Da nicht alle aus Hogwarts in die Ferien gefahren waren, fanden sich am Gleis 9 3/4 nur ein Viertel soviele Schüler ein, wie bei Schuljahresbeginn. Julius Andrews, der sich von seiner Mutter zum Bahnhof hatte bringen lassen, fand Gloria Porter sehr schnell. Sie stand noch bei ihren Eltern und einer untersetzten Frau mit graublonden Haaren, die ein buntes Blumenkleid und einen kleinen runden Strohhut trug.
"Huhu, Julius!" Rief Gloria ungeniert über das Gleis. Julius lief leicht rot an und beeilte sich, seinen Schulkoffer zu Gloria hinüberzuschaffen.
"Hallo, Gloria. Mußte das denn sein, daß du mich auf dem ganzen Bahnhof ausrufst?" Begrüßte Julius die Schulkameradin.
"Wieso, das hört doch keiner außerhalb der Barriere", erwiderte Mrs. Porter lächelnd. "Sonst müßten sie ja auch die Lokomotive hören können, wenn sie anzieht."
"Mag sein, Mrs. Porter. Ich wollte auch nicht böse sein, sondern nur fragen, warum sie nicht warten konnte."
"Warum nicht?" Fragte Gloria. Dann deutete sie auf die Dame im bunten Kleid.
"Das ist meine Großmutter väterlicherseits, die aus New Orleans stammt, wo sie im Laveau-Institut zur Abwehr von Flüchen arbeitet. Darf ich vorstellen, Mrs. Jane Porter, Julius Andrews, ein Klassen- und Hauskamerad von mir."
"Angenehm", bekundete Julius höflich. Die Untersetzte Hexe erwiderte den Gruß.
"Es freut mich, daß Gloria so schnell gute Freunde in Hogwarts gefunden hat", fühgte Jane Porter mit starkem amerikanischen Akzent hinzu. Julius mußte sich beherrschen nicht zu erwidern, daß die Dame nicht glauben sollte, er hätte was mit Gloria. Dafür hielt er sich noch für zu jung.
"Mein Mann, mein Bruder, seine Frau und ich kamen mit dem fliegenden Holländer hierher."
"Häh, dem Geisterseefahrer auf ewiger Fahrt? Ich dachte, der fährt immer um irgendein sturmumtobtes Kap herum", wunderte sich Julius.
"Nicht doch, Honey. So heißt nur der Schnellsegler für interkontinentalreisende Zauberer und Hexen, die viel Gepäck mitnehmen müssen und daher nicht mit Flohpulver oder Langstreckenbesen reisen können", lachte Mrs. Porter, die Oma von Gloria.
"Entschuldigung, Madam. Ich kenne mich nicht aus mit den Fernverkehrsmitteln der Zaubererwelt."
"Seine Eltern halten nichts von Besen, Flohpulver und magischen Fahrzeugen", erklärte Gloria ihrer Großmutter.
"Wie denn das. Apparieren die nur?"
Jetzt mußten sie alle lachen, Gloria, ihre Eltern und Julius Andrews. Julius meinte nur:
"Neh, können die gar nicht. Sie sind keine Zauberer."
"Himmel, das wußte ich nicht, Mein Junge. Dann hast du es bestimmt nicht einfach mit Hogwarts."
"Wenn dem so wäre, würde ich jetzt nicht dahinfahren", warf Julius frech ein, lächelte dabei jedoch wie ein Kind, daß will, daß ihm keiner böse ist.
"Genau, Granny, und deshalb steigen wir jetzt in den Zug ein", beendete Gloria die kurze Debatte. Julius nickte und sagte nur "Yepp!"
Als Gloria und Julius in den zweiten Wagon hinter der Lok stiegen, trafen sie Pina, Gilda und Kevin. Pina sagte zu Julius:
"Betty und Jenna sitzen zwei abteile hinter der zweiten Zusteigetür. Sie haben schon nach euch beiden gefragt, Gloria und Julius."
"Alles klar, Pina, danke", erwiderte Gloria und zog Julius wie beiläufig hinter sich her.
"Hey, Julius! Wetten wir auf das Finale?"
"Ich wette nicht gegen jemanden, der hofft, daß die Slytherins den Pokal holen", meinte Julius. Kevin grummelte und sagte dann:
"Idiot! Diese Unverschämtheit würde ich mir nie leisten. Ich wollte nur wetten, wie groß der Punktevorsprung für Gryffindor sein wird."
"Zweihundertzehn", sagte Julius trocken.
"Gut, die zweihundert muß ich wohl akzeptieren, weil die Gryffindors den Pokal sonst nicht kriegen. Dann sage ich zweihundertzwanzig", äußerte Kevin Malone.
"Um was wetten wir?" Wollte der wettlustige Junge mit der rotblonden Haartracht wissen.
"Muß ich mir noch überlegen", sagte Julius, der nicht wollte, daß der halbe Zug es mitbekam.
Pina, Gloria, die Hollingsworth-Zwillinge, Gilda und Julius besetzten wieder ein Abteil, während Kevin und Fredo sich mit den Hufflepuff-Jungen aus der ersten Klasse zusammensetzten.
"Schon wieder bin ich der Hahn im Korb", dachte Julius, als er die fünf Mädchen ansah. Er half ihnen, ihre Koffer in die Gepäcknetze zu wuchten und staunte über Glorias Eulenkäfig.
"Wo ist denn deine Eule jetzt, Gloria?" Wollte Julius wissen.
"Trixie hat einen Auftrag zu erledigen. Sie kommt nach Hogwarts. Alle Posteulen wissen, wo das ist. Warum schenken dir deine Eltern keine Posteule? Der könnten sie auch diese elektronischen Briefe mitgeben, die du kriegst."
"Meine Eltern wollen mir keine Eule schenken. Und ich will nicht, daß sie meine elektronische Post lesen, wenn sie sie ausdrucken lassen", antwortete Julius.
"Hast du überhaupt was bekommen?" Fragte Gilda ungeniert. Julius meinte nur:
"Zu Ostern kriege ich nur Süßkram. Schokolade und so'n Zeug. Wir hatten Besuch von einer Familie mit einer kleinen Tochter. Die hat einen Zauberwürfel bekommen."
"Huch! Einen Zauberwürfel?" Wunderte sich Pina.
"Das ist ein Spielzeug, ohne Magie. Ein Würfel, der aus vielen kleinen Würfeln zusammengebaut ist, die sechs unterschiedliche Farben haben. Sie sind Verdrehbarangebracht und müssen so hin und hergedreht werden, daß der gesamte Würfel auf jeder Seite eine dieser sechs Farben zeigt", erklärte Julius.
"Und warum heißt das Ding dann Zauberwürfel?" Fragte Gilda Fletcher.
"Weil viele glauben, daß man ihn nur durch Hexerei so hinbekommen kann", erwiderte Julius.
Ruckelnd fuhr der Hogwarts-Express an. Gloria verabschiedete sich noch durchs geöffnete Fenster von ihren Verwandten. Dann winkten Gilda, Pina und die Hollingsworths noch nach draußen. Julius schluckte. Seine Mutter stand hinter der magischen Barriere und sah ihn nicht. Für sie war der Bahnsteig nicht zu betreten.
"Heh, was guckst du so trübsinnig in die Landschaft, Julius?" Fragte Pina.
"Nichts. Ich habe nur daran gedacht, daß meine Eltern mich nicht direkt an den Zug bringen können. So kriegt meine Mutter ja nicht mit, wenn ich losfahre. Wahrscheinlich hat sie sich schon auf den Heimweg gemacht, als ich durch die Sperre ging."
"Achso. Verstehe ich", sprach Pina. Aus einem der Nachbarabteile hörten sie Fredo, Kevin und die Jungen aus der ersten Klasse von Hufflepuff laut lachen und mit den Füßen stampfen.
"Die haben sich wohl den Witz der Woche erzählt", grinste Julius und ließ sich auf einen Sitz rechts von Gloria nieder. Die Hollingsworths saßen ihm gegenüber.
"Wie war denn diese Familie sonst so?" Flüsterte Gloria Julius ins Ohr.
"Meine Mutter hat nichts außergewöhnliches bemerkt."
"Aha", sagte Gloria laut.
"Habt ihr was geheimes ausgetüftelt. Dann halten wir uns die Ohren zu", meinte Betty Hollingsworth.
"Neh, nichts von Belang. Gloria wollte nur wissen, ob ich das Buch dabei habe", erwiderte Julius spontan.
"Was denn für ein Buch?" Fragte Jenna.
"Ein Sprachlernbuch für Französisch", ging Gloria auf Julius Ausrede ein.
"Wozu brauchst du denn sowas?" Wollte Betty wissen.
"Man kann nie wissen", meinte Gloria vieldeutig.
"Apropos. Habt ihr das auch gelesen, was in der Osterausgabe der Hexenwoche stand?" Fragte Pina Watermelon. Julius wandte sich ihr zu und schüttelte den Kopf.
"Ich lese keine Hexenwoche. Stand da was interessantes drin?"
"Aber gewiß doch. Eine Lehrerin der französischen Akademie Beauxbatons hat die Ferien genutzt, um das Leben englischer Muggel kennenzulernen. Sie ist mit ihrer Tochter und deren Familie herübergekommen und wollte einige Tage testen, ob die Muggel wirklich künstlich verunreinigte Sachen essen", gab Pina kurz wieder, was Gloria Julius schon längst vorgelesen hatte.
"Und, ist sie vergiftet worden?" fragte Julius mit gelangweilt klingender Stimme.
"Stand noch nicht drin", erwiderte Gloria.
"Sie wird sich wahrscheinlich nicht gerade wohlwollend auslassen, wenn sie das nächste Interview gibt", bemerkte Gilda Fletcher. "Muggel verpanschen ihre Nahrung derartig mit künstlichen Farben und Geschmacksstoffen, daß sie bestimmt den Untergang der Muggelwelt vorhersagen wird."
"Na hör mal! Ich bin mehr als zehn Jahre lang mit Muggelnahrung gefüttert worden und lebe immer noch", fühlte sich Julius verpflichtet, dem zu widersprechen, daß die Nahrung seiner Eltern sie eines Tages umbringen würde.
"Sei froh, daß du bei uns anständiges Essen kriegst. Dann bleibt dir der Sondermüllplatz erspart", wandte Gloria ein und grinste gehässig.
"Haha!" Machte Julius und schwieg erst einmal.
Betty brach das Schweigen nach fünf Minuten, in denen nichts als das Rattern der Räder auf den Schienen und das kraftvolle Schnaufen der Lok, sowie lautes Gelächter aus dem Abteil von Fredo und Kevin zu hören war, indem sie fragte:
"Glaubt ihr, daß Gryffindor den Pokal noch bekommt?"
"Nur wenn sie den Punkteabstand immer auf fünfzig halten und Harry Potter den Schnatz fängt", antwortete Gilda. Gloria sagte:
"Der Junge kann einem leid tun. Im Grunde muß er Draco Malfoy vom Schnatz fernhalten und diesen dann noch selbst fangen, wenn seine Mannschaft fünfzig Punkte Vorsprung herausgespielt hat. Nachdem, was Cho und Padma gesagt haben, ist Wood ein fanatischer Quidditchspieler. Außerdem ist da noch diese bekannte Feindschaft zwischen Potter und Malfoy."
"Nur, daß die Slytherins drei Viertel aller Zuschauer gegen sich haben werden, weil niemand aus den anderen Häusern ihnen den Pokal gönnt", bemerkte Julius und fügte hinzu, daß viele Fußballpartien dadurch entschieden wurden, daß ein überwiegender Teil der Zuschauer einer Mannschaft durch Rufe und Gesänge zum Sieg verholfen hatte.
"Das ist den Slytherins doch vollkommen egal, Julius. Die leben doch sowieso nach der Formel: "Wir gegen den Rest der Welt"", wandte Gilda ein.
"Und irgendwann heißt es nur noch "erst ich und dann lange kein anderer"", warf Pina noch ein.
"Genau so ist es, Pina", stimmte Julius zu. "ich denke aber, daß es doch einige wenige Ausnahmen gibt."
"Du meinst Lea Drake, Julius?" Fragte Gloria herausfordernd.
"Die und Chuck Redwood, die scheinen mir bis jetzt nicht in dieses Haus zu passen. Aber vielleicht denken das ja andere von mir genauso", antwortete der Sohn von Martha und Richard Andrews.
"Wieso, Julius? Glaubst du, die Slytherins würden dich eher für einen von ihnen halten?" Wollte Gloria wissen.
"oder für einen Hufflepuff oder Gryffindor", entgegnete Julius Andrews.
"Unsinn. Die lassen dich nur in Ruhe, weil sie dich nicht für einen Gryffindor halten. Der Hut hat eine eindeutige Wahl getroffen, und deshalb wohnst du bei uns", stellte Pina unmißverständlich fest.
"Immerhin hat die alte Tüte zwei Minuten gebraucht, um sich zu entscheiden. Ich dachte schon, der Hut würde mich wieder umschicken."
"Hast du uns schon einmal erzählt, Julius", erwiderte Betty gelangweilt. "Justin aus der dritten Klasse hat mal erzählt, daß einige noch länger auf dem Stuhl sitzen mußten, als er eingeschult wurde. Hast du etwa schon Heimweh?" Wandte sich Jenna Hollingsworth an Julius.
"Sagen wir so: Heimweh habe ich keins. Im Gegenteil. Ich habe nirgends soviel interressante Leute und Sachen kennengelernt wie in Hogwarts und fühle mich auch sehr wohl da, wo ich untergebracht bin. Allerdings würde ich mein Taschengeld für das nächste Jahr dafür hergeben, wenn wir nicht wieder an diesen blöden Dementoren vorbeifahren müßten."
"Solange die Black nicht gekriegt haben geht das wohl nicht anders. Und die haben den noch nicht. Sonst hätte mein Vater mir das schon verkündet", sagte Gilda Fletcher.
"Gut, okay. Muß ich noch mal welche von den Befreiungsbonbons rausholen", seufzte Julius.
"Buntons Bonbons?" Fragte Pina aufgeregt. "Die sind teuer. Zwölf Knuts das Stück."
"Ui!" Staunte Julius. "Das hat mir keiner erzählt. Ich habe die Dinger zu Weihnachten gekriegt."
"Dann hat jemand, der dich kennt, gedacht, daß du gegen die Dementoren gewappnet sein solltest", sagte Gilda leise. Dann meinte sie noch:
"Laß dich bloß nicht von den Dementoren erwischen mit diesen Dingern. Sie mögen es nicht, wenn man ihre Auswirkungen so gut abschütteln kann. Außerdem würden sie dich dazu zwingen, alle Bonbons zu schlucken, die du bei dir hast, nur um dich in so heftige Glücksstimmung zu versetzen, daß sie sich an dir sattfressen können", wandte Gilda Fletcher ein.
"Das ist mir bekannt, Gilda. Deshalb hole ich die erst raus, wenn die Dementoren wieder weg sind. Oder ich lerne diesen Zauber, den Harry Potter beim Spiel gegen uns gebracht hat."
"Wie, du hast Harry nicht gefragt, was er gemacht hat?" Wollte Betty wissen.
"Ich kam nicht dazu. McGonagall hat mich sehr unmißverständlich davon abgehalten. Sie sagte was von einer Kampfansage an diese Monster, wenn man diesen Zauber gegen sie anwendet", erzählte Julius.
"Womit sie recht hat, Julius", erwiderte Gilda. "Mein Großvater kann diesen Zauber. Aber er hat ihn mir auch nicht verraten."
"Vielleicht gibt er auch nur an", flachste Pina. Julius hörte einen gehässigen Unterton heraus. Er stellte sich vor, daß die beiden Mädchen in ihrem Schlafsaal häufig über Gildas Großvater sprachen.
"Tut er nicht", versetzte Gilda trotzig. Dann hörten sie wieder das Lachen aus dem Abteil, wo Kevin und Fredo saßen.
"Soll ich mal kucken, was da los ist?" Fragte Julius.
"Ach, laß die doch. Nachher ziehen sie noch über dich her, weil du nicht gleich zu ihnen ins Abteil gestiegen bist", meinte Pina Watermelon und hielt Julius' Blick mit ihren wasserblauen Augen fest.
"Ich muß mir doch noch was überlegen, was ich Kevin als Wetteinsatz abverlangen kann", erinnerte sich der Sohn eines Chemikers.
"Ach neh! Ihr wollt doch nicht wirklich darauf wetten, wer den Pokal kriegt", maulte Betty Hollingsworth.
"Zumindest sind wir beide der Meinung, daß Gryffindor den Pokal gewinnt. Nur ich glaube an einen hauchdünnen Punktevorsprung in der Gesamtwertung, während Kevin mehr Punkte für Gryffindor erwartet. Eigentlich harmlos."
"Soso. Du denkst also, das Spiel wird Harmlos?" Erkundigte sich Gloria Porter.
"Das Spiel nicht, aber das Ergebnis", entgegnete Julius.
Man vertrieb sich die Zeit mit Berichten über die Ferientage, wobei Julius aufpaßte, daß er nichts von Professeur Faucon und ihrer Familie erzählte, was darauf schließen ließ, daß diese hohe Dame ihn besucht hatte. Als die Hexe mit dem Imbißwagen an ihrem Abteil vorbeikam, kaufte Julius eine Schachtel Schokofrösche und sechs Stücke Kesselkuchen. Pina kaufte eine Kanne Kürbistee und eine Tüte Berty Botts Bohnen in jeder Geschmacksrichtung. Sie teilten die Süßigkeiten ordentlich unter sich auf und Julius erwischte zur allgemeinen Belustigung der Mädchen im Abteil eine Bohne mit der Wirkung einer italienischen Pepperoni, was ihm einen Hustenanfall bescherte und Tränen in die Augen trieb.
"Jau! Das ist heftig", bemerkte er prustend, als ihm Pina einen Becher mit heißem Kürbistee reichte. Julius trank den Tee in einem Zug.
"Da ist noch was Tee in der Kanne", sagte Pina und grinste amüsiert.
"Im Moment brauche ich keinen Tee, Pina. Danke für den Tee."
Kurz vor dem Haltebahnhof kamen wieder einmal die Dementoren in den Zug. Wieder wurde es dunkel und kalt. Wieder erfaßte sie alle das Gefühl von Angst und Verzweiflung. Julius hing genauso in einer Ecke des Abteils wie die mit ihm mitreisenden Junghexen. Dabei hing ihm Betty Hollingsworth mit einem Arm um den Leib, während er mit einem Arm Glorias Körper umfaßt hielt, die wie er zitterte, als der unheimliche Wächter schweigend das Abteil durchforschte. Rasselnd ging sein Atem, und seine Gestalt verströmte eisige Kälte. So verharrte der gruselige Fremde eine ganze Minute, bis er sich wieder zurückzog, gleitend, wie auf Rollschuhen.
Julius, der nicht wußte, ob es nur seine Tränen oder auch die von Betty, Gloria und Jenna waren, die seine Muggelkleidung durchnäßt hatten, löste sich aus der Angstumklammerung seiner Mitreisenden und sah sich um. Es war immer noch dunkel. Er zog seinen Zauberstab, den er vorsorglich in seiner Jacke untergebracht hatte und machte damit Licht. Dann sah er, wie Pina und Gilda unter den Sitzen kauerten und immer noch zitterten.
"Er ist wieder weg. Ihr könnt wieder hochkommen", sagte er mit schwacher Stimme. Gilda und Pina krochen unter den Sitzen heraus und setzten sich wieder.
"Du hast da noch was an der Wange hängen", meinte Pina schüchtern zu Julius und zog ein weißes Tüchlein aus ihrer Hosentasche. Behutsam strich sie Julius die Tränen von den Wangen, ohne daß das Tuch dadurch benetzt wurde. Dann trocknete sie sich selbst die Tränen und reichte das Tuch herum, während Julius in seinen Koffer langte und genau zwölf Befreiungsbonbons herausfischte. Er verteilte sie an seine Mitreisenden und sich. Dann sagte er, um seine eigene Fassung wiederzugewinnen:
"Ein Onkel von mir hat mal gesagt, daß kein Mann sich schämen soll, wenn er weinen muß, solange er einen richtigen Grund dafür hat."
"Hoffentlich haben sie diesen Black bald. Ich wünsche, ich habe diese Ungeheuer heute das letzte Mal treffen müssen", warf Jenna Hollingsworth ein.
"Ich geh mal nachgucken, was mit den anderen Jungen ist", sagte Julius und verließ das Abteil.
Im Abteil, wo Fredo und Kevin mit Leon Turner und den anderen Hufflepuff-Erstklässlern saßen, war die Stimmung nicht besser. Fredo hing in einer Ecke und heulte immer noch.
"Bist du gekommen, um einen Jungen heulen zu sehen?" Fragte Kevin gehässig.
"Neh, bin ich nicht. Ich wollte euch lediglich was gegen die trübe Stimmung geben", antwortete Julius und zog die sechs Bonbons aus der Hosentasche, die er vor der Fahrt schon eingesteckt hatte. Kevin konnte sofort wieder grinsen, als er die Befreiungsbonbons an seine Abteilmitreisenden aufteilte.
"Wie hat dieser Black das ausgehalten? In Askaban hängen die zu hunderten rum, immer um einen herum", staunte Kevin.
"Hmm, ich habe da vor kurzem was gelesen, das könnte erklären, weshalb Black das überstanden hat. Aber dazu lasse ich mich noch nicht aus", sagte Julius, der an den Weltraumroman über Cruellochs Foltergarten dachte.
"Echt? Wie kamst du an ein Buch über Dementoren? Madam Pince kennt zwar eins, aber das ist in der verbotenen Abteilung. Außerdem hat Dumbledore es eingezogen, um keinem die Möglichkeit zu geben, mit ihnen Streit zu suchen", bemerkte Fredo, der sich wieder gefangen hatte.
"Neh, kein Buch über Dementoren. Das war was anderes. Ich erzähl euch das später mal", vertröstete Julius den Klassenkameraden und Bettnachbarn.
Gloria Porter öffnete die Abteiltür, sah kurz auf die Jungen und meinte zu Julius:
"Zeit zum umziehen, Julius! Wir sind bald da."
"Dann hol deine Klamotten besser hier herein, damit uns keiner wegen unzüchtigen Betreibens drankriegt, wenn du dich in einem Mädchenabteil umziehst", flachste Kevin.
"Du irische Witzfigur hast das gerade nötig, von Züchtigkeit zu reden. Pina hat mir gerade eine interessante Story erzählt. Ich denke nicht, daß jeder die wissen möchte?"
"Da denkst du richtig", warf Kevin schnell ein und wurde rot. Julius grinste schadenfroh und verließ das Abteil. Vor dem, wo er mit Gloria und den anderen Mädchen zusammengesessen hatte, standen die Hollingsworths, Pina und Gilda, die wie Gloria bereits ihre Schuluniformen trugen. Julius schlüpfte an ihnen vorbei und zog den Türvorhang zu. Dann kleidete er sich schnell um, knüllte seine Nichtmagierkleidung zusammen und warf sie in den Koffer. Dann zog er den Vorhang wieder auf und öffnete die Abteiltür.
"Ihr dürft wieder reinkommen", sagte er lässig.
"Wir kommen gerade an. Hilfst du uns bei den Koffern, Julius?" Wandte sich Pina an Julius. Er nickte und wuchtete die großen Koffer herunter.
"Die brauchen wir doch nicht allein zu schleppen. Die werden doch abgeholt", sagte Gloria.
"Ist zwar richtig. Aber vielleicht will jemand noch was herausholen oder reintun", entgegnete Julius.
Die Ankunft in Hogwarts verlief ohne Probleme. In Hogwarts jedoch erwartete sie eine äußerst explosive Anspannung. Das Endspiel um den Quidditchpokal stand unmittelbar bevor, und die ohnehin bestehende Feindseligkeit zwischen Gryffindor und Slytherin erfüllte das altehrwürdige Schloß.
Wie heftig sich die Gryffindors und Slytherins in der Woche vor dem entscheidenden Spiel anfeindeten, bekam Julius im Kräuterkundeunterricht zu sehen, als er Chuck Redwood und Lea Drake, die mit Gloria und ihm ein Team bei der Beschneidung einer Rotsaftblattstaude bildeten, genauer ansah. Ihre Umhänge waren eingerissen, und Lea fehlten einige ihrer kastanienbraunen Haare, die sie zu kleinen Zöpfen geflochten zu tragen pflegte. Chuck Redwood sah so aus, als sei er gerade aus einer Schlacht gekommen. Überall hatte er blaue Flecken und Beulen, soweit Julius es sehen konnte.
"Ihr geht doch eh baden", tönte Kevin Malone gegenüber Brutus Pane, einem der größten Slytherins der ersten Klasse. Dieser sah Kevin abschätzig an.
"Unsere Mannschaft macht das, du roter Wischmop. An deiner Stelle wäre ich vorsichtig. Ich habe heute schon einen Glibbergryffindor die Nase plattgehauen, der mir so dumm kam, wie du gerade", polterte Pane zurück.
"Oh- oh, das gibt wieder Ärger", seufzte Gloria.
"Ich dachte, ihr hättet mit diesem Streit nichts zu tun", wandte Chuck Redwood ein und suchte Blickkontakt mit seinen Hauskameraden, die ihm wohl signalisierten, daß es diesmal keine Massenrauferei geben würde.
"Ich denke auch nur, daß Kevin deinen Kollegen auf hundertachzig bringen will", sprach Julius ruhig. "Unser irischer Quidditch-Experte liebt es, andere mit seinem Wissen zu ärgern."
Wenn er das noch einmal macht, übernachtet er heute im Krankenflügel", schnaubte Chuck.
"Ist jetzt bald Ruhe hier?!" Ging Professor Sprout dazwischen. Julius flüsterte nur: "Drachendung" und grinste.
"Dieser Auswurf einer Todesfee hat uns als Schwächlinge bezeichnet", erwiderte Brutus Pane.
"Sag das noch mal, Drachenfurz!" Ereiferte sich Kevin.
"Ich glaube das nicht", empörte sich die Kräuterkundelehrerin. Sie wandte sich der Gruppe von Gloria und Julius zu und sprach:
"Arbeiten Sie bitte weiter! Sie vier scheinen doch noch mehr Selbstbeherrschung zu besitzen als Ihre jeweiligen Hauskameraden."
Die Ravenclaw-Jungen beachteten Kevin nicht. Diesmal wollten sie sich keine Strafarbeit einhandeln. Auch den Slytherins war nicht danach, sich auch noch mit den Ravenclaws zu zanken, wo es mit den Gryffindors schon so gut ging.
"Das sind mal eben zwanzig Punkte Abzug für Ravenclaw wegen ungebührlicher Streiterei für Mr. Malone und 10 Punkte Abzug für Slytherin wegen unbeherrschtheit und derber Rede gegenüber einem Mitschüler. Hinzu kommt eine noch zu bestimmende Strafarbeit für Mr. Malone und Mr. Pane. Und wenn Sie jetzt keinen Frieden halten, ziehe ich Ihren Häusern je 50 Punkte ab", sagte Professor Sprout. Das wirkte. Der Rest der Stunde verlief normal. Julius glich den Punkteabzug dahingehend aus, daß er selbst fünf Punkte bekam, weil er nicht nur das wußte, was das Schulbuch zur Verwendung des Rotsaftblattes schrieb, sondern auch noch Zusatzanwendungen in Verbindung mit Kaulquappen von Laubfröschen und ausgedrückten roten Waldameisen erwähnen konnte.
"Wetten, daß Snape dir die fünf Punkte wieder wegnimmt?" Wandte sich Gloria nach der Stunde an Julius.
"Auf so sichere Sachen wette ich nicht, Gloria. Aber ich versteh nicht, was in Kevin gefahren ist, sich wieder auf eine Streiterei einzulassen."
"Das frag ihn besser selbst", gab Gloria zur Antwort.
Auf dem Weg zum großen Saal sah er Chuck noch mal. Er fragte ihn, ob er nicht seine Beulen behandeln lassen wolle. Darauf kam die Antwort:
"Die trage ich in Ehren. Sonst bilden sich meine Kollegen noch ein, ich sei ein Weichei."
"Mann, Kevin, du Großschnauze. Wieso hast du dich mit diesem Kraftprotz Pane eingelassen? Gryffindor holt den Pokal doch sowieso", tadelte Fredo den Bettnachbarn.
"Dieser Trampel hat behauptet, daß alle Mannschaften von Hogwarts doch die hinterletzten Luschen sind. Und mir zieht die alte Kräutertante dafür Punkte ab", lamentierte Kevin.
"Wir sind doch nicht mehr im Geschäft, zumindest nicht mehr in diesem Jahr", wandte Julius ein. "Sollen sich doch die Slytherins mit den Gryffindors zanken, wie sie lustig sind."
"Dieser Quadratkopf hat unsere Mannschaft beleidigt, Julius."
"Na und?"
"Eh, sag mal, macht dir das überhaupt nichts?" Wunderte sich Kevin über Julius' Unbeeindrucktheit.
"Da kannst du mal sehen, daß du vom Fußball nichts weißt, Kevin. Da schlagen sich jedes Jahr hunderte von Dummköpfen die Birne ein, weil sie denken, daß ihre Mannschaft die beste ist und jedem sofort eine reinhauen, der anders denkt. Ich hab das nie abkönnen, und hier ist es noch bescheuerter, wenn sich Leute drum kloppen, wer die bessere Quidditchmannschaft hat", sagte Julius.
"Mann, das macht doch erst den Sport so spannend, wenn man richtig mit dem Herzen dabei ist", warf Kevin ein.
"Julius hat recht. Es lohnt sich nicht, sich auch noch da reinzuhängen, wenn sich die Gryffindors und Slytherins zanken", beendete Terrence Crossley die unsinnige Debatte.
In der Zauberkunststunde am Nachmittag lernten sie noch, wie man offene Feuer entzündete und wieder löschte, oder bereits brennende Feuer löschen konnte. Hierbei bewies Julius wieder sein hohes Grundpotential magischer Kräfte. Professor Flitwick wollte ihn richtig fordern und holte zunächst einen riesenstapel Holz aus dem Nichts herbei und steckte diesen dann in Brand. Julius sah die Flammen, die fast die Decke berührten und hob den Zauberstab. Er erinnerte sich eindringlich an ein Experiment seines Vaters mit flüssigem Stickstoff, weil er an etwas kaltes zu denken hatte, machte die vorgegebene Bewegung gegen das Feuer und rief:
"Extingio!"
Schlagartig fielen die Flammen in sich zusammen, als ein eisblauer Lichtkegel aus dem Zauberstab von Julius herausbrach, die brennenden Holzscheite umfaßte und für eine Sekunde so blieb. Als das Zauberlicht wieder erlosch, glimmten die Holzscheite noch nicht einmal. Dafür bedeckte sie eine hauchdünne Eisschicht.
"Ui, Mr. Andrews! Das kann doch nicht nur an Ihrer bemerkenswert hohen Grundbefähigung liegen. Welche mentale Komponente haben Sie in den Zauber einfließen lassen? Ich meine, woran dachten Sie?"
"An flüssigen Stickstoff, Professor Flitwick", informierte Julius den kleinen Lehrer.
"Bitte was?" Fragte Professor Flitwick.
"Ja, an flüssigen Stickstoff. Muggel können Gase mit Maschinen so stark abkühlen, daß sie flüssig werden, wie Wasserdampf eben beim abkühlen wieder zu Wasser wird. Mein Vater zeigte mir mal, was mit Sachen passiert, die in so verflüssigten Stickstoff getaucht und dann wieder herausgezogen werden. Alles gefriert so stark, daß es wie Porzellan wird und auch so zersplittert, wenn man es auf den Boden wirft oder mit einem Hammer zerschlägt."
"Interessant", bemerkte Professor Flitwick dazu. Dann sagte er noch, um die Vorführung zu beenden:
"Nun, den Muggeln würde ein derartig gründlicher Feuerwehrmann gut gefallen, denke ich. Ich denke, zehn Punkte für Ravenclaw wegen einer so beeindruckenden Vorführung sind durchaus angebracht, Mr. Andrews. Auf jeden Fall ist dieser Zauber sehr nützlich, wenn Sie bei Zaubertrankbrauereien oder beim Kochen aus Versehen ein Feuer auslösen. Daher sollten Sie alle diesen Zauber so gut beherrschen, daß sie ihn quasi im Schlaf anwenden können."
"Kann man damit auch gegen Drachen kämpfen?" Fragte Kevin.
"Nur, wenn der Drache Sie nicht beißt, oder Sie mit seinen Pranken oder seinem Schwanz schlägt, Mr. Malone", antwortete Professor Flitwick grinsend. Alle in der Klasse lachten.
Flitwick gab jedem die Hausaufgabe zur nächsten Stunde, einen Aufsatz über die Arten magischer und nichtmagischer Feuerbeschwörung zu schreiben. Julius hielt er nach der Stunde noch kurz zurück.
"Sie schreiben mir bitte noch zu Ihrem Aufsatz eine allgemeinverständliche Schilderung der Eigenschaften von flüssigem Stickstoff, beginnend, wie man ihn in der Muggelwelt gewinnt. Ich denke, unser Muggelkundelehrer ist diesbezüglich nicht ganz auf der Höhe des Wissens."
"Wie Sie wünschen, Professor Flitwick", antwortete Julius gehorsam.
"Warum hat Flitwick dich noch zurückgehalten?" Wollte Gloria wissen, die vor dem Klassenraum gewartet hatte.
"Das kommt davon, wenn man einem Lehrer den kleinen Finger reicht, Gloria. Er möchte von mir noch einen Zusatz im Aufsatz über flüssigen Stickstoff", gab Julius leicht genervt zurück.
"Wieso denn das?"
"Weil ich seine Frage beantwortet habe, woran ich bei meinem Löschzauber gedacht habe. Er meint, daß der Lehrer für Muggelkunde davon noch nichts wissen würde und hat mich daher gebeten, in allgemein verständlicher Sprache zu beschreiben, was das ist, flüssiger Stickstoff."
"Ist doch gut. Das kriegst du doch in einer halben Stunde hingeschrieben", erwiderte Gloria begeistert, während sie und Julius auf die Bibliothek zusteuerten.
"Ich frage mich nur, ob ich das wirklich machen soll. Ich meine, das gehört doch nicht zum Unterricht. Und ich wüßte auch nicht, weshalb ich eine Strafarbeit schreiben soll."
"Meine Mutter hat mir mal erzählt, daß sie für McGonagall einen Extraaufsatz über selbstreinigende Fasern schreiben sollte, weil sie einer Klassenkameradin vorgeschwärmt hatte, daß ihre Mutter, also meine Oma mütterlicherseits, ein unbeschmutzbares Tischtuch besäße."
"Hat sie das während der Stunde getan?"
"Nein, vor der Klassenzimmertür. Unsere werte Verwandlungslehrerin kam nur gerade an, als Mummy sich darüber ausließ.
"Spart auf jeden Fall die Wäsche", meinte Julius.
"Außerdem wäre das mit diesem Flüssigstickstoff doch genau etwas, was du einbringen kannst, ohne dich dafür schämen zu müssen, daß du darin so gut bist", bemerkte Gloria noch gehässig.
"Wie du meinst. Nur hoffe ich, daß hier keiner eine Direktvorführung haben will, wie das geht", meinte Julius Andrews noch. Gloria machte ein nachdenkliches Gesicht.
"Wieso nicht? Aber vielleicht warten wir erst, was Flitwick sagt", sagte Gloria nachdenklich. Julius ahnte nichts gutes.
In der Bibliothek wurden sie Zeuge, wie sich Lennie Hencock, ein Gryffindor-Erstklässler, mit Brutus Pane, dem Slytherin-Erstklässler zankte und dabei lauter sprach als es für die Bibliothek erlaubt war.
".. und euer durch die Verschwendungssucht seines Vaters ins Team eingekaufter Sucher kann gegen Potter nicht anstinken, zumindest nicht, wenn er fähig ist, fair zu spielen", tönte Hencock gerade.
"Du hast doch absolut keine Ahnung, was unser Sucher draufhat, du Würstchen. Malfoy pflückt euren armen Harry, der sich ja schon beim kleinsten Anscheinen eines Dementors in die Hose macht, locker vom Besen, egal, ob nun ein Feuerblitz oder nicht. Überhaupt, wo hat dieser elternlose Knilch den Besen überhaupt her?"
"Leute, hier wird nicht gestritten!" Fuhr Madam Pince dazwischen. "Los, macht das ihr beide rauskommt!"
"Gute Idee, dann kann ich diesen Waschlappen zum Bodenschrubben nehmen", blaffte Brutus Pane.
"Du lernst heute noch ohne Besen zu fliegen, du Muskelprotz mit Fliegenhirn", tönte Lennie Hencock unbeeindruckt zurück und rannte aus der Bibliothek, Brutus Pane hinter ihm her und laut brüllend:
Madam Pince schnaubte verächtlich und ging zu einem Schreibpult. Dort zog sie ein Pergamentblatt aus einer Schublade, schrieb schnell was drauf und winkte Julius.
"Du, Junge. Bring das bitte zu Professor McGonagall oder Professor Snape! Und wehe, du verlierst das unterwegs."
"Haben Sie keine Hauspost?" begehrte Julius auf.
"Hier darf ich kein Feuer machen. Also spute dich."
"Zu Befehl, Madam", versetzte Julius etwas respektlos und verließ die Bibliothek. Er rannte los in Richtung des Büros von Professor McGonagall. Wenn er nicht zu Snape mußte, wollte er auch nicht dahin. Obwohl es ihn schon reizte, Snapes Sammlung von eingelegten Tieren und Zaubertrankzutaten mal zu begucken, hielt er nichts davon, freiwillig diesen Lehrer aufzusuchen. Auf einem Treppenabsatz traute er sich kurz, die Pergamentseite auszurollen und las nur:
"Slytherin minus 10, Gryffindor minus 10. Begründung: Verstoß gegen die Lautstärkebeschränkung innerhalb der Bibliothek.
Madam Pince"
Schnell rollte er das Pergament wieder zusammen, während er bereits weiterhastete und beinahe durch eine scheinbar völlig normale Treppenstufe getreten hätte. Kurz vor dem Büro von Professor McGonagall fauchte Peeves, der Poltergeist aus einer alten Ritterrüstung heraus und verlegte Julius den Weg.
"Huhu, vor wem rennst denn du weg, häh?"
"Geht dich nichts an, du Fliegenfänger", schnaubte Julius. Dann spürte er, wie ihm das Pergament aus der Hand glitt und zu Peeves hinübersegelte.
"Ui, was haben wir denn hier, einen Liebesbrief?"
"Letzte Warnung, Peeves. Gib das wieder her, oder du kriegst Ärger!" Raunzte Julius den Poltergeist an, mit der rechten Hand schon am Zauberstab.
"Du kannst mir doch nichts. Dafür bin ich viel zu flink und zu gescheit", flötete Peeves.
"Das will ich sehen. - Expelliarmus!"
Julius hatte den Zauberstab gezogen und das erste wirklich funktionierende Zauberwort gerufen, daß er in seinem Leben gehört hatte. Kaum war die letzte Silbe ausgesprochen, knallte ein roter Blitz aus dem Zauberstab gegen den in der Luft tanzenden Peeves und wirbelte ihm das Pergamentstück aus der Hand. Doch Julius beließ es nicht dabei, Peeves zu entwaffnen. Er dachte konzentriert an den vereisten Behälter, in den Sein Vater gerade eine Rosenblüte steckte. Wie es im Behälter brodelte und sein Vater eine total erstarrte und mit Eiskristallen übersäte Blüte aus dem Behälter fischte, mit einer Spezialzange. Dabei zeigte Julius mit dem Zauberstab auf Peeves und rief:
"Extingio!"
Ein kalter blauer Lichtkegel brach aus dem Zauberstab heraus und hüllte Peeves vollkommen ein. Sofort schien um Peeves herum ein kleiner Schneesturm zu toben, und der Poltergeist erstarrte kurz. Dann, keine halbe Sekunde nach Ausruf des Zauberwortes, erlosch das blaue Licht wieder, und Peeves torkelte in der Luft davon, am ganzen Leibe starr wie tiefgefroren.
"Was ist denn hier los?" Kam Professor McGonagalls verärgerte Stimme aus dem Gang, der direkt zu ihrem Büro führte. Julius antwortete nicht sofort, sondern zeigte auf das Pergamentstück, daß zehn Meter entfernt lag und murmelte das Zauberwort für den Herbeiholzauber, den er schon einmal erfolgreich und einmal ganz und gar erfolglos ausprobiert hatte. Das Pergament schwirrte ihm gerade in Griffweite vor die Hand, so das er es nur noch schnappen mußte. Dann sagte er zu Professor McGonagall:
"Dies hier trug mir Madam Pince aus der Bibliothek auf, Ihnen oderProfessor Snape zu geben. Da ich Ihr Büro kenne, bin ich hierher gekommen, Professor. Doch dieser Poltergeist wollte es mir wegnehmen. Er hat seine Fernlenkkraft angewendet. Da habe ich den Entwaffnungszauber gewirkt, den Sie mir schon beigebracht haben."
"Ich war das? - Ach ja, ich erinnere mich an diese bedauerliche Situation. Kommen Sie bitte in mein Büro, Andrews!"
Julius folgte der Verwandlungslehrerin in ihren Arbeitsraum, wo gerade eine Kanne Tee über einem Feuer hing.
"Sie haben mir also etwas zu überbringen. Ich fürchte, es ist wieder eine Punktereduktion für die beiden Häuser", kam sie schnell zur Sache und nahm das Pergament. Sie las es kurz, nickte und meinte nur:
"Das vierte Mal heute, daß Gryffindor und Slytherin gleichzeitig Punkte abgezogen wurden. Und einmal mußte auch Ihr Haus daran glauben, wie ich erfuhr."
"Fragen Sie mich bitte nicht, weshalb. Es ist zu blöd, daß wir uns wegen des Endspiels auch noch in diesen Streit mit hineinziehen lassen sollen", wandte Julius schnell ein.
"Immerhin geht es in diesem Spiel um den Hauspokal und den Quidditchpokal. Ich hoffe, Sie verstehen das, Mr. Andrews."
"Achso, der Hauspokal. Wer den Quidditchpokal kriegt, hat den Hauspokal sicher", erkannte Julius.
"Genau. Aber jetzt möchte ich noch von Ihnen wissen, ob ich eben richtig gehört habe. Sie haben doch den Feuerlöschzauber angewendet. Wo hat es gebrannt?"
"Nirgendwo. Mir fiel nur ein, daß Peeves eventuell mal eine kalte Dusche vertragen könnte, und da habe ich ihm mit dem Extingio-Zauber eins übergezogen", meinte Julius vorsichtig.
"Wie bitte?"
"Ich wollte nichts anzünden oder unter Wasser setzen. Deshalb habe ich ..."
"Der Zauber wirkt auf Peeves? Haben Sie den heute gelernt?"
"Ja, genau. Heute. Bei Professor Flitwick. Er sagte, wir solten dabei an etwas denken, was richtig kalt ist. Und das habe ich gemacht. Das ging beim Unterricht. - Und bei Peeves ging's auch", stammelte Julius, der nicht wußte, ob er nicht einen heftigen Fehler gemacht hatte.
"Den Feuerlöschzauber! Da ist bislang keiner drauf gekommen. Peeves ist ja richtig erstarrt. Das muß ja wirklich was sehr kaltes gewesen sein, woran Sie gedacht haben."
"Ja, ist es. Aber ich habe es schon Professor Flitwick gesagt und soll das aufschreiben, wie man bei den Muggeln da dran kommt."
"Soso, Sie haben also an flüssige Luft gedacht. - Was sehen Sie mich so verwundert an?" Fragte die Verwandlungslehrerin, als Julius sie anglotzte, wie ein Junge, der gerade erfährt, daß er eine Vier in der Arbeit erwartet hat und eine Zwei kriegt.
"Meine hochgeschätzte Kollegin Professeur Blanche Faucon schrieb mir vor einem Jahr von einer sogenannten Zaubervorstellung der Muggel, die sie mit ihrer Tochter und ihrer Enkeltochter besucht hatte. Der sogenannte Magier führte einen Trick vor, bei dem er ein Stück Papier in ein Gefäß mit brodelnder Flüssigkeit tunkte, es wieder herauszog und dann mit einem Hammer zerschlug, als habe es sich in Glas verwandelt. Dann hob er mit einer behandschuhten Hand den Behälter, rief ins Publikum, wer das Gebräu haben wolle und schleuderte die Flüssigkeit in Richtung Publikum. Die Muggel schrien vor Angst, aber bei ihnen kam nichts von der angeblich so erschreckenden Ladung an. Professeur Faucon prüfte nach, wie dieser Trick praktiziert wurde und erfuhr dabei, daß Muggel Maschinen zur Verflüssigung von Luft besäßen, weil Luft nur dann flüssig wird, wenn sie auf weit tiefere Temperaturen abgekühlt wird als der Gefrierpunkt von Wasser oder Quecksilber, wird alles, was in diese Flüssigkeit getaucht wird, komplett tiefgefroren. Nach dieser Erkenntnis konnte meine werte Korrespondenzpartnerin nur noch lachen. Babette hat es sehr gut gefallen, wie sie mir berichtet hat."
"Vielleicht wollte Babettes Vater ihr nur zeigen, daß es keine echte Zauberei gibt und alles nur Tricks sind", vermutete Julius.
"Das ist ihm nicht gelungen. Wollen Sie eine Tasse Tee haben, Mr. Andrews?"
"Ich fürchte, Madam Pince erwartet eine Vollzugsmeldung. Deshalb sollte ich lieber schnell wieder los. Aber danke für das Angebot."
"Moment, Mr. Andrews. Wegen unerlaubten Zauberns muß ich Ravenclaw ihretwegen zehn Punkte abziehen. Aber Nehmen Sie noch fünfzehn Punkte für Ravenclaw mit, für eine materialunschädliche und wirksame Methode, unseren allgemein ungeschätzten Poltergeist in seine Schranken zu verweisen", verabschiedete Professor McGonagall den Muggelgeborenen. Julius strahlte über sein ganzes Gesicht. Zwar waren zehn Punkte wegen unerlaubter Zauberei heftig, aber mit den fünfzehn Punkten plus hatte er fünf Punkte Gewinn herausgeholt, ohne wirklich darauf ausgegangen zu sein.
"Hat Snape dir Punkte weggenommen, weil du ihm eine Schreckensmeldung zugestellt hast?" Erkundigte sich Gloria, die sich hinter ein Buch über Rotsaftblattgebräue geklemmt hatte.
"Neh, Gloria. Ich geh' doch nicht zu Snape, wenn ich ebensogut zu Professor McGonagall laufen kann", antwortete Julius fast flüsternd. "Dabei kam mir Peeves aufdringlich und wollte mir das Pergament wegnehmen. Doch meine Rache war eiskalt. Ich hoffe mal, daß er mich jetzt erst einmal in Ruhe läßt. Bei der Gelegenheit habe ich noch fünf Punkte für uns abgeräumt. "
"Die schenkt dir doch keine Punkte fürs Briefebringen. Mal abgesehen davon, daß da bestimmt ein Punkteabzug drinstand", erwiderte Gloria.
"Neh, wegen Peeves. Aber das habe ich nicht gedacht, daß ich dafür Punkte draufgelegt kriege. Ich dachte, die zieht mir nur welche ab, wie deinem Onkel Victor damals."
"Hast du etwa den Fontanus-Zauber gelernt?"
"Ich weiß nur, daß es ihn geben soll. - Ich habe Peeves ..."
"... Ach, die Herren Weasley beehren mich mal wieder. Habt ihr endlich Zeit gefunden, die entliehenen Bücher zurückzugeben, nach so kurzer Zeit? Zwei Jahre sind ja auch zu kurz zum lesen", begrüßte Madam Pince die beiden rothaarigen Jungen, die gerade in die Bibliothek hineinkamen.
"Das Spektrum der Fliegenpilztränke haben wir Ihnen doch schon vor einem Monat wiedergebracht, Madam Pince", sagten beide gleichzeitig.
"In einem sehr guten Zustand. Aber eure Eltern haben's ja. Und was liefert ihr jetzt ab?"
"Den restlichen Krempel, den wir damals gelesen haben", sagte einer der beiden, Julius wußte nicht, ob es Fred oder George war.
"Dafür brauchen wir "Die Trommeln der Totenpriester" von Morticia Mystere und "Dunkle Imperien der vorchristlichen Zeit" von Professor Acidus Styx", sprach der andere der beiden Weasleys und reichte Madam Pince ein Pergamentstück. Die Bibliothekarin las es gründlich, überprüfte die Unterschrift genau und nickte dann schwerfällig. Dann schritt sie in die verbotene Abteilung hinüber und verschwand zwischen den hohen Regalen.
"Ich dachte ihr trainiert", wandte sich Julius an die Zwillinge, wobei er darauf achtete, nicht zu laut zu sprechen. George und Fred grinsten und kamen kurz herüber.
"Wir müssen ggleich raus. Im Moment sind die Slytherins noch auf dem Feld. Aber wir müssen noch Bücher für die Stunden bei Lupin holen. Wir sollen einen Aufsatz über Magie als Machtmittel zur Errichtung von Königreichen schreiben."
"Habe ich mir schon gedacht", meinte Julius ganz unbeeindruckt.
"Die Trommeln der Totenpriester sind aber sehr heftig. Meine Oma, die in New Orleans arbeitet, hat die Verfasserin selbst gekannt. Die war eine echte Voodoo-Hexe, die Zombies machen und aus der Ferne Menschen verfluchen oder heilen konnte. Weil sie ihr Wissen weitergegeben hat, ist sie getötet worden. Deshalb gibt es von ihrem Buch nur zehn Exemplare. Also macht das bloß nicht kaputt", forderte Gloria wie eine Lehrerin klingend.
"Wir doch nicht", antworteten Fred und George und grinsten. Dann meinte einer der beiden:
"Wißt ihr eigentlich, was mit Peeves los ist. Der hing bei uns im Gemeinschaftsraum über dem Kaminfeuer und zitterte sich was zurecht, als wäre er in einen Eimer mit Eiswasser getaucht worden."
"Neh, flüssigen Stickstoff", plapperte Julius unbedacht. Fred und George sahen ihn an und fixierten ihn mit ihren Blicken.
"Du hast doch nicht etwa den Brandlöschzauber gegen Peeves angewendet?" Fragte Gloria, die sich nicht so recht zu entscheiden schien, ob sie jetzt lachen oder nur staunen sollte.
"Bitte was?" Fragte einer der Zwillinge.
"Wir haben heute diesen Zauber gelernt, mit dem man große nichtmagische Feuer löscht. Flitwick hat uns gesagt, wir sollten an das kälteste denken, was wir kennen. - Ja, und da habe ich mir eben flüssigen Stickstoff vorgestellt, der ja -196 Grad Celsius kalt ist. Weil mir Peeves eben über den Weg flog und mich drangsaliert hat, habe ich den Zauber eben noch mal an ihm ausprobiert."
"Ist flüssiger Stickstoff kälter als ein Schneesturm?" Fragten die Zwillinge.
"Wesentlich", erwiderte Julius. "Aber wahrscheinlich muß man gesehen haben, wie das Zeug wirkt, um es sich richtig vorstellen zu können."
"Das ist ja heftig. Das hat uns keiner erzählt, daß der Spruch auch ohne Feuer geht."
"Wieso, dieser Zauber von Harry ging doch auch ohne Dementoren", wandte Julius ein.
"Dieser Patronus-Zauber? War auf jeden Fall genial. Harry will uns nur nicht erzählen, wie der geht. McGonagall hat ihm wohl eingeschärft, keinem was zu sagen, wenn es nicht unbedingt sein muß."
"Damit hat sie auch vollkommen recht. Denn ihr Burschen könntet auf die Idee kommen, die Dementoren damit zu ärgern. Dann könnten sie auf die Idee kommen, euch zu sich einzuladen und bis zum Rest eures Lebens bei sich wohnen zu lassen", mischte sich Madam Pince ein, die mit zwei dicken Wälzern aus der verbotenen Abteilung zurückgekehrt war.
"Hier sind die Bücher, die Lupin euch aufgeschrieben hat. Wiedersehen macht Freude", sagte sie dann noch und legte die beiden Bücher auf den Tisch, an dem Gloria hinter ihrem Buch saß. Auf dem Umschlag des einen Buches schritten gerade zwei Zombies marionettengleich um einen Mann in exotischen Gewändern herum. Auf dem anderen Umschlag wand sich eine schwarze Schlange um eine aufgemalte Landkarte. Die Zwillinge nahmen die Bücher und verabschiedeten sich. Julius erlaubte sich noch die Frechheit, zu sagen:
"Lest nicht zuviel! Sonst fallt ihr am Samstag noch vom Besen."
"Eierkopf!" Kam es von den Beiden zurück. Dann lachten sie laut und zogen sich schnell zurück, bevor Madam Pince noch etwas dazu bemerken konnte.
"Du gibst wohl nie auf, Julius. Denkst du, die hätten dir erzählt, wie Harry das mit den falschen Dementoren gemacht hat?" Wandte sich Gloria an Julius.
"Ich weiß nicht, Gloria. Aber ich werde das Gefühl nicht los, daß da jemand eine Herde Böcke zu Gärtnern gemacht hat. Ich habe nie an Dämonen geglaubt. Selbst als ich mir klar war, daß es Zauberer und Hexen gibt und ich wohl einer davon bin, habe ich gedacht, daß es sonst alles stimmt, wass ich gehört habe, vonwegen keine Gespenster und Monster, bis uns dieser Dementor im Zug auf die Pelle gerückt ist. Sicher ist es für den Gefährlich, der einem Ungeheuer mit wirksamen Waffen entgegentritt, weil dessen Artgenossen ihn oder sie zum Feind erklären. Aber ich möchte schon sicher sein, daß ich mich gegen sie wehren kann, wenn sie mal außer Kontrolle geraten."
"Das überlasse besser den mächtigeren Zauberern. Die werden dafür auch bezahlt", wandte sich Madam Pince an den Muggelgeborenen.
"Es gibt aber kein erlaubtes Buch hier, wo drinsteht, wo die Dementoren herkommen und wie sie sich vermehren, ob sie gar unsterblich sind."
"Anweisung von Professor Dumbledore. Alle Werke, die das Wesen und Wirken der Dementoren behandeln, wurden aus der Bibliothek entfernt, um Leuten wie dir oder den Weasleys jede Versuchung zu ersparen, sich mit ihnen anzulegen."
"Aber Harry Potter durfte den Abwehrzauber lernen", protestierte Julius, und Gloria nickte zustimmend.
"Weil er ein Sonderfall ist. Bei ihm haben sie einen stärkeren Einfluß ausgeübt als bei den übrigen Leuten. Deshalb durfte er den Zauber lernen. So, und ich muß jetzt noch einige Bücher neu ordnen", sagte die Bibliothekarin und verzog sich.
"Dafür daß du vor einem Jahr noch überhaupt nichts von unserer Welt wußtest, hast du ein erstaunlich gutes Empfinden für Probleme, Julius. Meine Großeltern erzählten nämlich, daß die Dementoren vor dem Sturz von Du-weißt-schon-wem in der ganzen Welt herumliefen und nach eigenen Interessen handelten, manchmal auch mit dem dunklen Lord zusammen. Deshalb denke ich, daß du recht hast, daß da jemand hungrige Wölfe angestellt hat, den Fleischtopf zu bewachen", flüsterte Gloria.
"Ich habe Muggelgeschichten über Dämonenjäger gelesen. Kaum hatten die ihren ersten Dämon vernichtet, hatten sie eine ganze Horde am Hals. Deshalb verstehe ich ja Dumbledore und Professor McGonagall. Aber mir macht das keinen Spaß, bei jeder Zugfahrt hierher in dieses Angstloch zu fallen, solange die diesen Black nicht ... Gloria, ich habe da so einen dummen Gedanken. Aber ich wage es nicht, ihn laut auszusprechen."
"Gedanken selbst sind niemals dumm, sondern nur die Handlungen, die ihnen folgen", flüsterte Gloria und schob Julius ein Pergamentstück herüber. Julius sah sie betreten an.
"Möchtest du mir mitteilen, welchen dummen Gedanken du angeblich hast? Falls nicht, behalte ihn für dich!" Flüsterte Gloria fast unhörbar. Julius überlegte. Dann entschied er sich dafür, Gloria zu schreiben, was er dachte. Er nahm seine Schreibfeder und sein Tintenfaß und warf schnell was auf das Pergament. Dann schrieb er noch darunter:
"Nach dem lesen sofort vernichten!"
Gloria nahm das Pergament, las es und stutzte. Dann schien sie über etwas nachzudenken und nickte. Schließlich zerriß sie das Pergament in kleinstmögliche Schnibsel und sah sich um. Madame Pince arbeitete irgendwo im Irrgarten der Bibliothek. Gloria flüsterte:
"Ich stimme dir in allem zu. Es mag ein dummer Gedanke sein, aber glaubhaft begründet und daher möglich."
Als Julius seine Hausaufgaben für Snape beendet hatte, verließ er mit Gloria die Bibliothek. Sie gingen zur Eulerei, wo Julius einen Brief an Glorias Onkel Victor schrieb, in dem er mitteilte, daß er einen besseren Weg gefunden hatte, Peeves zu kontern.
Die Woche verstrich mit immer wilderen Rangeleien zwischen den Gryffindors und Slytherins. Lea Drake hatte Julius in einer Kräuterkundestunde zugeflüstert, daß zwei Hausgenossen aus den höheren Klassen sich mit den Gryffindors ein Verfluchungsduell geliefert hatten und danach im Krankenflügel gelandet waren. Dabei grinste sie gehässig, als gefiele ihr das auch noch.
Kevin und Brutus hatten von Professor Sprout aufgehalst bekommen, mit Hausmeister Filch zusammen die Gänge im Schloß zu putzen, was durch Peeves, der sich von Julius' Zauberangriff erholt hatte, eifrig in die Länge gezogen wurde. Julius hatte seine Chemie- und Physikbücher zu Rate gezogen, um sich eine kurze, einfache, aber erschöpfende Abhandlung zum Thema "Flüssiger Stickstoff" zu erarbeiten. Im wesentlichen ging er davon aus, das Tehma so zu beschreiben, wie es sein Vater getan hatte, als er gerade sieben Jahre alt gewesen war und von Chemie und Physik noch nicht viel Ahnung hatte. Als Testperson für die Verständlichkeit seines Aufsatzes wählte er Pina Watermelon, die mit Muggelsachen nichts zu tun hatte. Sie las den Aufsatz und sagte:
"Das kannst du so lassen. Du hast alle möglichen Fragen gut und nicht zu platt beantwortet. Ich habe das auf jeden Fall verstanden."
"Danke, Pina", sagte Julius und bekam ein wohlwollendes Lächeln von der zierlichen Junghexe mit dem hellblonden Zopf zur Antwort.
Mit Gloria, Fredo und Kevin zusammen hatte Julius es geschafft, auf der Grundlage des Hibernevus-Zaubers, einem Vereisungszauber, der Wasser in einem Glas gefrieren oder Lebensmittel tiefkühlen konnte, ein Experiment durchzuführen. Von ihnen vieren gleichzeitig gewirkt konnte ein mit Fensterkit verschlossenes Metallgefäß derartig stark abgekühlt werden, daß die darin befindliche Luft flüssig wurde. Drei Zauberer mußten den Gefrierzauber ständig wiederholen, während der vierte, Julius mit einer geliehenen Zuckerzange, den Versuch am offenen Behälter durchführte, in dem die verflüssigte Luft brodelte. Er nahm Pergamentstücke, Stoffreste und Grashalme. Jedesmal konnte er die in die kalte brodelnde Flüssigkeit eingetunkten Objekte danach wie Glas auf den Boden werfen oder mit einem Hammer zerschlagen. Dann ließen die vier Teamzauberer die verflüssigte Luft mit dem Schwebespruch "Wingardium leviosa" in ihrem Behälter aufsteigen. Den Behälter hielten sie einige Sekunden oben und ließen ihn dann herunterfallen. Flitwick wollte schon sagen, daß dies doch leichtsinnig war, doch außer einem eiskalten Hauch kam aus dem Behälter nichts mehr, was gefährlich hätte sein können. In der Klasse wurde es zwar sehr kalt, doch damit war nur bewiesen, daß tatsächlich mit einer kalten Flüssigkeit gearbeitet worden war. Alle klatschten Beifall, auch Professor Flitwick. Von der Tür her sah Professor McGonagall herein.
"Ich hörte davon, daß selbsternannte Zauberkünstler in der Muggelwelt diese Darbietung zeigen, um ihr Publikum zu beeindrucken. Es beeindruckt mich, daß es mit echter Zauberei geht", sagte die Verwandlungslehrerin und lächelte.
"Für diese eindrucksvolle Vorführung erhalten Ms. Porter, Mr. Gillers, Mr. Malone und Mr. Andrews je zehn Punkte für Ravenclaw, wegen guter Teamarbeit und innovativer Zauberei. Vielen Dank für diese eindrucksvolle Demonstration."
Am Morgen des Endspiels verschlief Julius, weil er am Abend zuvor mit Kevin und Fredo fünf Schachpartien hintereinander gespielt hatte. Die beiden Bettnachbarn waren wohl aufgeregter gewesen als Julius. Sicher interessierte es ihn, wer den Pokal bekam. Immerhin lief die Wette zwischen ihm und Kevin. Julius würde, falls die Gryffindors mit mehr als 210 Punkten Vorsprung gewannen, Kevin beim Schreiben der Kräuterkundeaufsätze helfen, während Julius Kevin das Fußballspielen beibringen wollte, wenn Kevin verlor.
Julius hörte das Raunen der Zuschauer auf dem Quidditchfeld. Er fuhr aus dem Bett auf, sah auf seine Uhr und fluchte. Dann warf er sich seine Sachen über, unterzog sein Gesicht und seine Hände einer schnellen Wäsche mit kaltem Wasser und rannte los, durch die Flure und Gänge. Dabei sah er einen weißgrauen Nebelschleier vor sich auftauchen und konnte nicht mehr rechtzeitig abbremsen. Wie ein Schwall eisigen Wassers umfing es ihn, als er kopfüber durch einen der Schloßgeister hindurchstürzte.
"Brrrrr! Jetzt bin ich wohl richtig wach", entfuhr es Julius, als er seinen Lauf hatte stoppen können.
"Finden Sie es etwa in Ordnung, durch unsereinen hindurchzulaufen, als wären wir nicht da?" Fragte ihn eine Frauenstimme hinter ihm. Er drehte sich um und sah die graue Dame, den Hausgeist von Ravenclaw.
"Sie waren das. Ich entschuldige mich vielmals. Ich hatte nicht die Absicht, durch Sie hindurchzurennen. Aber ich komme sonst zu spät zum Spiel. Noch mal, Entschuldigung, Mylady."
"Sie sollten abends zeitig zu Bett gehen, wenn Sie morgens nicht wie ein gehetzter Hase durch das Schloß rennen möchten, junger Sir. Sie können von Glück sprechen, daß Sie nicht seine Überheblichkeit, den blutigen Baron auf diese unverfrorene Weise behelligt haben", bemerkte die graue Dame noch und zog einen Schmollmund.
"Danke, es hat mich schon gegruselt", versetzte Julius frech und rannte weiter, ohne einen Schloßgeist zu durchqueren. Zu seiner Erleichterung war Peeves auch nicht darauf aus, ihn zu ärgern. So kam Julius gerade in dem Moment auf das Feld, als Madam Hooch das Match anpfiff.
Pina winkte Julius zu, sich neben sie zu setzen. Kevin und Fredo hingen mit den Gryffindors zusammen. Sie hatten sich so gesetzt, wo die Ravenclaw-Seite mit dem Block der Gryffindors zusammenfiel.
Julius verfolgte, wie Gryffindor zunächst zehn Punkte in Führung ging und dann noch zwanzig. Dann begann das unfairste Spiel, daß Julius jemals in einer Sportart gesehen hatte. Auf beiden Seiten kam es zu Fouls und direkten Attacken. Madame Hooch sprach beiden Mannschaften Strafwürfe zu, von denen Wood von Gryffindor zwei parieren konnte. Einmal schlug ein Slytherin-Treiber einer Gryffindor-Jägerin den Schläger über den Kopf, dann bekam der Hüter und Kapitän der Gryffindors beide Klatscher in den Magen. Potter hätte fast den Schnatz geholt, wenn Malfoy ihn nicht am Besen ffestgehalten hätte.
"Das ist doch wohl nicht wahr! Rote Karte! Diese Drecksau gehört vom Platz!" Fluchte Julius über diese Unverschämtheit und fand sich mit Lee Jordan, dem Stadionsprecher in bester Gesellschaft. Dann endlich, beim Stand von 70 zu 20 durchbrach Harry Potter die Linie aller Slytherins, die eine Jägerin der Gryffindors daran hindern wolten, ein Tor zu machen. Dabei übersah er fast, daß Draco Malfoy den Schnatz gesichtet hatte.
"Harry paß auf! Dieser Drecksack ist hinter dem Schnatz her!" Rief Julius im Sturm der Erregung. Harry Potter schien ihn gehört zu haben. Denn mit einem todesmutigen Sturzflug holte er Malfoy ein, drückte dessen zum Zugreifen ausgestreckten Arm zur Seite und fing den Schnatz.
Julius hatte schon in so manchem Fußballstadion gesessen oder gestanden und mitbekommen, wie laut eine jubelnde Masse Fans brüllen konnte. Doch hier und heute erlebten seine Ohren einen Härtetest. Julius glaubte, das Stadion würde explodieren, so laut brüllten die Anhänger der Gryffindors und aller, die es ihnen allein gegönnt hatten, den Pokal zu gewinnen. Das Buh aus den Reihen der Slytherins ging in diesem Freudengeschrei unter. Julius fand sich unvermittelt in einer festen Umarmung von Pina und stellte fest, daß er sie ebenfalls umklammert hielt. Dabei jubelte er und wunderte sich nicht, daß er seine eigene Stimme nicht mehr hörte.
"Wir haben den Pokal! Wir haben den Pokal!" Riefen die Gryffindors im Takt. Alle anderen klatschten mit. Noch mal toste der Jubel durch das Stadion, als Wood den großen Quidditchpokal von Dumbledore überreicht bekam und an seine Mannschaftsmitglieder weiterreichte. Vor allem Harry Potter wurde in einer Flut von Leuten begraben, die ihm gratulierten.
"Nächstes Jahr hältst du den in der Hand", meinte Pina Watermelon. Julius dachte, daß sie ihm ins Ohr brüllte. Aber für ihn kam ihre Stimme wie ein heiseres Flüstern herüber.
"Woher willst du das wissen, Pina?" Fragte Julius.
"Ich habe dich fliegen sehen, vor den Ferien. Und Cho soll dir ihren Besen geliehen haben. Sowas macht keiner, der jemanden für unfähig hält, damit zu fliegen."
"Glaubst du, wir müssen eine Nummer ziehen, um den Gryffindors zu gratulieren?" Wandte sich Julius an Pina Watermelon.
"Wenn du sie heute nicht triffst, gratulierst du ihnen eben morgen oder später. Die Gryffindors haben jetzt erst einmal Vorrang."
"Und dieser Hagrid", brüllte Julius und deutete auf den Riesenkerl, der Harry gerade tränenreich beglückwünschte.
"Der arme Mensch hat ja auch sonst nichts, worüber er sich freuen kann", schrillte Pinas Stimme in Julius' linkes Ohr. Dann sah sie Gloria, Gilda, Marvin und Eric, die gerade aufstanden und mit den anderen Ravenclaws das Feld stürmten.
"Und hinterher!" Rief Julius und setzte schon über die ersten Stufen hinab, Pina hinter ihm herspringend. Auf dem Weg nach unten traf Julius Kevin.
"Ich erkläre dir morgen erst einmal die Abseitsregel und die Größe des Spielfeldes", flötete Julius und hechtete an Kevin vorbei in die Masse der Gratulanten.
Seiner Wendigkeit und Reaktionsschnelligkeit verdankte es Julius, daß er zusammen mit Penelope Clearwater und Dustin McMillan die Mannschaft der Gryffindors erreichte.
"Na, ihr Rabauken! Ihr habt ja gespielt wie die Holzhacker", begrüßte Julius die Weasley-Zwillinge, die gerade wieder Harry hochleben ließen.
"Die haben angefangen", tönten die beiden rothaarigen Jungen aus der fünften Klasse zurück.
"Auf jeden Fall habt ihr den Pokal verdient, um das mal klarzustellen. Herzlichen Glückwunsch!" Rief Julius noch, dann trieb ihn der Strom der nachrückenden Gratulanten davon.
Vor dem Schloß stand Julius erst einmal alleine. Er sah zu, wie alle außer den Slytherins den Gryffindors ihre Hochachtung aussprachen. Dann hörte er Schritte hinter sich und fuhr herum.
Lea Drake stand im Portal und sah auf das Quidditchfeld.
"Meine Güte, kannst du dich schnell durch eine Menge Leute winden. Wo hast du denn sowas gelernt?"
"Wieso bist du nicht bei deinen Hauskameraden?" Fragte Julius zurück.
"Als das Spiel vorbei war, habe ich den schnellen Rückzug angetreten. Ich werde das in den nächsten Tagen noch häufig genug zu hören kriegen, daß die Gryffindors die Lieblinge Dumbledores sind und Potter sowieso. Seine Erhabenheit, Draco Malfoy übt wahrscheinlich schon lamentieren, wie ungerecht doch die Welt sei und daß er und vor allem sein Vater dafür sorgen würden, daß im nächsten Jahr alles besser wird. Sein Vater, der diesem Emporkömmling Voldemort nachgelaufen ist und es wohl wieder tut, wenn der tatsächlich zurückkehrt. Du weißt, wer Voldemort ist, Muggelkind?"
"Ich weiß nur, daß man den außerhalb von Slytherin wohl nicht beim Namen nennt und daß er sich ein Eigentor geschossen hat, als er Harry Potter mit einem Todesfluch belegen wollte."
"Was aber nur wenige wissen ist, daß der einen echten Muggel zum Vater hatte, genau wie du oder ich. Ich sehe, du wunderst dich nicht?"
"Wieso sollte ich mich wundern? In der Zaubererwelt geht doch alles", erwiderte Julius trotzig. Er wußte nicht, was für ein Spiel die Slytherin da mit ihm abzog.
"Deshalb haßt er die Muggel und vor allem die, die Muggeleltern haben oder mindestens einen Elternteil. Lern also fleißig, damit du dich wehren kannst."
"Noch ist er nicht da, und bis dahin kann die Welt im Atomkrieg untergehen", erwiderte Julius.
"Weißt du, daß du mir imponierst, Julius Andrews? Du glaubst jetzt natürlich, ich mache hier irgendwas, um dich zu verunsichern oder zu bequatschen. Aber im Moment kann ich dir noch ehrlich sagen, was ich denke, bevor die Anderen von deinem und meinem Haus zurückkommen. Ich fand das gut, daß du Draco Malfoy vorgehalten hast, er sei dann ein Schwächling, wenn er sich nur auf seinen Vater beruft. Ich kann da aus eigener Erfahrung sprechen. Mein Vater ist ein hohes Tier bei den Muggeln, meine Mutter ein hohes Tier in der Zaubererwelt. Trotzdem brachte es mir nichts, mich auf den einen oder die andere berufen zu können. Ich erwarte nicht von dir, daß du mir glaubst. Aber ich finde es schön, daß du es warst, der zuerst von dem Quidditchfeld zurückgekommen ist, so daß ich dir das alles sagen konnte. Laß dich nicht einstampfen. Weder von uns aus dem Slytherin-Haus, noch von den Lehrern hier, allen voran Professor Snape und auch nicht von deinen Muggelverwandten, die dir einzureden versuchen könnten, daß du kein Zauberer bist. Mein Vater hat das zehn Jahre lang probiert und ist doch gescheitert. - Ah, da kommen deine Hausfreundinnen und diese Kratzbürste Glenda Honeydrop", sagte Lea noch und verschwand im Portal, als hätte sie sich in Luft aufgelöst.
Julius stand erst einmal bedröppelt da. War das jetzt nur eine Show gewesen, um ihn aus dem seelischen Gleichgewicht zu bringen? Oder hatte die Slytherin es ernstgemeint, als sie ihm riet, sich nicht unterkriegen zu lassen? Vielleicht waren ihre Worte auch nur eine heimliche Danksagung für die Punkte, die sie mit Julius und Gloria zusammen bei Kräuterkunde einstreichen konnte. Dann fiel ihm wieder ein, was Gloria gesagt hatte:
"Das ist auch gut so, daß du hier in Ravenclaw gelandet bist. Es hätte dich noch verdorben, wenn du da gelandet wärest. Deine Kräfte gehören in besonnene Hände, nicht in ehrgeizige und böswillige Hände. Lea wird, ob sie will oder nicht, Slytherin-Eigenschaften übernehmen, je länger sie dort ist. Dann bist du besser hier bei uns."
"Hallo, Julius! Du hast dich aber schnell durch die Zuschauermenge gemogelt", grüßte Gloria den Hauskameraden und drängte ihn dazu, mit ihr und den anderen Erstklässlern ins Schloß zu gehen.
"Die älteren hängen immer noch da unten auf dem Spielfeld und kommen aus dem Jubeln nicht mehr heraus", meinte Pina. Dann sagte sie noch:
"Außerdem habe ich uns und damit dir einen Punktabzug wegen Ausbleibens eines Nachwuchskandidaten bei einem wichtigen Spiel erspart, Julius. Madame Hooch hatte dich nämlich nicht bei uns gesehen, als sie die Zuschauer abgezählt hat. Dafür wollte sie dir zwanzig Punkte abziehen. Zumal du nicht mehr auf dem Feld warst, als sie endlich Zeit hatte, sich von den Mannschaften zu lösen. Die war vielleicht geladen, wie eine Armbrust. Das alles nur wegen der Slytherins. Aber ich habe ihr gesagt, daß du seit dem Anfang des Spiels dabei warst, und Kevin hat das Bestätigt. Aber was genau hat dich jetzt aufgehalten?"
"Ich selbst. Ich muß meinen Tagesrhythmus besser einteilen, wenn so wichtige Spiele laufen", sagte Julius. Dann sah er Glorias musternden Blick, und wie ihre Hand zum Zauberstab glitt.
"Gloria, habe ich was an mir?"
"Aber sicher doch. Zerzaustes Haar, nicht ganz weggewaschene Reste sogenannten Schlafsandes zwischen den Augen und einen komplett verbeulten Umhang. Letzteres lasse ich dir durchgehen. Aber Deine Körperpflege solltest du schon genauer nehmen, wenn du mit der Tochter einer Hexenkosmetikerin zu tun hast. Bleib ruhig stehen!"
"Heute nicht, Gloria. Ich regel das auf Muggelart. Außerdem bin ich heute schon durch unsere graue Dame gerannt und wach genug, um alles allein ..."
Julius fühlte, wie sein Haar unter einer warmen Welle irgendeiner Kraft bewegt wurde. Dann traf ihn ein lauwarmer Hauch mitten ins Gesicht, der wie ein nasser Leinenlappen seine Augen, Nase und Wangen umstrich.
"Na bitte, geht doch", sagte Gloria.
"Huch, jetzt hast du auch einen schönen langen Zopf, wie ich!" Trällerte Pina. Julius faßte sich erschrocken an den Kopf, fand dort jedoch nur seine ordentlich gekämmten Haare, wie sie sein mußten. Er sah Pina an, die ein schadenfrohes Grinsen auf dem Gesicht trug. Dann lachte er über diesen gelungenen Streich.
"Platz da, junges Gemüse", polterte Crabbe, der die Vorhut für Draco Malfoy machte. Julius schenkte dem übergroßen Slytherin ein Lächeln. Dann sah er Draco Malfoy. Der sonst so eingebildet auftretende Junge schien es darauf anzulegen, schnell und ohne was sagen zu müssen ins Schloß zu kommen. Julius nahm ihn nicht weiter zur Kenntnis.
"Durch diese Slytherins haben die Gryffindors wegen der Strafwürfe die nötigen 10 Punkte Vorsprung mit den nötigen 200 gekriegt, so daß Kevin morgen nicht nur Kräuterkunde alleine weiterbüffeln darf, sondern mit mir, Dean und den anderen Fußballbegeisterten trainieren darf", freute sich Julius. Die Mädchen lachten darüber.
Im ganzen Schloß, ausgenommen Slytherin, wurde dieser Pokalgewinn für Gryffindor heftig gefeiert. Die Ravenclaws begingen den Tag mit einem ausgedehnten Musikprogramm. Alle, die Musikinstrumente mitgebracht hatten, spielten einzeln oder mit anderen zusammen. Julius, der seine alte Mundharmonika mitgebracht hatte, schaffte es zusammen mit Kevin, ein altes irisches Volkslied zu spielen. Pina gab ein Harfenkonzert und spielte anschließend mit Gloria und Kevin schottische und irische Volksweisen. Dustin McMillan präsentierte sein Stimmlagenverstellsaxophon, das durch magische Größenveränderung zwischen Picolo- und Baßsaxophon umgewandelt werden konnte. Julius brachte ihm einige Blues-Läufe bei und legte mit ihm einen Slytherin-Trübsal-Blues hin.
"Vor den Ferien hattest du aber noch kein Musikinstrument dabei", erkannte Gloria, als Julius seine Mundharmonika wieder fortsteckte.
"Musik verbindet. Ich konnte mal super Sopran singen. Aber damit ist es bald eh vorbei. Diese alten klassischen Dinger wie Geige und Cello liegen mir nicht. Klavier ist was für höhere Töchter, sagte meine Mutter, die es haßte, Klavier zu lernen. Mein Vater steht auf Jazz und Blues. Ich glaube, daß er mir davon was mitgegeben hat. Jetzt bin ich ja lange genug hier, um zu kapieren, daß ich keine Radiomusik oder meine CDs hören kann. Also konnte ich meine alte Mundorgel einpacken."
"Im Sommer nehmen wir dich mal mit zu einem Hecate-Leviata-Konzert. Meine Mutter steht zwar eher auf Celestina Warbeck, aber Hecates Musik bringt ihr die Jahre der Jugend wieder zurück", sagte Gloria.
"Warbeck? Du meinst Würg-Brech, Gloria", mischte sich Kevin ein. "Diese Schlagertante gilt bei uns als singende Daumenschraube."
"Dann kennst du Lady Evangeline Sunbeam noch nicht, Kevin. Die kann auch ich mir nicht anhören. Daddy übrigens auch nicht. Also halte dir den Sommer schön frei!" Sagte Gloria zu Julius.
"Da läuft die Quidditch-Weltmeisterschaft. Irland ist topfavorit", warf Kevin ein. Julius erinnerte das an den Telefonanruf aus Australien. Aurora Dawn hatte angekündigt, mit ihm die australischen Spiele der Weltmeisterschaft besuchen zu gehen.
"Genau, da spielt Pamela Lighthouse mit Rhoda Redstone im australischen Team. Ich fürchte nur, daß meine Eltern weder meinem Besuch bei der Weltmeisterschaft noch einem Konzert von Hexen und Zauberern zustimmen werden. Ich habe da ein bedrückendes Gefühl, daß mein alter Herr sich noch nicht damit abgefunden hat, daß ich hier sieben Jahre lerne und dann womöglich eine Hexe heirate, zumindest einen Beruf in der Zaubererwelt ausübe", seufzte Julius.
"Du hast mir schon einmal von diesem Traum erzählt, daß dein Vater dich woanders einquartieren könnte. Es gibt mehrere Zaubererschulen in England. Aber für Muggelgeborene kommt nur Hogwarts in Frage, weil hier die Eingliederung in die Zaubererwelt so gut funktioniert", sagte Kevin. "Stell dir einfach mal die Frage, und vielleicht auch deinen Eltern, was bei den Muggeln passiert, wenn Eltern ein Kind nicht mehr zur Schule gehen lassen wollen?"
"In der Nichtzaubererrwelt gibt es die Schulpflicht. Jedes Kind muß eine Bestimmte Zeit zur Schule. Private Ausbildung wird nur in Notfällen gestattet."
"Und sowas ähnliches gibt es auch bei uns, Julius. Was haben sie dir denn geschrieben, als sie dir von Hogwarts erzählt haben?" Fragte Gilda, die dem Gespräch still gefolgt war.
"Hmm, daß das Ministerium mich gemäß zweier Gesetze, die ich jetzt nicht mehr weiß, zur Ausbildung hier in Hogwarts empfiehlt. Ich glaube, ich habe den Brief noch irgendwo in den tiefen Abgründen meines Koffers. Ich habe jetzt nur keine Lust, ihn auszubuddeln."
"War da vielleicht ein Gesetz 324 dabei, Julius?" Fragte Gilda.
"Stimmt. Wo du es sagst, Gilda, da war so eine Erwähnung "... gemäß Gesetz 324 ...". Ist denn das ein so wichtiges Gesetz."
"Aber hallo. Das ist das Offenbarungs und Durchführungsgesetz zur Ausbildung muggelgeborener Hexen und Zauberer. Es besagt, daß die sonst so wichtige Geheimhaltung der Zauberei vor Muggeln aufgehoben ist, solange es gilt, ein muggelgeborenes Kind auf seinen Werdegang in der Zaubererwelt vorzubereiten. Außerdem wird in diesem Gesetz festgeschrieben, daß die angesprochenen Muggel kein Recht haben, die Ausbildung willkürlich zu beenden, wenn sie zum Beispiel meinen, ihr Kind soll kein Zauberer werden. Ich weiß das, weil meine Mutter Richterin ist und zwei Fälle hatte, wo Muggelverwandte versucht haben, ihr Kind oder Mündel von einer Zaubererschule fernzuhalten oder nach einem Jahr herunterzunehmen. Das ging mit der Finanzierung los und endete bei der strickten Ablehnung der Zauberei in der eigenen Familie. Ich denke, es gibt in der Bibliothek allgemein verständliche Texte zu den wichtigsten Gesetzen", beendete Gilda ihre kurze Ausführung. Julius strahlte mit der Sonne um die Wette. Gloria ließ sich davon anstecken. Auch Pinas Gesicht hellte sich noch mehr auf.
"Die könnten also meinen Vater zwingen, mich wieder hierherzuschicken?"
"Ich weiß zwar nicht wie, aber es gibt hunderte von Wegen, um deine Zeit hier nicht nach einem Jahr zu beenden", antwortete Gilda Fletcher.
"Wenn es meine Aufgaben zulassen, gehe ich in die Bibliothek und suche nach Beispielfällen, wo darüber geurteilt wurde. Ich glaube, das gibt noch einen Heidenspaß, falls mein Vater meine Mutter breitschlägt, mich doch von Hogwarts zu nehmen. Die Briefeflut war schon lustig. Dann der Besucher, der meinem Vater Zauberei vorgeführt hat, dann meine ersten Besenflugstunden und das Verschwindekunststück mit der Bahnsteigabsperrung", grinste Julius.
"Hinzu kommen die ganzen Eulen, die bereits hin und herflogen", wußte Gloria zu ergänzen. Dann fragte sie Julius:
"Wann fangen wir eigentlich richtig an, uns mit den Mysterien der französischen Sprache auseinanderzusetzen?"
"So früh wie möglich, Gloria. Ich hatte vor, dieses Schuljahr noch etwas zu lernen. Aber Fußball wird auch gespielt", sagte Julius, der ein erleichtertes Aufblitzen in Kevins Gesicht sah. "Wettschulden sind Ehrenschulden."
"Ja, und Quidditch wird auch trainiert. Nächstes Jahr will ich diesen Pokal in der Hand halten. Und wenn Madame Hooch uns beide empfiehlt, spielst du nächstes Schuljahr auch mit."
"Kein Problem. Kann man eigentlich als Mannschaftsspieler, der nicht als Sucher spielt, einen eigenen Besen anschaffen?" Wollte Julius wissen.
"Natürlich! Du kannst deinen Vater fragen, ob er nicht die ganze Mannschaft ausrüstet", wandte Kevin ein.
"Soweit kommt's noch. Wenn ich mitspiele, dann weil ich mir das verdient habe. Außerdem würde mein Vater keine Besen kaufen, selbst wenn es diese alten Klapperstecken wären, die die Schule ausgibt", erwiderte Julius.
"So gehört sich das, du irischer Himmelsstürmer. Wir spielen ja auch nicht Fußball, wo ein reicher Geldgeber bestimmt, wer und womit in der Mannschaft spielt", sprach Gilda.
"Das sag' den Slytherins."
"Wer nicht hören will muß fühlen. Der heutige Tag hat es bewiesen, daß der Einkauf von Draco Malfoy im Entscheidungsspiel nichts gebracht hat", freute sich Kevin Malone.
Am Nächsten Morgen vertrieben sich die meisten Ravenclaws die Zeit mit Bodensport und Spaziergängen. Julius Andrews hatte am Morgen eine Eulenpost von seinen Eltern erhalten, in der es hieß, daß er demnächst noch ein Buch über Physik bekommen würde, das er neben den beiden Chemiebüchern zu lesen hätte. Dementsprechend schlecht gelaunt ging er mit Kevin auf den großen Platz neben dem Quidditchfeld, wo sich einige Gryffindors und Hufflepuffs aus den höheren Klassen austobten. Er sah Glenda Honeydrop, die Fredo auf einem Schulbesen nachjagte. Offenbar wollten die beiden sich gegenseitig ihre Flugkünste zeigen. Gloria flachste mit den Ravenclaw-Erstklässlerinnen und den Gryffindor-Mädchen der ersten Klasse am Rande des großen Sees, während viele andere Schüler und Schülerinnen aufgeschobene Hausaufgaben machten, um am Montag nicht komplett dumm dazustehen.
Kevin erwies sich als guter Wettverlierer und lernte an diesem Tag die Grundregeln des Fußballs. Am Nachmittag schon kam es zu einem Testspiel zwischen ihm, Julius und zwei Gryffindors, zu denen auch Dean Thomas aus der dritten Klasse gehörte. Die vier spielten zwei Stunden lang, bis Gloria Porter in Begleitung von Gilda Fletcher und Jenna Hollingsworth herüberkam und zusah, wie die Jungen spielten. Dann fragte sie Julius:
"Wie ist es. Wollen wir uns die Bücher angucken?"
"Kein Problem. Kevin ist sowieso fertig", erwiderte Julius gehässig. Kevin nickte, anstatt zu protestieren und trollte sich mit den anderen Jungen.
Die Zeit zwischen dem Fußballspiel und dem Abendessen verbrachten Julius und Gloria in einer ruhigen Ecke des Ravenclaw-Gemeinschaftsraums, wo zehn Jungen aus der dritten und vierten Klasse über die Bekämpfung von Minotauren diskutierten. Offenbar hatte Professor Lupin den Viertklässlern eine entsprechende Aufgabe gestellt.
Die Französischbücher waren außerordentlich praktische Nachschlagewerke, die den Einstieg in die Fremdsprache sehr vereinfachten. So kam es, daß Julius und Gloria sich nach einer halben Stunde bereits fünf Frage- und Antwortsätze, sowie die üblichen Begrüßungsfloskeln zusprechen konnten. Die sprechenden Bücher kommentierten die Bemühungen und zeigten auf den gerade aufgeschlagenen Seiten durch Aufleuchten die korrekten Schreibweisen.
"Ich fürchte, diese Sprache ist nur zum sprechen gut, Gloria. Wenn ich das was ich sage schreiben will, lerne ich überhaupt nichts gescheites", lamentierte Julius.
"Das denke ich auch, Julius. Ich spreche auch lieber als etwas zu schreiben. Aber diese Bücher sind auch so ausgelegt, daß man mit ihnen zwei Jahre arbeiten kann, bis sie einem nichts mehr vermitteln können. Bis dahin haben wir die Sprache drin."
Flitwick kam kurz in den Gemeinschaftsraum und begutachtete die Hausbewohner. Er sah Gloria und Julius bei der Arbeit und nickte wohlwollend.
"Manche verzauberten Bücher sind doch produktiv", sagte er.
"Anders als Bücher für kleine Mädchen", bemerkte Julius.
"Haben Sie ein derartiges Buch schon einmal gesehen, Mr. Andrews?"
"Ja, bei mir", antwortete Gloria schnell und zeigte ein beunruhigtes Gesicht.
"Ja, das Ministerium will sie nicht beseitigen, obwohl sie eindeutig schwarzer Magie entstammen. Man beruft sich auf die Beseitigung wichtigerer und gefährlicherer Dinge. Die Abteilung Weasley und die Abteilung Perkins haben genug mit gefährlicheren Hinterlassenschaften des dunklen Lords und seiner Anhänger zu schaffen, zumal immer mal wieder Muggelartefakte bezaubert und in der Muggelwelt unter die Leute gebracht werden."
"Ich lasse Winnie schlafen, bis jemand das Mittel findet, sie endgültig fortzuschaffen", bemerkte Gloria. Professor Flitwick nickte und ging wieder aus dem Gemeinschaftsraum.
Gloria und Julius unterhielten sich noch eine Weile über verzauberte Muggelartefakte, die in den letzten Jahren irgendwo aufgetaucht waren. Dann war es Zeit, sich hinzulegen. Gloria verschwand mit Pina, Gilda und den anderen Erstklässlerinnen im Mädchentrakt von Ravenclaw, während Julius sich mit Fredo, Kevin, Eric und Marvin in den Jungenschlafsaal der Erstklässler begab.
Die nächsten Wochen waren bestimmt durch viel Arbeit für die Schule. Hinzu kam das zusätzliche Buch, das Julius lesen sollte. Draco Malfoy hatte zwar kurz herübergeglotzt, als drei Steinkäuze das Paket von Julius Eltern mit der allgemeinen Morgenpost hereintrugen, doch er unterließ es diesmal, sich direkt damit zu beschäftigen. Sollte der Muggelbalg doch dadurch von allen richtigen Aufgaben abgehalten werden, so daß sie ihn rauswarfen.
In der Zauberkunststunde lernten die Erstklässler Verbesserungen des Schwebezaubers. So erfuhren sie, daß man Dinge auch so verzaubern konnte, daß sie immer federleicht waren und so die schwersten Koffer oder Kisten bewegt werden konnten, ohne immer mit dem Zauberstab darauf zu deuten. Danach lernten sie bei Professor McGonagall, wie sie Farbveränderungen gezielt herbeiführen konnten.
"Sie müssen sich ein Objekt vorstellen, das bereits die gewünschte Farbe hat. Dabei gilt, daß Sie darauf achten müssen, das zu verfärbende Objekt nicht komplett umzuwandeln, sondern nur die Färbung zu verändern. Ich führe Ihnen das mal vor."
Sie nahm den Zauberstab, zeigte damit auf ein auf ihrem Pult liegendes Pergament und führte eine Bewegung aus, die sie zu Beginn der Stunde als Grundvoraussetzung beschrieben hatte. Das Pergamentstück verfärbte sich sofort und nahm die leuchtenden Farbmuster eines Regenbogens an. Dann ließ sie das Pergament wieder in seiner Ursprungsfarbe erscheinen.
"Anders als bei richtigen Umwandlungen ist es hier wichtig, sich genau auszubalancieren. Zu wenig Konzentration führt zu keiner Veränderung, zu viel Konzentration könnte in einer totalen Umwandlung enden. Wir beginnen heute nur mit einfarbigen Abänderungen."
Gloria Porter schaffte es, eine ihr vorgelegte Pergamentseite leicht grün einzufärben. Kevin Malone erzielte eine tiefrote Umfärbung seiner Pergamentseite, während Pinas Pergamentstück sich leise knisternd auflöste.
"Das war wohl zu viel", seufzte Pina. Professor McGonagall fragte sie, was sie sich denn vorgestellt habe. Sie sagte, daß sie den weißgelben Farbton der Sonne herbeiführen wollte.
"Dann wird das Pergament wohl verbrannt sein, ohne Feuer zu fangen. Das passiert gerade bei dieser Farbvorstellung häufig. Versuchen Sie es mit einer anderen Vorstellung!"
Pina schaffte es nicht, das Pergament zu verfärben, welches sie nun benutzen sollte. Julius nahm Pinas Anregung auf und stellte sich einen klaren Himmel ohne Sonne vor. Er führte die Bewegung zur Einleitung des Zaubers durch, murmelte leise die wichtigen Worte für die Umwandlung, wobei er sich vorstellte, in den Himmel hinaufzusehen. Das Pergament wurde hellblau, dann löste es sich zischend auf. Ein kalter Hauch umwehte Julius.
"Mist!" Fluchte er.
"Fluchen Sie nicht, sondern überlegen Sie, was passiert ist, Mr. Andrews!" Tadelte ihn die Verwandlungslehrerin.
"Hat sich in Luft verwandelt, obwohl ich Himmelblau haben wollte", vermutete Julius.
"Soetwas geschieht dann, wenn man sich zu stark auf das Vergleichsobjekt konzentriert. Versuchen Sie es noch mal!" Verlangte Professor McGonagall.
Julius probierte es bei einem zweiten Pergament aus und ließ auch dieses verschwinden. Das dritte verfärbte sich nicht. Er stellte sich nun das Smaragdgrün von Professor McGonagalls Umhang vor und erzielte eine farbgleiche Änderung des Pergaments.
"Niemand kann das sofort. Jetzt überlegen Sie sich mal, wie schwer es Zauberdekorateuren fällt, reine in der Vorstellungskraft bestehende Muster als Ausgangspunkt zu nehmen, um Objekte oder Flächen zu verfärben. Dennoch können es alle Zauberkundigen lernen, jedes Objekt in jeder beliebigen Farbe erscheinen zu lassen, von einer violetten Hauswand bis zu Möbelstücken", erklärte Professor McGonagall.
"Sofakissen zum Beispiel?" Fragte Julius hinterhältig grinsend.
"Dies auch, natürlich. Und Sie werden feststellen, daß eine Verfärbung häufig schwerer fällt als eine komplette Umwandlung eines Objektes in das von Ihnen gewünschte Objekt mit der gewünschten Farbgebung. Das ist eben die Frage der Konzentrationsballance. Richtig interessant ist es bei lebenden Farben, will sagen, wenn Sie Objekte derartig bezaubern wollen, das sie die Farben wechseln, wenn bestimmte Situationen eintreten. Dies gehört jedoch in den Bereich der Zauberkunst und somit in den Zuständigkeitsbereich von Professor Flitwick. Doch das können Sie nur dann anwenden, wenn Sie diese Lektion richtig begriffen haben, die Sie hier gerade lernen", sprach die Verwandlungslehrerin.
Nach der Stunde verteilte sie Punkte. Julius bekam ebenso fünf Punkte für eine gelungene Umfärbung wie Kevin und Marvin, der sein Probepergament pechschwarz hatte einfärben können. Gloria erhielt zehn Punkte, weil ihr die Umfärbung beim ersten Ansatz gelungen war und beliebig wiederholt werden konnte. Dann entließ Professor McGonagall die Klasse.
"Das war jetzt endlich mal eine Stunde, in der ich genauso dumm dreingeschaut habe wie ihr anderen", meinte Julius zu Pina, die mit ihm die Klasse verließ, während Gloria sich mit Gilda unterhielt.
"Du meinst, weil du hier lernen mußt, deine Kraft zu steuern und nicht einfach draufloszaubern kannst wie deine Kraft es zuläßt?"
"Genau. Im Nachhinein ärgert es mich nicht mehr, daß das erste Pergament verschwunden ist."
"Am Jahresende hast du das sogut drauf wie Gloria. Dann kannst du sogar diese schönen Fahnen machen, die die älteren Schüler beim Finalspiel hergestellt haben."
"Das wollen wir doch mal hoffen", sagte Julius.
Gloria drehte sich um, sah Julius an und fragte:
"Wie kamst du eigentlich auf Sofakissen?"
"Nur so, Gloria. Du kennst doch die verschiedenen Sofakissentypen."
"Wir lassen unsere Sofakissen manchmal neufärben. Aber ich kann mir schon denken, wieso du darauf gekommen bist", antwortete Gloria vieldeutig. Julius nickte, weil er dies absolut glaubte. Immerhin hatte er Gloria ja schon erzählt, daß jemand von Hogwarts bei seinen Eltern gezaubert und aus einem Revolver ein Sofakissen gemacht hatte. Und Gloria wußte ja auch schon, daß Professor McGonagall es war, die Julius' Familie besucht hatte.
Am Nachmittag trainierte Julius mit Kevin Besenflug über dem Quidditchfeld. Prudence Whitesand kam noch dazu und lächelte sie an.
"Madame Hooch ist der Meinung, daß wir mit Roger Davis bald darüber sprechen sollten, ob wir ein geschlossenes Team bilden können, eine B-Auswahl sozusagen."
"Nach den Abschlußprüfungen, Prue. Ich bin froh, wenn ich zumindest ein wenig herumfliegen kann", stöhnte Kevin.
"Wie heiß ich, Mr. Malone?" Fragte die Viertklässlerin mit den dunkelbraunen Haaren mit drohendem Unterton.
"Prue. So hat Cho dich doch gerufen", erwiderte Kevin grinsend.
"Nur weil ich ihr einmal erzählt habe, daß mein Vater mich so nennt, weil er amerikanische Eltern hat. Ich hasse derartige Namensverunstaltungen", erwiderte Prudence mit Abscheu in der Stimme.
"Kevin legt sich gerne mit Leuten an, Prudence. Er testet damit seine Beliebtheit", versetzte Julius ungefragt.
"Ich vermöbel dich noch mal, du Muggelbalg", entrüstete sich Kevin und sah Julius an.
"wann du willst", entgegnete Julius lachend und raste unvermittelt mit seinem geliehenen Besen los, daß der Reisigschweif flatterte wie ein Hemd im Windhauch.
"Wenn du das immer machst, bricht dir dieser Feger noch im Flug auseinander!" Rief Kevin. Julius kämpfte darum, die Schlingerbewegungen des alten Sauberwischs in eine gerade Flugbahn zu ändern und landete eine Minute später auf dem Feld.
"Also die Krücke sollte nur noch zum Rundflug über Hogwarts verwendet werden", schimpfte er auf den klapprigen Besen. "Die Dinger sind ja lebensgefährlich."
"Liegt nur am Flieger", versetzte Kevin und schwirrte über Julius hinweg und warf sich in eine Linkskurve, wobei sein Besen unvermittelt nach hinten durchsacckte und Schweif voran aufs Feld krachte. Kevin schaffte es noch, sich abzurollen, wobei er Dreck über seinen Umhang und seinen Kopf verteilte. Prustend stand der rotblonde Hauskamerad von Julius auf und suchte schnell das Weite, um nicht noch eine schadenfrohe Bemerkung von Julius oder Prudence hören zu müssen.
"Kleine Sünden straft der liebe Gott sofort!" Flötete Julius, als Kevin mit schnellen Schritten auf das Schloßportal zueilte und dabei fast einen stämmigen Jungen ummähte, der gerade mit einem weißblonden Mädchen Hand in Hand das Schloß verließ.
"Eh! Paß doch auf!" Schimpfte das Mädchen mit schriller Stimme, während der Junge ihre Hand losließ und Kevin hinterherjagte.
"O o! Rico wird sich das nicht bieten lassen", bemerkte Prudence Whitesand und sah mitleidsvoll dorthin, wo Kevin verschwunden war.
"Rico, laß den Jungen doch!" Rief das Mädchen hinter ihrem Begleiter her und drehte sich um, um ihm nachzulaufen.
"Der Typ sah aus, als würde er Kevin zu Hackfleisch verarbeiten", meinte Julius. Prudence zog eine Schnute. Dann sagte sie:
"Rico ist sehr leicht aufbrausend. Seitdem er mit Stella Highcloud zusammen ist .. Aber das hat dich nicht zu interessieren."
"Wo wohnt der denn, in Slytherin?" Wollte Julius wissen.
"Sie ist eine Hufflepuff-Fünftklässlerin und er ein Gryffindor-Sechstklässler."
"Oh, dann wird Kevin von einem Gryffindor vermöbelt, weil er ihn beim Händchenhalten gestört hat", flötete Julius. Prudence sah ihn vorwurfsvoll an.
"Benimm dich nicht wie ein Kleinkind!" Schnaubte sie. Doch dann mußte sie unversehens lachen.
"Du bist ein Banause", sagte sie zwischen zwei Lachanfällen. Julius grinste und meinte.
"Ich bin eben ein Eierkopf aus Ravenclaw."
"Komm, du Komiker. Wenn Kevin nicht mehr fliegen will, gehen wir besser rein. Ich wollte noch etwas Kräuterkunde lernen. Professor Sprout will alles über Eistaugras wissen."
"Es wächst im unzugänglichen Gebiet in der Nähe des Südpols, kommt nur alle zwei Jahre aus der Eisdecke und streut nach vier Tagen seine Samen in den Wind", zitierte Julius ungefragt einen Ausschnitt aus einem Buch, daß er aus der Bibliothek entliehen hatte und "Magische Pflanzen in extremen Gebieten" hieß.
"Huch? - Achso. Du bist ja der Erstklässler, der die Kräuterkundebücher auswendig lernt, die in der erlaubten Abteilung zu haben sind. Und wozu ist das Eistaugras gut?" Fragte sie dann.
"Es dient neben Eiswurz und Schneekraut zur Behandlung von Erfrierungen oder kann mit Feuerklee und Steinbrech zusammen zu einem hochgradigen Widerstandstrank gegen Hitze und Kälte gebraut werden, wenn noch Windgras und Quellwasser dabei sind. Ansonsten birgt es die Kraft, Lawinen aufzuhalten, wenn es gelingt, es in entsprechenden Gebieten zu kultivieren", meinte Julius.
"Willst du nicht meinen Aufsatz schreiben?" Fragte Prudence mit einer Mischung aus Staunen und Belustigung.
"Nein, geht nicht. Professor Sprout kennt meine Handschrift", sagte Julius.
"Aber Danke für den Hinweis auf das natürliche Verbreitungsgebiet. Ich hätte jetzt an Grönland gedacht, weil Odin Erikson vor zehn Jahren darüber geschrieben hat", sagte Prudence.
"Ich habe das aus "Magische Pflanzen in Extremgebieten" von Florian Radix. Da steht auch alles über die Drachenrose von Hawai und das australische Sandfraßmoos drin."
"Damit haben wir letzte Woche herumgearbeitet. Das Zeug ist höllisch gefährlich, wenn du keine Handschuhe trägst. Es sondert eine Säure ab, die Steine zu Sand zersetzt und diesen dann durch die Saugöffnungen in den Blättern ins Innere der Pflanze befördert. Soll aber gut für feste Fingernägel und elastisches Haar sein", meinte Prudence noch.
"Dann ist es was für Gloria", erwiderte Julius. Wie auf ein Stichwort erschien Gloria Porter vor dem Portal, zusammen mit Glenda Honeydrop von den Gryffindors.
"Filch hat Fredo, Kevin und einen stämmigen Gryffindor erwischt, wie sie sich prügelten", begrüßte Gloria Julius.
"Ach du liebe Zeit", stöhnte Julius. Glenda sagte entrüstet:
"Dafür, daß ihr Ravenclaws seid, prügeln sich Fredo und dieser irische Wirbelwind immer wieder."
"Worum ging es denn nun? Die Quidditchsaison ist doch vorbei?" Fragte Gloria.
"Worum prügeln sich Jungs, wenn es nicht um Sport oder um Autos geht?" Fragte Julius frustriert.
"Ach nein!" Wandte Glenda ein. "Kevin ist doch nicht hinter Stella her?"
"Nöh! Er hat Rico nur fast umgeschmissen", kicherte Julius.
"Stella sieht aber auch toll aus. Meine Mutter würde bei der keinen Schnitt machen", bemerkte Gloria mit einer Mischung aus Neid und Anerkennung in der Stimme.
"Jetzt nicht, aber in zwei Jahren, wenn sie ausgewachsen ist und aufpassen muß, nicht aus dem Leim zu gehen", gab Julius gehässig zurück. "In unserer Welt leiden alle schönen Mädchen unter der Angst, zu schnell zuzunehmen und hungern sich krank oder schlucken Appetitzüglerpillen."
"In unserer Welt, Julius?" Fragte Gloria mit einem drohenden Unterton. Prudence sah Julius Andrews vorwurfsvoll an.
"Ja, in der Welt der Schönheitschirurgen, Modetrends im Fernsehen und der wunderbaren Welt der kosmetischen Chemie", trällerte der Sohn eines Forschungsdirektors. Dafür bekam er einen Tritt auf den Fuß von Prudence und einen Kniff in die Nase von Gloria.
"Ich habe schon davon gehört, daß Muggel, besonders Kinder, von Reklame eingenebelt werden, damit sie allen Schwachsinn kaufen, den irgendwer auf den Markt wirft. Aber derartige Quacksalberei als "wunderbare Welt" zu bezeichnen ist nicht komisch, junger Herr. Meine Mutter könnte das als Geisteskrankheit auslegen, wenn jemand sagt, daß er das Giftzeug der Muggel und deren Knochen- und Fettschnibsler anständigen Salben und Zaubertränken vorziehen würde", zischte Gloria.
"Tröste dich, Gloria! Ich unterstelle diesen Männern und Frauen auch einen Sprung in der Schüssel, die ihren Körper kaputtgestalten lassen, obwohl das nicht nötig ist", meinte Julius kleinlaut.
"Ihr seid herrlich, ihr zwei", meinte Prudence lächelnd. "Als wäret ihr verheiratet."
"Sag sowas nicht, Prudence! Dann kriege ich noch Alpträume", versetzte Julius mit künstlichem Entsetzen in der Stimme.
"Angeber!" Tadelte Glenda den Jungen aus einer Muggelfamilie. Dann sagte sie noch:
"Jetzt bist du schon bald ein Jahr hier und hängst immer noch diesem Muggelkram nach. Wenn dich die Slytherins hören."
"... würden sie sich bestätigt fühlen, daß ein Schlamm..., öhm, Muggelbalg eben keine anständigen Zauberermanieren hat", konterte Julius und lachte.
"Hattest du noch was besonderes vor, Julius?" Fragte Gloria.
"Ich wollte noch das Kapitel über Newtons Physik in der modernen Technologie lesen. Du erinnerst dich, daß mein alter Herr mir den Brief geschrieben hat, daß er eine schriftliche Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen dazu haben will."
"Das hat Zeit. Ich wollte dich noch wegen einer Geburtstagsüberraschung fragen, die wir Pina bereiten wollen. Du weißt, daß sie am nächsten Montag Geburtstag hat?"
"Joh, natürlich. Ich habe doch die Einladungskarte heute morgen bekommen. Ist echt lustig, wie die Buchstaben auf der Karte herumtanzen, wie Ballerinen. Wo kriegt man sowas her?" Wollte Julius wissen.
"Bei Salvetissimo, der Agentur für Grußkarten für alle Gelegenheiten. Liegt in der Winkelgasse gleich neben dem Prazap-Laden für praktische Zaubergegenstände und Tinkturen", meinte Glenda beiläufig. Dann gingen Gloria, Glenda und Julius in einen der Parks um das Schloß und beratschlagten, was sie ihrer Klassenkameradin Pina schenken wollten. Julius wandte ein, daß ein Buch oder sonst irgendein Aufmerksamkeit forderndes Ding, was an Schule erinnerte, nicht seiner Vorstellung von Geburtstagsgeschenken entsprach. Gloria Porter schlug vor, etwas kunstvolles zusammenzubasteln. Julius wußte, daß Pina gerne Harfe spielte, wie Gloria und er leidenschaftlich gerne Schach spielte und tanzte. Er überlegte, während Gloria mit einem Pergament und ihrem Zauberstab experimentierte, um schillernde Verfärbungen zu üben. Das Pergamentstück wurde abwechselnd neongrün,, stahlblau, blütenweiß, sonnengelb und bordeauxrot.
"Das ist doch was", meinte Julius, als das Pergamentstück in einem glitzernden Goldton erschien. "Du hast da echt talent für."
"Wofür, Julius?" Wollte Gloria wissen.
"Sachen einfärben. Ich denke, wir schenken ihr ein Bild oder eine Statuette, irgendwas schönes, aber nichts unterrichtsmäßiges."
"Woraus willst du ein Bildnis machen, Julius?"
"Aus Tonerde, Gloria. Die gibt es hier am Rande der Küchenbeete, habe ich gesehen. Ich leih mir eine Gartenschaufel von Professor Sprout aus und hol eine Handvoll davon. Vielleicht baue ich das Bild einer Ballerina oder eines Musikers ... Genial! Ich baue ihr die Begegnung zwischen Orpheus und dem dreiköpfigen Höllenhund Kerberos, die ich in einem Buch über alte Sagen gelesen habe, das mir meine Großmutter vor zwei Jahren geschenkt hat."
"Dreiköpfiger Höllenhund? Angeblich soll es einen hier in Hogwarts geben. Hagrid soll so ein Biest mal gekauft und als Wachhund für was mysteriöses an Dumbledore verliehen haben", bemerkte Glenda. Dann fragte sie:
"Was war das für eine Geschichte mit diesem Orpheus?"
Julius erzählte die alte Sage von dem Musiker, der seine Frau verloren hatte und durch seine Musik die Mächte der Unterwelt betören konnte, sie ihm wieder zurückzugeben, sie aber wieder verloren habe, weil er sich zu früh nach ihr umgedreht hatte.
"Musik besänftigt alle Monster. Eine schöne aber auch traurige Geschichte", erkannte Gloria Porter und lächelte. Dann meinte Glenda:
"Und du kannst mit Tonerde arbeiten, Julius?"
"Das ist zwar drei Jahre her, daß Mrs. Clayborne uns damit werkeln gelassen hat, aber das kriege ich wieder hin. Schwierig ist es nur, den Ton zu brennen. Ich denke nicht, daß wir das Kunstwerk, wenn wir es einmal fertig haben, in einen Ofen stellen können."
"Wozu können wir zaubern, Julius? Es gibt doch den Beschwörungszauber für Hitze, den Heliothermus-Zauber, der dem Hibernevus-Zauber entgegengestellt ist. Das einzige, was wir dazu brauchen, ist ein Metallkessel, zwei Sonnenblumenkerne und ein Stück Glas, um die Wärme der Sonne zu beschwören", erklärte Gloria, die offenbar mit Julius' Idee zufrieden war.
Wenige Stunden später bastelte Julius mit der Tonerde, die er sich holen durfte, die Statuetten des Sängers Orpheus mit der Harfe und das Abbild eines struppigen Hundes mit drei Köpfen und aufgerissenen Mäulern. Gloria bewunderte es, wie geschickt und detailgenau Julius sogar die Krallen und Zähne des Untieres ausformte. Dann wandten sie den Erhitzungszauber an, und hielten das Tonkunstwerk mehrere Minuten auf hohen Temperaturen. Dann vollzog Gloria an Orpheus eine Goldfärbung, während Julius den Höllenhund pechschwarz einfärbte. Die beiden Zauber berührten sich nicht, der Sockel der Abbildung verfärbte sich nicht. Glenda verpaßte ihm nach der vollendeten Umfärbung einen blutroten Farbton.
"Der Ton ist richtig ausgehärtet, Leute", staunte Julius, als er das gemeinsame Kunstwerk betastete. Gloria nickte.
"Meine Großmutter Jane hat mir das verraten, daß Hexen und Zauberer derartige Sachen ohne Ofen machen können. Oma Jane hat mir sogar schon einmal eine kleine Blumenvase getöpfert, die sie mit blauen Blumenmustern bezaubert hatte."
"Dann verstecken wir es gut. Minifico!"
Bei den letzten Worten hatte Julius seinen Zauberstab hervorgeholt und eine schnelle Bewegung in Richtung des Kunstwerks vollführt. Beim entscheidenden Zauberwort schrumpfte die Tonabbildung von ursprünglich 25 Zentimetern Größe auf nur zwei Zentimeter zusammen. Gloria verbarg das so bezauberte Objekt in einer kleinen Schachtel, in der sie ihren Stimmungsfarbring aufbewahrte, wenn sie ihn nicht tragen wollte.
"Ich hoffe, du kannst die Umkehrung des Einschrumpfungszaubers?" Fragte Gloria und lächelte Julius an. Dieser sagte nur:
"Reducio. Das ist doch die Umkehrung, oder?"
"Dumme Fragen führen zu dummen Antworten", erwiderte Gloria. "Seitdem du von Professor McGonagall angestachelt wurdest, die Verwandlungstheorie zu lernen, hast du nicht einmal die falsche Antwort gegeben. Insofern kaufe ich dir diese Antwort nicht als ernstgemeint ab."
"Wieso, Gloria? Reducio ist doch die Umkehrung bei Größenveränderungen", warf Glenda ein.
"Oh, das laß aber nicht eure Hauslehrerin hören. Die würde dich fragen, ob du in ihrem Unterricht besser schlafen kannst als in deinem Bett", gab Gloria gehässig zurück. Julius grinste gemein. Dann sagte er:
"Reducio ist der Rückschrumpfspruch nach einer Vergrößerung. Wenn du aber etwas entschrumpfen willst, brauchst du den Remagnus-Zauber, oder werkelst dich mit dem Engorgius-Zauber solange durch, bis das, was du vergrößern wolltest, deine Vorstellungen von richtiger Größe erfüllt."
"Oha! Wann sind die Prüfungen?" Wollte Glenda wissen und lief rot an.
"Ab erstem Juni", gab Gloria nüchtern zurück.
"Dann kann ich das noch mal durchackern", seufzte das Gryffindor-Mädchen.
Beim Dinner erfuhren die Ravenclaws, daß wegen der Prügelei zwischen Kevin, Fredo und Rico ein 40-Punkte-Abzug verhängt worden war. Außerdem waren Kevin und Fredo im Krankenflügel gelandet, weil Rico ihnen ein paar Rippen gebrochen und ihnen zum Überfluß noch einen Krauthaarfluch angehext hatte, bei dem büscheliges Unkraut an Stelle der Haupthaare spross. Julius sah, wie Rico am Gryffindor-Tisch einen heftigen Wortwechsel mit Percy Weasley und Hermine Granger führte. Offenbar hatte es auch für die Gryffindors einen Punkteabzug gegeben, was Julius schmunzeln ließ.
Pina freute sich an ihrem Geburtstag nicht nur über das Ständchen, daß Gloria, Kevin und Julius ihr brachten, sondern auch über das Kunstwerk. Sie erkannte sofort die Darstellung und freute sich.
"Meine Mutter hat mir schon die Geschichte erzählt, wie ein Musiker ein Monster besänftigt hat. Danke, Leute."
Julius saß am Tisch der Ravenclaws, als Post für ihn eintraf. Auf dem Umschlag stand mit Handschrift in veilchenblauer Tinte:
"Bitte erst öffnen, wenn Sie allein sind!"
Julius ließ den Brief schnell in seinem Umhang verschwinden. Als der Unterricht dann vorbei war, zog er sich in den äußersten Winkel des Jungenschlafsaals zurück und las den Brief.
Sehr geehrter Mr. Andrews,
hiermit überreichen wir Ihnen den Schlüssel zu ihrem Bankverlies bei Gringotts. Das Verlies trägt die Nummer 119 und wurde gestern mit einem Guthaben von einer Sickel eröffnet. Bitte unterrichten Sie Ihre Eltern davon, daß nun die für Ihre Unterbringung in Hogwarts notwendigen Geldmitttel dort eingezahlt werden mögen, damit Sie weiterhin in den Genuß einer äußerst erfolgreichen Ausbildung kommen können.
viele Grüße
Lorna Oaktree, Chefsekretärin in der Abteilung für Neuzugänge Cynthia Flowers, Sekretärin für Neuzugänge aus nichtmagischen Familien in Hogwarts
p.s. eine Kopie dieser Mitteilung wird zeitgleich an Ihre Eltern geschickt.
Julius nickte zustimmend und besah sich den Schlüssel. Er trug die winzige vergoldete Nummer 119 in verschnörkelter Linienführung. Daneben standen noch alte Runen, die Julius nicht entziffern konnte. Er sah, daß der Schlüssel eine Öse besaß, durch die eine Kette gezogen werden konnte, um ihn um den Hals zu tragen oder ihn an einer Schlüsselkette festzumachen. Julius sperrte den Schlüssel zunächst in dem Geheimfach seines Koffers ein. Später wollte er ihn an einer kleinen Kette festmachen.
Professor Flitwick teilte in der nächsten Zauberkunststunde mit, daß bald die ersten Prüfungen anstünden und die Schüler sich gut vorbereiten sollten, da die Prüfungsergebnisse darüber Auskunft geben sollten, ob die jungen Hexen und Zauberer in Hogwarts bleiben konnten oder schon vorzeitig die Ausbildung abbrechen mußten. Nach dem Unterricht hielt der Professor für Zauberkunst Kevin, Fredo und Julius zurück.
"Zu Ihnen, Meine Herren! Mr. Malone und Mr. Gillers, Sie beide werden heute nachmittag zusammen mit unserem Wildhüter Hagrid die Bäume im südlichen Schloßpark beschneiden, ohne Zauberei. Ich muß Ihnen langsam eingestehen, daß ich nicht besonders erfreut bin, daß gerade Sie beide leichtfertig in körperliche Auseinandersetzungen hineindrängen. An und für sich hätte ich von Ihnen mehr Disziplin erwartet. Bitte versuchen Sie bei nächster Gelegenheit, Prügeleien zu vermeiden!"
Fredo und Kevin trollten sich. Julius, der weder betrübt noch schadenfroh aussah, blickte ihnen nach, wie sie wie getretene Hunde davontrotteten. Dann sprach Professor Flitwick zu ihm:
"Mr. Andrews. Ich habe heute morgen einen Brief von Ihren Eltern erhalten. Sie schrieben mir, daß sie darum ersuchten, mit uns Lehrern direkt zu sprechen und baten um einen Erscheinungstermin hier in Hogwarts. Grundsätzlich stimme ich dem Ansinnen Ihrer Eltern zu und wäre sehr gerne bereit, mit diesen in einem direkten Gespräch Ihre Leistungen zu würdigen. Doch Sie wissen ja, was im Moment los ist. Solange die Dementoren Hogwarts umstellt haben, wäre es sehr fatal, Muggel zu uns zu holen, da sie den Eindruck gewinnen könnten, wir hielten Sie und die übrigen Schüler durch eine Mauer aus Verzweiflung und Angst gefangen. Allerdings kann ich das Ansinnen Ihrer Eltern nicht ablehnen, ohne ihr ohnehin bestehendes Mißtrauen zu erhärten. Wie schätzen Sie die Lage ein?"
"Darf ich ehrlich antworten, Professor Flitwick?" Fragte Julius.
"Ja, Sie dürfen", erlaubte der Zauberkunstlehrer. Julius holte tief Luft und antwortete:
"Wenn Sie meinen Eltern schreiben, daß sie nicht herkommen können, werden die mich nach den Ferien nicht mehr hierher zurückkehren lassen, weil sie sich jeder Kontrolle enthoben fühlen, vorausgesetzt, ich bestehe die Prüfungen. Können Sie nicht nach London reisen, und mit meinen Eltern sprechen?"
"Erst nach den Prüfungen", wandte Professor Flitwick ein. Falls Black bis dahin immer noch in der Nähe des Schlosses herumläuft, muß ich diese Möglichkeit in Betracht ziehen. Ihr Vater bittet vor allem um einen Termin bei Professor Sprout, Professor Snape, Direktor Dumbledore und mir persönlich. Offenbar hat er seine Einstellung zu Ihrer Ausbildung bei uns nicht geändert."
"Das hat er bestimmt nicht", erwiderte Julius Andrews frustriert. "Ich behaupte sogar, daß er keinen Zauberer in der Familie haben will, so oder so nicht."
"Tja, das kann man sich nicht aussuchen", sagte Professor Flitwick grinsend. "Die meisten nichtmagischen Eltern haben anfangs ihre Probleme gehabt, die Situation zu akzeptieren, eine Hexe oder einen Zauberer in der Familie heranwachsen zu sehen. Ich hörte sogar schon Beleidigungen wie "Mißgeburt", "Monstrum" oder "Abnorme Erbanlagen". Doch in den meisten Fällen gab sich das nach dem ersten Jahr. Was die Einsicht in unsere Arbeit hier angeht, so räume ich Ihren Eltern gerne ein gewisses Mißtrauen ein, da außer Ihren und unseren Briefen keine Rückmeldung kommt, wie Sie hier leben, wie Ihr Umfeld beschaffen ist und mit wem Sie einen wie gearteten Umgang pflegen. Kein Elternpaar nimmt es fraglos hin, ein Kind in die Obhut von Fremden zu geben, die mit ihm Dinge anstellen, die sie nicht fassen können. Dennoch muß ich neuerlich meine Verwunderung bekunden, daß Wissenschaftler wie Ihre Eltern sich nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten abzufinden vermögen."
"Eben weil sie wissenschaftlich geprägt sind, ist ihnen alles verdächtig, was mit Zauberei zu tun hat", wagte Julius einen vorsichtigen Widerspruch. "Hinzu kommt die ganze Sache mit den zusätzlichen Aufgaben, die ich hier zu erledigen habe. Ich muß mich nun auf die Prüfungen vorbereiten. Dann läuft das Nachwuchstraining im Quidditch, das Hausturnier im Schach findet nach den Prüfungen statt. Also was ist das richtige? Wenn ich meine Eltern jetzt anschreibe und ihnen sage, daß sie nicht herkommen dürfen, ohne zu erwähnen, woran das liegt, dauert es nicht mehr lange, und Sie bekommen Post von einem Anwalt, der fordert, mich nach Hause zu schicken, auf das ich eine andere Schule besuchen kann, wo keine Dementoren herumlaufen und es gewohnte Dinge wie Telefone und Faxgeräte gibt."
"In der augenblicklichen Lage werden Sie die Prüfungen für die erste Klasse bestehen. Es sei denn, Sie verweigern sich. Das würde Ihren Eltern zwar gefallen, da Sie entweder das Jahr wiederholen müßten oder von der Schule verwiesen werden müßten, aber würde nicht bedeuten, daß Sie, will sagen Ihre Eltern, dann vor unserer Welt Ruhe hätten. Ihnen ist doch bekannt, daß es Gesetze gibt, denen zu Folge alle Lehrer der Zaubererwelt gehalten sind, Muggelgeborene in Zaubereifeldern zu unterrichten. Ihre Eltern könnten Sie nicht willkürlich in eine andere Lehranstalt schicken, wo keine Magie unterrichtet wird. Bedenken Sie dies und teilen Sie es Ihren Eltern gegebenenfalls mit, falls sie Sie dazu drängen sollten, einen Verweis von Hogwarts zu provozieren!" bemerkte der kleine Lehrer mit dem weißen Haar. Julius hörte einen unmißverständlichen drohenden Unterton aus der hohen Stimme des Hauslehrers von Ravenclaw heraus und nickte.
"Ich wollte nach den Prüfungen was über die Gesetze lesen, die sagen, wie Zauberer und Muggel miteinander umgehen können oder müssen. Gilda Fletcher und Gloria Porter haben mir erzählt, daß es in der Bibliothek Bücher gäbe, die leicht zu verstehen seien."
"Sehr guter Vorschlag. Ich empfehle Ihnen die Bücher "Alles was Recht ist - Zauberergesetze für Jedermann" von Justicia Mallot und "Muggel und Magier - Regeln für den Umgang zweier Welten" von Paris Rhadamantys. Die hat im letzten Jahr auch Ms. Granger gelesen, falls Sie sie kennen."
"Sicher. Wer kennt Hermine Granger nicht?" Antwortete Julius. Dann verabschiedete sich Professor Flitwick von ihm. Julius eilte aus dem Schloß, hinein in die sonnendurchfluteten Parkanlagen von Hogwarts, wo er die Hollingsworth-Schwestern antraf, die gerade ein Duell mit Kissen machten, die sie sich per Zauberkraft zuwarfen.
"Was wird das denn?" Wollte Julius wissen. Dann klatschte ihm ein Kissen voll ins Gesicht.
"Hups! Das kommt davon, wenn man mich aus dem Rhythmus bringt", grinste Jenna Hollingsworth. Julius grinste zurück. Holte seinen Zauberstab hervor und ließ das Kissen in die Luft steigen.
"Echt tolles Wetter heute", sagte er, als das Kissen wieder nach unten sank.
"Ja, das kann so bleiben", sagte Betty Hollingsworth.
In den nächsten Tagen waren die Ravenclaws vom Erstklässler bis zum Abschlußklässler damit beschäftigt, für die Prüfungen zu lernen. Julius half Pina bei der Kräuterkunde und gab ihr Tips für diverse Zaubertränke, während Gloria Julius davon zu überzeugen versuchte, wie wichtig Geschichte der Zauberei sei. Nebenbei lernte Julius noch diverse Flüche und Gegenflüche, da Lupin ihnen angedeutet hatte, sie hauptsächlich praktisch zu prüfen. An herumkrabbelnden Spinnen probte Julius die Klammerflüche, ihre Aufhebung und den Erstarrungszauber. Dabei sagte er zu Gloria, die gerade Objektverfärbung an herumliegenden Pergamentresten und Streichhölzern ausprobierte:
"An und für sich müßte uns Lupin noch den Patronus-Zauber beibringen, bevor wir die Jahresendprüfung machen."
"Fängst du schon wieder damit an? Dabei ist der beste Schutz vor Dementoren, sich möglichst von ihnen fernzuhalten", raunzte die blondgelockte Hauskameradin Julius an.
"Ich halte mich ja daran, aber die Dementoren vielleicht nicht", erwiderte der Muggelgeborene frech.
"Lies lieber noch mal das Protokoll der Druidenkonvention von 150 vor Christi!" Empfahl Gloria Porter, und Julius konnte ihr anhören, daß sie sich schwer beherrschen mußte, um nicht verärgert zu klingen. Julius zielte mit dem Zauberstab auf eine Spinne, die sich gerade an ihrem Faden von einer Wand herunterließ und rief:
"Engorgio!"
Wie ein sich füllender Luftballon schwoll die winzige Spinne an und wuchs zur Größe eines Suppentellers an. Der Faden riß, und die vergrößerte Spinne klatschte auf den Boden und lief fort. Doch Julius zielte noch mal mit dem Zauberstab und rief:
"Reducio!"
Schlagartig schrumpfte die Spinne wieder auf ihre Normalgröße zurück.
"Gut, daß Penelope das nicht mitgekriegt hat", meinte Fredo, der staunend zugesehen hatte.
"Na und, ich muß den doch können, auch die umgekehrte Anwendung", meinte Julius und richtete den Zauberstab auf einen freien Sessel.
"Minifico!"
Der Sessel schrumpfte so schnell zusammen, als würde er von einer unsichtbaren Faust zusammengepreßt, bis er nur noch einen Zentimeter groß war. Julius mußte extra hingehen, um ihn mit dem Zauberstab genau anzuvisieren. Er führte eine Dreivierteldrehung im und gegen den Uhrzeiger aus, wofür er nur eine Viertelsekunde brauchte und sprach dann:
"Remagno!"
Der Sessel zitterte kurz, dann wuchs er wieder auf seine eigentliche Größe an.
"Also wenn du nur praktisch geprüft wirst, schaffst du die Verwandlungsprüfung im Spaziergang", meinte Prudence Whitesand, die gerade durch das Einstiegsloch geklettert war und den Schrumpf- und Rückvergrößerungsvorgang beobachtet hatte.
"Sag das bloß nicht zu Professor McGonagall, sonst vertauscht die noch meine Prüfungsaufgaben mit denen von Penelope Clearwater", warf der Sohn von Martha und Richard Andrews ein.
Nach den Experimenten im Gemeinschaftsraum vertrieben sich Julius und die anderen Erstklässler die Zeit mit Laufsport in den Parks um das Schloß und kletterten auf Bäume.
Am Ende des Monats Mai erkrankte Professor Lupin schon wieder. So kamen die Erstklässler noch mal in den zweifelhaften Genuß, eine Stunde bei Professor Snape zu haben. Diesmal drangsalierte der hakennasige Lehrer die Schüler mit durch Gifte oder Bisse übertragbaren Flüchen.
"Wenn Sie von einem Werwolf gebissen werden, wielange glauben Sie, daß es dauert, bis Sie selbst einer werden, Andrews?" Fragte Snape den Muggelgeborenen.
"Gemäß Lehrbuch der ersten Klasse, sowie "Dunkle Kreaturen" von Professor Erebus Noctumbra dauert es 26 Stunden durch die Anzahl der erlittenen Bisse, bis die erste Werwandlung einsetzt. Ein schwarzer Magier namens Seth Fenris hat 1654 ein Pfeilgift aus dem Speichel von Werwölfen gemacht, das die Werwandlung schon nach einer Minute bewirkte."
"Sehe ich aus wie Professor Binns? Ich wollte keine Vorlesung über alte Hexenmeister hören, Andrews. Wegen Abschweifung vom Thema wird Ravenclaw ein Punkt abgezogen", zischte Snape und lächelte kalt. Julius hielt diesem Lächeln Stand. Gloria, die neben ihm saß, lief leicht rot an vor Zorn.
"Habe ich etwa nicht recht, Porter?" Wollte Snape wissen, und in seinem Blick lag etwas lauerndes.
"Sie haben recht, daß Sie nicht Professor Binns sind, Professor Snape", erwiderte Gloria kalt.
"Das möchte ich mir auch ausgebeten haben, junge Dame", entgegnete Snape. Julius wußte nicht, ob er sich das einbildete oder ob Snape tatsächlich für einen Moment enttäuscht dreinschaute, weil Gloria ihm nicht den Grund geliefert hatte, ihr auch noch Punkte abzuziehen. Gilda sollte dann noch erwähnen, wie oft ein Mensch von einem Vampir gebissen werden konnte, bevor ein solches Opfer selbst zum Vampir wurde und wie man dies verhindern konnte. Danach bekamen sie die Aufgabe, in ihren Schulbüchern nach Möglichkeiten zu suchen, Untote zu vertreiben. Nach der Stunde machte sich Kevin Luft, als er sich sicher sein konnte, daß Snape ihn nicht mehr hörte.
"Dieser Dreckskerl! Der zieht dir einen Punkt ab, nur weil du seine Frage korrekt beantwortet hast."
"Er ist kein Ravenclaw. Der will nur das hören, was genau gefragt wurde", erwiderte Gloria wütend.
"Selbst ein Slytherin sollte sich dafür interessieren, wer mit Werwolfspeichel herumexperimentiert hat", meinte Julius. Dann sah er so aus, als sei ihm gerade etwas siedendheiß eingefallen.
"Heh, was ist mit dir los, Julius?"
"Warum fragt uns Snape über Werwolfbisse ab? Wieso sollten wir damals, wo er schon einmal Lupin vertreten hat alles über Werwölfe schreiben, was wir lesen konnten? Die Antworten auf diese Fragen im Zusammenhang mit anderen Tatsachen bringen mich auf einen dummen Gedanken."
"Die einzigen dummen Gedanken, die du bisher hattest, drehten sich darum, daß du kein Zauberer werden wolltest", wandte Gloria ein. Dann sah sie Kevin an, der ebenfalls dreinschaute, als sei ihm ein hundertarmiger Kronleuchter aufgegangen.
"Kannst du mir noch mal das Rechenmodell zur Vorhersage von Planeten- und Mondstellungen verraten, Julius?"
"Sicher kann ich das, Kevin", grinste Julius. Gloria zuckte kurz mit den Achseln, dann nahm sie Julius bei Seite.
"Du hast denselben Gedanken wie ich, Julius. Aber sag das keinem. Ich bin mir sicher, daß Dumbledore sich was dabei gedacht hat, ihn einzustellen", flüsterte sie dem Jungen ins Ohr. Julius nickte, wenngleich er so aussah, als habe er dabei kein gutes Gefühl.
"Hast du ihm einen Heiratsantrag gemacht, Gloria?" Fragte Kevin frech. Julius sah den irischen Hauskameraden an und meinte:
"Natürlich. Aber wenn ich nein sage, will sie dich haben." Dafür kassierte er von Gloria einen Tritt vor das rechte Schienbein.
"Ihr seid beide unglaublich ungehörig. Außerdem würde ich Gilda niemals was wegnehmen", sagte die blondgelockte Ravenclaw-Erstklässlerin mit den grünen Augen.
"Öh, Moment, Gloria. Was hat Gilda gesagt?"
"Nichts. Aber gerade das ist schon genug, um sich das richtige dabei zu denken", entgegnete Gloria und genoß es, Kevin rot anlaufen zu sehen. Dann trollte sich der rotblonde Bettnachbar von Julius und zog sich wortlos zurück.
"Wie gesagt, Julius. Dumbledore hat sich bestimmt was dabei gedacht. Egal, was Snape davon hält", erinnerte Gloria ihren Klassenkameraden noch mal an das, was sie ihm zugeflüstert hatte.
"Ich gehe auch davon aus, daß das alles gut abgesichert wurde. Außerdem ist Lupin der beste Lehrer an dieser Schule", meinte Julius.
"Da bist du nicht alleine, der das denkt."
Am folgenden Tag kam Post von Julius' Vater und ein Brief von Aurora Dawn. Julius Vater schrieb seinem Sohn, daß er ihn in den Ferien schriftlich auf seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse prüfen wolle. Aurora Dawn teilte Julius mit, daß sie ihn am 21. Juli abholen wolle, um mit ihm das erste australische Spiel bei der Quidditch-WM zu besuchen. Julius seufzte, weil ihm klarwar, daß seine Eltern ihm das nicht erlauben würden.