Faucon und einen von Madame Dusoleil. Die Beauxbatons-Lehrerin schrieb:
Sehr geehrter Monsieur Andrews!
Ich gehe zwar davon aus, daß Sie von Ihrem Schulleiter demnächst erfahren werden, was sich in der dritten Runde des trimagischen Turniers wirklich zutrug, aber will mich nicht darauf verlassen, daß er Sie im vollen Umfang unterrichtet.
Auch, wenn Sie diese Nachricht erschrecken dürfte, muß ich Sie Ihnen mitteilen. Der schwarze Magier, der sich Lord Voldemort nennt und von den meisten Magiern nicht beim Namen genannt wird, hat es am Abend des 24. Juni vollbracht, seine körperliche Gestalt zurückzugewinnen und bereits seine alten Getreuen um sich geschart, um seine zerstörerische Machtgier auf diesem Planeten zu befriedigen.
Ich habe in Übereinstimmung mit Madame Maxime und den Eheleuten Dusoleil beschlossen, Sie über den Zeitraum der in Beauxbatons andauernden Sommerferien nach Millemerveilles bringen zu lassen. Ich gewährte Madame Dusoleil die Bitte, sie als ihren Hausgast aufzunehmen, solange Sie zu Ihrem eigenen Interesse mein Angebot wahrnehmen und sich von mir in den fortgeschrittenen Abwehrkünsten dunkler Kräfte unterweisen lassen. Bitte ersparen Sie sich und mir jeden Einwand, der darauf abzielt, daß ich Ihnen gegenüber keinerlei private oder gar offizielle Verpflichtung besitze, Ihnen dieses Angebot zu unterbreiten. Ich habe meine Gründe dafür. Bitte respektieren Sie das als Erklärung.
Mit Ihrer Fürsorgerin bin ich dahingehend übereingekommen, daß sie Ihnen den Verweil in Millemerveilles gestattet und darf Ihnen von ihrer Seite aus viel Erfolg und wohl auch beschwingte Wochen wünschen. Sie wird Ihnen dies noch offiziell mitteilen.
Madame Maxime erklärte sich auf meine ausführliche Darlegung Ihres Falles hin einverstanden, Sie am Ende des laufenden Schuljahres in ihrem Reisewagen mitzunehmen. Bitte nehmen Sie dieses Angebot wahr!
Ich erwarte sie am 3. Juli diesen Jahres um neun Uhr morgens zur ersten Unterweisungsstunde. Jede Form der Verzögerung dieses Termins betrachte ich als Ungehorsam und groben Undank und werde danach Verfahren.
Ich hörte von meiner Kollegin Professor McGonagall, daß Sie die in Sie gesetzten Erwartungen zur vollsten Zufriedenheit erfüllten und somit das in Sie gesetzte Vertrauen meinerseits voll und ganz rechtfertigten. Sie sehen also, daß Sie sich wieder einmal zu unrecht unter Ihrem Wert angeboten haben.
Hochachtungsvoll und in Erwartung einer konstruktiven Zusammenarbeit verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Professor Blanche Faucon
Julius seufzte. Dann las er den Brief von Madame Dusoleil:
Hallo, Julius!
Ich habe soeben einen Briefwechsel mit meiner verehrten Nachbarin Blanche Faucon beendet, in dem es darum ging, ob und wenn ja wie du im Sommer bei uns in Millemerveilles verleben wirst. Blanche möchte dich sehr gerne in ihre Geheimnisse der Abwehr dunkler Kräfte einweihen. Hierzu werden auch Jeanne und Claire bei ihr unterricht in den Ferien nehmen. Ich vermochte Blanche davon zu überzeugen, daß du Phasen der Erholung und Entspannung benötigst und diese besser bei uns, im Garten der Sonne, finden kannst. Blanche ist damit einverstanden, zumal sie vielleicht ihre eigene Familie unterbringen wird.
Auch wenn der Anlaß von Blanches Ansinnen nicht zum spaßen ist, freue ich mich schon darauf, mein Angebot wahrzumachen und dich diesen Sommer bei uns zu beherbergen.
Ein hoffentlich angenehmes Schuljahresende!
Camille Dusoleil
Julius seufzte erneut. Dann traf noch eine Eule von Mrs. Priestley ein, die einen kurzen Brief mitbrachte, in dem sie mitteilte, daß Julius ihre Erlaubnis hatte, den Sommer in Millemerveilles zu verbringen. Er wurde auch gebeten, seinen Elttern nicht sofort mitzuteilen, daß der dunkle Lord wohl wieder in Erscheinung getreten sei.
Die nächsten Tage vergingen mit der Bekanntgabe der Endnoten. Julius und Gloria lagen beinahe gleich auf an der Spitze der Ravenclaw-Zweitklässler. Julius bekam außer in Zaubertränken, Geschichte der Zauberei und Verteidigung gegen die dunklen Künste die Bestnote. Geschichte der Zauberei und Zaubertränke wurden bei ihm mit einer Zwei benotet, Verteidigung gegen die dunklen Künste mit einer glatten Eins. Julius freute sich über die Supernoten in Verwandlung und Zauberkunst und strich erleichtert die Noten für Kräuterkunde und Astronomie ein.
Gloria und Gilda lobten ihn dafür, daß er in Geschichte der Zauberei so gute Fortschritte gemacht hatte. Gloria, die in diesem Fach die Bestnote bekommen hatte, meinte nur:
"Du hättest wohl auch eine sehr gute Note bekommen, wenn du nicht dieses allgemeine Gefühl der Langeweile in Binns' Unterricht hättest. Am besten solltest du bei jemandem unterkommen, der dieses Fach mit der Lebendigkeit rüberbringt, die es verdient. Aber da besteht ja kein Zweifel, wenn Oma Jane das richtig geschrieben hat."
"Was hat die dir denn geschrieben?" Fragte Julius.
"Das du wohl im Sommer wieder bei einer ihr bekannten Hexe sein wirst. Die hätte ihr das nämlich geschrieben."
"Pina und du fahren zu ihr nach New Orleans?" Fragte Julius noch.
"Jawohl", erwiderte Gloria strahlend.
Am letzten Schultag zeigte Julius in der letzten Zauberkunststunde seine Bastelarbeit, die Zauberlaterne, die er gemacht hatte. Seine Klassenkameraden staunten, lachten, gruselten sich und waren schlicht beeindruckt. Er bekam tosenden Beifall und eine hohe Anerkennung von Flitwick.
"Da Sie mir die Fertigungspläne für dieses erstaunliche Konglomerat von Kunst, Handwerk und Zauberfertigkeit übergaben, kann ich mit Sicherheit sagen, daß Sie sich ohne Leistungsverlust in den anderen Schulfächern hervorragend Ihren Talenten gestellt und sie konstruktiv umgesetzt haben. Die praktische Ausführung überzeugt durch die plastische Darstellung der räumlichen Abbilder und ihrer im Rahmen der gesetzlichen Zulässigkeit lebendigen Figuren, sowie der hohen Vorstellungskraft im Bezug auf Naturansichten und ihre Geräuschkulissen. Ich zeichne diese Arbeit mit fünfzig Punkten für Ravenclaw aus, die sich verteilen wie folgt:
Zwanzig Punkte für die Arbeit, ohne daß Sie in Ihren sonstigen Verpflichtungen nachließen.
Zehn Punkte für Idee und kreative Umsetzung, die ein hohes Maß an künstlerischer Begabung erkennen lassen.
Zehn Punkte für die Beherrschung der notwendigen Zauberkunstfertigkeiten, die Ihr Projekt realisiert haben.
Schließlich vergebe ich zehn Punkte für eine detaillierte Erarbeitung und Dokumentation der notwendigen Arbeitsschritte und ihrer technischen Umsetzung.
Herzlichen Glückwunsch an Sie und vielen Dank im Namen der Bewohner von Ravenclaw für diese freiwillige und unabhängig vollbrachte Leistung!"
Alle klatschten. Pina und Gloria umarmten Julius, Kevin und die anderen Jungen hieben ihm freundschaftlich auf die Schultern. Fredo fragte, ob er so eine Laterne bekommen könne. Julius teilte mit, daß er sich das Ding, falls es noch nicht in anderer Form zu haben war, patentieren lassen wolle. Flitwick nickte und teilte mit, daß Julius' Antrag von ihm bereits unterstützt wurde, sowie vom Amt für Ausbildung und Studien und der Vereinigung magischer Erfinder.
Ebenfalls regnete es Punkte für die Ravenclaws in der Arbeitsgruppe Regenbogenstrauch, jeweils fünfundzwanzig Punkte für Pina, Prudence, Kevin und Julius. So kam es, daß am Ende des Schuljahres Ravenclaw Slytherin in der Hausmeisterschaft um glatte zwanzig Punkte überholte und mit 415 Punkten auf Platz zwei hinter Gryffindor, daß mit 460 Punkten den Hauspokal gewann. Jedoch konnten sich die vier Häuser nicht so recht über ihre hohen Leistungen freuen, weil der Tod Cedric Diggorys und die Wiederkehr des dunklen Lords die Freude völlig erstickten.
Julius bekam von Flitwick einen verschlossenen Umschlag überreicht, als das Fest zu Ende war. Auf dem Umschlag stand:
"Erst in Ihrem gemeinschaftsraum öffnen!"
Julius steckte den Umschlag fort und verließ mit den Anderen die große Halle. Julius ging noch mal in die Eulerei, um seinen Eltern einen Brief zu schicken, in dem er mitteilte, daß er in den Ferien wieder nach Millemerveilles reisen würde. Er verzichtete auf die Erwähnung des dunklen Lords. Das sollten andere erledigen.
Als er eine Schuleule losgeschickt hatte, kam das Dreiergespann Malfoy, Crabbe und Goyle johlend in den Eulenturm. Als Malfoy Julius sah, lachte er dümmlich und zeigte auf ihn.
"Oh, der Herr hat schon seinen Abschiedsbrief an seine Muggeleltern geschickt. Solche Angst vor dem dunklen Lord, Schlammblut?"
"Schade, Draco, daß du nicht früher gekommen bist. Dann hätte ich dich noch gern in mein Testament aufgenommen und dir meine Sammlung alter Klopapierrollen überlassen."
"Du reißt das Maul ziemlich weit auf für jemanden, der bald tot ist", schnaubte Draco Malfoy. Julius zeigte ihm sein strahlendstes Lächeln, behielt ihn und seine Spießgesellen im Auge.
"Ich fühle mich im Moment besser als die Anhänger Voldemorts. Mich will er nur umbringen. Aber diese Leute, die meinen, durch ihn groß rauszukommen, weil sie durch die gegend rennen und Leute quälen, dürfen sich doch jetzt nicht einmal mehr eine Erkältung einfangen. Die dürfen nämlich nicht mehr husten, ohne Erlaubnis des großen dunklen Meisters. Was für die Erwachsenen gilt, gilt dann natürlich auch für deren Kinder. Stell dir mal vor, jemand verplappert sich und gibt Informationen weiter, die der schwarze Lord geheimhalten will. Dann gibt es aber Zoff!"
Draco Malfoy erblaßte. Dann starrte er Julius böse an und deutete auf seine dümmlich grinsenden Kraftprotze.
"Ich fürchte, du mußt lernen, was Respekt ist", zischte Malfoy. Seine beiden Freunde rückten bedrohlich vor. Julius berührte seinen Zauberstab und dachte konzentriert: "Maneto!" Crabbe blieb unvermittelt stehen. Dann drehte sich Julius Goyle zu, der auf ihn zuwalzte und vollführte denselben Zauber. Da Goyle gerade auf einem Bein stand, kippte er über und blieb liegen.
"Was?" Erschrak Malfoy, der nicht gesehen hatte, wie Julius gezaubert hatte.
Dann zog Julius seinen Zauberstab richtig hervor und flüsterte:
"Singultus!"
Unvermittelt fuhr Draco Malfoy zusammen, weil ein mörderischer Schluckauf ihn gepackt hatte.
Laut schreiend und Hicksend rannte er davon, seine bewegungsgebannten Anhängsel blieben liegen oder stehen. Julius bedachte die beiden mit einem kurzen Schlafzauber, der den Bewegungsbann löste, sie aber für mindestens eine Stunde schlafen ließ. Dann lief er hinaus, wo er gerade noch hörte, wie Draco unter einem anderen Fluch zusammenfuhr und dann wieder dem Schluckauf unterlag. Dann lief er weiter, irritiert. Julius sah ihn gerade noch um eine Ecke verschwinden. Er hörte leise Schritte, die auf ihn zukamen und riß den Zauberstab hoch, weil er nicht sah, wer da kam.
"Du wirst mir doch nicht auch noch einen Fluch anhängen wollen, wie?" Hörte er Lea Drakes Stimme, sah sie jedoch nicht. Erst als ihr Kopf zuerst erschien und dann ihr Körper, senkte Julius den Zauberstab.
"Ein Tarnumhang", staunte Julius, als er das fließende silbrige Stück Stoff erkannte, daß Lea unter dem Arm trug.
"Meine Mutter hat befunden, daß ich in Slytherin mit diesen Marionettenprinzen sowas brauche. Ich habe diesem Draco Marionettenprinz übrigens einen Mikramnesia-Fluch verpaßt, um das Kurzzeitgedächtnis zu löschen. Das war ziemlich tollkühn von dir, ihn derartig anzufahren. Aber recht hast du natürlich."
"Du hast doch wohl jetzt einen schlechten Stand in Slytherin", bemerkte Julius zu dem Mädchen mit den kastanienbraunen Haar, das zu kleinen Zöpfen geflochten war.
"Sicher, die Fraktion um Malfoy und die anderen Abkömmlinge der Stiefellecker des Emporkömmlings Voldemort haben mir schon einen Lebensendzeitkalender geschenkt, der in grünen Flimmerzahlen jeden Tag, an dem ich nicht getötet wurde, anzeigt. Aber einige der Leute, die von Voldemort nicht so begeistert sind, haben sich schon mit mir verständigt, daß ich auch weiterhin nicht total untergehen werde, genauso wie Chuck. Denk dran, nicht alle, die in Slytherin wohnten, wurden Anhänger des dunklen Lords."
"Nur mit dem Unterschied, daß alle die böse wurden, aus Slytherin kamen", erwiderte Julius.
"Gut, du mußt das wohl glauben. In diesen Zeiten sollte man sich genau überlegen, woran man glaubt. Ich wundere mich, daß dieser Knilch allein unterwegs war. Hat er seine Schatten verlegt?"
"Öhm, das kann man so sagen. Die wollten mir was. Da habe ich sie erst festgesetzt und dann in den Schlaf geschickt. Die wachen nach einer Stunde wieder auf."
"Gut", erwiderte Lea und schlüpfte gelenkig an Julius vorbei in die Eulerei, wo Crabbe und Goyle schnarchend im schmutzigen Stroh lagen. Mit ihrem Kurzzeitgedächtnislöscher behandelte sie die beiden, wuchtete sie per Fernlenkung aus der Eulerei. Julius half ihr dabei, sie mit dem Schwebezauber neben einen großen Wandschrank zu legen und reinigte mit einem Lavarivestis-Zauber den Umhang, wie ihm Madame Dusoleil und Professeur Faucon diesen oft genug vorgeführt hatten. Zumindest sahen sie nicht mehr so aus, als seien sie in der Eulerei hingefallen. Dann eilten die beiden davon.
An der Marmortreppe zur großen Halle trennten sich die beiden und wünschten sich erholsame und angenehme Ferien.
Julius atmete auf, als er vor dem Portrait der Skyland-Schwestern Stand. Diese trugen schwarze Kleider, wie die meisten Gemälde in Hogwarts, seit dem Cedric Diggory tot auf dem Quidditchfeld gefunden wurde.
"Passwort?" Fragte Petra Skyland.
"Cogito ergo sum", gab Julius das Passwort an und wartete, bis sich die Tür zum Gemeinschaftsraum öffnete. Dann sprang er erleichtert hinein, suchte Gloria und Pina, die sich an einem kleinen Tisch außerhalb der Gruppe um den Kamin hingesetzt hatten. Gloria winkte Julius zu. Dieser trat zu ihnen und nahm Platz.
"Hast du deinen Eltern geschrieben, daß du nach Millemerveilles fährst?" Wollte Gloria wissen.
"Ja, habe ich", sagte Julius. Er verschwieg die Begegnung mit Draco Malfoy und seinen Genossen. Gloria verriet ihm, daß sie und Pina nach der Rückfahrt mit dem Hogwarts-Express zusammen mit dem fliegenden Holländer, einem magischen Schnellsegler, nach Amerika fuhren, wo sie einen halben Tag später bei ihrer Großmutter eintreffen würden.
"Schade! Ich wollte Madame Dusoleil fragen, ob wir meinen Geburtstag bei ihr feiern dürfen. Aber ich denke, daß ist ein heftiger Geldaufwand, zwischen den Kontinenten zu flohpulvern. Außerdem könnte man auf die Idee kommen, die Netze zu schließen, damit nicht böse Magier ungehindert durch die Welt reisen können."
"Abgesehen davon, daß die alle apparieren können, denke ich nicht, daß sich die internationalen Floh-Verbundräte diese Einnahmequelle versperren werden. Es wird vielleicht mehr Kontrolle geben. Aber die Netze werden wohl offen bleiben", vermutete Gloria. Dann meinte sie noch:
"Letztes Jahr hast du auch eine Geburtstagsfeier gehabt. Wäre schade, wenn dieses Jahr nicht."
Julius öffnete den verschlossenen Umschlag, den Flitwick ihm gegeben hatte. Er zog ein Pergament mit einer smaragdgrünen Schrift heraus und las leise:
Sehr geehrter Mr. Andrews!
Im Zuge einer Vereinbarung zwischen den Schulen Hogwarts und Beauxbatons wurde verfügt, daß Sie sich am Morgen des 1. Juli zur Verfügung halten, um mit der Abordnung der Beauxbatons-Akademie zusammen abzureisen. Der bereits gelöste Fahrberechtigungsausweis für den Hogwarts-Express wird als Bezahlung für die Reise nach Frankreich teilverrechnet, den Rest übernehmen die Familien Faucon und Dusoleil aus Millemerveilles.
Zusammen mit den Schülern, die in Millemerveilles ihren Wohnsitz haben, werden Sie dann dorthin reisen, wo Sie offiziell Gastwohnung im Hause der Familie Dusoleil erhalten.
Wir wünschen Ihnen einen schönen und erholsamen Ferienaufenthalt.
Professor M. McGonagall Professor Flitwick
"Damit ist es amtlich. Ich werde morgen der einzige Hogwarts-Schüler sein, der den Flugkomfort der Beauxbatonss ausprobieren darf", flüsterte Julius. Gloria Porter nickte verstehend. Dann fragte sie:
"Hast du Professeur Faucon schon einmal gefragt, wieso die das alles für dich tut?"
"Habe ich. Aber sie gab nur an, daß sie ihre Gründe dafür hätte. Wahrscheinlich hat das was mit Catherine, ihrer Tochter, zu tun. Catherine weiß, wie es in meiner Familie zugeht und was mein Vater sich für mich vorgestellt hat. Solange es nicht verboten ist, mich einfach von A nach B zu schicken, habe ich keine Probleme. Allerdings will Madame Faucon dafür was zurückhaben. Sie will mir Intensivtraining geben und hofft darauf, daß ich weiterhin so gut in der Schule mitarbeite."
"Oma Jane hat mich auch gefragt, ob du nicht zu ihr kommen wolltest, falls "Bläänch" dich nicht wieder zu sich holen würde", grinste Gloria.
"Nett. Aber ich bleibe ja nur die Sommerferien von Beauxbatons dort. Die gehen bis zum 20. August."
"Oh, dann kannst du doch noch zu unserem Tanzabend am 25. August", freute sich Gloria.
Julius nickte und verabschiedete sich von den beiden Mädchen, um zu Bett zu gehen.
Julius erzählte Kevin und Fredo, daß er am nächsten Morgen nicht mit ihnen im Zug fahren würde. Kevin beglückwünschte ihn.
"Dann kannst du mir schreiben, wie der Innerttralisatus-Zauber sich anfühlt."
"Yep, mach ich", erwiderte Julius. Fredo fragte, was das sei, der Innerttralisatus-Zauber. Kevin erklärte es ihm, wie man besonders schnelle Besen und Zauberfahrzeuge so bezaubern konnte, daß man auf oder in ihnen nichts bis wenig von Beschleunigungen und Fliehkräften spürte.
"Ich gehe davon aus, daß die Beauxbatons-Kutsche zu hundert Prozent innerttralisiert ist wie ein utopisches Weltraumschiff."
"Wollen wir eine Wette darauf abschließen?" Fragte Kevin.
"Das geht nicht, Kevin. Weil ja dann Aussage gegen Aussage steht. Wenn ich sagte, daß die Kutsche so bezaubert wurde, daß du absolut nichts darin spürst, wenn sie sich in eine Kurve legt oder mit hohem Tempo steigt oder fällt, kannst du nicht nachprüfen, ob das nicht doch zu spüren ist. Lassen wir es also!"
"Stimmt, hast recht", erwiderte Kevin. Dann bot er eine neue Wette an.
"Wette, daß du dieses Jahr keinen der drei kleinen Zaubererhüte beim Schachturnier gewinnst?"
"Gut, das läßt sich nachprüfen. Ich halte dagegen und wette, daß ich mindestens den bronzenen Zaubererhut gewinne. Habe ich recht, gibt es zwei Schokofrösche für jede erreichte Gewinnstufe. Liege ich falsch, kriegst du sechs Schokofrösche."
"Top, die Wette gilt!" Sagte Kevin und schlug ein.