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Julius Andrews - Auf seinem Weg in die Zaubererwelt von Thorsten Oberbossel

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"... In dieser Woche werden wir uns mit der Verhexung von Gegenständen und Räumen beschäftigen. Da dieses Feld sehr umfangreich ist, werden wir uns damit bis zum 23. Juli befassen", begann Madame Faucon am Montag der zweiten Ferienwoche den freiwilligen Unterricht in der Abwehr dunkler Künste. Dabei sah sie Dorian Dimanche und dessen Schulfreundin Elisa an und fügte noch hinzu:

"Hierbei ist Intelligenz wichtiger als Grundkraft und schnelle Reaktion. Jenen unter Ihnen, die meinen, in der letzten Woche zu kurz gekommen zu sein, können sich hier besonders gut auszeichnen."

"Nett!" Flüsterte Dorian Elisa zu, die nickte. Madame Faucon überging diesen Einwurf mit der Berufsmäßigkeit einer langjährigen Lehrerin und legte jedem zwei Bögen Pergament auf den Tisch. Die Pergamentbögen enthielten Stichwörter und kleine Rahmen, in die etwas hineingeschrieben werden konnte.

"Die Stichwörter auf den ersten Seiten sind dazu da, alles in Ihr gedächtnis zu rufen, was sie zu diesen Begriffen gehört, gelesen oder bei mir schon erlernt haben. Bitte füllen Sie die Felder neben den Stichwörtern aus, soweit Sie dies können. Ich benote die Aufgabe nicht, sondern möchte nur erfahren, wer wie weit informiert ist, um im Bedarfsfall auf Einzelbedürfnisse einzugehen. Ich lasse Ihnen zwanzig Minuten Zeit. Jeder arbeitet bitte für sich allein!"

Leise und konzentriert arbeiteten die acht Ferienschüler. Julius, der die Stichwortliste mit Einträgen in einem Buch über Abwehrzauber verglich, welches ihm Madame Faucon ein Jahr zuvor zum Geburtstag geschenkt hatte, überlegte, was er dazu schreiben sollte. Dann fing er an, zu den Stichwörtern kurze Beschreibungen oder Unterbegriffe zu notieren.

"Stationäre Flüche", war das erste Stichwort, zu dem er niederschrieb:

"Stationäre Flüche sind schwarzmagische Erscheinungsformen, die fest mit einem Ort, einem Gebäude oder einem Naturobjekt (Baum, Stein, Gewässer) verbunden werden, wodurch diese Orte oder festen Objekte auf Lebewesen die schädliche Magie ausüben, die der oder die Zauberer aufgerufen hat beziehungsweise haben. Beispiele sind der dunkle Steinkreis Dairons vom Düsterwald in Nordengland oder das Haus der klagenden Seelen in Südspanien."

"Dunkle Objekte", war das nächste Stichwort, zu dem Julius nur schrieb, daß das Gegenstände waren, die mit einem starken Fluch belegt waren, der ihnen ein gewisses Eigenleben verlieh, um genug Opfer zu finden. Da im weiteren noch unterschieden wurde zwischen "gleichbleibenden Objektverfluchungen" und "animierten dunklen Objekten" schrieb er zu den verfluchten Gegenständen in die entsprechenden Felder etwas hinein, was ihm spontan einfiel. Zum Stichwort "Dunkle Verkehrung" schrieb er, daß es sich dabei um ursprünglich gutartige, ja heilende, schützende oder reinigende Zauber handelte, die jedoch durch einen bestimmten Umstand genau das Gegenteil dessen bewirkten, wozu sie ursprünglich gedacht waren. So konnte durch die Beimischung verbotener Substanzen, wie Menschen- oder Einhornblut, sowie Teile, die durch Gewalt errungen wurden, ein Schutzbann zu einer tödlichen Falle werden, ein Körperschutzzauber den, der damit in Berührung geriet langsam töten, sowie ein Hilfszauber, der Unheil und Unglück anzog, wenn eine bestimmte verbotene Handlung bei seiner Schöpfung vollzogen wurde.

Als er mit allen Stichwörtern durch war zählte er in einem dafür freien Feld noch Beispiele ihm bekannter verfluchter Objekte oder Orte auf, von denen er in den Zauberbüchern gelesen hatte. Dann war er fertig und lehnte sich zurück. Er sah, daß Jeanne und Seraphine noch etwas notierten, dann aber auch die Federn in die Halter zurücksteckten und auf das Ende der angesetzten Arbeitszeit warteten. Dorian und Elisa hingen noch über ihren Pergamenten, wobei Elisa etwas entspannter wirkte als Dorian. Claire schien im Moment nichts mehr niederschreiben zu können und saß ruhig auf ihrem Platz, während Caro zwischendurch immer wieder mit ihren Fingern durch ihr brünettes Haar strich und offenbar nachdenken mußte, was sie noch niederschreiben konnte. Virginie schien zu überlegen, ob sie nicht noch einen weiteren Pergamentbogen hervorholen und darauf weiterschreiben sollte. Doch offenbar fand sie sich damit ab, nur diesen einen Bogen beschreiben zu können.

Julius nahm den zweiten Pergamentbogen und betrachtete ihn. Er war völlig leer. Entweder sollte er darauf weiterschreiben, oder das Pergament enthielt eine Geheimschrift. Der Hogwarts-Schüler nahm seine Feder und versuchte, auf das Pergament zu schreiben. Doch weder Feder noch Tinte konnten das Pergament berühren. Es schien so, als sei im Pergament ein Magnet, der einen gegensätzlich gepolten Magneten in der Feder abstieß. Madame Faucon sah dem Gast aus England zu und nickte ihm, sowie Virginie und Seraphine zu. Offenbar hatten die beiden älteren Mädchen auch versucht, den zweiten Pergamentbogen zu beschreiben und es nicht geschafft.

Als die angesetzte Zeit vorbei war, sammelte Madame Faucon die Pergamente mit dem Aufrufezauber ein. "Accio Stichwortpergamente!"

"Was hat es mit den zweiten Bögen auf sich, Madame?" Fragte Seraphine neugierig. Die Lehrerin sagte:

"Ich möchte erst lesen, was jeder geschrieben hat. Dann erkläre ich alles."

Julius fischte nach seiner Tasche, in die er alle kleinen Zaubergegenstände gepackt hatte, von der Phiole mit dem Goldblütenhonig, über das Vielzwecktaschenmesser, das Trimax-Vergrößerungsglas, wie das Nachtsichtglas bis zum Enthüller, einem roten Radiergummi, der die Kraft besaß, unsichtbare Schrift sichtbar zu machen, wenn er über damit beschriebenes Papier oder Pergament gerieben wurde. Den Enthüller nahm Julius heraus und hielt ihn über den zweiten Pergamentbogen. Unvermittelt wurde das kleine Zauberding in seiner Hand so heiß und zitterte, als wirbele es in einem brodelnden Kessel herum. Julius konnte es fast nicht mehr halten und gerade noch vom Pergament fortziehen. Madame Faucon sah ihn mit einem teils mitleidsvollen, teils belustigten Blick an und kam herüber.

"Ist das ein Prazap-Enthüller?"

"Öhm, ja, Madame", erwiderte Julius leicht verunsichert.

"Für einfache Schreibzauber zwar gut geeignet, aber nicht für magisch vorbehandelte Pergamente. Ihr Gastvater hat schon vor einem Jahr im internationalen Zauberkunsthandwerksblatt veröffentlicht, daß dieses kleine Hilfsmittel gegen verfluchte und mit Schreibsperren gesicherte Unterlagen nicht anwendbar ist. Es kann dabei zu magischen Nebenwirkungen kommen, die in der Zerstörung des Hilfsmittels oder der Unterlage enden kann."

"Das stand aber nicht in der Gebrauchsanweisung", widersprach Julius.

"Weil sie natürlich nicht zugeben können, daß es magische Schriftstücke gibt, die sich damit nicht entziffern lassen", erwiderte Madame Faucon.

Es dauerte noch einige Minuten, bis die Lehrerin die beschriebenen Pergamente geprüft hatte. Dann wandte sie sich an die Ferienklasse.

"Mesdemoiselles und Messieurs, wie zu erwarten stand haben Sie alle unterschiedliche Kenntnisse im Bereich der Stationären Flüche und ihrer Erkennung und Abwehr. Von den zwei Ältesten unter Ihnen abgesehen haben Mademoiselle Delamontagne und Monsieur Andrews die meisten Stichwörter umfangreich bearbeitet. Somit kann ich für den Verlauf der weiteren Unterrichtseinheit zwei Gruppen einteilen, die mit unterschiedlichen Herausforderungen zu tun bekommen werden. Die eine Gruppe wird von Mademoiselle Jeanne Dusoleil, Mademoiselle Seraphine Lagrange, Mademoiselle Delamontagne und Monsieur Andrews gebildet. Die zweite Gruppe setzt sich aus den verbliebenen Teilnehmern zusammen. Da wir das Thema der Objektverfluchungen über zwei Wochen behandeln, kann ich beruhigt zwei Tageseinteilungen machen. Die Gruppe eins kommt morgen, Donnerstag, nächsten Montag, Mittwoch und Freitag zu mir, die Gruppe zwei diesen Mittwoch, Freitag, nächsten Dienstag und Donnerstag."

Die Ferienschüler sahen sich verwundert an, dann jedoch kehrte Ruhe ein. Es war jedem klar, daß bei so vielen unterschiedlich weiten Zauberschülern irgendwann sowas nötig werden konnte. Julius fragte sich nur, ob er nicht besser bei der zweiten Gruppe aufgehoben wäre. Doch laut wagte er diese Frage nicht zu stellen.

Nach dieser Ankündigung erklärte Madame Faucon, was es mit den leeren Pergamentbögen auf sich habe. Sie nahm Seraphines Pergament und legte es vor sich hin. Dann nahm sie ihren Zauberstab und bewegte ihn in einem Achteck im Uhrzeigersinn über das Pergament. Unvermittelt glühte der leere Zettel in einem orangeroten Licht auf. Eine merkwürdige Sphärenmusik erklang aus dem Pergament, sowie eine sanfte Stimme, die der Madame Faucons entsprach, nur süß und schwebend den Raum erfüllte.

"Wem du die Treu geschworen, dem sei ab jetzt verloren! - Wem du die Treu geschworen, dem sei ab jetzt verloren!" Sang die Stimme beschwörend aber leise. Mit jeder Wiederholung stieg sie den Schülern wie berauschender Dunst ins Gehirn, bis Madame Faucon den Zauberstab mit einer schnellen Bewegung über das Pergament schlug und "sit deletum Maledictum!" über die magische Stimme hinwegrief. Unverzüglich schossen grüne Funken aus dem Zauberstab, wurden zu grünen Flammen, die auf dem Pergament tanzten, dessen magische Glut und Stimme verflog, wie zurückgedreht. Die Flammen erfassten das Pergament, zerstörten es jedoch nicht. Von den Funken aus dem Zauberstab gespeist züngelten sie wie grüne Irrlichter vom bezauberten Pergamentstück nach oben und zu den Seiten, bis sie urplötzlich erloschen, ohne Funken, ohne Rauch, ohne Ruß. Das Pergament blieb unversehrt auf dem Tisch liegen.

"Dies ist einer der einfachsten Entfluchungszauber, die Sie lernen können. Allerdings muß vorher Art und Stärke des Fluches bekannt sein, um ihn vortrefflich wirken zu können. Denn die Reaktion, die Sie alle beobachtet haben, ist einmalig. Ich habe jedes Pergament mit einem mittelstarken Abneigungsfluch behext, der, wenn er ausgelöst wird, jeden, der dieses Stück Pergament besitzt, zu immer mehr Ungehorsam und schließlich zu abgrundtiefem Haß anregt. Allerdings wirkt dieser Fluch nicht auf wache Bewußtseine. Die Musik und die Stimme, die Sie hörten, wirken ohne den Fluchenthüller nur auf die unterbewußten Regionen des Verstandes und vergiften ihn über die Träume. Wahrscheinlich haben Sie alle bemerkt, wie sich die beschwörende Stimme immer mehr in Ihr Bewußtsein eingeschlichen hat. Das ist die Gefahr, wenn man Fluchenthüller benutzt. Ein Fluch, der still und ohne die Sinne zu beeinflussen wirkt, kann dadurch, das man ihn zwingt, sich der direkten Wahrnehmung zu offenbaren, ungeahnte Auswirkungen haben", erklärte Madame Faucon und sah Julius an.

"Monsieur Andrews hat versucht, mit einem magischen Enthüller dieses Pergament zu entziffern, was mißlang. Denn die Runen und Symbole, die ich zur Anheftung des Fluches aufschrieb, wurden bei der Behexung unsichtbar, aktivierten jedoch den schwarzen Zauber. Eine Enthüllung war von da an nicht mehr möglich, weil Symbole und Zauber sich gegenseitig stärkten. Ein magischer Enthüller wirkt wie der Discovobscurus-Zauber, der unsichtbare Dinge und Wesen für eine kurze Zeit sichtbar machen kann. Da es aber zu vielen Flüchen gehört, daß sie mit festlegenden Symbolen verbunden sind, die unsichtbar bleiben müssen, kommt es zu einer Abwehrreaktion. Es gibt jedoch auch Flüche, die mit geschriebenen Symbolen verbunden sind, jedoch keine solche Abwehrreaktion auf einen Enthüller ausüben, da die geschriebenen Zeichen nicht im Pergament verbleiben müssen und daher tatsächlich nicht mehr vorhanden sind. Aber das kriegen wir später noch genauer, wenngleich ich mich über das Wie nicht verbreiten werde, sondern nur über das Erkennen und beseitigen solcher dunkler Zaubereien."

Madame Faucon sammelte alle Pergamente ein und warf sie in ein Messingbecken, in das sie ein magisches Feuer hineinbeschwor. In einem Wirbel roter und blauer Flammen zerfielen die Pergamente zu Asche.

"Bei brennbaren Gegenständen ist Feuer, wenn nicht durch Zusatzzauber abgewehrt, das wirksamste Entfluchungsmittel. Sicher verbrennen Gegenstände dabei, aber die Auswirkungen der dunklen Macht bleiben aus, was bei einer nicht zu erkennenden Verfluchung und deren zielgenauer Beseitigung die beste Lösung ist", erläuterte Madame Faucon weiter. Dann reichte sie den Ferienschülern die ersten Pergamentseiten zurück und ging mit ihnen die Stichwörter durch. So verstrich der Ferienunterrichtstag mit mehr Theorie, weil sich alle noch etwas dazu aufschreiben mußten, was sie nicht schon auf die Pergamentseiten geschrieben hatten. Ziemlich erschöpft kehrten die freiwilligen Nachhilfeschüler am Mittag zu ihren Wohnhäusern zurück.

"Dann werde ich morgen früh wohl allein sein, wenn Jeanne und du zu Madame Faucon geht", stellte Claire Dusoleil fest, als sie wieder vor ihrem Elternhaus gelandet waren. Julius meinte dazu nur:

"Ich hätte dieses Buch nicht so gründlich lesen sollen. Irgendwie komme ich mir vor wie ein Streber, der es darauf angelegt hat, eine Klasse zu überspringen, aber nicht da landet, wo er hinwollte."

"Das war irgendwann zu erwarten, Claire, daß die uns in Gruppen aufteilt. Das du bei uns mitmachst, Julius, solltest du als Vorteil sehen. Immerhin hast du ihr gezeigt, daß du dich soweit auskennst, daß du nicht so schnell auf einen echten Fluch eines richtig bösen Magiers hereinfallen wirst. Außerdem ist es dein Glück, daß du gezeigt hast, wie gründlich du dieses Buch gelesen hast, denn sonst wäre Madame Faucon von dir enttäuscht gewesen und hätte dir Zusatzaufgaben aufgehalst", warf Jeanne ein.

Die erwachsenen Dusoleils wußten schon, daß Jeanne und Julius in einer eingeteilten Gruppe zusammenlernen sollten. Offenbar hatte Madame Faucon die Eltern der Ferienschüler informiert, was sie nun vorhatte. Madame Dusoleil sagte:

"Blanche hat dich bestimmt nicht in eine besonders gut vorgebildete Gruppe eingeteilt, weil du zu wenig weißt, Julius. Im diesem Themenbereich kann man vieles nicht so vielen Leuten auf einmal erklären, wenn man nur fünf Wochen Zeit hat. Da war das schon angebracht. Da sie dir ja ihr Standardbuch über Enthüllungszauber und Fluchabwehr, sowie Bannkreise geschenkt hat und genau wußte, daß du es gründlich lesen würdest, war sie auch zufrieden mit dir."

"Dann habe ich nun in den nächsten Wochen freie Tage. Was mache ich bloß damit?" Fragte Julius halblaut.

"Ausschlafen, dich entspannen und neue Kraft schöpfen", meinte Madame Dusoleil. Dann fügte sie noch mit einem Lächeln hinzu:

"Wenn du dich langweilen solltest, nehme ich dich gerne mit in die grüne Gasse oder besorge dir Eintrittskarten für den magischen Tierpark. Das ist alles kein Problem für mich."

"Hmm, mal sehen", erwiderte Julius, der daran dachte, vielleicht nicht nur lernen und lernen zu müssen, wenn er schon einmal Ferien hatte.

Der Nachmittag gehörte der Musik. Julius übte mit Mademoiselle Dusoleil, Jeanne, Claire und Denise mehrstimmige Lieder ein, während Monsieur Dusoleil und seine Frau auswärts arbeiten mußten. Dafür kümmerten sie sich nach ihrer Heimkehr um die Kinder, wobei Monsieur Dusoleil etwas erschöpfter aussah, als seine Frau. Julius traute sich nicht, ihm durch irgendwas zusätzliche Arbeit zu machen und hielt sich zurück, als Denise mit ihrem Vater und ihrer ältesten Schwester tobte. Madame Dusoleil unterhielt sich derweil mit Claire und Julius über Hogwarts. Claire fragte einmal:

"Hat Gloria Porter angenommen, sie müßte dich führen und ermutigen?"

"Hmm, kam das so rüber? - So in diese Richtung lief das."

"Das ist ja auch nicht gerade eine angenehme Situation, Claire. Wenn du irgendwo hinkämst, wo du dich absolut nicht auskennst, wärest du vielleicht froh, daß jemand da ist, der dir hilft", sagte Madame Dusoleil.

"Hat was für sich, Madame. Aber manchmal dachte ich, daß Gloria sich für mich verantwortlich fühlt, wie, ja wie eine große Schwester eben. Da ich sowas nicht habe, weiß ich nicht, ob das der richtige Vergleich ist. Aber so ähnlich stelle ich mir das vor."

"Dann ist sie also nicht deine Freundin?" Hakte Claire nach.

"Doch natürlich, Claire. Aber vielleicht verstehe ich unter Freundschaft was anderes als du."

"Heh, was soll das denn?" brauste Claire auf. "Was soll ich denn da anders verstehen?"

"Das zwischen zwei Jungs andere Freundschaften bestehen als zwischen zwei Mädchen und zwischen einem Jungen und einem Mädchen", sagte Julius ganz ruhig.

"Dieser Kevin, von dem Jeanne und du erzählt und geschrieben habt, ist wohl ein richtig guter Freund von dir, nicht wahr?" Wollte Madame Dusoleil wissen. Ihr Gast nickte und grinste.

"Irgendwie beneide ich ihn darum, daß er so direkt und energievoll ist. So wie er noch ist, war ich vor zwei Jahren das letzte Mal, kurz bevor ich in Hogwarts eingeschult wurde. Aber dieser ganze Krempel mit der neuen Schule, der neuen Welt hat mich doch irgendwie einen Gang zurückschalten lassen. Damit meine ich, daß ich bei der Einschulung in Hogwarts lieber gar nichts gesagt oder getan habe, als etwas falsches zu tun oder zu sagen, um dann als "blöder Muggel" abgefertigt zu werden."

"Jaja, und deine Eltern haben ihr übriges beigetragen, dich möglichst schnell möglichst erwachsen zu machen", meinte Madame Dusoleil etwas mitleidsvoll. Claire sagte sofort darauf:

"Außerdem hast du noch sehr viel mehr Schwung, als ein paar andere Leute aus meiner Klasse, selbst wenn du meinst, nichts verkehrt machen oder auffallen zu dürfen. Ich glaube auch nicht, daß du so viel Angst davor hast, was falsch zu machen. Immerhin hast du dich mit Sachen beschäftigt, die du vorher nicht konntest und das vor anderen Leuten gezeigt. Dazu gehört Mut."

"Mag sein, Claire", erwiderte Julius, der dem bald dreizehnjährigen Mädchen nicht so ohne weiteres rechtgeben wollte, obwohl er das dachte.

"Aber nun, da du eine Woche hier bei uns bist, hast du ja wohl nicht mehr solche Angst, etwas verkehrt machen zu können, oder?"

"Hmm, das will ich besser nicht ausprobieren, ob ich das raushabe, was ich bei Ihnen verkehrtmachen darf oder nicht, Madame. Dann könnten Sie auf die Idee kommen, mich von hier wegzuschicken, am besten nach England zurück. Im Moment fühle ich mich hier zu wohl, um das auszuprobieren."

"Du bist noch lange genug hier, Julius. Nur weil hier mehr junge Mädchen herumlaufen, mußt du dich nicht künstlich zurücknehmen, solange das, was du machst, keinen schädigt", sprach die Hausherrin.

"Nur Fehler fördern Fortschritte, sagt Professeur Pallas, unsere Geschichtslehrerin. Wenn jemand meint, nichts verkehrtes tun zu dürfen, darf er gar nichts tun", wandte Claire ein. Danach unterhielten sie sich über Julius' weitere Erlebnisse vor Hogwarts.

Irgendwann war es Monsieur Dusoleil leid, und er schickte seine jüngste Tochter zu Bett. Quängelnd verzog sich Denise mit Jeanne ins Haus, während Monsieur Dusoleil sich auf einen Gartenstuhl setzte und die Sommerabendluft genoß.

So um zehn Uhr herum gingen auch Claire und Julius ins Haus und machten sich bettfertig. Der Hogwarts-Schüler dachte daran, wieso die Dusoleils ihn so anstacheln wollten, seine frühere Wildheit zurückzugewinnen, wo Madame Faucon im letzten Jahr genau andersherum vorgegangen war. Offenbar meinten sie, ihn aus irgendwelchen eingetrimmten Sachen heraushelfen zu müssen. Nun, eines stimmte wirklich: Er hatte verlernt, herumzupoltern, wie es vor Hogwarts seine Natur war.

Am nächsten Tag flogen Jeanne und er auf ihren Besen zum Unterricht, wo sie sich mit Seraphine und Virginie trafen. Professeur Faucon prüfte, wie gut sie alle bezauberte Gegenstände erkennen konnten und hatte an niemandem etwas zu bemängeln. Denn wie die älteren Mädchen beherrschte Julius den Zauberfinder Monstrato Incantatem, der bei Aufruf einen bläulich-roten Lichtkegel aus dem Zauberstab erscheinen ließ, der jeden bezauberten Gegenstand, den er traf, in einem rotgoldenen Licht erstrahlen ließ, daß die Form des entsprechenden Objektes besaß, nur größer erschien. Sie lernten auch, daß dieser Zauber, der wie das Licht eines entzündeten Zauberstabes beendet wurde, auch magische Felder erkennbar machte. Julius hätte fast verraten, daß er damit die Alterslinie um den Feuerkelch erleuchtet hatte, als die Bewerber dort ihre Zettel für das trimagische Turnier einwerfen konnten.

Die nächsten Stunden vergingen mit der genaueren Bestimmung von Zaubern und magischen Sperren, Flüchen und Schutzbannen. Hier konnte Julius endlich in der Praxis ausprobieren, was er nur aus dem Buch der Lehrerin kannte.

Nach der großen Pause, in der sich die vier Ferienschüler mit Kaffee, Kakao und kleinen Brötchen stärkten, wurde es etwas heftiger. Julius mußte versuchen, einen Panikfluch zu bekämpfen, der auf ein Sofa gelegt worden war. Er schaffte dies dadurch, daß er erst einmal nachsah, welcher Gegenstand bezaubert war, dann eine einfache Erkennung eines Fluches ausprobierte und schließlich einen Zauberspruch sprach, der gegen dunkle Kräfte, die auf die Gefühle einwirkten kämpfte. Das Sofa wackelte heftig, als aus Julius' Zauberstab ein blauer Lichtblitz schoss. Dann hob es für einen winzigen Moment ab und krachte auf den Boden zurück. Julius prüfte, ob der Zauber gewirkt hatte und fand ein völlig unbezaubertes Sofa im bläulich-roten Lichtstrahl des Zauberfinders.

Jeanne und Seraphine bekamen schon schwerere Flüche, die sie von bezauberten Objekten lösen mußten, was nicht so einfach ging, da manche der Behexungen eine Art Eigenleben besaßen, welches sie zum Widerstand anregte, was in einem magischen Feuerwerk aus bunten Lichtblitzen und Rauchwolken ausartete, bis die verzauberten Sachen völlig harmlos waren. So verstrich dieser Unterrichtstag, bei dem Virginie und Julius schon mehr gelernt hatten, als vergleichbare Schüler der dritten Klasse in Hogwarts. Als sie nach Hause flogen, unterhielten sie sich noch über die eindrucksvollen Versuche. Virginie sprach zu Julius:

"Was du heute geschafft hast, können bei uns in Beauxbatons erst die Viertklässler. Der Zauberfinder ist nämlich nicht so einfach aufrecht zu halten. Wenn er ein magisches Objekt trifft, kann er erlöschen, wenn nicht eine starke Magie hinter ihm steht. Du bist also bei uns richtig aufgehoben."

"Das wird er dir selbst dann noch nicht glauben, wenn uns Professeur Faucon mit gefährlichen Dämonen konfrontiert und er sie locker aus dem Handgelenk zurücktreiben kann", warf Jeanne ein, die auf ihrem Ganymed 8 hinter Virginie und Julius herflog.

"Das wurde alles im letzten Jahr geklärt, Jeanne", sagte Julius nur. "Warum ich das tun kann und wie weit ich damit schon komme."

"Sonst hätte dich Professeur McGonagall bestimmt nicht die Verwandlungsprüfungen der Viertklässler machen lassen und Moodys Flüche wären nicht alle von dir abgeglitten. Ich weiß das schließlich alles, Monsieur Andrews."

"Maman sagt auch, daß du wahrscheinlich durch deine hohe Grundkraft locker eine Klasse überspringen könntest, wenn dir wer das Wissen vermitteln würde, daß du dafür brauchst. Prudence hat ausgeplaudert, daß du wohl schon in deiner ersten Verwandlungsstunde etwas aus Versehen perfekt hinbekommen hast. Das hängt wohl mit deiner Mentalinitiatorgabe zusammen", fügte Virginie hinzu. Der Hogwarts-Schüler wußte nicht, was er dazu noch sagen sollte. Ihm war das immer noch peinlich, daß er stärker war, als die übrigen Junghexen und -zauberer in Hogwarts.

Am Nachmittag holte ihn Madame Matine bei den Dusoleils ab. Sie nahm ihn auf ihrem behäbigen aber leistungsfähigen Transportbesen mit zu ihrem Wohn- und Behandlungshaus. Als sie dort eingetroffen waren, fragte sie Julius zunächst verschiedene Heiltrankrezepte ab und forderte ihn auf, Behandlungsmaßnahmen zu nennen, die gegen bestimmte leichte Erkrankungen bekannt waren. Als Julius neun von zehn Aufgaben korrekt hinbekommen hatte, fragte Madame Matine:

"Was für eine Note hast du dieses Jahr in Zaubertränke bekommen?"

"Hmm, 'ne glatte Zwei, Madame."

"Verstehe ich nicht. Wer gibt denn bei euch Zaubertränke?"

"Professor Severus Snape, Madame", erwiderte Julius im Bewußtsein, damit eine umfassende Erklärung abgeliefert zu haben. Dies stimmte auch, wie er an Madame Matines Gesicht ablesen konnte.

"Der mag keine jungen Experten, besonders nicht, wenn sie nicht wie er in Slytherin waren. Mir sind über dieses Schulhaus in Hogwarts nicht gerade empfehlenswerte Dinge bekanntgemacht worden, Julius. Aber das wirst du wohl mittlerweile auch schon wissen."

"Ich fürchte, zu gut", erwiderte Julius mit Unbehagen in der Stimme.

"Da du offenbar die meisten einfachen Rezepturen und schon einige wichtige mittelschwere Gebräue auswendig kennst, fangen wir mit einfachen Zaubern an, um leichte Wunden zu heilen oder gebrochene Knochen zu schienen", legte Madame Matine fest.

Julius fragte sie, ob sie ihm denn die Erlaubnis erteilen dürfe, zu zaubern, worauf sie antwortete:

"Zumindest in Frankreich darf ich im Rahmen eines angemeldeten Erstehilfekurses minderjährigen Hexen und Zauberern erlauben, außerhalb der Schule zu zaubern. Da ich sowohl mit dem französischen als auch mit dem englischen Zaubereiministerium, genauer der Abteilung magischer Gesundheitsüberwachung und Pflege deinetwegen Eulenpost ausgetauscht habe, kann ich dir verbindlich versichern, daß du dich nicht gegen die Zaubereibeschränkung Minderjähriger vergehst. Beschränkung heißt ja auch, daß Art und Umfang einer Sache genau festgelegt und nicht frei und ohne Überprüfung stattfinden, daher selten vorkommen, aber kein ausdrückliches Verbot besteht. Aber es freut mich, daß du alles hinterfragst. Das ist besser, als bedenkenlos an eine Sache heranzugehen."

Madame Matine führte Julius vor, wie man einen gebrochenen Arm oder ein Bein schienen konnte. Er ahmte es an ihrem rechten Arm nach. Danach schnitt sie ihm mit einem kleinen Messer kurz in den Arm, daß es blutete. Sie wartete fünf Sekunden, bevor sie den Zauberstab über die Wunde hielt und "Injuriclausa" murmelte. Unvermittelt hörte die Blutung auf. Mit einer direkt folgenden Kreisbewegung des Zauberstabes ließ sie die Wunde ohne Rückstand zuheilen. Dann tupfte sie mit einem in einer nach hochprozentigem Alkohol riechenden Wattebausch die Stelle von Blut frei. Danach versetzte sie sich selbst einen Schnitt, und Julius mußte dieselben Zauber bewirken, was ihm zwar gelang, aber nicht so schnell zur Wundheilung führte, wie Madame Matines Zauber.

"Du bist ein Ruster-Simonowsky-Zauberer, habe ich erfahren. Deine Grundkraft ist sehr hoch ausgeprägt. Aber nicht immer genügt es, einen Zauber zu wissen, sondern man muß ihn mindestens einmal oder mehrmals durchgeführt haben", erklärte Madame Matine. Dann erläuterte sie Julius, wie man Entzündungen durch Zauberei stoppte und einfache Verbrennungen heilen konnte, ohne eine Brandsalbe zur Hand zu haben. Sie stellte jedoch klar, daß dieser Brandwundenzauber nur bei leichten Verbrennungen funktionierte und nicht bei schwereren Verbrennungen. Anhand von Bildern zeigte sie ihm, wie leichte von schweren Verbrennungen zu unterscheiden waren und verlangte von ihm, sich die sichtbaren Merkmale dieser Verletzungen zu notieren. Hinzu erläuterte sie noch, wie er ein Brandopfer ohne magische Salben behandeln mußte, bevor ein Heilkundiger zur Stelle war. Sie sagte:

"Wenn du jemanden mit schweren Verletzungen findest, sorge erst dafür, daß ein Unfallopfer ruhig und stabil liegt. Wie das geht, hast du mir ja schon eben verraten. Hierzu solltest du erst sicherstellen, daß das Genick fixiert also so geschient ist, daß der Kopf nicht verrutschen kann, aber ohne den Patienten zu erdrosseln. Aber das kriegen wir noch. Wenn das alles erledigt ist, rufe schnell einen Heilkundigen. Die sind meistens zur Apparition fähig und kommen sofort herbei."

"Wie soll ich die rufen? Ich habe das noch nie gehört, wie man das macht. Aurora Dawns Heilsalbenbuch bezieht sich auf alltägliche Verletzungen und Krankheiten."

"Na klar, deine Muggeleltern konnten dir sowas nicht beibringen", gab Madame Matine mitleidsvoll zur Antwort. Dann hob sie ihren Zauberstab so, daß er senkrecht über ihrem Kopf aufgerichtet war. Sie ließ ihn einmal linksherum und einmal rechtsherum im Kreis drehen und rief: "Advoco Medicum!" Darauf schoss aus dem Zauberstab eine goldrote Lichtfontäne, die aufstieg, sich unter der Zimmerdecke zu einer gleißenden Spirale formte und sich von innen nach außen mit rasender Geschwindigkeit ausbreitete, bis die Lichtarme der Spirale gegen die Wände trafen und in harmlosen Funken zerstoben.

"Du siehst, es ist einfach, aber auch nur im freien wirklich erfolgreich. Die Spirale ist ein magisches Rufsignal, das in alle Himmelsrichtungen getragen wird. Heiler wie ich tragen immer ein besonderes Zauberarmband am rechten Arm, das von diesem Rufsignal ausgelöst wird. Wenn du jetzt fragst, ob Muggel dieses Rufsignal sehen können, lautet die Antwort: Muggel wie Zauberer können es nicht sehen, sobald die Lichtspirale zehn Zauberstablängen breit ist. Nur in umittelbarer Nähe des Rufers können Zauberer diese Leuchterscheinung erkennen. Muggel sehen nur den kurzen Lichtstrahl, der aus dem Zauberstab kommt, aber mehr nicht. Da der Lichtstoß nur eine Sekunde dauert, bevor sich die Spirale ausbreitet, ist das Rufen eines Heilmagiers relativ ungefährlich für die Geheimhaltung, zumal an Plätzen, wo viele Muggel bekannt sind, auch Leute vom magischen Unfallumkehrkommando auftauchen, um die Erinnerung der Muggelzeugen zu modifizieren. Dies nur für den Fall, daß du einem Kameraden Hilfe holen mußt, wenn du an Muggelplätzen bist. Das sage ich dir deshalb, weil mehrere Zauberer gestorben sind, die ein schnell herbeigerufener Heilmagier ohne Probleme hätte retten können, nur weil deren Anverwandte oder Freunde Angst vor der Entdeckung durch Muggel hatten."

"Wie bekommen Sie denn mit, wo der Notruf, so heißt es bei den Muggeln, wenn sie einen Notarzt oder die Feuerwehr über Telefon rufen, herkommt?"

"Im Armband sind für jede Himmelsrichtung besondere Edelsteine und magische Symbole eingearbeitet. Wo immer der magische Notruf - so heißt es auch bei uns - herkommt, die bestimmten Steine reagieren zuerst. Ich muß nur sicherstellen, daß die Lage der Steine an meinem Arm so gesichert ist, daß ich spüren kann, welche Steine reagieren. Hat dir Mademoiselle Dawn oder Madame Pomfrey dieses Zauberarmband nie gezeigt?"

"Bis jetzt noch nicht", gestand Julius ein.

"Das macht nichts. Jetzt weißt du auf jeden Fall, wie bei uns ein Heilmagier herbeigerufen wird. Was die Reichweite angeht, so liegt sie bei 1120 Kilometer oder 700 eurer Meilen. In diesem großen Halbmesser leben mindestens zwei Heilmagier, solange du dich auf europäischem oder amerikanischem Boden aufhältst. In Afrika und Australien kommt in dieser Reichweite wohl nur ein Heilmagier vor, in Asien sind es dagegen derer drei im Durchschnitt."

"Moment, dann dürfte Aurora Dawn ja nicht aus Australien fortgehen, weil jemand sie rufen könnte und dann keiner da ist", bemerkte Julius.

"O doch, das darf sie schon, wenn sie jemanden kennt, der für sie einspringen kann. Sie ist ja nicht die einzige Heilhexe Australiens."

"Aja", machte Julius nur anerkennend.

Nach dieser kurzen Erläuterung fragte Madame Matine ihren Schüler noch aus, was er von den Organen und dem Skelett wußte. Julius, der ja keinen Arzt in der Familie hatte, konnte nur mit dem Wissen aufwarten, das er sich aus allgemeinen Biologiebüchern angelesen oder in Dokumentarfilmen im Fernsehen angesehen hatte. Als Madame Matine ihn jedoch fragte, was er über die körperlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau wußte, konnte der Hogwarts-Schüler eine ganze Menge erzählen, was die Heilerin und Geburtshelferin nur noch staunen ließ. Sie fragte ihn so detailiert ab, daß Julius nicht wußte, was er jetzt schon wissen durfte und was noch nicht. Aber da die Hexe dies alles fragte, konnte er nicht einfach sagen, daß er das nicht erzählen dürfe und beantwortete die Fragen alle. Madame Matine fragte darauf nur:

"Wieso kamen deine Eltern auf die Idee, dir schon so früh so viel zu erzählen? Ich meine das nicht so, daß ich das nicht gutheißen würde, sondern nur, daß es mich wundert, daß ein Jungzauberer so früh schon solche Kenntnisse hat."

"Die Angst meines Vaters, jemand könnte mir etwas beibringen, ohne daß er die Gelegenheit bekommt, es mir so zu erklären, wie er meint, daß ich es wissen müßte. Meine Mutter hat ihm dabei geholfen. Außerdem laufen im Muggelfernsehen so viele Filme und Berichte, wo jeder Sechsjährige viel mehr mitkriegen kann, als was seine Eltern in diesem Alter mitbekommen konnten."

"Soso, Kinder werden mit der gesamten Problematik zugeschüttet, mit der sich selbst Erwachsene nicht so leicht auseinandersetzen können. Das ist offenbar anders gelaufen, als man es sich vorgestellt hat", erwiderte Madame Matine.

"Das sagt meine Mutter auch. Kinder, die noch nicht so weit entwickelt sind, daß sie eigene Erfahrungen machen können, werden damit zugeschüttet und plappern jeden Unsinn nach, der damit verbunden ist oder kriegen Probleme, weil Klassenkameraden, die meinen, noch mehr zu wissen, sich für besonders groß halten. Das ist so ähnlich, wie die Beherrschung von fortgeschrittenen Zaubern bei Schulanfängern in Hogwarts. Die, die schon viel rumgezaubert haben, tun wunders wie erwachsen vor denen, die alles erst lernen müssen."

"Bis der Körper in die entscheidende Entwicklungsphase eintritt. Du hast mir ja von den Hormonen erzählt, diesen Botenstoffen. Die kennen wir natürlich auch, allerdings immer in Kombination mit anderen Faktoren. Aber es ist auf jeden Fall beruhigend, daß du schon genug weißt, um abzuwägen, worauf du dich einlassen solltest und worauf nicht."

Am Ende der ersten Stunde brachte Madame Matine Julius zum Haus der Dusoleils zurück. Claire saß im Garten und schrieb gerade an ihrer Zauberkunsthausaufgabe. Ihr Vater saß dabei und half ihr wohl bei einigen Fragen. Als Julius vom Besen der Heilhexe stieg, legte sie die Feder beiseite und lief auf den Gast aus England zu.

"Hallo, Julius! War es anstrengend?" Begrüßte sie ihn. Dieser sagte nur:

"Für mich nicht. Wohl eher für Madame Matine."

"Frechdachs!" Schalt ihn die Heilmagierin. Dann begrüßte sie Claire und dann ihren Vater. Dann kam noch Jeanne aus dem Haus. Sie hatte wohl etwas wichtiges lesen müssen und wollte dabei nicht gestört werden. Sie sah Madame Matine und Julius und begrüßte erst die Heilhexe und dann den Gast aus England.

"Na, hast du schon viel gelernt, Julius?"

"Wir haben doch erst angefangen", erwiderte Julius schüchtern. Madame Matine meinte zu Jeanne und Monsieur Dusoleil:

"Ich habe heute erst das Grundwissen eures Sommergastes geprüft und mit wohlwollendem Erstaunen zur Kenntnis genommen, daß von diesem reichlich viel vorhanden ist."

"Das war uns schon bekannt", wandte Monsieur Dusoleil ein. "Offenbar hat Aurora Dawn ihm viel beibringen können."

"Nicht nur sie, Florymont. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, haben ihm seine Eltern auch viel beigebracht. Aber das vertiefen wir noch weiter", erwiderte Madame Matine. Dann verabschiedete sie sich von Julius und trug ihm auf, niederzuschreiben, was sie ihm über die Ersthilfezauber beigebracht hatte. Sie bestieg ihren Besen und flog davon.

"Soso, viel Grundwissen", meinte Jeanne lächelnd. "Etwas, was in ihren Spezialbereich hineinfällt?"

"Unter anderem", erwiderte Julius schnell.

"Was meinst du damit, Julius?" Fragte Claire lauernd.

"Das sie wissen wollte, ob ich weiß, wo die kleinen Kinder herkommen", erwiderte Julius.

"Dann kann sie dich ja bald verheiraten", gab Claire darauf zur Antwort. Julius, der mit sowas nicht gerechnet hatte, schluckte erst und sah dann schnell zu Monsieur Dusoleil hinüber. Dieser sagte nur:

"Ich kann ja die Renards fragen, ob Caro ja sagen würde, Claire."

Julius lachte befreit auf, daß er aus dieser Verlegenheit herauskam. Claire sah ihren Vater böse an, wagte jedoch nicht, irgendwas zu sagen.

Madame Dusoleil kehrte von einer Runde durch die Gärten Millemerveilles zurück und landete mit ihrem Arbeitsbesen auf der großen Wiese vor dem Wohnhaus. Sie erkundigte sich bei Julius, was er alles in der ersten Stunde gelernt hatte. Der Gast aus England erzählte, was er gelernt hatte, verschwieg der Familienmutter jedoch, was er Madame Matine bereits erzählt hatte. Das wurde ihm beim Kaffeetrinken im Garten von Jeanne abgenommen. Madame Dusoleil lächelte Julius an und fragte:

"Deshalb wollte die gute Madame Matine dich unterweisen, weil sie herausfinden wollte, wieviel du schon so gelernt hast."

"Immerhin wußte ich vorher nicht, wie das magische Notsignal beschworen wird", räumte Julius schnell ein.

"Das hätte dir Aurora bestimmt beigebracht, wenn du die Ferien bei ihr verbracht hättest. Ich werde mich nachher noch mal mit ihr unterhalten, wenn ich ihren Garten besorge. - Kuck nicht so verdutzt, Julius! Immerhin habe ich die Verantwortung für dich. Nachher passiert was, wo ich feststellen muß, daß sie dir Unsinn beigebracht hat."

Jeanne und Claire grinsten gehässig. Doch sie wagten nicht, etwas dazu zu bemerken.

Nach dem Kaffeetrinken spielte Julius gegen Monsieur Dusoleil Schach und gewann zweimal hintereinander. Mademoiselle Dusoleil sah ihren Bruder beschämt an und meinte mitleidig:

"Flory, wenn du so spielst bekommst du keine Gelegenheit, gegen mich im Turnier anzutreten."

"Bestimmt nicht, Uranie, weil du vorher wieder ausscheidest", entgegnete Monsieur Dusoleil gereizt.

"Bin ja mal gespannt, wie weit ich dieses Jahr komme. Jeanne und Barbara haben ja auch trainiert", traute sich Julius, in die verspielte Kabbelei der erwachsenen Geschwister reinzureden.

"Eleonore und Blanche werden nicht gleich im ersten Spiel gegen dich antreten, Bursche. Also wirst du mindestens ins Viertelfinale kommen, wenn du dich nicht absichtlich dumm anstellst", bedachte die Tante Jeannes und Claires diese Bemerkung des Hausgastes. Jeanne fühlte sich herausgefordert und fragte Julius, ob er gegen sie spielen mochte, was er annahm.

Eine Stunde später verlor Jeanne die zweite Partie hintereinander. Ihre Tante fragte, ob sie an ihrer Stelle spielen könne und begann eine Partie gegen Julius, die andauerte, bis Madame Dusoleil zurückkehrte, ein zufriedenes Grinsen auf dem Gesicht. Sie ging schweigend ins Haus und werkelte dort mit Geschirr und Töpfen herum. Julius beachtete es nicht weiter, weil er zu sehr auf die laufende Partie konzentriert war. Als die Abendessenszeit erreicht war, endete die Schachpartie mit einem knappen Sieg von Mademoiselle Dusoleil. Sie sagte zu Julius:

"Du hattest heute zu viel zu denken und ins Gedächtnis aufzunehmen. Ich gehe davon aus, daß die Partie sonst länger gedauert hätte."

"Ihr macht den Jungen noch fertig mit diesem kriegerischen Spiel", beklagte sich Madame Dusoleil, während sie durch Zauberei Geschirr und Schüsseln auf den Tisch stellte.

"Wer keine Ahnung von diesem Spiel hat, muß gerade tönen, Schwägerin", wehrte sich Mademoiselle Dusoleil gegen Camille Dusoleils Vorwurf.

Während des Abendessens berieten sich die Familienmitglieder mit ihrem Gast, wie der morgige Tag verlaufen könnte. Claire bedauerte, daß Julius nicht in ihrer Gruppe sei, sonst könne er sie zum Unterricht fliegen. Ihre Mutter stellte dazu nur fest:

"Dann kommst du endlich wieder zu eigener Flugpraxis, Kind. Immerhin hast du ja einen eigenen Besen, nicht wahr?"

"Ja, Maman", gab Claire kleinlaut zurück. Jeanne fragte, ob sie nicht morgen Quidditchübungen ohne richtiges Spiel machen könnten. Julius, der an und für sich einen ruhigeren Tag einlegen wollte, sagte nicht sofort zu. Seine Gastmutter schlug vor, ihm am nächsten Tag Pflanzen zu zeigen, die ihm in der dritten Klasse bestimmt im Unterricht begegnen würden. Julius nahm an. Jeanne grinste nur.

"Das braucht Julius, um die schlechte Geschichtsnote auszugleichen, Maman."

"Tochter, wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Immerhin hast du im Vergleich zu letztem Jahr eine Note verloren", rückte Monsieur Dusoleil die Verhältnisse zurecht. Jeanne lief rot an, räusperte sich verlegen und entgegnete:

"Du hast recht, Papa. Bei diesem Gespenst, das Geschichte der Zauberei lehrt, ist mir die Motivation abhandengekommen. Wird Zeit, daß ich wieder bei Professeur Pallas Unterricht habe."

"Die ist lebendig, oder?" Fragte Julius.

"Höchstlebendig", erwiderte Claire vergnügt grinsend. "Bei ihr lernst du nicht nur, sondern erlebst du auch Geschichte der Zauberei. Da eine schlechte Note zu bekommen, ist nicht so einfach, wenn auch nicht unmöglich."

Nach dem Abendessen nutzten Jeanne, Claire und Julius das restliche Sonnenlicht, um noch einige Hausaufgaben zu machen, bei denen sie von Mademoiselle Dusoleil beaufsichtigt wurden. Als die Sonne den Himmel in blutrotes Licht badete und unter den Horizont tauchte, beschwor die Tante von Jeanne und Claire Kerzen herauf, die warmes gelbes Licht über den Tisch warfen, sodaß die drei Halbwüchsigen noch etwas in der Sommerabendluft sitzen konnten. So erledigte Julius seine Hausaufgaben für Flitwick, der etwas über Gemütsändernde Zauber wissen wollte, sowie die Hausarbeit für McGonagall, die wissen wollte, wie man metallische Gegenstände verwandeln konnte, da Metalle sehr widerspenstige Materialien für Zauberei waren. Jeanne half Julius dabei, zu begründen, weshalb Blei leichter zu verwandeln war, während Gold so gut wie überhaupt nicht umgewandelt werden konnte. Dann war es auch schon Zeit, ins Bett zu gehen.

Am nächsten Tag führte Madame Dusoleil ihren Gast in der grünen Gasse, dem großen Zaubergarten in Millemerveilles, herum und erklärte ihm die wichtigsten Pflanzen, die wohl in der dritten Klasse drankamen. Julius schrieb sich einige Sachen auf und staunte über manche Gewächse, über deren Nutzanwendung er noch nichts genauers gehört hatte.

Zum Mittagessen fragte ihn Jeanne, ob er Lust habe, mit ihr, Barbara, Virginie und Seraphine zusammen Besenflugmanöver zu üben. Der Hogwarts-Schüler sagte zu, weil ihm das Herumsitzen nicht so gefiel und er die meisten Hausaufgaben ja schon erledigt hatte, bis auf eine Beobachtung der Sommersterne für Professor Sinistra. Aber das wolte er sich fürs Wochenende vornehmen, wenn Mademoiselle Dusoleil ihn wieder in ihre hauseigene Sternwarte mitnahm.

Zusammen mit Madame Dusoleil und Claire ging es zum Quidditchfeld, wo Barbara, Virginie, Seraphine und Madame Delamontagne warteten. Die Dorfrätin wollte ihre eigene Flugpraxis ausfeilen und mit den Jugendlichen trainieren. So vergingen zwei haarsträubende Stunden, während derer Julius oft Gefahr lief, vom fliegenden Besen zu stürzen. Madame Delamontagne und Madame Dusoleil riefen ihn einmal herunter und wiesen ihn harsch zurecht:

"Junge, die Damen haben kein Recht dazu, dich derartig in deinen eigenen Tod zu jagen. Kein Quidditchspieler riskiert ohne Grund solche Manöver. Du kannst ruhig deine eigenen Grenzen einhalten", sagte Madame Dusoleil. Madame Delamontagne fügte dem hinzu:

"Glaube es mir, mein Junge, daß nur dumme Mädchen einen tollkühnen Jungen verehren."

"Wie war das?" Fragte Barbara, die nur das mit den "dummen Mädchen" gehört hatte.

"Möchten Sie mir etwa widersprechen, Mademoiselle Lumière?" Fragte die Dorfrätin sehr verärgert klingend. Barbara sagte fast kleinlaut:

"Sie unterstellen Julius Tollkühnheit und meinen, wir würden ihn dazu antreiben, Madame. Es ist richtig, daß Jeanne und ich davon ausgehen, daß der Junge was draufhat. Aber wir zwingen ihn zu nichts, wenn er es nicht will."

"Das möchte ich auch meinen", entgegnete Madame Delamontagne. Dann legte sie Julius ihre große weiche Hand auf die Schulter und riet ihm halblaut:

"Nächste Woche hast du Geburtstag. Wenn du ihn mit uns feiern möchtest, solltest du ihn auch erleben."

Julius hielt sich an die Ermahnung. Er flog zwar immer noch schnell und verwegen, aber im Rahmen dessen, was er beherrschen konnte. Dann ging es zurück zum Haus der Dusoleils. Madame Dusoleil lud Virginie, Seraphine und Barbara, sowie Madame Delamontagne zum Kaffeetrinken ein und besorgte bei einer Bäckerei im Dorf drei große Obstkuchen.

Julius dachte während des Kaffeetrinkens an seine Eltern und daran, daß an diesem Tag in Paris die Truppenparade abgehalten wurde. Er fragte, ob auch bei den Zauberern der 14. Juli gefeiert wurde. Madame Delamontagne holte sich durch schnelle Blicke von Madame Dusoleil und ihren erwachsenen Verwandten die Sprecherlaubnis und erklärte:

"Da du aus einer Muggelfamilie stammst, sehen wir dir das nach, daß du fragst, was wir an diesem Tag tun. Denn für uns ist dieser Tag kein Feiertag. Denn wahrlich ist dieser sogenannte Revolutionstag und die Jahre, die ihm folgten, ein Akt großer Barbarei, der nur Gewalt und Unterdrückung, aber nicht die Befreiung des Volkes gebracht hat. Allein die Massenhinrichtungen, die in den Jahren von 1789 bis 1795 erfolgten, sowie die Zeit des selbsternannten Kaisers Napoleon, der hunderttausende von jungen Männern in einen wilden Krieg geführt hat, sind für die gebildeten Zauberer ein Beweis für die Aggressivität der Muggel, ja ein Beweis für eine ansteckende Massendummheit, weil viele hinter einem herliefen, der sie gezielt ins Unglück geführt hat. Nicht, daß es in der Zaubererwelt sowas nicht gab und gibt, aber du wirst nicht abstreiten können, daß die Kriege der Muggel verheerend verliefen, egal, ob sie mit Schwertern oder mit diesen Massenzerstörungsmitteln geführt wurden, die wie hießen? ... Atombomben?"

"Das stimmt leider", mußte Julius zugeben. Madame Delamontagne nickte einverstanden und fuhr fort:

"Deshalb ist der 14. Juli, bei dem im Paris der Muggel auch noch massenhaft Kriegsgerät zur Schau gestellt wird, kein Feiertag, sondern ein Tag wie jeder andere."

"Ich möchte nicht gegen Anstandsregeln verstoßen, Madame. Aber sind bei dieser Revolution auch Zauberer umgekommen?"

"Ich weiß von drei aristokratischen Familien, in denen eine Hexe und zwei Zauberer gelebt haben. Die Muggel der Familien wurden gejagt und mit diesem Fallbeil getötet, bevor ihre magischen Verwandten etwas tun konnten, ihnen zu helfen. Sie haben das Zaubereiministerium gebeten, ihre Familien auch durch Einsatz der unverzeihlichen Flüche zu schützen. Die damalige Zaubereiministerin, Clotilde Montferre, erließ ein kategorisches Verbot. Sie begründete es damit, daß eine Ausnahme der Ächtung die Ächtung an sich aufweichen und nachfolgende Zaubereibeamte versucht wären, bei geringeren Gelegenheiten die Erlaubnis zum Einsatz der drei verbotenen Flüche zu geben. Bei den Versuchen, ihre Verwandten zu retten, wurden die drei aristokratischen Zauberer verletzt und drohten, ebenfalls hingerichtet zu werden. Nur die Heilmagier halfen ihnen. Doch seitdem sind die Familien und deren Nachfahren entschiedene Gegner der Muggelwelt und haben ihre eigene Gemeinde aufgebaut. Ich möchte dich nicht beleidigen, Julius, aber du wärest für die wie ein wildes Tier, das man einfangen und wegsperren müßte. Ich sehe dir die nächste Frage an und beantworte sie sofort: Nein, diese Familien hatten nichts und haben auch nichts mit dem Unnennbaren zu schaffen, weil er für sie ein von Muggeln verdorbenes Monstrum ist, das nur Terror und Tod kennt."

"Hmm, aber nach Beauxbatons schicken die doch ihre Kinder, oder?" Fragte Julius. Claire und Jeanne lachten nur schallend. Madame Delamontagne hob gebieterisch die Hand und gebot unmißverständlich Ruhe. Als die Mädchen nicht mehr lachten sagte sie ernst:

"Beauxbatons ist nicht die einzige Schule für angehende Zauberer, nur die beste, so ähnlich wie Hogwarts in Großbritannien. Die haben ihre eigene Zauberschule eröffnet, klein aber exquisit besetzt, um sich nicht mit Muggelstämmigen beschäftigen zu müssen. Ich gehe stark davon aus, daß du denen niemals begegnen wirst, Julius."

"Hui, da habe ich ja was angefangen", dachte Julius nur für sich. Laut sagte er dann noch: "Wie gesagt, ich wollte niemanden hier beleidigen."

"wie gesagt, wir müssen dir diese Frage am Anfang nachsehen", wiederholte Madame Delamontagne, was sie zu Beginn der kurzen Erläuterung gesagt hatte.

Nach dem Kaffeetrinken erklärte Julius Seraphine noch etwas über Kraftwerke, wie sie Strom erzeugten und weshalb das ein Problem war, auf das jedoch niemand verzichten konnte. Madame Delamontagne saß dabei und hörte aufmerksam zu. Julius dachte sich zwar, daß sie Muggelkunde in der Schule gehabt hatte, mindestens aber danach ein hohes Wissen angesammelt haben mußte, wollte jedoch alles erklären, was auch sie wissen wollte. Barbara ärgerte Seraphine damit, daß sie ja nur aus Beauxbatons rausfliegen mußte, um das alles lernen zu können. Doch die Beste Schülerin dieses Jahres knurrte nur:

"Das könnte dir so gefallen, wie? Daraus wird nichts. Träum weiter, Barbara!"

Barbara fragte Julius, ob er ihr diese Kampftechnik vorführen konnte, die er Jeannes Aussage nach gelernt hatte. Er lief vor Verlegenheit rot an, doch erklärte sich einverstanden. Madame Delamontagne fragte, was sie meinte. Julius erzählte ihr kurz, daß er eine Selbstverteidigungskunst erlernt hatte, bei der er sich mit bloßen Händen wehren konnte, wenn er gefährlich angegriffen wurde. Dann führte er einfache Handkantenschläge und Fußtritte vor, wobei er sich so stellte, daß sein eigener Schatten sein Gegner war. Barbara staunte, über die schnellen Bewegungen und die Kraft, die dabei wohl freigesetzt wurde. Julius meinte danach, daß er wohl etwas aus der Übung sei, weil er das vor zwei Jahren das letzte Mal richtig trainiert hatte.

"Wozu hast du das gelernt?" Fragte Barbara, nachdem Julius seine Vorführung beendet hatte. Madame Delamontagne nickte ihr zu, offenbar wollte sie diese Frage auch stellen.

"Meine Eltern sind nicht ganz unwichtig und auch nicht so arm in der Muggelwelt. Da gibt es immer Blödmänner, die meinen, mir mit dummen Sprüchen oder Prügeln das Leben zur Hölle machen zu müssen. Weil mich einmal drei ältere Chaoten verkloppt haben, nur weil ich sagte, daß mein Paps mir alles besorgen und mich immer rächen würde, wenn mir wer was täte, haben meine Eltern mich von einem japanischen Karatemeister ausbilden lassen. Der hat mir nicht nur die Kampftechnik beigebracht, die du gerade gesehen hast, sondern auch, daß der siegreichste kampf immer der ist, den du nicht kämpfen mußt und mir beigebracht, mich besser zu beherrschen und auch auf andere Rücksicht zu nehmen. Das hat mir danach viele Prügel erspart, selbst wenn mich einige, die davon Wind bekommen haben, angemacht haben, um sich mit mir zu kloppen."

"Würdest du Damen gegenüber bitte eine gepflegtere Wortwahl treffen, Julius?" Mahnte ihn Madame Delamontagne mit kritischem Blick.

"Tut mir Leid, Madame, aber wenn ich von diesen Zeiten rede, kann ich mich nicht gewählt ausdrücken. Außerdem denke ich nicht, daß ich Mademoiselle Lumière noch verderben kann, weil sie schon zu gut erzogen ist, um von mir irgendwelchen Unsinn zu übernehmen", gab Julius ruhig zurück. Barbara lachte und umarmte den Hogwarts-Schüler.

"Hast du schön gesagt", hauchte sie ihm ins Ohr. Jeanne und Claire sahen dem fast erwachsenen Mädchen ungläubig zu, wie sie Julius' rechte Hand nahm und sie drückte. Julius fühlte, wie der Händedruck zu schmerzen begann. Er hielt jedoch solange dagegen, bis ihre Fingerknöchel weiß wurden und Julius den Schmerz nicht mehr unterdrücken konnte und das Gesicht verzog.

"Wunderbare Konstitution. Halte dich weiter so gut in Form, Julius!" Riet ihm Barbara.

Als die Gäste fortwaren, sagte Monsieur Dusoleil:

"Barbara schätzt Jungen, die stark und klug sind und nicht nur das eine oder andre. Offenbar hast du dich bewährt, wenn ich das zufriedene Grinsen deuten kann."

"Ach, und ich dachte nur, daß sie sich gefreut hat, weil sie einen Jungen im Händedrücken besiegt hat", erwiderte Julius. Sein Gastvater lachte nur.

"Das kann sie bei vielen Jungen haben. Insofern mußte es schon was besonderes gewesen sein, was sie amüsiert hat. Deshalb denke ich, daß es die Freude daran war, daß du dich schon mit dreizehn solange gegen sie gestämmt hast."

Nach dem Abendessen gingen Jeanne und Julius noch mal die Objektverfluchungen durch, wobei sie das Buch über Gegenflüche und Enthüllungszauber benutzten, das Julius von Madame Faucon zum zwölften Geburtstag bekommen hatte. Doch Julius war mit seinen Gedanken nicht so recht bei der Sache. Jeanne merkte das und fragte, was er habe. Julius überlegte kurz, was er antworten sollte und sagte dann:

"Ich dachte heute nachmittag daran, daß meine Eltern bei Catherine und Joe in Paris sind und sich wohl die Truppenparade angesehen haben. Meine Mum hat auch nichts für Kriegsmaschinen übrig, wird sich das aber bestimmt angesehen haben, weil es nun einmal dazugehört, wenn man zu dieser Zeit in Paris ist. Außerdem war das vor einem Jahr der Tag, wo mich Madame Faucon von Joe fortgeholt und hierher mitgenommen hat."

"Ui, dann müssen wir das ja feiern", flachste Jeanne. Dann fragte sie:

"Darfst du deinen Eltern schreiben? Immerhin hast du ja von deiner Maman einen Brief bekommen, als du mit uns hier ankamst."

"Schreiben darf ich ihnen schon. Aber mein Vater will davon nichts mehr wissen. Der hat sich voll festgefahren, weil er mit Zauberern nichts mehr zu schaffen haben will. Außerdem habe ich Angst um Francis oder jede andere Posteule, selbst wenn ich ihr sage, sie soll den Brief in den Briefkasten werfen."

"Kann ich verstehen, nachdem, was Maman erzählt hat. Dennoch würde ich zumindest deiner Maman schreiben, daß es dir hier gut geht und bestimmt niemand dich gegen sie aufhetzen will. Aber schreib ihr besser nichts über den Selbstversuch mit dem Infanticorpore-Fluch. Manche Hexenmütter haben eifersüchtig reagiert, als sie erfuhren, daß wer anderes ihre Kinder so gesehen hat, wie sie selbst sie allein gesehen haben."

"Hmm, Jeanne", begann Julius, dem was eingefallen war. "Madame Faucon hat uns in diesem Zusammenhang ja nicht gesagt, ob man sich mit diesem Fluch nicht ewig am Leben halten lassen könnte."

"Weil es in diesem Buch steht, Julius. Gleich nach der Umkehrung steht ein Absatz darüber, weshalb das nicht geht", wies Jeanne den Gastbruder auf das Enthüllungszauber- und Gegenfluchbuch hin. Julius las sich das Kapitel über den Infanticorpore-Fluch noch mal durch und lachte, weil er erkannte, wie kurzsichtig er doch war. Da stand nämlich zu lesen:

"... Da einige Zauberer meinten, den Fluch als wiederholbare Verjüngungskur im Stile eines Phönixes nutzen zu können, ist bekannt, daß Infanticorpore kein Schlüssel zum ewigen Leben ist. Denn wer sich einmal mit diesem Fluch hat bezaubern lassen, ohne ihn umkehren zu lassen und lebt eine natürliche Lebensspanne neu und will erneut durch diesen Fluch die körperliche Verjüngung erreichen, verliert nicht nur das körperliche Alter, sondern bleibt zeit der erneuten Lebensspanne im Körper eines Säuglings gefangen, sofern der Fluch diesesmal nicht wie beschrieben aufgehoben wird. Das heißt, daß jemand, der sich derartig verjüngen läßt, sich zeit seines oder ihres Lebens nie alleine bewegen kann, nur unzureichend sprechen und sehen kann, da die Milchzähne nie wieder neu wachsen. Daher ist Infanticorpore als probate Verjüngungskur genauso nutzlos, wie die Rejuvenius-Tropfen, welche neben einer körperlichen auch eine geistige Verjüngung mit Verlust der erlebten Erfahrungswerte bewirken. ..."

Als Julius diesen Zusatztext gelesen hatte, griff er noch mal auf, was Jeanne darüber gesagt hatte, daß er seiner Mutter nichts von seinem Selbstversuch erzählen sollte.

"Da wäre ich auch megablöd, Jeanne. Außerdem will ich nichts über Professeur Faucon schreiben. Sie sagte zwar mal zu mir, daß sie und Catherine sich meinen Eltern einmal offenbaren müßten, aber wann das passiert, sollen sie bitte selbst entscheiden. Ich traue meinem Vater zu, daß er Catherine erwürgt, wenn er rausfindet, was sie ist und wem er es verdankt, daß ihm das Zaubereiministerium so kräftig auf die Füße getreten ist."

"Gut, verstehe ich auch. Vor allem, wenn ich mir vorstelle, daß er wohl keine Lust hat, dir zum Geburtstag zu gratulieren. - Das wollte ich nicht sagen, um dich zu verletzen, Julius. Aber so, wie du das eben beschrieben hast, würde er dir wohl keine Glückwunschkarte schicken."

"Leider richtig, Jeanne."

"Ich denke, Maman wird mit dir noch besprechen, wie du deinen Geburtstag feiern möchtest. Denn das versteht sich wohl, daß wir mit dir feiern möchten, wie letztes Jahr auch."

"Am Geld scheitert es nicht, Jeanne. Ich kann deine Maman fragen, wieviel ..."

"Bloß nicht, Julius. Du hast gehört, was sie gesagt hat. Du bist hier Gast und solange du sie nicht verärgerst oder undankbar bist, kriegst du alles, was im vertretbaren Rahmen ist. Immerhin hast du ihr ja mit der Gartenarbeit geholfen und bist aufmerksam, sowohl bei Professeur Faucon, als auch bei ihr, was zeigt, daß du es verdient hast, hier zu wohnen."

"Hmm, daran muß ich mich immer noch gewöhnen, Jeanne. Meine Eltern schätzen Arbeit nur, wenn sie sich in Geld berechnen läßt. Das ist ja auch in der Zaubererwelt so."

"Wobei das Wort "Gast" diese Einstellung außer Kraft setzt. Papa kann sehr gut rechnen. Der hätte dir vorgerechnet, was er bekommt, wenn wir dich sechs Wochen hier wohnen lassen, wenn er das gewollt hätte."

"Vielleicht will er das, aber deine Maman nicht", flüsterte Julius. Jeanne lachte nur.

"Bestimmt nicht, Julius. Du magst zwar den Eindruck haben, daß Maman hier alles entscheidet. Aber wie Geld in die Familie kommt und wofür es ausgegeben wird, entscheidet Papa. Also genieße es und zeige dich weiterhin so dankbar!"

"Werde ich wohl tun, Jeanne."

Als Julius an diesem Abend zu Bett ging, dachte er noch mal an seine Mutter und beschloß, ihr am nächsten Tag einen Brief zu schreiben.

 

_________

 

"Dreizehn ZAGs!" Jubelte Virginie, als sich Jeanne, Seraphine, Julius und sie am nächsten Morgen trafen. Julius, der einen Morgenlauf mit Barbara um den Teich in der Dorfmitte hinter sich gebracht hatte, wurde wieder vollkommen munter, als Virginie diese frohe Nachricht verkündete. Er wußte von Prudence und Cho, daß die Zauberergrade (ZAGs) nach einer Zwischenprüfung nach der fünften Klasse vergeben wurden. Wer über zehn davon hinbekam, war überdurchschnittlich gut, wer über elf oder zwölf bekam, gehörte zu den Besten. Er gratulierte Virginie.

Maman ist auch sehr stolz auf mich. Papa hat gesagt, daß ich nun auch einen guten UTZ-Abschluß schaffen müsse, um die Familienehre nicht zu beleidigen. Aber das ist erst in zwei Jahren."

"Bis dahin passiert noch so viel", meinte Julius, bevor ihm klarwurde, daß dieser Satz in einer Situation, wo der dunkle Lord wieder wütete, Mord und Totschlag verheißen konnte. Deshalb wollte er schon ansetzen, etwas beschwichtigendes zu sagen, doch Virginie warf nur ein:

"Nichts, was mich den Glauben an mich selbst verlieren läßt."

Der Morgen verlief anstrengend für Julius, weil er doch merkte, wie groß der Unterschied zwischen dem, was in einem Buch stand und dem, was man damit anfangen mußte war. Zwar schaffte er es, die von Madame Faucon verhexten Gegenstände zu entfluchen, geriet dabei aber in Bedrängnis, weil ein Fluch, ein Verzweiflungszauber, mit mörderischer Gewalt auf ihn einstürmte und seinen Verstand umnebelte, wie die Anwesenheit eines Dementoren. Gerade noch soeben konnte Julius die dunkle Kraft niederzwingen und zum Erlöschen bringen, bevor er erschöpft auf seinem Stuhl niedersank.

"Sie alle haben gesehen, daß es keineswegs ausreicht, einen Fluch zu erkennen, Mesdemoiselles und Monsieur. Es ist unbedingt erforderlich, sich selbst zu beherrschen. Manche Flüche wirken über die Charakterschwächen derer, die mit damit belegten Gegenständen in Kontakt kommen. Sie haben ein gewisses Eigenleben und schlagen zurück, wenn sie aufgehoben werden sollen. Manche Flüche tarnen sich als nützliche Hilfszauber, die den, der sich auf sie einläßt in eine Form der Abhängigkeit ziehen. Wer von diesen Flüchen besessen ist, verspürt ein tierisches Verlangen, die sie tragenden Gegenstände mit dem eigenen Leben zu verteidigen. Der Dämonenglaube der Muggel beruht auf solche verfluchten Gegenstände und Gebäude, weil diese vorher harmlose Leute zu scheußlichen Taten treiben und sie mit dunklen Trieben beseelen. Dabei gilt jedoch: Diese dunklen Triebe kommen nicht von außen, sondern werden geschürt, wie das Feuer eines Vulkans von innen her am brennen gehalten wird", erklärte Madame Faucon. Dann lobte sie Julius, der langsam wieder einen klaren Kopf bekam.

"Sie haben eine sehr gut entwickelte Selbstbeherrschung. Diese Voraussetzung ist ein Muß, auch mit einer hohen Zauberkraft."

"Die hätte ich vor einem Jahr gebrauchen können, als ich ... aber lassen wir das!" Erwiderte Julius, der sich an die Abreise der älteren Beauxbatons-Schüler erinnerte und daran dachte, wie stark ihn die Ausstrahlung der Viertelvila Fleur Delacour benebelt hatte.

"Das im letzten Jahr war für Sie eine wichtige Erfahrung, Monsieur Andrews. Schämen Sie sich nicht dafür, sie gemacht zu haben!" Sagte Madame Faucon, die sehr wohl verstanden hatte, worauf Julius anspielte.

Nach dem Unterricht winkte die Lehrerin Julius noch mal zu sich, als Seraphine, Jeanne und Virginie bereits durch die Tür waren.

"Du magst vielleicht immer noch denken, daß du nicht zu dieser Gruppe gehörst. Aber ich habe dich nicht dorthin eingeordnet, um dich zu überfordern oder restlos fertigzumachen, wie ihr junges Volk euch ausdrückt. Du hast es bisher geschafft, mehr zu leisten, als vergleichbare Schüler deines Alters. Seraphine ist Jahrgangsbeste in diesem Fach gewesen. Sie hätte es an und für sich nicht nötig, sich in den Ferien ausbilden zu lassen. Daß sie es dennoch tut, beweist, daß sie sich lieber absichert, als sich in eine trügerische Sicherheit zu wiegen. Du gehörst auf jeden Fall in diese Gruppe, auch wenn du ein schlechtes Gewissen Claire, Caro und Dorian gegenüber haben zu müssen vermeinst."

"Wenn ich nächsten Montag zusammenbreche, brauche ich zumindest am Mittwoch nicht mehr zu kommen", sagte Julius.

"Keine Sorge. Du bist hier, um zu lernen und nicht um zusammenzubrechen. Aber immerhin hast du an deinem Geburtstag frei."

"Hmm, ja, das stimmt. Allerdings weiß ich nicht,was ich da machen soll. Letztes Jahr haben Sie mir das alles aus der Hand genommen und es besser hingekriegt, als ich mir vorstellen konnte. Ich würde ja gerne Leute einladen. Aber alle, die ich aus England einladen möchte, haben im Moment zu tun oder sind irgendwo auf der Welt unterwegs. Gloria und eine andere Klassenkameradin sind bei Mrs. Jane Porter, die Sie ja wohl kennen."

"Ja, meine werte Korrespondentin aus New Orleans, mit der ich lieber brieflich verkehre als mich mit ihr zu unterhalten. Ich hörte, daß sie dich im letzten Sommer näher kennengelernt hat. Ich erfuhr auch, daß sie vorhat, ihrer Enkelin Nachhilfe in der Abwehr dunkler Künste zu erteilen. Wahrscheinlich hat Gloria dir das schon geschrieben."

"Ja, und Kevin, mein Schulfreund, hat wohl irgendwelche Familienverpflichtungen. Außerdem wüßte ich nicht, wo ich ihn unterbringen kann. Aber lassen wir das! Falls Madame Dusoleil mir erlaubt, Gäste einzuladen, wäre es mir eine Ehre, wenn Sie zu meiner Geburtstagsfeier kämen."

"Ich werde es einrichten, dieser Einladung zu folgen, Monsieur Andrews", erwiderte Madame Faucon wohlwollend lächelnd.

Jeanne, die neben Julius herflog, lobte ihn noch mal für die Beseitigung des Verzweiflungsfluches. Sie sagte:

"Dieser Fluch ist tückisch, weil er genau diese Entschlossenheit niederringt, mit der er bekämpft werden muß. Daß du es geschafft hast, zeigt, daß dieser japanische Muggel, der dir diese Kampfsachen beigebracht hat, dich auch geistig gut ausgebildet hat. Was wollte Madame Faucon noch von dir?"

"Sie hat einmal gesagt, was du auch gesagt hast und mir geraten, mich nicht von Claire oder Dorian dummschwätzen zu lassen, nur weil ich von ihr zu euch eingeteilt wurde, der junge Han im Korb voller erfahrener Hühner."

"Wie bitte?! Das hast wohl nur du gedacht und nicht sie gesagt, Jungchen."

"Stimmt. Aber sie fragte mich auch, was ich nächste Woche Dienstag mache."

"Das klärst du mit Maman ab", sagte Jeanne. Dann fragte sie noch:

"Kann es sein, daß du dich auch deswegen so gut auf den Fluch eingestellt hast, weil ihr vor zwei Jahren diese Dementoren in Hogwarts hattet?"

"Hmm, daran mußte ich auch denken, als mir dieser Fluch jeden Mut nahm, ihn niederzuringen. Da mag was dran sein, Jeanne. Allerdings wirken die schon ziemlich heftig. Ich wollte ja den Patronus-Zauber lernen, mit denen man sie abwehrt. Aber Professor McGonagall hat es mir verboten, obwohl sie nicht meine Hauslehrerin ist."

"Vielleicht könnte Professeur Faucon ihn dir beibringen, wenn du sie darum bittest. Ich habe ihn zwar noch nicht gelernt, aber wohl deswegen, weil wir kaum einen echten Dementor in Beauxbatons zum üben haben."

"Harry Potter muß den irgendwie ohne Dementor gelernt haben, sonst wäre der nicht so heftig gut gelungen, als er bei einem Quidditchspiel angebliche Dementoren damit beharkt hat."

"Ich hörte davon, daß diese Monster auf ihn besonders unangenehm wirkten. Eine Klassenkameradin aus eurem Haus erzählte es mir, als wir bei Moody über potente Wesen der Dunkelheit alles wichtige lernten."

"Im Buch über die Geschöpfe der Düsternis steht drin, wie der Patronus-Zauber gewirkt wird. Aber es heißt da auch, daß man ihn mehrfach erproben und kräftigen muß. Außerdem wüßte ich im Moment nicht, woran ich dabei denken muß. Wenn ich das herausfinden kann, könnte ich den lernen."

"Auf jeden Fall wirst du nächste Woche Dienstag einen schönen Tag erleben."

"Ach, woher weißt du das?" Fragte Julius verschmitzt grinsend. Jeanne lächelte ihn wissend an und erwiderte:

"Wenn Maman dir sagt, daß du in unserem Haus geburtstag feiern darfst, wird sie den nicht wie eine langweilige Festlichkeit ablaufen lassen. Aber das klärst du wie gesagt mit ihr persönlich ab."

Als die beiden Gastgeschwister wieder im Haus der Dusoleils ankamen, fragte Claire:

"Hat euch Madame Faucon nachsitzen lassen? Ich sah Virginie schon vorbeifliegen."

"Ja, sie hat mich nachsitzen lassen, weil ich meine Hausaufgaben nicht richtig gemacht habe. Jeanne hat nur auf mich gewartet, damit ich mich nicht auf dem Heimflug verirre", erwiderte Julius. Jeanne lachte darüber.

"Hat sie wirklich?" Fragte Claire beklommen. Julius nickte nur flüchtig. Jeanne verhielt sich still und sagte nichts.

"Das Essen wird kalt, Kinder!" Rief Madame Dusoleil von drinnen. Claire nahm Julius bei der Hand und sagte entschlossen:

"Ich bring dich hinein, damit du dich nicht verirrst."

Julius mußte wieder erkennen, wie schnell sich die mittlere Dusoleil-Schwester auf seine Frechheiten einstellen konnte. Er sagte jedoch nichts, sondern ließ es sich gefallen, daß ihn Claire erst zum Gästebad führte, vor der Tür wartete, bis er sich die Hände gewaschen hatte, um dann vor ihm herzugehen, um ihm den Weg zu zeigen.

Madame Dusoleil setzte sich beim Essen neben Julius und gab Acht, daß er genug aß. Ohne Worte legte sie ihm von jedem der drei Gänge eine zweite Portion vor und wartete geduldig, bis er damit fertig war. Erst dann ließ sie ihn vom Tisch aufstehen und auf sein Zimmer gehen.

Am Nachmittag kamen Béatrice und Estelle, zwei Mädchen aus Claires Klasse, wenngleich Béatrice im gelben Saal wohnte und Estelle zu den Weißen, den Bewohnern des weißen Saales gehörte. Julius kannte Estelle noch vom Schachturnier im letzten Jahr. Sie sah den Hogwarts-Schüler an und fragte, ob er dieses Jahr wieder mitspielen würde. Er antwortete dreist:

"Neh, da spielen mir zu viele Superleute mit, Estelle. Madame Delamontagne, Madame Faucon und Mademoiselle Dusoleil sind mir zu gut. Ich glaube, ich lasse das dieses Jahr mal weg."

"O das ist schade, wo mein Cousin aus Avignon zu Besuch kommt und gerne spielen würde. Der möchte gerne gegen die stärksten Leute antreten, die wir haben, weil meine Tante internationale Turniere spielt und ihm wohl was davon mitgegeben hat."

"Dann ist ja für ersatz gesorgt und ... Hallo, Madame Delamontagne!"

Von Julius unbemerkt hatte Madame Delamontagne zusammen mit ihrer Tochter Virginie den großen Garten der Dusoleils betreten. Virginie strahlte ihn an, während Madame Delamontagne sehr verärgert dreinschaute. Sie sah Julius sehr genau an und fragte:

"Monsieur Andrews, könnte es auch nur ansatzweise zutreffen, daß Sie daran gedacht haben, daß die Gründe, die Sie im letzten Jahr zur Teilnahme am Millemerveilles-Schachturnier verpflichtet haben, dieses Jahr keine Gültigkeit mehr hätten?"

"Was kriege ich für die richtige Antwort?" Wagte Julius die Flucht nach vorne.

"Für die richtige Antwort erhalten Sie die Gelegenheit, sich nicht meinen Unmut zuzuziehen, Monsieur", erwiderte Madame Delamontagne. Béatrice zog sich derweil leise und so unauffällig wie möglich zurück. Offenbar fürchtete sie einen offenen Streit. Virginie sah nur zwischen ihrer Mutter und Julius hin und her. Julius sagte:

"Sie kennen das doch, Madame. Da wird ein großes Turnier ausgerufen, und die, die als Favoriten gesetzt sind, geben vor, nicht mehr in Form zu sein. Das erhöht die Wettquoten und wiegt die potentiellen Gegner in Sicherheit. Ich werde mir doch nicht die Gelegenheit entgehen lassen, der lachende Dritte zu sein, wenn Sie und Madame Faucon sich vorzeitig aus dem Turnier spielen."

"Das war nicht die Antwort auf die Frage, junger Mann. Die Frage lautete, ob Sie im Ansatz daran gedacht haben, daß jene Gründe, die Sie im letzten Jahr zur Teilnahme verpflichteten, dieses Jahr nicht mehr gälten."

"Als Verpflichtung habe ich das nicht gesehen, sondern als willkommene herausforderung, meine Fähigkeiten zu testen, Madame. Außerdem war es mir eine Ehre, gegen Sie anzutreten."

"Eleonore, du läßt dich aber auch von jedem Halbwüchsigen ärgern. Hast du das nötig?" Fragte Monsieur Dusoleil, der aus seiner Werkstatt gekommen war.

"Es hatte nur den Anschein, als wolle dein Schutzbefohlener öffentlich von der ihm auferlegten Verpflichtung zurücktreten, die er sich im letzten Jahr aufgebürdet hat, Florymont", erwiderte Madame Delamontagne. Monsieur Dusoleil lachte nur lauthals.

"Bestimmt nicht, Eleonore. Immerhin könnte er dich wieder besiegen, und das habe ich ja noch nicht mal geschafft."

"Wenn er dies im Endspiel tut, werde ich es erfreut zur Kenntnis nehmen", gab die Dorfrätin für Gesellschaftsangelegenheiten in Millemerveilles lächelnd zurück. Sie sah Julius nun weniger verärgert an und sagte:

"Bring diese Mademoiselle nicht auf falsche Gedanken. Immerhin hat gerade ihre Tante darauf hingewirkt, daß sie auch mitspielt."

"Die Tante oder die Mademoiselle?" Wollte Julius ohne jeden Witz wissen.

"Beide, Monsieur Andrews."

"Na dann frohes Schaffen!" Bemerkte der Hogwarts-Schüler.

"Nicht, daß du hier nicht willkommen wärst, Eleonore", begann Monsieur Dusoleil, "aber was führt dich zu uns?"

"Virginie wollte zu euch, und ich nutze meine Freizeit, um deine Schwester zu fragen, ob sie noch mal vor dem Turnier gegen mich spielt."

"Gut, Eleonore. Wenn Uranie Zeit und Lust hat, wird sie wohl mit dir spielen."

Virginie erläuterte Jeanne, Claire und Julius, daß sie zur Belohnung für die dreizehn ZAGs eine eigene kleine Gesellschaft geben durfte, zu der jedoch nur Schüler aus Millemerveilles geladen sein sollten. Sie sagte:

"Am Wochenende findet die Soirée statt. Ich darf zwanzig Schulkameraden und deren Hausgäste einladen, falls vorhanden. Ich kann mit Mamans Hilfe alles vorbereiten, habe aber außer meinen Eltern und Großeltern keine Erwachsenen einzuladen, sagt Maman. Habt ihr Lust?"

Julius fragte sich, was das für eine Party werden sollte, was gediegenes gutbürgerliches, wie seine Eltern es bevorzugten oder eine wilde Party von Halbwüchsigen. Da paßten aber die Erwachsenen nicht ins Bild. Er fragte:

"Wie soll das genau ablaufen, Virginie?"

"Ganz einfach. Die Party findet von sechs bis zwölf Uhr am Sonntag statt. Ihr braucht keine Geschenke zu besorgen, weil es ja nur eine kleine ZAG-Festlichkeit ist. Da meine Eltern und Großeltern darauf beharren, im Festumhang zu erscheinen, habe ich mich einverstanden erklärt, daß meine Gäste sich entweder ebenfalls Festumhänge und -kleider anziehen, oder daß sie zumindest nicht im Alltagsgewand zu Besuch kommen. Wer das dumm findet, kann auch in der Schuluniform von Beauxbatons kommen. Es wird gegessen, Musik gemacht, gesungen, getanzt und gespielt. Ich habe schon Gesellschaftsspiele ohne Magiebenutzung vorgeschlagen. Das wird also ein Zwischending zwischen einer wilden Party und einer hochvornehmen Gesellschaft sein. Mehr möchte ich nun nicht verraten", antwortete Virginie.

"Hmm, dann kann ich nicht kommen. Ich habe nämlich keine Beauxbatons-Schuluniform", erwiderte Julius mit Bedauern in der Stimme. Claire zwickte ihn energisch in den rechten Arm und sagte:

"Ich komme auch nicht im Beauxbatons-Umhang dahin. Dein Festumhang paßt dir doch noch, oder?"

"Ach der Festumhang. Habe ich den eigentlich mitgenommen?" Erwiderte Julius mit gespielter Unruhe in der Stimme.

"Offenbar ja, sonst würdest du dich nicht so frech gebärden", meinte Virginie lächelnd. Dann fragte sie noch mal: "Wer von euch möchte zu mir kommen?"

Julius sagte zu, auch Jeanne und Claire waren sofort einverstanden.

"Hoffentlich fallen wir deiner Mutter nicht zu sehr auf den Wecker", bemerkte Julius nun ernst klingend.

"Nicht, wenn du sie beim nächsten Schachturnier gewinnen läßt, Julius. - Nein, vergiss es! Wenn du sie gewinnen läßt, wird sie böse, sofern sie merkt, daß du sie hast gewinnen lassen", sagte Virginie.

"Davon ist wohl auszugehen, Virginie", gab Julius mit einem seufzenden Unterton zurück.

So verabschiedete sich Virginie von den beiden Dusoleil-Schwestern und dem Gast aus Hogwarts und kehrte in den Garten zurück, wo ihre Mutter bereits mit Mademoiselle Dusoleil eine leidenschaftliche Schachpartie begonnen hatte. Sie wußte, daß man ihre Mutter nicht beim Schach stören sollte, wenn es nicht so wichtig war. So nahm sie ein Stück Pergament und notierte mit einer kleinen Schreibfeder, die sie dabeihatte:

"Die älteren Schwestern und Julius möchten kommen, Maman. Ich fliege schon mal heim und sage Papa und Gigie, daß du noch mit Mademoiselle Dusoleil spielst. Bis nachher! Virginie."

Sie legte das beschriebene Pergament so neben das Schachbrett, daß ihre Mutter es erst sehen würde, wenn sie das Spiel unterbrach oder beendete. Dann nahm sie ihren Besen, ging zu Madame Dusoleil und verabschiedete sich von ihr. Dann stieg sie auf den Besen und flog davon.

Die Mutter von Jeanne, Claire und Denise suchte ihre beiden älteren Töchter und ihren Hausgast auf und erkundigte sich, wie genau sich Virginie den Ablauf der Gesellschaft vorstellte. Julius ließ die beiden Mädchen erzählen, was Virginie angekündigt hatte.

"Wahrscheinlich wird sie Barbara und Jacques mit einladen, sowie den Rest unserer Ferienschultruppe und ihre hier lebenden Freunde und Freundinnen", vermutete Jeanne, während Claire sich wieder mit Béatrice und Estelle beschäftigte, die in ihrem Zimmer gewartet hatten, bis Virginie wieder gegangen war.

"Jacques und Parties? Das ist doch wie Luft und Wasser. Sie reiben sich aneinander und drücken sich gegenseitig weg, aber wo das eine ist, kann das andere nicht richtig bleiben", warf Julius ein. Madame Dusoleil schmunzelte. Dann erwiderte sie belustigt: "Barbara wird schon dafür sorgen, daß er sich benimmt. Wenn er nicht tanzen will, wird er eben nur in der Ecke sitzen und sich mit Madame Champverd unterhalten, Virginies Großmutter mütterlicherseits. Da sie sehr auf gesittetes Benehmen und gewählte Ausdrucksweise beharrt, wird er sich schon nicht so schnell langweilen."

"Champverd? Oleande Champverd, die Hüterin der Heilgärten in der Provence?" Gab Julius aufgeregt von sich. Madame Dusoleil lächelte zufrieden und nickte mit dem Kopf.

"Oleande Champverd ist diejenige, Julius, die ich in meinem Buch über die Zaubersträucher der Provence erwähnt habe. Allerdings ist sie mir doch ein wenig zu altmodisch und verknöchert. Aber wenn du sie siehst, sag ihr das besser nicht! Du mußt ja mit ihr keinen Streit kriegen."

"Bestimmt nicht, Madame", erwiderte Julius Andrews.

Als Die Familienmutter Jeannes Zimmer verlassen hatte, wollte auch Julius hinausgehen. Doch Jeanne winkte ihm, noch zu bleiben. Der Hogwartsschüler sah seine älteste Gastschwester an und wartete, daß sie etwas sagte.

"Wahrscheinlich wird Barbara allein kommen, Julius. Diese Einladung ist ja nicht verpflichtend, wie der Sommerball. Aber der braucht dich eh nicht zu kümmern. Ich denke nur, daß du nicht den ganzen Abend nur mit Madame Champverd herumhängen möchtest, wenngleich du sicherlich viele Fragen an sie hast. Meine jüngere Schwester möchte bestimmt wieder mit dir tanzen, und ich denke, Virginie und Barbara, wahrscheinlich auch Caro oder Elisa, hätten Lust darauf. Es wäre schade, wenn du dich nur mit der alten Gartenhexe unterhältst."

"Öhm, Jeanne, wie muß ich das jetzt verstehen?" Fragte Julius verunsichert.

"Daß ich dich kenne und weiß, daß du sehr gerne mit Hexen und Zauberern diskutieren möchtest, die wichtige Dinge wissen, von denen du gelesen hast. Ich bekomme das doch immer mit, wenn Maman dich mitnimmt. Aber ich denke, daß Claire nur mitgeht, weil du mitgehst und enttäuscht sein könnte, wenn du nichts besseres zu tun hast, als dich mit einer altmodischen Kräuterhexe in wilden Debatten zu verlieren. Das könnte sie übelnehmen, was das schöne Klima in unserer Familie vergiften dürfte. Das will ich nicht. Also mach ruhig mal Ferien, Julius! Lass auch mal mehr oder weniger sinnloses Zeug an dich ran!"

Julius verstand zwar, aber es verwirrte ihn eher als es ihn beruhigte. Wieso bestand Jeanne so eindeutig darauf, daß er sich nicht nur aufs Lernen oder auf interessante Fachgespräche konzentrieren durfte? Lag ihr was daran, daß ihre Schwester mit ihm gut auskam? Wenn ja, warum? Dann dachte er daran, daß es wohl besser sei, Jeannes Rat zu befolgen. Er fühlte sich in dieser Familie zu wohl, als daß er jemanden daraus verärgern und sich damit die restliche Zeit hier versauen wollte. Er wußte nicht, ob die Dusoleils nachtragend waren. Er wußte nur, daß Madame Dusoleil sehr ungehalten werden konnte, wenn man ihr mit Undank begegnete, daß Monsieur Dusoleil trotz seiner Lockerheit gewiß ein strenger Familienvater war - bei drei Töchtern wohl nötig - und Jeanne, sowie Claire ihn tatsächlich als Ferienbruder betrachteten, um den sie sich kümmern mußten. Denise war nur froh, einen lebhaften Spielkameraden zu haben, der nicht an ihr rumerziehen würde.

"Mir geht es hier zu gut, als daß ich es mir mit auch nur einem von euch allen verscherzen will, Jeanne. Und ich kann mich mit sogenanntem Unsinn vergnügen. Wenn du meinen Vater interviewen würdest, würde er dir nur erzählen, daß ich keinen Spaß ausgelassen habe, bevor ich nach Hogwarts kam."

"Dann ist ja gut", gab Jeanne lächelnd zur Antwort.

Mademoiselle Dusoleil verzichtete auf das Abendessen, weil die Schachpartie ihr im Moment wichtiger war. Madame Dusoleil rümpfte zwar die Nase, sagte dann aber: "Du bist erwachsen genug, Uranie. Du kannst nachher was essen." Dann wandte sie sich an Julius:

"Das gilt nur für Uranie, junger Mann. Nicht, daß du dich bei ähnlichen Gelegenheiten auf sie berufst. Du bist schließlich noch im Wachstum und möchtest gewiß nicht so klein bleiben, nicht wahr?"

"Angekommen, Madame", gab Julius eintönig zurück. Er war wieder an dem Punkt wo ihn die behütsame Zuwendung seiner Gastmutter auf die Nerven zu gehen begann, aber er nichts dagegen sagen wollte.

Die Schachpartie endete erst um zehn Uhr abends, lange nach Beendigung des Abendessens. Mademoiselle Dusoleil hatte gewonnen. Madame Delamontagne fragte Julius noch, ob er nicht noch mit ihr spielen wolle. Doch Madame und Monsieur Dusoleil schritten dagegen ein:

"Ich weiß, Eleonore, daß er dich fasziniert. Mich auch! Deshalb werde ich in meiner zugewiesenen Verantwortung als Ferienbetreuerin verbieten, daß er um diese Zeit noch übermäßige Geistesanstrengungen vollbringt, die absolut nichts für sein weiteres Leben wichtiges bedeuten", sagte Madame Dusoleil. Ihr Mann fügte dem hinzu:

"Auch wenn Julius wohl gerne mit dir spielen würde, Eleonore, wir alle haben einen gewissen Tag- und Nachtrhythmus. Julius hat ihn gut verinnerlicht und sollte nicht den ganzen Tag verschlafen, was passieren dürfte, wenn er noch eine mehrstündige Schachpartie gegen dich spielt. Ihr werdet euch beim Turnier wiedersehen, denke ich."

"Gut, es ist richtig, daß ihr beiden euch um sein Wohl kümmert, Camille, Florymont. Es war selbstsüchtig, noch eine Schachpartie mit eurem Hausgast spielen zu wollen. Außerdem muß ich selbst noch zu Abend essen und mich um meine Familie kümmern. Ich denke mal, Virginie hat es genossen, unseren Haushalt zu führen", sagte Madame Delamontagne und verabschiedete sich von den Dusoleils und deren Hausgast. Sie stieg auf ihren Ganymed 9 und flog in die Sommernacht davon.

"Ich hoffe, sie ist nicht verärgert", traute sich Julius, einen Einwand zu machen. Monsieur Dusoleil widersprach sogleich:

"Wenn es um Schach geht, vergisst die sonst so respektable Eleonore Delamontagne fast alles. Wir wollten dich aus dieser Zwickmühle heraushalten, mit ihr spielen zu müssen, weil du dich ihr untergeordnet fühlst. Irgendwo muß auch mal Schluß sein."

"Das ist genau meine Meinung, Julius. Außerdem kennen wir Eleonore schon lange genug, um zu wissen, was wir ihr wann und wie sagen müssen. Ich habe auch recht, daß Schach nur ein Spiel ist und dir nicht als Beruf zur Verfügung steht. Bei Quidditch kann man noch sagen, daß es eine Möglichkeit gibt, als Profi-Spieler zu arbeiten. Aber bei Schach kannst du nur Geld verdienen, wenn du Bücher darüber schreibst. Aber die sind dann wohl für Nichtschachspieler oder Anfänger zu kompliziert, als daß sie sowas kaufen würden."

"Hmm, was für Schach gilt, gilt doch auch fürs Tanzen", sagte Julius. Doch Madame Dusoleil lachte.

"Zum einen kannst du Besenkunstflieger oder Ballettänzer werden, wie Angelique Libertée. Zum anderen ist es bei Gesellschaften sehr vorteilhaft, tanzen zu können, wie du frecher Lümmel ganz genau weißt, obwohl du erst knapp dreizehn Jahre auf diesem Planeten lebst."

Um elf gingen die Dusoleils und ihr Feriengast zu Bett. Julius dachte noch mal an die Einladung Virginies. Das brachte ihn auf die Idee, für seinen eigenen Geburtstag Einladungen zu verschicken. Morgen wollte er Einladungen schreiben und mit Madame Dusoleil absprechen, wie er am nächsten Dienstag feiern durfte. Denn daß er feiern würde, ja mußte, war ihm klar.

Wie üblich stand er am nächsten Tag eine halbe Stunde vor dem lauten Schrei von Claires magischem Hahnenwecker auf, zog sich an und lief um den Dorfteich. Wie bereits zur guten Gewohnheit geworden stellte sich Barbara Lumière nach wenigen Minuten ein und gab Julius eine passable Laufgeschwindigkeit vor.

"Du wirst immer besser, Julius. Vor einer Woche konntest du mir bei dem Tempo nicht einmal hinterherlaufen, und nun hältst du schon die fünfte Runde in Folge Schritt", lobte die für sportliche Dinge begeisterte Junghexe den Feriengast der Dusoleils. Als dieser meinte, daß dies ja wohl an der Trainerin liege, lachte sie und legte einen Schritt zu. Julius schloß sofort auf und hielt das Tempo gut durch, ohne zu schnaufen. Gleichmäßig atmend blieb er in einem präzisen Laufrhythmus, bei dem er mit weiten aber wenigen Schritten die Geschwindigkeit mitgehen konnte. Nach der siebten Runde bremste Barbara das Tempo wieder und sagte:

"Deine Gastmutter würde dir verbieten, dich mit mir weiter herumzutreiben, wenn ich dich wieder an den Rand der Erschöpfung treibe. Aber im Moment bist du sehr gut in Form."

"Auf jeden Fall habe ich mir die Kondition wiedergeholt, die ich vor zwei Jahren noch hatte", meinte Julius mit vor Anstrengung rosigem Gesicht. Schweißperlen glitzerten auf seiner bereits gut von der Sommersonne gebräunten Stirn.

"In Hogwarts könnt ihr nicht so gut Frühsport machen, wie? Ich habe da keinen einzigen gesehen, der sich mal vor sechs aus dem Schloß getraut hätte", bemerkte die Sprecherin des grünen Saales von Beauxbatons. Julius sagte dazu nur, daß Filch, der Hausmeister, sowie Peeves, der Poltergeist, jeden Frühsportler drangsalieren würden, der vor dem allgemeinen Wecken durchs Schloß geistere.

"Das würde dir ihn Beauxbatons nicht passieren, Julius. Zum einen haben wir solch einen Chaoten wie Peeves nicht unter unserem Dach, zum Anderen haben wir gerade für Körperübungen außerhalb des Quidditchtrainings eine wunderbare Laufbahn und eine Sprunggrube. Was meinst du, wieso die Roten sich so stark halten?"

"Na klar", erwiderte Julius. "Die Jungs boxen und raufen, die Mädels feuern sie mit Tanzdarbietungen an, wie die Muggel bei den amerikanischen Mannschaftssportarten."

"Wird wohl auch sein", grinste Barbara. Dann fragte sie Julius, ob er ihr noch ein paar dieser Kampftechniken zeigen konnte, von denen er gesprochen hatte. Julius dachte kurz nach, dann stellte er sich wieder so, daß er seinen Schatten als Gegner hatte und schaffte es, einige schnelle Hand- und Fußangriffsübungen zu zeigen. Barbara fragte ihn, was er täte, wenn jemand ihn so stark bedränge, daß er nicht zuschlagen oder -treten könne. Dabei packte sie Julius ansatzlos so, daß seine Arme blockiert waren und Barbara ihn fest an sich gedrückt hielt. Julius versuchte es mit einer Sichelbewegung des linken Beins, um das ältere und größere Mädchen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sie konnte sich zwar im ersten Moment fangen, kippte aber im zweiten Ansatz nach hinten über und riss Julius mit sich. Der Länge nach landeten beide auf dem kiesbestreuten Rundweg. Julius fühlte sich irgendwie überrumpelt, obwohl er Barbara umgeworfen hatte. Diese lachte und gab Julius frei. Sie rollte sich von ihm weg und stand behände wieder auf. Im nächsten Augenblick hatte sie Julius mit einem Arm um die Schultern gelangt und ihn hochgezogen.

"Das sah aber jetzt verboten aus, wie wir da zusammengehangen haben", meinte Julius. Barbara lachte immer noch. Erst nach einer halben Minute fand sie die ersten Worte.

"Das kenne ich. Das war Judo, auch was aus Japan. Ein Cousin von mir, der eine japanische Hexe geheiratet hat, hat mir mal ein paar Tricks gezeigt. Aber das geht nur, wenn der Gegner es zuläßt, daß du ihn packen und werfen kannst. Deine Kampftechnik ist da doch besser als direkter Abwehrkampf zu gebrauchen."

"Hoffentlich hat uns keiner gesehen, der meint, du wolltest mich zu irgendwelchen, öhm, körperlichen Unartigkeiten verführen."

"Achso, daran hast du gedacht", erwiderte Barbara und lachte wieder. "Na klar, ihr Jungs in diesem Alter denkt ja immer häufiger an sowas. Aber ist ja nett, daß du mir zubilligst, ich hätte dich rumkriegen wollen und nicht du mich."

 

"Bloß nicht! - Ähm, ich meine ..., Öööhm, ich habe nichts gegen dich. Aber soweit würde ich dann doch nicht ..., ich meine, du bist doch etwas älter als ich und hast wohl schon einen festen Freund, von dem ich bestimmt keine reingesemmelt bekommen will, falls der denkt, ich könnte ihm was abspenstig machen und ...", druckste Julius herum und mußte dann auch lachen, weil es einfach zu idiotisch war, sich in solchen Gedanken zu verheddern, ohne daß dazu auch nur ein Grund bestand.

"Wir erzählen das keinem, Julius. Ich reinige dir den Anzug mal eben und bring dich nach Hause", entschied Barbara und holte aus ihrer kleinen Umhängetasche ihren etwa sechs Zoll langen Zedernholzzauberstab heraus und winkte kurz über Julius' Jogginganzug hinweg. Der vom Fall aufgelesene Staub wehte als kleine Wolke davon. Julius stand still, bis kein Stäubchen mehr am Anzug oder an seinem Kopf war. Danach fegte die Beauxbatons-Schülerin auch von ihrem praktischen Sportanzug den leichten Staub und Dreck fort und brachte ihr kurzes braunes Haar wieder in Ordnung. Dann nahm sie Julius bei der Hand und trabte mit ihm zusammen zum Dusoleil-Haus zurück. Unterwegs fragte sie ihn noch:

"Weißt du eigentlich schon, daß am 1. August Maya Unittamo nach Millemerveilles kommt?"

"Wer is'n das?" Fragte Julius zurück.

"Achso ja, ihr habt es ja mit Wendel! - Maya Unittamo hat für die führenden Zaubererschulen der Welt die Bücher zum Verwandlungsunterricht geschrieben und ist eine Expertin auf dem Gebiet der Autotransfiguration in Lebewesen und leblose Gegenstände. Professeur Faucon, die dir ja, wie ich mitbekommen konnte, unsere Zauberstabtechniken für Verwandlungen beigebracht hat, hat diese von ihrem Verwandlungslehrer, der sie wiederum von ihr, Maya Unittamo, persönlich gelernt hat. Insofern könnte dich das interessieren, daß sie herkommt."

"Ich weiß nicht, ob mich das interessieren dürfte. Ich bin froh, daß ich mit Kräuterkunde und Verteidigung gegen die dunklen Künste gut versorgt werde. Außerdem, wenn eine wichtige Persönlichkeit der Zaubererwelt irgendwo auftritt, kommen doch viele andere auch. Es muß nicht jeder wissen, daß ich hier bin. Ich bin zwar nicht berühmt, aber dieser Zeitungsartikel zu Ostern hat mir gereicht. Madame Faucon wollte haben, daß ich in Sicherheit vor Vol..., ähm, dem dunklen Lord und seiner Bande meine Ferien verbringe."

"Dem steht nichts im Weg. Die Todesser kommen hier nicht herein, ohne arge Probleme zu bekommen. Außerdem ist das ja nur ein kleiner Auftritt, der nicht in der Zeitung angekündigt wurde. Maman und Madame Faucon haben sie nur zu Besuch geladen, falls sie nach ihrem Auftritt in Paris noch Lust hat, sich zu entspannen. Sie wird wohl einige Tage hier wohnen, hat Maman mir gestern abend noch verraten."

"So, und dann plauderst du das aus? Die Dame will doch bestimmt ihre Ruhe haben, wenn sie vor tausenden ignoranter Zauberer ihr Können gezeigt hat", erwiderte Julius.

"Ruhe wird sie hier haben, Julius. Außerdem wird sich das nicht verheimlichen lassen, daß sie herkommt. Millemerveilles ist ja keine überlaufene Großstadt, in der sich jemand unbemerkt verstecken kann. Millemerveilles bietet gerade für umherreisende Hexen und Zauberer eine wunderbare Erholungsmöglichkeit."

"Achso, und ich dachte schon, die wolle hier groß auftreten", sagte Julius. Barbara grinste nur. Dann sagte sie:

"Außer Hecate Leviatas Konzert letztes Jahr, wo du ja auch warst, werden wir wohl demnächst nur noch die Quidditchweltmeisterschaft ausrichten. Wenn Madame Unittamo es will, wird sie uns hier wohl was vorführen. Aber den eigentlichen Vortrag über zeitgenössische Verwandlung wird sie in Paris halten, wenn sie aus den amerikanischen Staaten herüberkommt."

"Ach, nach London geht sie nicht?" Fragte Julius.

"Sie wird wohl Hogsmeade besuchen. Aber London selbst wird sie nicht aufsuchen. Das hat was mit dem Zauberer zu tun, der eure Verwandlungsbücher geschrieben hat. Er war nicht besonders begeistert, daß sie ihn kritisiert hat und hat angekündigt, bei einem öffentlichen Auftritt in England Krawall zu machen. Diese Gelehrten sind doch manchmal wie kleine Kinder."

"Ich lerne bei Madame Faucon ja die Abwehr dunkler Kräfte. Aber als sie mir die neuen Stabtechniken beibrachte, habe ich doch den Eindruck bekommen, daß die besser seien."

"Professor McGonagall hat uns aus Beauxbatons das so erklärt, daß die Wendel-Techniken, die sie bevorzugt, eine größere Fehlertoleranz hätten als die Kinetologos-Verknüpfungen Unittamos."

"Hmm, das hat sie uns auch erzählt, als wir nur zu dritt in der Verwandlungsstunde saßen, weil Snape in einer Zaubertrankstunde nicht darauf aufpassen wollte, daß Leon den Trank vermurksen könnte. Du erinnerst dich?"

"Zu gut. Immerhin hatte die Klasse, bei der ich über das Schuljahr mitlernen sollte genau nach euch Zaubertränke. Snape war nicht gerade begeistert", grinste Barbara.

"Hast du ihn wieder überanstrengt, Barbara?" Wollte Madame Dusoleil wissen, als sie ihrem Gast die Tür öffnete. Die Hauskameradin von Jeanne schüttelte beruhigend den Kopf.

"Ich habe nur sichergestellt, daß er nicht von jetzt auf gleich von Laufleistung auf Stillstand wechselt, Madame. Wenn unsere Ferien umsind, wird Julius sehr viel kräftiger und schneller sein als vorher."

"Das gefällt dir wohl, daß ein Junge sich von dir anleiten läßt, wie, Barbara?" Fragte Madame Dusoleil mit gemeinem Grinsen. Barbara machte eine abwehrende Geste und sagte:

"Ich leite ihn nicht an, sondern gebe ihm nur die nötige Ausrichtung, um sich nicht zu langweilen und zurückfallen zu lassen. Mehr ist es nicht."

"Dein Brüderchen macht sowas nicht mit, nicht wahr?" Fragte Julius.

"Das will ich so nicht sagen, Julius. Aber Jacques hält sich schön von mir fern und bleibt lieber bei seinen Leuten", erwiderte Barbara.

"Nun, dann danke ich dir, daß du meinen Hausgast unversehrt abgeliefert hast. Grüße mir deine Eltern und Jacques! Deine Maman hat ja im Moment mehr mit deinen neuen Schwesterchen zu schaffen als vor der Geburt", sagte die Gartenhexe. Barbara nickte.

"Maman sagt aber, daß es ihr lieber ist, die beiden fortzulegen, wenn sie ihr zu schwer werden. Vorher ging das ja nicht." Die junge und die erwachsene Hexe lachten.

Julius verabschiedete sich lässig von Barbara und gab ihr auch von sich Grüße an ihre Familie mit. Dann gingen Madame Dusoleil und er ins Haus zurück.

In der Küche erzählte Julius seiner Gastmutter, was er mit Barbara angestellt hatte, verschwieg jedoch, daß er sich mit ihr ohne es zu wollen auf den Boden gelegt hatte. Als er von der angekündigten Besucherin sprach, bekam Madame Dusoleil leuchtende augen. Sie flüsterte:

"Kein Wort zu Jeanne oder Claire darüber. Die beiden kennen Madame Unittamo noch nicht, obwohl Claire sehr für ihre Verwandlungskünste schwärmt. Ich habe sie vor fünf Jahren einmal getroffen, als sie mit ihrer ganzen Familie ihren neunzigsten Geburtstag in der Musikhalle gefeiert hat."

"Wie alt ist die?" Entfuhr es Julius, der seine Stimme gerade noch auf Flüsterlautstärke halten konnte.

"Maya Unittamo feiert in diesem Jahr ihren sechsundneunzigsten Geburtstag. Die könnte Blanches Mutter sein", erwiderte die Hausherrin und Gartenhexe lächelnd.

"Ich hörte, daß Hexen und Zauberer nicht unsterblich seien aber ein sehr langes Leben haben könnten, wenn sie nicht durch einen Unfall oder tödlichen Angriff sterben. Aber so'n Alter ist für mich immer noch heftig. Meine vier Großeltern sind gerade mal 74 bis 76 Jahre alt, und mein Opa väterlicherseits kann nicht mehr laufen."

"Dumbledore ist doch mindestens schon über einhundertzehn Jahre alt", wandte Madame Dusoleil ein. Julius wußte es nicht so genau. Er hatte nur gehört, daß Dumbledore schon vor über fünfzig Jahren in Hogwarts gearbeitet hatte und das er ebenso vor über fünfzig Jahren seine alchemistischen Forschungsergebnisse veröffentlicht hatte. Er fragte noch:

 

"Wie ist das zu erklären. Wachsen Zauberer und Hexen langsamer auf, oder wie geht das?"

"Zauberer wachsen, wie du an meiner Claire sehen kannst, genau so schnell auf, wie Muggelkinder. Aber offenbar ernähren wir uns besser oder durch die Zauberei wird der Alterungsprozess immer langsamer. Auf jeden Fall weiß ich von einer Druidin, die hier vor 2100 Jahren gelebt hat, die es auf 200 Jahre brachte und zwar ohne sich zwischenzeitlich durch den Infanticorpore-Fluch zurückversetzen zu lassen."

"Ja, den gab's ja da noch nicht, hat uns Madame Faucon erzählt", erinnerte sich der Hausgast der Dusoleils an jene Unterrichtsstunde, wo er sich freiwillig mit diesem Fluch hatte belegen lassen und nun heilfroh war, daß seine Mutter ihm den minutengenauen Geburtstermin erzählt hatte.

Schritte klangen auf der Treppe. Sie waren leicht und federnd. Keine halbe Minute später tauchte Claire gewaschen und mit glattgebürstetem schwarzen Haar in einem ziegelrotem Sommerkleid im Türrahmen auf, sah erst Julius strahlend an und begrüßte dann erst ihre Mutter, um dann den Feriengast aus England in eine kurze Umarmung zu schlingen.

"Hallo, Julius! Warst du wieder mit Barbara laufen?"

"Sie hat mich gelassen, Claire. Sonst hätte ich ja alleine laufen müssen", erwiderte Julius, der nicht wußte, wie er sich fühlen sollte, weil ihn die fast dreizehnjährige Junghexe immer noch mit den Armen umfangen hielt und ihre Haare seine linke Wange streichelten.

"Sonst hätte sie alleine laufen müssen, wie in Beauxbatons", säuselte Claire. Ihre Mutter räusperte sich, weil ihr Claires Verhalten etwas zu innig erschien. Julius atmete ruhig ein und aus, als ihn die mittlere der drei Dusoleil-Töchter freigab und sich in gebührlichem Abstand von ihm aufstellte. Dann sagte sie ruhig:

"Es ist schließlich so, daß die älteren Schüler in Beauxbatons morgens durch die Schlafräume gehen und die jüngeren Schüler aufwecken, damit sie auch pünktlich im Speisesaal sind, ordentlich gewaschen und angezogen. Bei uns kannst du nicht einfach meinen, um halb acht schon zu frühstücken und dann um acht Uhr wieder vom Tisch aufstehen, Julius."

"Och, Hat Jeanne dir erzählt, daß ich am Besuchstag meiner Mutter ihrer Frühstücksaufsicht zuvorgekommen bin?" Erkundigte sich Julius gehässig. Madame Dusoleil sah ihn kurz mit ernstem Gesichtsausdruck an, mußte dann aber schmunzeln.

"Jeanne hat sich Sorgen gemacht, du würdest dich körperlich übernehmen und nicht genug essen", erläuterte die Mutter Jeannes und Claires. "Aber was Claire erzählt, das stimmt. Die älteren Schüler tragen die Verantwortung dafür, daß die jüngeren alle zur festgelegten Zeit mit allem fertig werden. Immerhin fängt ja der Unterricht in Beauxbatons um acht uhr an und geht bis ein Uhr mittags."

"Wann wird da geweckt?" Wollte Julius wissen.

"Sechs Uhr morgens", antworteten Mutter und Tochter Dusoleil gleichzeitig. Madame Dusoleil führte aus, daß den Schlafsaalbewohnern drei große Waschräume pro Geschlecht zustanden und für die Körperpflege genug Zeit eingeräumt wurde. Um sieben Uhr sei dann Frühstücksbeginn. Um Viertel vor Acht hieß es: "Alles fertig machen für den Unterricht!" Die Stunden, so Claire, wären Doppelstunden, drei an der Zahl. Manchmal gäbe es auch eine Doppeldoppelstunde, in Zaubertränken oder Kräuterkunde zum Beispiel, wo wichtige Dinge nicht in einer so kurzen Zeit abgehandelt werden könnten.

"Habt ihr euch auch für die dritte Klasse neue Fächer dazugewählt?" Fragte Julius Claire. Diese nickte.

"Mmhmm! Ich habe mir Pflege magischer Geschöpfe und Muggelkunde ausgesucht. Alte Runen erschien mir doch zu heftig viel, nachdem Virginie, die dieses Fach belegt, so viel gestöhnt hat. Wir müssen ja nur zwei Fächer nehmen, wenn uns keine drei oder vier einfallen. Du hast dir doch noch Arithmantik ausgesucht, richtig?"

"Ja, habe ich. Muggelkunde war mir aus bekannten Gründen zu blödsinnig, weil ich da nichts neues oder wichtiges lernen könnte. Die Runen braucht man ja doch, wenn ich das dieses Jahr richtig mitbekommen habe", sagte der Hogwarts-Schüler.

"Es gibt in der Zauberkunst Vorgänge, wo man diese alten Zeichen kennen muß. Aber vor allem sind sie die alte Schrift früherer Zauberer und Hexen, wo noch vieles vom alten Wissen zu lesen ist", sagte Madame Dusoleil.

Jeanne kam in ihrem sonnengelben Freizeitkleid in die Küche und erkundigte sich, ob sie noch was helfen könne. Ihre Mutter schüttelte verneinend den Kopf. Dann setzte sich die älteste der drei Schwestern. Claire folgte dem Beispiel und deutete mit einer flüchtigen Geste auf den freien Stuhl zwischen sich und Jeanne. Julius nahm Platz. Als dann noch Monsieur Dusoleil und seine Schwester eintraten, konnte gefrühstückt werden. Denise war vom Spielen am Vorabend so müde, daß sie noch fest schlief.

Wie üblich lasen sich die Familienangehörigen und ihr Gast gegenseitig aus dem Miroir Magique vor. Ein Artikel, den Julius besonders interessant fand, wurde von ihm für alle hörbar verlesen:

"Neue Erfindung! Das Reisehaus!

Das Glanzstück der diesjährigen Fachmesse für mobile Magie bildete das von den italienischen Zauberarchitektinnen Simona und Leonarda Varanca vorgestellte Dommobil, bei dem es sich um ein vollkommen ausgestattetes Einfamilienhaus handelt, welches durch Raumveränderungs- und Zeitbannzauber so beschaffen ist, daß es durch Drehen des extra dazu angefertigten Schlüssels im Haustürschloß auf ein Hundertstel seiner Ausgangsgröße zusammenschrumpft und bequem in eine Reisetruhe passt, die ein zum Haustürschlüssel passendes Schloß besitzt. Alle im Haus befindlichen Gegenstände werden mitgeschrumpft, wobei der Zeitbann verhindert, daß sie sich bei der Reise bewegen können. Am Urlaubsort wird auf einer freien Fläche das Haus einfach aus der Truhe geholt, aufgestellt und die Truhe mit dem Schlüssel verschlossen. Schließt das Schloß der Truhe, wächst das Dommobil wieder auf seine Ausgangsgröße an. Durch das Öffnen der Haustür wird es mit dem Boden, auf dem es steht verankert. Die Wasserversorgung geschieht über den Aquatractus-Zauber, den Zauberkunstlehrer aller europäischen Zaubereischulen in der sechsten Klasse lehren. Aus Umgebungsluft und Boden wird so viel Wasser in den hauseigenen Tank für Kalt- und Kessel für Warmwasser gezaubert, daß die Urlauber dort wie an ihrem angestammten Wohnort leben können, ohne auf den gewohnten Komfort zu verzichten. Die Abwasserentsorgung geschieht auf ähnliche weise, wobei jedoch Schmutz und Wasser getrennt werden und der Schmutzanteil zu Pflanzendünger verändert wird. Dadurch ist Urlaub und Wohnkomfort ohne Beeinträchtigung der Umwelt möglich, ohne gleich in einem Gasthaus oder gar Zelt absteigen zu müssen. Allerdings, so die leicht bittere Erkenntnis, ist dieses Luxushaus nicht billig. Über den Preis wollten sich die Schwestern Varanca zwar nicht verbreiten, man könne jedoch über eine Ratenzahlung mit ihnen oder ihren Lizenznehmern verhandeln."

Unter dem Artikel war ein bewegliches Schwarz-Weiß-Foto, das ein kleines Ziegelhaus mit rauchendem Schornstein zeigte, das sich abwechselnd verkleinerte oder vergrößerte. Zwei kleine, sehr runde Hexen mit dunklem Haar standen vor dem Haus und strahlten den Betrachter des Bildes an. Als Julius zurückstrahlte, winkten sie ihm zu, als seien sie selbst hinter einem Fenster und nicht mit einer Zauberkamera eingefangene Abbilder ihrer selbst.

"Dann können die den Holländern Konkurrenz machen, wenn die mit ihren Wohnwagen über die Autobahnen fahren", spottete Julius, der sich noch an die Fluchparade seines Vaters erinnerte, als sie vor einigen Jahren in Belgien waren und dort einer Kolonne von Wohnwagengespannen mit gelben Nummernschildern hinterherzockeln mußten.

"Holländer und Wohnwagen? Ach, dieser Skandal mit dem kauzigen Clas de Grot, der sich von den Muggeln irgendwelche fahrbaren Wohnstätten abgeschaut und die nachgebaut hat. Der hat eine Strafe für den Mißbrauch von Muggelartefakten und eine Plagiatsanzeige von uns bekommen, weil er Techniken der Beauxbatons-Reisewagen ohne die Einwilligung der Eigentümer kopiert hat. Das meinst du wohl", gab Monsieur Dusoleil gehässig grinsend zurück. Julius dachte zwar nicht daran, aber er nickte, als wenn dem so gewesen sei.

Nach dem Frühstück sah er Claire zu, wie sie mit Elisa, Caro und Dorian zum Ferienunterricht flog. Jeanne, die neben ihm den Abflug ihrer Schwester beobachtete, nickte zufrieden.

"Sie kommt nun besser mit dem Besen zurecht", kommentierte sie Claires Flugkünste. Julius nickte. Dann fragte er:

"Hat dir Claire erzählt, was die so in ihrer Gruppe machen?"

"Da geht es immer noch um den Zauberfinder. Offenbar können die Kleinen ihn noch nicht richtig anwenden."

Wie sie "die Kleinen" sagte, lief es Julius merkwürdig den Rücken runter. Offenbar hielt Jeanne große Stücke auf Julius, daß sie ihn nicht in diese Kategorie einteilte.

Der Hogwarts-Schüler ging ins Haus zurück, um sich mit Madame Dusoleil zu unterhalten. Sie stand in der Küche und dirigierte ein magisches Ballett von Geschirr und Scheuerlappen, das in Spülbecken und auf Anrichten aufgeführt wurde, mit ihrem Zauberstab. Als sich das Geschirr selbst abwusch und die Scheuerschwämme die Reste der Frühstückszubereitung fortputzten, wandte sie sich an ihren Gast und sah ihn erwartungsvoll an.

"Du möchtest mit mir absprechen, wie du deinen dreizehnten Geburtstag feiern möchtest, Julius?" Fragte die Hausherrin.

"Genau, Madame Dusoleil", erwiderte Julius. "Jeanne und Sie meinten ja, daß ich das vor dem Wochenende noch mit Ihnen abklären sollte."

"Wie stellst du dir vor, was du gerne machen möchtest?" Fragte Madame Dusoleil interessiert. Julius sagte dazu nur:

"Hmm, ich wollte ein paar Leute einladen, die hier wohnen, wohl den Ferienkurs und Barbara Lumière, sowie Madame Faucon und Madame Delamontagne. Ich weiß nicht, ob ich Gloria und Pina einladen kann, weil die ja in Amerika sind und bei Glorias Großmutter untergebracht sind. Wenn ich Glorias und Pinas letzten Brief richtig verstehe, bringt ihnen Mrs. Porter auch Abwehrzauber gegen die dunklen Künste bei und hat wohl einen Stundenplan ausgearbeitet, wie Madame Faucon auch. Dann weiß ich nicht, ob ich meinen Klassenkameraden Kevin Malone und die Hollingsworths einladen kann. Jenna und Betty wollten mit ihren Eltern in die Ferien fahren, und Kevin ist auch mit seinen Eltern unterwegs. Ansonsten habe ich nichts großes geplant, weil ich auch nicht möchte, daß Sie dafür zuviel Geld ausgeben müssen."

"Dann mußt du Einladungen verschicken, und zwar so schnell, daß sie ankommen, bevor dein Geburtstag vorbei ist. Wolltest du auch deine derzeitige Betreuerin einladen?"

"Könnte ich machen", meinte Julius und fragte dann, ob er auch Aurora Dawn einladen dürfe. Madame Dusoleil lachte nur.

"Sie hat mich schon gefragt, ob ich sie wieder beherbergen würde, falls du sie einlädst, Julius. Natürlich darfst du auch sie einladen."

"Dann muß ich zum Postamt und die Eulen per Express losschicken. Das Geld dafür habe ich noch", erwiderte der Hogwarts-Schüler. Madame Dusoleil nickte. Dann fragte sie, was er sich für die Feier vorstellte. Er dachte kurz nach und sagte dann, daß er ja nicht so einen Tanzabend machen könnte, wie bei Claires Geburtstag, da es wohl mehr Mädchen und Frauen zu Besuch geben würde als Jungen und Männer. Madame Dusoleil nickte. Dann fragte sie, ob er vielleicht Begleitmusik haben wolle. Julius nickte. Danach ging er mit mehreren Galleonen los und suchte das Postamt auf, wo er sich mehrere Einladungskarten (eine Sickel das Stück) und Briefumschläge kaufte. Dann setzte er sich an einen der kleinen weißen Tische abseits der Schalter und schrieb mit königsblauer Tinte in die mit tanzenden Lichterfeen, über Gras springenden Einhörnern und unter einem blauen Himmel dahinfliegenden Hexn in weißen Kleidern auf goldenen Besen die Einladungen. An Gloria und Pina schrieb er jeweils, daß er Mrs. Porter fragen wolle, ob sie zu ihm kommen könnten, fals sie das wollten. An Mrs. Porter schrieb er:

Sehr geehrte Mrs. Porter,

hiermit möchte ich Sie fragen, ob Sie es erlauben und ermöglichen, daß Gloria und unsere gemeinsame Freundin Pina am Dienstag, dem 20. Juli, zu meinem dreizehnten Geburtstag kommen dürfen, falls die beiden das wollen. Da ich weiß, daß Reisen über die Kontinente nicht gerade billig sind, bin ich gerne bereit, einen Teil der Reisekosten zu erstatten. Da ich nicht weiß, ob sie tatsächlich einen geregelten Stundenplan in der Abwehr dunkler Künste aufgestellt haben, muß ich Sie ja fragen, ob Sie was dagegen haben. Da ich selbst einen durchgeplanten Unterrichtsablauf bei der Ihnen bekannten Professeur Faucon habe, kenne ich das Problem, Sachen unterzubringen, die wichtig sind.

Ich hoffe, daß ich Sie nicht mit dieser Bitte belästigt habe und verbleibe

mit respektvollen Grüßen

     Julius Andrews

Danach schrieb er noch die Einladung für Aurora Dawn und Mrs. Priestley auf Karten mit fliegenden Hexen. Diese schickte er zusammen mit der Einladung an Gloria und Pina zuerst los. Er sah, wie drei Eulen von der königsblauen Wand aufflogen, an der das Schild AMERICA befestigt war und die drei Einladungskarten in den Umschlägen mitnahmen. Dann flog eine Eule von der rostroten Wand, die mit AUSTRALIA gekennzeichnet war los, um den Express-Brief an Aurora Dawn zu übernehmen und ans Ziel zu bringen. Schließlich flog die Express-Eule mit dem Brief für Mrs. Priestley, die von der meergrünen Wand mit dem Schild EUROPA kam, in Richtung Großbritannien davon.

Danach schickte er mehrere Eulen an die Mitglieder seiner Ferienklasse, sowie eine Einladungskarte an Professeur Faucon. Auf dieser stand:

Sehr geehrte Professeur Faucon,

hiermit möchte ich Sie offiziell zu der Feier meines dreizehnten Geburtstages einladen. Da ich Ihnen sehr viel zu verdanken habe, möchte ich Sie an diesem besonderen Tag gerne im Haus der Familie Dusoleil dabeihaben, zumal mir Madame Dusoleil die Erlaubnis gewährt hat, alle die einzuladen, die ich gerne bei meiner Feier dabeihaben möchte.

Falls Sie Zeit und Lust haben, an dieser ungezwungenen Feier teilzunehmen, sind Sie recht herzlich eingeladen, am Dienstag um vier Uhr Nachmittags zum Haus der Familie Dusoleil zu kommen.

Mit freundlichen und hochachtungsvollen Grüßen

     Julius Andrews

Schließlich schrieb er noch einen kurzen Brief an Kevin, indem er vorsichtig formulierte, daß er am Dienstag feiern würde. Er hoffte, daß Kevin tolle Ferien verbringe, so wie er. Dann schrieb er noch, daß er es gerne gehabt hätte, daß Kevin zu ihm kommen könne, aber auch nicht böse sei, wenn dies nicht ginge. Auch diesen Brief schickte er mit einer Eule von der Europa-Wand aus nach Irland los.

Ganz zum Schluß schickte er noch Einladungen an Madame Delamontagne, Barbara Lumière und die Familie Dusoleil los. Jeanne und Claire wollte er Einladungen von Francis, seiner eigenen Eule zustellen lassen. Dann kehrte er ins Dusoleil-Haus zurück.

Jeanne saß mit Barbara zusammen im Garten der Dusoleils und besprach Hausaufgaben für Professeur Trifolio, den Beauxbatons-Kräuterkundelehrer. Madame Dusoleil hockte auf einem Kirschbaum und sammelte dessen reife Früchte in einem großen roten Eimer. Kaum betrat Julius den fast wie einen kleinen Park so großen Garten, flog eine meergrün beringte Posteule auf Barbara zu und ließ ihr einen der von Julius verschickten Umschläge auf den Tisch fallen. Jeanne lachte, als der Hogwarts-Schüler ein verdutztes Gesicht zog, weil die Einladung hier und jetzt schon ankam. Das gefiel ihm nicht so sehr, weil er Jeanne und Claire ja noch Einladungen verschicken mußte. So sagte er keinen Ton, lief so unverdächtig wie möglich ins Haus und weckte Francis, das Schleiereulenmännchen, das ihm Aurora Dawn zum zwölften Geburtstag geschenkt hatte. Er schrieb für Jeanne auf eine Einladungskarte mit fliegenden Besen und für Claire auf eine Einladungskarte mit dem Einhorn, daß er sich sehr freuen würde, wenn sie am nächsten Dienstag zu seiner Geburtstagsfeier kommen würden. Dann schickte er Francis mit den beiden Karten los, er möge sie den Mädchen in ihre Zimmer werfen, falls die Fenster geöffnet seien. Francis nickte wie ein zustimmender Mensch und trug die beiden Karten aus dem Fenster des Waldlandschaftszimmers, das Julius zurzeit bewohnte.

Keine halbe Minute war verstrichen, als der Eulenvogel wiederkam und triumphierend mit den Flügeln klapperte, als er sich wieder auf seiner Käfigstange niederließ. Julius fütterte seinen Postvogel und lobte ihn dafür, daß er so schnell gewesen war. Dann ging er aus dem Wohnhaus. Barbara sah ihn strahlend an und winkte ihm, zu Jeanne und ihr zu kommen. Er setzte sich rechts von Jeanne auf einen freien Stuhl und warf den beiden Mädchen einen fragenden Blick zu.

"Danke für deine Einladung, Julius! Jeanne meinte, daß du wohl nicht damit gerechnet hast, daß ich sie vor ihr kriegen könnte. Ich habe deine Eule gesehen, wie sie bei Jeanne und Claire kurz durchs Fenster rein- und wieder rausgeschlüpft ist. Aber auf jeden Fall werde ich mir am Dienstag Zeit nehmen, um dich zu besuchen", sagte die athletische Hüterin der Millemerveilles-Mädchenquidditchmannschaft. Jeanne lachte. Dann meinte sie:

"Wäre es nicht strategisch besser gewesen, Barbara die Einladung erst morgen zu schicken? Dann hättest du nicht solch einen Zeitdruck gehabt."

"Das ist richtig, Jeanne. Ich ging nur davon aus, daß Barbara zu Hause sein würde, wenn die Einladung sie erreicht."

"Auf jeden Fall ist es nett, daß du richtige Einladungskarten verschickst. Hat irgendwie was würdiges an sich", bemerkte Barbara. Dann fragte sie:

"Jacques hast du nicht eingeladen, oder?"

"Hmm, wäre das höflicher gewesen?" Wollte Julius wissen, der nicht recht wußte, ob er da nicht etwas übersehen hatte. Barbara schüttelte bedächtig den Kopf und erwiderte:

"Zum einen läd der seine Schwester nicht zu allem ein, was er so macht, Julius. Zum anderen steht es dir frei, nur die einzuladen, die du gut kennst und mit denen du dich gut vertragen hast. Jacques trägt dir zwar nichts nach, weil ihm andere in den Ohren liegen, daß du besser Quidditch spielst als er, aber andererseits kann er auch darauf verzichten, von dir aus reiner Höflichkeit heraus eingeladen zu werden. Virginie hat ihn ja zu ihrer ZAG-Feier eingeladen, aber er hat zurückgeschrieben, daß ihm das schon reicht, daß Maman ihn wieder zu diesem "langweiligen und trockenen" Sommerball mitschleift. Wer nicht will der hat schon."

Julius atmete auf. Er legte es nicht darauf an, zum Gerede des Dorfes zu werden, daß er eine Party feierte und nicht darauf achtete, alle einzuladen.

Weil sich die beiden Mädchen weiter über die Aufgaben für Trifolio unterhielten, zog sich Julius vorsichtig zurück. Er glaubte zwar, daß er vieles verstehen würde, was die beiden Mädchen zu tun hatten, wußte aber auch, daß manche Klassenkameraden keine Zuhörer mochten, wenn sie ihre Hausaufgaben besprachen. So ging Julius durch den Garten, bis er am Kirschbaum vorbeikam, wo Madame Dusoleil saß und die prallen roten Früchte abpflückte. Sie winkte ihm von oben zu und fragte halblaut:

"Na, haben dich die beiden Demoisellen ziehen lassen? Möchtest du mal probieren, wie die Kirschen sind?"

"Warum nicht?" Erwiderte Julius und turnte ohne weiteres Wort den Baum hoch, bis er auf derselben Höhe wie die Hausherrin war. Sie gab ihm aus dem Eimer ein kleines Bund abgepflückter Kirschen und unterhielt sich mit ihm über das Verschicken der Einladungskarten. Madame Dusoleil erzählte, daß sie den Postvogel schon gesehen hatte, der wohl eine Einladung für sie und die erwachsenen Familienmitglieder gebracht hatte, weil er so viele Umschläge dabeihatte.

"Ich hielt es für wichtig, jedem eine schriftliche Einladung zu schicken. Da Denise ja noch nicht lesen kann habe ich nur drei Einladungen für Sie verschickt. Jeanne und Claire hat meine eigene Eule besucht."

"Dann hast du ja alle erreicht, die du erreichen wolltest."

"Die Frage ist nur, ob alle kommen können oder wollen. Barbara ist die erste, die mir geantwortet hat. Was Gloria und Pina angeht, so hängt es von Glorias Oma ab, was geht."

"Du sagtest, daß Mademoiselle Porter bei ihrer Oma in Amerika sei. Hast du sie schon einmal getroffen?"

"Öhm, ja, im letzten Jahr nach den Osterferien und nach dem Sommer hier, als ich noch einige Ferien hatte, bevor ich nach Hogwarts zurückfuhr. Sie arbeitet in den Staaten in einem Forschungsinstitut", erwiderte Julius, der nicht sofort ausplaudern wollte, daß Mrs. Jane Porter eine Expertin für die Abwehr dunkler Kräfte war.

"Oh, Jane Porter vom Laveau-Institut zur Erforschung und Bekämpfung dunkler Künste? Blanche hat mir mal von ihr erzählt, daß sie sehr umgänglich und für vertretbare Späße zu haben sei. Sie mochte nur nicht, wie die Dame ihren Vornamen in dieser amerikanischen Verunstaltung betonte, obwohl sie sehr gut Französisch sprechen soll."

"Huch! Sie haben schon von ihr gehört? Ja, das mit dem Vornamen von Prof..., ähm, Madame Faucon stimmt. Das liegt daran, das dieser Name in den Staaten ein gängiger Frauenname ist, insbesondere in den Südstaaten, wo sie ja lebt, weil da früher viele Franzosen gelebt haben, deren Nachfahren heute dort wohnen", sagte Julius und lieferte ohne es zu müssen eine Rechtfertigung für Mrs. Porter ab. Madame Dusoleil lachte und strich Julius kurz über die linke Wange.

"Du wirst einmal ein berühmter Wissenschaftler, so wie du Zusammenhänge darlegen kannst", scherzte sie. Dann sagte sie noch: "Ja, dann wird diese Dame wohl ihrer Enkelin einiges beibringen, zumal du deinen Klassenkameradinnen wohl erzählt hast, was du hier sollst, oder?"

"Hmm ... öhm ... mag sein", brachte Julius schwerfällig heraus.

"Aurora wird dir und mir wohl spätestens übermorgen eine Antwort zuschicken, vielleicht sogar durch eine direkte Express-Eule. Die Mademoiselle hat genug Geld, um eine Eule im Schnellverfahren ..."

Bumm!!! Ein mächtiger dumpfer Knall zerriß die Stille über Millemerveilles und hallte wie dumpfer Donner von allen Häusern und Mauern wider. Julius sah schnell nach oben und fand einen weißen Dampfstreifen im wolkenlosen Himmel. Er folgte der zerfasernden Dunstspur und sah ein im Sonnenlicht glitzerndes Flugzeug mit schmalen Tragflächen in nördlicher Richtung fliegen. Dann hörte er auch das leise Rauschen und Grummeln der jetzt erst eintreffenden Fluggeräusche, die aus sehr großer Höhe herabsanken.

"Schon wieder diese Krachmaschinen!" Schimpfte Camille Dusoleil und sah zu den beiden Mädchen hinunter. Diese unterhielten sich aufgeregt über das Spektakel Julius, der immer noch zum Himmel sah, entdeckte zwei weitere Maschinen, die auf sie zuflogen. Kurz darauf wummerte es zweimal innerhalb von zwei Sekunden wie gigantische Kanonenschläge.

"Ich glaube, ich schreibe meiner Mutter mal und frage sie, welches NATO-Manöver gerade über Südfrankreich abgehalten wird", sagte Julius halblaut eher zu sich selbst. Da er dabei aber die im Moment so vertraute französische Sprache benutzte, fragte Madame Dusoleil, was er meine. Julius erzählte ihr von einem Bündnis der Muggel, in dem alle Soldaten von Nordamerika und Westeuropa sich zusammengeschlossen hatten, um gegen feindliche Staaten im Osten zu kämpfen, falls diese sie angreifen wollten. Während seiner kurzen Schilderung krachte wieder ein dumpfer Überschallknall über dem Dorf.

"Über Wohngebieten dürfen so viele Überschallmanöver in so kurzer Zeit gar nicht ablaufen", erinnerte sich Julius an etwas, was ihm sein Vater vor drei Jahren mal erzählt hatte.

"Das bringt sämtliche Tiere und Kleinkinder in Angst", meinte der Hogwarts-Schüler besorgt. "Das ist der Nachteil der Verborgenheit von Millemerveilles. Die Kampffliegerpiloten denken, daß hier niemand wohnt und ..."

Bumm!!! Der letzte dumpfe Überschallknall schnitt ihm das Wort ab.

"Wenn meine Schwestern davon einen Schaden abkriegen, kriegen die Muggel Ärger!" Rief Barbara nach einer Minute, in der nichts weiteres passierte. Julius verzichtete darauf, etwas zu antworten.

Fünf Minuten später kamen Seraphine und Madame Delamontagne angeflogen und fragten Julius, was da passierte. Julius antwortete frech:

"Bin ich NATO-General? Da müssen Sie den Pariser Verteidigungsminister fragen, was da abläuft, falls er Ihnen das erzählt."

"Unverschämtheit, solche Mordmaschinen über bewohntem Gebiet herumfliegen zu lassen!" Schimpfte Madame Delamontagne und befahl Julius, zu ihr hinunterzuklettern und ihr Bericht zu erstatten, wer für solche Lärmangriffe verantwortlich sei. Julius stieg vom Kirschbaum und setzte sich zu den drei Junghexen und Madame Delamontagne. Er erzählte, was er in seinem Alter schon von der Kriegspolitik in der Muggelwelt kannte und sah zu, wie Jeanne, Barbara und Seraphine sich das notierten. Dann kam auch Virginie und ließ sich kurz erzählen, was passiert sei.

"Ich werde Monsieur Grandchapeau schreiben, er möge sich an diesen - Wie nanntest du ihn, Julius? - Verteidigungsminister wenden, um rauszufinden, was dieser Höllenlärm soll. Notfalls muß er ihm mit Veritaserum die Antworten entreißen. Ich sehe das nicht ein, daß wir hier unter diesen Zerstörungsapparaten zu leiden haben, nur weil die Muggel keinen Frieden geben wollen!" Entschied Madame Delamontagne.

"Ein Großonkel von mir war Major bei der königlichen Luftwaffe", sagte Julius. "Der hat die Anfangszeit der Überschallflugzeuge noch mitbekommen.

"Ich danke dir auf jeden Fall, Julius, daß du mir die entsprechenden Informationen und Fachbegriffe genannt hast. Monsieur Grandchapeau wird das sicherlich gebrauchen können, obwohl seine Frau ja auch in der Muggelwelt Bescheid weiß", wandte sich die füllige Dorfrätin für Gesellschaftsangelegenheiten an Julius. Dann flüsterte sie noch: "Auf jeden Fall danke ich dir für deine Einladung. Ich werde mit Virginie deinem Fest beiwohnen."

"Auf jeden Fall verhindert der Muggelabwehrring, daß die hier noch Tiefflüge machen. Das ist richtig laut", erwiderte Julius.

"Wie gesagt: Ich werde Minister Grandchapeau davon in Kenntnis setzen, daß er ergründen möchte, wem wir diesen Krach zu verdanken haben", wiederholte Madame Delamontagne, was sie schon endschieden hatte.

"Wenn diese Flugungetüme noch weiter über dem Dorf herumfliegen könnten Claire und Elisa von den Besen fallen", äußerte sich Madame Dusoleil besorgt, nachdem sie mit dem vollen Eimer vom Baum gestiegen war. Jeanne und Seraphine nickten zustimmend. Julius sagte sofort:

"Ich fliege um zwölf hin und hole wen ab. Kommt jemand mit?"

"Klar!" Antworteten Jeanne, Barbara und Seraphine sogleich. Madame Dusoleil sah dankbar zu den vier Jugendlichen Zauberschülern und sagte:

"Julius kennt diese Donnerschläge und erschrickt nicht so leicht, wie wir ja im letzten Jahr erst erlebt haben. Ihr anderen drei seid sehr gute Soziusfliegerinnen. Das ist Julius ja auch, auch wenn er noch nicht so viel Erfahrung machen konnte wie ihr."

"Der hat mehr Erfahrung damit gemacht als ich", wiegelte Barbara ab. "Immerhin hat Ihre zweite Tochter ja mit Ihrer Zustimmung durchgesetzt, daß er sie oft mitnimmt. Mein Bruder darf nicht mit mir fliegen, weil Maman will, daß er es alleine schafft."

"Das möchte ich auch bei Claire haben, Barbara. Aber es wäre Unsinn, zu den Ferienstunden mit acht Besen zu fliegen", wandte Madame Dusoleil ein.

Mit einem leisen Plopp apparierte Madame Matine auf der Wiese vor dem Wohnhaus und kam herüber, als Madame Dusoleil ihr zugenickt hatte, willkommen zu sein.

"Viermal hat man mich gerufen, weil Kinder erschraken, oder weil sich Hexen bei Haushaltszaubern vertan haben, wegen dieser Donnerei. Was soll das denn?!" Schimpfte die Heilhexe. "Immerhin konnte ich bei meiner jüngeren Nichte verhindern, daß sie ihr Kind verlor. Wer macht sowas, Julius?"

"Langsam frage ich mich, ob ich hier der einzige bin, der sich mit sowas auskennt", grummelte Julius. Madame Delamontagne räusperte sich und bedeutete dem Hogwarts-Schüler, er möge gefälligst antworten. Julius erzählte es Madame Matine, was geschehen war. Diese fragte, wozu Flugmaschinen schneller als der Schallfliegen mußten. Julius erklärte, daß man dadurch schneller einem Angriff entgehen oder einen Angriff ausführen könne.

"Ich glaube, wir sollten einen Lärmschutzzauber über Millemerveilles aufbauen", schlug Madame Matine vor. "Langsam wird das für uns zu heftig hier."

Julius dachte gerade mit Schrecken daran, daß diese Flugzeuge auch über Millemerveilles abstürzen oder Bomben abwerfen könnten. Tote Materie wurde von den Abwehrzaubern nicht zurückgedrängt. Wenn der dunkle Lord befand, daß er das Zaubererdorf zerstören lassen mußte, wäre es ein einfaches, Millemerveilles mit Atombomben ausradieren zu lassen, indem er einem Kampfpiloten per Imperius-Fluch den Befehl dazu erteilte. Das flüsterte er auch Madame Delamontagne zu. Diese nickte heftig.

"Wir beide reisen morgen nach Paris zu Minister Grandchapeau. Du erzählst ihm das alles, weil ich nicht alles so verstehe und widergeben könnte, selbst wenn ich Muggelkunde hatte und Professeur Paximus auch damals schon sehr viel in diesem Fach abverlangt hat."

"Wie sie meinen, Madame", sagte Julius kleinlaut. An und für sich lag ihm nichts daran, die Sicherheit von Millemerveilles zu verlassen, aber er sah ein, daß er für Madame Delamontagne der einzige wirkliche Muggelexperte in Millemerveilles war. Außerdem hatte er Dank seines Vaters ja noch Bücher über Chemikalien und Atomkraft dabei. Um der Dorfrätin helfen zu können, wollte er sich am Nachmittag mit Erklärungen befassen, die ein muggelunkundiger Zauberer verstehen konnte.

"Ich werde Monsieur Pierre mitteilen, daß wir uns damit befassen. Er wird wohl mitkommen wollen", erklärte Madame Delamontagne. Danach flog sie zu ihrem Haus zurück. Virginie verabschiedete sich auch von julius und flog zurück.

Jeanne, Seraphine, Barbara und Julius liefen eine halbe Stunde vor zwölf Uhr los, um die Ferienschulkameraden abzuholen. In der Zeit rumste es noch mal über dem Dorf. Wieder hatte ein Kampfflugzeug der Muggel die Schallmauer durchbrochen.

Claire freute sich, daß Jeanne und Julius kamen. Madame Faucon sagte:

"Ich hätte die vier per Flohpulver heimbringen müssen. Im Moment traue ich diesem Frieden nicht über den Weg. Warum sind heute so viele Flugzeuge unterwegs?"

"Hmm, wohl ein Manöver. Ich habe es mit Madame Delamontagne schon besprochen. Sie will morgen zu Minister Grandchapeau, um mit ihm zu reden, ob man nicht erweiterte Schutzzauber um Millemerveilles aufrufen könnte", sagte Julius.

"Das wird wohl besser sein", sagte Madame Faucon. Dann sah die Lehrerin zu, wie Seraphine ihre Schwester hinter sich auf den Besen nahm, wie Julius Claire auf dem Superbo 5 der mittleren Dusoleil-Schwester mitnahm, Caro hinter Jeanne aufstieg und Barbara den alten Ganymed 4 von Dorian bestieg. Sie sagte noch:

"Mit dem alten Ding wärest du irgendwann runtergefallen, wenn solch ein Krachding am Himmel aufgetaucht wäre. Halt dich gut fest!"

So ging es zurück zu den Häusern, wo die vier jüngeren Ferienschüler wohnten. Jeanne lieferte Caro noch bei ihrer Mutter im Chapeau du Magicien, dem Dorfgasthaus, ab und kehrte per Apparition von der Dorfmitte aus zum Dusoleil-Haus zurück. Dabei landete sie genau vor Julius, der Claires Besen gerade in den Flur brachte.

"Einen Zentimeter weiter südwärts, und ich hätte dir im Umhang gesteckt, Jeanne", gab Julius eine freche Bemerkung zum besten, nachdem er und Jeanne sich gegenseitig vor dem Hinfallen bewahrt hatten.

"In einem Fall ist das mal passiert, daß bei einer instabilen Ankunft einer jungen Hexe kurz vor der Prüfung jemand tatsächlich im Weg stand und sie ihn tatsächlich in ihren Kleidern einfing, allerdings auf ein Zehntel seiner Ausgangsgröße verkleinert. Madame Matine hat auch schon mal behauptet, daß eine schwangere Hexe beim Apparieren ihr Kind im Körper ihrer Schwester"verlegt" hat, weil sie ihre Schwester auf diesem Weg mitnahm. Auch nicht gerade angenehm."

"Es gibt bestimmt eine ganze Bibliothek voller Berichte allein über Unfälle beim Apparieren", vermutete Julius, jetzt nicht mehr so frech.

"Ja, das stimmt", erwiderte Jeanne.

Nach dem Mittagessen setzte sich Julius in den Garten und schrieb aus den Büchern über Chemikalien und Atomkraft alles auf, was ihm zu Sprengstoff und Atombomben wichtig war. Claire saß daneben und fragte, was er da tat. Er sagte:

"Auftrag von Madame Delamontagne, Claire. Sie will morgen mit mir zu Minister Grandchapeau, um mit ihm zu klären, ob Millemerveilles in Gefahr sei. Ich will zwar keinen Teufel an die Wand malen, also nichts heraufbeschwören, was ich nicht will. Aber Professeur Faucon hat doch gesagt, daß man gerade auf das, was man am wenigsten haben will, am besten vorbereitet sein soll."

"Warum sollten die Muggel uns mit diesen Atombomben angreifen wollen?" Fragte Claire, die begriff, weshalb Julius sich diese Arbeit machte.

"Von wollen spricht keiner. Aber Frankreich hat die Atombombe, genauso wie England, die vereinigten Staaten, Russland und China. Millemerveilles könnte jemandem im Weg sein, der daran drehen könnte, daß es vernichtet wird. Ich wollte dir keine Angst machen", sagte Julius und war unangenehm berührt, weil Claire so heftig erschrak. Dann sagte sie:

"Es ist für uns vielleicht ein sehr großes Glück, daß du da bist und uns sagen kannst, wie gefährlich die Muggelwaffen sind."

"Ich bin das nicht alleine, der das weiß", spielte Julius die Sache herunter. Doch Claire schüttelte den Kopf.

"Minister Grandchapeau kann es sich nicht vorstellen, wie mörderisch Muggelwaffen sind, selbst wenn er weiß, wie grausam der dunkle Lord ist. Du kannst dir das vorstellen. Monsieur Grandchapeau und seine Frau kennen dich und werden es dir glauben, wenn du es ihnen erzählst. Das ist gut, daß du gerade jetzt bei uns bist."

Julius schluckte, so heftig beeindruckte ihn das Vertrauen, ja die Hoffnung, die Claire in ihn setzte. Er verzichtete darauf, sie zu fragen, womit er das verdient habe und meinte nur:

"Millemerveilles ist zu schön und ihr alle habt mich hier sehr freundlich aufgenommen. Ich würde wohl heftige Alpträume haben, wenn ich wegfahre und weiß, daß das Dorf angegriffen werden kann."

"Das wird es nicht so schnell", sagte Claire beruhigend, weil sie spürte, daß Julius wohl verunsichert war.

Als Julius alle Notizen fertiggeschrieben hatte, ging er in sein Zimmer und packte seine Reisetasche. Da flog eine braune Eule zum offenen Fenster herein, die einen blauen Ring am rechten Bein trug. Sie trug einen dicken Briefumschlag am rechten Bein. Julius nahm ihr den Umschlag ab, gab ihr einen Eulenkeks und besah sich den Umschlag. Er trug das Siegel des britischen Zaubereiministeriums, welches er in den letzten Schuljahren schon ein paar mal gesehen hatte. Er las:

 

Julius Andrews
Jardin du Soleil
Millemerveilles
Frankreich

 

Dann entnahm er dem Umschlag vier große Pergamentseiten und las eine lange Mitteilung im besten Beamtenenglisch. Wichtig war ihm dabei der Abschnitt:

"... Gemäß dieser Absprachen mit dem für diese Belange zuständigen Leiter der Abteilung magischer Erfindungen und Neuheiten, sowie dem Leiter Ihres Schulhauses zu Hogwarts, Professor Flitwick, sowie der für Ihre Fürsorge derzeitig verantwortlichen Dr. June Priestley, kann Ihnen hiermit der verbindliche Bescheid erteilt werden, daß Ihr Antrag auf Eintragung eines magischen Gerätes namens "Laterna Magica Vera", Kategorie mechanisches optisch-akustisches Illusionskunstwerk, unter der Patentnummer 42-10-AM-3940 positiv beschieden wurde. Sie Sind damit als Patenthalter dieses oben bezeichneten Gerätes in der internationalen Registratur magischer Erfinder und Erfindungen vermerkt und können gemäß den dafür gültigen Gesetzen, sowie den Gesetzen im Rahmen minderjähriger Erfinder, unter Vorlage von Unterschriften sowohl Ihrer Person, als auch einer erziehungsberechtigten Person und / oder amtlich bestellten Fürsorgekraft über die Verwertung dieses Patentes verfügen. Hierzu die beigefügten Gesetzestexte. Mit freundlichen Grüßen Habilius Dexter, Abteilung für magische Erfindungen und Neuheiten."

Julius schluckte wieder. Er wußte zwar, daß sowohl Flitwick als auch Mrs. Priestley seine Zauberlaterne, die er für Claire gebastelt hatte, beim magischen Patentamt vorstellen wollten, aber daß er dieses Ding tatsächlich patentiert bekam, hätte er nicht vermutet. Er las noch, daß zur Beurkundung des Patentes eine Gebühr von 40 Galleonen entrichtet werden mußte. Da ein Überweisungsformular beigefügt war, war das für Julius kein Problem, da in seinem Gringotts-Verlies mehr als genug Geld vorhanden war. Er füllte die Überweisung aus und schickte sie mit Francis und einer Express-Zustellgebühr für Privateulen, die wesentlich billiger als die offiziellen Posteulen war, nach England zu Mrs. Priestley zur Unterschrift. Dann las er noch die Gesetzesabschnitte, die ihm sagten, was er nun mit seinem ersten Patent anstellen konnte. Dabei erfuhr er, daß er es verkaufen konnte, wenn er eine magische Manufaktur fand, die es verwerten wollte oder einem Zauberkünstler oder einer Zauberkunstmanufaktur die Erlaubnis geben konnte, dieses Gerät herzustellen, wenn sie dafür pro verkauftes Stück eine Gewinnbeteiligung zahlten. Das schwebte ihm eher vor, falls er sich nicht entschloß, daß diese Zauberlaterne einzigartig bleiben mußte, damit Claire etwas einmaliges bekam. Denn das erlaubte ihm das Patent auch. Er mußte es nicht verwerten, wenn ihm daran lag, daß seine Erfindung nicht von anderen nachgemacht und verkauft wurde. Insofern, so wußte Julius, glich das Zaubererpatentrecht wohl dem der Muggel.

Der Hogwarts-Schüler, der nun offiziell als magischer Erfinder eingetragen war, packte die Dokumente in den Practicus-Brustbeutel, der alles auf ein Hundertstel des Gewichts und der Größe einschrumpfte, was durch seine Öffnung paßte und legte seine Notizen sortiert in einer Stofftasche zurecht. Der Brustbeutel war ein Geschenk Aurora Dawns und enthielt neben seinem Gringotts-Verliesschlüssel eine Halbliterflasche mit einem wirksamen Breitbandgegengift, das Aurora Dawn für ihn zusammengemischt und bezaubert hatte. Die Patentdokumente wollte er genauso sicher aufbewahren, wie das Elixier und den Verliesschlüssel.

Um sich von der Schreckensvorstellung, Millemerveilles könnte von einem imperius-versklavten Kampfpiloten bombardiert werden loszulösen, ging er auf Jeannes herausforderung ein, noch einige Übungsstunden auf dem Besen abzuhandeln. Sie warfen sich einen blauen Ball zu, der so groß und so schwer wie ein Quaffel war, jagten sich zwischen den Bäumen hindurch und flogen parallel mit und ohne Körperkontakt. Dann wechselte Jeanne im Flug zu Julius hinüber und ließ sich von ihm einige Runden über dem Garten herumfliegen, bevor sie von hinten steuerte. Julius war es etwas mulmig, als Jeanne ihren Besen per Aufrufezauber wieder zu sich holte, schnell überwechselte und erst einmal herumflog und dann verlangte:

"Jetzt bist du dran. Wechsel zu mir über! Keine Angst! Wenn du nicht nach unten siehst, klappt das."

Julius zögerte. Doch dann gab er sich einen Ruck, flog fast auf gleicher Höhe mit Jeanne, stieg einen halben Meter auf, ließ sich einige Zentimeter zurückfallen, löste die rechte Hand vom Besenstiel, streckte vorsichtig das rechte Bein aus und setzte schnell über. Es tat ihm zwar etwas zwischen den Beinen weh als er etwas unsanft hinter Jeanne auf dem Besenstiel landete, aber das verdrängte er sogleich und schlang seine Arme um Jeanne. Diese stieg sofort waagerecht auf und ließ den reiterlosen Sauberwisch 10 von Julius unter sich zurückfallen.

"Na wunderbar. Deine Reflexe sind dir dienstbar. Du darfst nicht mechanisch handeln. Geht es dir gut?"

"Ich habe mir nur was abgeklemmt, was dir nicht mitgeliefert wurde", gab Julius zu, daß ihm der Wechsel etwas unangenehmer war als Jeanne.

"Achso, ja. Darauf müssen wir achten. Ich habe das bisher immer nur mit Claire oder Maman gemacht, in Beauxbatons auch mal mit Barbara und Virginie. Aber jetzt geht es doch, oder?"

"Joh, Jeanne", sagte Julius entschlossen. Das war wohl ein Fehler. Denn Jeanne verstand es so, daß sie mit ihrem Sozius fast übergangslos wilde Manöver flog. Das dauerte fünf Minuten. Erst dann landete sie lachend mit Julius auf der Wiese. Madame Dusoleil flog derweil auf Julius' Besen herum und beobachtete ihre älteste Tochter.

"Jeanne hat geschrieben, daß du nicht zu der Walpurgisnachtfeier mitdurftest, weil Fleur Roger Davis eingeladen hat", sagte Madame Dusoleil, nachdem Julius aufgeregt aber begeistert vom Besen kletterte. Julius erwiderte:

"War vielleicht besser so. Hinter Fleur auf dem Besen hätte ich ja doch mickrig ausgesehen. Nachher hätten sich noch ihre schönen langen Haare in meinem Umhang oder Gesicht verheddert, und ich habe gelesen, das Veela-Haare sehr unberechenbare Bestandteile magischer Gegenstände oder Zaubertränke sind."

"Davis ist ein sehr guter Besenreiter, Maman. Aber er fühlte sich bei uns anderen nicht wohl. Das lag wohl an der Sprache, Maman", sagte Jeanne.

Claire kam aus dem Wohnhaus und sah leicht verärgert aus.

"Was sollte das, Jeanne. Julius macht sowas nicht mit mir, weil er zuviel Angst hat, ich könnte runterfallen. Wozu tust du sowas?"

"Weil ich sonst keinen Jungen hierhabe, mit dem ich den Besenwechsel trainieren kann, Mademoisellette", flötete Jeanne. Julius sagte nur:

"Jeanne ist volljährig. Wenn sie meint, vom Besen fallen zu wollen, darf sie das. Ich wollte wissen, ob ich das kann und weiß es jetzt."

"Wenn du vom Besen fällst ist das auch schlimm, Julius", wetterte Claire. Dann bestand sie darauf, mit Julius Flugübungen zu machen. Jeanne und ihre Mutter überwachten die Übung, wobei Madame Dusoleil als Sozia Jeannes flog. So um halb sieben beendeten die Kinder den Besenflug und kehrten ins Haus zurück. Julius glättete seinen Umhang, wusch sich Hände und Gesicht und kämmte sich das Haar. Dann gab es Abendessen.

Um neun Uhr kam noch eine Eule von Madame Delamontagne, die einen Brief für Julius hatte.

"Stell dich morgen um halb neun bei mir ein, Julius. Monsieur Pierre, du und ich reisen per Flohpulver ins Ministerium für Zauberei. Madame Grandchapeau wird uns zunächst empfangen. Ihr Mann stößt später zu uns, wenn er geklärt hat, was heute bei uns passiert ist", las Julius laut vor. So schickte Madame Dusoleil ihn um zehn Uhr zu Bett.

 

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Julius sprang von einem lauten Tumult geweckt aus dem Bett. Es war bereits Morgen. Die Dusoleils holten ihn aus dem Zimmer, noch im Schlafanzug mit nackten Beinen.

"Das sind so merkwürdige Lichter am Himmel", sagte Madame Dusoleil sehr aufgeregt. Julius rannte aus dem Haus und sah nach oben. Dort tauchten aus der Richtung der roten Morgensonne glitzernde Punkte auf, die mit rasender Geschwindigkeit näherkamen. Dann sah er mit Schrecken, daß es zylindrische Körper mit kleinen Seitenflossen waren und hörte das in der Tonhöhe abfallende Heulen, das Unheil und Verhängnis ankündigte.

"Verdammt, wir werden angeg....!" Rief Julius noch, als ein gleißender Blitz, heller als hundert Sonnen, und ein nie gekannter Druck auf seinen Körper ihm alle Sinne raubten. Er vermeinte, in einer gigantischen Wäscheschleuder herumgewirbelt zu werden, hörte und sah nichts. Dann vermeinte er, in einem schwarzen Nichts zu schweben, körperlos. Wielange er in diesem Zustand zugebracht hatte, wußte er nicht. Er merkte erst wieder etwas, als rhythmische dumpfe Schläge und rhythmisches Schnaufen an seine Ohren drangen.

Er fühlte sich nicht mehr körperlos. Aber er spürte irgendwie, daß er nicht saß oder stand oder auf einer festen Unterlage lag, sondern schwebte oder in tiefem Wasser schwamm, wie vor einem Jahr im Farbensee von Millemerveilles. Kein Licht war zu sehen. Er hörte nur dieses rhythmische Pochen und leise Schnaufen, sowie ein Rauschen rings um sich herum, als läge er zwischen Heizungsrohren, durch die heißes Wasser strömt. Er versuchte, sich zu bewegen und spürte, daß seine Arme und Beine ihm zwar gehorchten, aber nicht so leicht zu bewegen waren, wie er es gewohnt war. Dann drang ein lauter Schmerzensschrei von allen Seiten dumpf zu ihm durch, und unvermittelt wurde es um ihn so eng, das er glaubte, in einer Pressmaschine gefangen zu sein. Immer heftiger wurde dieses unangenehme Gefühl, bis er mehr und mehr schmerzen an seinem Kopf fühlte. Sein Körper wurde stoßweise ausgestoßen, irgendwo hin. Dann quetschte etwas weiches aber enges seinen Kopf ein, drückte ihn zusammen und schob ihn in ein grelles Licht hinaus. Julius tratt mit beiden Beinen nach vorn und stieß sich ohne es zu wollen von etwas ab, was er nicht gesehen hatte. Dann packten ihn zwei große weiche Hände um den Kopf, dann um die Schultern und zogen an ihm, bis er freikam und in kalter Luft hing. Ein lauter Schrei entfuhr ihm, wie im Unterricht bei Madame Faucon, wo er sich dem Infanticorpore-Fluch unterwerfen ließ. Er sah wie durch grauen Nebel gigantische Beine, die in Hockstellung über einen halbrunden Holzhocker ragten. Er hörte laut und schmerzhaft das gequälte Stöhnen einer Frau und den beruhigenden Ausruf einer anderen Frauenstimme, die Stimme Aurora Dawns:

"Dein Sohn ist da, Pam! Du hast es geschafft. Ich mach ihn nur von dir los, dann kannst du ihn in die Arme nehmen!"

Julius schrie, als eine gigantische Frauenhand mit einem Faden an seinem Bauch hantierte, dann etwas von ihm abschnitt und er dann wieder hochgenommen und in die riesenhaften Arme einer Frau gelegt wurde. Dann hörte er die laute Stimme von Pamela Lighthouse, der australischen Quidditchspielerin, die er am letzten Ostersonntag in Millemerveilles hatte spielen sehen:

"Aurora, das ist doch Julius Andrews. Das kann doch nicht sein!"

"Oha, Pam! Lass sehen!" Rief Aurora Dawn und hob Julius vorsichtig aus der Umarmung der Riesenfrau ohne Farben. Wie durch den grauen Nebel sah er Aurora Dawns Gesicht wie in einer stark vergrößerten Schwarz-Weiß-Aufnahme auf sich zukommen. Sie sah ihn an und meinte:

"Dann hat ihn dieser heimtückische Atomangriff auf Millemerveilles ins Zwischengefüge geworfen und ihn in den Körper deines ungeborenen Sohnes getrieben. Ich weiß nicht, ob er sich erinnert, was passiert ist, Pam. Wahrscheinlich hat ihn die Geburt so sehr belastet, daß er sein Gedächtnis verloren hat. Armer Junge. Dabei wollte er am nächsten Tag gerade deshalb nach Paris, weil er dem französischen Zaubereiminister sagen wollte, daß der Unnennbare Millemerveilles mit Muggelwaffen angreifen lassen könnte. Zu spät für die Leute dort."

"Wielange ist das her?" fragte Pamela Lighthouses Stimme.

"Fast deine ganze Schwangerschaft, Pam", sagte Aurora Dawn.

"Falls er nicht mehr weiß wer er ist, macht das nichts, Aurora. Ich nehme ihn als meinen Sohn an. Hörst du? Du heißt Julius", hörte Julius seinen Namen laut von Pamela Lighthouse. Der Name klang immer lauter in seinem Kopf, bis ihn Aurora Dawn kräftig schüttelte und seinen Namen rief:

"Julius! Julius!" Unvermittelt senkte sich Dunkelheit auf Julius herab. Doch er wurde immer noch geschüttelt. "Julius!" Klang sein Name zu ihm, doch diesmal mit der Stimme von Madame Dusoleil. Der Hogwarts-Schüler schrak zusammen, öffnete seine Augen ... und fand sich in einer festen Umarmung Camille Dusoleils, die ihn halb aus dem Bett gehoben hatte. Er war noch in Millemerveilles! Er war nicht als Kind von Pamela Lighthouse wiedergeboren worden! Er hatte nur geträumt! Nur geträumt!

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"Du hast im Schlaf geschrien: "Wir werden angegriffen! Die Muggel werfen eine Atombombe! Dann kam von dir nur ein langer Schrei, wie von einem gerade zur Welt gekommenen Säugling. Das hat mich sehr geängstigt, mon Cher", flüsterte Madame Dusoleil, als Julius sich wieder zurechtfand. Der Hogwarts-Schüler atmete schnell aber flach. Dann fand er seine Selbstbeherrschung wieder. Ja, er fand den Alptraum nun sogar sehr interessant. Er beruhigte sich und berichtete Madame Dusoleil, was er im Traum durchgemacht hatte. Jeanne, Claire und Monsieur Dusoleil, die vor der geöffneten Tür standen, traten ein und hörten aufmerksam zu. Als Julius alles erzählt hatte, streichelte Madame Dusoleil seine Wange, wie eine Mutter, die ein kleines Kind beruhigen und trösten möchte.

"Höchst seltsam", meinte Monsieur Dusoleil. "So'n Traum hatte ich noch nie.

"Sie haben auch nicht "Der Sohn der zwei Mütter" aus der "Tartaros-Reihe" gelesen, Monsieur. Jetzt erinnere ich mich nämlich, daß ich so eine Geschichte mal gelesen habe, wo eine Hexe den Freund ihrer Schwester, der von einem Dämon namens Tartaros getötet wurde, als ihr eigenes Kind wiedergebar. Dieser Freund, ein nichtmagischer Dämonenjäger, wurde danach von ihr wieder großgezogen und fünfzig Jahre später erneut gegen den Dämon losgeschickt, allerdings mit Zaubererblut und Magie im Körper. Mein Vater hatte recht: Wer dummes liest oder im Fernsehen ansieht, der dummes träumt", sagte Julius.

"Die Griechen nannten doch Tartaros die Wohnstatt des Bösen", wußte Jeanne zu bemerken. Dann sagte sie:

"Aurora Dawn hat dir wohl geschrieben, daß die Australierin Pamela Lighthouse Mutter wird. Interessant, was ein Traum so alles zusammenbraut."

"Stimmt, Jeanne", wußte Julius. Jetzt, wo er den Traum wach und mit allen damit verbundenen Erinnerungen betrachten konnte, war er nur noch halb so grausam und verwirrend für ihn. Offenbar tat es doch gut, wenn man seine Alpträume anderen erzählte, wenn diese damit nicht Scherze trieben oder ihm damit was böses antun konnten.

"So, Mesdemoiselles und Monsieur, Julius bekommt noch den Träumgut-Tee, damit er die fünf Stunden noch schlafen kann, bevor er richtig aufsteht. Diese Gedanken an einen Angriff haben ihm wohl hart zugesetzt. Am besten trinken wir alle den Tee in der Küche. Schnell, meine Damen! Bademäntel anziehen und in der Küche antreten!" Befahl Madame Dusoleil.

Julius stand auf, zog sich seinen Bademantel an und eilte Madame Dusoleil nach, die in die Küche ging und dort aus einem Vorratsschrank eine kleine silberne Dose holte, der sie getrocknete Teeblätter entnahm. Dann holte sie noch eine kleine Flasche mit einer grünen Flüssigkeit und heizte Wasser in einem Kessel an. Dann schüttete sie die grüne Flüssigkeit durch die Teeblätter in einem Sieb in den Kessel, zerstampfte die Blätter mit einem Mörser, so das sie sehr klein wurden und in den brodelnden Kessel fielen. Sie rührte vorsichtig um, bis im Kessel eine grüne, sehr erfrischend duftende Flüssigkeit dampfte. Dann schenkte sie Julius eine Tasse voll davon und ließ ihn trinken. Julius trank vorsichtig das heiße Gebräu und fühlte, wie es ihn von innen her wärmte, aber auch beruhigte. Die trüben Gedanken, die Aufregung und Angst, verflogen immer mehr, Schluck für Schluck. Auch Jeanne und Claire tranken dieses Gebräu, wie auch Madame Dusoleil.

"Du kannst danach tief und ruhig schlafen. Du träumst zwar, aber garantiert keinen weiteren Alptraum mehr", erklärte Madame Dusoleil Julius, während sie die Teeblätter und das grüne Elixier in den Vorratsschrank zurückstellte.

"Ich weiß, das steht bei Aurora Dawn im "kleinen Hexengarten", erinnerte sich Julius an die Rezeptur des Träumgut-Tees, der von einer Heilhexe des vierten Jahrhunderts entdeckt und beschrieben worden war.

"Immerhin habe ich dir die richtige Version des Buches geschenkt. Ich gehörte ja zu denen, die die französischen Pflanzennamen reinsetzen durften", sagte Madame Dusoleil.

"Der wird mal Krankenpfleger in Hogwarts oder Beauxbatons", grinste Jeanne Julius an. Claire lächelte auch. Dann trat sie auf Julius zu und umarmte ihn so innig, daß er durch den leichten Stoff ihres und seines Bademantels und Schlafanzuges ihren weichen Körper spüren konnte.

"Du erzählst Monsieur Grandchapeau, was du festgestellt und dir aufgeschrieben hast, und dann wird dich keine fremde Hexe mehr neu zur Welt bringen müssen."

"Öhm, vermutlich nicht, Claire", sagte Julius verlegen und löste sich vorsichtig aus der Umarmung. Madame Dusoleil zog Claire von Julius fort, sanft aber bestimmt. Dann befahl sie mit Julius' ungewohnt gebieterischer Betonung:

"Alle zurück in die Betten! Schlafen muß sein! Schnell schnell!"

Der Rest der Nacht war für Julius die reine Erholung. Er träumte von schönen Ausflügen mit seinen Eltern, dem Tag am See der Farben, dem letzten Sommerball in Millemerveilles, der nahtlos in den trimagischen Weihnachtsball von Hogwarts überging. Claire mußte Julius an Jeanne abgeben, die sagte, daß sie ihn eingeladen habe, nicht ihre Schwester. Dann war die Nacht auch schon wieder vorbei.

Julius erwachte erholt und voller Tatendrang, ohne die Nebenwirkung, die ihm eine Schlaftablette mal verpaßt hatte, die er vor vier Jahren aus Versehen geschluckt hatte. So zog er sich an, ging hinunter zum Frühstück und unterhielt sich mit den Dusoleils über ihre übrigen Träume dieser Nacht. Jeanne grinste, weil Claire merkwürdig dreinschaute, als Julius von seinem Traum vom Sommerball erzählte. Jeanne ärgerte ihre Schwester damit, das sie behauptete, Julius wolle mit ihr, Jeanne, den Sommerball gewinnen. Claire meinte dazu nur:

"Nein, Jeanne! Er sagte, daß du im Traum gesagt hättest, daß er mit dir tanzen müsse. Das heißt, er will es nicht."

"Mädchen, friedlich!" Gebot Monsieur Dusoleil dem aufkommenden Gezänk der beiden älteren Schwestern Einhalt.

Nach dem Frühstück zog Julius sich den mitternachtsblauen Umhang über das weiße Hemd, daß er noch im Koffer hatte und das schon sehr stark spannte und kaum zu schließen war. Er schlüpfte in dunkelbraune Schuhe, die er bei seiner Fahrt nach Hogwarts angehabt hatte. Madame Dusoleil begutachtete ihn, nachdem er seine Haare gekämmt und mit der Frisurfixier-Lösung von Glorias Mutter behandelt hatte. Dann sagte sie:

"Das Hemd kommt in die Altstoffverwertung, wenn du wiederkommst. Wenn du einen Stehkragen haben möchtest, kannst du ja mit Madame Delamontagne in die Rue de Camouflage und dir dort einen nicht festlichen Dienstumhang kaufen."

"Ich fürchte, wir haben keine Zeit dafür, wenn ich Minister Grandchapeau alles erzählen soll und dann noch erklären muß."

"Du kannst das, du machst das", gab ihm die Hausherrin der Dusoleils mit auf den Weg. Er verabschiedete sich von Jeanne, Claire und Mademoiselle Dusoleil und sagte, daß er hoffentlich noch vor Einbruch der Dunkelheit wiederkam, um die Sommergestirne am Nachthimmel zu beobachten. Jeannes und Claires Tante sagte nur:

"Paris ist dafür nicht geeignet. Zuviel Licht bei Nacht und zuviel Muggeldreck in der Luft."

Julius flog auf seinem Besen zum Anwesen der Delamontagnes. Gigie, die Hauselfe, begrüßte den Hogwarts-Schüler auf der Landewiese.

"Julius Andrews möchte sofort zu Meisterin Eleonore gehen. Meisterin Eleonore wartet auf Julius Andrews in ihrem Arbeitszimmer mit Monsieur Pierre."

"Danke, Gigie", sagte Julius automatisch, bevor ihm einfiel, daß diese Elfe das unangenehm fand, wenn sich wer bei ihr bedankte. Tatsächlich lief das Gesicht des kleinen Zauberwesens tomatenrot an. Julius wagte es nicht, sich zu entschuldigen. Das könnte Gigie erst recht beschämen.

Auf seinem Weg in das stattliche Haus der Delamontagnes traf er Virginie und ihren Vater, die im Flur standen. Virginie trug ein smaragdgrünes Kurzkleid und hatte ihren blonden Zopf mit einer Seidenglanzlösung verschönert. Monsieur Delamontagne, den Julius nie lange gesprochen hatte, begrüßte den Hogwarts-Schüler.

"Eleonore hat dich mal eben zum Muggelwaffenexperten erhoben? Das wird sie nicht grundlos getan haben. Dann mach deine Sache gut. Die Grandchapeaus kennen dich ja schon." Dann klopfte er Julius auf die Schultern und schob ihn mit männlicher entschlossenheit in das Arbeitszimmer seiner Frau.

Madame Delamontagne hatte sich ein Satinkleid aus mitternachtsblauem Stoff angezogen, daß ihre füllige Figur nicht nur leicht umspielte, sondern auch irgendwie erhaben machte, fand Julius. Auch sie hatte sich ihre strohblonde Haartracht zum Zopf geflochten und wohl auch mit einer Seidenglanzlösung aufgefrischt. Sie saß auf einem breiten bequemen Lehnstuhl an ihrem Schreibtisch. Hinter ihr stapelte sich etwas Holz in einem Marmorkamin. Auf dem Tisch standen eine Kanne Kaffee und dazugehörige Tassen. Madame Delamontagne gegenüber saß ein hochgewachsener Zauberer in einem taubenblauen Umhang. Auf dem Stuhl rechts von ihm lag dessen schwarzer Spitzhut. Der Zauberer hatte sein dunkles Haar ordentlich gescheitelt und den ebenso dunklen Vollbart säuberlich gestriegelt und wohl auch mit etwas behandelt, das wie Julius' Frisurhaltlösung wirkte, so geschmeidig und glatt umrahmte der Bart das Gesicht seines Trägers. Julius erkannte den Zauberer sofort wieder, denn er hatte ihn beim letzten Schachturnier als Ausloser kennenlernen dürfen. Das war Monsieur Edmond Pierre, der Dorfrat für Sicherheitsangelegenheiten in Millemerveilles.

"Schön, daß Sie so zuverlässig sind, Monsieur Andrews. Diese Tugend und Disziplin ist bei Jugendlichen Ihres Alters eine seltene Kostbarkeit", begrüßte Madame Delamontagne den Hogwarts-Schüler sehr förmlich. Julius entbot Madame Delamontagne seinen Gruß und wandte sich dann Monsieur Pierre zu.

"Ich war beunruhigt, als diese Muggelflugzeuge gestern diesen Lärm veranstalteten, Monsieur Andrews. Als Eleonore mir dann noch mitteilte, daß Sie begründete Ängste vor einem Angriff mit Muggelwaffen bekundeten, nährte das meine Besorgnis, daß wir die längste Zeit ein friedliches Dasein führen durften. Mir waren die Zerstörungsmittel der Muggelwelt völlig unbekannt, müssen Sie wissen, Monsieur. Deshalb beruhigt es mich, daß Sie Minister Grandchapeau erklären können, worin die Gefährdung Millemerveilles besteht und wie man ihr wirksam entgegenwirken kann. Immerhin möchte meine Gattin demnächst gegen Eleonore und auch gegen Sie im Schachturnier antreten."

"Wenn Madame Delamontagne mich nicht in der ersten Runde aus dem Turnier wirft", wandte Julius ein. Dann holte er seine Notizen aus der Stofftasche und erklärte kurz, was er sich aufgeschrieben hatte. Madame Delamontagne lächelte sehr zufrieden.

"Ich habe die von Ihnen erklärten Dinge niedergeschrieben und ebenfalls mitgenommen. Aber Sie wußten natürlich, wo Sie nachschlagen mußten. Immerhin erweist es sich hier einmal als gut, daß Ihr Vater auf Ihrer weiteren Verfolgung von Muggelwissenschaften beharrte, wenngleich sein Ansinnen unentschuldbar ist. Wir brechen sofort auf", stellte Madame Delamontagne klar und zog ihren Zauberstab aus dem Kleid. Julius verstaute seine Notizen wieder sorgfältig und sah zu, wie die Dorfrätin mit dem Incendius-Zauber den kleinen Holzstoß im Kamin entzündete. Dann holte sie eine kleine Dose mit Flohpulver hervor und warf eine Ladung davon in die Flammen.

"Die Dosis reicht für uns drei", erläuterte sie Julius und bat dann Monsieur Pierre, voranzugehen. Der Zauberer klemmte seinen Hut unter den rechten Arm, zwengte sich etwas steif in den Kamin und rief aus: "Ministerium für Zauberei!"

In einem laut rauschenden Wirbel grüner Flammen verschwand Monsieur Pierre aus dem Kamin. Das Feuer fiel kurz zusammen, um dann wieder grün und wie eine Wand aufzulodern.

"Das ist besonderes Flohpulver, mit dem allein die Reise zum Zaubereiministerium gelingt. Du kannst", sagte die Dorfrätin für Gesellschaftsangelegenheiten. Julius gehorchte unverzüglich. Er stieg behände in den großen Kamin ein, fühlte die verzauberte Flammenwand wie eine warme Brise auf seinem Körper und rief den Zielwunsch aus: "Zum Zaubereiministerium!"

Als ihn der Flohpulver-Wirbel packte und wild rotierend aus dem Kamin hob, schloß er die Augen und wartete, bis das Herumwirbeln abebbte. Mit vielfach geübter Leichtigkeit fing er sich im Zielkamin ab, öffnete die Augen und sah ein erhabenes Büro jenseits des Kamins aus rotem Marmor. Offenbar war er gleich im Amtszimmer des Zaubereiministers gelandet, staunte Julius. Denn ein Vorzimmer mit Sekretär oder Sekretärin war bestimmt nicht mit Edelholzmöbeln und echten Orientteppichen, sowie wandfüllenden Gemälden, auf denen sich bewegende Zaubererversammlungen und wohl vorherige Magieminister Frankreichs abgebildet waren ausgestattet. Außerdem hätte man sich auch den goldenen Kronleuchter mit den zwölf Armen an der Decke nicht für das Vorzimmer ausgesucht, wenn sie auch noch so reich wären.

Monsieur Pierre stand drei Schritte vom Kamin entfernt. Julius mußte machen, daß er aus dem Kamin kam, bevor Madame Delamontagne noch auf ihm landete, was er bestimmt nicht aushalten würde. Er hüpfte kinderleicht aus dem Kamin und lief zwei Schritt vor, gerade als es hinter ihm rauschte.

"Hups, da hätte Eleonore Sie fast unter sich begraben", grinste Monsieur Pierre, der mitbekam, daß Julius gerade noch aus der Landezone entkommen war. Madame Delamontagne entstieg dem Kamin und sah Julius an. Dann klopfte sie ihm schnell die Asche von der Kleidung, bevor sie ihr eigenes Kleid behandelte. Unvermittelt erschien ein Hauself in ein vergoldetes Tuch gehüllt, das wie das Stück eines königlichen Bettuches aussah im Raum und machte einige Handbewegungen, die die mitgebrachte Asche aufhob und forttrug. Das Zauberwesen sagte kein Wort, nickte nur, als der schwere Teppich wieder staubfrei war und verschwand mit leisem Plopp im Nichts.

Durch die pompöse Mahagonitür mit vergoldeter Klinke betrat eine Hexe mit dunkelblondem Haar und grünen Augen das Zimmer. Sie trug ein federwolkenweißes Satinkleid und weiße Lackschuhe mit halbhohen Absätzen. Julius kannte sie von der Abendgesellschaft bei den Delamontagnes am Ostersonntag her. Es war Madame Grandchapeau, die Frau des Zaubereiministers, die Mutter Belles, die zur trimagischen Abordnung aus Beauxbatons gehört hatte. Sie sollte in der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit tätig sein. Deshalb wunderte sich der Hogwarts-Schüler, was sie nun hier zu tun hatte. Sie begrüßte erst Madame Delamontagne, dann Monsieur Pierre, bevor sie sich Julius zuwandte und ihn flüchtig umarmte.

"Willkommen auf dem Gipfel der französischen Zaubererwelt, Monsieur Andrews. Auch wenn der Anlaß Ihres Besuchs nicht gerade erfreulich ist, freue ich mich doch, Sie hier begrüßen zu dürfen. Unsere Tochter Belle berichtete bereits, daß Sie ein exzellenter Schachspiler seien. Schade, daß Armand durch seine Verpflichtungen daran gehindert ist, selbst am Schachturnier zu Millemerveilles teilzunehmen. Setzen Sie sich doch bitte!"

Die Besucher aus Millemerveilles nahmen Platz, was für den diskreten Hauselfen wohl das Signal war, Kaffeegeschirr und leichte Speisen auf dem Tisch erscheinen zu lassen. Julius fragte, ob sie noch auf den Minister warten müßten, was Madame Grandchapeau durch leichtes Kopfschütteln verneinte.

Nachdem sie alle Kaffee in den Tassen und die leichten Speisen auf Tellern vor sich stehen hatten, gebot Madame Grandchapeau der Dorfrätin für Gesellschaftsangelegenheiten, ihr Anliegen vorzubringen. Eleonore Delamontagne berichtete kurz aber förmlich von den Überschallflügen über Millemerveilles, was sie darüber erfahren hatte und von der Angst Julius', diese Flugmaschinen könnten unter Zwang des Unnennbaren Vernichtungswaffen abwerfen. Sie holte ihre Notizen hervor und legte dar, was sie darüber erfahren habe. Sie schloß mit den Worten:

"... deshalb habe ich den jungen Monsieur Andrews ersucht, mich zu begleiten, um Ihnen und dem Herrn Minister ausführliche Informationen zu geben, welcher Art die Bedrohung Millemerveilles' ist."

"Ja, dann erzählen Sie uns bitte, Julius, was genau Sie wissen und wovor Sie Angst haben!" Übergab Madame Grandchapeau Julius das Wort, wobei sich der Hogwarts-Schüler sehr zusammennehmen mußte, weil ihn die höfliche Benutzung seines Vornamens von einer Erwachsenen, die wohl nicht gerade unwichtig war, verlegen machte. Doch nach kurzem Räuspern fand er Stimme und Worte, um zu erzählen. Er berichtete kurz von der Entwicklung der Atombombe, daß sie in Japan schon gegen Menschen benutzt worden sei und das deshalb immer noch Leute sterben mußten, erzählte auch, daß die Muggel seit Jahrzehnten solche Waffen in Massen bauten und Angst davor hätten, daß damit jemand eines Tages einen weltweiten Vernichtungskrieg beginnen konnte. Er benutzte hierfür sogar das englische Schlagwort "Overkill" und beschrieb, welche Furcht mit diesem Wort verbunden war. Dann kam er darauf, daß über Millemerveilles ungehindert Flugzeuge der Muggel herummanövrieren konnten, beschrieb kurz, wozu ein Überschallflugzeug gebaut wurde und was es konnte und beendete seine ungefähr halbstündige Erläuterung mit den Sätzen:

"... Nachdem ich nun weiß, daß über Millemerveilles ein Schutzbann gegen böse Zauberer und gegen unerwünschte Nichtmagier gelegt wurde, diese Zauber aber wohl keine toten Gegenstände aus großer Höhe zurückweisen, befürchte ich, daß eine Atombombe, wie sie über Hiroshima gezündet wurde, ausreicht, um Millemerveilles trotz Abwehrzauber komplett auszulöschen, zumindest aber so heftig zu entvölkern, das es dort nicht mehr möglich ist, friedlich weiterzuleben. Auch wird bei einer solchen Explosion radioaktive Asche frei, tödliche Strahlung verbreitendes Material, das den schleichenden Tod bewirkt und alles, was sie bedeckt, für mehrere Jahrhunderte unbewohnbar macht, wie ein heftiger Fluch. Da ich nicht weiß, wie man diese Waffen abwehren kann, habe ich Madame Delamontagne erklärt, wie gefährlich diese Waffen sind. Auch wenn ein Kampfflieger nicht genau zielt, könnte eine Atombombe Millemerveilles auslöschen, wobei es ja, wie ich erklärt habe, noch mächtigere Bomben gibt, die auch mehrere Dutzend Kilometer entfernt die völlige Vernichtung des Dorfes bewirken würden."

"Sehen Sie diese Gefahr, Monsieur Pierre?" Fragte Madame Grandchapeau. Julius bemerkte jetzt, wo er von seinen Aufzeichnungen absehen konnte, daß alles, was bisher gesagt wurde, von einer giftgrünen flotten Schreibefeder mitgeschrieben worden war. So war wortwörtlich, vielleicht unter Weglassen von Holperern, alles mitgeschrieben, was er erzählt hatte. Monsieur Pierre erzählte, die Feder huschte über das Pergament und hinterließ eine Spur aus blauer Tinte, und Julius trank vorsichtig von dem Kaffee, um seine Kehle anzufeuchten und wieder Kraft zu schöpfen.

Ein großer, schlanker Zauberer, der einen schwarzen Samtumhang und einen ebenso schwarzen Zylinder auf dem graubraunen Schopf trug, trat würdevoll in das Amtszimmer und blickte die Anwesenden durch die ovalen Gläser seiner Goldrandbrille an. Dann setzte er sich ruhig hin und hörte aufmerksam zu, was erzählt wurde. Erst dann, als Monsieur Pierre endete, daß man den Muggelabwehrbann auch gegen Muggelartefakte sichern müsse, sprach der Neuankömmling, welcher der Zaubererminister Grandchapeau persönlich war.

"Sie haben Nathalie hoffentlich schon alles wichtige erzählt, Madame und Messieurs. Da ich jetzt erst für Sie Zeit fand, möchte ich lediglich eine kurze Schilderung des jungen Monsieur Andrews hören, da ich davon ausgehe, daß er über die Vernichtungswaffen der Muggel am besten von uns allen hier Kenntnis hat."

Julius nahm noch mal seine Notizen und sprach so, wie er es von Politikern aus dem Fernsehen gehört hatte zu dem Minister, ohne Anflug jugendlicher Lässigkeit in der Stimme. In fünf Minuten brachte er noch mal alles zur Sprache, was er der Ministergattin eine halbe Stunde lang dafür sehr ausführlich und alles umfassend erzählt hatte.

"Dieses Problem betrifft ja dann wohl nicht nur Millemerveilles, sondern auch uns hier in der Rue de Camouflage, sowie die Beauxbatons-Akademie oder auch die Einrichtungen in der ausländischen Zaubererwelt. Nun weiß ich zumindest, obwohl das keineswegs zur Beschwichtigung dienen darf, daß der dunkle Lord alles verabscheut, was Muggel tun. Das mag vielleicht der Grund sein, weshalb Hogwarts überhaupt noch steht, nachdem, was Sie gerade erläutert haben, Julius. Bei der Gelegenheit möchte ich Ihnen meine Hochachtung für Ihre Spracherziehung aussprechen. Kurz, knapp und vor allem sachlich, ohne überflüssige Gefühlswallung haben Sie mich informiert. Aber wie gesagt gehe ich im Moment davon aus, daß der dunkle Lord nicht auf die Anwendung von Atomwaffen verfällt, zumal er ja auch davon profitieren möchte, einen so sicheren Ort wie Millemerveilles zu erobern. Sein Zerstörungsdrang dürfte sich in gewissen Grenzen halten, und sein Haß gegen Muggelwerk und Muggelstämmige blendet ihn womöglich so sehr, daß er deren Vernichtungsmittel nicht beachtet. Hogwarts wäre schon längst unter einer solchen Waffe verschwunden, hätte er es für nötig befunden, es damit anzugreifen. Jedoch werde ich nicht mit der Blindheit meines britischen Kollegen Fudge diese Möglichkeit ignorieren. Im Gegenteil: Ich werde veranlassen, daß wirksame Schutzmaßnahmen für Millemerveilles, Beauxbatons und unsere übrigen wichtigen Zentren getroffen werden. Der Unnennbare ist womöglich doch dazu fähig, die Zerstörungskräfte der Muggel für seine machtgierigen Zwecke zu nutzen, geht es doch auch darum, seine Macht über die Muggel zu demonstrieren. Eine Welt, in der seiner wahnwitzigen Auffassung nach die Zauberer aus reinblütigen Familien herrschen und alle anderen Sklavendienste leisten sollen, bedarf auch der Unterwerfung der Muggel. Da Sie, Julius, eindrucksvoll dargelegt haben, daß Sie mehr Angst vor diesen Atomwaffen haben als vor dem Unnennbaren selbst, könnte er sich diese wohl weit in der Muggelwelt verbreitete Angst nutzbar machen, indem er eine grausame Kostprobe seiner Macht gibt, indem er eine solche Waffe ohne Wunsch derer, die sie bauten, ja auch gegen die Erbauer selbst, einsetzen läßt. Da wir der Geheimhaltung unserer Welt verpflichtet sind, dürfen wir nicht in die Geschicke der Muggel eingreifen und solche Massenmordmethoden unmöglich machen. Wir können und müssen jedoch beobachten, was wer wie tut und zu welchem Zweck. Die reinen Zaubereizentren werden wir nun zu schützen haben. Vielen Dank, Julius, daß Sie uns diese Gefahr greifbar und vor allem begreifbar gemacht haben."

"Der hätte doch sagen können, daß die Zauberer keine Atombomben vernichten dürfen und nur aufpassen, daß sie nicht über ihren Köpfen explodieren", dachte Julius für sich. Dann drehte sich die Unterhaltung um Schutzmaßnahmen für Millemerveilles. Das fiel jedoch unter eine sehr strenge Geheimhaltung, und Julius mußte das Amtszimmer verlassen. Vor der Tür wartete der Hauself, der wohl nicht nur Bürodiener sondern auch Fremdenführer war. Er sprach mit der für diese Wesen hohen Stimme:

"Der junge Monsieur wird mir bitte folgen. Mademoiselle Grandchapeau und die Messieurs Colbert warten im Gästesaal."

"Dan..., öhm, wie darf ich Sie ansprechen?" Erwiderte Julius. Der Hauself nickte und erwiderte:

"Mein Name ist Servatio, Monsieur."

"Mal keine Verniedlichung", dachte Julius, der sich bei allen Hauselfen, denen er begegnet war oder von denen er hatte reden hören, nur an Namen mit einem verkleinernden I-Laut am Ende erinnerte: Fanny, Nifty, Gigie, Dobby, Winky.

Servatio führte Julius durch Korridore, die mit Seidentapeten und Flokatiteppichen ausgeschmückt waren, bis der Elf eine rotbraune Eichenholztür mit Bronzeklinke öffnete und hineinrief:

"Mademoiselle und Messieurs, Monsieur Julius Andrews!"

"Seine Majestät, der König", fügte Julius einen spöttischen Gedanken hinzu, aber lautlos. Seine alte Frechheit kehrte nun, wo er seine Aufgabe erledigt hatte, zu ihm zurück. Das beruhigte ihn sehr.

In einem ungefähr zehn mal zehn Meter großen Saal mit einer vier meter über einem mit einem türkischen Teppich bedecktem Parkettboden hängenden Marmordecke und daran angebrachten kleinen Kronleuchtern saßen an einem großen Tisch, der mit einer weißen Decke mit brüsseler Spitze verziert war, die Junghexe Belle Grandchapeau, der dunkelhaarige Jungzauberer Adrian Colbert und ein Zauberer im lindgrünen Samtumhang, der ihm so ähnlich sah, daß es nur sein Vater sein konnte. Monsieur Colbert, von dem Julius wußte, daß es der Leiter der Finanzabteilung des Zaubereiministeriums war, spielte gerade Schach gegen Belle. Julius sah sofort, daß der Ministerialbeamte kurz vor der Niederlage stand.

"Hallo, Julius. Belle erzählte was, daß du heute in diese heiligen Hallen kommen würdest", begrüßte ihn der fast ausgewachsene Beauxbatons-Schüler. Julius atmete auf. Hier war er unter zumindest nicht so gezwungen redenden Leuten. Zumindest galt das für die beiden Schüler, die zur Beauxbatons-Abordnung gehört hatten.

"Turm nach H-1, Schachmatt!" Kommandierte Belle den wohl spielentscheidenden Zug. Sie spielte schwarz. Der linke ihrer Türme rückte auf das befohlene Feld vor und stand nun in gerade Linie drei Felder vom weißen König, der bereits von der schwarzen Dame, einem Springer und einem Bauern bedrängt wurde.

"Wie der Vater so die Tochter", seufzte Monsieur Colbert. Dann sah er erst, wer da hereingekommen war und grinste.

"Hoffentlich haben wir dich nicht gelangweilt, junger Mann. Immerhin hast du ja im letzten Sommer gegen Madame Delamontagne gewonnen und gegen Professeur Faucon gespielt."

"Genau, Monsieur Colbert. Aber Sie haben mich nicht gelangweilt. Ich habe gerade ein Referat hinter mich gebracht und bin erst einmal froh, mich nicht mit heftigen Aufgaben rumzuplackern."

"Weshalb wollte Madame Delamontagne, daß Sie sie begleiteten, Monsieur Andrews?" Fragte Belle. Julius kannte das von ihr. Sie sprach jeden Jungzauberer so an, wie einen Erwachsenen.

"Sie brauchte 'nen Muggelexperten und hat nur mich greifbar gehabt, Mademoiselle Grandchapeau", erwiderte der Hogwarts-Schüler mit schalkhaftem Grinsen. Dann trat er näher an den Tisch heran und sah schnell zu Adrian Colbert hinüber, der in einem adrettem ziegelrotem Umhang ausgegangen war.

"Es wird doch wohl nicht um Geld gegangen sein?" fragte Monsieur Colbert, wohl, weil das ja sein Fachgebiet war.

"Über Geld würde ich nie mit wem reden. Entweder hat man es oder nicht", gab Julius frech zurück. Der Ministerialbeamte lachte schallend los.

"Der ist gut! Den muß ich mir merken!" Rief er noch. Dann fragte er, worum es denn dann ging. Julius sagte nur was über die Muggelflugmaschinen, die über Millemerveilles herummanövrierten und daß man dagegen was tun wollte, weil die Überschallknälle die Leute und Tiere störten. Danach mußte er erklären, was mit "Überschallknällen" gemeint war, was er schnell erledigte.

"Die Zauberer, die in einer Muggelsiedlung oder dicht dabei wohnen haben das Problem wohl nicht. Die Muggel würden sich ja selbst nicht mit diesem Krach bedröhnen", meinte Adrian. Sein Vater räusperte sich. Offenbar redete sein Sohn nicht so, wie es sich für den Nachkommen eines hohen Beamten gehörte. Julius sah ihn nur mitfühlend an. Sein Vater hatte ihn ja auch derartig dressiert.

"An und für sich wollten Adrian, die junge Mademoiselle und ich mit dem Ehepaar Grandchapeau einen Familienausflug unternehmen, aber offenbar ist es Nathalie zu wichtig, die Millemerveilles-Angelegenheit zu klären", erklärte Monsieur Colbert.

"Die können doch einen Exclusonius-Zauber über Millemerveilles errichten, damit die Knallaute nicht mehr durchkommen", meinte Belle. "Der ließe sich doch gut mit den anderen Absicherungen kombinieren."

"Über einem ganzen Dorf, Mademoiselle? Ich weiß zwar nicht, wie dieser Zauber geht, aber über mehrere Kilometer hinweg ist der bestimmt sehr schwierig", wandte Julius ein.

"Nach den bisherigen Erkenntnissen würde ein so weit reichender Zauber nicht lange vorhalten. Die Sicherungen Millemerveilles' beruhen auf mächtige Zauber, die zum teil schwarzmagisch sind und heute nicht mehr praktiziert werden dürfen, Mademoiselle Grandchapeau", warf Monsieur Colbert ein. Dann fragte er Julius, ob seine Eltern gerade in Millemerveilles waren. Belle und Adrian lachten nur. Dann sagte Adrian:

"Papa, Julius' Eltern sind echte Muggel. Er wußte vor zwei Jahren noch nicht, daß er zaubern kann. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, wohnt er bei den Dusoleils, weil er mit Madame Dusoleil so gut klarkommt und deren beiden Kronprinzessinnen mit ihm so gut tanzen können. Bei Jeanne stimmt das sogar, und wenn die Chermot rechthat, muß das auch für Claire gelten."

"Oh, hmm, dieser Umstand war mir natürlich nicht bekannt, und natürlich tust du recht daran, nicht jedem mit Fanfarenstoß deine Herkunft zu verkünden, Julius", räumte der Beamte ein.

"Professeur Faucon hat mir geraten, das nicht breitzutreten, Monsieur Colbert. Sie wies darauf hin, daß Muggeleltern schwierig seien und von Zauberern nicht gerade auf Händen getragen würden", führte Julius aus, daß er nicht gerne erzählte, daß seine Eltern nicht zaubern konnten, ja ihn auch sehr gerne davon abbringen würden, wenn man sie ließe.

"Maman kennt solche Fälle", fügte Belle hinzu.

"Jaja, und die Königin der Grünen hat genug mit den Leuten zu tun, die auf Befehl ihrer Eltern hin das Zaubern vermurksen", gab Adrian noch einen flotten Spruch zum besten, der Julius zum Grinsen und Monsieur Colbert zum Wutschnauben brachte.

"Adrian, du redest wie ein niederer Hausknecht unter seinesgleichen. Mademoiselle Grandchapeau muß sich ja schämen, dich anzuhören."

"Das geht hier schon in Ordnung, Monsieur", wandte Belle schnell ein. "In Beauxbatons reden wir unter uns fast alle so wie Adrian." Adrian Colbert mußte das sehr peinlich sein, denn er bekam einen Kopf wie einen Feuermelder so rot. Julius lachte nur, machte dabei jedoch beschwichtigende Gesten zu Adrian, um zu zeigen, daß er ihn nicht auslachte.

"Da Sie, Mademoiselle und Monsieur Colbert wohl nicht am grünen Tisch sitzen, haben sie sich ja wohl diesen Spitznamen ausgedacht. Das haben wir ja auch mit unseren Lehrern gemacht."

"Schnarchgespenst, Hakennaserich, Vierkantbrille und weißer Zwerg", gab Adrian wie ein angeworfener CD-Spieler eine Liste von Spitznamen aus, die Julius sofort zuordnen konnte. Wenngleich "weißer Zwerg" als Spitzname für Flitwick interessant war, da ja weiße Zwerge in der Astronomie abkühlende Sonnen waren, die ihre Außenhülle abgesprengt hatten und langsam in sich zusammenstürzten, dabei sehr viel Materie auf wenigen tausend Kilometern zusammenquetschten. Monsieur Colbert hob die Faust, wohl um energisch auf den Tisch zu klopfen, als Belle Julius vielsagend ansah und fragte:

"Da ich nicht weiß, wielange Madame Delamontagne bei meinen Eltern verweilen wird, würden Sie mir den Gefallen erweisen und Ihre und meine freie Zeit mit einer Schachpartie ausfüllen, Monsieur Andrews?"

"Wo wir schon mal zusammen hier sitzen, kein Problem, Mademoiselle. Wenn Sie möchten, können Sie die weißen Figuren spielen."

"Ach neh, nicht noch eine Schachpartie!" Stöhnte Adrian Colbert. Sein Vater rief ihn zur Ordnung, während Julius sich Belle gegenüber hinsetzte und die schwarzen Figuren aufmarschieren ließ. Offenbar gehörte das Schachspiel zur Freizeitausstattung des Ministeriums, denn die schwarzen Figuren sahen Julius fragend an, als würden sie sich nicht sicher sein, daß ein fast dreizehnjähriger Junge mit ihnen gut spielen könne.

Die nächste Stunde lief eine abwechslungsreiche Partie ab, die von Monsieur Colbert beobachtet wurde. Irgendwann schaffte es Julius, Belle so zu überrumpeln, daß er ein Schachmatt herbeiführen konnte.

"Dieses Mädel ist ja doch nicht unbesiegbar", flötete Adrian. Belle Grandchapeau nickte nur Julius zu.

"Schade, daß mein Vater zu sehr eingebunden ist. Sonst würde ich ihn fragen, ob er auch einmal gegen Sie spielen möchte, Monsieur Andrews. Leider ist die Teilnehmerliste für das Schachturnier in Millemerveilles bereits voll, so kann ich selbst nicht eine Einladung erwirken. Aber ich behalte mir vor, dies im nächsten Jahr zu tun und wähne mich sicher, Sie dort auch wieder anzutreffen."

"Ach du ahnst es nicht!" Dachte Julius für sich. "Kann die denn nicht wie ein normales siebzehnjähriges Mädchen reden?"

Der Hogwarts-Schüler sah sich um. Er kannte es schon, daß er nach einer Partie Schach erst Leute bemerkte, die zwischendurch in den Raum kamen. Trotzdem fuhr er erschrocken zusammen, als er die kleinwüchsige Hexe mit der Brille mit ovalen Gläsern und dem rotbraunen Lockenhaar bemerkte. Sie trug einen zum Haar passenden Umhang und eine silberne Gliederhalskette. Sie saß mit übereinandergeschlagenen Beinen am Tisch und las in Julius' Aufzeichnungen. Julius verdrängte sofort jeden Gedanken an Empörung und baute in seinem Kopf ein Schachbrett auf, auf dem er sogleich irgendwelche Züge führte, wozu er die Musik und den Gesang von Krachmeister B., seinem Lieblingsrapper aus Muggeltagen ins Bewußtsein dringen ließ.

"Wenn Sie schon versuchen, sich gegen mich abzuschotten, Monsieur Andrews, unterlassen Sie gütigst die Reminiszenz an einen vulgären afroamerikanischen Muggel, der seinesgleichen vorgaukelt, ein Musiker zu sein", sagte die kleine Hexe mit einer kalten Stimme, die wie Windgeheul durch Türritzen klang. Julius errötete, versuchte jedoch, alle Gedanken auf das in seinem Kopf laufende Schachspiel zu konzentrieren und einen sehr komplizierten Rap ständig lauter werdend widerzugeben. Offenbar ärgerte das die Hexe mit den rotbraunen Locken, denn sie stand auf, kam zu Julius herüber und zog ihm ansatzlos am linken Ohr. Der Schmerz fegte alles weg: Das Schachspiel, den Rap und den Drang, sich bloß nicht ins gehirn schauen zu lassen.

"Ich wurde herbestellt, um mit Ihnen über dieses Zeug zu sprechen, das in jenen Flugmaschinen transportiert wird, Monsieur Andrews. Als Kundige der Alchemie mit besten Referenzen ist es meine Aufgabe, zu bewerten, was Sie aussagten. Also folgen Sie mir gütigst und halten Sie diesen Barbaren aus Ihrem Geist heraus!" Flüsterte die Hexe, bei der es sich um die Beauxbatons-Zaubertranklehrerin Professeur Boragine Fixus handelte. Julius wußte nur zu gut, daß diese Hexe eine der wenigen echten Gedankenleserinnen der Zaubererwelt war, und ihm fiel ein, was Aurora Dawn einmal seiner Mutter erklärt hatte. Telepathie sei zwischen Zauberern nur dann möglich, wenn sie sich aufeinander einstimmten. Professeur Fixus nahm Julius' Aufzeichnungen mit sich und ging voran.

Im Korridor vor dem Gästesaal tauchte Servatio auf und verbeugte sich so tief, das seine rote Mohrrübennase den Boden berührte. Dann führte sie der Hauself in einen kleinen Besprechungsraum mit Schreibtisch und drei Stühlen. Er ging hinaus und schloß die Tür. Die Lehrerin tippte mit dem Zauberstab gegen eine kaum sichtbare Stelle am Türrahmen und schien etwas wichtiges zu denken. Dann wandte sie sich Julius zu.

"Dieser Raum ist ein Klangkerker. Alle Laute, die hier entstehen, bleiben in diesen Wänden gefangen, solange die Tür verschlossen bleibt, was ich sichergestellt habe. Das heißt, Sie gelangen erst wieder hinaus, wenn wir beiden uns ausführlich über meine Aufgabe unterhalten und alle damit zusammenhängenden Dinge geklärt haben. Damit die Frage, die Ihnen derzeit durch den Geist schwebt beantwortet wird, erläutere ich Ihnen kurz, wo Mademoiselle Dawns Unkenntnis liegt.

In der Magie unterscheidet man zwischen Naturzaubern, mechanischen Zaubern und magischen Sinnen und Instinkten. Erstes betrifft alle Zauberpflanzen und körperlichen Eigenschaften von Zauberwesen, wie die sofortige Unsichtbarkeit des Demiguisen oder die magische Panzerung der Drachen. Das zweite ist, was wir alle einmal gelernt haben, die wir zaubern und hexen, nämlich die Reproduktion von magischen Vorgängen. Das dritte bezeichnet die mit magischen Eigenschaften versehenen Wahrnehmungen von Zauberwesen, wie die Erkennung der Lebensauren durch räuberische Zauberwesen wie Succubi oder Letifolden, aber auch der angeborenen Telepathie oder Telekinese. Als Träger der Ruster-Simonowsky-Begabung - mir ist Ihre Geschichte wohl vertraut - besitzen Sie mindestens latente magische Sinne und Fähigkeiten, die jedoch nicht jetzt schon abrufbar sind. Aber es ist nicht meine Aufgabe, Ihnen Ihre Fähigkeiten zu offenbaren. Mademoiselle Dawn, die ich ansonsten sehr hoch einschätze, weiß zwar von magischen Sinnen, sie weiß auch von eingeborenen Telepatehn wie mich, kennt jedoch nicht unsere Fähigkeiten, da dies nicht allgemeines Wissen für Hexen und Zauberer ist. Da Ihr Geist sehr energiereich ist, brauche ich mich nicht sonderlich zu konzentrieren, um Ihre verbalisierten Gedanken zu erfassen. Deshalb werden Sie verstehen, daß ich mir nicht den Wortunrat eines Muggels bieten lasse, nur weil Sie Ihre Gedanken gegen mich abschotten wollen. Ich bin nicht hier, um Sie auszuhorchen oder gar zu verhören. Ich bin hier, weil ich gerufen wurde, um zu bewerten, wie man etwas, das Atombombe heißt, davon abhalten kann, über die Zentren unserer Zaubererwelt hereinzubrechen. Sie haben auf Grund Ihrer wissenschaftlichen Vorprägung sehr schön und detailiert aufgeschrieben, was diese Waffen sind, wie sie wirken und woher ihre Zerstörungskraft kommt. Da Uran oder Plutonium nicht gerade häufig vorkommen, möchte ich von Ihnen kurz, falls Sie wissen, welche Eigenschaften diese Stoffe haben, eine besondere Beschreibung haben."

Julius sprach alles an, was er wußte, ohne etwas zurückzuhalten. Nach zehn Minuten lächelte die kleine Gedankenleserin. Julius war sich sicher, daß dieses Lächeln nur die zu sehen bekamen, die etwas großartiges geleistet hatten.

"Es sind Metalle. Sie strahlen diese unsichtbaren Energien aus und zerfallen dabei zu anderen Stoffen. Es gibt in der Alchemie einen Zweig der Forschung, der noch älter ist, als die ägyptische Zauberlehre oder das Wort Magie als Solches. Nur ist dieser Zweig nur wenigen Auserwählten bekannt, da seine Kunde zum Untergang der Kultur führte, die ihn begründete."

"Ach nein, nicht das Märchen von Atlantis", dachte Julius für sich. Doch er hätte es ebensogut laut rufen können.

"So nannten die Ägypter und Griechen diesen Ort. Wie er wirklich ausgesprochen wird, weiß bis heute keiner. Und es ist ebensowenig ein Märchen, wie die Existenz von Drachen, Hexen, Zauberern und Geistern", fauchte Professeur Fixus. Dann fuhr sie fort:

"Da ich zu den wenigen Kundigen gehöre, kann ich innerhalb eines Tages jedes magische Zentrum gegen diese Muggelwaffen schützen, ohne den Muggeln ihre Herstellung verbieten zu müssen. Mehr brauchen Sie nicht zu wissen, außer, daß ich mich bedanke, daß Sie mir geholfen haben, entscheidend geholfen haben."

Mit einem Wink des Zauberstabes ließ die Beauxbatons-Lehrerin die Tür wieder aufschwingen und geleitete Julius in den Gästesaal zurück, wo Madame Delamontagne gerade gegen Belle Grandchapeau Schach spielte. Monsieur Pierre war noch nicht wieder aus dem Amtszimmer des Ministers zurück, wohl aber dessen Frau, Belles Mutter. Professeur Fixus bedachte Madame Delamontagne nur mit einem kurzen Gruß und zog sich dann zurück. Julius' Aufzeichnungen nahm sie mit.

"Hätten Sie mir die nicht ersparen können?" Flüsterte Julius Madame Grandchapeau zu, die Julius einen Platz neben sich zuwies.

"Beunruhigt es dich, daß sie weiß, was du nicht sagen willst? Mich auch", offenbarte die Gattin des französischen Zaubereiministers.

"Auf jeden Fall ist sie nun mit mir fertig, sonst dürfte ich wohl nicht hier sitzen", erwiderte Julius.

"Es war nötig, jemanden mit gewisser Kompetenz hinzuzuziehen, um eine mögliche Lösung für euer Problem zu finden. Offenbar geht es tatsächlich", wandte Nathalie Grandchapeau ein. Julius nickte.

"Die hat alles von mir erfahren, was ich darüber weiß. Ich wundere mich selber, daß sie damit was anfangen kann. Aber wie dem auch ist, es muß wohl gehen."

Danach unterhielten sich die Ministergattin und Julius über die Muggelwelt. Julius erfuhr, daß Madame Grandchapeau seit einigen Monaten die Leitung der Negotiatoren hatte, welche zwischen der Zaubererwelt und der der Muggel vermittelten. Anders als im englischen Zaubereiministerium hatte es Monsieur Grandchapeau für nötig befunden, eine eigene Abteilung für Muggelangelegenheiten zu schaffen. Julius dachte nur, daß das wohl nicht nur in der Muggelwelt üblich war, daß wichtige Leute Freunden oder Verwandten tolle Posten zuschusterten. Er unterhielt sich mit Nathalie Grandchapeau über das, was seine Eltern machten und im Flüsterton auch über sein besonderes Problem, weshalb er überhaupt in Millemerveilles war und nun hier saß und darüber mitredete, wie man dieses friedliche Dorf gegen Atombomben schützen könne. Dann sagte Madame Grandchapeau leise:

"Ich habe deine Eltern vor etwas über einer Woche in Paris getrofffen. Ich habe ihnen natürlich nicht erzählt, wer und was ich bin. Aber ich erkannte sie sogleich, weil wir ja eine genaue Beschreibung von ihnen haben. Ich durfte wieder miterleben, wie nachlässig die Muggel in Paris ihre Straßen sauber halten. Dein Vater mußte wohl gerade in einen Haufen Hundekot getreten sein, als ich ihn und deine Mutter sah."

"Ist ja heftig", grinste Julius schadenfroh. "Dann hat er ja gleich den totalen Eindruck von Paris bekommen. Das hat meine Mutter mir zwar nicht geschrieben, aber ich habe ja auch Sachen erlebt, die sie nicht wissen muß."

"Deine Mutter schreibt dir noch? Ich hörte davon, daß sie Kontakt mit dir und uns halten möchte. Schade, daß ich das nicht wußte. Ich hätte ihr sonst einen Negotiator oder besser eine Negotiatrice geschickt. Familiäre Kontakte sind wichtig, auch und gerade in Zeiten wie dieser, wo Leute wie du, die den Unnennbaren nicht miterlebt haben, Angst vor seinen Angriffen haben."

"Ich befolge nur einen guten Rat Professeur Faucons, Madame. Man soll auf das, was man am wenigsten erleben will, am besten vorbereitet sein. Das gilt ja auch für die Astronauten in der Muggelwelt. Die proben vor ihren Flügen ins Weltall alle möglichen Fehlersituationen und Katastrophen, um dann, wenn wirklich was passiert, alles so schnell wie möglich zu beheben. Meine Mum tut dies ja auch, wenn sie Computer programmiert. Da bestehen die Programme zum größten Teil aus Fehlererkennungs- und -Behebungsvorgängen."

"In der Zaubererwelt ist das nicht so mechanisch logisch durchstrukturiert. Aber sonst hat Professeur Faucon natürlich recht, insbesondere im Bezug auf ihr Unterrichtsfach "Verteidigung gegen die dunklen Künste"."

"Das gilt ja auch für Zaubertränke oder Kräuterkunde, Madame. Wir hatten im letzten Jahr einen Unfall in Zaubertränken, der für einen Tag fast die ganze Klasse in den Krankenflügel befördert hat."

"Das hat Belle geschrieben. Sie war sich immer sicher, daß dieser Professor Snape entweder mehr verlangt, als möglich ist, oder es darauf anlegt, daß gravierende Fehler passieren. Was du auch immer gegen Professeur Fixus haben könntest, schlampig arbeiten ist bei ihr absolut verboten. Wer abschweift oder absichtlich etwas verdirbt, wird sofort bestraft. Du kennst die Regeln unserer Schule natürlich nicht vom einmaligen Besuch und wirst dich auch nicht dafür interessieren. Deshalb nur soviel: Wer in Beauxbatons lernt, lernt, ob er oder sie will oder nicht. Jeder beteiligt sich auch in der Freizeit an Projekten, die das Lernen und die Zusammenarbeit fördern. Das unterscheidet uns von Hogwarts, wenn ich Belle richtig verstanden habe."

"Ich weiß nicht, ob das so gut ist, jeden jederzeit anzuleiten. Irgendwann muß doch jemand von sich aus leben und eigene Sachen tun, ohne daß wer ihm sagt, was gerade zu tun ist."

"Da Professeur Faucon und Madame Dusoleil bestimmt schon erklärt haben, daß dem nichts im Weg steht, nur weil wir in Beauxbatons ein strengeres Reglement haben, verzichte ich darauf, dir auch noch etwas zu erzählen. Du wohnst ja noch eine gewisse Zeit in Millemerveilles, bevor du nach England zurückfährst und ..."

"... Jäääh, Belle, mach sie fertig!" Brach Adrians unbeherrschter Jubelschrei über die Anwesenden herein. Monsieur Colbert schrak aus seinem leichten Nickerchen und sprang auf. Madame Delamontagne, die im Moment wohl Probleme hatte, gegen Belle zu gewinnen, stand erhaben und bedrohlich von ihrem Stuhl auf, blickte Adrian mit ihren graublauen Augen an, gefahrverheißend, wie Julius fand und schritt um den Tisch herum. Belle lief derweil tomatenrot an und schob ihren Stuhl einige Dutzend Zentimeter vom Tisch zurück.

"Bist du denn des Wahnsinns, Adrian!!" Schimpfte Monsieur Colbert seinen Sohn aus. "Du kannst doch nicht wie jeder primitive Rote durch die Gegend brüllen und noch dazu bei einem Spiel, das höchste Konzentration verlangt! Außerdem hast du Madame Delamontagne sehr heftig beleidigt."

"Ach so schlimm ist das doch nicht, Papa. Die Dame wird das hoffentlich verstehen. Ist doch nur ein Spiel, noch dazu ein langweiliges", sagte Adrian.

"Oooooooo!" Machte Julius. Das waren genau die beiden Dinge, die man in Hörweite von Madame Delamontagne nicht über Schach sagen durfte. Die Dorfrätin von Millemerveilles sah Monsieur Colbert an, flüsterte mit ihm. Er wurde bleich, doch dann nickte er. Sie zog ihren Zauberstab hervor, deutete auf Adrian, der schnell versuchte, in Deckung zu gehen. Doch eine unsichtbare Kraft hob ihn hoch, wie von einem Krahn gezogen und stellte ihn mit beiden Füßen auf den Tisch. Keine Sekunde später schnellte ein gleißender Blitz aus dem Zauberstab. Adrian schrumpfte auf eine Größe, daß er gerade so hoch wie die höchste Schachfigur war. Eine weitere Zauberei beförderte ihn mitten auf das Brett. Sie zog mit dem Zauberstab ein Quadrat um das Brett, wobei sie etwas murmelte, von dem Julius meinte, es als Begrenzungsbann zu erkennen. Dann setzte sie sich hin und sagte ihren nächsten Zug an. Adrian versuchte, den nun gleichgroßen Schachfiguren auszuweichen, die über das Brett wanderten. Meistens schaffte er es, einer Figur aus dem Weg zu gehen. Doch er konnte nicht vom Brett herunter, so wild er auch versuchte, die magische Grenzlinie zu durchlaufen. Belle wollte nicht an dieser Bestrafung mitwirken. Nach dem zweiten Zug, schüttelte sie den Kopf und sagte, daß sie bedauere, aber sowas vertrage ihr Gewissen nicht. Auch Julius, den Madame Delamontagne danach ansah, schüttelte wild entschlossen den Kopf.

"Nun, Monsieur Adrian: Da niemand bereit ist, um Ihre Rückvergrößerung zu spielen, weil es ja auch so langweilig ist, werden Sie selbst nun darum spielen müssen, aus dieser mißlichen Lage zu gelangen. Wenn Mademoiselle Grandchapeau ..."

Der Zaubereiminister trat in den Gästeraum, gefolgt von Monsieur Pierre. Als er Sah, was mit Adrian geschehen war, lachte er nur. Er lachte. Dann meinte er:

"Ach, Midas, hat Eleonore deinen vorlauten Filius miniaturisiert? Er hat doch wohl nicht die beiden bösen Sachen übers Schachspiel gesagt, daß es ein dummes langweiliges Spiel sei?"

"Genau das, Armand", seufzte Monsieur Colbert.

"Eleonore, ich fürchte, für einen Familienausflug dürfte Adrian jetzt nicht gewachsen sein. Da ich jedoch Nathalie und Belle versprach, die Colberts mit auf unseren Ausflug zu nehmen, würden Sie bitte die Güte haben, Ihre vielleicht etwas übertriebene Bestrafung zurückzunehmen?"

"Falls der Junge sich bei mir entschuldigt, werde ich noch mal Gnade vor Recht ergehen lassen, Monsieur le Ministre", sagte Madame Delamontagne entschlossen. Adrian rief mit einer winzigen Stimme:

"Ja, ich entschuldige mich, Madame. Das Spiel ist nicht langweilig. Es ist interessant, wenn auch kompliziert."

Madame Delamontagne ließ den verkleinerten Jungzauberer vom Schachbrett schweben, setzte ihn sachte auf einen freien Stuhl und gab ihm seine ursprüngliche Größe wieder. Sofort zog sich Adrian wie ein getretener Hund in die äußerste Ecke zurück.

"Nun, Eleonore, da es nicht gerade erlaubt ist, irgendwen beliebig kleinzuhexen, muß ich Ihnen 20 Galleonen Strafe abfordern", setzte der Zaubereiminister an. "Midas wird das Geld aus Ihrem Verlies holen, nachdem Sie ihm die Vollmacht unterschrieben haben. Sie sollten sich nicht so leicht von dummen kleinen Jungen provozieren lassen, nur weil sie die Größe dieses Spiels nicht begreifen."

"Wie Sie meinen, Monsieur le Ministre", willigte Madame Delamontagne mit kalter Stimme ein. Sie schrieb Monsieur Colbert eine Abbuchungserlaubnis für ihr Verlies bei Gringotts aus. Dann winkte sie Julius, ihr und Monsieur Pierre zu folgen. Julius bedankte sich artig bei Madame Grandchapeau für die nette Unterhaltung und verabschiedete sich von Belle, Adrian und seinem Vater. Dann verließ er den Gästesaal des französischen Zaubereiministeriums.

Julius glaubte zuerst, er würde mit den beiden Dorfräten sofort nach Millemerveilles zurückkehren. Doch Madame Delamontagne schlug eine andere Richtung ein, die aus dem Gebäude herausführte. So landeten sie in der von Wochenendbesuchern bevölkerten Kopfsteinpflasterstraße Rue de Camouflage, die in Paris dasselbe bedeutete, wie in London die Winkelgasse.

"Deine Hinweise und dein Wissen haben uns allen sehr geholfen, Julius. Zur Belohnung möchte ich dir vor deinem Geburtstag schon etwas gutes tun und dir die schönsten Orte in dieser Straße zeigen. Dann besuchen wir das Café von Madame Melusine, wo du vom Kuchen bis zum Überraschungsbaguette alles essen darfst, was du möchtest. Monsieur Pierre wird wohl vom Geschichtsmuseum aus zurückreisen, falls er nicht mitkommen möchte."

Der Dorfrat für Sicherheitsfragen bestätigte, daß er wieder zurück nach Millemerveilles wolle. So trennten sich die Wege der drei Besucher aus dem Zaubererdorf in Südfrankreich. Madame Delamontagne führte Julius an Geschäften mit Zaubergerätschaften, Quidditchzubehör und lebenden Zaubertieren vorbei, durch einen großen Park, den er mit Catherine im letzten Jahr nicht besucht hatte, weil sie dafür keine Zeit hatten, bis hin zu einem Springbrunnen, um den herum ein Orchester aus Bronzezwergen aufgereiht war. Pünktlich als Julius' Weltzeituhr zwölf Uhr Ortszeit zeigte, ging ein liebliches Spiel aus Flöten, Harfen und irgendwie mittelalterlich klingenden Blasinstrumenten los, das fünf Minuten dauerte. Danach begaben sich die Besucher aus Millemerveilles in das Café Melusine. Die Wirtin, eine Hexe so rund wie Professor Sprout, die weißblondes Haar zu Spaghettilocken gedreht hatte, bediente die hohe Besucherin aus Millemerveilles und ihren Gast. Während Julius von dem Kirschblütenhonigkuchen, dem Dutzendfrüchteeis mit wolkengleich aufgeschäumter Schlagsahne und ein großes Überraschungsbaguette mit verschiedenen Sorten Gewürzwurst und Käse aß und dazu Milchkaffee trank, unterhielt er sich mit Madame Delamontagne über den Ausflug. Ohne den Grund für den Ausflug nach Paris zu erwähnen, sprachen sie über die Einrichtung des Zaubereiministeriums, das Ministerehepaar und Belle, sowie die Colberts. Julius warf schnell ein:

"Zumindest werde ich nun endgültig davon absehen, es mir mit Ihnen oder Madame Dusoleil oder Madame Faucon zu verscherzen. Das war eine sehr deutliche Warnung für mich."

"Es wäre wohl besser gewesen, mich nicht so heftig aufzuregen. Aber Mademoiselle Grandchapeau hat mich tatsächlich sehr beeindruckt. Ich hätte gerade den Zug ausführen können, der mich vor der Niederlage bewahrt hat, als dieser Flegel dahergebrüllt hat. Wenn Blanche ihm noch keine Manieren beibringen konnte, wird er es nun wissen. Aber ich konnte zumindest feststellen, daß du dich sehr gepflegt mit Madame Grandchapeau unterhalten hast. Sie kennt natürlich deine Situation, zumal alles, was damit zu tun hat, bei ihr über den Tisch geht. Sie hat natürlich die Gelegenheit genutzt, aus erster Hand zu erfahren, wie es dir geht und wie du dich bei uns fühlst."

"Ich war nur etwas beklommen, weil Belle sich so überkorrekt ausdrückt. Das kenne ich nur von Erwachsenen oder wenn ich Briefe schreibe", gestand Julius ein.

"Bei den Muggeln heißt es: "Adel verpflichtet." Sie sieht es wohl so ähnlich. Apropos Adel: Meine Eulenschachpartnerin Lady Genevra hat sich nach deinem Befinden erkundigt", brachte Madame Delamontagne zur Sprache. Julius unterhielt sich daraufhin über die Party bei Dr. Ryan Sterling. Er erwähnte auch, daß er erfahren habe, daß Dr. Sterling eine Hexe zur Schwester habe.

"Ja, das stimmt wohl. Ich kenne sie zwar nicht, weil ich mit der ehrenwerten Genevra immer nur alleine zusammengetroffen bin, aber wenn ich richtig orientiert bin hat sie eine Tochter in deinem Alter, die in Hogwarts in deiner Klasse sein muß und eine Tochter, die drei Jahre jünger ist und wohl nächstes Jahr eingeschult wird."

"Hmm, die müßte ich ja dann kennen. Gloria kann es nicht sein, ebenso wenig die Hollingsworths. Pina erzählt selten was über ihre Familie. Daß sie 'ne Schwester hat, die Olivia heißt, das weiß ich. Dann bleiben nur noch Holly aus meinem Haus, sowie Gilda. Aber die hat auch keine Muggelverwandte, denn das hätte sie mir wohl mal erzählt. Von einer Slytherin weiß ich, daß sie einen Muggelvater hat. Vielleicht kennt der ihre Mutter von einer Schwester, die eine Hexe ist. Ist schon seltsam."

"Eine Slytherin mit Muggelvater? Oh, dieses Mädchen ist wohl nicht zu beneiden oder sie wird eines Tages sehr ehrgeizig und skrupellos sein ... Lassen wir das!"

"Wäre schon heftig, ein Mädchen zu kennen, dessen Onkel meinen Vater gut kennt", meinte Julius. Dann sagte er:

"Die soll wohl Hortensia mit Vornamen heißen, die Schwester von Dr. Sterling."

"Stimmt! Hortensia Watermelon, so heißt sie."

Julius verschluckte sich fast an einem Krümel, den er nicht richtig geschluckt hatte. Das war für ihn der absolute Megahammer, dachte er. Pina Watermelon sollte eine muggelstämmige Mutter haben? Das sie damit gut fuhr, es nicht breitzutreten, konnte niemand besser verstehen als Julius selbst oder Lea Drake von den Slytherins.

"Wenn es tatsächlich ein Mädchen in meiner Klassenstufe sein muß, dann ist es jemand, der in meinem Haus wohnt", gab Julius zu. "Dann habe ich ihr ja ohne es zu ahnen viel gutes getan."

"Wieso?" Fragte Madame Delamontagne.

"Weil ich den ganzen Müll von den Slytherins abgekriegt habe und sie ihre Ruhe vor denen hatte. Wenn die denen erzählt hätte, daß ihre Mutter von Muggeln abstammt, wäre sie genauso bei denen unten durchgerasselt, wie ich. Ich konnte das ja nicht verbergen, sie wohl schon."

"Dann ist es die junge Dame mit dem blonden Zopf, von der Roseanne mir erzählt hat, die auch beim Weinachtsball dabei war. Die Mademoiselle Porter kenne ich ja bereits."

"Genau die ist das. Sie wurde auch von einem älteren Mitschüler eingeladen, der sich aber schnell was neues ausgesucht hat. Es war schade, denn Pina kann sehr gut tanzen. Vielleicht hat sie auch eine Ausbildung dafür bekommen", sagte Julius leise genug, daß es nicht jeder mitbekommen würde. Denn über Muggelstämmige zu reden erschien ihm in breiter Öffentlichkeit nicht gerade angesagt. Madame Delamontagne nickte und wechselte das Thema. Sie sprach mit Julius über seine Geburtstagsfeier, wen er eingeladen hätte und was Madame Dusoleil ihm erlaubt hatte. Sie sprachen gerade von der Einladungsliste, als eine Julius allzu bekannte Kinderstimme rief:

"Tante Leni, da sitzt ja Julius!"

"Alarmstufe Rot! Scotty volle Energie auf den Warpantrieb! Schilde auf Maximum!" Schossen Julius die verrücktesten Gedanken durch den Kopf. Von links kam ein siebenjähriges Mädchen mit pechschwarzen Zöpfen, dessen Gesicht Ähnlichkeit mit dem Madame Faucons hatte. Als sich die beiden, der Zauberschüler und das Hexenmädchen ansahen, stellten sie beide im selben Augenblick dieselbe Frage:

"Was machst du denn hier?"

"Oh, Eleonore!" Rief die Stimme einer älteren Hexe, die Mühe hatte, hinter dem kleinen Mädchen herzulaufen. Dann sah sie Julius an. Sie sah Madame Faucon sehr ähnlich, nur mit dem Unterschied, daß sie wesentlich heiterer durch die Gegend blickte und ihr schwarzes Haar offen und geschmeidig bis zu ihren Hüften herabwehen ließ. Sie steckte in einem himmelblauen Kleid mit sonnengelbem Saum und Kragen und trug eine sonnengelbe Handtasche quer über der rechten Schulter. Sie lächelte den Jungen an.

"Da haben wir doch den jungen Herren, weswegen Catherine und die gute Blanche wollten, daß ich diesen Wirbelwind in meinem Stall beherbergen darf", grüßte die ältere Hexe Julius und grinste ihn an, wie Julius es bei Madame Dusoleil gesehen hatte, wenn sie sehr erheitert war.

"Damit hätte ich rechnen müssen", knurrte Madame Delamontagne. "Es war nicht geplant, daß die beiden sich hier treffen, Madeleine."

"Tja, das passiert, wenn man in der Weltgeschichte herumläuft, Eleonore", trällerte die ältere Hexe. Blanche ist wohl bei Catherinchen, sonst hätte sie das wohl nicht zugelassen, oder?"

"Madeleine, auch wenn du fast zehn Jahre älter bist als ich lasse ich mir diese Art von Respektlosigkeit nicht bieten. Ich habe es nicht nötig, Blanche um Erlaubnis zu bitten, mit diesem jungen Mann auszugehen, und du hättest besser auf die kleine Mademoiselle achten sollen."

"Dann bist du ja doch kein Muggel", stellte das kleine Mädchen fest, wobei es Julius immer noch mit sehr großen Augen ansah. Julius, der sich mit der Situation abgefunden hatte, die nicht mehr zu ändern war sagte:

"Meine Eltern besuchen gerade deine Maman und die dürfen nicht wissen, daß du kein Muggelmädchen bist, sonst werden die nämlich böse."

"Ach, dann wissen die nicht, daß Maman eine Hexe ist?"

"Nein wissen sie nicht, Babette", erwiderte Julius energisch. Das Mädchen lachte. Dann sagte es:

"Deine Maman weiß doch, daß ich hexen kann. oder hat Oma Blanche die Vase wiedergefunden, die ich klein gemacht habe?"

"Sei froh, daß deine Oma dich nicht klein macht, Hexe! Sie hat die Vase wiedergefunden und groß gemacht", erzählte Julius.

"Dann willst du nicht, daß deine Maman weiß, daß meine Maman eine Hexe ist, die richtig hexen und fliegen kann?"

"Deine Oma Blanche will das nicht, du Rotznase, und ich glaube nicht, daß du sie böse machen willst."

"Wieso kannst du denn auf einmal so gut Französisch? Wollte das Oma Blanche auch nicht, daß wir das wissen?"

"Genau", sagte Julius spontan. Dann fügte er hinzu: "Sie hat gesagt, wenn du rauskriegst, daß ich zaubern kann und das bei ihr lerne, macht sie aus dir eine Teetasse."

"Nana, junger Mann, erschrickst du mir das Kind, passiert dir, was du ihm androhst", schritt die ältere Hexe ein und tippte sich an eine längliche Ausbuchtung ihres Kleides, wo wohl der Zauberstab verborgen war.

"Mal abgesehen davon stimmt es zumindest, daß Blanche nicht möchte, daß Julius' Eltern vorzeitig erfahren, wer sie und ihre Tochter sind. Sie und Catherine möchten das ihnen beibringen, wenn der Zeitpunkt günstig ist, Madeleine."

"Was ist denn passiert, daß Catherine und die gute Blanche so viel Angst vor Muggeln haben?" Fragte Babettes Großtante Madeleine amüsiert.

"Setzt euch beide zu uns. Ich spendiere Kaffee, Kakao und was zu essen, falls du wirklich wissen möchtest, was geschehen ist", bot Madame Delamontagne an. Madeleine und ihre Großnichte nahmen an. Babette setzte sich rechts neben Julius und wippte aufgeregt auf dem Stuhl, bis sie eine Tasse Kakao vor sich stehen hatte. Dann berichtete Madame Delamontagne. Julius zog es vor, nur dann was zu sagen, wenn er gefragt wurde. Das geschah, als Madeleine wissen wollte, wie er nach Hogwarts gekommen war. Julius erzählte es, wobei er jedoch Aurora Dawn unerwähnt ließ. Er berichtete von dem Besuch zu Ostern vor einem Jahr wo Madame Faucon herausgefunden hatte, daß Julius zaubern konnte. Dann berichtete Madame Delamontagne weiter. Schließlich lachte Tante Madeleine.

"Huh, da hast du aber was tolles erlebt. Ich kann mir vorstellen, daß Blanche besseres zu tun hat, als sich von so'nem unbelehrbaren Muggel die Ohren vollbrüllen zu lassen. Aber immerhin hast du sie ja nicht geärgert und damit wohl viel Anerkennung von ihr bekommen."

"Weiß ich nicht genau. Ich denke eher, sie tut es, weil sie nicht will, daß ich unter die Räder komme, wie es bei den Muggeln heißt, wenn die Gefahr besteht, daß wer vom rechten Weg abkommt."

"Das ist gleichbedeutend mit: "Spring dem Drachen nicht ins Maul, wenn er schläft!" Erwiderte die ältere Hexe, die Madame Faucon so ähnlich sah. Nur die Stimme, so fand Julius, war doch eine andere, wenngleich auch hier die direkte Verwandtschaft zu hören war. Aber der Dialekt war ja schon tonangebend. Das kannte Julius ja auch aus dem englischen und dem schottischen Dialekt oder dem irischen Akzent Kevins.

"Und du kannst wirklich zaubern, Julius?" Fragte Babette. Julius nickte. Babette sagte: "Glaube ich nicht. Muggelkinder können nur zaubern, wenn mindestens der Vater ein Zauberer war. Das sagt 'ne Schulkameradin von mir, deren Vater Zauberer ist."

"Die hat eben noch nicht alles gesehen, Babette. Ich weiß, daß ich zaubern und fliegen kann. Wenn ich siebzehn bin kann ich vielleicht auch apparieren. Außerdem: Wie kommt man wohl hier auf diese Straße?"

"Du kannst nicht zaubern. Oma Blanche will nur deine Eltern ärgern", sagte Babette trotzig.

"Ich weiß was ich kann, meine Eltern wissen das und deine Oma Blanche weiß das auch", knurrte Julius verbittert, weil er nun in einer Lage war, die er gerne vermieden hätte.

"Julius, damit sie es glaubt", sagte Madame Delamontagne und reichte Julius ihren Zauberstab herüber. Julius sah die Dorfrätin an. Diese sagte bestimmend:

"Ich weise dich an, Madeleine und Babette vorzuführen, daß Madame Faucon und ich uns nicht die Mühe machen, dich in unsere Gesellschaft einzugliedern, wenn du nichts kannst, wofür es sich lohnt!"

Juliuus wußte, daß Beamte der Zaubererwelt minderjährigen Hexen und Zauberern außerhalb der Schulzeit die Zauberei in Grenzen erlauben ja befehlen durften. Sonst wäre das mit dem Ferienunterricht bei Madame Faucon ja völlig undenkbar gewesen. So trank Julius seinen Milchkaffee aus, stellte die Tasse vor sich hin und machte mit dem Zauberstab einige Bewegungen, um zu fühlen, wie er zu handhaben war. Er spürte die fließende Kraft, die er immer spürte, wenn er einen Zauberstab bewegte. In ihm steckte so viel Magie, daß sie schon ohne korrekte Zaubergesten und Worte aufbrandete. Julius führte eine Folge schneller, genau auf nur in seinen Gedanken gesprochene Worte abgestimmte Bewegungen mit Madame Delamontagnes Zauberstab aus und deutete zum Schluß auf die leere Tasse. Ein violetter Blitz und ein scharfer Knall erfolgten, und über den Tisch krabbelte eine echte Landschildkröte mit braun-beigem Panzer. Wieder vollführte er schnelle Zauberstabbewegungen, wieder knallte ein Blitz aus dem Stabende, und an Stelle der Schildkröte stand nun eine Hutschachtel auf dem Tisch. Dann vollführte er wieder Bewegungen mit dem Zauberstab, wobei er nichts sagte und verwandelte die Hutschachtel zurück in die leere Kaffeetasse.

"Ja, jetzt glaube ich's", wimmerte Babette, die die schnelle Folge von Verwandlungszaubern eingeschüchtert hatte. Ihre Großtante sah Julius wie ein Weltwunder an.

"Klar hat Blanche das nicht verkommen lassen wollen und auch ihre Kollegin in Hogwarts nicht. Du bist einer von uns und noch dazu ein sehr talentierter Jungzauberer. Hat Blanche dir zu einer guten Verwandlungsnote verholfen? Immerhin hast du die Unittamo-Stabtechnik benutzt, die sie dir wohl beigebracht hat."

"Ja, hat sie", sagte Julius. Babette sah ihn immer noch eingeschüchtert an. Julius, der kein Gedankenleser war, vermeinte dennoch zu erfassen, was die kleine Hexe dachte. Offenbar fühlte sie sich allen Muggeln überlegen, konnte mit ihnen ihren Schabernack treiben, ihnen Sachen wegnehmen und ähnliches. Hexen und Zauberer dagegen waren ihr überlegen und konnten sie bestrafen, wie sie es sich nur in ihren schlimmsten Alpträumen ausmalen konnte. Je besser ein Zauberer oder eine Hexe, desto mehr Respekt flößte es Babette ein. So sagte Julius:

"Mein Paps mag nicht, daß ich zaubern kann. Doch wenn ich das nicht richtig lerne, in der Schule Hogwarts, passiert vielleicht irgendwann was ganz schreckliches. Meine Mum weiß, was ich kann und möchte, daß ich lerne, es richtig zu benutzen. Deshalb möchte deine Maman und deine Großmutter haben, daß meine Eltern das erstmal nicht wissen, daß deine Oma, deine Großtante, deine Maman und du auch zaubern und hexen könnt. Deine Maman wird es ihnen wohl erst sagen, wenn sie sich ganz sicher ist, daß sie nicht böse auf deine Maman werden und sie sich wehren muß. Also versprichst du mir, daß du es auch nicht erzählst?"

"Ja, ich verspreche es dir", sagte Babette kleinlaut.

Nach diesem Mittag voller Überraschungen kehrten Madame Delamontagne und Julius per Flohpulver nach Millemerveilles zurück. Babette und ihre Tante sahen zu, wie die beiden im Kamin verschwanden. Madeleine dachte nur:

"Wenn Blanche das rauskriegt, sollte ich mir Ohrenschützer mitnehmen, wenn ihre Heuler kommen."

Zurück in Millemerveilles verabschiedete sich Julius von Madame Delamontagne und flog auf seinem Besen zum Haus der Dusoleils zurück. Madame Dusoleil begrüßte Julius mit einer herzlichen Umarmung. Sie sagte ihm leise:

"Madame Fixus war hier und hat schon angefangen, irgendwas zu zaubern, um dieses Uran auszutricksen. Sie kennt da einige uralte Tricks, die gut in unsere Abwehrzauber passen. Wenn sie morgen mittag fertig ist, wirst du dich nicht wieder in anderer Mütter Schoß träumen, mon Cher."

"Das hat Sie aber heftig beeindruckt, was?" Fragte Julius frech.

"Fasziniert, nicht erschüttert", lachte Madame Dusoleil.

Alle drei Töchter der Familie kamen aus dem Haus gelaufen. Jeanne klopfte an Julius' Bauch und stellte fest:

"Klingt nicht so hohl, als wenn Madame Delamontagne dich hätte hungern lassen. Wo warst du essen?"

"In Madame Melusines Café. Denise, ich soll dir schöne Grüße von Babette bestellen. die hat heute mit ihrer Tante eingekauft."

"Was, du hast Babette getroffen. Was macht sie gerade?" Fragte Denise Dusoleil, die nur ein Jahr jünger war als Catherines Tochter.

"Sie läßt sich von halbblütigen Zaubererkindern einreden, daß Kinder von Muggeln alleine nicht zaubern können. Madame Delamontagne befahl mir, ihr was vorzuzaubern. Da habe ich eine leere Tasse in eine Schildkröte und die dann in eine Hutschachtel verwandelt."

"Ohne Worte?" Fragte Jeanne. Julius nickte. Claire war beeindruckt.

"Das möchte ich auch gerne sehen, wie du das kannst, Julius. Muß Madame Delamontagne dir das hier auch befehlen, damit du das mir mal vorführst?"

"Vielleicht kommt Madame Faucon darauf, mir das aufzuhalsen, damit ich nicht alles wieder vergesse", tröstete Julius die mittlere Dusoleil-Tochter. Madame Dusoleil fragte:

"Dann weiß Babette nun, daß du kein Muggel bist? Hmm, das bringt Catherine aber in Zugzwang. Nicht zu vergessen, daß Blanche das nicht gerade amüsieren wird. Naja, aber passiert ist nun einmal passiert. Die Gedächtnismodifikation darf per Gesetz nur an Muggeln vorgenommen werden. Wo käme man denn hin, wenn jeder Zauberer einem anderen ihm genehme Erinnerungen eintrichtern würde. Da müssen wir dann also durch."

"Ich muß dadurch, Madame. Ich muß dadurch und Catherine."

"I-a, der Esel nennt sich stets zuerst", quäkte Denise gehässig.

"Ich hex dir gleich lange Ohren an, Göre", stieß Julius zornig aus. Denise sprang sofort zurück, weil sie das für bitterernst hielt. Immerhin wußte sie ja, daß der Junge aus England mit ihren Schwestern böse Zauber weghauen lernte. Dann mußte er ja auch lernen, wie die bösen Zauber gemacht wurden.

"Wie dem auch ist, Catherine und Blanche werden schon austüfteln, was zu tun ist", stellte Madame Dusoleil klar.

Der Nachmittag und Abend verstrichen mit den letzten Hausaufgaben, Musik und einer Toberei zwischen Jeanne, Claire, Julius und Denise auf der großen Wiese im Garten, wo bei Festen die Tische und Stühle hingestellt werden konnten.

 

So verwunderte es niemanden, daß alle beim Abendessen tüchtig zulangten und auch früh ins Bett wollten. Am nächsten Tag sollte Virginies ZAG-Feier sein.

 

__________

 

Der Sonntag begann ruhig und gemütlich. Erst um neun Uhr wurde in der Küche gefrühstückt. Monsieur Dusoleil las aus der Sonntagsausgabe des Miroir Magique vor, Madame Dusoleil hatte die französische Ausgabe des grünen Magiers, der Fachzeitschrift für Zauberkräuter. Darin standen neue Anbaumethoden für Springbohnen und Artikel über neue Verwendungsmöglichkeiten für Rauschnebelsträucher. Julius durfte einen Artikel von Oleande Champverd vorlesen, in dem die alteingesessene Kräuterhexe aus der Provence sich über die zunehmende Verunreinigung der reinen Böden durch Muggelchemikalien ausließ. Der Hogwarts-Schüler las auch, daß die Kräuterhexe, die wohl Madame Delamontagnes Mutter war, einen flammenden Aufruf gegen die Unkrautvertilger der Muggel-Landwirte verbreitete.

"Die wird sich dumm umschauen, wenn die Genforschung die ersten erbveränderten Pflanzen auf die Natur losläßt", schloß Julius die laute Verlesung mit höhnischem Grinsen.

"Die alte Dame verabscheut jede Form unnatürlicher Acker- und Gartenbaumethoden. Falls sie heute abend auf Virginies Fest anwesend sein sollte, solltest du darauf achten, dich von ihr nicht in eine Diskussion über Sinn und Unsinn der Muggelchemikalien verwickeln zu lassen", riet Madame Dusoleil ihrem Hausgast. Jeanne und Claire grinsten Julius nur an.

"Besser, du läßt dich mit ihr überhaupt nicht auf eine Diskussion ein. Sie hält sich für eine Art Königin der französischen Kräuterkundler. Selbst von Professeur Trifolio und Maman hält sie nicht viel", bemerkte Claire. Julius sagte nur:

"Begrüßen werde ich sie wohl müssen. Wenn Madame Delamontagne ihr noch steckt, öhm, berichtet, daß mich Kräuterkunde interessiert, laufe ich Gefahr, daß sie sich für mich interessiert, Mademoiselle Claire. Meine Eltern haben mich dahin eingepegelt, daß ich nicht einfach jemanden zurückweisen darf, der mit mir sprechen will, wenn es nicht gerade die Zeitung oder das Fernsehen ist."

"Es ist Virginies Fest, Leute! Ich denke nicht, daß sie sich von ihrer Oma die Schau stehlen läßt, zumal ja auch ihre Großeltern väterlicherseits kommen werden. Virginies Opa väterlicherseits ist Heilkundler und unterrichtet an der Akademie für magische Heilberufe. Womöglich wird sich Madame Champverd mit ihm befassen, wenn die Jugend sich vergnügt", meinte Jeanne mit einem gewissen Spott in der Stimme.

"Na dann", erwiderte Julius nur.

"Nach dem Frühstück scheuchte Madame Dusoleil Claire, Denise und Julius an die frische Luft. Jeanne durfte ihr helfen, den Haushalt zu führen, um die entsprechenden Zauber zu üben, die ja in der Schule nicht geprobt wurden. Unter der Aufsicht von Mademoiselle Dusoleil spielten die Kinder Ball oder übten Bockspringen. Julius trug Denise einmal Huckepack über die Wiese und spielte mit ihr das Schubkarrenspiel, bei dem er sie an den Füßen hielt, sodaß sie auf den Händen vorwärts laufen konnte. Dann zeigte er, welche Turnübungen sie vor Hogwarts im Schulunterricht gemacht hatten und drehte sogar einen Salto. Als er jedoch fast dabei hingefallen wäre, verbot Mademoiselle Dusoleil ihm das.

"Du bist sehr gelenkig, Julius. Aber du bist nicht unverwundbar. Es ist nett, daß du Denise Sachen zeigen kannst, die ihren Bewegungsdrang auslasten, aber dabei mußt du dich nicht selbst verletzen."

"Ich habe gestern vergessen, mir die Sommergestirne anzusehen", fiel es Julius ein, als er die Mittjulisonne hell und warm über den Baumwipfeln strahlen sah.

"Du bist ja noch einige Wochen hier. Wenn Blanche dich nicht zu sehr ermüdet, haben wir genug Zeit, deine Hausaufgabe zu bearbeiten", sprach Claires und Denises Tante dem Feriengast Zuversicht zu.

Das Mittagessen wurde im Garten eingenommen. In der Stille des Dorfes genossen die Halbwüchsigen und Kinder das leichte Essen und tranken viel klares Wasser oder Zitronenlimonade.

Am Nachmittag sahen sie Madame Fixus, die mit einem großen Kessel auf einem Handwagen herumlief. Aus dem Kessel waberte bläulicher Rauch. Die Beauxbatons-Zaubertranklehrerin schien dabei noch mit dem Zauberstab etwas anzustellen, denn zwischendurch schossen rote, grüne, blaue und goldene Blitze aus dem Stab, schlugen durch den aufsteigenden Dampf aus dem Kessel und zerfaserten schillernd im Nachmittagshimmel. Irgendwann war sie wohl damit fertig. Sie legte einen Deckel auf den Kessel, zog diesen hinter sich her und verschwand in Richtung Dorfmitte.

"Was sollte das denn jetzt sein?" Wollte Julius wissen, dem die Kombination von brodelndem Trank und direkter Zauberei noch ziemlich unvertraut war.

"Wahrscheinlich ein Schutzzauber, der ähnlich wie ein Fluch gewirkt wird", vermutete Jeanne. Dann sahen sie, wie sich der Himmel rosarot einfärbte, als wenn von Zenith her eine rosa Zeltplane über das ganze Dorf gebreitet würde. keine Minute später stand von Horizont zu Horizont eine rosarote Kuppel, die das Licht der Sonne ins orangerot veränderte. Dann klaffte da, wo die Sonne zu sehen war, ein Loch in der Lichtkuppel, und Julius staunte, als er konzentrische Kreise, deren Mittelpunkt der Sonnendurchlaß war, in blauen, roten und goldenen Farbtönen erschienen, die Kuppel der Breite nach unterteilten und schließlich immer breiter und durchscheinender wurden, bis sich das rosa Licht wieder aufgelöst und das Schönwetterblau des Himmels zurückgebracht hatte.

"Wau!" Staunte Julius. "Das muß eine Art Energieausgleich oder Zündvorgang gewesen sein. Ich kann das nicht anders beschreiben."

Mit einem Plopp apparierte Professeur Fixus im Garten der Dusoleils. Sie sah abgekämpft aus und wirkte sehr ernst. Dann sah sie Julius an und trat zu ihm. Der Hogwarts-Schüler dachte sofort an einen Kanon, den er in der Grundschule gesungen hatte und ließ ihn in einer sonnendurchfluteten Kathedrale erklingen.

"Er versucht es schon wieder. Aber mindestens hat der junge Herr nun einen besseren Musikgeschmack bewiesen. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß der neue Schutz nun ohne Störung in Kraft getreten ist. Es war sehr anstrengend, die Balance zwischen der hier schon bestehenden Magie und den Grundkräften der Elemente zu wahren. Aber die Sommersonne hat mir die nötige Kraft gegeben, um den Ausgleich zu schaffen. Was Sie gesehen haben, war in Verschmelzung der bestehenden Schutzzauber mit der zusätzlichen Abwehrmagie gegen alle Elemente, die durch Strahlung zerfallen können. Nun kann von außerhalb nichts mehr hier hineinkommen, das über das normalmaß der Naturstrahlung hinaus diese Radioaktivität, wie Sie es nannten, abgibt, ohne die elementare Ebene zu wechseln, will sagen, seine natürliche Form zu verlieren und sich im Gefüge aller Elemente zu verflüchtigen. Das müssen Sie jetzt noch nicht verstehen. Es ist die höchste Kunst der Alchemie und der elementarmagischen Manipulation. Ein Fehler hätte entweder den bestehenden Schutz von Millemerveilles zerstören oder das Dorf in einer Entladung aller Elementarkräfte vernichten können. Aber wie ich gestern schon sagte: Ich habe Kunde von Wissen, das genau mit diesen Kräften zu tun hat. Dies nur, weil Sie, Monsieur Andrews derjenige waren, der diesen Schutzzauber angeraten und möglich gemacht hat. ich empfehle mich nun. Und, Monsieur Andrews, falls Sie wirklich darauf ausgehen, Ihren Geist gegen telepathische Belauschung abzuschotten, können Sie dies nur dort lernen, wo ein Gedankenleser es kontrollieren kann. Außer in Beauxbatons könnten sie dies nur noch im Heim der goldenen Drachen in Südchina lernen. Allerdings sind die asiatischen Zauberer nicht gerade gut auf westliche Zauberer zu sprechen und nehmen so gut wie keinen Europäer oder Euroamerikaner oder Afrikaner auf. Grüßen Sie mir Mademoiselle Dawn und richten ihr aus, sie möge sich doch auch mit der Sinneswelt magischer Geschöpfe befassen, bevor Sie Ihnen was erzählt, was unzureichend gestützt ist."

"Möchten Sie noch etwas trinken, Professeur Fixus? Sie wirken so, als hätten Sie einen Marsch durch die Wüste hinter sich", wandte sich Madame Dusoleil an die kleine Professorin. Diese nahm dankend an und trank einen großen Becher klares Wasser aus. Dann disapparierte sie.

"Die muß zum Chapeau du Magicien", meinte Jeanne. "Aus Millemerveilles kann man nicht in einem Anlauf disapparieren. Der Schutzbann verhindert das."

"Ich finde das faszinierend, daß jeder erwachsene Zauberer einfach Plopp verschwindet", sagte Julius Andrews ernsthaft.

"Ich nicht, Julius. Ich fliege lieber oder nehme Flohpulver oder eine magische Reisesphäre. Ich habe es auch nie so richtig gelernt, zu apparieren", sagte Madame Dusoleil.

"Aber Sie könnten, wenn Sie müßten?" Fragte der Hogwarts-Schüler.

"Wenn ich genau weiß, wo ich hin will, dann kann ich dorthin. Aber sonst würde ich jede andere Möglichkeit nutzen, um schnell den Standort zu wechseln."

"Am 22. Juli sind Barbara und ich fällig", erinnerte Jeanne daran, daß sie in wenigen Tagen die Apparitionsprüfung ablegen würde.

"Wenn ihr nachher zu Virginie fliegt, braucht ihr nicht auf den Rennbesen zu reisen, Jeanne. Einer reicht. Ihr nehmt unseren Cyrano-Besen", schlug Madame Dusoleil vor. Doch Jeanne widersprach ihrer Mutter.

"Da kommt nur junges Volk hin, Maman. Wenn wir da auf einem Vater-Mutter-Kind-Besen anreiten, lachen uns Barbara, Seraphine und Virginie aus. Wer sollte denn da in der Mitte sitzen? Claire oder Julius?"

"Das war nur ein Vorschlag, meine Tochter. Ich wollte nur sicherstellen, daß es beim Rückflug keine Probleme gibt."

"Entweder fliegt jeder seinen oder ihren eigenen Besen, oder wir nehmen meinen und Julius' Besen und wechseln uns ab, wer Claire mitnimmt", sagte Jeanne. Madame Dusoleil lachte und meinte:

"Da mußt du Claire fragen, ob sie das überhaupt will."

Doch das war wohl nur eine Feststellung ohne Notwendigkeit. Denn Claire wollte natürlich nicht alleine fliegen und lieber mit Jeanne oder Julius im Tandem fliegen. Julius dachte sich sogar, daß es Claire darauf anlegte, mit ihm zusammen anzukommen, um Eindruck zu machen. Gut, er würde das Spiel mitspielen, zumal er die Familienbesen auch nicht für besonders beweglich hielt, seitdem er mit Gloria und ihrem Vater einen Tag nach seinem Geburtstag zum magischen Tierpark von Millemerveilles geflogen war, wo sie zu dritt auf einem Familienbesen herumgeflogen waren.

Um fünf Uhr zog sich Julius ins Gästebad zurück, duschte noch mal, wobei er die herben Kräuterlotionen benutzte, die ihm wie Parfüm und Rasierwasser eine erfrischende Duftnote verliehen. Dann zog er seinen weinroten Festumhang über, stellte fest, daß dieser tatsächlich noch gut saß und schlüpfte in die Tanzschuhe, die ihm Madame Faucon im letzten Jahr für den Sommerball geschenkt hatte. Dann kämmte er sich sein kurzes Haar zurecht, wobei er wieder die Frisurhaltlösung von Dione Porter benutzte. Danach verließ er das Gästebad, wo Claire bereits auf ihn wartete. Sie trug ihren mit Goldfäden durchwirkten roten Tanzumhang und das weizengelbe Haarband in ihrem schwarzen Schopf. Sie sah Julius prüfend von oben bis unten an. Julius bemerkte, daß sich Claire wohl mit Wimperntusche und brauner Schminke das Gesicht verschönert hatte.

"Hups, ich dachte, das wäre bei dir nicht nötig, mit Kosmetikzeug herumzufuhrwerken", meinte Julius.

"Wie meinst du das?" Fragte Claire lauernd.

"Das du es nicht nötig hast, dir noch was ins Gesicht zu schmieren", sagte Julius. Dann sog er den Duft des frischen Wiesenkräuterparfüms ein, mit dem die mittlere Dusoleil-Tochter Handgelenke und andere schnell warm werdende Hautpartien benetzt hatte. Sie schnüffelte auch kurz und nickte dann.

"Die beiden Kombinationen tun sich nichts. Ich kenne eine Mitschülerin, die Probleme mit ihrem Freund bekommen hat, weil der mit einer Duftlösung herumspielt, die zusammen mit ihrem Parfüm eine abstoßend süße Duftwolke verursacht."

"Damit kenne ich mich nicht aus. Ich wollte nur frishc geduscht riechen, Claire."

"Du bist noch lange genug hier, um zu merken, wie toll das ist, wenn man seine Erscheinung richtig aufpoliert. Immerhin hast du dir wieder dieses Haltezeug in die Haare gekämmt, um es fülliger wirken zu lassen. Das macht doch kein Junge, der sich nicht dafür interessiert, wie er bei anderen ankommt."

"Das hast du gesehen oder dir nur gedacht?" Fragte Julius.

"Ich habe es gesehen. Glaube mir, daß ich dich mittlerweile sehr gut kenne, um zu merken, wenn du was an deinem Haar tust. Schade, daß es nicht etwas länger ist. Dann hätte dir Maman richtige Locken einkämmen können."

"Ach, du stehst auf Jungs mit Lockenfrisur im Nacken?"

"Wenn es nur das wäre, wäre ich wohl ein sehr einfältiges Mädchen. Da gehört unter das Haar noch ein brauchbarer Kopf und unter dem noch ein beweglicher Körper, der nicht zu übermäßig mit Speck oder Muskeln beladen ist."

"Oh, das wird Barbara freuen, daß sie von dir nicht behelligt wird", gab Julius gehässig zurück.

"Gefällt sie dir, Barbara?"

"Sie ist meine Trainingspartnerin im Dauerlauf und Quidditch. Insofern gefällt sie mir schon in dem, was sie kann."

"Die ist vielleicht etwas zu alt für dich", stellte Claire unerschütterlich fest.

"Außerdem ist sie mit dem Belgier zusammen, der die fliegenden Pferde vor der Reisekutsche gesteuert hat. Ich bin kein sechsjähriger Pimpf mehr, um das nicht gesehen zu haben."

"Dann ist ja gut", sagte Claire.

"Na, Schwester, das ist aber fies, ihm gleich vorzubeten, welches Mädchen für ihn zu alt ist. Nachher bandelt er mit Denise an, um zu verhindern, eine ältere Freundin zu haben", feixte Jeanne und trat hinter ihre Schwester. Über deren Kopf hinweg begutachtete sie Julius. Der konnte nur sehen, daß Jeanne nicht den rosagoldenen Seidenumhang trug, mit dem sie beim Weihnachtsball mit ihm getanzt hatte. Erst als Claire es leid war, daß Jeanne über sie hinwegguckte und bei Seite trat, konnte Julius den sonnengelben, mit orangeroten Säumen verzierten Tanzumhang erkennen, zu dem sich Jeanne einen weißen Schmuckgürtel mit eingearbeiteten Goldsternen um die Taille gelegt hatte. Ihr schwarzes Haar war durch Seidenglanzgel zu einer fließenden Mähne gestriegelt worden, die in Höhe des Nackens von einer silbernen Schnur gehalten wurde.

"Wolltest du den anderen Umhang nicht anziehen?" Fragte Julius Jeanne, als er das etwas herbere Parfüm erschnüffelt hatte, welches Jeanne trug.

"Den ziehe ich zum Sommerball wieder an. Das hier ist mein Walpurgisnachtumhang. Dazu nehme ich noch bunte Ketten und Armbänder, wenn ich feiern gehe. Damit kann man sehr gut sehr schnell fliegen. Das geht mit deinem Festumhang wohl auch, wenn ich das richtig sehe. Du kannst ihn so raffen, daß er nicht zu lang hängt und innen zuschnüren, um zu fliegen. Das können wir gleich mal ausprobieren."

Julius ließ es sich gefallen, das Jeanne an seinem Umhang herumnestelte, bis er etwas höher über den Schuhen abschloß. Claire sah ihrer Schwester dabei zu, ohne ein Wort zu sagen. Dann hieß es:

"Auf dann! Virginie hat uns für sechs Uhr bestellt. Gehen wir noch mal runter zu Maman und Papa, bevor wir uns auf die Besen setzen."

Die Eltern Jeannes und Claires saßen mit Denise im Garten und spielten ein Würfelspiel, bei dem wie beim Bagamon Steinchen in verschiedenen Farben über ein Brett geschoben wurden, allerdings durch ein sich ständig änderndes Labyrinth bunter Linien.

"Na, fertig für die wilde Welt?" Fragte Monsieur Dusoleil und begutachtete seine Töchter und dann Julius.

"Hoffentlich kommst du wieder heim und wirst nicht von Janine, Virginie oder Barbara abgeschleppt. Immerhin sind die ja auch da."

"Janine hat schon wen sicher, Barbara wohl auch und Virginie wird wohl auch einen festen Freund haben, der heute zum Fest kommt", sagte Julius

"Außerdem muß er mich ja wieder mitbringen", sagte Claire zu ihrem Vater.

"Das kann Jeanne doch tun", grinste Monsieur Dusoleil. Dann meinte er zu Claire:

"Mußte das mit der Schminke wirklich schon jetzt sein?"

"Warum nicht, Papa? Irgendwann muß ich es ja lernen und können."

"Wie du meinst", erwiderte Claires Vater leicht bedröppelt klingend. Julius vermutete, daß sich der Hausherr jetzt erst damit auseinandersetzte, daß auch seine zweite Tochter zur erwachsenen Frau werden würde.

"Dann viel Spaß und ..."

"Juhu!" Rief Seraphine Lagrange. Sie flog mit ihrem Besen heran. Hinter ihr saß ihre jüngere Schwester Elisa.

"Ach neh, wo wollt ihr denn hin? Zu den Delamontagnes geht es doch in die andere Richtung!" Rief Madame Dusoleil.

"Wir wollten Jeanne, Claire und Julius abholen. Das ist irgendwie komisch, wenn jeder für sich eintrudelt", erwiderte Seraphine und landete. Julius sah die Bewohnerin des weißen Saales, die in diesem Jahr als beste Schülerin von Beauxbatons geehrt worden war. Sie trug einen Karmesinroten Seidenumhang und goldene Bänder im Haar und um die Arme. Elisa hatte sich einen blütenweißen Sonntagsumhang mit Rüschen angezogen. Sonst hatte sie wesentlich mehr mit Schminkzeug hantiert, als Claire, denn ihre Wangen waren unnatürlich gerötet, ihre Lippen glänzten rubinrot und die Pupillen ihrer Augen waren wohl mit Tollkirschensaft vergrößert worden, erkannte Julius.

"Lieschen ist auf dem Kriegspfad", dachte Julius nur für sich. Dann sah er Monsieur Dusoleil an, der Elisa auch betrachtete, als müsse er sich entscheiden, sie auszuschimpfen oder für ihre Erscheinung zu loben.

"Wielange soll das noch mal gehen?" Fragte Madame Dusoleil.

"Bis zwölf", gab Jeanne Auskunft.

"Dann bis zwölf", sagte Madame Dusoleil.

Julius nahm seinen auf Hochglanz polierten Rennbesen, wartete, bis Claire hinter ihm aufgestiegen war und flog dann Jeanne hinterher, die Seraphines Ganymed-Besen jagte.

"Die hängen uns ab", zischte Claire Julius zu.

"Du möchtest also, daß ich mit dir hinten drauf die Verfolgungsjagd mitmache? Hmm, ich denke mal, auf gerader Strecke geht das nun gut. Halte dich aber ja fest. Nachher hängt mir deine Maman noch den Contrarigenus-Fluch an, damit ich deine Klamotten auftrage, wenn du mir hinten runterfällst und stirbst."

"Dummer Kerl! Los!" Erwiderte Claire. Julius nahm Fahrt auf und holte Jeanne ein. Diese sah sich um und meinte:

"ach, hat der Herr endlich rausgefunden, daß sein Besen auch mit Zuladung fliegen kann? Wir bleiben auf dieser Geschwindigkeit. Du kannst sehr gut mit wem anderen fliegen, Julius. Sonst hätten wir den Besenwechsel nicht so gut hinbekommen können."

Seraphine und Elisa flogen wilde Manöver und johlten wie bei einer Achterbahnfahrt. Doch Jeanne ließ sich nicht darauf ein. Sie ließ Julius und Claire neben sich herfliegen und hielt diszipliniert den Kurs. Erst als sie das Anwesen der Delamontagnes erreicht hatten, gingen alle drei Besen in einen steilen Sinkflug. Julius bremste erst ab, als er keine zehn Meter vor dem anvisierten Landepunkt war. Ohne übers Ziel hinauszuschießen landete der Hogwarts-Schüler den Besen und wartete, bis sich Claire abgeschwungen hatte. Dann saß auch er ab und schulterte den Besen.

"Warum wolltet ihr nicht richtig fliegen?" Fragte Elisa Lagrange. "Angeblich ist der Engländer doch sehr gut durch die Prüfung gekommen."

"Ich habe keine Lust, meinen Flugberechtigungsschein zu verlieren, nur weil ich mich übernommen habe", erwiderte Julius sofort. Jeanne nickte.

"Wenn deine Schwester dich fallen läßt, hat deine Maman eben einen Mitesser weniger am Tisch. Aber wenn Julius Claire vom Besen fallen läßt, weiß ich nicht, was dann los ist, Seraphine", sagte Jeanne zu ihrer Alterskameradin.

"In Ordnung, Jeanne, ist ja gut", erwiderte Seraphine beschämt. Offenbar fiel ihr auf, daß sie sich etwas leichtsinnig verhalten hatte.

Das Grundstück der Delamontagnes war mit bunten Lampions geschmückt, die wohl am Abend entzündet werden sollten. Außerdem waren im Garten vier große Tische aufgestellt worden, die mit unterschiedlichen Decken bezogen waren. Wie in Beauxbatons sah Julius eine weiße, eine sonnengelbe, eine grasgrüne und eine Violette Tischdecke. Es fehlten nur die himmelblaue, sowie die kirschrote, um die sechs Farben zu vervollständigen. Der Hogwarts-Schüler fühlte sich etwas unbehaglich. Nachher sollten sich wohl alle Gäste so setzen, wie sie in Beauxbatons saßen. Allerdings wäre das für Caro und César ein Problem, weil ihre Farbe ja nicht dabei war.

"Hallo, Julius! Träum nicht, es ist noch nicht Nacht!" Flötete Virginie, die in einem veilchenblauen Kleid mit weißem Spitzenbesatz die Gäste begrüßte. von einem Tablett neben sich fischte sie für jeden ein halbvolles Glas mit einer roten Flüssigkeit, von der Julius nicht sagen konnte, ob es was mit oder ohne Alkohol war. Erst als er ein Glas in die Hand gedrückt bekam, roch er, daß es eine Mischung aus Kirsch- und Zitronensaft war.

"'tschuldigung, Virginie! Ich mußte an die Tische in Beauxbatons denken. Da hier zwei Leute von den Roten hinkommen könnten, dachte ich, daß die ..."

"Oh, das hat dich irritiert. Nein, die Hausfarben von Beauxbatons werden hier nicht an den Tischen verteilt. Die Decken haben eine andere Bedeutung. Aber das erst, wenn jeder, der eingeladen wurde, auch da ist. Apropos Einladung! Danke für deine Einladung. Maman und ich kommen gerne. Wünschst du dir was besonderes?"

"Nur einen schönen Tag zu haben", sagte Julius zu Virginie. Dann stellte er sich zu den anderen, die schon da waren. Er sah Caro, die wie Elisa ziemlich auffällig geschminkt und gestriegelt war. sie hatte ihr brünettes Haar zu einer Löwenmähne frisiert und mit einem Goldglanzgel zum schimmern gebracht. Außerdem trug sie einen erdbeerroten Rock, der gerade ihre Knie bedeckte und eine schneeweiße Seidenbluse, die nur so viel wie nötig von ihrer Oberweite verhüllte. Julius mußte anerkennen, daß sich das Mädchen schon recht ordentlich entwickelt hatte. Aber er wußte auch, daß Claire, Gloria und Pina nicht neidisch darauf sein mußten, selbst wenn er noch keine von ihnen unbekleidet gesehen hatte. Barbara hatte sich ein farblich zu ihren blauen Augen passendes Kurzkleid angezogen und ihre Füße in halbhohe schwarze Stiefelchen gesteckt. An Haar und Gesicht hatte sie nicht übermäßig viel herumgetrickst. Nur ihre Lippen hatte sie mit einem Abendsonnenroten Lippenstift bedeckt. Neben ihr stand Gustav van Heldern, der in seinem Festumhang erschienen war, den Julius beim Weihnachtsball gesehen hatte. Dann sah er noch andere Schüler und Schülerinnen von Beauxbatons, die außer Caro und Claire in der fünften Klasse und Höher sein mußten. Ein hochgewachsener, breitschultriger Jungzauberer mit einer mittelblonden Bürstenfrisur und einem schmalen Gesicht mit dunkelbraunen Augen, der einen himbeerfarbenen Nadelstreifenumhang trug, fiel Julius deswegen auf, weil er sich sehr nahe bei Virginie aufhielt. Dann fand der Hogwarts-Schüler auch sechs erwachsene Hexen und Zauberer. Madame Delamontagne sprang ihm dabei natürlich als erste ins Auge. Sie trug ihre Purpurrobe und hatte ihren blonden Zopf mit vier goldenen Bändern zusammengebunden. Ihr Ehemann stand im königsblauen Samtumhang mit Stehkragen neben ihr. Dann sah Julius noch eine ältere Hexe mit graublondem Haar, etwas heller als das von Glorias Oma Jane und wie bei den Professorinnen McGonagall und Faucon im Nacken zu einem festen Knoten gebunden. Die Hexe trug einen sandfarbenen Satinumhang bis zu den Knöcheln und eine Kette aus weißen und roten Perlen um den Hals. Vom Gesicht her wirkte sie wie ein Spiegelbild Madame Delamontagnes, welches aus einer mehrere Jahrzehnte entfernten Zukunft zurückgeworfen sein mochte. Also war das Madame Champverd, die Mutter Madame Delamontagnes. Auch diese Hexe war nicht gerade schlank, aber ebenso beweglich wie ihre Tochter. Dann fielen Julius noch ein würdiger Altzauberer mit dunkelbraunem Vollbart und Haarkranz um eine mit einer dafür nützlichen Lösung rosigglänzenden Glatze, sowie eine spindeldürre Hexe im himmelblauen Umhang auf. Das mußten Monsieur Delamontagnes Eltern sein. Als Julius die Gäste betrachtet hatte, winkte Madame Delamontagne ihm zu, er möge zu ihr hingehen.

"Maman, darf ich dir den jungen Monsieur Andrews aus Großbritannien vorstellen?" Wandte sich die Dorfrätin für Gesellschaftsangelegenheiten an die ältere Hexe mit dem blonden Haarknoten. Julius verbeugte sich kurz und sah die altehrwürdige Dame erwartungsvoll an.

"Ich habe bereits von Ihnen gelesen, Monsieur Andrews. Sie unterhalten eine Beziehung zu Mademoiselle Aurora Dawn in Australien und spielen gerne Schach, wie meine Tochter. Außerdem kam mir über Professeur Trifolio eine kurze Zusammenfassung eines von Ihnen anhand der Forschungen von Dias und Meridies erstellten Referates zur magischen Bedeutung der Sonnenstrahlung zu. Sehr beeindruckend, daß sich ein Jungzauberer in Ihrem Alter schon derartig fundiert und sachbezogen betätigt. Mein Name ist Oleande Champverd, ich hüte die Zauberkräutergärten der Provence und berate Heilkundler und Zaubergärtner bei der Verwendung magischer Gewächse. Wahrscheinlich haben Sie ebenfalls von mir gehört oder gelesen."

"Selbstverständlich, Madame. Sie halfen Madame Dusoleil beim Verfassen der Zauberpflanzen der Provence."

"Nun, hätte ich die Zeit gefunden, die Informationen selbst zu Pergament zu bringen, wäre es besser geworden. Madame Dusoleil pflegt mir einen zu verspielten Stil und verzichtet zu Gunsten ignoranter Schnelleser auf detaillierte Beschreibungen."

Boing! Da war es schon passiert. Julius war ja gewarnt worden, daß Madame Champverd nicht gerade huldvoll über Madame Dusoleil sprechen würde. Dann kam auch schon das übliche, was alteingesessene Fachleute gerne anbrachten, wenn sie über jüngere Kollegen sprachen.

"Wahrscheinlich ist es ihrer Jugend zuzuschreiben, daß sie noch nicht so fundiert und ernst die ihr anvertrauten Themen dokumentiert."

"Ich für meinen Teil habe aus dem Buch sehr viel wichtiges herauslesen können und es Klassenkameraden empfehlen können, die für Kräuterkunde nicht so empfänglich sind", erwiderte Julius. Das war zwar nicht ganz korrekt, da außer ihm niemand aus seiner Klasse dieses Buch gelesen hatte, aber er wollte doch nicht so wortlos hinnehmen, daß eine Hexe, deren Kenntnisse er sehr hoch schätzte, derartig heruntergeputzt wurde. Sicher, Madame Dusoleil nahm das hier wohl mit Humor. Aber es ging ihm darum, daß er mit dem, was er gelernt hatte, sehr zufrieden war und es sich nicht absprechen lassen wollte. Dafür hatte er seinen Vater.

"Madame Dusoleil beherbergt Julius derzeitig. Deshalb kam er auch mit ihren älteren Töchtern an, Maman."

"Oh, natürlich wollte ich nicht den Eindruck erwecken, Ihre derzeitige Gastmutter zu diskreditieren, Monsieur. Ich habe auch nicht behauptet, daß die Informationen in besagtem Buch falsch oder unzureichend seien. Aber ich halte meine Äußerung aufrecht, daß sie noch erlernen muß, was in der wissenschaftlichen Welt Vorrang besitzt."

"Ich werde mich hüten, Ihnen das abzusprechen, Madame Champverd", erwiderte Julius ruhig. "Immerhin haben Sie an diesem Buch mitgewirkt und mir dadurch wichtiges Wissen vermittelt, für das ich Ihnen bei dieser Gelegenheit sehr herzlich danken möchte, da es mir in der letzten Schulklasse zu einer sehr guten Note verhalf und auch guten Freunden von mir, die dieses Wissen gut gebrauchen konnten."

"Ich kenne Ihre Kräuterkundelehrerin, Monsieur Andrews. Wenn sie Ihnen eine gute bis sehr gute Note in ihrem Fach anrechnete, haben Sie diese auch verdient. Ich hoffe, wir treffen uns an diesem Abend noch einmal, wenn das junge Volk Sie nicht in seine gesellschaftlichen Aktivitäten einzwängt. Angenehmen Abend."

Julius verstand diesen letzten Satz als unausgesprochenen Befehl, sich zurückzuziehen. Er stellte fest, daß Madame Delamontagne keine Anstalten machte, irgendwas zu sagen oder zu tun, um ihre eigene Vorrangstellung zu bekunden. Julius zog sich leise und ruhig zurück zu den übrigen Jugendlichen. Dabei traf er Jeanne, die neben Barbara stand.

"Na, Selbstbeherrschungstest bestanden?" Fragte Jeanne.

"Deine Maman hat mich ja gut eingestellt, wie es im Leistungssport heißt. Ich habe echt gedacht, einen Professor meines Vaters zu treffen, der mir einen erzählt, wie unausgegohren er noch ist. Immerhin hat deine Schwester es geschafft, daß sie mich zur Kenntnis nimmt."

"Wieso Claire?" Fragte Jeanne.

"Sie gab Trifolio eine Durchschrift meines Sonnenlichtvortrages, der gab sie weiter an Madame Champverd und die sagte es mir. Dann habe ich mich noch artig dafür bedankt, daß ich durch ihre Informationen aus dem Buch deiner Maman eine sehr gute Note in Zauberkräutern bekommen habe."

"Das grenzt ja schon an Heuchelei, Julius. Ich dachte, sowas liegt dir nicht", gab Jeanne mit einem Grinsen zur Antwort. Dann sagte sie:

"Sie hat sich schon mit Monsieur Delamontagne, dem älteren. Die beiden sind wie Feuer und Wasser. Wo sie sich treffen, brodelt es sogleich."

"Mich interessiert der Klatsch nicht, Jeanne. Ich bin hier, um mit Virginie zu feiern."

"Das geht gleich los, denn da erscheinen noch die beiden Brüder Rossignol. Ihre Oma ist unsere Schulkrankenschwester", spielte Jeanne den Herold und deutete auf zwei stämmige Jungzauberer so um die fünfzehn Jahre, die lässig mit Ganymed-8-Besen auf der Wiese landeten und im Gleichschritt auf Virginie zugingen. Der eine der Zwillinge trug einen kirschroten, der andere einen nachtschwarzen Festumhang. Beide hatten eine pechschwarze Igelfrisur und graue Augen. Sie grüßten für alle hörbar die junge Gastgeberin. Dann sahen sie die älteren Hexen und verbeugten sich so übertrieben, daß es wie das Getue eines Hofnarren vor seinem König wirkte. Madame Champverd sah mißbilligend die beiden an, während Monsieur Delamontagne, der ältere laut lachte.

"Die wohnen im blauen Saal, Julius. Du weißt ja, was das heißt", lachte Barbara. Julius nickte. Die Bewohner des blauen Saales von Beauxbatons galten als undiszipliniert, wild und chaotisch. Nun fiel es ihm auch ein, daß sie beim Abschlußfest in Beauxbatons vier Stühle rechts von Jacques gesessen hatten. In den blaßblauen Umhängen sahen nur alle so ähnlich aus.

"Liebe Gäste, Freunde und Verwandte! Danke das ihr alle hier bei mir seid, um mit mir meine erfolgreiche ZAG-Prüfung zu feiern. Ich habe nicht damit gerechnet, daß ich so gut wegkomme, aber jetzt bin ich froh, daß es geklappt hat. Jeder von euch hat zur Begrüßung ein Glas mit Zitronen-Kirschlimonade bekommen. Alkohol darf erst nach neun Uhr und an Leute über fünfzehn Jahren ausgegeben werden, hat meine Maman angeordnet. Also stoßen wir an und freuen uns an diesem Tag!"

Als Virginie diese kurze Ansprache beendet hatte, stießen Jeanne, Barbara, Gustav und Julius miteinander an. Dann kamen noch Claire, Elisa, Caro und Dorian Dimanche herüber und stießen mit Julius und den anderen an. Vorsichtig ging Julius zu Virginie hinüber, stellte sich in die kleine Gruppe von Gästen, die mit ihr anstoßen wollten und gratulierte ihr noch mal, als er sie vor sich hatte.

Nachdem alle die miteinander angestoßen hatten, die miteinander anstoßen wollten, tranken die Gäste ihre Gläser leer und stellten sie auf das frei im Kreis herumschwebende Tablett ab. Dann gebot Virginie erneut Ruhe.

"Nun zur geregelten Gestaltung, Leute! Da ich weiß, daß gerne Gruppen gebildet werden, habe ich beschlossen, daß wir das heute mal anders machen. Wir bilden hier keine Paare und Kleingruppen, sondern trennen nur nach Geschlecht. Die Herren begeben sich bitte zu dem grünen und violetten Tisch, die Damen zu dem weißen und sonnengelben. Meine Eltern und Großeltern verteilen sich auch über die Tische wie Damen und Herren. Wenn alle sitzen, wird Gigie uns das Abendessen servieren. Das wird über eine Stunde gehen, in der wir uns satt essen und unterhalten können. Dann gibt es Musik und Tanz, oder die möglichkeit, an Geschicklichkeits- und Gedächtnisspielen teilzunehmen. Da wir es doch hinbekommen haben, genausoviele Damen wie Herren zusammenzubekommen, wird es wohl niemanden geben, der oder die sich beim tanzen überflüssig vorkommt. Also alle Gäste zu den Tischen bitte!"

"Dann bis nachher, Julius", säuselte Claire und drückte Julius kurz an sich. Der Hogwarts-Schüler fühlte sich dabei nicht besonders wohl. Wollte Claire in aller Öffentlichkeit zeigen, daß er ihr gehörte? Das wäre aber ziemlich heftig, fand er und ging zu den Jungen hinüber. Virginies Vater teilte die Jungen am grünen Tisch ein, Monsieur Champverd dirigierte die Jungen am violetten Tisch. Julius traf am grünen Tisch auf César und Bruno, die ihm sofort zuwinkten. Dann kam noch Gustav van Heldern und der Freund Janine Duponts, die gerade mit Seraphine, Jeanne, Barbara, Caro und Claire am weißen Tisch platznahmen. Schließlich setzten sich noch die beiden Brüder Rossignol an den grünen Tisch, zusammen mit Monsieur Delamontagne, dem Älteren. Er scherzte mit ihnen und freute sich, wohl doch noch zum jungen Volk gezählt zu werden.

Julius unterhielt sich mit Bruno, César und Gustav über Quidditch und die französische Liga, die der Hogwarts-Schüler in den letzten zwei Wochen aus den Zeitungsmeldungen kennenlernen konnte. Irgendwann nach wohl fünf Minuten Wartezeit kam die Vorspeise des mehrgängigen Abendessens.

Während des Essens wandte sich Janines Freund noch mal an Julius:

"Janine würde gerne noch mal gegen dich Quidditch spielen. Sie hat gesagt, daß du sehr trickreich bist. Offenbar will sie zeigen, daß sie den Schnatz doch noch fangen kann, wenn ihr ein Quaffel um die Ohren fliegt."

"Ich habe einen ziemlich vollen Wochenplan", wandte Julius ein, während er mit dem Fischbesteck den gebratenen Seelachs zerteilte, der gerade auf seinem Teller lag. "Madame Faucon hat mich ja verplant, wie du vielleicht weißt."

"Warum macht die das? Bist du so schlecht in Verwandlung?" Fragte Bruno den Gast aus England.

"Jau! Ich habe es bei der Prüfung nicht geschafft, eine Maus in einen Schukarton zu verwandeln. Ist ja auch unsinnig, das zu können", sagte Julius.

"Da habe ich aber was anderes gehört, Monsieur. Die McGonagall hat dir Tierverwandlungen aufgebrummt, weil sie wohl mitgekriegt hat, daß du bei der Königin der Grünen was gelernt hast", wandte César ein.

"Gerüchte", warf Julius ein. Gustav grinste nur.

"Das ist wohl wegen Catherine Brickston, ihrer Tochter. Die kennt Julius' Mutter. Deshalb hat die Faucon ihn so vereinnahmt", sagte der Belgier und Freund Barbaras noch.

"Catherine Brickston ist doch mit einem Muggel verheiratet. Das verdirbt doch den Charakter", warf Janines Freund ein und grinste gehässig.

"Mag sein, aber Babette, ihre Tochter, kann schon ohne Zauberstab Blumenvasen einschrumpfen. Als sie bei uns mal zu besuch war, hat sie eine Blumenvase eingeschrumpft und hinter alten Zeitungen versteckt", erzählte Julius.

"Außerdem heißt es nichts, wenn Kinder von Muggeln zaubern lernen. Sie müssen sich halt nur vor den jungen Hexen vorsehen, die frisches Fleisch zur Aufbesserung ihrer Kinderstube jagen", tönte einer der Rossignol-Brüder. "Unsere Oma hat sich ja selbst so einen geangelt und damit auch uns auf den Weg gebracht."

"Ja, aber Muggeleltern kapieren es nicht", warf ein anderer junger Bursche am Tisch von Julius ein, der belustigt zuhörte. Im Moment fühlte er sich weder beleidigt noch traurig.

"Wenn die mitkriegen, daß ihre Kinder zaubern können, machen die einen unheimlichen Aufstand und wollen das ja verbieten. Die Alte hat doch im letzten Jahr wieder so'n Verweigerer zwischen den Fingern gehabt. Der hat es erst gelernt, als er für eine Stunde ein Kaninchen war."

"Ui! Hat er die Stunde produktiv genutzt?" Fragte Julius frech. Alle runzelten die Stirn. Dann lachten sie alle lauthals los, auch Virginies Großvater väterlicherseits.

"Wenn im nächsten Jahr eine Bande muggelstämmiger Kaninchen durch die Gärten von Beauxbatons hoppelt, wissen wir's", spielte Serge Rossignol, einer der beiden Brüder, den Ball zurück, den Julius eingeworfen hatte. Alle Jungen lachten und klopften dem stämmigen Jungzauberer auf die Schultern.

"Also lernst du Verteidigung gegen die dunklen Künste bei Madame Faucon?" Fragte Gustav van Heldern.

"Ja, so heißt das wohl. In Beauxbatons läuft das ja unter "Protektion gegen destruktive Formen der Magie"", gab Julius zurück. Gustav beugte sich zu ihm herüber und flüsterte:

"Das muß ja auch nicht jeder wissen, welche ignoranten Muggel du als Eltern hast. Du siehst ja, wie die hier darüber denken."

"Heh, Gustav, was gibt's denn da zu flüstern?" Fragte Marc, der zweite Rossignol-Zwilling.

"Es ging um etwas, das er Barbara und mir beim Weihnachtsball erzählt hat. Ist nichts für euch", gab Gustav schnell eine einigermaßen glaubwürdige Ausrede zurück. Die Zwillinge lachten.

"wollte Jacques große gemeine Schwester was von ihm, Gustav? Man, da mußt du ja nachgelassen haben", spottete Serge.

"Jungchen, wenn du erst die zwei Jahre weiter bist, um in mein Alter zu kommen, merkst du erst, welchen Unsinn du da gerade verzapft hast", knurrte Gustav. Dann sagte er, um das Thema zu wechseln:

"Julius hat es echt heftig getroffen, wenn er bei Professeur Faucon Nachhilfestunden absitzen muß. Wenn ich mir überlege, daß dieser Moody in Hogwarts uns ja alle drangsaliert hat, die wir da waren, müßte die ihn doch in Ruhe lassen."

"Macht sie aber nicht. Typisch Lehrerin. Schüler haben zu lernen, immer und überall", trällerte Marc Rossignol.

"Packt euch besser an den eigenen Zinken", knurrte César. "Ihr macht euch über jeden lustig und vergesst dabei, wie blöd ihr selbst rüberkommt."

Julius wußte nicht, ob das nicht zu ernst gewesen war. Er schwieg vorsichtshalber, um nicht noch einen Grund zu liefern, einen Streit vom Zaun zu brechen.

"Vertragt euch!" Mahnte Virginies Vater streng. Sofort wurde es wieder ruhiger. So konnten sich die Schüler während des Essens über andere Dinge unterhalten und sich die Zeit vertreiben. Irgendwann fragte Janines Freund:

"Wirst du wieder mit Claire Dusoleil tanzen. Sie hat dich ja eben förmlich festgenagelt."

"Sagen wir mal so, daß sie gerne wieder mit mir tanzen möchte, weil das letzten Sommer so gut ging. Ich weiß nicht, ob da mehr ist. Im Moment bin ich froh, hier gut untergekommen zu sein. Ich habe noch fünf Jahre Hogwarts vor mir. Mich da schon festzulegen ist reichlich früh."

"Na, Janine hat das auch schon früh versucht, mich vorzubestellen. Falls du endgültig zu uns kommen solltest, weil deine Eltern finden, daß du in Hogwarts nichts lernst, wärest du dann schon vergeben. Hätte was für sich. Du bräuchtest dir nichts mehr zu suchen, andere Mädels würden dir vom Hals gehalten, und Madame Dusoleils Aussehen wird bestimmt auch an ihre Enkeltöchter weitergereicht. Ach neh, das kannst du ja noch nicht sehen, daß Claire immer hübscher wird."

"Hast du eine Ahnung", grummelte Julius nur für sich allein. In gedanken fügte er hinzu: "Du weißt vielleicht nicht einmal, wozu ein Junge sein Familienzubehör braucht außer zum an die Wand strullen."

"Das würde ich ihm besser nicht unterstellen, weil Fleurs Zauber ihn schon voll packt, wenn sie lächelt. Also sind die Sachen alle schon im Gang", erinnerte César daran, was Julius' vor einem Jahr passiert war, als er eine Abordnung von Beauxbatons-Schülern von hier aus hatte zur Quidditch-Weltmeisterschaft abreisen sehen. Julius zwang sich, die Verlegenheit nicht hochkommen zu lassen um nicht rot anzulaufen. Er wollte sich weiter als cooler Typ verkaufen, der mit den älteren Jungs locker mithalten konnte. Er glaubte sogar, daß er ihnen was an Wissen voraushatte.

"Veela-Mädchen! Hör mir auf mit denen. Ich habe erst geglaubt, die Delacours seien Sukkubi oder sowas", knurrte Marc Rossignol. "Als ich der Mademoiselle erstmalig begegnete, war die für mich nur eingebildet. Irgendwann hat es mich auch erwischt. Man, die hätte mich fast mit aufs Klo genommen. Man war das peinlich, als die Saalsprecherin der Violetten aus dem Mädchenbad kam und mich herunterputzte und mir gleich zwanzig Punkte abzog. Sowas gehört verboten."

"Oh, Fleur war nicht begeistert, als sie beim trimagischen Turnier von einem Muggelvater als Sukkubus bezeichnet wurde. Da flogen aber die Funken", gab Julius zum besten. Monsieur Delamontagne, der Ältere räusperte sich und sagte laut und ernst:

"Kinder, mit diesen Ungeheuern ist auch nicht zu spaßen. Die Töchter des Abgrunds, wie sie in "Kreaturen der Düsternis" heißen, sind verdammt gefährliche Wesen, noch gefährlicher als Vampire oder Drachen. Wenn du an einen Gott glaubst, Bursche, bete zu ihm, daß er dich niemals in die Gewalt eines solchen Geschöpfes geraten läßt, denn dann bist du tot, bevor du stirbst. Merk dir das bitte, junger Mann."

"Ist ja gut, Monsieur", sprach Marc Rossignol auf den älteren Zauberer ein. "Es gibt doch nur neun von denen. Es heißt auch, daß sieben von denen schlafen und nur wach werden, wenn sich ein Zauberer oder ein nichtmagischer Nachfahre eines vor Jahrhunderten lebenden Zauberers ihrem Schlafplatz nähert. Da wir ja wissen, wo sie schlafen, können wir schön weit von ihnen wegbleiben."

"Aha, du hast die offizielle Landkarte, wo Sukkubus-Schlafplätze sind? Die ist nämlich nicht in diesem Buch drin", warf Julius ein, der die Beklommenheit überspielen mußte, die die Warnung des älteren Zauberers ihm eingejagt hatte. "nichtmagische Nachfahren eines vor Jahrhunderten gestorbenen Zauberers", das paßte ja auch auf seine Eltern. Aber nachdem, was er über diesen Typ Monster, der sowohl von Muggeln als auch Zauberern gleichermaßen als Dämon bezeichnet werden konnte, gelesen hatte, waren sie sehr Ruhebedürftig und verbargen sich in abgelegenen Gegenden, wo sein Vater oder seine Mutter wohl nicht hinreisen würden, da sie beide Stadtmenschen waren, die eine entsprechende Umwelt brauchten.

"Aber wenn du auf Fleurs Veela-Zauber ansprichst, hast du dir bestimmt schon überlegt, auf welchen Typ Mädchen du besonders gerne zugehen möchtest, oder?" Fragte der Freund Janine Duponts.

"Kein Kommentar", gab Julius zurück. Die anderen Jungen grinsten und nickten dann.

"Warum sollte der dir sagen, ob deine Flamme auf seiner Linie liegt. Wenn er nicht nach Beauxbatons kommt, ist es doch ohnehin egal. Dann jagen ihn die Hexen von Hogwarts."

"Wie kommst du darauf, daß ich gejagt werde?" Fragte Julius schmunzelnd den Jungen, der das gerade gesagt hatte.

"Weil sowohl Claire, als auch Caro, als auch Elisa dich so anhimmeln. Elisa hat Dorian und ist damit bedient. Caro hätte gerne Titus gehabt, aber der hat sich mit der lieblichen Brigitte eingelassen. Claire hätte den Goldtänzer gerne ganz, falls nicht wer noch besser tanzt, und ihre Maman mag dich wohl auch sehr gut leiden, wie ich beim Quidditch sehen konnte. Jeanne hat ja Bruno."

"Entschuldigung, Henri, das hat dich nicht zu interessieren, wenn Corinne dich nicht schon wieder abgelegt hat, klar!" Gab Bruno sehr gereizt wider.

"Goldtänzer klingt gut. Könnte ein Kriegsname sein. Danke, Henri!" Erwiderte Julius. Irgendwie fühlte er sich weder verlegen noch schüchtern. Offenbar wirkte das, was sein Vater lange vor Hogwarts mal "Zauber der Männerrunden" genannt hatte. Waren Jungen und Männer unter sich, waren sie wesentlich lockerer. Kam es zur Klopperei, konnten die Streithähne danach wieder miteinander trinken. Bei Frauengruppen war doch mehr Neid und Darstellung wichtig, behauptete sein Vater noch.

"Hast du auch wieder vor, Schach zu spielen. Madame Delamontagne hat ja letztes Jahr gegen dich verloren", wechselte Bruno das Thema.

"Öhm, sie hat es mir geraten, mitzuspielen und ihr Revanche zu bieten. Der silberne Zaubererhut fehlt ihr wohl noch in der Sammlung", sagte Julius. Monsieur Delamontagne lachte laut.

"Bursche, den hat sie schon. Der Bronzehut hat ihr noch gefehlt."

"Aber mir fehlt der goldene noch", sagte Julius keck und erntete ein Lachen von allen, in das er mit einstimmte.

"Du hast gegen die Alte verloren. Klar, die hätte ja wütend werden können", sagte Janines Freund, dessen Namen Julius bis zu diesem Moment noch nicht gehört hatte.

"Sie war besser und ich zu dumm, richtig zu spielen. Dieses Jahr wird Madame Delamontagne sie vorher aus dem Turnier spielen und dann gegen wen auch immer antreten, wenn ich es wieder versieben sollte", sagte Julius schnell.

"So sei es!" Beschloß Virginies Vater dieses Thema.

Nach dem Essen und der lockeren, teils ungehobelten Unterhaltung, baute der Hausherr das Orchester aus magisch getriebenen Puppen auf und ließ sie zu Menschengröße anwachsen, wie es Claires Vater im letzten Jahr bei ihrem Geburtstag getan hatte. Virginie trat nach einem Tusch in die Mitte der freien Gartenwiese und bat um Ruhe.

"Wer Lust zum tanzen hat, möchte sich bitte an den Rand der Tanzfläche begeben, die zwischen den Tischen abgesteckt ist. Wer nicht tanzen möchte, kann sich mit den Spielen beschäftigen, die auf den beiden hell gedeckten Tischen bereitstehen. Den Auftakt mache ich mit Aron, dann darf sich jede Dame den Herren auswählen, mit dem sie gerne den ersten Tanz tanzen möchte."

"Auf ins Gefecht, Monsieur Andrews!" Flüsterte Gustav Julius zu und stand auf. Julius nickte und stand ebenfalls auf. Auch die beiden Messieurs Delamontagne erhoben sich und schritten zur Tanzfläche hinüber. Virginie gruppierte alle Hexen an einer Längsseite, ihr Vater alle Zauberer an der gegenüberliegenden. Die Rossignol-Brüder saßen als einzige an ihrem Tisch. So waren zwei Mädchen zuviel an der einen Längsseite, da alle Hexen tanzen wollten. Ein weiterer Tusch erfolgte, dann ging Virginie zu dem Jungzauberer im himbeerfarbenen Umhang und nahm seine Hand. Sie schritten auf die Tanzfläche und begannen, zum Takt der Musik einen langsamen Walzer zu tanzen. Das brachte alle tanzwilligen Hexen dazu, schnell aber nicht hektisch auf die andere Seite zu gehen und sich Partner zu suchen. Wie zu erwarten war, peilte Barbara Gustav, Claire Julius und Jeanne Bruno an. So formten sich die ersten Paare, die miteinander den Eröffnungswalzer tanzten.

"Du hast dich gut amüsiert, habe ich gehört. Ihr Jungen könnt nicht leise lachen", meinte Claire, als die Melodie einige Minuten lang erklungen war. Julius nickte. Dann antwortete er:

"Zumindest sind es Jungs und keine piekfeinen Herren, wie ich erst befürchtet habe. Mit wem hast du noch am Tisch gesessen außer Jeanne, Barbara und Caro?"

"Da war noch Madame Champverd. Jeanne ist nicht darauf eingegangen, sich mit ihr zu unterhalten. Die ist ja sowas von überheblich, nur weil sie fünfzig Jahre oder mehr älter als Maman ist. Ich habe mich lieber mit Madame Delamontagne unterhalten, die noch mit am Tisch saß. Außerdem sprachen wir über Quidditch. Mehr war ja nicht drin, wegen der alten Dame.""

"Wie mehr?" Fragte der Hogwarts-Schüler und sah sich um, ob Madame Champverd in Hörweite tanzte. Doch sie ließ sich von ihrem Mann mindestens zwanzig Meter entfernt führen.

"Ihr habt euch natürlich über uns Mädchen unterhalten. Ein wenig konnte ich schon hören. Wenngleich auch nicht alles", gab Claire belustigt zurück.

"Die haben mich doch glatt gefragt, ob ich wieder mit dir tanzen würde. Ich habe natürlich nicht gleich ja gesagt, um keine falschen Ideen bei den Jungs aufkommen zu lassen. Die haben mich dann "Goldtänzer" genannt."

"Das will ich hoffen, daß du mit mir wieder die beiden goldenen Tanzschuhe holst. Kuck dir an, wie Jeanne und Bruno tanzen. Die wollen die auch haben. Dann tanzt da Barbara mit ihrem Belgier und die Delamontagnes versuchen sicher auch, da dranzukommen. Dieses Jahr ist mehr los bei uns als im letzten Jahr."

"Mag sein. Ich hoffe nur, daß wir uns alle gut amüsieren können und einen regenfreien Abend haben werden. Dann ist es mir egal, ob ich Tanzschuhe gewinne. Beim Schach muß ich mich ranhalten. Virginies Mutter will es wissen, ob sie immer noch so schlecht spielt."

"Schach!" Fauchte Claire. "Das ist doch langweilig und ..."

"O Vorsichtig, Claire. Das hat Adrian Colbert gestern auch behauptet und hätte fast als neunte Schachfigur gegen Madame Delamontagne spielen müssen. Aber als schwarze Dame würdest du hinreißend aussehen."

"Du bringst mich nicht aus dem Takt, Bursche. Diesen Tanz stehen wir beide richtig durch und beenden ihn vorschriftsmäßig. Aber glaube nicht, daß du mich dauernd so trietzen kannst. Dann frage ich Madame Faucon doch noch, ob sie dich noch mal mit dem Infanticorpore-Fluch belegt, damit ich dich herumtragen und bei Bedarf weglegen kann."

"Dann würdest du mich bestimmt nicht rumtragen. Die würden mich einer erwachsenen Hexe andrehen, der die Natur was zu trinken für mich mitgegeben hat", erwiderte Julius, den die Coolness der Männerrunde immer noch nicht verlassen hatte.

"Es gibt auch andere Möglichkeiten, dich auf den richtigen Weg zu bugsieren, Julius", sagte Claire mit lauerndem unterton.

Der Tanz endete, und Claire kniff Julius kurz aber energisch in die Nase.

"Wenn du sagst, daß Madame Delamontagne wütend auf Adrian war, dann kennst du den Spruch wohl: Schlimmer als die Hölle ist eine wütende Hexe. Leg es also nicht darauf an!"

"Du darfst in der Freizeit nicht zaubern, und nach Beauxbatons komme ich nur, wenn man mich fesselt und in Beton eingießt und dorthin befördert."

"Du hast gehört, was Professeur Fixus gesagt hat. Wenn du lernen willst, wie du deine Gedanken abschotten kannst, mußt du wohl zu uns kommen, weil die Chinesen keine Weißen wollen."

"Wenn sie die einzige ist, die Gedanken lesen kann, dann kümmert es mich nicht."

Julius tanzte mit Claire vier weitere Tänze, bis Barbara auf die beiden zukam und einen Partnertausch vorschlug. Julius fragte:

"Wie, ich soll mit Gustav tanzen?" Das brachte die vier zum lachen. So tanzte Julius den nächsten Tanz mit Barbara.

"Das werde ich mir nicht entgehen lassen, vor dem Sommerball mit dir zu tanzen. Was hast du Claire eigentlich getan, daß sie dich so angegrabscht hat?"

"Ach, sie meinte, ich sei zu frech, ich sagte, daß das bei mir mal vorkommen kann. Sie meinte, daß sie Professeur Faucon fragen wollte, ob die mich noch mal mit dem Infanticorpore-Fluch belegt, damit sie mich beliebig herumtragen könne. Ich sagte ihr nur, daß ich ja wohl eine richtige Amme kriegen müßte. Das war wohl zuviel für sie."

"Maman hat das mitbekommen und gesagt, daß sie dich schon noch hätte nehmen können. Aber auf zwei starken Beinen ohne Schnuller und Windeln gefällst du mir besser und bestimmt auch der kleinen schwarzhaarigen Dame in Rot. Wie sollte ich mit einem schreienden Baby noch Quidditch spielen oder um den Dorfteich laufen? Aber das ist ja nun nicht mehr der Rede wert."

Als eine schnelle Stelle in der Melodie vorkam, tobten sich Barbara und Julius richtig aus. Julius zeigte ihr noch mal den Rock'n Roll und ließ sich einmal herumwirbeln, wie es bei diesem Tanz üblich war. Dann war der Tanz vorbei.

Nach Barbara trat Virginie an Julius heran. Claire tanzte mit Bruno, Jeanne mit Gustav, Barbara nun mit Aron. Geschmeidig vollführten der Hogwarts-Schüler und die ZAG-Fest-Gastgeberin die vorgeschriebenen Tanzschritte. Julius sah einmal, wie Madame Champverd mit ihrem Schwiegersohn tanzte und dabei ganz in die Nähe von Julius gelangte.

"Ja, Grandmère Oleande beobachtet uns. Das hat beim Sommerball auch jeder getan. Also nicht die Ruhe und Konzentration Verlieren!" Flüsterte Virginie.

Als der Tanz vorüber war, fragte Jeanne, ob sie auch mal mit Julius tanzen und dann zu den Getränken gehen könne. Julius nickte und tanzte mit Jeanne einen Cha-Cha-Cha. Danach gingen sie zu einer Getränkebar, hinter der Gigie, die Hauselfe die Gäste bediente, die Durst hatten oder eine kleinigkeit wie getrocknetes Obst essen wollten.

"Es ist schön, Claire und dir zuzusehen. Du ahnst es vielleicht nicht, aber Claire ist glücklich, wenn sie mit dir tanzt. Ärger sie also nicht immer dabei!"

"Ich möchte mich nicht zu früh festlegen. Die Jungs an meinem Tisch haben mich schon bei ihr eingeordnet. Ich möchte gerne die Schule ohne großen Streß beenden, solange mich meine Körperfunktionen nicht davon ablenken."

"Das ist ja auch dein gutes Recht, nachdem dein Vater ja versucht hat, deine Ausbildung zu verbauen. Ich wollte dir nur sagen, daß meine Schwester es schön findet, mit dir zu tanzen. Das andere läuft ohne dein Zutun ab, ob du das willst oder nicht. Irgendwann holt dich die Gelegenheit ein, für ein Mädchen mehr zu empfinden als Freude. Denn daß du nicht auf Jungen bezogen bist, hast du schon gezeigt."

"Huch! Wie denn?" Fragte Julius, der zwar einiges über wortlose Zeichen zwischen geschlechtlich engagierten Menschen wußte, aber nicht, ob er solche Signale schon ausgestrahlt hatte.

"Du reagierst auf Caro, auf Claire und auch auf Barbara und mich, als müßtest du jeden Moment damit rechnen, die Beherrschung zu verlieren und zwar nicht aus Wut. Maman würde dir das nicht sagen, aber ich denke, sie merkt schon, daß du bei einer Umarmung schon anders empfindest, als ein kleiner Junge. Außerdem ist Fleur ein ausgezeichneter Test, ob du schon bereit bist oder nicht. Kevin hat wesentlich später und wesentlich schwächer reagiert als du, als sie an eurem Tisch saß. Aber du hast dich ja auf der Reise nach Beauxbatons mit ihr unterhalten."

"Ja, das stimmt, Jeanne. Das war mir peinlich, wie ich ihr bei eurer Abreise hinterhergelaufen bin. Aber das hast du ja noch mitbekommen."

"Immerhin lernst du, dich zu beherrschen. Aber irgendwann mußt du auch mal nachgeben. Wann das ist, wirst du alleine erkennen."

"Du hast doch auch bei Madame Matine den Kurs gemacht, richtig?"

"Ja, das stimmt."

"Hat sie auch von dir bestimmte Dinge wissen wollen?"

"Sie war erleichtert, daß ich mit fünfzehn Jahren schon genug wußte, um meinen Körper nicht aus der Spur geraten zu lassen. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, ist sie ja von deinem Wissen noch mehr beeindruckt. Insofern freu dich darauf, irgendwann die Praxis zu erleben. Du mußt es nicht erzwingen. Ich hörte, daß in der Muggelwelt Jungen und vor allem Mädchen meinen, schon mit zwölf alles ausprobiert haben zu müssen. Das geht meistens daneben."

"Huch, woher weißt du das denn?" Fragte Julius überrascht.

"Weil ein Muggelstämmiger in Beauxbatons das tatsächlich ausprobiert hat, mit einer anderen Muggelstämmigen. Madame Rossignol konnte aber unangenehme Folgen verhindern, ohne dabei wen umzubringen, wenn du verstehst was ich meine."

"O, das geht in Beauxbatons? Dabei hat Dorian doch einen erzählt, daß die da besonders scharf aufpassen."

"tun sie auch. Aber nicht jeder Schüler wird ständig überwacht. Außerdem müssen wir ja einen gewissen Respekt voreinander lernen,Jungen und Mädchen. Das geht nur, wenn wir nicht wie zwei Rudel wilder Tiere auseinandergehalten werden."

"Verzeihung, Mademoiselle Dusoleil? Ich möchte den jungen Monsieur Andrews fragen, ob er mir die Ehre erweist, auch mit mir einen Tanz zu vollführen?" Fragte Madame Champverd unerwartet von hinten. Julius drehte sich um und lief knallrot an. Alle Männerrundenlässigkeit war nun total weg. Er dachte daran, daß die ältere Hexe alles mitgehört haben konnte, was Jeanne und Julius besprochen hatten und das bestimmt nicht für jedermann oder jederfrau gedacht war.

"Hallo, Monsieur, Sie brauchen doch nicht zu erröten, wenn Sie eine Dame zum Tanz auffordert", lachte Virginies Großmutter. Dann wurde sie wieder ernst. "Sie können mir zu hundert Prozent vertrauen, daß ich kein Interesse daran habe, ein ernstes Gespräch unter jungen Leuten, das ich in Auszügen mithören mußte, um diese wichtige Diskussion nicht unvollendet abbrechen zu lassen der Allgemeinheit offenbaren werde. Wir waren alle mal jung, mußten unsere Wesen ergründen und sie zu erleben lernen. Das galt schon zu meiner Schulmädchenzeit und wird auch noch zur Zeit der Urenkel Virginies gelten. Aber meine Frage möchten Sie mir doch sicher noch beantworten, Mademoiselle Dusoleil."

"Ich habe mich mit Julius unterhalten und dabei die Zeit vergessen. Wenn er nun bereit ist, mit Ihnen zu Tanzen, Madame Champverd, werde ich ihm das nicht verbieten", sagte Jeanne so sachlich, wie ein Beamter, der einen schnöden Aktenvermerk diktiert. Julius nickte und bekam seine normale Gesichtsfarbe wieder. Dann hakte sich die ältere Hexe bei ihm unter und ließ sich von ihm auf die Tanzfläche führen. Claire stand ohne Partner da. Madame Champverds Mann saß mit den andern Großeltern Virginies bei Wein und einer langen Tonpfeife zusammen, die Jungen, die tanzen wollten, hatten schon alle Partnerinnen, und die Jungen und Mädchen, die nicht tanzen wollten, vergnügten sich bei einem Spiel, bei dem es galt, mit einem Finger einen Ballzu spielen, ohne das er auf den Boden fiel.

Das mechanische Tanzorchester spielte eine Rumba. Julius atmete auf. Er glaubte nicht, daß Madame Champverd einen Tango oder einen Samba tanzen wollte. So führte er die Dame, wie er es ordentlich gelernt und in den letzten beiden Jahren häufig getan hatte. Schließlich hatte er ja auch mit Professeur Faucon und Lady Genevra getanzt, die wohl ungefähr so alt waren, wie Oleande Champverd.

"Meine Tochter lobte Ihre Tanzausbildung und Umgangsformen. Sie offenbarte mir - und nun erröten Sie bitte nicht wieder! - daß Ihre Eltern keine Zauberer sind. Wie Sie vielleicht erfahren haben, da Sie bei Madame Dusoleil die Ferien verbringen, hege ich eine große Abneigung gegen die sogenannte Landwirtschaft der nichtmagischen Menschheit. Ebenso widerstrebt es mir, mich von Abkömmlingen solcher Ignoranten und Umweltverpester belehren zu lassen, was nun richtig oder falsch ist. Vor fünfzig Jahren, als ich selbst noch in Beauxbatons lehrte, bereits Mutter von Eleonore, hatte ich eine sehr heftige Auseinandersetzung mit Muggeleltern, die meine Lehren nicht nur hinterfragten, sondern schlicht weg verspotteten. Der entsprechende Schüler hat aber bald gelernt, was ich ihm beibringen mußte und eingesehen, daß ich für die Welt, in die er hineinwachsen mußte, die korrekten Lehren erteilte. Ohne in Einzelheiten abzuschweifen schilderte mir Eleonore kurz, was Ihnen widerfuhr und noch widerfährt. Jedoch stellte sie klar, daß Sie sehr eifrig und ohne Heuchelei lernen, wozu Sie die Gelegenheit haben. Das ehrt Eleonore, das ehrt Blanche und auch mich, weil Sie uns Ihre Aufmerksamkeit schenken und auch verstehen, was um Sie und mit Ihnen geschieht. Fühlen Sie sich also bitte nicht persönlich angesprochen, wenn ich meine Vorbehalte gegen die Muggelwissenschaften unverhohlen bekunde. Nur wem der Schuh paßt, zieht ihn sich an, heißt es in einem Märchen der Muggel."

"Cinderella", erwiderte Julius automatisch, als habe jemand einen Knopf gedrückt.

"Genauso heißt es. Ich halte mich auf dem laufenden, was über Magie und Zauberwesen in der Muggelwelt verbreitet wird. Leider bestätigt dies häufig meine Einschätzungen von der Ignoranz der Nichtmagier."

"Ich kann meine Eltern nicht ändern, Madame. Aber ich fühle mich sehr geehrt, daß Sie mich so respektieren, um mir das zu sagen", sagte Julius ohne jede Heuchelei.

"Grandmère, entschuldigung! Wir wollten jetzt die Gruppentänze tanzen. Da wolltest du doch nicht mitmachen, hast du gesagt", kam Virginies sehr verhaltene Stimme aus der Richtung, in die Madame Champverd blickte. Dann sagte die Kräuterhexe noch:

"Ich erkenne, daß Sie mir nicht Mitleid unterstellen, nur weil Sie gegen Ihre Natur gedrängt werden sollen. Es ist ernsthaft so gemeint, wie ich es gesagt habe." Dann umschlossen ihre weichen Arme Julius für einen flüchtigen Moment und gaben ihn wieder frei. Madame Champverd zog sich würdig von der Tanzfläche zurück.

"Sie heuchelt niemals, Julius. Sie meint, was sie sagt. Fühl dich geehrt! Und jetzt komm gefälligst mit, damit Claire, Barbara und Caro mit dir den wilden Wechsel tanzen können. Jeanne hat sich schon zu Seraphine, Janine und Maman gestellt."

"Was, deine Mutter will auch ...?"

"Was dagegen?" Fragte Virginie belustigt und zog Julius bestimmt auf die große Gruppe zu, bugsierte ihn zu Barbara, Claire und Caro und wünschte ihm viel Vergnügen.

"Wurde auch Zeit, daß du kommst! Hat die Alte dich wieder runtergemacht", versetzte Claire bissig. Julius schüttelte den Kopf.

"Sie wollte mit mir tanzen, weil sie wissen wollte, ob ihre Tochter ihr was vorgemacht hat. Da dem nicht so war, so ihre Aussage, ist sie jetzt zufrieden. Bist du jetzt zufrieden?"

"Na warte! Gleich wirst du zeigen müssen, was du noch kannst. Immerhin hast du den ja schon mit uns getanzt, den wilden Wechsel", stellte Claire fest. Dann ging die Musik auch schon los.

Julius warf sich von Barbara zu Caro, zu Claire und zurück. Fing Barbara gerade noch, Caro ohne Probleme und Claire mit Leichtigkeit auf und ließ sich dann wieder weiterwerfen, getragen vom Rhythmus der Musik.

Als die Vierergruppe erschöpft war, kam der schnelle Zirkel, ein Gruppentanz, bei dem zunächst kleine Kreise gebildet wurden, die sich während des Tanzens ineinander drehten und zu neuen Kreisen formierten. So landete Julius unvermittelt bei Madame Delamontagne, die ihn ohne große Anstrengung in ihren Kreis holte und mit ihm das schnelle Tempo mithielt. Julius bewunderte die Hexe, die mit diesem schweren Körper und mindestens vierzig Jahre älter als er so toll mittanzen konnte. Irgendwann war er bei Seraphine angekommen, die ihn fragte:

"Na, schon erschöpft?"

Julius verneinte und hielt den Tanz aus, bis er bei Janine Dupont ankam, die nach dem letzten Ton der Musik ihren linken Arm um Julius schlang, um ihn im Gleichgewicht zu halten.

"Du bist sehr exzellent in Form, Julius. Das muß wieder auf dem Spielfeld ausgelebt werden."

"Joh, wie hältst du dich denn so gut in Form?" Fragte einer der Rossignol-Brüder, der total außer Puste und schweißüberströmt in den Armen Madame Delamontagnes hing, wie ein Kind bei seiner Mutter.

"Laufen, Raufen, Quidditch. Vielleicht kommt in einigen Jahren noch was genauso anstrengendes hinzu."

"Monsieur, nur weil dieser Bursche hier in meinen Armen liegt, müssen Sie nicht Ihre gute Erziehung vergessen", sagte Virginies Mutter. Julius lachte nur:

"Wer böses denkt, der böses tut, Madame!"

"Entschuldigung, Madame, aber wenn ich hier noch weiter so an Ihnen hänge, bekomme ich Ärger mit Ihrem Mann, Ihrer Mutter und Sabine", sagte der Junge. Julius fragte, wer Sabine sei. Ein stämmiges Mädchen, vom Typ her Barbara ähnlich, nur mit roten Haaren und grünen Augen, kam auf Madame Delamontagne zu und pflückte ihr den erschöpften Jungen aus den Armen.

"Ich bin Sabine, Monsieur Andrews", sagte sie energisch. "Sabine Montferre. Meine Schwester Sandra ist dort drüben. Sie haben uns nicht gesehen, als Sie ankamen, weil wir noch etwas wichtiges erledigen mußten. Die beiden Brüder sind mit uns zusammen, um die Gerüchte zu verwerfen oder zu bestätigen, wie auch immer. Und jetzt komm, Serge!" Sagte sie und zog den Rossignol-Jungen mit sich fort.

"Frauenkraft", sagte Julius auf Englisch. Madame Delamontagne räusperte sich und gebot ihm, doch bei der französischen Sprache zu bleiben oder nur zu denken, was er meinte, wenn er nicht wolle, daß es andere mitbekämen.

"Hat die Furie ihren Burschen wieder?" Fragte Claire, die zusammen mit Barbara, Gustav, Caro und Caros Tanzpartner vom Sommerball heranlief. Julius rief zurück:

"Madame wollte ihn nicht rausgeben, da hätte sie mich fast mitgenommen, Claire!"

"Dafür tanzen Sie nun mit mir diesen Wiener Walzer, Monsieur Andrews. Das junge Volk degeneriert ihre gesellschaftlichen Fähigkeiten zusehens", lachte Madame Delamontagne und führte Julius widerstandslos auf die Tanzfläche.

"Ihre Mutter hat mir erzählt, was sie mir erzählen wollte. Ich hoffe, sie fühlt sich jetzt wohl", sagte Julius nach den ersten beiden Takten.

"Das war hoffentlich das letzte Mal, daß ich Maman derartig heftig widersprechen mußte. Sie betonte, daß jeder Muggelstämmige ein Problem für unsere Welt sei und das Inzuchtverhinderungsgebot kein ausreichendes Argument bei ausreichend vielen Zauberern und Hexen darstelle, um Menschen wie dich zu vollwertigen Zauberern zu erziehen. Ich argumentierte und bewies ihr das Gegenteil. Sie fand es daraufhin angebracht, sich kurz mit dir auszusprechen, was sie wohl getan hat. Damit ist für mich diese Angelegenheit beendet", sagte die Dorfrätin. Julius nickte.

"Sie ist eine sehr würdige Hexe, Madame. Ich denke schon, daß es nicht einfach für sie oder mit ihr ist. Irgendwie erinnerte mich ihre Beharrlichkeit an meinen Vater. Aber sie hat gezeigt, daß sie bereit ist, Ausnahmen hinzunehmen. Mein Vater hat es noch nicht raus. Und wenn Babette doch ausplaudert, daß sie uns getroffen hat, bricht der Kontakt mit meiner Mutter ganz zusammen, weil er sie nicht mehr mit Catherine reden lassen wird."

"Keine Sorge, Babette wird nichts ausplaudern. Madeleine ist so nachgiebig gegenüber Kindern, aber trotz allem eine erwachsene Hexe. Sie weiß schon, weshalb wir, also Blanche, Camille und ich das veranstalten. Deine Verwandlungsübung hat ihr dazu noch bewiesen, daß du nicht so allgemein bist, wie andere Muggelstämmige, die im zweiten Jahr noch Schwierigkeiten mit den einfachen Zaubern haben. Sie war zwar im blauen Saal, aber niemals dumm, weiß ich von Blanche. Es liegt uns auch nichts daran, deinen Kontakt zu deinen Eltern zu beenden. Aber sie müssen auf uns zugehen. Deine Mutter tut dies bereits, wie ich weiß. Aber das soll nicht der Sinn dieses Festes sein, uns über deine Probleme zu unterhalten. Wie gefällt es dir bis jetzt?"

"Bis jetzt habe ich nur getanzt und etwas getrunken. Was machen die anderen denn?"

"Das Luftballspiel, eine Vorstufe zum Quidditchtraining, das Wortlabyrinth, bei dem es darum geht, einen Begriff zu erraten, der durch immer neue Worte verborgen wird, die man in der Reihe aussprechen muß, bis man das Zielwort findet. Klingt jetzt schwierig, ist aber relativ einfach, wenn man den Rhythmus raushat. Dann sind die größeren Jungen und Mädchen dabei, sich gegenseitig herumzureichen, wobei Jungen nur Jungen und Mädchen nur Mädchen weiterreichen dürfen. Alle anderen tanzen."

Julius sah sich um und beobachtete, wie eine der Montferre-Schwestern, welche nun genau, konnte er nicht sagen, mit total angespanntem Körper wie ein Holzbrett von einer zur andren weitergereicht wurde. Das kannte er vom Sportunterricht an der Grundschule noch. Da hatte er sich so bretthart angespannt, daß seine zwanzig Klassenkameraden ihn ohne Probleme eine Reihe entlang von Hand zu Hand weitergeben konnten. Dann sah er, wie einige Gäste eine Pyramide bauten. César bildete die Basis, dann war da noch Bruno, Gustav und Henri. Über ihnen standen weitere Jungen sicher und balancierten ihre Körper aus.

Barbara und die zweite der Montferre-Schwestern übten Armdrücken.

Nach dem Tanz mit Madame Delamontagne ging Julius zu Claire hinüber und entschuldigte sich, obwohl er nicht wußte, wieso, daß er sie nicht immer zum Tanz führen konnte.

"Nett, daß du dich entschuldigst. Die Tanzfläche ist so gut wie leer. Die Jungen und Mädchen balgen sich oder versuchen, sich übereinander zu stapeln. Jeanne hängt mit Seraphine und Janine zusammen. Seitdem die den Wein ausschenken, sind alle großen hier irgendwie merkwürdig drauf."

"Willst du denn noch einen Tanz haben, Claire?" Fragte Julius.

"Ja, bitte!" Erwiderte Claire. So kam es das Julius mit Claire als einzige der Schüler tanzten, bis Virginie mit Aron hinzukam.

 

"Die Spiele sind nichts für euch, wie?" Fragte Virginie mit schlechtem Gewissen in der Stimme.

"Ich merke doch, daß ich körperlich noch was werden muß, Virginie. Da halte ich mich lieber an das, was ich schon kann", sagte der Hogwarts-Schüler. Aron meinte dazu:

"Virginie hat was erzählt, daß du dich mit Muggelkampfsport in Form gehalten hättest. War das Judo, Karate oder Kung Fu?"

"Häh, woher kennst du denn Kampfsportarten?" Fragte Julius ganz überrascht, weil er davon ausging, daß Aron ein sogenannter Reinblüter war.

"Meine Tante ist mit einem japanischen Zauberer verheiratet, der kennt das Zeug."

"Ja, ich habe mal Karate gemacht, bevor ich nach Hogwarts kam. Magie ist ja erst dann eine Waffe, wenn man sie richtig lernt."

"Gut gesagt", meinte Virginie.

"Und du tanzt jetzt mit mir diesen Foxtrott, Serge! Die beiden da können besser tanzen, als dein Bruder und du. Ich will zur nächsten Walpurgisnacht nicht mit einem Holzpüppchen zum Ball", zeterte Sabine Montferre, weil sie den von ihr mitgeschleppten Rossignol-Jungen "Serge" rief.

"Dann nimm doch den da, Krawallhexe!" Schimpfte Serge und deutete auf Julius, der blaß wurde. Virginie hatte mit ihren Eltern die Absprache, daß sie die Verantwortung für das Fest trug. Deshalb mußte sie nun einschreiten, als Serge sich von der athletischen Junghexe losriss und leicht schwankend davonging.

"ou, der muß etwas zu viel von dem Bordeaux getankt haben", presste Julius zwischen den Zähnen hindurch. Claire sah dem leicht gleichgewichtsgestörten Jungen nach, als Virginie schon mit Sabine sprach.

"Sabine, lass ihn. Ich habe gesehen, wie Marc und er mit Henri und César ein Wettrinken veranstaltet haben. Der ist für nichts mehr zu gebrauchen heute. Lass ihn in Ruhe!"

"Warum macht der sowas? San und ich haben uns so auf deine Feier gefreut, gerade weil wir mit den beiden tanzen wollten. Dann müssen sich diese Chaoten besaufen!" Schimpfte Sabine. Dann sagte sie ruhiger:

"In Ordnung, Virginie! Ich möchte dein Fest nicht ruinieren. Ich spiel noch ein wenig Armdrücken mit Barbara, wenn Gustav nicht mit ihr tanzen will."

"Danke dir, Sabine", erwiderte Virginie erleichtert. Julius sah sich um und bemerkte, daß Madame Delamontagne ganz ruhig im Hintergrund verharrte und es ihrer Tochter überließ, die Lage zu klären.

"Wenn mein Vater wüßte, daß auch bei den Zauberern der Alkohol ein Fest sowohl erheitern als auch kaputtmachen kann, würde er besser von uns denken, weil das normal ist", grinste Julius. Claire sagte dazu nur:

"Durst habe ich auch. Von der Kirsch-Zitronenlimonade ist noch genug da. Hast du auch Durst?"

"Stimmt, Claire. Ich habe das, was mir Jeanne gegeben hat, schon wieder verdampft. Wundere mich, daß keine Madame Faucon oder Dusoleil auftaucht, um mich zu maßregeln."

"Du bist herrlich, Julius Andrews! Komm!"

An der Bar trafen sie Sandra Montferre, die mißmutig dreinblickte. Julius erkannte sie nur, weil sie eine andere Halskette umhatte als ihre Zwillingsschwester Sabine.

"Cèsar säuft die alle unter den Tisch", begrüßte die stämmige Rothaarige den Hogwarts-Schüler und Claire. Julius meinte dazu nur:

"Kunststück. Wer viel Fett im Körper hat, kann saufen ohne Ende. Nur wenn der Alkohol wirkt, hält er vor. Ich möchte den nicht morgen früh antreffen."

"Woher weißt du das mit dem Körperfett. Bringt euch dieser Snape das schon in der zweiten Klasse bei?" Fragte Sandra beeindruckt.

"Wenn der dürfte, würde der außer den Slytherins keinem was beibringen", versetzte Julius gehässig. Dann sagte er:

"Ich habe in einem Buch über organische Stoffe gelesen, daß Fett Alkohol schluckt. Wer viel ißt, kann danach viel trinken. Aber das gilt auch für gewichtige Leute. Nur irgendwann gibt das Fett den Alkohol wieder frei, und dann tritt der Rausch ein und hält länger vor, weil ja dieselbe Menge Alkohol getrunken wurde, die jemanden anderen schnell umhauen würde. Das ist gefährlich, wenn man sich einbildet, bis zum Faßgrund trinken zu können."

"Professeur Fixus hat uns das erst in der vierten Klasse erklärt, weswegen manche Zaubertränke, in denen vergorenes Zeug enthalten ist, bei Dicken nicht so schnell oder gut wirken."

"Das Wort ist entweder vollschlank oder Korpulent, Mademoiselle Montferre", mischte sich Madame Delamontagne ein. Julius fiel der Spruch wieder ein: "Wem der Schuh passt zieht ihn an."

"Oh, ich wollte sie nicht beleidigen, Madame. Mir fiel nur gerade das korrekte Wort nicht ein", grummelte Sandra, die leicht rot angelaufen war.

"Dann sollte Virginie dem Einhalt gebieten", meinte die Dorfrätin. Sie ließ sich von Gigie ein Glas Weißwein geben und kehrte zu ihrer Mutter und ihren Schwiegereltern zurück. Monsieur Champverd unterhielt sich mit Gustav van Heldern an einem der großen Tische. Offenbar ging es um etwas aus dem Ministerium.

"Wo hast du so gut tanzen gelernt, Julius?" Fragte Sandra Montferre. Der Feriengast aus England überlegte kurz. Dann sagte er:

"Das war in meiner Grundschule. Eine Klassenkameradin wollte es lernen und brauchte einen Partner. Ich habe da mitgemacht und bin heute froh, daß sich die Knochenverbiegerei doch irgendwie gelohnt hat."

"Du hast mit Barbara diesen Muggeltanz Rock'n Roll getanzt. Wurde der da auch unterrichtet?"

"Öhm, ja", erwiderte Julius schnell.

"Wohnt ihr hier in Millemerveilles?" Fragte Julius. Sandra schüttelte den Kopf.

"Wir kommen aus Avignon. Wir gehören zu der Quidditchmannschaft des roten Saales. Du hast uns bestimmt bei der Abschlußfeier gesehen, als du in Beauxbatons warst."

"Ich habe alles sehr schnell und unvollständig gesehen. Aber eure roten Haare sind mir doch aufgefallen. Darf ich raten, was ihr spielt?"

"Ja, was?"

"Treiber", erwiderte der Hogwarts-Schüler. Sandra klatschte in die Hände.

"Fallen wir so auf? Aber es stimmt. Wir sind das gemeine Geminae-Gespann des roten Saales. Wenn Barbara nicht so eine exzellente Hüterin wäre, würde der grüne Saal nicht so leicht gegen uns gewinnen. Schade das Agnes, die Sucherin der Grünen nicht hier ist. Sonst habe ich fast alle Mannschaften hier gesehen."

"Wo sind meine Augen. Ich habe nur gezählt, wer von denen da ist, die ich kenne und habe die restlichen zwanzig Leute unter den Tisch fallen lassen. Natürlich hat Virginie außer denen hier aus Millemerveilles auch die Quidditchspieler eingeladen."

"Du spielst auch, sagt Janine, sagt César. Spielst du in eurer Hausmannschaft in Hogwarts?"

"Letztes Jahr ging es nicht, weil jemand die ulkige Idee hatte, stattdessen Gastschüler aus Durmstrang und Beauxbatons einzuladen und ihnen Drachen, Meerjungfrauen und Vol..., ähm, jemanden ganz Bösen vorzuführen."

"Wir wissen, daß der dunkle Lord wieder da ist. Ich habe aber genauso wenig Angst vor ihm, wie du."

"Wie kommst du darauf, daß ich keine Angst vor ihm habe?" Wunderte sich Julius.

"Weil du erstens seinen Namen ausgesprochen hättest, wenn dir nicht wer gesagt hätte, daß Zauberer das normalerweise nicht tun und zweitens nicht so beklommen dreingeschaut hast, wie deine Tanzpartnerin. Ich bin zwei Jahre vor seinem Sturz geboren worden. Ich habe ihn nicht mitbekommen. Du bist später zur Welt gekommen und hast überhaupt nichts von ihm mitkriegen können. Wenn er jetzt wieder wütet, müssen wir erst lernen, Angst vor ihm zu kriegen, oder wir sterben durch ihn, was uns vor ihm in Sicherheit bringt."

"Interessanter Gedanke", sagte Julius. Claire Stubste ihn an.

"Denk es nicht einmal. Du willst doch noch leben, oder?"

 

"Ich sagte nur, daß es ein interessanter Gedanke ist, aber nicht, daß ich den auch umsetze, Claire", stieß der Hogwarts-Schüler verärgert aus. "Im Gegenteil: Ich werde mich nicht vor ihm verstecken oder zittern, nur weil sein Name fällt. Ich habe Angst vor ihm, weil ich Cedric Diggory tot am Boden liegen gesehen habe. Ich habe mitbekommen, wie Karkaroff floh, weil ihm das dunkle Mal auf dem Arm erschienen ist. Ich weiß von vielen, wie er wüten kann und kann mir vorstellen, wie diese verbotenen Flüche wirken, zumindest Imperius und Avada Kedavra. Richtig heftige Schmerzen kann man sich nicht vorstellen, sonst, so meine Mutter, würden Männer etwas respektvoller mit werdenden Müttern umgehen als nur überfürsorglich."

"Wenn ich das von Caro richtig rausgehört habe, lernt ihr bei Professeur Faucon die Abwehr dunkler Kräfte und werdet wohl auch die unverzeihlichen Flüche kennenlernen, zumindest sehen, wie sie an Tieren wirken", sagte Sandra. Julius fühlte sich schuldig, weil er dieses dunkle Thema angefangen hatte, wo er doch nur einen Witz machen wollte, warum er im letzten Jahr kein Quidditch spielen konnte. Deshalb sagte er zum Schluß:

"Entschuldigung, Mädels, daß wir meinetwegen so abgeglitten sind. Ich wollte nur sagen, daß ich letztes Jahr nicht spielen konnte und das Jahr davor erst eingeschult wurde. Unser Hauskapitän wollte mich in die Reservemannschaft hineinnehmen."

Sandra lachte laut und schallend.

"Moment. Janine regt sich auf, weil du besser manövrieren kannst, César sagt, du hättest geniale Tricks drauf und Barbara hat auch sowas erzählt, daß du ihr endlich ein gutes Hütertraining bietest. Du stapelst tief, Bursche."

"Nein, ehrlich, die haben bei uns genug erstklassige Spieler. Das ich mal so gut werden würde, wie mich alle sehen, ist ja nur möglich, weil ich hier so gut trainieren kann."

"Es stimmt, Sandra", sagte Barbara, die mit triumphierendem Gesicht wiederkam und Sabine Montferre hinter sich zurückließ, die etwas bedröppelt dreinschaute. "Der Junge kam vor einem Jahr zu uns, flog einige Runden auf Jeannes Besen und hat César nur durch einen Abwurf aus großer Höhe ausgetrickst. Die wollten den nur als Reservespieler haben, weil die in Hogwarts da, wo er wohnt, genug sehr gute Spieler haben. Ich habe die alle gesehen. Aber ich muß sagen: Im nächsten Jahr sind Sie fällig, Monsieur Andrews. Roger Davis wird dich wohl mindestens einmal aufstellen, wenn er seinen Kapitänsberuf verantwortungsvoll ausübt."

"... sind die tatsächlich unter dem Tisch", fluchte Virginie. "César hat die Rossignols niedergesoffen. Toll! Wie kriegen wir die nach Hause?"

Julius dachte an das Breitbandantidot in dem diebstahlsicheren Brustbeutel. Doch den hatte er nicht mitgenommen. Außerdem, so beschloß er, war das hochwirksame Elixier darin zu kostbar, um Wettrinker wieder nüchtern zu machen, wenngleich das damit bestimmt ging, weil Alkohol ja ein natürliches Abfallprodukt der Gärung war.

"Wo sind denn ihre Eltern?" Fragte Claire.

"Die sind in Vorbach an der deutschen Grenze. Die beiden sind ja fast volljährig und durften allein von zu Hause weg", sagte Virginie.

"Dann hol doch ihre Oma her!" Schlug Julius vor.

"Gute Idee, ich hole Madame Matine", sagte Virginie. Barbara hielt sie zurück.

"Die wird dir helfen, wegen zwei Sumpfbrüdern aus dem Schlaf gerissen zu werden. Die kommt erst, wenn die beiden dran zu sterben drohen. Wo wohnen die genau?"

"Wohnen tun die in der Nähe von Antibes. Ich war da schon mal", sagte Sandra.

"Gut, San. Ich habe da eine geniale Idee", sagte Barbara, und um ihre Mundwinkel spielte ein teuflisches Lächeln, wie Julius' Vater es wohl bei einer bösen Hexe erwartete.

"Zwei Mädchen bringen die irgendwie nach Hause, schreiben denen einen Brief wo drinsteht: "Hallo, Jungs, es war zwar nicht leicht, euch durchs Floh-Netz zu bringen, aber dafür hatten wir anschließend eine Menge Spaß miteinander. Schönen Gruß Barbara und Sandra. P.S. Wenn es ein Junge wird, werde ich ihn Serge oder Marc nennen, wenn's ein Mädchen wird Bellenuit", ratterte Julius unvermittelt etwas herunter, was ihm dazu einfiel. Barbara sah ihn mit Augen groß wie Scheinwerfer an. Sandra Montferre lief erst leicht rot an, dann spannte sich ein dämonisches Grinsen von einem Ohr zum Anderen. Dann lachten die beiden Mädchen.

"Das ist ja noch besser", gluckste Barbara zwischen zwei Lachsalven. Claire sah Julius an und verzog das Gesicht. Dann fragte sie:

"Woher hast du solche verwerflichen Einfällle? Sag bloß nicht aus dem Muggelfernsehen."

"Neh, Claire. Das hat ein Mädchen tatsächlich mal gebracht. Sie hat einen Jungen, der voll bis zum Stehkragen war, heimgebracht und dann so einen Zettel geschrieben. Der blieb danach von jedem Alkohol fern, weil er zwei Monate lang nicht wußte, ob der wirklich im Suff das Mädchen geschwä..., zur mutter gemacht hat, natürlich", erklärte Julius, woher er die Idee hatte. Claire sah ihn mit einer Mischung aus Tadel, Staunen und schwer zu unterdrückender Schadenfreude an. Dann sagte Barbara:

"Ich wollte die beide einschrumpfen, in eine leere Weinflasche stecken und auf den Tisch ihrer Eltern stellen. Die hätten da ihren Rausch ausgeschlafen und nichts machen können, bis ihre Eltern wiedergekommen wären. Aber deine Idee erspart uns noch den Ärger mit dem Zaubereiministerium, selbst wenn wir nicht erwischt worden wären. Komm, Sandra! Wir bringen die Helden in die heimische Burg!"

"Sandra, Sabine und Barbara gingen fort, um die beiden Rossignol-Brüder zu holen.

"Wie geht es eigentlich Jeanne?" fragte Julius nach einer Weile, wo nur die Musik des Orchesters zu hören war. Claire deutete auf den Tisch, wo Jeanne und Seraphine saßen und noch ganz munter waren.

"Wollen wir noch tanzen, oder hast du für heute genug, Claire?" Fragte Julius. Claire wollte noch etwas tanzen.

So vertrieben sich die beiden noch die Zeit auf der Tanzfläche, bis Barbara mit den Montferre-Geschwistern zurückkam.

"Die haben wir abgeladen, fast unbekleidet, damit die denken, es sei wirklich was passiert. Das wird in Beauxbatons lustig."

"Du glaubst nicht, daß die euch in die Bredullie bringen, weil sie denken, ihr hättet was mit ihnen angestellt?" Fragte Claire.

"Ich erzähl das morgen Jacques. Der erzählt es seinen Freunden, und dann werden die sich hüten, sich lächerlich zu machen. Da das selbst die größten Spaßvögel sind, werden sie nach dem ersten Schreck darüber lachen. Ich kenne die beiden, und Sandra und Sabine hätten es nicht mit ihnen ausgehalten, wenn sie deren Touren nicht abkönnten", erklärte Barbara.

 

Claire erlaubte es den beiden Montferre-Schwestern, mit Julius zu tanzen. Danach machten sie ihm ein Kompliment.

"Wer mit uns diese Tänze kann, wird einmal Quidditch-Profi. Danke, Claire, daß wir mit deinem Idealpartner mal herumhüpfen durften."

Kurz vor zwölf, Claire und Julius hatten sich, weil offenbar keiner mehr tanzen wolte, mit Jeanne, Seraphine und Janine unterhalten und beschlossen, daß am Dienstag morgen noch ein Quidditchspiel stattfinden sollte, falls Bruno und César wieder auf den Beinen waren, kehrten die drei Bewohner des Dusoleil-Hauses zurück von der Feier. Julius hatte nun einen Eindruck bekommen, was junge Hexen und Zauberer losmachen konnten, wenn sie nicht in einem gezwungenen Rahmen feiern mußten. Er hatte sich noch mal von Madame Champverd verabschiedet und Claire dann auf seinem Besen mitgenommen. Jeanne, die den Abend mit zwei Gläsern Wein und viel fetthaltigem Knabberzeug nach dem Abendessen nüchtern genug geblieben war, schaffte es, ihren Ganymed 8 ohne viel Schlingern zu fliegen, wobei sie sich hinter Julius hielt, der die Heimflugformation anführte. Madame Dusoleil schloß alle ihre Ausflügler in die Arme und küßte ihnen die Wangen. Dann fragte sie Jeanne, ob etwas außergewöhnliches passiert sei. Jeanne sagte nur, daß Madame Champverd Julius gelobt hätte, weil er sich als Muggelstämmiger besser mache, als die anderen Zauberer vorher.

"Danke, Julius, daß du Claire gut zurückgebracht hast. Aber jetzt ab ins Bett. Ihr habt morgen einen Termin bei Blanche!"

Julius ließ sich das nicht zweimal sagen. Er legte seine Festbekleidung säuberlich über einen Stuhl, schlüpfte ins Bad, wusch sich kurz und warf sich ins Bett, wo er fast übergangslos in einen tiefen, erholsamen Schlaf fiel.

 

__________

 

"..... so bleibt als Lektion des Tages festzuhalten, daß ein verfluchter Raum nur dann rechtzeitig als solcher erkannt und unschädlich gemacht werden kann, wenn Sie es schaffen, Ihre Gedanken als Vorboten in diesen Raum zu schicken. Außer Monsieur Andrews und Mademoiselle Lagrange hat das leider noch keiner richtig heraus. Aber daran arbeiten wir diese Woche noch einmal, bevor wir uns mit den Seelenfangflüchen beschäftigen, die den Verstand vergiften und fesseln. Dazu lesen Sie sich bitte aus meinem Buch das Kapitel über Gedankenfallen und aus dem Buch von Professor Morgan das Kapitel über schleichende Eindringlingsflüche durch! Darf Monsieur Andrews sich Ihr Exemplar ausleihen, Mademoiselle Dusoleil?"

"Aber sicher doch, Madame Faucon", stimmte Jeanne zu, nachdem eine schwierige, aber auch sehr wichtige Unterrichtseinheit abgeschlossen war. Sie mußten einen mit schwarzer Magie gefüllten Kellerraum erkennen und den Fluch aufheben, um etwas daraus herauszuholen. Julius war als einziger in der Lage gewesen, den Mentijectus-Zauber zu wirken, der ihn mit einer Art Gedankenfühler in den Raum hatte sehen lassen, nachdem der nun gelernte Fluchfinder, der etwas besser als der übliche Zauberkraftfinder wirkte, den verhexten Bereich angezeigt hatte. So konnte Julius erkennen, das in dem Raum ein Kraftverzehrungsfluch lauerte, der jeden, der hineinging, sofort so sehr schwächte, daß er nicht mehr herauskam. Mit der allgemeinen Fluchumkehrformel, gefolgt von der Formel für eine Reinigung eines Raumes, hatte der Hogwarts-Schüler den Raum fluchfrei gemacht und die Schachtel mit den Hosenknöpfen herausholen können.

"Wie kamst du darauf, wie du den Gedankenfühler einsetzen mußtest, Julius?" Fragte Jeanne auf dem Rückweg.

"Mir fiel das Kapitel über Enthüllungszauber ein, wo auch steht, daß man seine Sinne auf einem unsichtbaren Strahl in einen gefährlichen Bereich hineinrichten kann um zu erfassen, was da ist. Dann habe ich das ausprobiert. Ich muß sagen, daß ich nun weiß, daß ich noch einiges lernen muß. Grundkraft allein bringt es eben nicht immer", erwiderte Julius.

"Auf jeden Fall haben wir morgen frei und können Quidditch spielen. Ich fürchtete schon, Madame Faucon würde uns noch mal einbestellen."

"Ja, aber dann würden Claire und die anderen ja nicht die vier wichtigen Grundformeln für die Entfluchung von Objekten lernen", erwiderte der Hogwarts-Schüler.

Am Nachmittag erholten sich die Bewohner des Dusoleil-Hauses von der langen Feier und dem anstrengenden Unterrichtstag. Madame Dusoleil sagte nur zu Julius, daß er sich keine Sorgen machen müsse, weil mit der Geburtstagsfeier alles glatt verlaufen würde.

Am Abend musizierten die Bewohner des Dusoleil-Hauses noch einige Stunden, bevor sie schlafen gingen. Julius, der nicht wußte, wie der morgige Tag verlaufen würde, konnte erst gar nicht einschlafen. Doch irgendwann fielen ihm die Augen zu.

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