Die Morgensonne glühte als orangeroter Feuerball am unteren Rand des Dachfensters von Julius' Gästezimmer und ließ alles darin in einer flammen- und hitzelosen Glut erstrahlen. Julius kitzelten die Strahlen des wiedergeborenen Tageslichts durch die geschlossenen Lider und zogen ihn aus einem Meer aus Farben, Formen und Geräuschen, das schlagartig zu einem flüchtigen Dunst wurde, der keinen Hauch von sich in seinen Erinnerungen hinterließ. Er öffnete die Augen und rieb sich den Schlaf heraus, bevor er, gegen das bereits helle Licht anblinzelnd, auf seine Armbanduhr sah, die im verriet, daß es hier in Millemerveilles schon halb sieben war.
"Morgens ist es kühl genug zum trainieren", dachte er an die Worte Barbara Lumières. Hatte sie ihm gestern nicht erzählt, sie würde um sieben Uhr ihr Morgentraining machen? Ja, warum sollte er nicht wieder mitmachen? Er stand auf, suchte seine Sportsachen zusammen und schlüpfte kurz in den kleinen Waschraum, wo er sich mit kaltem Wasser wusch, anzog und dann so leise wie möglich die Treppe hinunterstieg. Unten am Fuß der Treppe steckte Madame Faucon ihren Kopf zur Tür ihres Schlafzimmers heraus. Das sonst so streng gebundene Haar hing ihr als wilde, schwarze Mähne um Kopf und Schultern.
"Guten Morgen, Julius. Möchtest du zum Morgenlauf?" Flüsterte die gerade nicht so gestreng aussehende Hausherrin.
"Öhm, wenn ich darf", flüsterte Julius zurück. Sie nickte. Behutsam öffnete sie ihm die Tür und ließ ihn hinausschlüpfen.
Am üblichen Treffpunkt konnte Julius Barbara Lumière zusammen mit den Montferres sehen. Diesmal war sogar Monsieur Michel Montferre dabei, der sich ein Rennen mit seinen beiden Töchtern lieferte, während Madame Raphaelle Montferre Gymnastikübungen auf der Höhe des südwärts weisenden Bronzedrachens machte. Außerdem konnte Julius Monsieur Renard sehen, der an der westlichen Flanke seines Gasthauses einige puppenhausartige Kisten hinstellte, sie mit dem Zauberstab anstupste und wohl irgendwelche Worte sprach. Schlagartig wurden die fünf hingestellten Kästchen zu bunten Holzhäusern mit Rundbogenfenstern und zweiteiligen Türen, ähnlich wie die bei der Bienenzüchterin L'ordoux.
"Ach, so geht's auch!" Rief Madame Montferre und drückte damit aus, was Julius dachte.
"Diese italienischen Reisehäuser sind schon genial, Raphaelle", lachte Monsieur Renard, bevor er Julius erblickte und zuwinkte.
"Hoffentlich kriegen meine Eltern keinen Schock, wenn Sie ihnen die Rechnung vorlegen", lachte Barbara Lumière.
"Das habe ich mit deinem Vater schon geklärt, Barbara", erwiderte Monsieur Renard. Caro trat aus dem Haus, wohl gerade aus dem Bett gestiegen. Sie trug einen geblümten Morgenrock und strich sich das zerzauste Haar glatter.
"Wau, sieht ja echt stark aus, Papa! Was kostet so'n Haus denn?"
"Darf ich nicht verraten, Kind, wegen der Diskretion", tat ihr Vater geheimnisvoll.
"Na klar, weil er nicht hinausposaunen will, daß er nur die Hälfte davon bezahlt, was er an Tagesmiete verlangt", flüsterte Sandra Montferre, die gerade in Julius' Nähe war. Unvermittelt ergriff sie seine rechte Hand und lief los. Julius ging sofort in einen schnellen Lauf über, ließ sich von der rothaarigen Siebtklässlerin führen, bis sie ein einheitliches Lauftempo hatten, das sie locker in einer Minute dreimal um den Dorfteich herumführte.
Barbara schloß sich dem Lauf an, während Sabine und ihr Vater sich die zu geräumigen Holzhäusern aufgeblasenen Bauten ansahen. Julius hielt das Tempo gut mit, bis er nach zehn Minuten kräftig ins Schwitzen geriet.
"Und auslaufen!" Kommandierte Barbara, der das hohe Tempo nicht viel ausmachte. Sie verlangsamten und stoppten vor dem Gasthaus.
"Wieviele Leute können Sie in den Dingern da unterbringen?" Fragte Julius den Inhaber des Chapeau du Magicien.
"In jedem an die zwei Dutzend. Ich habe die Luxusversion angemietet. Die Varanca-Geschwister sehen das als geniale Werbung für ihre Dommobile. Du hast ja wohl davon gehört, Julius."
"Gelesen, Monsieur", sagte Julius leicht keuchend. "Letztes Jahr stand's im Zauberspiegel."
"Stimmt", meinte Madame Montferre. Sie trat auf Julius zu. Ein Hauch herben Kräuterdufts wehte von ihr zu ihm herüber. Er sah die hochgewachsene Hexe an, die gut und gern 1,95 Meter maß und in einem hautengen rubinroten Kleid steckte, das ihre Körperformen klar zum Ausdruck brachte. Julius fühlte, wie ihm eine gewisse Wärme durch den Körper pulste. Offenbar mußte sein Körper stumme Signale aussenden, denn Madame Montferre nickte ihm zu und meinte:
"Ist das Kleid gewagt oder noch gerade so anständig, junger Mann?"
"Wenn jetzt Regen fallen und das naß machen würde wär's unanständig", sagte Julius.
"Das ziehe ich nur zum Sport an. Für Feste oder wichtige Termine mach ich mich dann doch etwas biederer zurecht. Apropos, am besten brechen wir das Training für heute ab, bevor Barbaras Onkeln und Tanten und die überkorrekte Cassiopeia Odin hereinschneien."
"Ach, Sie kennen Madame Odin?" Fragte Julius, der sich zu gut an die erste und bisher einzige Begegnung mit dieser Hexe erinnerte.
"Sagen wir's so, sie würde mich nicht zu ihren Soirées einladen. Aber daran werde ich nicht zu Grunde gehen", erwiderte Madame Montferre lächelnd. "Hast du sie etwa auch schon kennenlernen dürfen?"
"Kein Kommentar", erwiderte Julius.
"Akzeptiert", sagte Sabines und Sandras Mutter. Dann fragte sie Julius zu seinem Besen aus, den er "zum Geburtstag" bekommen hätte. Julius erzählte ihr, was den vom Ganymed 9 unterschied und daß er noch lernen müsse, ihn richtig einzuschätzen.
"Ich habe auch so einen Wunderfeger. Ist nicht ganz billig. Ich denke, der nette Monsieur Dornier hat ihn deinen Gönnern zum Vorzugspreis verkauft, weil du Bine und San im letzten Jahr so gut verladen hast."
"Kann sein. Aber ich frage nicht danach, wie teuer was war", sagte Julius. Dabei fiel ihm ein, daß er unbedingt heute noch zu den Dusoleils mußte, um mit denen über Claires Geburtstagsgeschenk zu reden. Ihm war nämlich nicht mehr so wohl dabei, eine sehr teure Perlenkette zu verschenken. Das mochte wie Angeberei oder neureich herüberkommen.
"Was macht deine Maman gerade?" Fragte Madame Montferre.
"Entweder schläft sie noch oder sie nutzt gerade das Badezimmer. Als ich raus bin waren Babette und sie noch nicht auf. Wieso möchten Sie das wissen?"
"Weil ich mir das doch anstrengend vorstelle, daß sie jeden Tag diesen Unterdrückungstrank gegen die Muggelabwehrzauber hier schlucken muß. Abgesehen davon dürfte es sie hier wohl ziemlich langweilen."
"Absolut nicht. Das vor zwei Tagen war schon was ganz tolles, hat sie mir erzählt. Außerdem spielt sie ja Schach und hat damit einige Leute hier, die das gerne mit ihr austesten."
"Schach ist doch nur ein Spiel für Leute, die mit ihrer Phantasie und ihrem Grips nicht wissen wohin", lachte Sabines und Sandras Mutter. Monsieur Renard nahm sich heraus, sie zu fragen, ob sie damit meinte, daß sie selbst keinen Grips habe.
"Ich sagte, das sei was für Leute, die nicht wissen, wohin mit ihrem Grips", lachte Madame Montferre. Dann trocknete sie Julius schweißnasse Kleidung, weil ein Windstoß ihn leicht fröstteln machte.
Zusammen mit Barbara und den Geschwistern Montferre machte er noch Übungen unter dem Einfluß des Schwermacherkristalls, bis Barbara nach etwa zweiundzwanzig Minuten die Übungen beendete und Julius versicherte, er könne seine gute Form in den Tagen noch verbessern, in denen er noch hier wäre. Sie verabschiedete sich von ihm und sah ihm nach, wie er zum Faucon-Haus zurücktrabte.
Tagesfertig angekleidet setzte er sich an den Frühstückstisch und nahm sich von den Croissants mit Schokoladenfüllung, bevor Babette sie entdeckte. Als er das Blätterteigstück vom großen Teller pflückte, sah Babette darauf und schien sich auf irgendwas zu konzentrieren. Da sprang ein anderes Croissant wie von einer Feder geschnellt von der Platte und segelte sich um sich selbst drehend in Babettes ausgestreckte Hand.
"Babette, du weißt genau, daß weder deine Eltern noch ich das mögen, wenn du das machst", tadelte Madame Faucon ihre Enkelin, während Martha Andrews, die rechts von Julius saß, kurz erstarrt war.
"War doch nichts schlimmes", protestierte Babette. "Maman hat gesagt, wenn ich das richtig übe passiert damit nichts böses." Julius öffnete den Mund, um was zu sagen, doch Madame Faucon blickte ihn warnend an, und seine Mutter stupste ihn in die Seite, er solle ja nichts dazu sagen.
"Wegen dir belege ich noch meine Auslageteller mit einem Bewegungsmagieunterdrückungszauber, denkst du wohl, Babette. Aber das fällt mir nicht ein", sagte die Beauxbatons-Lehrerin ungehalten. "Du weißt das ganz gut, daß telekinetische Sachen kein Spielzeug sind und auch nichts, um sich bei anderen vorbeizudrängen, Kind. Wenn du jetzt mit deinen Eltern in Atlanta wärest dürftest du das da auch nicht machen."
"Ach, Mann", quängelte Babette und starrte ihre Oma mit dem Ausdruck großer verbitterung an. Doch diese sah nur einmal konzentriert zu ihr hinüber, und sie blickte total eingeschüchtert und abbittend herüber.
"Hat Catherine irgendwie was von sich hören lassen?" Fragte Julius.
"Wie sollte sie, wo sie in einem Muggelhotel wohnt", versetzte Madame Faucon barsch.
"Ich habe mein Mobiltelefon dabei. Joe sagte, die Dinger gingen hier", meinte Mrs. Andrews und erkannte erst jetzt, daß das wohl nicht sonderlich angebracht war.
"Sie sind eine erwachsene Frau und können mitnehmen, was sie wollen, Madame Andrews. Aber wenn Sie solch ein Funkfernsprechding hier benutzen, dann bitte nicht in der Öffentlichkeit hier. Am besten betrachten Sie die Muggeltechnik so diskret zu handhaben wie die Benutzung des Badezimmers, wenn Sie verstehen, was ich meine."
"Entschuldigung, Madame. Ich respektiere sehr gerne Ihre Gepflogenheiten hier in Millemerveilles. Aber an der Benutzung eines elektronischen Geräts ist, sofern es nicht in der Tat zu ganz intimen Handlungen dient, nichts verwerfliches, es in der öffentlichkeit zu benutzen", entgegnete Martha sehr willensstark.
"Die mögen das hier nicht, Mum", warf Julius ein. "Ich durfte ja vor zwei Jahren auch den Reisewecker nicht benutzen", sagte er.
"Die Tatsache, daß die schützenden Zauberkräfte sich weitläufiger ausdehnen als in Beauxbatons oder Hogwarts und damit eine massive Störung elektronischer Apparate hier nicht auftritt hat schon meinen Schwiegersohn verleitet, mit einem dieser tragbaren Rechnergeräte herumzuhantieren. Das ist hier aber nicht statthaft, zumal jemand sich damit hier der Lächerlichkeit preisgibt", sagte Madame Faucon.
"Wie bekundet respektiere ich die hier üblichen Gepflogenheiten, Madame, stelle jedoch weiterhin fest, daß an der Benutzung eines Mobiltelefons nichts verwerfliches ist", wiederholte Martha Andrews ihre Ansichten.
"die halten es mit dem Muggelzeug hier so wie mit der Zauberei in Muggelsiedlungen", sagte Julius. "Außerdem sehen die Handies und Laptops als untaugliche Ersatzmittel für Magie an. Solange du hier herumläufst, sprichst, und sonst was machst, was jede Hexe auch kann, spielst du auf demselben Platz", warf Julius ein.
"Will sagen, mein Junge, daß hier jemand mit einem Handy als Schwächling betrachtet wird oder als Idiot?" Wollte Julius' Mutter wissen.
"etwas überzogen formuliert aber im Kern zutreffend", bestätigte Madame Faucon kühl.
"Ja, aber Catherine könnte ein Fax an diese Nummer in Paris schicken, die ankommende Faxe als Eulenpost weiterschickt", fiel es Julius ein.
"Nun, diese Möglichkeit ist wohl gegeben", sagte Babettes Großmutter.
""Dann können wir warten, ob sie sich meldet", sagte Martha Andrews, während Babette gerade ihr Croissant mampfte und ihr die Schokocreme aus den Mundwinkel quoll und als braune Streifen an ihrem Kinn herunterlief.
"Hallo, Babette, nicht so viel auf einmal!" Maßregelte Madame Faucon das neunjährige Mädchen, das rasch eine Serviette griff und sich Mund und Kinn abputzte.
"Madame Montferre war vorhin auch am Teich und wollte wissen, wie es dir geht, Mum", wechselte Julius das Thema.
"Ach, wie komme ich zu dieser Ehre?" Fragte Mrs. Andrews nun lächelnd.
"Sie hat gefürchtet, du könntest dich hier langweilen", sagte Julius frei heraus.
"Bisher nicht", sagte Julius' Mutter nun breit grinsend.
"Offenbar meint Madame Montferre, daß eine Muggelfrau in Millemerveilles deplaciert sein könnte", warf Madame Faucon mürrisch ein. "Außerdem sollte es sie nicht anfechten, wie ich einen Gast von mir unterhalte oder nicht."
"Monsieur Renard hat fünf tragbare Häuser bei seinem Gasthof aufgestellt. Er sagte was, daß in jedes davon drei Dutzend Leute reinkönnten, was nach schneller durchrechnung eine Gesamtzahl von einhundertachtzig zusätzliche Betten ergibt", erzählte Julius noch. Babette bekam große Augen.
"Tragbare Häuser! Wie sehen die denn aus?" Wollte sie wissen und spie aus Versehen eine Wolke Croissantteigkrümel über ihren Teller hinweg.
"Ja, wie Puppenhäuser, bis jemand den Vergrößerungs- oder Entschrumpfungszauber bei denen macht", sagte Julius ruhig, während Madame Faucon ihren Zauberstab zog und die Krümel verschwinden ließ.
"Darf ich mir das nachher mal ankucken, Oma Blanche?" Fragte Babette und sagte nach zwei Sekunden noch "Bitte, Oma Blanche."
"Wenn du dich jetzt beim Frühstück besser zusammenreißt, habe ich da nichts gegen", erwiderte die Hausherrin sehr unumstößlich. Babette nickte unterwürfig und sah zu, daß sie beim weiteren Frühstück nichts danebengehen ließ oder ihre schon erwachten Zauberkräfte spielen ließ.
"Julius, du nimmst das Mädchen nachher mit!" Bestimmte Madame Faucon. "Aber flieg nicht zu schnell mit ihr, auch wenn sie das von dir verlangen sollte! Du weißt ich bekomme das sofort mit und könnte dann sehr ungemütlich werden.""
"Ich möchte gleich noch zu den Dusoleils, bevor da die ersten Brautgäste anlanden", sagte Julius rasch. Ihm paßte es nicht, zum Quasibabysitter für Babette bestimmt zu werden. Aber wer wenn nicht er wußte, wie vorsichtig man mit Madame Faucons Gutmütigkeit umgehen mußte?
"Das trifft sich insofern gut, weil Mademoiselle Claire Dusoleil mir eine Eule schickte und mich darum bat, Babette für die nächsten vier Vormittage zu ihr zu schicken, um den Ablauf der Trauung mit allen Brautjungfern durchzuproben. Immerhin werden heute und morgen ja die Familien mit den weiteren Brautjungfern hier eintreffen", erwiderte Madame Faucon. Julius nickte. "Flieg also zuerst mit ihr zu den Reisehäusern, die Monsieur Renard aufgestellt hat und bringe Babette dann zu den Dusoleils. Ich gehe nur davon aus, daß Claire für dich wenig bis gar keine Zeit erübrigen kann."
"Das ist auch für heute nicht so wichtig, Madame. Ich weiß ja, daß sie die Brautjungfernführerin ist. Muß wohl ein ziemlich heftiger Job sein."
"Tätigkeit, Julius, oder auch Beschäftigung", versetzte die Hausherrin. "Der Einfluß des Englischen auf altehrwürdige Sprachen wie Deutsch, Italienisch und eben auch Französisch treibt bereits zu viel sprachliches Unkraut aus. Bedenke das bitte!"
Martha Andrews räusperte sich verhalten und warf ein, daß Julius es nicht nötig hätte, sich über Sinn und Unsinn von Wörtern belehren zu lassen. Madame Faucon verzog zwar das Gesicht, nickte dann schwerfällig.
Julius holte die Feuerperlenkette aus seinem Zimmer, verbarg sie gut in einer Innentasche seines Umhanges und nahm seinen Ganymed 10. Er lief hinunter in den Flur, wo Babette schon aufgeregt von einem Bein aufs andere hüpfte.
"Falls nichts anderes vereinbart wird seid ihr bitte beide zur Mittagsstunde wieder hier, Julius!" Erinnerte die Hausherrin den Beauxbatons-Schüler daran, sich an die Zeiten zu halten. Er bejahte das etwas angenervt und nahm Babette mit nach draußen, wo gerade eine Hexe im taubenblauen Umhang heranschritt, in deren Gang und Körperhaltung eindeutige Erhabenheit mitschwang. Sie hatte rotblondes Haar und ein langes, weißes Gesicht. Durch zwei sechseckige Brillengläser blinzelte sie Julius an, der stehenblieb und sie respektvoll ansah.
"Schönen guten Morgen, Mylady!" Grüßte er auf Englisch. Die Angesprochene grüßte in derselben Sprache zurück, wechselte dann aber zum französischen zurück.
"Ist deine Frau Mutter bereits auf. Eleonore hat mir nämlich vorgeschlagen, sie zu fragen, ob sie Zeit und Lust habe, gegen mich anzutreten."
Die Tür öffnete sich hinter Julius. Martha Andrews trat heraus und sah die Besucherin an. Dann trat ein überraschter Ausdruck in ihr Gesicht, um sofort von einer Miene des Erkennens und Verstehens abgelöst zu werden.
"Sie sind Lady Genevra von Hidewoods?" Fragte sie ruhig.
"Dies ist richtig", erwiderte Lady Genevra ruhig. Babette stupste Julius an. Er beugte sich zu ihr hinunter.
"Die kenne ich. Die war mal hier bei Madame Delamontagne", flüsterte sie. "Woher kennst'n du die?"
"Ich war mal auf 'ner Party, wo sie auch Gast war", erwiderte Julius, ohne zu verraten, daß das eigentlich eine reine Muggelparty war, zu der sein Vater ihn im schicken Muggelzwirn mitgenommen hatte.
"Mann, du kennst ja echt Leute", Staunte Babette. Dann grüßte sie höflich, weil ihre Oma bestimmt mithörte. Lady Genevra lächelte großmütterlich und fragte Babette alles mögliche, was jemand ein neunjähriges Mädchen so fragt. Wie anderswo auch wollte Babette nicht viel von der Schule reden. Aber sonst erzählte sie gerne, was die Lady interessierte. Irgendwann jedoch wurde es der Kleinen zu langweilig und sie sagte, daß Julius ihr die Reisehäuser zeigen wollte, die Monsieur Renard aufgebaut hatte. Lady Genevra nickte. Doch sie deutete auf Julius und meinte noch:
"Wie ich hörte, hat sich dein etwas über die Strenge geschlagener Gast der von Eleonore verhängten Strafe entzogen. Eigentlich müßte ich ihm mein Sommerkleid in Rechnung stellen. Aber ich weiß, daß Jungen einmal gerne Streiche verüben und Lisa hat mein Kleid auch wieder retten können."
"Lisa ist eine Hauselfe?" Fragte Julius. Die Lady lächelte kurz, nahm dann wieder ihre aristokratische Erhabenheit an und schüttelte bedächtig den Kopf.
"Du weißt sicher, daß eine englische Lady, überhaupt eine Dame von Adel eine ordentliche Kammerzofe in ihrem Dienst hält. Lisa ist eine Hexe, die keinen Ministeriellen Beruf ausüben wollte und lieber als meine rechte Hand agiert. Sie wohnt mit mir zusammen bei Madame Delamontagne."
"Oh, Entschuldigung", sagte Julius leicht eingeschüchtert.
"Auf Hidewoods habe ich zwar zwei Hauselfen. Aber die besorgen den Haushalt. Für Ausstattung, Reise und Handreichungen beschäftige ich eben Lisa", sagte die Lady gutgelaunt klingend.
"Hörte Ich richtig von Eleonore, Sie seien auch für das diesjährige Schachturnier hier angemeldet, Mylady?" Fragte Martha Andrews.
"Dies ist richtig", antwortete Lady Genevra. Mehr bekam Julius davon nicht mit, weil Babette seinen Ganymed-Besen ergriff. Um sie nicht einfach damit losfliegen zu lassen winkte er nur flüchtig zum Abschied, saß schnell vor Babette auf und stieß sich mit ihr ab, um waagerecht in die Höhe zu schnellen wie ein aus der Flasche fliegender Sektkorken.
"Heh, nicht so ungestüm!" Hörte er die Hexe mit echtem Adelstitel noch hinter ihm herrufen, aber nicht tadelnd wie etwa Madame Faucon, sondern amüsiert wie eine Mutter oder Großmutter, die sich über ein lebhaftes Kind freut.
"Höher dürfen wir nicht, weil da oben der Verhüllungszauber ist", sagte Julius, als er den Ganymed nach hundert Metern Aufstieg abfing und nach vorne trieb.
"Hui, der geht aber voll los!" Rief Babette und hielt sich gut an Julius fest, der mit der üblichen Geschwindigkeit eines Ganymed 8 über Millemerveilles dahinglitt, zwischendurch kleine Kurven flog oder über nicht vorhandene Hindernisse sprang, um Babette mehr Spaß beim Flug zu bieten. Dann, auf Höhe des Dorfteichs kippte er den Besen nach vorne und ließ ihn mit mittlerer Geschwindigkeit nach unten sausen, bis er gerade so noch abbremsen, den Besen wieder in die Waagerechte bugsieren und federleicht landen konnte.
Gerade tauchte das Ehepaar Lumière auf einem Familienbesen auf. Die beiden Töchterchen Étée und Lunette saßen in einer Art Doppeltragesitz zwischen Vater und Mutter.
"Ah, Babette! Möchtest du dir auch die fünf Hinstellhäuser ansehen?" Fragte Madame Lumière. Babette sagte sehr freudig ja und sprang vom Besen, um sich die Häuser anzusehen, die nun für einige Zeit neben dem Gasthaus standen.
"Also interessant ist das schon. Aber irgendwie ist das ähnlich wie eine Centinimus-Bibliothek", sagte Julius, als er sich mit Monsieur Lumière das nächststehende Haus ansah.
"Das ist insofern richtig, was den Schrumpf- und Entschrumpfzauber angeht, Julius. Aber die Ausstattung macht den Reiz aus. Außerdem kann da drinnen ohne eine feste Zuleitung von außen pro Stunde Wasser für zwei Badewannen entnommen werden, abgesehen von den Tragetreppen, die in der Delux-Klasse hier wohl drin sind. Meine Großtante Stephanie ist leider nicht mehr so gut zu Fuß, um viele Treppen zu steigen."
"Tragetreppen? Wie gehen die?" Wollte Julius wissen, der an Rolltreppen denken mußte. Tatsächlich funktionierten sie ähnlich, nur das sich nur die Stufe bewegte, auf der man stand und die anderen Stufen davor zurückwichen und auf zu befördernde Leute warteten.
"Wenn ihr beiden möchtet, können wir uns dieses Haus mal von innen ansehen", sagte Barbaras Vater noch. Julius nickte. Für Babette war das natürlich keine Frage. Als dann noch Gustav van Heldern mit seinen Eltern kam fand eine kurze Hausbesichtigung statt. Julius war begeistert von diesem Haus. Zwar war es im Stil einer römischen Villa erbaut, mit Säulen und Innenhof, bot aber sonst alle Annehmlichkeiten moderner, ohne Strom auskommender Häuser, wie geräumige Badezimmer, separate Toiletten mit großen, mit Milchglasscheiben besetzten Fenstern, sowie Schlafzimmern mit Bettschränken, die am Tag wie übliche Schränke benutzt und auf ein Zauberwort hin zu Doppelbetten werden konnten. Vielraummöbelstücke nannte man das, wußte Julius.
"Goldene Wasserhähne. Wer soll denn hier wohnen?" Fragte Gustav ironisch, weil er die Antwort schon kannte. Denn hier sollten seine Eltern und deren Verwandte wohnen.
"Jetzt interessiert mich das doch, wie teuer so'n Haus pro Tag ist", flüsterte Julius zu Madame Lumière, die ihre Töchterchen mit Babette auf einem der bequemen Sofas unterbrachte.
"Teuer genug, um froh zu sein, daß die Kleinen noch mindestens ein Dutzend Jahre bis zum heiraten warten", grinste Barbaras Mutter und mußte Lunette anhalten, Babette nicht zu hauen, weil die das bestimmt nicht mochte.
"Babette ist im Training. Die hat sich heute schon ein Croissant in den Mund fliegen lassen", flachste Julius. Babette streckte ihm dafür die Zunge heraus, was die beiden Kleinkinder anregte, es ihr nachzumachen.
"Hallo, so nicht!" Sagte Madame Lumière laut, aber nicht schrill. "Das tut man nicht."
"Das Dach ist ja heiß!" Rief Gustav von oben herunter. "Da kann man ums Atrium herumlaufen und in den Springbrunnen reinspucken. ... Iiii!" Julius hörte das Rauschen und Plätschern einer Fontäne.
"Wie kriegt man sowas hin? Oder ist das Atrium schon auf einer Bodenplatte?"
"Wenn ich die Angaben richtig gelernt habe ja, Julius", antwortete Monsieur Lumière, der gerade mit Monsieur van Heldern die besagten Tragetreppen testete. Julius fuhr mit Babette auch bis ganz nach oben und ging auf dem quadratischen Laufgang, der sich über das rote Dach erhob um den Innenhof herum, wo Gustav gerade den Kleidungstrocknungszauber an seinem Umhang anwandte, während feine Silbertröpfchen pilzförmig von einer an die zehn Meter aufschießenden Fontäne herabrieselten.
"Voll genial!" Meinte Julius. "Da stinkt jeder Wohnwagen ab."
"Wie bitte?!" Fragte Madame Lumière, die gerade den Laufgang enterte.
"Sie verstehen das doch, wie ich's meine, Madame", sagte Julius, dem im Moment nicht danach war, vor irgendwelchen Hexen Abbitte zu leisten oder sich andere Formulierungen auszusuchen.
"Sicher tue ich das. Aber ob das deiner jungen Begleiterin gut tut, unfeine Formulierungen zu hören", versetzte Madame Lumière lächelnd.
"Was immer ein Wohnwagen sein soll, wenn Julius sagt, daß der gegen dieses Prachthaus hier abstinkt, hat er wohl recht, Roseanne", sprang Monsieur Lumière Julius bei und grinste breit.
"Wie du meinst, Cherie", gab Roseanne Lumière klein bei.
Nach der kurzen aber umfassenden Hausbesichtigung überreichte Monsieur Renard den Lumières mehrere Schlüssel, mit denen die Häuser gegen unbefugtes Einschrumpfen gesperrt und wie normale Häuser auf- und zugeschlossen werden konnten. Julius lud Babette wieder auf den Ganymed und startete durch.
Wieder in der Luft meinte Babette, sie hätte auch gerne so ein Haus. Julius meinte, daß das bestimmt hundertmal so viel wie sein Besen kosten mochte, die Luxusausgabe davon zu kaufen und die Lumières und Dusoleils bestimmt heftig viel rüberreichen müßten, um den Betrieb zu bezahlen.
"Ja, aber so'n Haus zum Mitnehmen ist doch cool, Julius. Wie'n Puppenhaus zum Aufblasen und Selbstdrinwohnen."
"Ja, wenn du draußen stehst, wenn wer das einschrumpft. Sonst bist du selbst 'ne Puppe", sagte Julius mit gehässigem Tonfall.
"Blödian", fauchte Babette. Julius lachte darüber nur. Er überlegte, ob er noch was drauf antworten sollte, als er etwas großes, buntes von Osten her anfliegen sah.
"Hey, Julius, was is'n das da?!" Wollte Babette wissen und schwang ihren rechten Arm in die Richtung, wo das fliegende Etwas herkam. Dabei bekam der Ganymed einen Drall in Westrichtung, den Julius schnell ausgleichen mußte, um nicht in eine weite Kurve geworfen zu werden.
"Babette, halt dich bloß fest. Wenn du aus der Höhe runterkrachst kann man dich mit Eimer und Wischmop zusammenfegen", entrüstete sich Julius, der etwas erschrocken war, als Babette einfach ihren Arm zur Seite geworfen hatte.
"Was is'n das da?" Wiederholte Babette die Frage. Das rechteckige Ding kam nun näher und ließ zwölf winzige Figuren erkennen, die auf ihm saßen. Als das Ding noch näher kam, wuchsen die Minimenschen zu Männern und Frauen im Barbie-Puppen-Format, die in farbigen Umhängen und mit Hüten und Kopftüchern bekleidet waren und dem Tandem auf dem Ganymed-Besen zuwinkten.
"Also diesen Aladin-Film hast du doch bestimmt schon gesehen. Das is'n fliegender Teppich, Babette", sagte Julius ganz lässig, als wenn es ja alle paar minuten vorkäme, daß ein orientalischer Flugteppich über Millemerveilles herumflog. Ja, und dieser bezauberte Bodenbelag war ziemlich fix unterwegs, mußte Julius feststellen, als der Teppich den nicht gerade langsam fliegenden Ganymed 10 einholte. Julius ließ den Besen noch langsamer werden, bis der fliegende Teppich mit Wusch an seiner rechten Seite vorbeibrauste. Die zwölf Leute darauf saßen ganz ruhig da. Nur die Fransen des Fluggeräts aus tausendundeiner Nacht wippten und schwangen auf und ab. Kaum hatte sie der in allen Regenbogenfarben schillernde Teppich überholt, hörte Julius von dort einen Ruf, einen kurzen Befehl in einer ihm unbekannten Sprache, vielleicht arabisch. Das Meisterwerk aus dem Orient klappte an seinen Rändern hoch, während es ziemlich heftig verzögerte. Die Besatzung hielt sich mit den Händen an den Rändern fest. Eine Frau mit feuerrotem Haar schimpfte mit einer Frau, die in der Teppichmitte saß und gerade mit einer Zupfbewegung das flugfähige Knüpfwerk zu einer weiten Kurve antrieb, die den Teppich eine volle Wende ausführen und zu Julius und Babette zurückkehren ließ.
"Ach, das ist ja Madame Odin, Denises Oma Aurélie", erkannte Babette die Hexe im tiefseeblauen Satinumhang mit einem dazu passenden Kopftuch. Sie trug eine Goldrandbrille, deren Bügel unter dem Kopftuch verschwanden. Die Hexe mit den feuerroten Haaren erkannte er genau im gleichen Moment wie sie ihn. Es war Cassiopeia Odin. Nun konnte Julius auch Monsieur Odin, Madame Dusoleils Bruder, wie auch dessen Kinder Argon und Melanie erkennen, die dicht bei ihm saßen. Dann waren da noch Hexen und Zauberer, die er noch nicht kannte.
"Salemaleikum!" Rief Julius der Teppichbesatzung zu. Madame Aurélie Odin lachte darüber, während Cassiopeia Odin eine abschätzige Geste in Julius' Richtung vollführte.
"Schönen guten Tag, Monsieur Andrews!" Grüßte Denises und damit auch Claires Großmutter im besten Oxfordenglisch zurück. Julius überlegte kurz. Dann fiel ihm ein, daß Claire ja erzählt hatte, ihre Oma Aurélie könne dreißig menschliche Sprachen. Da hatte dann ja wohl auch Englisch als die Weltsprache zuzugehören. "Wo wollt ihr beiden denn hin?" Fragte die Teppichlenkerin nun auf Französisch.
"Zu den Dusoleils", sagte Julius. "Ich habe den Auftrag, die kleine Mademoiselle hier bei Mademoiselle Claire Dusoleil abzuliefern, Madame Odin."
"Selber klein", blaffte Babette verärgert zurück.
"Dann haben wir den gleichen Weg. Wer zuerst da ist", erwiderte Aurélie Odin schelmisch grinsend und ließ den Teppich eine schnelle Eigendrehung fliegen, um dann mit einem Wort ihr Fluggerät zu einer schnelleren Gangart anzutreiben.
"Das ist die Oma, die im Hühnerstall Motorrad fährt", grinste Julius, bevor er den Besen beschleunigte, aber nicht über das Maß eines Ganymed 9 hinausging. Doch das war für den Teppich offenbar zu langsam. Denn er zog beinahe spielerisch davon.
"Also wenn ich's nicht selbst schon einmal - Ähm, nicht wüßte, daß so'n Teppich einen Besen gut ausstechen kann", sagte Julius, der sich gerade noch vor einem Verplapperer bewahrte. Denn das er mal auf einem fliegenden Teppich gesessen hatte gehörte zu den Dingen, über die er nicht mit jedem sprechen durfte.
"Du kriegst den doch ein, Julius. Die will's doch nicht anders", trieb Babette den Zauberschüler an. Doch dieser schüttelte den Kopf und blieb auf der Geschwindigkeit. So schrumpfte der Teppich für einige Sekunden zu einem bunten Punkt zusammen, bevor er langsam wieder größer wurde. Julius grinste. Was brachte einem Tempo, wenn man eh nicht weit mußte und dann heftig in die Bremsen steigen mußte? So konnte er mit seinem Tempo noch bis zum Rand der Obstbaumgrenze des Dusoleil-Gartens fliegen, bevor er den Sofortbremszauber auslöste und ohne nach vorne weggeschleudert zu werden in knapp einer Sekunde von über zweihundert auf null Stundenkilometer abgebremst wurde. In einem waagerechten Abstieg ließ er den Besen wie einen Hubschrauber punktgenau auf der Landewiese vor dem Wohnhaus niedergehen. Aus dem Werkstattgebäude klang gerade lautes Prasseln und Krachen.
"Nein, dieser Irrsinnige macht ausgerechnet dann was gefährliches, wenn wir eintreffen", zeterte Cassiopeia Odin, die gerade vom Teppich heruntertrat, der weder Staub noch Erde auf sich zu tragen schien.
"Krachmacher!" kam es in einer merkwürdig trötenden Stimme vom Teppich her. Jetzt sah Julius den Käfig aus Bambusholz, in dem ein feuerroter Vogel mit einem elfenbeinfarbenen spitzen Schnabel auf einer von vier Stangen hockte. Der Käfig war wohl anderthalb meter hoch und einen Meter im Durchmesser und erinnerte mit seiner runden Form an einen Papageienkäfig, wie ihn Julius einmal bei einem Grundschulkameraden gesehen hatte.
"Schlauer Vogel!" Meinte jemand auf dem Teppich.
"Wir waren schneller hier", meinte Madame Odin, Aurélie und trat auf Julius zu. Dann blickte sie durch ihre Goldrandbrille auf Babette, nestelte an ihrem Kopftuch und streifte es ab, sodaß ihr langes schwarzes Haar in sanften Wellen über ihre Schulter herabfiel. Julius dachte erst, es müsse doch zerzaust sein. Doch fiel ihm die Frisurhaltlösung ein, die Gloria ihm schon vorgestellt hatte. Das Haar hatte sich eben wieder fein ausgerichtet.
"Hallo, Julius. Du bist Blanches kleiner Sonnenschein?" Fragte sie Babette. Babette grinste.
"Schönen guten Tag, Madame", wünschte Julius höflich, als Melanie Odin herangelaufen kam und Babette begrüßte.
"Der Zehner ist doch nicht etwa kaputt, daß du den so langsam geflogen hast", meinte die Großmutter von Jeanne, Claire und Denise.
"Die von Ihnen erwähnte Dame hat mir verboten, schnell damit zu fliegen, damit Babette hier heil ankommt", wußte Julius eine passende Antwort.
"Stimmt, ist wohl vernünftiger. Ich bin mit meinem Regenbogenprinzen eben besser dran als ein Besenreiter. Da ist mehr Platz drauf und der ist beim Flug wie eine Federkernmatratze. Oh, Moment!" Sie trat zu ihrem Flugteppich, nahm den Vogelkäfig herunter, öffnete diesen, worauf der rote Vogel: "Wurde auch Zeit, Aurélie" krakehlte und dann mit schnellen Flügelschlägen in den Garten hinausflog. Dann hob sie den Teppichsaum an einer der Schmalseiten und flüsterte ihm was zu. Da bog sich der aufgerichtete Saum nach innen, und der bunte Teppich rollte sich in nur zwei Sekunden zusammen.
"Hups, den Trick kenne ich aber noch nicht", dachte Julius. Dann fiel ihm auf, das die grüne Landewiese keinen einzigen Fleck auf dem Teppich hinterlassen hatte.
"Muß man den nie saubermachen?" Fragte er.
"Das ist zwar eine Mädchenfrage, aber ich beantworte sie dir gerne, Julius", lachte Madame Odin, während sie zwei lange Lederschnüre um den zusammengerollten Teppich zog und sie mit gewundenen Knoten zuband, die Julius an jene Knoten erinnerten, mit denen Karatekämpfer ihre breiten Gürtel zubanden.
"Der Zauberer, der mir dieses Prachtstück gemacht hat, hat einige nützliche Zauber eingewebt, darunter den Reinhaltungszauber. Wenn du damit über Wüsten und Berge dahinfliegst ist das schon praktisch."
Aus dem Wohnhaus kamen alle weiblichen Dusoleils angelaufen. Denise lief auf ihre Oma zu, die die Arme ausbreitete und sie damit umschloss, als das jüngste Kind der Dusoleils sie erreichte. Sie wurde herzhaft geknuddelt und auf beide Wangen geküßt. Dann kam Claire an die Reihe. Die sich das kurz gefallen ließ, bevor sie Julius ansah und auf ihn zulief, während auch Jeanne innig begrüßt wurde, bevor Madame Dusoleil von ihrer Mutter begrüßt wurde.
"Hey, Juju", grüßte Claire, als sie Julius erreichte und ihrerseits umarmte. Julius erwiderte die innige Umarmung allzu gern. Sie drückten sich fest aneinander und küßten sich auf die Wangen, wobei Julius aus Versehen eine Haarsträhne Claires in den Mund bekam und so sacht wie möglich wieder hinausblies.
"Wie ich mitkriegen konnte kennt Oma Aurélie dich schon. Habt ihr euch unterwegs getroffen?"
"Ja, Claire. Wir trafen uns unterwegs. Sie hat mich einfach überholt. Voll versenkt."
"Den Ganymed überholt? Das hast du dir bieten lassen?"
"Ich hatte Zuladung, Claire. Irgendwer hat Madame Faucon geschrieben, daß eine Babette Brickston heute hier angeliefert werden soll. Da habe ich den Brautjungfernexpress gemacht.
"Achso, und Madame Faucon hat dir verboten, zu schnell zu fliegen. Kann mir vorstellen,daß Oma Aurélie das gemerkt hat und deshalb keine Probleme hatte, dich abzuhängen."
"Im Schach und im Fußball gibt's immer eine Revanche", grinste Julius.
"Fuß-was? Diesen Einballblödsinn machst du doch schon seit einem Jahr nicht mehr", erwiderte Claire gehässig. "Aber mit den Brautjungfern, das stimmt schon. Melanie ist ja auch schon da. Fehlen nur noch die von Brunos Seite."
"Wer ist denn mit dem Fußabtreter da noch mitgekommen?" Flüsterte Julius, dem es doch etwas peinlich war, daß man ihn erkannte aber er fast keinen von den zwölfen erkannte, die sich jetzt mit den anderen Dusoleils unterhielten.
"Meinen Onkel Emil, Argon und Melanie kennst du ja. Dann sind Oma Aurélie, Opa Tiberius und die Familien von Oma Aurélies Cousins Guy und Arnold mitgekommen. Wundere mich nur das Onkel Emils Frau sich auf den Teppichflug eingelassen hat", sagte Claire. Julius hörte die unverkennbare Verachtung für ihre Tante Cassiopeia heraus. Wenn sie sie erst gar nicht mit aufzählte und dann nur von "Onkel Emils Frau" sprach. Er wußte ja auch wieso das so war. "Tja, und der rote Vogel, den du gerade gesehen hast ist ein eurasisches Feuerrabenweibchen und heißt Mademoiselle Rubinia."
"Claire, ich dachte, du wolltest Melanie so schnell wie möglich mit Denise und dieser Babette zusammenbringen!" Rief die ungern erwähnte Hexe bereits über die Landewiese.
"Mal dich grün an und jeder sieht, wie du bist, Sabberhexe", knurrte Claire leise.
"Die mag's nicht, wie wir zusammenstehen", flötete Julius gehässig.
"Erzähl mir mal was neues, Juju", zähneknirschte Claire. Doch dann gab sie sich einen Ruck und verabschiedete sich von ihrem Freund, um zu den sich zusammenstellenden Mädchen zu gehen.
"Bist wohl ungünstig gekommen, Julius", meinte Madame Dusoleil. "Die nächsten Tage ist Claire ausgebucht, weil sie mit den Mädchen und Jeanne das Brautjungfernzeremoniell durchspielen muß, wer wann wo steht, wer die Schleppe wo anheben und tragen soll und so weiter. Ich hoffe mal, die Landfräuleins von Château Tournesol kommen morgen wirklich an, daß in der vollen Besetzung geprobt werden kann."
"Château Tournesol? Den Namen habe ich doch erst vor kurzem gehört", sagte Julius.
"Denke ich schon, wenn du noch Kontakt mit den Latierre-Schwestern hast. Martines und Millies Tanten Patricia und Mayette, so wie ihre Cousinen Pennie und Callie machen auch mit."
"Tanten, die noch nicht in Beauxbatons sind", erinnerte sich Julius mit einem gewissen Grinsen.
"Gut, daß Maman heute schon gekommen ist. Sie und Madame Ursuline Latierre können sich nur aus zwölf Metern entfernung leiden, wegen unterschiedlicher Ansichten und Umgangsformen", wußte Madame Dusoleil.
Ein lauter Knall drang aus dem Werkstattbau und erschreckte alles und jeden im Umkreis von zwanzig Metern.
"Eh, nich' so laut!" Krakehlte das Feuerrabenweibchen und mußte sich wohl mächtig anstrengen, nicht aus der Luft herunterzufallen.
"Erfolg oder Fehlschlag?" Fragte Julius nach der Schrecksekunde.
"Kommt darauf an, was er gerade macht", wußte Madame Dusoleil. die Werkstatttür flog auf und ein ganz unversehrter und unbekümmerter Monsieur Dusoleil trat ins Freie.
"Ach, die Reisegruppe aus dem Osten ist angekommen!" Rief er und eilte auf seine Schwiegereltern zu, die ihn herzlich begrüßten. Rubinia setzte sich derweil in den Wipfel des vor zwei Jahren erst hochgezogenen Apfelbaums und blickte aus goldenen Augen den Krachmacher aus dem Werkstatthaus an. Babette ging unbekümmert zu dem Baum und versuchte, den roten Vogel herunterzulocken.
"Was für einen Höllenlärm mußtest du wieder veranstalten, Florymont. Du weißt genau, daß Melanie schnell Angst kriegt!" Zeterte Cassiopeia Odin.
"Ich denke, ein lauter Knall ist nicht so schlimm wie dein Gezeter, Cassiopeia", konterte Monsieur Dusoleil. Julius fand das zwar ziemlich heftig, einen Hochzeitsgast seiner Tochter so heftig zu verulken, wagte sich aber nicht, was dazu zu sagen. Er blickte den Zauberkunsthandwerker an und winkte ihm zu.
"Manchmal drängt sich mir doch die Frage auf, Emil, warum deine Schwester diesen Burschen da geheiratet hat", schnaubte Madame Cassiopeia Odin und beaufsichtigte Claire und die übrigen Mädchen, die zum Brautjungferntross gehören sollten. Doch Claires Großmutter trat schnell zu ihr und sprach leise zu ihr. Daraufhin zuckte die Hexe mit den flammenroten Haaren mit den Achseln und ging mit trotziger Miene davon. Julius fürchtete schon, sich diese Gewitterhexe noch anhören zu müssen. Doch sie hielt bewußt Abstand von ihm und klaubte ihre zwei Koffer auf, die sie auf dem Teppich mitgenommen hatte.
"Gefrühstückt hast du totsicher, Julius. Aber Limonade möchtest du sicher auch trinken", lud Madame Dusoleil Julius ein. Dieser nickte.
Im Garten saßen außer Jeanne, Claire und Denise alle Familienmitglieder zusammen. Die Erwachsenen tranken Kaffee. Julius durfte die Geschichte mit den aufgestellten Reisehäusern erzählen. Er erfuhr dabei, daß die Familie Odin dort auch wohnen würde.
"Meine Eltern wohnen bis zu Jeannes Hochzeit hier", sagte Madame Dusoleil dazu nur. "Wir haben dieses Mal ein volles Haus. Ach ja, Melanie schläft zusammen mit Denise und Claire in einem Zimmer."
"Ach, damit jemand in Claires Zimmer schlafen kann?" Fragte Julius.
"Ja, meine Eltern schlafen da. Jeanne darf als Braut natürlich nicht aus dem Zimmer ausziehen, da sie in einigen Tagen eh mit Bruno in das eigene Haus umzieht", sagte Monsieur Dusoleil.
So nach zehn Minuten üblicher Plauderei rückte Julius mit dem eigentlichen Grund für seinen Besuch heraus, wobei er sehr verlegen dreinschaute.
"Ich habe da was für Claire besorgt. Aber ich weiß nicht, ob Ihnen das gefällt, weil es wohl doch - na ja, ziemlich heftig ist", sagte Julius mit geröteten Ohren und fischte die Feuerperlenkette in ihrer Schatulle aus dem Umhang. Madame Dusoleil starrte auf die rote Holzschatulle, während Monsieur Dusoleil wartete, bis Julius sie öffnete und dann sehr beeindruckt und dann etwas nachdenklicher auf die auf einem Samtkissen ruhende Kette starrte.
"Was ist das denn?" Fragte Monsieur Dusoleil. Seine Frau wußte es und sah Julius mit einem merkwürdigen Ausdruck zwischen Hochachtung und Tadel an.
"Das sind Feuerperlen, Florymont. Gut, daß du uns die jetzt schon zeigst, Julius", sagte sie. "Das ist ja ein kleines Vermögen wert."
"Ich hoffe, Sie halten mich nicht für wahnsinnig oder einen Angeber", sagte Julius schüchtern.
"Wie teuer ist das, Camille?" Fragte Monsieur Dusoleil mit einer sehr ernsten Betonung.
"Kommt auf die Zahl der Perlen an, Florymont. Ich schätze, das sind genau einhundertsechsundneunzig, Julius." Er nickte bestätigend. Seine Knie wurden weich. Gleich würde es sich herausstellen, für wie verrückt man ihn halten würde.
"Hallo, Julius", flüsterte Madame Dusoleil und nahm ihn in einen Arm. "Das ist nett gemeint, aber vielleicht doch etwas zu dick aufgetragen für ein Geschenk unter jugendlichen. Wo hast du denn einhundertsiebzig Galleonen her?"
"Meine Mutter hat für mich was angelegt. Das langt noch für Jahre", sagte Julius.
"Aber ich denke nicht, daß deine Mutter das wirklich so meint, daß du heftig teure Sachen dafür kaufen mußt, Julius", sagte Madame Dusoleil mit einem sanften aber unmißverständlich tadelnden Tonfall. Monsieur Dusoleil nahm die Perlenschnur und betrachtete sie.
"Abgesehen davon, daß das allemal zu teuer für einen Jungen ist", sagte er mit sehr ernstem Gesichtsausdruck, "möchte ich gerne mal wissen, was daran so teuer ist. Sind die Perlen bezaubert?"
"Sie sind auf das Element Feuer geprägt und können dessen Leuchtkraft aufsaugen und abends wiedergeben", sagte Madame Dusoleil, die nun auch sehr ernst dreinschaute. "Wer hat dich denn auf die Idee gebracht, das für Claire ..? Ich meine, es ist ja schön, daß du ihr mal was wertvolles schenken möchtest, aber ich denke, sie freut sich immer noch eher über selbstgemachte Sachen von dir oder Geschenke, die eindeutig von dir sind."
"Öhm, ich habe rumgefragt, was bei vierzehnjährigen Mädchen gerade angesagt ist, Madame. Meine Schulfreundin Gloria hat mich darauf gebracht. Sie hat gesagt, daß die viel Geld kosten. Aber wie gesagt ...", erwiderte Julius.
"Nimm's mir bitte nicht übel, Julius. Aber Gloria stammt aus einer reichen Familie. Die sehen das womöglich nicht als zu teuer an", meinte Monsieur Dusoleil. Seine Frau nickte. "Sicher, deine Eltern sind auch nicht arm. Sonst hättest du die ja wohl nicht bezahlen können. Aber ehrlich gesagt möchte ich das an und für sich nicht haben, das Claire oder auch meine anderen Töchter überteuerte Geschenke kriegen, die eher den Neid schüren als Bewunderung. Das was du letztes Jahr gebaut hast ist sehr schön und vielseitig. Da sieht man gut, daß du dir Gedanken und Arbeit gemacht hast. Wenn du Claire dieses Jahr einfach nur was teures schenkst, könnte sie entweder denken, du hättest keine Lust gehabt, dir was richtiges zu überlegen oder auf die Idee kommen, deine Freundschaft in Galleonen zu messen."
"Ja, und das habe weder ich noch Jeanne bei unseren Freunden so haben wollen", sagte Madame Dusoleil. "Sicher, ein Ehering soll schon was hermachen. Aber Jeannes und Claires Schmuck ist eher schön als überteuert. Ich persönlich möchte das nicht haben, daß du oder sonst wer Geld für derartigen, wenn auch wirklich was hermachenden Schmuck hinauswirft. Sowas kannst du machen, wenn du mal verheiratet bist, falls deine Frau dann nicht nur Dinge Schätzt, die du mit eigenem Kopf und eigenen Kräften für sie allein hergestellt hast. Auf jeden Fall einfühlsam von dir, daß du uns um Rat fragst."
"Also, ich möchte das auch nicht haben, daß du Claire das schenkst, nur weil es irgendwie kostbar aussieht. Aber einhundertsiebzig Galleonen ist zuviel für einen Jungen, der mit dem Taschengeld haushalten muß", sagte Monsieur Dusoleil.
Von drinnen klang Gesang und Gejohle heraus. Claire sang etwas vor, die Kinder sangen es nach.
"Dann habe ich jetzt ein Problem", sagte Julius und verzog das Gesicht. "Ich habe zwar noch zwei Centinimus-Bücherschränke, ähnlich dem, dden Madame Unittamo mir geschenkt hat. Aber bezahlt habe ich die Kette schon."
"Und du kannst sie nicht umtauschen?" Fragte Monsieur Dusoleil.
"Haben Sie schon Gold von Kobolden zurückgekriegt?" Fragte Julius.
"Ach du große ...", setzte Monsieur Dusoleil an. Seine Frau räusperte sich warnend. Dann sagte sie:
"Wir machen jetzt ganz einfach folgendes: Du läßt die Kette hier bei uns, und wir überschreiben dir die einhundertfünfundsiebzig Galleonen, die du ausgegeben hast. Manchmal ist ein guter Rat eben doch teuer."
"Das kann ich nicht annehmen", protestierte Julius halbherzig.
"Das hast du zu können", sagte Madame Dusoleil. "Außerdem sollten wir was für dich finden, das du Claire anstatt schenken kannst, wo sie aber davon ausgeht, daß sich jemand Mühe damit gemacht hat."
"Da finden wir was", sagte Monsieur Dusoleil. "Und das mit dem Geld machen wir so, wie Camille es vorschlägt. Du mußt noch mindestens drei Jahre in Beauxbatons lernen. Das ist nicht immer billig. Dann willst du nach der Schule wohl noch eine längere Ausbildung machen, die auch Geld kostet. Egal wie du mit Claire zusammenstehst, ist es zu diesem Zeitpunkt unangebracht, mehr als ein Taschengeld für sie zu investieren. Du bist so ein talentierter Jungzauberer. Sicher war das dieses Jahr wohl schwierig, was zu basteln, wo Claire im Zauberkunstkurs ist. Aber die Spieldose, die sie dir geschenkt hat, ist nur ein Zwölftel so teuer wie die Kette hier. Also, Camille und ich verbieten dir das, die Kette an Claire zu verschenken. Die Galleonen kriegst du wieder. Ich denke, ich werde sie dir als Vorschuß auf die Einkünfte aus dem Lizenzabkommen mit dir bezahlen. Ich habe schon einige Interessenten für deine Zauberlaterne. Das Geld kriege ich also rasch wieder zurück, und du mußt nicht deine Reserven plündern."
"Ja toll, aber außer zwei kleinen Schächtelchen habe ich dann nichts. Dabei habe ich auch nur eine bestellt und zwei bekommen, weil die Erfinderin wohl eine Empfehlung von Madame Unittamo hatte", erwiderte Julius.
"Wenn die da drinnen richtig in Fahrt sind, gehen wir beide kurz in meine Werkstatt", legte Monsieur Dusoleil fest.
"Ich decke euch den Rücken, damit es morgen kein Getuschel gibt", sagte Madame Dusoleil leise und nahm Kette und Schatulle an sich.
Leise schlichen sie um das Haus herum, als sie sicher sein konnten, daß die Kinder sie nicht beobachteten. Madame Dusoleil verwickelte die vor und in dem Haus miteinander plaudernden Verwandten in eine kurze Unterhaltung über die Beete, die sie angelegt hatte und führte sie so hinter das Haus, das Monsieur Dusoleil und Julius Andrews problemlos in die Werkstatt gelangten. Dort unterhielten sie sich kurz, was Julius im letzten Jahr alles an Zaubern ausprobiert hatte und wofür er vielleicht Zeit gefunden hatte, um was zu basteln. Dann fanden sie tatsächlich etwas, was zusammen zwei Tage Arbeit gemacht haben konnte und nur ein Zwanzigstel so teuer wie die Perlenkette sein mochte, einen Mondkraftgürtel.
Julius sah den aus Kalbsleder gefertigten Gürtel mit der silbernen Schließe und den acht eingearbeiteten Symbolen, die alle den Mond in einer anderen Phase zeigten und aus etwas Silber und sogenanntem Mondstein bestanden. Durch den Gürtel zog sich ein silberner Faden in verschlungenen Bahnen, die alle Zaubersymbole darstellten.
"Den kannst du auf deinem Niveau nach Einleitung locker gebaut haben. Ich bau sowas für Leute zusammen, die gerne mal klettern oder Probleme mit schweren Gepäckstücken haben. Die Symbole zeigen acht Zustände des sichtbaren Mondes und wurden alle auch in den entsprechenden Nächten bezaubert, nachdem der Gürtel mit dem gediegenen Silberfaden durchwirkt wurde. Wenn alle Symbole unter den sie vorgebenden Mondphasen bezaubert worden sind, kann der Träger des Gürtels im Umkreis von zwei Schritt die Anziehungskraft der Erde gegen die des körperlich wirksamen Mondes austauschen, egal zu welcher Zeit. Das heißt, alles und Jeder im Umkreis verliert fünf Sechstel des eigenen Gewichts. Ist man dieser Erleichterung überdrüssig, kann man die gewohnte Schwerkraft wieder herstellen. Und so funktioniert es. Du legst den Gürtel um, legst eine freie Hand auf die Schließe und sagst: "Levilunas!" Sofort setzt die Schwerkraft der Erde aus und die des Mondes ein. Willst du dann irgendwann wieder Erdschwere fühlen sagst du "Graviterras" und erhältst in sechs Sekunden die gewohnte Eigenschwere zurück."
"Also ein Antischwerkraftgürtel, nur das der die Schwerkraft nicht völlig aufhebt oder umkehrt."
"Da bin ich auch schon dran. Allerdings müßte ich dazu erst ergründen, wie ich sowas verkaufen will, weil der Markt mit Schwebe- und Flugartefakten doch schon sehr gesättigt ist. Ich kann mir sogar vorstellen, daß SchwiegermutterAurélie ihren persönlichen Teppichknüpfer weiterempfiehlt, da in Frankreich kein Flugteppicheinfuhrverbot besteht wie bei euch in England oder gar in den Staaten, wo sie alles aussperren, was sie nicht selbst hergestellt haben. Aber der Gürtel hier ist schon was schickes für Jungen oder Mädchen. Er ist ja auch in Rot gehalten, Claires Lieblingsfarbton."
"Als hätten Sie's geahnt", grinste Julius frech.
"Ich dachte eigentlich eher, Madame Ursuline Latierre den andrehen zu können - aber die mag ja keine Rottöne", erwiderte Monsieur Dusoleil.
Julius bedankte sich für das Ersatzgeschenk. Die Feuerperlenkette würde Monsieur Dusoleil wohl gründlich untersuchen, um deren Geheimnis zu ergründen, da er bislang nichts davon gehört oder gelesen hatte.
"Ist ja schon peinlich, wenn meine Frau mehr von Zauberkunstneuheiten weiß als ich", lachte er zum Schluß noch, bevor er mit Julius zurück in den Garten ging, wo Madame Aurélie Odin mit Strickzeug und Wollknäuel saß. Madame Dusoleil schwatzte mit ihrer Mutter. Monsieur Dusoleil erzählte laut was von dem lauten Knall, den er eben erzeugt hatte. Es sollte, wenn es mal funktionierte ein Windspeichersack sein. Damit könnte man, so seine Idee, ein Haus vor Sturmwind schützen, indem man die Böen in diesen Windsack hineinlotste und festhielt, um sie später in Form unschädlicher Brisen wieder abzulassen. Aber das Prinzip war noch nicht wasser- beziehungsweise winddicht.
"Na, habt ihr euch im Spielzeugland von Florymont wieder umgesehen", lachte Madame Odin.
"Schwiegermutter, der Junge ist ein begnadeter Zauberkunstjongleur. Ich habe dir doch mal die Laterne gezeigt, die Claire zum dreizehnten Geburtstag bekommen hat. Die hat er hier erfunden und gebaut", sagte Monsieur Dusoleil und klopfte Julius auf die Schultern.
"Ich weiß, Florymont. Das hat sich rasch herumgesprochen, daß da eine echte Laterna Magica aufgetaucht ist. Ich weiß nicht was Cassiopeia und andere gegen Muggelstämmige haben, insbesondere ... na ihr-wißt-schon-wer. Sie bereichern doch noch unsere Welt mit neuen Ideen", sagte Madame Odin. "Aber ich hörte auch, daß der Junge hier zu Madame Rossignols Truppe gehört. Dann darf er nicht nur in Zauberkunst gut sein." Sie trat auf Julius zu und zog ihm sacht den rechten Ärmel hoch, daß sie sein Pflegehelferarmband sehen konnte. Sie nickte und ließ Julius Arm wieder los. "Du hast bei Hera gelernt?" Fragte sie noch.
"Öhm, in welcher Zeitung stand das?" Fragte Julius. Dann ging ihm ein Kronleuchter auf. Hatte er denn tatsächlich schon wieder vergessen, mit wem er da sprach?
"Wir haben, das weiß ich, eine sehr gute, gemeinsame Bekannte, die wenn auch nicht mehr unter den Lebenden weilt, dafür sehr weit herumkommen kann", bestätigte Madame Odin, was Julius gerade noch rechtzeitig eingeleuchtet hatte.
"So eine Dame mit gelbem Hut, die oft im wasserblauen Umhang herumläuft?" Fragte er scheinheilig.
"Eben diese", bemerkte Madame Odin. "Es ist immer wichtig, die Zauberer und Hexen zu kennen, mit denen man etwas besonderes teilt. Könnte es sogar sein, das du an deinem Geburtstag Besuch erhalten hast?"
Öhm, nein", sagte Julius schnell, bevor er die Verlegenheitsröte in sein Gesicht steigen fühlte. "Ich bekam nur was besonderes geschenkt." Madame Dusoleil nickte. Ihr Mann nickte auch.
"So ist das also. Wahrscheinlich wolltest du aber nicht, daß das gleich jeder mitkriegt", sagte Madame Dusoleil.
"Ich habe mich ja auch nicht gewundert, daß sie mich sofort erkannt haben, Madame Odin. Im letzten Sommer haben die sich ja wegen des Schachturniers alle Teilnehmer vorgenommen. Da war ich ja auch bei", sagte Julius und spielte auf einen Zeitungsartikel über das letztjährige Schachturnier an.
"Ich gehöre zu den glorreichen Leuten, die eine Ausgabe des Stammbaums der Eauvives besitzen", sagte Madame Odin. "Es ist schön, daß endlich wieder ein Zauberer aus der langen Linie hervorgegangen ist."
Sie unterhielten sich über die Eauvives, daß es eine uralte Familie war, die mit ihren vielen Verzweigungen fast überall in der westlichen und zum Teil auch der östlichen Welt angesiedelt war und die Geschicke der französischen Zaubererwelt zur Zeit der dunklen Matriarchin Sardonia mitbestimmte. Julius wußte einiges in diesem Zusammenhang und unterhielt sich mit den Dusoleils über einen Bericht, wonach eine Eauvive die Machtzentren in der Normandie ausgehebelt hatte und dafür untertauchen mußte, bis Sardonia entmachtet war.
"Die Familie wäre fast daran zerbrochen, weil es auch Hexen gab, die mit Sardonia ihren Wahn von einer Alleinherrschaft der Hexen nacheifern wollten. Aber das Problem hatten ja auch die anderen großen Familien, wie die Latierres und Lesauvages", wußte Madame Odin noch zu berichten.
Nach einiger Zeit kam Claire mit den anderen Brautjungfern aus dem Haus und fragte, ob sie auch den Nachmittag üben konnten. Madame Dusoleil meinte, daß sie das mit Madame Faucon klären müsse und ging ins Haus, um ein Kontaktfeuergespräch zu führen. Als sie zehn Minuten später wieder herauskam sagte sie:
"Babette kann hierbleiben und Julius auch, wenn er es denn mag. Allerdings möchte deine Oma, daß du anständig ißt, Babette. Sie erwähnte da was vonwegen Zauberei mit Essen."
"Höö, das war doch nur ein Croissant", maulte Babette. Alle anderen Kinder lachten. Julius nahm die Einladung an, mitzuessen.
Madame Dusoleil war froh, daß ihre Mutter ihr in der Küche half. Denn der ganze Stall voll Gäste wollte möglichst viel und gleichzeitig zu essen haben. Während des Essens saß Julius zwischen Claire und ihrer Großmutter und unterhielt sich über den fliegenden Teppich.
"Ein guter Bekannter aus Persien hat den für mich geknüpft und mit den Zaubersymbolen versehen, die ihm die Eigenschaften geben, die durch eine endgültige Bezauberung nach Fertigstellung wirksam werden", erzählte Madame Odin. "Ich kann damit bis zu drei Tage lang reisen, bei einer durchschnittsgeschwindigkeit von umgerechnet dreihundert Stundenkilometern und auf ihm stehen, sitzen oder liegen, ohne Angst vor dem Herunterfallen haben zu müssen. Alles in allem komfortabler als ein Besen."
"Dreihundert Stundenkilometer über drei Tage?" Staunte Julius.
"Die wüsten und Gebirge sind nicht gerade einladend, um in ihnen zu rasten, Julius", lachte Claires Großmutter. "Die meisten Teppiche aus Persien, Mesopotamien oder Indien können mehr als einen Tag mit ähnlichen Geschwindigkeiten fliegen. Ihr Engländer wißt das doch. Sonst hätte es vor zwei Jahren nicht diesen Skandal in England gegeben, wo Ali Bashir, ein Großhändler aus Ägypten, fliegende Teppiche dort einführen wollte."
"Weil ein Teppich zu den in Europa und Amerika nicht zulässig behexbaren Muggelartefakten gehört, Schwiegermutter", wußte Monsieur Dusoleil. "Dafür wissen die drüben im Orient nichts mit Besen anzufangen."
"Ich will jetzt bestimmt nicht wieder diesen lächerlichen Wettstreit zwischen der orientalischen und okzidentalischen Zaubererwelt anheizen, Florymont. Aber nach den Sachen, die ich gerad aufgezählt habe, ist selbst der Ganymed deines jungen Gastes weit zurück und obendrein trotz Polsterungszaubern, Innerttralisatus-Zauber und Körperbergezaubern unbequem und wenig belastbar."
"Dann spielen die wohl in den asiatischen Ländern kein Quidditch", vermutete Julius.
"In einigen Ländern gibt es kleine Ligen. Aber ansonsten interessiert das auch keinen Zauberer", erwiderte Madame Odin.
"Wie teuer ist denn so'n Teppich?" Fragte Julius.
"Oh, das ist eine böse Frage, Julius. Das darfst du im Morgenland nie fragen", erwiderte Madame Odin sehr ernst. "Erstens ist der Preis für einen Teppich nicht selten von Hersteller, Händler und Kunde abhängig. Zweitens hast du bestimmt schon gehört, daß es jenseits des Bosborus oder der Straße von Gibraltar keine festen Preise gibt."
"Mist, habe ich natürlich nicht dran gedacht, daß die ja da alles aushandeln. Was willst du? Was zahlst du?"
"Nicht so herablassend, Julius", wies ihn Madame Odin jedoch sehr ruhig klingend zurecht. "Immerhin sind die morgenländischen Kulturen, auch und vor allem in der magischen Welt, wesentlich älter als die sogenannten fortschrittlichen Nationen und Kolonialmächte. Geh mal davon aus, daß viele Fehler, die wir hier in Frankreich und anderswo im Westen machen, dort schon längst erkannt und korrigiert wurden, wenn man mal von den Muggeln absieht, die im Namen der Religion meinen, das finstere Mittelalter neu aufzulegen und damit die Erhabenheit ihrer Religion zum persönlichen Machtgewinn mißbrauchen wollen."
"Meine Mutter ist sehr häufig in Arabien oder eben Persien, Julius. Sie kennt unsere Welt so gut wie die im nahen bis fernen Osten", sagte Madame Dusoleil.
"Ja, aber es ist ja auch nicht von der Hand zu weisen, daß wir hier im Westen durch die druidische Kultur und die germanischen Völker weiter in der Zaubertrankbraukunst sind", wandte Monsieur Tiberius Odin ein, der offenbar auf ein Stichwort gelauert hatte, um sich noch in die Unterhaltung einzuschalten. Julius, der den dunkelhaarigen Zauberer mit dem Spitzbart und der silbernen Brille bis dahin gerade mal begrüßt hatte horchte auf. Immerhin war Monsieur Tiberius Odin Zaubertrankbraumeister, mit vier goldenen Kesseln ausgezeichnet und Leiter der Abteilung zur Behandlung von Zaubertrankunfällen und Gegengiftherstellung im Delourdes-Krankenhaus. So kamen er und Julius bald auf die Entwicklung der modernen Zaubertrankbraukunst zu sprechen. Natürlich wußte Monsieur Odin, daß Julius die Pflegehelferwürde in Beauxbatons innehatte und wohl auch sehr bewandert in Zaubertränken war. Claire führte an, daß er die Bestnote in diesem Fach errungen hatte, was ihren Freund verlegen machte.
"Bei der Lehrerin schon beachtlich", meinte Monsieur Odin. "Ich hatte die als drei Jahre ältere Mitschülerin. Damals schon ein durchsetzungsfähiges Mädchen. Sei es drum. Nachdem du ja in Hogwarts warst, warst du wahrscheinlich froh, bei wem zu lernen, die das auch anerkennt."
"Kennen Sie den Lehrer für Zaubertränke in Hogwarts?" Fragte Julius.
"Ein paar mal habe ich ihn bei Kongressen der Braumeister gesehen. Aber seine Art mit Mitzauberern und -hexen umzuspringen liegt mir nicht. Er ist noch zu jung, um jetzt schon so heftig auftrumpfen zu müssen, nur weil er in seiner Ausbildung überragendes geleistet hat", sagte Monsieur Odin.
Sie unterhielten sich noch weiter über Zaubertränke, verzauberte Gegenstände und was die Muggelwelt von der Zaubererwelt unterschied. Für Babette, Denise und Melanie wurde das irgendwann zu langgweilig, obwohl Babette auch dazu was erzählte, wie sie, eine Hexe, in einer Muggelwohnung lebte. Irgendwann jedoch entschuldigte sich Claire bei den anderen und ging mit den drei ganz jungen Hexen ins Haus zurück.
Mit dem Zaubertrankexperten ließ sich danach wunderbar über verschiedene Tränke plaudern, sodaß Madame und Monsieur Dusoleil sich still zurückzogen, um liegengebliebene Arbeiten auszuführen oder die Kinder zu beaufsichtigen. Jeanne und ihre Großmutter nahmen an dem Gespräch teil, zumal Jeanne ja direkt nach der Hochzeitsreise bei den Eheleuten Graminis in der Apotheke hier in Millemerveilles anfangen würde. Madame Odin erzählte Julius irgendwann, daß sie drei Jahre Pflegehelferin gewesen sei und unterhielt sich Mit Julius, wie damals die Zeiten waren. Große Unterschiede konnte er nicht erkennen, nur daß die Schulheilerin damals eine absolute Expertin in Heilkunde gewesen war, die durchaus auch anderswo hätte arbeiten können, aber doch zu sehr mit Beauxbatons verwurzelt war.
Doch irgendwann war alles besprochen, was Jeanne und Julius in den nächsten Jahren noch lernen konnten. So sprachen sie noch über das, was in der Zaubererwelt nun vorging, wo der allerseits gefürchtete Dunkelmagier Voldemort wieder aufgetaucht war.
Nachdem sie sich wieder von der trüben Stimmung hatten freimachen können trug Madame Dusoleil Kaffee und Kuchen auf. Julius saß wieder neben Claire und unterhielt sich mit ihr über die nächsten Tage bis zu Jeannes Hochzeit.
Nach dem Kaffee ließ sich Julius darauf ein, ein Wettfliegen mit Madame Odin zu machen. Tatsächlich mußte er feststellen, daß der fliegende Teppich genauso wendig und im schnellen Flug ausdauernder als der Ganymed 10 war. Sie überflogen Millemerveilles, den See der Farben und die grünen Parks, die bei Geschwindigkeiten von über dreihundert Stundenkilometern wie verwischte Flecken in der buntgetupften Landschaft der Häuser und Gärten waren.
"Du siehst, Julius, daß mein Regenbogenprinz dem modernen Rennbesen in jeder Hinsicht überlegen ist!" Rief Aurélie Odin. Julius rückte näher an den fliegenden Teppich heran, stieg einen Meter darüber, zog die Beine an, um im Hui über den Teppich hinwegzujagen. Doch Madame Odin beschleunigte durch unverständliche Zauberwörter ihr Fluggerät, sodaß Julius irgendwann bei einem Tempo über 400 Stundenkilometern genau über dem Teppich schweben blieb.
"Wir kommen gleich an die Dorfgrenze, Julius. Es ist besser, wenn wir jetzt wieder umkehren", sagte die Großmutter Claires, ließ den Teppich sacht ansteigen, bis Julius unvermittelt die Fußspitzen auf dem orientalischen Prachtstück fühlte. Sein Ganymed zitterte heftig.
"Sitz am besten ab, Julius. Der Ganymed ist in den Wirkungsbereich meines Teppichs reingeraten."
Julius wußte nicht, ob es wirklich so gut war. Doch weil sein Besen nun immer wilder zitterte, stellte er seine Füße richtig auf den Teppich, der wie eine dicke, weiche Matratze federte, schwang sein rechtes Bein vom Besen und stand nun sicher auf dem fliegenden Teppich, das Windgeheul um sich hörend, aber nur eine sachte Brise fühlend. Der Ganymed 10 lag nun lang auf dem etwa neun mal vier meter großen Knüpfkunstwerk aus Persien, zitterte jedoch wie ein alter Wecker beim Klingeln, daß sein Reisig zu summen begann.
"Florymont würde dir was von levitatorischer Interferenz erzählen. Ich nenne es seelenlose Ablehnung. Du mußt deinen Besen kurz streicheln, das er registriert, daß du ihn nicht mehr fliegst. Dann gibt er Ruhe."
Julius befolgte den Rat und strich kurz mit beiden Händen über das vibrierende Holz. Sofort gab er Ruhe.
"Setz dich! Ich muß nur rasch wenden", sagte Madame Odin und befahl ihrem Teppich leise, eine Kurve zu fliegen, die ihn in zwei Sekunden kerhtwenden und mit unverminderter Geschwindigkeit ins Dorf zurückfliegen ließ.
In wenigen Minuten waren sie wieder bei den Dusoleils. Julius blieb bis nach der Landung auf dem Teppich sitzen und genoß es, wie sacht er auf dem Punkt genau auf der Landewiese niederging.
"Dein Besen kaputt?" Fragte Babette, die gerade aus dem Haus kam, weil wohl wer die fliegende Oma und den Jungzauberer gesehen hatte.
"Ich habe ihn ziemlich heftig ausgereizt. Wir sind mindestens sechsmal übers Dorf und zurück", sagte Julius und trat von dem bunten Teppich herunter, seinen Besen geschultert.
"Du wolltest es wissen, Aurélie", lachte Monsieur Odin.
"Der Junge wollte es wissen, Tiberius", lachte dessen Frau zurück. "Jetzt weiß er, daß ein morgenländischer Zauberer ihm mit einem Teppich wie dem hoffnungslos überlegen ist."
"Solange die nicht Quidditch gegen mich spielen wollen", sagte Julius nur.
Blanche hat sich gemeldet. Sie fragt, wann Babette und du wieder zurückkommt", wandte sich Madame Dusoleil an Julius.
"Wenn hier alles soweit erledigt ist habe ich keine Probleme, Babette mit zurückzunehmen", sagte Julius.
"Ich will dich ganz bestimmt nicht rauswerfen, Julius. Blanche meinte nur, das Babette ja auch zu Fuß gehen könne."
"Nein, will ich nich'", quäkte Babette laut. Julius nickte. So bedankte er sich bei Madame Odin für die Vorführung des Flugteppichs und bei den Dusoleils für den angenehmen Tag. Dann saß er mit Babette auf seinem Besen auf und flog im nicht zu schnellen Tempo zum Haus von Madame Faucon.
"Du hast es aber lange ausgehalten", begrüßte ihn seine Mutter, als er im Hausflur stand.
"Babette und ich hatten eine Begegnung der dritten Art, Mum", sagte er. Babette wurde von ihrer Großmutter umarmt und befragt, ob es denn schön war.
"Eine Begegnung der dritten Art?" Fragte Madame Faucon. Julius und seine Mutter grinsten belustigt. Dann meinte Mrs. Andrews:
"So heißt es, wenn Menschen der Besatzung eines unbekannten Flugobjektes begegnen, also Außerirdischen Wesen. Schön, daß du doch noch einige Begriffe aus deiner früheren Zeit kennst, Julius."
"Achso, ein Begriff aus der Utopie und der sogenannten Esoterik, die Wissenschaft und Mythologie, also auch dem angeblich einzigen Ursprung der Magie, in einer Art Religionsersatz zusammenfaßt", erwiderte Madame Faucon, und Julius gefiel es wieder einmal nicht, wie sie Begriffe aus der Muggelwelt verächtlich machte. "Wieso heißt es denn "dritte Art"?"
"Leute, die Geschichten über Außerirdische und UFOs schreiben teilen das so ein, Madame", setzte Julius an, der ihr nun zeigen wollte, wie wichtig ihm das früher noch war. "Sieht jemand ein unbekanntes Flugobjekt ist das die Begegnung der ersten Art. Kann man dieses unbekannte Ding auch noch landen sehen heißt das Begegnung der zweiten Art. Tja, und die dritte Art bezeichnet die direkte Begegnung mit den Wesen aus einem solchen Flugkörper."
"Das war doch keine fliegende Untertasse. das war ein fliegender Teppich", lachte Babette.
"Ach, das was Lady Genevra zwischendurch über uns hat wegfliegen sehen?" Fragte Martha Andrews belustigt. Julius erzählte ihr dann, was er erlebt hatte, und Babette erzählte ihrer Oma in der Wohnküche, was sie heute alles gemacht hatte. Julius wollte das nicht wissen und war deshalb mit seiner Mutter nach oben gegangen, wo er ihr auch die Sache mit dem Geschenk für Claire erzählte.
"Da hat dir die nette Gloria aber einen schönen Bärendienst erwiesen, Julius", sagte seine Mutter. "Sicher ist es mal schön, wenn ein Junge seiner Freundin ein wertvolles Geschenk gibt. Aber einhundertfünfundsiebzig Galleonen? Ich dachte eigentlich, ich müßte dich nicht überwachen, was das Geld angeht." Irgendwie klang sie leicht mißgestimmt, fand Julius. Sicher, sie hatte ja allen Grund dazu. Doch dann lächelte sie wieder. "Aber schön, daß du das von anderen gelernt hast, daß nicht alles gut ist, was auch teuer ist. Was haben die Dusoleils denn jetzt mit der Kette gemacht?"
"Monsieur Dusoleil will mir das Geld dafür bezahlen. Ich denke, er wird die Claire morgen geben. Zumindest würde ich mich nicht wundern, wenn er das macht."
"Damit würde er sich ad absurdum führen, Julius. Weil dann müßte er ja zugeben, daß seine Tochter schon den Wert einer Zuneigung im Wert eines Geschenks mißt."
"Kann sein. Vielleicht wollen sie aber auch nur, daß nicht andere Leute Claire so teure Sachen schenken, Mum."
"Das hat er so nicht gesagt, hast du gerade erzählt."
"Stimmt. Aber ich würde mich nicht wundern, wenn Claire die Kette morgen von ihren Eltern kriegt."
"Wäre dir das recht?" Wollte seine Mutter wissen.
"Eigentlich nicht", gab Julius zu.
"Dann denke ich, werden sie das nicht tun, um dich nicht zu verhöhnen."
"Wettest du, Mum?"
"Ich wette nicht auf das Verhalten von Menschen, und das sind ja Hexen und Zauberer immer noch für mich."
"Klar", sagte Julius kleinlaut. Dann zeigte er seiner Mutter den Mondkraftgürtel, den er unter seinem Umhang getragen hatte.
"Der ist doch auch schön", sagte seine Mutter. Julius probierte ihn aus, da er ja keinen Zauberstab dafür brauchte. Tatsächlich konnte er gleich nach dem Ausruf des Zauberwortes "Levilunas" wie ein Känguruh zur Decke hochspringen und seine Mutter federleicht anheben. Er erkannte jedoch, daß Gewicht und Körpermasse doch etwas unterschiedliches waren, als er versuchte, den großen Schrank zu bewegen, in dem seine Mutter ihre Sachen aufbewahrte. Zwar konnte er den Schrank anheben, aber schwer voranschieben. Als er dann "Graviterras" sagte kam die gewohnte Schwere in sechs Sekunden zu ihm zurück.
"An und für sich könnte ich das Ding auch behalten", sagte Julius. "Ist mal was anderes als der Schwermacher."
"Stimmt, und Monsieur Dusoleil könnte noch nicht einmal sagen, daß er ihn dir gegeben hätte. Allerdings würdest du dich ja dann doch eher blamieren als er. Weil dann hättest du ja außer diesen zwei Bücherschränken nichts für Claire."
"Der Preis dafür war auch schon gut", sagte Julius. Seine Mutter nickte.
Beim Abendessen erzählte Mrs. Andrews, daß sie fünf Partien Schach mit Lady Genevra gespielt und drei davon gewonnen habe. Babette, die Schach langweilig fand, ging bald freiwillig ins Bett, während ihre Großmutter und die beiden anderen Gäste sich noch lange über Schach und welchem Zweck es diente unterhielten. Um zehn Uhr war dann aber auch für die Frauen und den Jungen der Tag vorbei.
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Am nächsten Morgen absolvierte Julius mit den Montferres, Barbara und Gustav sein übliches Frühtraining. Dabei öffnete Madame Cassiopeia Odin einmal das Rundbogenfenster im dritten Stock des am nächsten gelegenen Reisehauses und rief hinunter:
"Wenn Sie schon alle da unten meinen, hier sei eine gute Stelle zur Leibesertüchtigung, dämpfen Sie dankenswerter Weise Ihre Lautstärke auf ein Niveau, daß die Leute hier nicht aus dem Schlaf reißt!"
"Wer früher aufsteht hat mehr vom Tag!" Rief Monsieur Montferre zurück.
"Ach nein, der Kollege Montferre hat sich auch eingestellt. Was suchen Sie denn hier?" Fragte die Tante von Jeanne, Claire und Denise.
"Das selbe wie Sie, denke ich. Sie wurden eingeladen. wir auch", trällerte Monsieur Montferre belustigt. "Immerhin ist Monsieur Bruno Chevallier ja doch mit meiner Familie verwandt."
"Aber sehr entfernt. Ich ging davon aus, daß Sie nicht eingeladen würden", machte Madame Odin keinen Hehl aus ihrer Ungehaltenheit. Dann meinte sie noch:
"Und dieser Muggelbrütige darf bei Ihnen mitmachen?" Erkundigte sie sich und deutete mit dem rechten Zeigefinger auf Julius.
"Sie dürfen auch, Cassiopeia. Ziehen Sie sich Ihre Ballettkleidung an und kommen Sie doch runter", lud Madame Montferre die Hexe ein.
"Könnte Ihnen so passen", knurrte Cassiopeia Odin und schlug das Fenster wieder zu.
"Soviel zu Madame Odin. Die Frau, die Bruno mitheiraten darf", grinste Julius, als er mit Barbara und Gustav einen lockeren Trab um den Teich machte.
"Nicht nur er. Die Montferres sind ja auch mit meinen Eltern entfernt verwandt und damit auch Bruno", sagte Gustav. "Da freut man sich dann, wenn man ein Land von der getrennt ist."
"Ich wollte an und für sich zuerst zu den Dusoleils, weil Claire ja heute Geburtstag hat. Aber ich weiß ja nicht, wie ihre Großeltern drauf sind", erwähnte Julius.
"Madame Odin, die kultiviertere? Die hat bestimmt schon für alle das Frühstück gemacht", sagte Barbara. Sollen wir mal kurz hinspurten?"
"Wenn du meinst. Hier will man ja noch schlafen", erwiderte Julius extralaut.
"Alles klar", sagte Barbara und schlug die Richtung ein, die zum Haus der Dusoleils führte.
Dort eingetroffen hörten sie schon, wie die Familie auf verschiedenen Instrumenten ein Geburtstagslied spielte. Julius rannte nun schnell hinüber und sang mit, wobei seine vom schnellen Atmen ausgetrocknete Kehle leicht brannte. Nach dem Geburtstagslied gratulierte er Claire zum vierzehnten Geburtstag. Sie freute sich, daß er mit Barbara noch rechtzeitig zu dem Ständchen gekommen war. Madame Aurélie Odin hatte in der Tat schon den Tisch im Garten gedeckt und frische Baguettes, Käse, Marmeladen und Butter hingestellt. Gerade ließ sie eine bauchige Kanne mit dampfendem Inhalt in der Tischmitte auf einen Untersetzer niedersinken.
"Darfst du mitfrühstücken oder war dein Besuch hier nicht angemeldet?" Fragte Madame Dusoleil.
"Offiziell bin ich beim Frühsport, Madame", sagte Julius.
"Schade. Andererseits kommst du ja nachher bestimmt mit Babette wieder vorbei", sagte Claire.
"Um sie abzuliefern, Claire. Ich möchte mir heute gerne ansehen, wer sonst noch so alles hier eintrudelt", sagte Julius.
"Der Latierre-Clan wird wohl heute noch anreisen", meinte Madame Dusoleil grinsend. Madame Odin wandte sich um und kam herüber.
"Camille ging davon aus, daß du schon früher hier erscheinen würdest, Julius. Aber spät ist besser als nie. Soll ich Blanche fragen, ob du zum Frühstück hierbleiben darfst?" Fragte sie noch.
"Besser nicht. Ich muß mich ja noch duschen und umziehen", wies Julius das Angebot zurück.
"Ist die gute Cassiopeia schon auf?" Fragte Madame Odin Barbara und Julius.
"Jetzt schon", lachte Julius. "Wir waren ihr offenbar zu laut."
"Das ist der Nachteil bei diesen tragbaren Häusern. Sie sind sehr hellhörig", bemerkte Claires Großmutter. Dann wünschte sie Julius noch einen schönen Morgen und sah ihm nach, wie er mit Barbara davonlief, zurück zum Dorfteich, bis zum Haus von Madame Faucon.
Nach dem Frühstück, so um halb neun, machten sich Babette und Julius auf, um zu den Dusoleils zu fliegen, wo Claire auf ihre Brautjungferkameradinnen wartete. Um neun Uhr wollte sie Babette bei sich haben. Julius nutzte die Zeit aus, um Mit Babette über Millemerveilles herumzukreuzen, mal langsam und bedächtig, mal schnell, wenn auch gedrosselt. Unterwegs trafen sie César Rocher, den fülligen Klassenkameraden von Bruno.
"Eh, Julius. Hat Königin Blanche dich dazu verdonnert, ihre kleine Enkeltochter rumzufliegen?" Fragte er, der auf seinem Ganymed 9 über dem Dorf herumflog.
"Nicht Madame Faucon. Claire hat dieses Paket bestellt. Ich soll es aber erst um neun abliefern", erwiderte Julius lachend und flog einige hohe und tiefe Wellen, daß Babette sich gut festhalten mußte. Sie meinte nur:
"Julius, nicht so doll."
"Ich wollte zum Ausgangskreis für die Reisesphäre. Könnte sein, daß da gleich Leute aus dem ganzen Land eintrudeln. Da gibt es heute eh einen heftigen Betrieb. Hinzu kommen ja noch die Kamine und die Besen", sagte César.
"Das wird wohl bald voll", erwiderte Julius. Dann stutzte er. Rechts voraus, auf ein Uhr, wie sich ein Kampfpilot ausdrücken würde, schimmerte etwas weißes im Licht der Sommermorgensonne, die von Julius aus gerade schräg links hinter ihm stand und das merkwürdige Ding voll anleuchtete.
"Was ist das denn?" Fragte er César.
"Könnte ein Abraxariet sein. Nöh, zu hell. Jedenfalls kein Besen und auch nicht der bute Orientflitzer, der gestern hier aufgetaucht ist. Ah, Moment, jetzt hab ich's. Das sind die Latierres, Julius. Die haben so'n Ungeheuer von Reittier, das ganz weis ist", sagte César.
"Ungeheuer? Was für'n Ungeheuer?" Wollte Babette wissen.
"'ne fliegende Kuh, Krümel", erwiderte César. Julius meinte, er wolle Babette verulken. Deshalb sagte er:
"Können wir mal hinfliegen. Oder speit das Etwas auch noch Feuer?"
"Neh, aber es wirft stinkende Kanaldeckel ab, wenn du ihm zu dicht hinten dran bist", lachte César. Er schlug bereits die Richtung ein, in der das weiße Objekt am Himmel zu sehen war. Julius setzte ihm mühelos nach und blieb hinter ihm. Ein Ganymed 9 war für ihn ein guter Richtwert, um nicht zu schnell zu fliegen. Doch César beschleunigte seinen Besen bis zum Anschlag, und Julius wollte nicht blöd hinten dran hängen. Babette fand das toll, daß sie endlich mal schnell flogen.
Das weiße Etwas nahm Form an. Zuerst sah es wie ein Vogel mit großen Flügeln aus. Doch beim Näherkommen erkannte Julius, daß César keinen Blödsinn geredet hatte, als er von einer fliegenden Kuh sprach. Tatsächlich konnte er nun ein geflügeltes Tier erkennen, das irgendein magischer Witzbold aus einem Vogel und einer Kuh zusammengekreuzt haben mußte. Der Schweif des Tieres stand waagerecht nach hinten und war das einzig schwarze an dem ansonsten schneeweißen Geschöpf. Julius mußte schnell erkennen, daß César auch mit dem Ungeheuer recht hatte. Denn das fliegende Rindvieh wuchs von Mausgröße über Schäferhund, Kuh, Pferd bis es sich als elefantengroßes ... nein, noch größeres Ungetüm ausmachte. Julius sah auf dem Rücken des geflügelten Tieres eine Art Kutsche ohne Räder, die mit vier sehr breiten Riemen um den Leib des Flugungeheuers festgeschnallt war. Er konnte dicke weiche Decken erkennen, auf denen die Konstruktion ruhte.
"Bor eh!" Sagte Babette. "Das ist ja voll groß."
"Die macht mindestens hundert Sachen", vermutete Julius, der den zurückgelegten Weg der geflügelten Riesenkuh durch die geschätzte Zeit teilte. Dann ließ sich das Geschöpf mit voll ausgebreiteten Flügeln absinken, wobei es an Tempo verlor und in einer sachten Rechtskurve auf eine sehr hohe Hecke zusegelte, wie ein Muggeldrachen.
César ließ sich zurückfallen. Julius folgte seinem Beispiel. Sie durften dem Tier nicht noch näher rücken. Julius wollte wissen, wo es landete.
Hinter der Hecke, die so hoch wie ein zweistöckiges Haus war, lag eine große Wiese, auf der im Abstand von wohl fünfzig Metern Sträucher mit verschiedenen Beeren standen. Ganz am Ende der Wiese stand ein Trog, so groß wie ein Bus, der mit Wasser angefüllt war. Kein Zweifel, die fliegende Kuh sollte hier geparkt werden.
"rei - zwei - eins - Aufgesetzt!" Zählte Julius auf Englisch mit gespieltem amerikanischen Akzent zurück, bis die geflügelte Kuh erst die Hinterbeine, dann die Vorderbeine auf den Boden brachte, einige Meter vorwärts trabte und dann stehenblieb und die Flügel zusammenlegte.
"Das ist echt ein Trumm von Zaubertier", stellte Julius fest, als er vorsichtig auf die Landewiese hinausflog und sich dem Tier annäherte. Gerade fiel etwas schmutziggrünes, ziemlich reichhaltiges aus dem Hinterteil heraus und klatschte als lastwagenradgroßer Fladen auf den Boden. Sofort meinte Julius, ein Geschwader von Fliegen zu sehen, das die abgeworfene Mistladung bestürmte.
"Uä!" Machte Babette.
"Tja, wer so große Biester halten will kriegt das auch", feixte Julius und landete links von dem Tier, weit genug weg, daß die meterlangen, im Verhältnis schlanken Beine nicht einfach austreten und ihn mal soeben als unhaltbare Flanke in die haushohe Begrenzungshecke schießen konnten. Erst dachte er, die Beine wären zu dünn für dieses Monstrum. Doch die Füße wirkten wie vorne schräg ausgeschnittene Kübel, die in einem etwas dunkleren Weiß glänzten als das Fell des Tieres. Julius stellte fest, daß es wirklich eine Kuh war, als er das rosarote Euter sah, das prall zwischen den Hinterbeinen herabhing. Der mindestens zwei Meter lange Schweif peitschte durch die Luft, um freche Fliegen wegzufegen.
"Jetzt weiß ich auch, wieso der europäische Milchsee so groß sein soll", meinte Julius beeindruckt. Dann fiel sein Blick auf das kastenförmige Ding auf dem Rücken der Kuh. Es sah wirklich wie eine Kutsche ohne Räder und Deichsel aus. Auf dem breiten Bock saßen zwei Frauen und ein Mann. Im Inneren mochten acht oder mehr Leute sitzen. An den Seiten des Aufsatzes waren je zwei große Ledertaschen, groß wie Mehlsäcke angebunden. An der Rückseite des kutschenartigen Kastens waren fünf zusammengelegte Zelte mit Stahlketten festgezurrt. Auf dem Dach waren mehrere rechteckige Kisten befestigt, die Julius erst an Särge denken ließen, doch dafür doch etwas zu schmal und gewölbt waren. Es waren große Truhen.
"Moin, Mesdames Latierre!" Wünschte César, der seinen Besen über die runden Schultern gehängt hatte und auf das Tier zuging, das seinen mannsgroßen Kopf umwandte. Julius konnte nun die Mischung aus Zaumzeug und Metallgerüst sehen, von dem aus zwei dicke Ketten bis zum Kutschbock führten, die in einem kugelförmigen Etwas endeten, an dem zwei große Hebel saßen. Die Augen der fliegenden Kuh waren von goldbrauner Farbe und so rund wie Melonen. Die leicht gebogenen Hörner über den Augen maßen bestimmt einen vollen Meter.
"Schönen guten Morgen, Monsieur Rocher", wünschte eine der Frauen vom Kutschbock. Sie besaß das gleiche rotblonde Haar wie Martine und Mildrid und die gleichen rebraunen Augen wie die Latierre-Schwestern. Sie war jedoch um einiges fülliger, runder noch als Madame Delamontagne. Das wollte was heißen. Aber irgendwie war es nicht nur ein großes Körpergewicht, dachte Julius.
"Ich habe dieses Tier noch nie gesehen", meinte César und deutete auf die geflügelte Riesenkuh, die einen basslastigen Schnaufer von sich gab.
"Die habt ihr in Beaux ja auch nicht", lachte die füllige Hexe, die ein älteres Spiegelbild von Martine, besser ihrer Mutter, sein mochte. Die zweite Hexe auf dem Bock hatte ebenfalls rotblondes Haar, aber etwas kürzer und war auch schlanker und Jünger. Julius dachte, Madame Hippolyte Latierre zu sehen, bis ihm auffiel, daß sie ihn so anblickte, als müsse sie ihn erst kennenlernen. Da fiel ihm auf, daß sie doch ein kleines bißchen anders aussah, ja viel derbere Kleidung trug. Denn sie wirkte in dem grünen Rock aus Wolle und der Weste aus Leder eher wie ein Cowgirl. Tja, und bestimmt war sie genau das, erkannte Julius. Fehlte nur der Hut.
"Geh mal weg, Pummelchen! Ich möchte die Treppen runterlassen", sagte die Frau, die Césars Gruß erwidert hatte. Julius grinste. Die hatte das gerade nötig, César als Pummelchen zu bezeichnen. Doch er nahm es wohl mit Humor und trat so lange zurück, wie die Hexe ihren fleischigen Arm ausstreckte. Dann ließ sie mit einem Handgriff an der Seite das breite Seitenholz vom Kutschbock nach unten klappen, zog einen knorrigen Zauberstab und ließ damit das Brett zur seite ausschwingen, dem wie bei einem auseinandergezogenen Akkordeon weitere Bretter folgten, die sich auf dem Weg nach unten zu festen Holzstufen entfalteten, bis die auswerfbare Treppe, vielleicht auch ein Fallreep wie bei einem Schiff, mit breiten Stummelfüßen den Boden berührte und sich durch einen Wink des Zauberstabes mit Widerhaken darin festkrallte. Laut schnarrend wurden vier armdicke Taue unter und zwei über den Stufen strammgezogen, so das die oberen Taue ein stabiles Geländer hergaben. Die Treppe selbst war breit genug, daß einer bequem auf den Stufen hinabsteigen konnte.
"Und der Astronaut betritt den Boden des fremden Planeten", meinte Julius zu Babette, als sich der Zauberer, der dunkelbraunes Haar besaß und sich trotz seines paar Dutzend Lebensjahren noch gut bewegen konnte über die Treppe herabarbeitete.
"Ist fest wie immer, Ursuline", sagte er im Dialekt, den die Leute aus der Gegend der Loire sprachen. Julius sah nun, daß die füllige Hexe im sonnengelben Rock und weißer Wollbluse mit beiden Händen an den Halteseilen festhaltend die Treppe hinunterbegab. Dabei entging ihm nicht, wie am unteren Ende des kugelrunden Bauches eine kleine Wölbung heraustrat und sich wieder zurückbildete. Dann wieder.
"Das glaube ich jetzt nicht", sagte Julius, obwohl er es sah. Als die Hexe die wadenhohe Wiese betrat, konnte Julius sehen, daß sie wohl einen Meter neunzig groß war.
"Was ist denn mit der los?" Fragte Babette und zeigte auf die Hexe, die wohl Ursuline hieß, weil sich in ihrem Unterleib wieder was bewegte.
"Ja, wir sind jetzt da", sagte die Hexe zu irgendwem, den Julius nicht sehen konnte, bis sie sich sanft den Bauch streichelte.
"Ich muß es wohl glauben", sagte er nun laut und prüfte, ob er sich nicht doch vertun konnte.
"ihr braucht jetzt nicht mehr so weit wegzubleiben. Demie tritt nicht aus, solange Barbara und ich in der Nähe sind!" Rief die offenkundig in guter Hoffnung befindliche Hexe.
"Ich habe von meinen Eltern gelernt, nicht an Tiere ranzugehen, die ich nicht kenne", sagte Julius schnell. Doch Babette lief schon los, auf die fliegende Kuh zu.
"Eh, Babette, nicht so nah ran!" Zischte er ihr zu, als sie bereits auf Beinlänge des Ungetüms heran war.
Julius sah sich um. Er hatte doch eben was gehört, das Barbara hier sein sollte. Doch die war nicht da.
"Ach, die kleine Babette Brickestönn!" Flötete die Hexe, die gerade von der Flügelkuh heruntergeklettert war und ging auf sie zu, um sie in ihre Arme zu schließen. Babette schrak zurück und nahm Reißaus. Offenbar war ihr eine Hexe in deren Bauch sich was bewegte unheimlicher als eine Monsterkuh, die jeden Elefanten überragte. Die Hexe im gelben Rock und der weißen Bluse lachte. Julius sah den goldenen Glanz im Stoff des Rocks, der gerade bis zu den Knien reichte.
"Monsieur Rocher, möchten Sie uns den jungen Mann nicht vorstellen?" Fragte der Zauberer, der als erster herabgestiegen war.
"Julius, komm ruhig rüber! Das Biest wird dich schon nicht treten", lachte César. Julius schulterte seinen Besen und ging zum Fuß der Treppe, über die gerade die zweite Hexe vom Bock herabstieg. Julius fragte sich, ob die Kuh nicht einfach die Flügel ausbreiten und abheben würde, bis er sah, das die jüngere Hexe eine feingliedrige Kette in der linken Hand hielt und damit die Trense im Maul der Kuh hielt.
"Guten Morgen, Monsieur. Wußte gar nicht, daß ich ein Empfangskommitee bekomme", sagte die ältere der beiden Hexen zu Julius.
"Guten Morgen, Madame Latierre", erwiderte Julius, während er sich bemühte, nicht die Nase zu rümpfen, weil ihm der Gestank einer ganzen Kuhherde unangenehm wurde.
"Madame Latierre, das ist Julius Andrews", sagte César."
"Natürlich, der Gewinner des goldenen Zaubererhutes von Millemerveilles und zweitbester Schüler dieses Jahres in Beauxbatons", entsann sich Madame Latierre, während die zweite Hexe, wohl eine Tochter von ihr, auf der Wiese anlangte und in ihren hohen Schnürstiefeln auf César und Julius zuging.
"Julius, die is' ja schwanger", quiekte Babette, die sich jetzt wieder näher herantraute.
"Och, Babette. Ich dachte, Madame Latierre kriegte ein Kind", erwiderte Julius belustigt.
"Eins?" Fragte Monsieur Latierre, so hieß er wohl.
"Oh, dann habe ich mich doch vertan", erwiderte Julius. Doch Babette hatte es ja auch so erkannt, wenngleich er nicht wußte, woher die das wußte.
"Da ist genug Platz für zwei, Julius. Deshalb sind es auch zwei", lachte Madame Latierre und tätschelte ihren angeschwollenen Bauch.
"Uff!" Gab Julius von sich. Er hätte jetzt am liebsten noch gefragt, wie alt die hoffnungsvolle Mutter sei. Doch es galt ja der Grundsatz, eine Dame nie nach dem Alter zu fragen. Doch wenn das Madame Hippolytes Mutter war, dann war es ziemlich krass, fand Julius.
"Barbara, holst du die Seitentreppe noch runter?!" Rief Madame Latierre. Jetzt verstand Julius und ärgerte sich über seine zeitweilige Beschränktheit, daß die andere Hexe wohl Barbara mit Vornamen hieß. Sie zückte ihren Zauberstab und vollführte eine Bewegung, die Julius als Auslöser für einen Fernbewegungszauber erkannte. Klappernd wurde unter der Tür zum Kutschinneren ein sehr dünnes Brett gelöst, das wie eine Ziehhahrmonika aus Papier von weiteren hauchdünnen Brettern gefolgt wurde. So hauchdünn die ausgefalteten Stufen schienen, so stabil waren sie wohl. Dann, als sie auf der gleichen Höhe wie der Fuß der anderen Treppe aufsetzten, quollen die hauchzarten Bretter zu massiven Holzstufen an. Wieder schnarrten Taue, diesmal nur obere, von unten nach oben und bildeten feste Halteseile aus. Dann ging die Tür auf und eine Schar von Leuten kam herunter. Julius dachte an Innenraumvergrößerung. Denn als die Gesellschaft auf festem Boden anlangte, zählte er dreißig Personen, achtzehn Erwachsene und zwölf Kinder. Darunter waren auffallend viele rotblonde Hexen und Zauberer, die unverkennbar die selben Eltern haben mußten.
"Na, Babette, das hast du bisher noch nie gesehen", sagte Julius zu Babette, die Stielaugen bekam und mit dem Zählen nicht hinterher kam.
"So viele Leute kann die Kuh tragen?" Fragte sie Julius. Dieser erzählte ihr, was ein Rauminhaltsvergrößerungszauber war. Damit konnte man wesentlich mehr an Masse und Rauminhalt in ein Gefäß oder Fahrzeug bringen als die äußeren Abmessungen hergaben.
"Für die war das wohl einfach", sagte Julius und deutete auf die fliegende Kuh.
"Außerdem ist die Rückenkabine mit einem Federleichtzauber belegt. Demie merkt davon nur die Riemen und den sanften Andruck am Rücken", sagte Madame Ursuline Latierre. Dann meinte sie noch: "Du hast mich eben so angekuckt, als hättest du noch nie eine werdende Mutter gesehen, Julius. Dabei weiß ich ganz sicher, daß du mit meiner Enkelin Martine vor wenigen Monaten erst eine junge Hexe von einem Kind entbunden hast. Ah, da ist sie auch schon, zusammen mit Hippolyte, Albericus und Mildrid, die auch meinen Namen trägt."
Julius konnte nun die ihm bekannten Latierres erkennen. Der winzige Albericus Latierre verschwand förmlich zwischen den Kindern aus der Kabine. Doch weil er sich einen Bart hatte stehen lassen, konnte Julius ihn doch als erwachsenen Mann ausmachen. Seine Frau war hochgewachsen und athletisch und prall gebaut wie die meisten Hexen hier. Daneben standen die Schwestern Martine und Mildrid, genannt Millie. Letztere sah Julius sofort und strahlte ihn an. Sie trug ein meergrünes Sommerkleidchen und weiße Lackschuhe. Hinter Millie stand noch eine Hexe, die eindeutig eine Tochter der vielfachen Mutter sein mußte und eine weiße Schürze wie eine Schwesterntracht trug und eine sonnengelbe Tasche mit sich führte, die Julius an jene Ausrüstungstaschen erinnerte, die Aurora Dawn und Madame Matine ihm schon gezeigt hatten.
"Heh, ist ja nett, daß du uns hier schon begrüßt, Julius!" Rief Millie und lief auf den Klassenkameraden zu. Wie ihre Schwester vorhin und bestimmt die überwiegende Mehrzahl der erwachsenen Flügelkuhpassagiere wohnte sie im roten Saal, dessen Bewohner für ihr ungezwungen offenes Gefühlsleben bekannt waren.
"Das wußte ich nicht, daß du schon hier bist. Ich wollte 'ne seltene Kuh sehen und treffe dich hier. Nimm das bitte jetzt nicht zu wörtlich!" Erwiderte Julius frech grinsend.
"Demie ist ja noch etwas hier zum Kennenlernen", lachte Millie. Martine kam zusammen mit ihrer Schwester und ihren Eltern herüber zu Madame Ursuline Latierre. Dann folgte noch die Latierre-Tochter in weißer Kluft, die ihre Mutter genau musterte und abschätzte, ob der pralle Umstandsbauch noch dem üblichen Standard für Zwillingsschwangerschaften entsprach.
"Hallo, Julius", begrüßte Madame Hippolyte Latierre den Jungen mit der landesüblichen Umarmung und hielt ihn sicher geborgen. Julius schnüffelte das Parfüm von Madame oder Mademoiselle Demie, doch nicht so extrem wie er befürchtet hatte.
"Das ist wohl die erste schwangere Oma, die du zu sehen bekommst, wie?" Fragte sie feist grinsend und deutete kurz auf ihre Mutter. Millie schob sich neben ihre Mutter. Doch diese stupste sie sacht zurück.
"Du bist also auch bei Jeannes Hochzeit dabei. Schön, dann werden wir uns ja in den nächsten Tagen noch häufiger sehen."
Millie trippelte von einem Fuß auf den anderen, bis ihre Mutter Julius freigab. Sie umarmte Julius auch herzlich und gab ihm die üblichen Wangenküsse.
"Das mußt du mal ausprobieren, Julius. In der Kabine kriegst du nur ein sanftes Schaukeln mit. Tante bea war nur besorgt, weil Oma Line unbedingt auf dem Führerbock sitzen muß. Sie betreut Oma Line ja als Hebamme."
"Die erste Hebamme, die selbst im Bauch ihrer Patientin gelegen hat", flüsterte Julius und schielte zu Béatrice Latierre hinüber, die ihre Mutter abtastete und dann nickte.
"Das habe ich gehört, Monsieur. Stimmt ja auch. Schon etwas merkwürdiger Gedanke, da mal selbst herumgetragen worden zu sein", lachte sie. Millie zog Julius sachte mit sich. Martine begleitete ihn wortlos.
"Tante Trice, das ist Julius Andrews, der im letzten Jahr zu uns kam. Leider wohnt er im falschen Saal", stellte Millie ihren Klassenkameraden vor. martine sah ihre Schwester tadelnd an und meinte dann:
"Millie hätte ihn gerne auch in Zauberkunst und Verwandlung in der Klasse und nicht nur in Arithmantik, Zaubertränken und Zaubertierkunde, Tante Trice."
"Ich hörte, du hast dich etwas geniert, Constances Tochter zu streicheln, bevor sie richtig an der frischen Luft war. Aber deine Schreibefeder ist ein sehr praktisches Protokollhilfsgerät. Da hat man die Hände frei und kann sich auf wesentliche Sachen konzentrieren. Ich bin Béatrice Latierre, Heilerin und Hebamme. Meine Mutter bessert meine Geburtshilfestatistik um zwei weitere Kinder auf. Schon erhaben, die eigenen Schwestern ins Leben holen zu dürfen."
"Bei Gerichten würde man das als Befangenheit auslegen", meinte Julius, der nicht wußte, ob er nun kultiviert oder frech auftreten sollte.
"Nicht bei uns. Ich bin nicht die erste, die eigene Geschwister, Neffen, Nichten und Cousins zur Welt holt", lachte Béatrice, die das Verhaltensdilemma des Jungen wohl bemerkte.
Babette kam heran und ließ sich die Latierres vorstellen.
"Du bist also die Brautjungfer Nummer vier von Jeannes Seite", sagte Madame Hippolyte Latierre. Dann wirst du dich bestimmt gut mit meinen Schwestern und Nichten verstehen, die dabei sind."
"Ist irgendwie cool, das 'ne Tante jünger sein kann als man selbst", meinte Babette kindlich freizügig.
"doch was krasses", sagte Julius verlegen.
"Du meinst außergewöhnlich, die üblichen Normen überschreitend", meinte Béatrice Latierre. Julius nickte.
"Du hast eben so merkwürdig gekuckt, als wäre ich ein total fremdes Geschöpf aus einem dieser Muggelgeschichten über andere Planeten", griff Madame Ursuline Latierre noch einmal die leichte Verwirrung auf, die Julius bei ihrer Ankunft gezeigt hatte.
"Nun, es war nicht das Aussehen, sondern die Vorstellung, das Martine und Mildrid noch neue Onkel oder Tanten kriegen", sagte Julius, der die Verlegenheit niederzukämpfen versuchte, die ihn überkam, als Madame Latierre in ihrer ganzen Größe und Leibesfülle vor ihm stand und ihn anlächelte.
"Solange der Ofen heiß ist kann man darin backen", sagte Madame Ursuline Latierre sehr amüsiert. Babette starrte sie verständnislos an. Julius meinte:
"Die Dame meint, daß wenn sie noch gesunde Kinder kriegen könnte, möchte sie noch welche kriegen."
"Irgendwie witzig der Spruch", giggelte Babette.
"Ja, aber erzähl den nicht deiner Oma. Die kann über sowas wohl nicht lachen."
"Die gute Blanche kann über sehr wenig lachen, Julius. Langsam solltest du sie gut genug kennen", sagte Madame Latierre. Julius hörte aus dieser Äußerung heraus, daß Madame Latierre und Madame Faucon sich vielleicht gut kannten. Vielleicht fragte er bei Gelegenheit mal nach.
"Sind das alles ihre Kinder und Enkel?" Fragte Julius mit einer alle Leute hier überstreichenden Armbewegung. Madame Latierre nickte. Dann wandte sie sich um. Ihr Mann drehte sich ebenfalls zu der Schar von Leuten. Beide klatschten kurz in die Hände. Die fliegende Kuh schnaubte vernehmlich und wackelte mit ihren großen Ohren.
"So, die Großen schnallen mit Barbara zusammen die Kabine ab und verfrachten sie an den Südrand der Einfriedung. Demie bleibt hier in der Nähe des Wassertrogs. Wir machen ihr nur den Haltering um den Hals", sagte Monsieur Latierre, der älteste. "Danach bauen hier alle die Zelte auf. Die Kinder können beim Einräumen der Vorräte helfen. Pennie, Callie, Pat und Mayette, wartet, bis wir eure Besen ausgepackt haben. Einer von den jungen Herren hier kann euch dann zeigen, wo es zu den Dusoleils geht."
"Geht klar, Papa", sagte ein Mädchen, das wohl gerade elf Jahre alt war.
Julius wurde von Barbara Latierre bei Seite genommen, damit er dem Absatteln der fliegenden Kuh Demie nicht im Weg stand. Zwei Zauberer, wohl ihre Brüder, ließen die ausgeworfenen Treppen in Windeseile wieder hochschnellen und sich in ihren Lagern verriegeln. Zwei Töchter von Ursuline Latierre warteten, bis die Treppen ordentlich befestigt waren, dann ließen sie mit "Alohomora" schwere Verschlüsse an den vier Riemen aufspringen, sodaß die Kabine frei auf dem Kuhrücken lag. Dort blieb sie jedoch nicht. Sie schwebte von selbst einen Zentimeter hoch, bevor andere erwachsene Latierres sie mit Bewegungszaubern herunterschweben und einige Dutzend Schritte entfernt landen ließen, wobei die vier Ledersäcke kurz angehoben wurden und dann platt auf dem Boden lagen. Eine Hexe, die wie eine etwas gedrungenere Ausgabe von Hippolyte Latierre aussah, turnte an der rechten Seite hoch und öffnete einen der gewölbten Kästen auf dem Dach, um vier schlanke Besen herauszuholen. Julius grinste. Diese Kuh war ein Mutterschiff, von dem aus mehrere Beiboote losgeschickt werden konnten. Er vergaß den für Städter ungewohnten Kuhgestank, der von Demie und ihrem ersten Geschäft hier in Millemerveilles herüberwehte. Alles war organisiert. Niemand sprach mehr als nötig. Innerhalb von fünf Minuten waren die fünf Zelte aufgebaut.
"So, ihr drei", wandte sich Madame Ursuline Latierre an César, Babette und Julius. "Ihr bringt jetzt meine zwei jüngsten und Barbaras Töchter zu den Dusoleils, wenn ihr so nett seid."
"Ich mach das, César. Ich muß ja besagtes Paket zustellen", sagte Julius zu César. Dieser nickte und nahm den Besen von der Schulter. Er startete damit und flog im respektvollen Abstand von Demie davon.
"Jau, Mädels. Ich bringe euch jetzt zur Familie Dusoleil!" Rief Julius, als vier sich sehr ähnelnde Mädchen, die eher Cousinen als Tanten und Nichten sein mochten, mit ihren Cyrano-Besen bereitstanden. Julius wunderte sich, wie straff die Rasselbande spurte. Aber vielleicht mußte man bei so vielen Kindern und Enkeln mehr Durchgreifen, dachte er, bevor er Babette zu sich winkte, die gerade von Barbara Latierre von Demie weggescheucht wurde.
"Kommt all ihr Brautjungfern! Die Etappe beginnt!" Rief Julius, als Babette endlich zu ihm kam.
"Du bist der, der mit Martine das Kind aus der älteren Dornier rausgeholt hat?" Fragte eines der Mädchen sehr frei heraus. Julius mußte grinsen. Er nickte. Dann fragte er, wer genau sie sei.
"Ich bin Pennie Latierre. meine Schwester Callie und ich kommen dieses Jahr nach Beauxbatons, zusammen mit Patricia", sagte sie und stellte die drei anderen Mädchen korrekt vor. Julius fragte frech:
"Und, schon aufgeregt, Penelope?"
"Wie? Ich heiß doch nicht Penelope", sagte Pennie.
"Penthesilea", lachte Barbara Latierre, die gerade einen großen Haltering aus einer der Dachtruhen holte. "Ich nenn doch meine Töchter nicht so übertrieben romantisch."
"Gut, Penthesilea und ihr anderen! Ich fliege langsam genug, damit ihr euch ansehen könnt, was wir alles überfliegen", sagte Julius und ließ Babette hinter sich aufsitzen. Irgendwie gefiel er sich komischerweise in der Rolle eines Rudelführers, obwohl er immer abstritt, sowas zu können. Sie starteten und flogen hintereinander her. Julius freute sich, daß die vier Junghexen bereits gut genug fliegen konnten, um nicht vom Besen zu fallen. Babette fragte ihn unterwegs, wer da von wem das Kind sei. Julius wies die Frage erst einmal von sich.
"Die sehen mir alle zu ähnlich aus, Babette. Aber ich denke, die vier Mädchen hinter uns können dir das erzählen."
"Das ist toll gewesen, wie die aus der großen Kabine rausgeklettert sind", sprach Babette aus, wie beeindruckt sie war.
"So'n Tier habe ich in Beauxbatons nicht gesehen und hier in Millemerveilles auch nicht. Aber Moment. Der Tierpfleger hat doch was von Latierre-Kühen erzählt, die sie nicht halten könnten. Dann war das wohl eine."
"So'n Tier bei uns in der Rue de Liberation wäre doch cool", meinte Babette.
"Allemal besser als ein Drache. Aber die dürft ihr wohl auch nicht haben. Außerdem ist das was für Leute, die in Kuhmist rumwühlen können, ohne sich zu ekeln. Kannst du das?"
"Iii", kam es von Babette. Julius grinste, obwohl Babette das nicht sehen konnte.
"So jetzt noch über das Haus da mit dem hohen Schornstein, dann sind wir schon da!" Rief Julius. Die vier Hexenmädchen riefen zurück, daß sie den großen Garten schon sehen könnten, von dem ihre Mutter oder Großmutter erzählt hatte. Dann waren sie auch schon über der Landewiese vor dem Wohnhaus. Aus dem Werkstattgebäude kräuselte sich Rauch. Dann flog die Tür auf und ein orkanartiger Windstoß fegte heulend heraus und rüttelte an den fünf fliegenden Besen, wobei der Ganymed das nach kurzem Zucken locker wegsteckte, während die Cyranos wild schlingerten. Die vier Mädchen kreischten erschreckt und in Angst. Dann war der Windspuk vorbei.
"Ach du meine Güte!" Rief Monsieur Dusoleil aus der Werkstatt.
"Was soll'n das?" Fragte Pennie Latierre wütend, als sie ihren Besen schnell auf die Wiese gebracht hatte.
"War keine Absichtt", sagte Monsieur Dusoleil und lief tomatenrot an. Julius hatte keine Probleme mit der Landung. Er nahm seinen Besen und Babette und ging zur Eingangstür.
Madame Odin öffnete. Sie schnüffelte und rümpfte die Nase, während Julius verkündete:
"Der Brautjungfernexpress ist da, Madame Odin. Diesmal habe ich fünf Pakete mit."
"Meine Nasenflügel vernehmen unverkennbar, daß diese Person tatsächlich mit ihrer abgerichteten Riesenkuh angeritten kam, Julius. Stimmt es, das sie in anderen Umständen ist?"
"Die Kuh?" Tat Julius so, als hätte er nicht verstanden, um wen es ging.
"Nein, die korpulente, stets neben allen Pfaden der Damenhaftigkeit wandelnde Hexe, die auf einer solchen Kuh zu verreisen pflegt", knurrte Madame Odin, und Julius kapierte, daß er hier wohl etwas zu weit gegangen war.
"Wenn Sie Madame Ursuline Latierre meinen, dann wollte ich das zuerst nicht glauben. Aber sie ist wirklich - in anderen Umständen."
"Sie treibt es zu weit. In ihrem Alter noch Kinder zu bekommen ist unverantwortlich", schnaubte Claires Großmutter. "Und Aminette. Ist sie auch schon eingetroffen?" Fragte sie. Julius erzählte, das er davon nichts mitbekommen habe. Dann tauchte Claire auf. Sie schnüffelte ungläubig. Julius gab ein tiefes Muh von sich. Das ließ Claire grinsen.
"Oma Aurélie sagte was von einer fliegenden Kuh, mit der die vier anderen wohl kommen würden. Das stimmt wohl. Wie groß ist das Tier, Julius?"
"Anderthalb Elefanten oder so", sagte Julius. "Babette will jetzt anstatt eines Drachens sowas haben. Vielleicht können wir sie ja doch noch auf einen Abraxarieten runterhandeln", lachte Julius.
"Am besten die vier gehen erst einmal unter die Dusche und ziehen andere Kleidung an", meinte Madame Odin. Ihre Tochter Camille Dusoleil trat heraus, schnupperte auch und meinte dann:
"Wieso, Maman? Die Mädchen wollten doch eh draußen sein."
"Wie du meinst, Camille. Es ist dein Haus, und wir sind ja nun einmal in einem Dorf", naserümpfte Madame Odin.
"Ich fliege gleich wieder los, um zu sehen, wer noch alles ankommt. Aber die Kuh kann wohl nichts mehr übertreffen", sagte Julius und fügte schnell hinzu: "Vom Flugteppich abgesehen."
"Der ist wesentlich pflegeleichter als diese sieben Tonnen zähes Fleisch mit Wolle drum herum", meinte Claires Großmutter und sah, wie die fünf Mädchen herankamen. Claire begrüßte sie alle mit: "Hallo, ich bin Claire, Jeannes jüngere Schwester. Ihr seid Pennie, Callie, Patricia und Mayette Latierre?"
"Ja, sind wir", grüßten die vier rotblonden Mädchen zurück. Dann winkte Claire sie ins Haus. Julius nahm seinen Besen und rief noch:
"Ich werde wohl zum Mittag bei Madame Faucon sein. Wenn ich Babette abholen soll, bin ich wohl da zu finden."
"Ich kann sie zurückbringen", sagte Madame Odin. "Wäre mal die Gelegenheit, der guten Blanche guten Tag zu sagen."
"In Ordnung, Madame. Ich verlasse mich darauf", sagte Julius. Dann flog er los und brachte den Ganymed auf Touren. Er flog die Stellen ab, wo bestimmt viele Besucher hingehen würden, wenn sie ankamen, wie den nun wieder einwandfreien Musikpark, den Zentralteich, den See der Farben und den Ausgangskreis. Tatsächlich konnte er eine der roten Reisesphären sehen, die im Kreis zu entstehen schienen und dann von oben her aufklafften und im Boden versanken, bevor eine Schar von Hexen und Zauberern aus dem blauen Vollkreis trat. Julius kannte von denen keinen. Deshalb landete er auch nicht. Er flog zum Gasthof, wo gerade ein schlachsiger Zauberer mit rotem Spitzhut herauskam, den Julius auch nicht als Bewohner von Millemerveilles kannte. Dieser öffnete mit einem Schlüssel eines der aufgestellten Zusatzhäuser und ging hinein. Julius kreiste noch einige Male über dem Chapeau du Magicien, bis sieben weitere Besucher herauskamen und auf das Haus daneben zuhielten. Dann flog er weiter und stellte fest, daß in der Zeit wohl doch einige Gäste mehr eintrafen, die nicht im Gasthaus unterkamen, sondern Verwandte vor Ort besuchten oder bei ihnen wohnten. Irgendwann trieb es ihn wieder zu der von der hohen Hecke eingefriedeten Koppel. Da er nicht wußte, wie die geflügelte Kuh auf einen anfliegenden Besen reagierte, landete er kurz vor der Einfriedung und ging zwanzig Meter zu Fuß.
Er hörte ein lautes, schlürfendes Geräusch und ein Plätschern, immer abwechselnd, in einem langsamen Rhythmus. Er konnte Kinderlachen und das leise Tuscheln von Erwachsenen hören, bevor er an die Hecke kam. Vom Boden aus konnte er nun sehen, daß es wohl mehrere Gittertüren gab, die in weißen Rahmen in den Boden eingelassen worden waren. Er dachte daran, daß hier sonst eine Blumenwiese mit Ziersträuchern zu finden war und fragte sich, wie schnell Madame Dusoleil die Pflanzen alle umgesetzt haben mußte. Er öffnete das vor ihm liegende Türchen und trat hinüber.
Demie stand leicht keuchend vor dem Wassertrog. Vier dicke Schläuche gingen von ihrem Euter in einen Metallzylinder über, aus dem ein pulsierender Schlauch zu einem großen Holzfaß reichte, in das sich Schwall für Schwall eine weiße Flüssigkeit ergoss: Reine Milch. Madame Ursuline Latierre sah von einem rot-weiß gedeckten Tisch aus zu, wie die magische Melkmaschine aus Demies Euter Liter für Liter herauspumpte. Barbara Latierre - zumindest vermutete Julius das - beaufsichtigte die geflügelte Kuh.
"Hallo, Oma, da ist der Junge wieder, der Pennie und die anderen weggeflogen hat!" Rief ein kleiner Junge, wohl gerade fünf Jahre alt. Ursuline Latierre sah sich um und entdeckte Julius.
"Komm ruhig herüber", rief sie. Julius folgte der Aufforderung.
Als er bei Madame Latierre am Tisch saß hörte er das rhythmische Schlürfen und Plätschern so laut, daß er meinte, er stehe direkt neben der Melkmaschine.
"Na, was sagt Aurélie Odin?" Fragte Martines Großmutter mütterlicherseits.
"Sie hat mitbekommen, daß Sie angekommen sind, Madame", sagte Julius.
"Das wird sie wohl nicht sonderlich gefreut haben, daß ich mit Demie gekommen bin. Hat selbst einen fliegenden Teppich und macht sich Gedanken um eine Latierre-Kuh."
"Das ist nicht mein Ding, Madame", sagte Julius. "Mich hat das jetzt interessiert, wie so ein Tier überhaupt entstehen kann. Oder ist es eine uralte Züchtung?"
"Eigentlich nicht. Meine Mutter hat damit angefangen, so vor neunzig Jahren, bevor das Kreuzungsverbot auch hier umgesetzt wurde. Interessieren dich Zaubertiere?"
"Ja, unter anderem", sagte Julius.
"Ach, Millie schrieb mir mal, du hättest einen Kniesel. Dann muß dich das ja interessieren", meinte Madame Latierre.
"Goldschweif? Da kam ich hin wie die Jungfrau ... öhm, ganz durch Zufall."
"Ich habe keine Probleme mit Anspielungen, Junge", lachte Madame Latierre. "Ich las davon, daß Goldschweif dich gerne mit Millie verkuppeln wollte. Sie fand das irgendwie lustig."
"Tue ich immer noch, Oma", lachte Millie, die rasch von einer Schar Kinder herübergekommen war, zusammen mit Martine. "Schon abgedreht, wenn ein Tier Menschen zusammenführen will."
Julius erstaunte diese völlig direkte Bemerkung. Er meinte nur:
"Nun, daß ich im Moment eine feste Freundin habe hat Ihre Enkeltochter sicher auch geschrieben."
"Ja, hat sie. Ich denke auch, daß dein Privatleben dir gehört. Aber mich als Latierre-Matriarchin interessiert das natürlich, wie meine Kinder und Kindeskinder so zurechtkommen, mit wem sie so Umgang haben und warum."
"Ich war mit Martine in der Pflegehelfertruppe, wie Sie wohl auch wissen", versuchte Julius, die Neugier der älteren Hexe zu bedienen, ohne nur über sein Privatleben erzählen zu müssen.
"Und da ist er verdammt gut mitgekommen", kommentierte Martine, die ein Tablett mit Tellern und Tassen herbeischweben ließ.
"Ja, du hast mit Martine und der strahlenden Braut Jeanne Constance bei der Geburt ihrer Tochter geholfen, obwohl sie das Kind nicht haben wollte. Wie kann man ein derartiges Geschenk so rüde ablehnen?"
"Kurz vor der Geburt wollte sie das Kind doch haben. Immerhin hat sie dem Mädchen ja alle Namen von unseren Müttern mitgegeben."
"Weil sie es wohl noch gerade so gemerkt hat, daß ein Kind mehr ist als nur Ballast. Ich habe zehn zur Welt gebracht und freue mich darauf, demnächst noch einmal zwei zu kriegen. Das ist nicht immer angenehm, aber zahlt sich doch irgendwie aus. Du siehst es ja. Wie eine eigene Dorfgemeinschaft", sagte Ursuline Latierre schmunzelnd und strich sich über den gewölbten Bauch.
"Wann genau, wenn ich fragen darf?"
"Wenn Trice richtig gerechnet hat wird es am fünften September so weit sein. Kann auch ein paar Tage früher oder später sein. Zwillinge hatte ich bisher noch nicht."
"Immerhin, das Dutzend wäre dann voll", sagte Julius schnell, um nicht "In Ihrem Alter noch Kinder" sagen zu müssen. martine, Millie und ihre Oma lachten darüber. Julius sah Martine an, die etwas geknickter aussah. Sie merkte das und erwiderte:
"Ich hatte eigentlich vor, mit Edmond hier anzureisen. Aber daraus wurde ja nichts. Wenn ich mir die ganzen Kinder hier ansehe, Eddie hatte wohl zu große Angst, eine so große Familie um sich zu haben."
"Ist ja auch nicht einfach, Martine. Ich bin Einzelkind, und wenn meine Mutter nicht wieder heiratet und mit vierzig Jahren noch was Kleines haben will bleibe ich das auch."
"Dann hast du aber viel verpaßt", meinte Madame Ursuline Latierre. "Aber jedem das seine. Natürlich haben mir Martine und Millie erzählt, daß deine Eltern faktisch Muggel sind, obwohl sie beide der Eauvive-Linie entstammen. Ich hörte davon, daß Kindersegen in der Muggelwelt aus der Mode kommt. Schade eigentlich."
"In einigen Ländern gibt es mehr Kinder als zu essen", sagte Julius, der meinte, seine frühere Welt verteidigen zu müssen. "Das wäre ja wohl verkehrt, so viele Kinder sterben zu lassen."
"Komischerweise gibt es aber in den Ländern, wo es viermal mehr als genug zu essen gibt immer weniger Kinder. Aber lassen wir das! Ich merke, dir ist das Thema nicht so geheuer, weil du hier an einem Tisch mit einer Berufsmutter und Großmutter sitzt, die das immer als schön empfunden hat, neues Leben hervorzubringen", sagte Madame Latierre. Millie mußte jedoch einwerfen:
"Als er mir mal tief in die Augen gesehen hat, hat er da eine ganze Quidditchmannschaft Kinder gesehen, Oma Line."
"Wunderbar, Millie. Danke", knurrte Julius.
"Am Stück oder einzeln?" Fragte Madame Latierre lachend. Julius verstand. Die schwangere Oma hatte das kapiert. Doch dann sagte sie:
"Nun, ihr habt ja wirklich noch Zeit, und ob du mit Claire Kinder haben wirst oder mit Millie oder einer anderen ist ja dann dein ganz eigenes großes Abenteuer. Nur solltest du einer Latierre-Tochter nicht solche Angebote machen, wenn du Angst davor hast, sie einzulösen."
"Ich habe ihr kein Angebot gemacht", protestierte Julius augenblicklich.
"Im Moment hat Claire ihn sicher, Oma. Die beiden passen auch gut zusammen", sagte Millie. Julius vermeinte, sich verhört zu haben. Doch er wagte nicht, was dazu zu antworten.
"Aber sich zwölf Kinder zuzulegen ist schon mutig", sagte Julius zu Madame Ursuline Latierre. Die lächelte ihn gutmütig an.
"Ach, und ich dachte, du hättest jetzt was von wegen, schon Oma und dann noch eigene Kinder sagen wollen. Aber ich habe es ja schon von so vielen gehört."
"Das geht mich ja auch nichts an, wenn jemand Nachwuchs haben will, solange jemand nicht von mir ein Kind kriegen will", sagte Julius. Millie grinste ihn herausfordernd an. Er ging jedoch nicht darauf ein.
"Was ja wohl hoffentlich irgendjemand mal zur Sprache bringen wird. Aber du bist bestimmt nicht hergekommen, weil du mit mir übers Kinderkriegen reden wolltest", erwiderte Madame Latierre.
"Mich hat das auch fasziniert, wie Sie diese fliegende Kuh handhaben. Das muß doch ziemlich aufwändig sein, ja auch gefährlich."
"Aufwändig immer. Gefährlich nur dann, wenn man sie nicht mit dem nötigen Respekt behandelt. Sicher, sie ist ein Nutztier und als solches auf den Umgang mit Menschen geprägt. Aber wenn sie in Paarungsstimmung sind oder Kälber haben können sie auch sehr rammdösig werden. Demie hat vor zwei Jahren das letzte Mal gekalbt. In der Trächtigkeit und solange sie säugt ist sie leicht reizbar, abgesehen davon, daß Ares, der Bulle aus Demies Herde sofort merkt, wenn er Erfolg bei der Fortpflanzung hatte. Dann kann er sehr rasch in Rage geraten. Mag an dem Elefantenanteil liegen und dem Brutpflegeinstinkt des Steinadlers, die bei der Urkreuzung eingeflossen sind. Jedenfalls müssen wir immer darauf gefaßt sein, unsere Tiere zu besänftigen."
Gerade hörte die Melkvorrichtung zu pumpen auf. Demies Euter hing nun schlaff herab.
"So, daß wäre auch erledigt", kommentierte Madame Latierre, als ihre Tochter Barbara mit Zauberstabbewegungen die Zapfschläuche ablösen ließ. Der Kuh schien das sichtlich zu behagen, endlich die vier Schläuche los zu sein. Zwei Zauberer aus dem Latierre-Clan überprüften das große Faß und verschlossen es.
"Allein diese Vorrichtung ist doch bestimmt schwierig zu beschaffen", meinte Julius, während die Melkmaschine und alle Schläuche mit Säuberungszaubern gereinigt wurden.
"Wenn man weiß, was man braucht und die Pläne und Zauberformeln parat hat kein Problem", sagte Madame Latierre. "Früher hat meine Mutter sogar noch versucht, von Hand zu melken. Aber das wurde doch ziemlich langwierig, weil die Latierre-Kühe eine gewisse Bezauberungsresistenz haben. Aber mit der Vorrichtung geht's reibungslos. Gut ist daran, daß Tiere wie Demie ihre Milchproduktion einhalten können, wenn der innere Druck lange aufrecht bleibt. Anders als bei gewöhnlichem Milchvieh muß also nicht jeden Morgen und Abend Hand angelegt werden."
"Eigentlich ein ideales Reisetier. Ich denke mal, essen lassen sich die Tiere nicht mehr."
"Nur wenn sie zwei Wochen alt sind, und dann nur dann, wenn du das Muttertier davon abbringen kannst, sein Kalb zu beschützen. Kann man ihm ja auch nicht verübeln. Auf jeden Fall sind erwachsene Tiere völlig ungenießbar. Aber dafür geben sie eine kräftige Milch, bilden Wolle aus und lassen sich eben auch als Lasttiere ausbilden."
"Wolle?" Fragte Julius.
"Ja, Wolle", bestätigte Madame Latierre. "Sie wurden ja aus Elefanten, Adlern, gewöhnlichen Kühen und Schafen zusammengekreuzt. Deshalb fallen als Nebeneffekt auch jedes Jahr bis zu zwölf Zentner Wolle pro Tier ab."
Demie trottete mit stampfenden Schritten zu einem Strauch und pflückte mit einem Biss einen dicht bewachsenen Zweig ab. Das mahlende Geräusch beim Fressen drang über den ganzen freien Platz. Julius sah sich um. Von dem übergroßen Kuhfladen war nichts mehr zu sehen.
"Wir breiten die Fladen sofort über den Boden aus, wo wir nicht hergehen. Vielleicht wächst das abgefressene Grünzeug dann schneller wieder nach", sagte Madame Latierre, die gemerkt hatte, wo Julius hinblickte.
"Und Sie wohnen in der Nähe eines solchen Viehstalls?" Fragte Julius.
"Ich nicht. Aber meine Tochter Barbara unterhält den Betrieb. Aber wir treffen uns alle Nase lang bei ihr, weil wir ja doch irgendwie alle stolz auf unsere Tiere sind, zumindest die, die durch den Stadtmief noch nicht verdorben sind." Julius überhörte die letzte Bemerkung. Er war ja selbst ein Stadtkind. Auch Martine und Millie schienen das nicht gehört zu haben. Martine sagte zu Julius:
"Es ist schon schön in Schloß Tournesol. Da gibt's große Waldstücke, das Hauptgebäude mit über zweihundert Zimmern und der große Sonnenblumengarten, der dem Schloß den Namen gegeben hat. Ich gehe davon aus, daß du nach der Hochzeit von Mademoiselle Lumière und Monsieur van Heldern nach paris zurückkehrst. Dann könntest du ja deine Maman fragen, ob du uns mal besuchst, ganz unverbindlich und mit eigenem Zimmer. Kuck nicht so frech, Millie!"
"Interessieren würde es mich schon, aber ich wurde bereits nach New Orleans eingeladen und habe mit meiner Mutter zugesagt", sagte Julius. Madame Latierre nickte.
"Maya Unittamo oder Jane Porter? Moment, muß ja Jane Porter sein, weil du ja mit deren Enkelin Gloria in Hogwarts angefangen hast."
"Huch, kennen Sie die etwa persönlich?" Fragte Julius verblüfft. Er vergaß mal wieder, wie klein die Zaubererwelt doch war.
"natürlich kenne ich Jane Porter. Sie spielt Schach und kennt sich gut in Zaubereigeschichte aus. Leider hat sie durch den Job, Madame Faucon würde es wohl Hauptbeschäftigung nennen, keine rechte Zeit für's Familienleben. Aber immerhin drei Enkeltöchter hat sie. Die triffst du dann bestimmt da drüben."
"Gehe ich von aus", sagte Julius. "Vielleicht zeigen die mir dieses Quodpotspiel, daß etwas rangeliger als Quidditch sein soll."
"Da kannst du drauf wetten, Julius. Ihre Enkeltöchter Melanie und Myrna sind Aufmunterungstänzerinnen für die Mannschaft ihres Hauses", sagte Madame Latierre. Julius grinste. Dann gab es das also auch im Zauberersport in den Staaten.
"Maman, wir haben vierzig Liter Frischmilch", verkündete Barbara Latierre. "Wir schöpfen gleich die Sahne ab, der Rest kann dann normal verwendet werden."
"Möchtest du das mal probieren, wenn es trinkfertig ist?" Fragte Madame Ursuline Latierre. Julius wußte nicht so recht. Sicher hatte er schon unzählige Liter Milch getrunken. Aber ...
"Ich weiß nicht, ob ich das vertragen kann. Ich bin aus London und wohne jetzt in Paris. Da kommt Milch in Flaschen und Tüten vor. Da sollen ja Sachen drin sein, die für den ungewohnten Magen nicht so gut sind." Martine und Millie lachten nur.
"Tante Babs, kannst du uns die Städtermischung machen. Julius hat Angst, er könnte die Vollmilch nicht verdauen!"Rief Martine.
"Aber sicher doch, Martine!" Rief Barbara Latierre und füllte einen großen Krug ab, den sie mit einem bezauberten Rührstab quirlte, Sahne abschöpfte, beiseite tat, wieder rührte, wieder Sahne abschöpfte, dann wieder rührte und so weiter, bis sie sieben Rührdurchgänge gemacht hatte. Dann kam sie herüber und schenkte die noch warme Milch ein.
"Das kannst du vertragen. Ich habe ein Büschel Magentrost hineingeschnitten und aufgelöst. Sowas kriegst du in der Stadt überhaupt nicht", sagte martines Cowgirl-Tante und gab Julius eine Tasse. Er schnüffelte und nahm außer einem etwas herberen Duft nichts befremdliches wahr. Vorsichtig trank er und fühlte, wie es ihn innerlich erwärmte und auch sättigte.
"Die Mädchen hier", wobei sie auf Martine und Millie deutete, "kennen auch nur dieses brutal entfettete Flaschenzeug. Irgendwie verlieren Stadtbewohner die Ehrfurcht vor den Naturprodukten."
Julius trank vorsichtig weiter. Hoffentlich nahm sein Städtermagen dieses urländliche Geschenk Demies an.
"Und?" Fragte Barbara, als Millie und Martine ebenfalls von der heftig entrahmten Milch tranken.
"Gewöhnungsbedürftig aber verheißungsvoll", sagte Julius schlagfertig. "Da kann man bestimmt gute Butter und Käse und sonstwas von machen."
"Ja und mit Begonies Honig gibt das herrlich gesunde Mischungen. Deshalb sind wir auch hier, um unsere Vorräte zu ergänzen. Begonies Bienen können schon was. du hast auch schon gegen sie Schach gespielt", sagte Madame Ursuline Latierre, während Barbara aus dem Krug für Städter verträgliche Milch nachschenkte.
"Ich habe mir sogar ihre Bienenställe angesehen", sagte Julius, während er vorsichtig weitertrank und die noch warme Milch vorsichtig hinunterschluckte, um nicht doch üble Überraschungen von seinem Verdauungssystem zu erleben. Madame Ursuline öffnete eine Keksdose und gab ihm runde Plätzchen, die er genüßlich aß. Dann meinte er, er dürfe nicht zu viel in den Magen kriegen, weil Madame Faucon das als Beleidigung auffassen würde.
"Sehe ich ein", lachte die hoffnungsvolle Mutter und lehnte sich auf der Bank zurück.
Béatrice Latierre kam herüber und fragte, ob sie sich dazusetzen durfte. Ihre Mutter und Patientin nickte. sie unterhielten sich über die Pflegehelfer in Beauxbatons, ob Julius sich vielleicht schon für den Heilberuf erwärmt habe und was ihm bei Cytheras Geburt am meisten imponiert oder was ihn dabei am meisten Befremden bereitet hatte.
Julius sah dem Trubel noch zu, hörte sogar Musik. Dann kam Madame Hera Matine auf ihrem Besen angeflogen. Julius verstand, was sie wohl hier suchte. Béatrice Latierre sah die lokale Heilerin so an, als müsse sie sich gleich auf einen Kampf gefaßt machen. Er verabschiedete sich rasch von der Latierre-Matriarchin und flog, nachdem er Madame Matine gegrüßt hatte, auf seinem Besen davon.
Um den Hauch von Kuhstall loszuwerden beschleunigte er seinen Besen sehr stark und fegte viermal über das Dorf hinweg, bevor er zum Haus von Madame Faucon zurückkehrte. Die Hausherrin empfing ihn und schnupperte kurz. Dann nickte sie.
"Ich rieche, du hast bereits Kontakt zu den Latierres aufgenommen. Aurélie hat mich bereits informiert, daß sie Babette zurückbringen wird. Möchtest du vorher noch einmal duschen?" Für Julius war die Frage eine Anweisung. Deshalb sagte er ja.
Nach einer ausgiebigen Dusche und dem fälligen Kleiderwechsel suchte er seine Mutter. Sie war im Moment wohl nicht hier. Er mußte an die Fragen denken, ob es seine Mutter hier nicht langweilen würde. Offenbar war sie bei Madame Delamontagne oder einer anderen Schachspielerin, zumindest aber unterwegs.
"Deine Mutter wird wohl wie du herumgehen und Ausschau halten, wieviele Gäste zu den anstehenden Feiern kommen. Die meisten werden wohl in drei Tagen kommen, weil sie gerade eine Nacht hier zubringen möchten, sofern es Gäste von Jeanne und Bruno sind", sagte Madame Faucon, als Julius ihr in der großen Wohnküche Gesellschaft leistete. "Jeannes Großtanten mit Familien und Kindeskindern werden wohl noch eintreffen, wenn ich Aurélie Odin richtig verstanden habe. Ich denke, die gewichtige Matriarchin, die meint, der Natur auf die Sprünge helfen zu müssen, möchte morgen mit uns am Schachturnier teilnehmen. Immerhin hat sie in Beauxbatons drei von sieben Turnieren gewonnen."
"Wie hat sie der Natur auf die Sprünge geholfen. Ich dachte, Hexen könnten bis ins hohe Alter Kinder kriegen", wunderte sich Julius.
"Es gibt da Mittel, deren Anwendung umstritten ist. der Fortunamatris-Trank, auch als Kinderwunschelixier bekannt, dürfte dir noch nicht untergekommen sein, was eigentlich was heißen will. Aber seine Erwähnung und Rezeptur wird in der verbotenen Abteilung unserer Bibliothek verwahrt und nur mit Sondergenehmigung des Zaubertranklehrers und des Saalvorstehers an Schüler über der fünften Klasse herausgegeben, die bereits signalisiert haben, in der Zaubertrankbraukunst oder der magischen Heilkunst ihren Weg zu machen. Es gab und gibt Hexen, die sind erpicht, ihre eigene Blutlinie so lange wie möglich zu erweitern, also genug Kinder zu gebären. Offenbar gehört diese Person, die die Ehre Hatte, dich kennenzulernen, zu jenen, die das natürliche Alter nicht als Grenze anerkennen oder wenn dann als verschiebbare Grenze. Du hast erwähnt, daß Madame Matine kurz vor deinem Abflug dort eintraf. Ich täusche mich bestimmt nicht, wenn ich behaupte, daß deine Lehrerin für magische Hilfsmaßnahmen sich mit eigenem Augenschein von der Gesundheit der Mutter und der Kinder überzeugen möchte."
"Oh, deshalb bekommt sie Zwillinge. In der Muggelmedizin kommt das auch vor, wenn Frauen Hormone einnehmen, um ihre Fruchtbarkeit anzuregen, weil sonst kein reifes Ei zur Befruchtung da ist. Dann kann das Mehrlinge geben, habe ich in dieser einen Fernsehsendung gehört, die über Schwangerschaft und Geburt handelte."
Madame Faucon sah Julius sehr eindringlich an, als wolle sie ihn gleich tadeln. Doch ruhig sagte sie: "Das ist eine der Nebenwirkungen des Trankes. Im Grunde kann diese Hexe sogar froh sein, nicht mit vier oder fünf Kindern schwanger zu gehen."
"Die hat getönt, sie hätte genug Platz", meinte Julius stirnrunzelnd.
"Du hast Constance Dornier begleitet und zwischendurch sogar Ausschnitte aus ihrer körperlichen Empfindungswelt erfahren, Julius. Wer sich darauf einläßt ein Kind auszutragen, lernt schon vor der Geburt, ihr Leben ganz neu zu gestalten, und zwar bei jedem Kind. Ich habe diese Erfahrung gemacht wie deine Mutter oder Madame Dusoleil. Aber ich möchte dich nicht mit zu tiefschürfenden Problemen belasten, die du jetzt noch nicht bedenken mußt. Ich stelle nur fest, daß diese Vielfachmutter augenfällig danach giert, neue Kinder zu bekommen, dies vielleicht als Verjüngungsmittel sieht."
"Wenn sie schon den eigenen Zeltplatz mitbringen muß, um nur die nächste Verwandtschaft unterzubringen ist das schon heftig", mußte Julius dazu loswerden.
Es ploppte im Kamin. Julius wandte den Kopf und sah Laurentine Hellersdorfs kopf. Er hockte zwischen den kleinen Flammen.
"Entschuldigung, Prof..., öhm Madame Faucon. Madame Delamontagne hat mich dazu verdonnert, mit Ihnen und Julius so zu sprechen. Madame Delamontagne möchte Ihnen ausrichten, Madame, daß Julius Mutter wohl über die Mittagszeit bei uns bleibt, weil sie mit Lady Genevra eine längere Schachpartie begonnen hat und Madame Delamontagne auch noch mit ihr spielen möchte. Dann hat Madame Dusoleil vor einer Minute mit ihr gesprochen und gesagt, daß Claires Geburtstagsfeier um vier uhr losgeht", sagte Laurentine.
"Joh, Laurentine, ich krieg das hin, dann da zu sein", erwiderte Julius. "Kommst du alleine da hin?"
"Wenn ich früh genug losgehe bin ich wohl auch um die Zeit da", erwiderte Laurentine, die sich offenbar nicht wohlfühlte, weil ihr Kopf ganz wo anders war als ihr Körper. Julius hörte wie aus einem tiefen Brunnenschacht Madame Delamontagnes Stimme rufen:
"Du fliegst dahin, Laurentine! Du brauchst Praxis!"
"Sehe ich auch so", sagte Madame Faucon dem Kamin zugewandt. Laurentine verzog das Gesicht. Ihr Kopf ruckte vor und zurück. Dann meinte sie verknirscht:
"Dann komme ich eben mit diesem Besen dahin. Also bis um vier dann, Julius!"
"Joh, bis um vier dann, Bébé", grüßte Julius zurück. Laurentine wußte wohl nicht, wie sie die Feuerverbindung beenden sollte. Dann verschwand ihr Kopf mit leisem Plopp aus dem Kamin Madame Faucons.
"Sie versucht es immer noch, sich um die alltäglichsten Dinge einer Hexe herumzumogeln", bemerkte Madame Faucon. "Dabei kann sie froh sein, nicht unter meine Obhut gestellt worden zu sein." Julius konnte das voll nachempfinden. Andererseits hatte er es ja auch schon erlebt, daß mit Madame Delamontagne nicht immer gut Kirschenessen war. Doch er wagte nicht, etwas dazu zu sagen.
Kurz vor zwölf hob Madame Faucon den Arm, an dem das bunte Armband befestigt war, über das sie Verbindung mit Babette hielt. Sie konzentrierte sich offenbar und schüttelte dann mißbilligend den Kopf.
"Muß das denn sein", grummelte sie und bedeutete Julius, in der Wohnküche zu bleiben. Sie eilte hinaus und wartete wohl vor der Haustür. Julius konnte zwischen dem leisen Köcheln des Mittagessens in den Töpfen und dem Knistern im Kamin hören, wie sie rief:
"Aurélie, mußte das wirklich sein, so zu rasen?!"
"Blanche, mein Teppich ist sicherer als ein Besen. Wer richtig steht oder sitzt fällt nicht so leicht runter", lachte Madame Odins Stimme, während Babette jauchzend auf das Haus zukam und dann ganz still wurde.
"Du gehst erst einmal ins Bad und ziehst dir frische Sachen an, ma Chere. Ich habe Julius auch schon zum Umziehen angehalten. Ich hoffe, diese Person mit der Flügelkuh respektiert unsere Wünsche, nicht von derben Gerüchen behelligt zu werden", sagte Madame Faucon. Babette kam wohl eher zögerlich als entschlossen ins haus, ging an der Wohnküche vorbei, sah Julius an und grinste kurz, bevor sie durch die Tür zu ihrem Zimmer verschwand.
"Der nette junge Mann ist also schon wieder bei Ihnen, Blanche. Er hat mir das erzählt, daß diese Person tatsächlich wieder in guter Hoffnung ist. Unverantwortlich finde ich das, auch wenn sie Gold wie Sand am Meer hat. Aber Sie haben vielleicht die These von ihr vernommen, daß wer Geld hat aber keine Kinder nicht wirklich reich und wer kein Geld aber viele Kinder hat nicht wirklich arm sei. Das deckt sich zwar mit einer asiatischen Volksweisheit, klingt aber für mich eher als hilflose Rechtfertigung für einen Trieb, den sie nicht beherrschen kann oder will."
"Ich bin da mit Ihnen größtenteils einer Meinung, Aurélie. Doch was war das eben. Sie haben Ihren Flugteppich sehr riskante Manöver ausfliegen lassen. Babette pendelte zwischen Freude und Angst. Mußte das sein?"
"Wie gesagt, Blanche, ich kenne die Stärken und Schwächen des Teppichs. Wir waren nur zu zweit darauf, und derartige Wenden und Kurven habe ich sogar schon mit zehn Mitfliegern ausgeführt. - Oh, königsberger Klopse?" Sagte Madame Odin.
"Korrekt. Ich wollte mal was anderes machen. Erwartet Camille Sie sofort wieder zurück?" Erwiderte Madame Faucon.
"Nein, nicht sofort. Wieso?"
"Nun, dann könnten Sie etwas mitessen. Ich habe für vier gekocht und im Moment nur zwei Tischgäste. Wenn Sie möchten, lade ich Sie ein."
"Das ist nett von Ihnen, Blanche. Ich muß nur meiner Tochter Bescheidgeben, daß ich hier zu Mittag esse. wie weit muß ich von Ihrem Grundstück fortstehen, um sie zu erreichen?"
"Zehn Meter von der Grundstücksgrenze, Aurélie", antwortete Professeur Faucon. Es vergingen wohl vierzig Sekunden, dann traten die beiden älteren Hexen zusammen ein. Madame Odin trug einen regenbogenfarbigen Umhang und hatte ihr schwarzes Haar mit einer Silberspange gebändigt. Sie begrüßte Julius, dann auch Babette, als diese in frischen Sachen aus dem Badezimmer zurückkehrte und in die Wohnküche kam, diesmal umweht von dem Duft von Badeöl und Rosenholz.
Zusammen aßen sie die Fleischklöße in Karpernsoße mit Salzkartoffeln und roter Beete. Die erwachsenen Hexen tranken leichten Weißwein dazu, während Babette und Julius Zitronenlimonade tranken. Sie unterhielten sich über fliegende Teppiche im Vergleich zu Renn- und Familienbesen, über Zaubertiere von Singschnauzen bis Drachen, wobei Babette meinte, sie hätte gerne einen walisischen Grünling, könne sich aber auch vorstellen, ein Abraxaspferd oder eine dieser fliegenden Kühe zu haben. Madame Faucon meinte dazu nur, daß sie da, wo sie wohnte, nicht einmal einen Kniesel oder einen Crubb halten dürfe. Julius bestätigte das.
"Außerdem wäre selbst der walisische Grünling zu wild für ein Haustier. Ich habe Fleur Delacour gegen dieses Tier antreten gesehen. Die brauchte vier Durchläufe, um einen Schlafzauber stark genug anzubringen, und die Drachenwächter mußten zu acht Mann gleichzeitig den Schocker draufhauen, um den Drachen wieder wegtransportieren zu können. Aber so'n fliegendes Pferd ist auch schön, wenn man so lange Beine hat wie Madame Maxime."
"Etwas mehr Respekt, Julius", mahnte ihn Madame Faucon. Doch Aurélie Odin sagte:
"Es klang nicht respektlos. Er hat eine objektive Feststellung geäußert, Blanche."
"Dann vielleicht doch die Flügelkühe. Pennie Latierre erzählte mir, die könnte acht Eimer Milch am Tag geben und sogar Wolle wie zwanzig Schafe auf einmal", warf Babette ein.
"Ja, und wenn sie eine Rüsselnase hätte, quieken und Eier legen würde wäre sie das universelle Nutztier", warf Julius gehässig ein. Seine Gastgeberin räusperte sich verhalten, Babette verzog das Gesicht und machte Anstalten, ihm die Zunge herauszustrecken. Doch ein schneller warnender Blick aus saphirblauen Augen trieb ihr das aus.
"Das fehlte noch, sich mit den Latierres wegen ihrer hochgezüchteten Statustiere zu verständigen", meinte Madame Odin und Madame Faucon nickte zustimmend. Babette fragte Julius, warum er denn einen Kniesel hätte, wo er doch auch in einem Muggelhaus wohne.
"Babette, ich hab's dir doch schon erzählt, daß mir der Kniesel nicht gehört, sondern nur zugelaufen ist und ich den nicht mit nach Paris nehmen darf, eben wegen dem Haus."
"Wegen des Hauses, Julius", korrigierte Madame Faucon. Madame Odin rümpfte kurz die Nase. Offenbar gefiel es ihr nicht, wie unerbittlich Madame Faucon mit ihm oder Babette umsprang. Doch sie wagte nicht, dazu was zu sagen.
Julius durfte dann die Geschichte mit Goldschweif erzählen, und das die Knieselin wohl gespürt hatte, daß Julius und Claire so miteinander verwandt waren, daß das Tier sie als Bruder und Schwester angesehen haben müsse. Babette giggelte belustigt. Dann irgendwann drehte sich die Unterhaltung um Sachen, die Julius nur bedingt und Babette überhaupt nicht verstand. Allerdings wurde das Thema Voldemort mit keinem Wort erwähnt, bis Madame Faucon Julius zu sich winkte und ihn flüsternd bat, Babette draußen zu beschäftigen. Julius verstand, daß die beiden Damen wohl gerne über die Lage in der Zaubererwelt sprechen wollten oder Sachen, die für Kinder überhaupt nicht geeignet waren. Er fragte Babette, ob sie sich ansehen wollten, wer nun alles im Dorf unterwegs sei. Sie nickte. Ihre Oma riet ihnen nur, nicht noch einmal zu den Latierres zu fliegen, weil sie keine Lust habe, heute einen ganzen Waschkübel Wäsche zu bearbeiten. Babette knurrte nur verstimmt und Julius mußte heftig schlucken, um die aufkommende Angenervtheit niederzuhalten. Er nahm Babette auf seinem Besen mit, während Madame Faucon und Odin sich über die wirklich wichtigen Dinge der Zaubererwelt unterhielten.
Mittlerweile waren tatsächlich mehr Gäste eingetroffen, einige davon sahen den Lumières ähnlich. Sie trafen im Gasthaus Caroline Renard, die in Schürze und Häubchen ihren Eltern beim Bedienen der Gäste half. Diese erwähnte nur kurz, Claire von ihr zu grüßen.
"Ich weiß nicht, ob die Lagranges kurz Zeit haben, Babette. Vielleicht kannst du einen echten Kniesel sehen", schlug Julius vor und flog mit ihr vor das Haus der Lagranges. Polonius Lagrange, der Star der Millemerveilles Mercurios, trainierte mit seiner Cousine Seraphine über dem Grundstück. Belisama kraulte ein weißes, schnurrendes Fellkissen auf ihrem Schoß. Als die beiden auf dem Ganymed 10 heranschwirrten, steckte die weiße Fellkugel ein großes Spitzohr heraus und streckte sich zu einem katzenartigen Tier mit einem am Ende bürstenartigen Schwanz, federte kurz durch und war von Belisamas Knien herunter. Julius landete.
"Wünsche wohl gespeist zu haben", sagte Julius zu den beiden Lagranges in der Luft.
"Selbes für ... Uuuu!" Polonius hatte den blauen Ball, der so groß wie ein Quaffel war voll in den Bauch bekommen.
"Hallo, Julius!" Rief Seraphine und ließ ihren Ganymed 8 schnell heruntergleiten. "Hat Königin Blanche euch nach draußen gescheucht?"
"In der Richtung, Seraphine", erwiderte Julius und erzählte kurz, wie der Vormittag verlaufen war. Babette fragte, ob das weiße Tier ein Kniesel sei. Belisama nickte.
"Eh, Julius. Wollen wir mal eins gegen eins trainieren?" Fragte Polonius Lagrange.
"Öhm, ich habe gerade drei Klopse mit so'ner merkwürdigen aber leckeren Soße eingeworfen. Müßte mich erst einmal aufwärmen, bevor ich schnelle Manöver fliege. Sonst fliegt mir alles oben wieder raus", erwiderte Julius.
Einige Minuten später lag Lauretta, Madame Lagranges Hauskniesel, wieder auf Belisamas Schoß, ließ sich aber auch von Babette streicheln, während Julius und Polonius auf ihren Ganymed 10 zwanzig Meter über dem Boden versuchten, sich gegenseitig auszumanövrieren oder den blauen Spielball zuzupassen. Seraphine machte die Schiedsrichterin. Die imaginären Tore lagen an der Ost- und Westbegrenzung des Lagrange-Anwesens, damit die beiden nicht andauernd in die Sonne starren mußten. Julius lernte immer besser, die Geschwindigkeit seines Besens besser zu nutzen, nicht zu schnell zu fliegen und gerade noch schnell genug für flotte Spielzüge zu sein. Natürlich war Polonius als Profi-Spieler gerissener und gewandter. Doch das Training mit einem Zauberer auf gleichgutem Besen gab ihm wohl mehr als das Spiel gegen seine Cousine auf ihrem überholten Besen, der an sich noch gut für Quidditch war, aber nicht so abrupte Wenden oder Spurts wie der Zehner hinlegen konnte. Die Eheleute Lagrange kamen in den Garten und sahen dem Treiben zu. Auch Elisa, Seraphines jüngere Schwester, gesellte sich zu den Zuschauern. Doch Babette schien nur Augen für die Knieselin zu haben, die nun auf ihrem Schoß lag und eingerollt vor sich hinschnurrte. Julius bekam davon nichts mit, weil er versuchte, so gut wie möglich zu sein. Doch einmal traf ihn der Übungsball voll an der Nase. Julius meinte, ein rechter Haken hätte ihn erwischt und sah rote Schlieren vor den Augen. Sein Kopf war durch den Treffer nach hinten geruckelt und schien jeden Sinn für Oben und unten verloren zu haben. Er schaffte es gerade noch, die Notlandungsfunktion des Besens aufzurufen, bevor die roten Schlieren zu einem roten Vorhang wurden.
Als er wieder klar sehen konnte, standen alle aus dem Haus und Babette mit besorgten Mienen um ihn herum. Madame Lagrange hatte schnell nach einem Heiler gerufen, und Madame Matine war erschienen. Sie besah sich Julius Nase, hantierte mit ihrem Zauberstab daran und wischte ihm das herausgequollene Blut von Mund und Kinn. Sie untersuchte seine Zähne und den Kopf und meinte:
"Gut, daß es nur ein Quaffel war, Junge. Ein Klatscher hätte dich erst einmal für einen Tag aus dem Spiel genommen. So, und jetzt inhalierst du das hier dreimal kräftig!" Sie hielt Julius ein kleines Gefäß mit dampfendem Inhalt unter die Nase. Er sog die Dämpfe tief ein. Einmal. Die letzten Schmerzen verschwanden aus seiner Nase. Zweimal. Sein Kopf wurde merklich frei. Dreimal. Er fühlte sich wieder ganz wohl.
"So, und jetzt trinkst du hier von einen Schluck!" Wies sie Julius an und gab ihm einen kleinen Becher in die Hand. Er dachte nicht lange darüber nach, sondern schluckte was immer es war hinunter. Madame Matine untersuchte noch seinen Nacken und seine Wirbelsäule, ob vielleicht doch ein feiner Bruch entstanden war, lächelte dann erleichtert und sagte:
"Alles wieder klar, Julius. Ich habe alle Verletzungen und Beeinträchtigungen beseitigt. Versuch aber bitte beim Spielen etwas besser aufzupassen! Das gilt auch für dich, Polonius! Deine Mannschaft bezahlt dich nur weiter, wenn du bei offiziellen Spielen Unfälle erleidest und nicht außerhalb des Spielfelds."
Julius witterte den Hauch von Kuhstall, den Madame Matine verströmte.
"Waren Sie länger bei den Latierres?" Fragte er.
"Nur so viel: Ich hatte schon kooperativere Patientinnen als Madame Latierre. mehr fällt unter die Schweigepflicht. Angenehmen Tag noch", erwiderte die Heilerin und disapparierte.
"Und, schon genug vom Spiel?" Wollte Polonius Lagrange wissen.
"Nöh, kann weitergehen", sagte Julius und saß kampflustig auf seinem Besen auf.
Die nächsten zwanzig Minuten tobten sich der Profi und der Amateur über dem Garten der Lagranges aus, bis beide müde genug waren, um das Training zu beenden, daß für Julius eine Serie von Gegentoren und für Polonius eine schöne Vergleichsübung war.
Im Garten der Lagranges saßen sie noch bis drei Uhr und unterhielten sich über Kniesel. Tatsächlich war Lauretta wohl mit Maximilian, Laurentines Kater, zusammen gesehen worden, und Madame Lagrange vermutete, daß die Knieselin in drei Monaten vier Junge kriegen würde. Aber genaueres mußte sie noch abwarten oder untersuchen lassen.
"Goldschweif hat Maximilian aus unserem Schlafsaal gescheucht", wußte Julius einzuwerfen. "Ich dachte, Kniesel würden nur selten mit gewöhnlichen Katzen zusammenkommen."
"Du weißt ja, daß Lauretta mehr Ordinärkatzenanteile in sich hat als deine Goldschweif. Abgesehen davon war sie gerade rollig, und hat genommen was paßte", lachte Madame Lagrange. "Wir werden erleben, ob was dabei herumkam."
"Ich hoffe, Sie stellen das Laurentine nicht in Rechnung", sagte Julius.
"Nein, werde ich nicht. Immerhin hätte ich ja Lauretta im Haus halten müssen. Aber ihr Gejammer und Gemaunze war mir zu laut. Tja, dann kommt sowas von sowas."
"Oha, da kriege ich ja dann auch noch Spaß mit, wenn Goldschweif mir vorsingt, daß sie einen Kater zum Spielen haben will", stöhnte Julius. Babette, die das Zaubertier immer noch streichelte, fragte, ob sie dann eins von den Knieseljungen kriegen könne, weil das dann bestimmt weniger wie ein anderes Tier aussah."
"Das klärst du erst mit deiner Maman und der Tierwesenabteilung", sagte Madame Lagrange. "Andererseits hat meine Nichte auch schon Interesse bekundet." Belisama nickte.
"Andere haben gewöhnliche Katzen. Eine Katzen-Kniesel-Kreuzung wäre doch genial, noch dazu wenn der Vater Bébés Kater ist."
"Allemal besser als eine Latierre-Kuh", grinste Julius.
"Muh! Ich habe mir das Biest von denen kurz nach dem Mittagessen angesehen. Dagegen sind die Abraxarieten in Beauxbatons ja dürre Mähren", sagte Polonius. "Die vollschlanke Chefin der Truppe wollte mich sogar schon mit einer Tochter von ihr verkuppeln, Béatrice."
"Die ist kindersüchtig", grinste Julius. Babette meinte:
"Die sagte was von einem Ofen, in dem man noch backen könnte, solange der heiß ist."
Erst trat stille ein. Dann fing Polonius zu lachen an, während Belisama den Witz nicht zu verstehen schien und Seraphine überlegte, ob sie jetzt entrüstet, amüsiert oder betreten sein sollte. Auch Monsieur Lagrange lachte. Seine Frau schien um Fassung zu ringen. Dann sagte sie:
"Das ist ja schon sehr eindeutig. Ich hoffe, du erzählst sowas nicht deiner Großmutter. Das würde sie zwar nicht in ihrer Meinung über die ländlichen Latierres umstimmen, aber sie doch böse machen."
"Denke ich auch", sagte Julius. "Irgendwie ist die gewichtige Dame sehr locker drauf."
"Oh, bestimmt auch drunter", warf Polonius gehässig ein. Babette sah ihn fragend an, doch Madame Lagrange räusperte sich und wies ihren Neffen zurecht, nicht so abfällig daherzureden.
"Noch mal zu den Knieseln, Babette und Belisama", brachte Monsieur Lagrange das Gespräch auf ein gepflegteres Thema zurück. "Babettes Mutter muß dem zustimmen und einen Antrag beim Tierwesenbüro einreichen. Die prüfen dann, wie das gewünschte Tier aussieht und ob es für Muggel als gewöhnliche Katze durchgehen kann. Falls nicht, dann geht's nicht. Du Belisama mußt natürlich deine Eltern fragen, ob du so ein Tier haben darfst. Falls ja, dann ist das wohl kein Problem."
"Wo sind denn deine Eltern gerade?" Fragte Julius zu Belisama gewandt.
"Die sind gerade unterwegs im Umland, noch innerhalb des Begrenzungsdomes,Julius", erwiderte Belisama Lagrange.
Nachdem sie sich noch etwas über die noch eintrudelnden Gäste unterhalten hatten, kehrten Julius und Babette zum Haus von Madame Faucon zurück. Julius' Mutter war immer noch nicht da. Der fliegende Teppich lehnte zusammengerollt an der Wand im Flur. Madame Odin schlug vor, Julius mit zu Claires Geburtstagsparty zu nehmen. Da Babette nicht eingeladen worden war, war sie entsprechend quängelig, als ihre Oma sie dazu antrieb, ihr zu zeigen, wie schnell sie bereits lesen konnte. Julius zog sich derweil einen tulpenroten Umhang an. Er erbat sich von Madame Faucon rosarotes Seidenpapier und mühte sich ab, den Mondkraftgürtel und die Schachtel mit den zwei Centinimus-Bücherschränken darin einzupacken. Madame Odin sah ihm eine Minute dabei zu. Dann nahm sie ihren Zauberstab, winkte kurz damit und sagte "Fascio!" Julius konnte nur noch die Finger wegziehen, sonst wären sie im plötzlich lebendig gewordenen Papier fest eingewickelt worden, das sich rasant, raschelnd und faltenfrei um den Gürtel legte. Mit einem kurzen Stubser gegen das Paket erschien ein rosarotes Band, das sich blitzschnell um das ganze Geschenk schnürte und in einer kunstvollen Schleife zusammenknotete.
"Warum alles so kompliziert?" Meinte Madame Odin. Dann fragte sie, was es genau sei. Julius erzählte ihr was von einer Bastelei, die er nach Angaben aus einem Zauberkunstbuch über die Kräfte des Mondes hinbekommen hatte.
"Jetzt weiß ich, warum sich Camille und Florymont darum zanken, wer dich mal weiter ausbilden darf", sagte sie lächelnd.
"Madame Latierre", konterte Julius frech.
"Mal den Feuerdschinn nicht an die Wand, Julius. "Du bist eher ein Kopf- und Kunstmensch, während ... welche Madame Latierre meinst du denn überhaupt?" Sie mußte nun lachen, weil sie Julius ohne einen Tadel verunsichert hatte.
"Muß ich mir noch aussuchen. Auf jeden Fall eine Madame."
"Wird Claire freuen, daß du keine Mademoiselle erwähnst", erwiderte Madame Odin. Dann drückte sie Julius in ihre Arme. Er fühlte sich dabei nicht sonderlich behaglich. Sie merkte das und gab ihn wieder frei. Dann winkte sie ihm, mit seinem Geschenk hinter ihr herzugehen.
"Das Fest ist bis elf angesetzt, Blanche. Ich bringe Ihnen den Jungen dann wieder heim", sagte Claires Großmutter zu Madame Faucon, die zusah, wie Babette etwas aufschrieb. Die Lehrerin nickte, das Hexenmädchen verzog das Gesicht. Madame Faucon stand auf und ging kurz hinauf, während Madame Odin und Julius den zusammengerollten Flugteppich aufhoben, hinaustrugen, die Tür schlossen und das orientalische Zauberkunstwerk sich von alleine ausbreiten ließen. dann betraten Julius und seine Teppichpilotin den Regenbogenprinzen. Sie blieben beide stehen, während Madame Odin ein Kommando ausrief und dabei ihren Zauberstab reckte. Übergangslos stürzte die Landewise unter ihnen weg und zog das Haus mit sich hinunter. Alles schrumpfte in Sekunden auf Spielzeuggröße zusammen. Julius hatte nicht das leiseste Gefühl, aufzusteigen. Er stand auf dem bunten Stoffrechteck, das nun wie eine dicke Matratze federte. Die Fransen des Teppichs bewegten sich, während er seine zwei Reiter über die Dächer von Millemerveilles dahintrug. Julius hörte den Wind in den Teppichfransen spielen, fühlte jedoch nur eine sanfte Brise.
"Ich sag es jedem, der was von magischer Fliegerei zu verstehen meint, daß die Magier des Ostens bessere Flugapparate zu Wege bringen als die im Westen. Ich habe vor kurzem sogar in China eine Dschunke, also ein dort übliches Schiff, als Fluggerät kennengelernt und in Indien bin ich mit einem Zauberer mal auf dessen bezaubertem Holzpferd durch die Luft geritten."
"Das fliegende Holzpferd? Habe ich mal von gehört. Kommt in einer Märchensammlung vor", sagte Julius.
"Von denen einige auf überlieferte Erlebnisse mit echter Magie zurückgehen und andere starke Übertreibungen sind", sagte Madame Odin. Julius wollte schon fragen, ob sie kurz bei den Delamontagnes vorbeifliegen und Laurentine mitnehmen könnten. Doch da fiel ihm ja ein, daß die ja alleine fliegen sollte.
Innerhalb einer Minute sauste der Regenbogenprinz von Madame Faucons Haus zum großen Anwesen der Dusoleils hinüber. Auf dem Punkt über der Landewiese anhaltend sank der Teppich rasch hinunter. Julius fragte noch, was für Zauberwörter das waren.
"Das ist Altpersisch, wie sie es vor zweitausend Jahren benutzt haben, in der für die Magie vorgesehenen Abwandlung. Ähnlich wie die westlichen Zauberstücke, die einer Abänderung lateinischer Laute entsprechen, haben die Perser ihre Zauber mit abgewandelten Wörtern aus einer alten Form ihrer Sprache erstellt und mit den magischen Symbolen verbunden, die sie für feststehende Zauber benutzen. Allerdings ist das Erlernen der Magie dort langwieriger, und alte Meister suchen sich nur alle fünf Jahre einen Lehrling oder zwei. Zauberschulen wie Beauxbatons oder Hogwarts gibt es dort nicht. Das gilt auch für arabische Länder. In Indien, China und Japan gibt es dann wieder Stätten der magischen Gelehrsamkeit."
Sie stiegen vom Flugteppich herab. Madame Odin ließ ihn zusammenrollen und schickte Julius vor, er solle durch die Haustür gehen.
"Tritt ein, o Gast! Genieß' die Rast!" Begrüßte ihn eine magische Stimme beim Öffnen der Tür. Claire saß wieder auf dem roten Empfangsstuhl, wie vor zwei jahren schon und wie er letztes Jahr an seinem Geburtstag. Sie stand auf und begrüßte ihn innig. In ihren Armen fühlte er sich wesentlich wohler, erkannte er. Dann brachte er sein Geschenk ins Wohnzimmer, wo er die schwarze Leere in der Wandelraumtruhe damit fütterte. Unheimlich war es ihm immer noch, wie etwas im gähnenden Nichts verschwand. Doch Claire konnte alles was da hineingeworfen wurde wieder herausfischen, wußte er.
"Ich bekam heute Morgen ein Bild zugeschickt, das Viviane Eauvive in einer grasgrünen Ballrobe und einem weißen Hexenhut zeigt", flüsterte Claire Julius zu. Dieser stutzte. Wieso hatte Claire nun auch ein Bild von Viviane?
"War da ein Brief bei?" Fragte er.
"Ja, von Madame Antoinette Eauvive", sagte Claire. "Sie schreibt, daß ich mich geehrt fühlen soll, daß ich ein Mitglied dieser großen Familie sei und ich Vivianes Bild wohl auch gut gebrauchen würde", erwiderte Claire und fragte Julius, was ihn daran so erstaunt hatte. Er erzählte ihr dann, daß er auch ein Bild von Viviane Eauvive bekommen habe.
"Hmm, dann werden wohl alle Nachfahren der Eauvives ein Bild von ihr gekriegt haben. Interessant."
"Was machst du mit dem Bild?" Fragte Julius.
"Ich hänge es hier auf, wie Oma Aurélie es vorgeschlagen hat. Was machst du mit deinem?"
"Hänge ich wohl auch in meinem Zimmer in Paris auf oder im Wohnzimmer, damit sie mich nicht dauernd überwachen kann", flüsterte Julius.
"Hmm, könnte zwar sein, aber ich darf das Bild nicht im Wohnzimmer hinhängen, sagt Oma."
"Dann kann sie dir ja beim Schlafen zusehen, Claire", flachste Julius.
"Ist mir nicht so recht, Juju, aber anders wohl nicht machbar", flüsterte Claire. Dann nickte sie Julius zu und ließ seine Hand los. Das war für ihn das Zeichen, zu den Festgästen hinauszugehen.
Wie schon zweimal miterlebt war die Geburtstagstafel im Garten gedeckt. Claire begrüßte ihre Großmutter, die ihr Geschenk bereits am Morgen in die Truhe geworfen hatte. Außer Julius waren Céline, Sandrine, Belisama, Laurentine, Jasmine, Gérard, Robert, Clement und Dorian die nicht zur Familie gehörenden Gäste. Laurentine saß bereits auf dem Stuhl links neben Céline und klagte ihr das Leid, daß sie widerwillig auf einem Besen hergeflogen war. Madame Delamontagne unterhielt sich noch mit den Eheleuten Dusoleil und flog dann auf ihrem Ganymed 10 davon.
Von den Brautjungfern war nur Melanie Odin anwesend, zusammen mit ihrem Bruder Argon, der sich mit Jeanne über Quidditch unterhielt.
Claire brachte Julius zwischen Laurentine und sich selbst unter. Sie bedankte sich laut bei ihren Gästen, daß sie alle erschienen waren und begrüßte noch mal ihre Großeltern mütterlicherseits, die bei den Dusoleils saßen. Dann wurden Kaffee und Kuchen auf den Tisch gezaubert. Claire durfte unter Beifall die vierzehn Kerzen auf der großen runden Geburtstagstorte ausblasen. Dann bemächtigte sich gefräßiges Schweigen der Festgesellschaft.
Irgendwann zwischen Schwatzen und Diskutieren, Nachrichtenweitergabe und Meinungsvergleichen fragte Claire Julius, ob der Teppich nun besser sei als ein Besen. Er mußte zugeben, daß ihn der Regenbogenprinz schon beeindruckte. Dann wollte sie wissen, was seine Mutter und Babette machten. Er erzählte, daß Babette schmollte, weil sie nicht eingeladen worden war und seine Mutter wohl in der Schachwelt verlorengegangen sei. Laurentine sah Claire fragend an. Sie nickte.
"Ich habe heute morgen auch mal gegen Madame Andrews gespielt. Nach fünf Minuten war ich aus dem rennen." Dann flüsterte sie, das nur Julius es hören konnte: "Aber dafür hat mich deine Mutter ganz kurz mit meiner Mutter sprechen lassen. Ich habe ihr erzählt, mir ginge es gut, und abgesehen von Leuten, die meinten, mir alles doppelt und dreifach vorbeten zu müssen wäre ich hier gut aufgehoben. Madame Delamontagne spielte in der Zeit gegen die englische Lady. Beinahe hätte uns Virginie erwischt. Aber nur beinahe."
"Und, was läuft bei euch zu Hause?" Fragte Julius flüsternd zurück.
"Was du und die anderen schon gesagt haben. Unsere Anwälte sind gegen eine Gummiwand gerannt, weil sie keine Handhabe fanden. Es wäre fast soweit gekommen, daß Papa auf seinen Geisteszustand untersucht worden wäre. Er mußte alles zurückziehen. War teuer und sinnlos die Aktion."
"Heh, was gibt's da?!" Flüsterte Claire Julius ins linke Ohr.
"Muggelkram, den Bébé mir zuflüsterte, damit hier nicht gleich jeder dumm labert", flüsterte Julius zurück.
"Aja", erwiderte Claire und lächelte ahnungsvoll.
"Meine Maman hat sich die Faxnummer geben lassen, über die Muggelstämmige Briefe zum Vereulen schicken können. Könnte also passieren, daß ich demnächst sogar Post kriege", flüsterte Laurentine noch, bevor Céline sie am Saum ihrer hellblauen Bluse zupfte und fragte, was da gerade vorging. Laurentine erzählte ihr was von Vergleichen zwischen Millemerveilles und ihrem noblen Wohnviertel in Vorbach an der französisch-deutschen Grenze.
"Ich war mal im Paris der Muggel. Einmal und so schnell nicht wieder", stöhnte Céline. "Diese Stinkewagen, die laut und rücksichtslos herumfahren, die Menschen immer in Hektik. Lärm, Gestank und Hundehaufen. Sei froh, daß du hier Ferien machen darfst, Bébé."
"Ich muß auch sagen, ich bin wohl zu verwöhnt von der frischen Luft hier oder in Beauxbatons", sagte Julius laut, um weitere Anfragen endlich abzublocken. "Wenn ich in Paris vor die Tür gehe, glaube ich, die Luft bliebe mir weg. Es dauert dann immer, bis ich normal atmen kann."
"Da kannst du sehen, daß die Muggel die ganze Luft vergiften. Das kann doch nicht in Ordnung sein", maulte Robert, rechts von Céline. Um das leidige Thema Muggel und ihre Maschinen schnell wieder zu beenden kamen Claire und Julius wieder auf die verschiedenen Zaubergegenstände zurück. So verflog die Zeit, bis Claire ihre Geschenke aus der Wandelraumtruhe fischen und auspacken durfte. Jetzt kam für Julius die Stunde der Wahrheit. Würde Claire von ihren Eltern die Feuerperlenkette bekommen?
Sie bekam von Laurentine eine selbstgemachte Tontasse mit eingeritzten Mustern von Kräutern. Céline und Robert hatten zusammengelegt und Claire die Enzyklopädie europäischer Heil- und Giftpflanzen in zwanzig Bänden besorgt. Als Claire das Paket ihrer Großeltern öffnete fand sie eine Schmuckschatulle mit Silberketten, -ringen und Armbändern vor. Daneben war noch das Buch über die Magien des Morgenlandes beigefügt. Von den übrigen Schülern bekam sie Porzellanfiguren, Strickzeug und diverse andere Bücher. Als sie das Paket von ihren Eltern öffnete, lag darin ein dickes Buch über magische Nutzpflanzen von ihrer Mutter und ein silberner Kasten mit merkwürdigen Symbolen. Julius atmete innerlich auf. Die Feuerperlenkette war nicht dabei. Claire erkundigte sich, was dieser Kasten machte, weil sie ihn noch nicht kannte.
"Das ist ein Allbereitsteller, Claire. Was immer du in ihn hineinlegen kannst, wird, sofern es nicht bezaubert ist, als Ausgangsding für einen Multiplicus-Zauber erkannt. Du kannst darin zweihundert verschiedene feste, nichtbezauberte Dinge vormerken. Du mußt nur sagen, was es ist. Dann nimmst du es wieder heraus, legst es zu deinen üblichen Sachen und legst das nächste Ding hinein, um es vorzumerken. Wenn du alle Dinge vorgemerkt hast, die du egal wo mal brauchen könntest, schließt du den Kasten und sagst ihm das Wort "Expectato" Dann verschwindet es. Wenn du irgendwas von den Vorgemerkten Dingen brauchst, nimm den Zauberstab und sage "Appareto" zusammen mit dem Wort für das, was du gerade brauchst. Der Kasten geht auf und der benötigte Gegenstand ist für dich bereit. Du kannst natürlich auch mehrere vorgemerkte Dinge auf einmal anfordern. Es gilt jedoch, daß alle Gegenstände, die du so herbeigerufen hast, in dem Moment verschwinden, in dem du den Kasten wieder zurückschickst", sagte Monsieur Dusoleil.
"Kommt der denn durch Apparitionsmauern?" Fragte Monsieur Odin.
"Das ist eine Autoteleportationsmagie, die dem Zauberkundigen, dessen Stimme ihn geprägt hat, wie bei einer direkten Materialisation den Gegenstand bringt. Ich habe das so hinbekommen, daß eine Apparitionsmauer dieses Ding durchläßt. Dafür mußte ich mich jedoch verpflichten, es nur in einer kleinen Stückzahl herzustellen. Insgesamt gibt es zehn Stück. Zwei haben die Grandchapeaus, zwei bekommen Jeanne und Bruno, zwei werden Barbara und Gustav kriegen und drei habe ich an honorige Kunden in Frankreich verkauft. Wie gesagt, Claire, du darfst darin bis zu zweihundert Dinge vormerken, die nicht bezaubert sind. Legst du doch einen Zaubergegenstand hinein, wird er zwar vorgemerkt, verliert dann aber seine magischen Eigenschaften, genauso wie die zeitweilige Kopie, die du benutzen kannst. Ging nicht anders, Claire."
"Da ist mein Brustbeutel doch besser", frohlockte Julius innerlich. Immerhin konnte er da auch sehr viel hineinlegen, ohne daß dieser schwer und prall wurde. Ansonsten aber praktisch für Mädchen, die Schminkzeug, Nagelpflegesachen oder Haarbürsten brauchten. Allerdings war der Kasten gerade einmal so groß wie ein Benzinkanister. Aber Krimskrams, den man nicht immer mitnehmen wollte oder konnte, könnte man damit schon herholen, ja sogar Bücher. Doch als Claire Julius Paket öffnete, fand sie eine bessere Unterbringung für Bücher und den magischen Mondkraftgürtel. Julius erklärte der sich überschwenglich freuenden Junghexe, was er, nachdem er sich eine Zeit lang genau damit befaßt hatte, gezaubert hatte. Sie probierte die Zaubersachen auch sofort aus. Mit dem Allbereitsteller merkte sie sich das nichtmagische Kosmetikzeug vor, daß sie bekommen hatte, die Schreibsachen und dies und jenes, was sie sonst so brauchte, wie einen Taschenspiegel, Kamm und Bürste, Parfum und Nagellack und so weiter. Dann sprang sie mit Julius, Laurentine oder anderen unter dem Einfluß des Gürtels hoch in die Luft und drehte Pirouetten, bevor sie wieder landete und aufpassen mußte, nicht wieder hochgeschleudert zu werden, weil ihre Füße ihr normales Gewicht abfederten und damit fünfmal zu viel Kraft auf den Boden brachten.
"Graviterras!" Rief sie, die Hand an der Schließe. In sechs Sekunden kehrte die übliche Schwere zurück.
Julius wurde gefragt, woher er die Idee hatte. Er holte das Buch über die hellen und dunklen Seiten des Mondes heraus. Denn tatsächlich hatte er gestern abend noch das Kapitel darin gefunden, das die Herstellung des Gürtels beschrieb.
"Immerhin was gut umgesetztes", meinte Monsieur Tiberius Odin. "Das ist ja auch wichtig für einen Praktiker."
Nach dem üppigen Abendessen führte Claire die Bilder der Laterna Magica vor, von denen sie zu Weihnachten noch fünfzig mehr bekommen hatte, darunter eine Winterlandschaft mit einem Eisbären, einem Hexentanz wie bei Walpurgis und einen Ball in einer Burg, alles mit Geräuschen unterlegt, wie die ersten dreißig Bilder. Dieser Ball bot die Vorlage für den Tanz in den Abend. Zwischendurch stieg Aurélie Odin mit drei wagemutigen Gästen pro Runde auf ihrem Teppich auf und vollführte über dem Garten kurze Tänze. So verflog der Abend, und als es auf elf Uhr zuging, verabschiedete sich Claire von ihren Gästen, die nicht im Dusoleil-Haus wohnten, besonders innig von Julius.
"Schöne Geschenke, Juju. Das mit der Bibliothek wird meine Schultasche endlich mal leichter machen, und der Gürtel ist ein schönes Ding für Kunstsprungübungen oder lange Laufstrecken mit schweren Sachen." Julius verschwieg ihr, daß er den Gürtel im Austausch mit der Feuerperlenkette eingehandelt hatte. Seine Mutter hatte recht behalten. Die Dusoleils hatten ihn nicht in aller Stille gedemütigt.
Madame Odin brachte mit dem Regenbogenprinzen Laurentine und Julius zu ihren Gastquartieren. Als Julius seine total erschöpfte Mutter in der Wohnküche antraf erzählte er ihr seinen ganzen Tag, von der zweiten Begegnung der dritten Art bei der Landung der Latierres bis zu Claires Geburtstagsfeier, und das sie sich über das Ersatzgeschenk, von dem sie natürlich nicht wußte, daß es eines war, sehr gefreut hatte.
Müde vom langen Tag gingen Mutter und Sohn zu Bett.