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Julius Andrews - Auf seinem Weg in die Zaubererwelt von Thorsten Oberbossel

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Die kleine Prinzessin ist die einzige, die sich gegen Leckermaul richtig gut wehren kann. Der will immer alles von mir haben, und sie ist die einzige, die ihm das nicht durchgehen läßt. Wenn ich nicht immer wieder mit eingezogenen Krallen dazwischenhaue krigen Leonardo und Drahtbürste nicht mehr genug zu trinken. Junge zu haben ist anstrengend. Aber es ist auch sehr schön.

Die Jungen in dem Steinbau freuen sich auf etwas, sind aber auch irgendwie beunruhigt, als müßten sie kämpfen. Hat Olympe, die ganz große und starke denen gesagt, sie sollen sich ihr Fressen selbst jagen? Ich weiß nichts davon, daß die Jungen im Steinbau je selbst jagen mußten. Außerdem können die nicht so gut hören, sehen oder riechen, um wirklich erfolgreich zu jagen. Julius hat mir erzählt, daß sie Leute haben, die die Tiere in abgeschlossenen Bauten haben, die dazu heranwachsen, damit sie von den Menschen irgendwann getötet und gegessen werden können. Das hat zwar nichts mit Jagen zu tun, hilft ihnen aber wohl, nicht verhungern zu müssen.

"Ey, Leckermaul, du hattest schon!" Schreie ich, weil Leckermaul wieder an meine Trinkknubbel will. Ich werfe ihn um. Doch er will sich nicht zurückziehen. Ich finde, er soll jetzt schlafen. Deshalb laufe ich vor ihm weg, lasse mich von ihm einholen und laufe weiter, bis er auf seinen kurzen Beinen nicht mehr richtig stehen kann und sich hinlegt. Ich greife ihn im Nacken und trage ihn in unseren Wohnbau. Dann lasse ich Leonardo und Drahtbürste trinken. Ich weiß, daß bald die Zeit ist, wo ich ihnen zeigen muß, wie sie ihr Fressen selber fangen und töten können.

"Hallo, Goldi!" Ruft Julius Andrews. Ich kann jetzt nicht zu ihm, weil die beiden, die immer zu wenig abkriegen gerade ruhig an meinen Trinkknubbeln saugen. Ich rufe zurück:

"Meine Jungen trinken gerade! Ich kann nicht zu dir kommen!"

"Ist gut!" Ruft Julius zurück. "Dann komme ich morgen noch einmal zu dir!"

Ich wage es, hinauszulauschen, mit wem er zusammen ist. Es ist der, den sie Robert nennen und dessen umworbenes Weibchen Céline, die irgendwie nie genug zu essen kriegt. Hat sie sich etwa darauf eingestimmt, mit Julius zusammen zu sein? Ich finde, er soll sich ein kräftiger gebautes Weibchen aussuchen, wenn er nicht will, daß ich ihm eins aussuche. Immerhin will er jetzt wieder wen suchen. Das finde ich sehr schön und auch sehr gesund von ihm.

 

__________

 

"Erst deine Schwester und jetzt Goldschweif", scherzte Robert zu Céline, als Julius den beiden Klassenkameraden gesagt hatte, daß Goldschweif im Moment ihre Kinder zu versorgen habe. Immerhin hatten Robert und Céline Constance unterwegs nach draußen getroffen. Sie wollte mit Cythera in einen der Parks. Das jüngste Mädchen in Beauxbatons wurde von Tag zu Tag lebhafter. Zwar hatte es eine schmerzvolle Zeit hinter sich bringen müssen, als die ersten Zähne durchkamen, aber jetzt war das Baby immer wieder auf neue Eindrücke aus. Wenn Constance Schule hatte überließ sie ihre Tochter Madame Rossignol, die ihr einen großen Laufstall mit einem bunten Flauscheball mit eingenähten Glöckchen hingestellt hatte, um das neugierig krabbelnde Bündel Leben unter Kontrolle und bei Laune zu halten.

"Wie lange stillen eigentlich Kniesel?" Fragte Robert. Céline sah ihn an und meinte:

"Jetzt auf einmal interessiert dich sowas, Robert. Die säugen ihre Jungen so zwischen drei und vier Monate lang. Dann bringen sie ihnen erst getötete Beutetiere an, dann lebende, um die Jagdinstinkte und -fähigkeiten ihrer Jungen zu trainieren. Spätestens nach sieben Monaten sollten die Jungen eigenständige Jäger sein und werden von der Mutter meistens verstoßen, besonders die Kater, damit die nicht mit der eigenen Mutter oder den eigenen Schwestern neue Knieselkinder machen wollen. Ich denke, Madame Maxime sucht schon danach, wem sie die drei jungen Kater geben kann."

"Weil das Mädchen, Goldschweif XXVII. hierbleibt?" Wollte Robert wissen. Julius nickte zur Antwort.

"Ich wollte es ja nur wissen, ob Goldi uns demnächst wieder im Schlafsaal besucht", sagte Robert. "Eigentlich fies, daß sie das einzige Mädel ist, das ungestraft in die Jungen-Schlafsäle reinklettern darf."

"Sagen wir es so, Robert. Da du mit ihr nichts anfangen könntest, was nachher wie Cythera aussieht und Goldi eh macht wonach ihr der Kopf steht läßt man sie wohl gewähren. Immerhin hat mir keiner verboten, die reinzulassen."

"Weil sie uns sonst wieder die Ohren vollquängeln würde", grummelte Robert Deloire. Céline mußte grinsen.

"Vielleicht sollte ich rausfinden, ob ich eine Animaga werden kann und dann als Katze oder Eule zu dir kommen, Robert."

"Ich fürchte, da hätte dann doch wer was dagegen, wenn du in unserem Zimmer wieder zum richtigen Mädchen wirst", meinte Robert, hinter dessen Stirn es wohl für einen Moment gearbeitet hatte. Julius konnte sich vorstellen, daß es einen Jungen schon begeistern würde, wenn er seine Freundin im Schlafsaal besuchen oder von dieser besucht werden könnte. Doch die Erbauer von Beauxbatons hatten einige gemeine Spaßbremsen eingebaut, die sowas von vorne herein unterbanden, wußte Julius von Belle Grandchapeau und aus den Bulletins de Beauxbatons. Das einzige was ging war die Pflegehelfersprechverbindung. Und als ob Robert Julius' Gedanken gelesen hätte sagte er nach einer kurzen Bedenkzeit zu ihm:

"Ihr Pflegehelfer habt's da ein wenig besser, weil ihr ja miteinander quatschen könnt, ob ihr in den Schlafsälen seid oder sonstwo. Könnte mir vorstellen, daß Belisama, Millie oder Carmen das gerne ausprobieren oder du mit Patrice oder Sandrine quatschen möchtest, wenn es auch nur beim Reden bleibt."

"Das ginge schon, Robert. Aber zu oft dürfen wir das nicht bringen, weil Madame Rossignol mitkriegt, wer wann von wo aus mit wem redet. Wenn ihr das zu arg wird gibt's Ärger, hat sie uns gesagt."

"Echt, in Beaux kannst du echt nix wirklich lustiges machen", knurrte Robert. Céline schüttelte den Kopf und warf ein:

"Connie hat genug Spaß erlebt, als sie mit diesem violetten Anmacher Lépin zusammen war, Robert. Du weißt ja, was Gérard mir und dir vor Valentin noch gesagt hat."

"Komm, lass den jetzt aus dem Spiel. Der ist doch wie Hercules total verdreht geworden, obwohl der mit Sandrine zusammen ist", grummelte Robert. Julius nickte beipflichtend.

"Er hat sich provozieren lassen", sagte er dann aber noch. "Wäre echt nicht nötig gewesen." Seine Klassenkameraden stimmten ihm zu.

"Hallo, zusammen!" Flötete Millie Latierre, die mit ihren Cousinen Callie und Pennie, ihrer Tante Patricia und deren wohl immer fester befreundeten Klassenkameraden Marc Armand herbeieilte. Céline verzog das Gesicht, Robert blickte etwas unschlüssig auf den kleinen Tross, der von Millie geführt wurde, und Julius mußte grinsen, weil Millie sich wohl in der Rolle der großen und starken Verwandten gefiel.

"Wollt ihr euch die Kniesel angucken?" Fragte Julius ungehemmt, als Millie auf normale Hörweite herangekommen war. Céline knirschte mit den Zähnen und straffte sich, als wolle sie gleich kämpfen. Millie bemerkte es wohl und bot ihr ein strahlendes Lächeln zur Antwort. Robert sah den früher ziemlich pummelig wirkenden Erstklässler an, an dessen rechtem Arm Patricia Latierre sich untergehakt hatte.

"Haben die Mädels dich verdonnert, mit denen mitzuziehen?" Fragte er etwas mitleidig dreinschauend.

"Das haben meine Leute mich auch gefragt, als ich denen sagte, ich wolle mir mit Millie und Pattie die Knösel ansehen." Ein erheitertes Lachen klang auf. Auch Julius lachte. Dann meinte er grinsend:

"Kniesel, Marc. Die haben mit Popeln nix zu tun. Aber die sind im Moment nicht drauf, sich angucken zu lassen. Einige von denen haben gerade Babys und sind nicht so gut drauf zu sprechen, wenn denen wer zu nahe kommt."

"Ey, du hättest deinen Leuten doch vorschlagen können, mit denen Besenfliegen zu trainieren und die Hühner da ihren eigenen Weg laufen lassen", meinte Robert zu Marc. Patricia Latierre sah ihn dafür sehr verächtlich an, während Millie konterte:

"Marc wollte mit Pattie zusammen sein, und die wollte endlich die kleinen Kniesel sehen, genau wie Callie und Pennie. Würdest du auch machen, wenn deine Süße sich Zaubertiere ansehen will, um mit der zusammen zu sein."

"Das ist ja wohl echt nicht dein Ding", schnaubte Céline. Doch Millie wetterte diesen Kommentar ab wie ein hoher Felsen eine Windböe und sah Julius fragend an:

"Kannst du Goldschweif rufen, ob sie uns ihre Kinder zeigt. Wir gehen ja nicht rein zu ihr."

"Die ist gerade im Stillmodus, Millie. Du kennst das doch von Constance, daß sie dabei ihre Ruhe haben und nicht von allen dabei angeguckt werden will."

"Bedauerlich", meinte Millie, während Robert seine Freundin ansah, die immer noch kampflustig gestrafft dastand. Einer der Kater, Rattenschreck, stolzierte mit hoch aufgestelltem Schweif an den Metallzaun, in dem mehrere im Tageslicht wirksame Zauber verhinderten, daß die Kniesel frei herumliefen. Marc sah den muskulös gebauten Kniesel an, dessen dunkelbraune Ohren sich sachte drehten, als wollten sie ferne Geräusche punktgenau orten. Julius stellte ihn vor. Millie fragte ihn, ob er ihn auch verstehen könne. Marc fragte, wie das denn gehen solle. Julius sagte nur, daß er es gelernt habe, die Lautäußerungen von Goldschweif zu verstehen, aber nicht jeden Kniesel verstehen könne. Rattenschreck blickte die Schüler aus bernsteinfarbenen Augen prüfend an, schnüffelte und sprang dann mit einem geschmeidigen Satz davon.

"Öhm, können die fliegen?" Fragte Marc überrascht, weil der Kater mit diesem einen Satz an die neun Meter übersprungen hatte.

"Fliegen nicht, nur sehr schnell laufen und sehr weit springen", sagte Julius dazu. Céline ergriff Roberts Hand und zog ihn sachte mit sich. Doch Robert stemmte sich nach den ersten zwei Schritten dagegen und wollte zu Julius zurückkehren. Millie sah gerade noch hinter Rattenschreck her, der mit immer noch aufgestelltem Schweif davonlief.

"Wie kann so'n Tier mit 'ner Schwanzquaste so genial balancieren?" Fragte Marc seine Klassenkameradin. Diese sah Millie an, die wiederum Julius anblickte, der sich dann Marc zuwandte und sagte:

"Die haben sehr stramme Gesäßmuskeln und besonders flexible Sehnen im Schwanz. Wenn die wollen, können die ständig so rumlaufen. Wenn aber eines der Tiere krank ist oder sich total langweilt kann der Schweif auch runterhängen wie bei einem Löwen. Solange damit nicht gewedelt wird hat aber keiner was zu befürchten."

"Ich weiß, meine Oma hat zwei Normalokatzen. Wenn die mit dem Schwanz wedeln sagen die: "Bleib mir bloß vom Leib oder spüre meine Krallen. Ich habe das als kleiner Ströpp von vier Jahren nicht gewußt und mir 'nen blutigen Arm eingehandelt. Seitdem bleibe ich Katzen eigentlich gerne aus dem Weg. Aber Pattie hat gemeint, die Kniesel wären eh eingesperrt und würden nicht im Palast rumlaufen."

"Es sei denn, einer von denen befindet, auf dich aufpassen zu müssen", wandte Julius ein. "Die kommen nämlich zwischendurch auf die Idee, Hexen oder Zauberern hinterherzulaufen, die ihnen aus irgendwelchen Gründen sehr sympathisch sind."

"Echt? Wie wird man so'n Vieh dann los?" Wollte Marc wissen.

"So'n Vieh?" Wiederholte Millie amüsiert, während Julius genau überlegte, wie er dem Jungen die Frage so locker und doch sachlich wie es ging beantworten konnte. Céline zog wieder an Robert, der nickte und mit ihr davonging. Offenbar befand er, daß Julius gerade mehr oder weniger unfreiwillig zum Nachhilfelehrer für Erstklässler geworden war und wollte sich nicht zu lange bei ihm aufhalten.

"Also, Millie wird euch vielleicht erzählt haben, daß eine der gerade Junge habenden Knieselkätzinnen, Goldschweif XXVI. irgendwann beschlossen hat, mich als ihren Vertrauten zu betrachten. Ich wußte erst auch nicht, ob mir das gefallen soll oder nicht, weil ich ja zum einen schon eine Posteule habe und zum zweiten nicht andauernd von einem mir bis dahin fast unbekannten Geschöpf umgarnt werden mag. Aber ich habe das mit der Zeit auch sehr interessant gefunden, dieses Wesen näher kennenzulernen. Um Deine Frage jetzt genauer zu beantworten, Marc: Wenn du echt nichts mit einem Kniesel zu schaffen haben willst, sage es Madame Maxime, wenn dir ein solches Tierwesen hinterherzulaufen anfängt. Mit Gewalt ist da nämlich nix zu machen, weil die sehr schnell und stark sind und wie du es bei normalen Katzen ja schon mitgekriegt hast auch sehr scharfe Krallen haben. Also wegschupsen oder wegtreten ist zu gefährlich, selbst wenn das Tier danach weiß, daß du es nicht mehr in deiner Nähe haben willst."

"Wollte nur wissen, ob man die Tiere auf Abstand halten kann, wenn's zu heftig wird", meinte Marc und sah Céline und Robert nach, die bereits einige Dutzend Schritte weit entfernt waren. Julius folgte seinem Blick und nickte. Millie meinte:

"Wenn dich ein Kniesel aussucht, dann wohl eines von den Weibchen, Marc. Die sind echt gut drauf, dir zu zeigen, wohin du gehen kannst oder mit wem du gut klarkommst. Also, wenn dich so'n Tier aussuchen sollte und drauf aus ist, Pattie die Augen auszukratzen, dann weißt du, daß sie wohl doch nicht die richtige für dich ist."

"Ey, Millie, lass den Mist!" Knurrte Patricia Latierre. Marc meinte dazu:

"Ob ich mit deiner Tante klarkomme oder nich' is' ja wohl mein Ding." Er sah Patricia beruhigend an und fragte dann Julius, ob Goldschweif tatsächlich immer wieder zu ihm käme. Er nickte, schränkte aber ein, daß gerade jetzt, wo sie Junge habe ihre Aufmerksamkeit eher dem Nachwuchs galt. Wie um ihn zu widerlegen kam in diesem Moment Goldschweif herangelaufen, tapsig gefolgt von ihrer jüngsten Tochter und dem gepunkteten Leonardo. Julius vermied es, über den Zaun zu langen und Goldschweif anzuheben. Er stellte sie und ihre beiden Jungen vor und fragte Goldschweif, ob die anderen beiden in der Höhle schliefen. Sie erzählte nur für ihn verständlich, daß sie sich von Leckermaul hatte jagen lassen, bis dieser erschöpft aufgegeben hatte. Callie betrachtete das Knieselweibchen durch den hohen Metallzaun und meinte dann zu ihrer Schwester:

"Mit vier gleichzeitig ist wohl noch heftiger als mit zweien, Pennie."

"Will sie Junge haben?" Fragte Goldschweif Julius. Er vermied es, darauf zu antworten. Nachher kam Goldi noch darauf, ihm eine von Millies Cousinen anzubringen.

"Jedenfalls schon gut gewachsen die zwei da", meinte Millie. Sie hatte ja schon mit Julius die Jungen besichtigt, als sie gerade fünf Wochen alt gewesen waren. Dann meinte sie zu ihren Verwandten und Marc Armand: "So, jetzt habt ihr mal Goldschweifs Junge gesehen. Am besten lassen wir die jetzt in Ruhe."

"Kein Problem", sagte Callie und wandte sich zum gehen. Millie bedankte sich bei Julius für die kurze Erläuterung.

"Die wurfgleichen Schwestern sind beide noch verspielt, aber können schon die Stimmung fühlen", meinte Goldschweif, als Millie mit ihrer Begleitung abgerückt war.

"Ja, aber die sind mir vielleicht doch etwas zu jung", meinte Julius dazu.

"In einem Sommer vielleicht, wenn du bis dahin keine Neue hast", erwiderte Goldschweif. "Sie sind beide sehr stark und können ganz bestimmt gute Junge kriegen."

"Das du immer nur über das eine redest", knurrte Julius. Andererseits konnte Goldschweif schlecht mit ihm über Literatur oder Popmusik reden, und über ihr Beutefangverhalten zu plaudern brachte ihr wohl genauso wenig wie ihm. Da er Goldschweif so viel zu verdanken hatte störte es ihn nicht mehr so sonderlich, daß sie ihn am liebsten zur Paarung mit einer Schulkameradin treiben würde. Doch dann sagte sie noch:

"Wenn das ganz große Weibchen nicht will, daß die jungen Weibchen von euch Junge kriegen, dann will sie wohl selber welche haben. Sie würde auch zu dir passen und deine starken Kräfte mit ihrer eigenen Körperkraft gut zusammenbringen."

"Neh, Goldi, das läuft ganz bestimmt nicht", erwiderte Julius doch etwas erschüttert. "Wenn die, die du das ganz große Weibchen nennst Junge haben will, dann soll die sich wen dafür aussuchen, aber nicht mich."

"Ist sie dir zu groß?" Fragte Goldschweif. Julius nickte und sagte:

"Das auch. Außerdem ist sie ranghöher als ich. Ich darf sie gar nicht umschnurren, selbst wenn ich das echt wollen würde, was aber nicht ist."

"Dann finde jemand anderen!" Knurrte Goldschweif. Offenbar nervte sie es an, daß Julius seit Claires erzwungenen Fortgang für immer nichts unternommen hatte, um sich neu zu binden. Aber was ging es sie an, ob er wen hatte oder nicht? Sie war nicht für seine Familienplanung zuständig. Da würde er sich das eher von seiner Mutter gefallen lassen, wenn die ihm erzählte, er solle wen finden und die Ahnenlinie fortführen, und selbst die nahm sich das nicht heraus, wohl auch, weil sie wußte, daß das Leben mehr war als Fortpflanzung.

"Ich werde wen finden, Goldi. Aber so schnell geht das echt nicht", sagte er. Goldschweifs Schwanzspitze ruckte einmal. Dann befand sie, daß sie wichtigeres zu tun hatte. Denn Leonardo war gerade dabei, das große Gehege zu erkunden, während die kleine Prinzessin versuchte, an dem Zaun hochzuspringen, was jedoch nicht gelang. Julius nutzte die Ablenkung und zog sich zurück, ohne noch ein Wort zu sagen.

Abends im Palast meinte Robert zu ihm: "Die Latierres sind wohl schon ziemlich aufdringlich, wie?"

"Sagen wir es mal so: Die machen sich keinen Kopf darum, ob das gerade angebracht ist oder nicht, wenn sie etwas machen wollen. Aber es war doch nichts besonderes."

"Nur daß Millie meinte, deine Zeit in Anspruch nehmen zu müssen, obwohl sie sehen konnte, daß Céline und ich bei dir waren. Da hätte sie sich doch denken können, daß wir nicht gerade auf sie gewartet haben."

"Die fragen sich nie, wann wer auf die wartet oder nicht", meinte Hercules dazu. "Am besten macht man sich davon, wenn die auftauchen, wenn man denen keine reinhauen oder denen einen Fluch überbraten will."

"Robert, dich stört wohl eher, daß Céline mit Millie nicht so gut klarkommt", vermutete Julius. Robert nickte. "Aber in dem Moment wollte Millie sich nicht mit Céline anlegen, schon gar nicht, wo die halbe Verwandtschaft von der dabei war."

"Mit dem Muggelstämmigen, diesem Armand, ist der echt schon von dieser Patricia festgenagelt worden oder hält er das etwa für'n Spiel, was die spielt?" Wollte Robert wissen.

"Vom Nageln oder Festnageln wüßte ich jetzt nichts", sagte Julius. "Da mußt du wohl eher Millie oder eben Pattie Latierre fragen."

"Na ja, spätestens wenn der kleine, nicht mehr ganz so runde Marc Armand Patties Maman sieht und sich überlegt, ob Pattie selbst nicht in dreißig Jahren auch so aussieht und wie die Massenmutter so drauf ist läßt der die Finger von Millies Tante."

"Oder er denkt sich, daß es schnurzpiepegal ist, ob er dünn oder dick ist, wenn jemand auch mit mehreren hundert Kilo auf den Rippen noch locker rumlaufen kann", feixte Hercules. "Na ja, beim Elternsprechtag kriegt er die ja zu sehen. Wenn seine Eltern dann auch kommen und finden, der hätte nichts mit einem Mädel zu schaffen, das von so'ner dicken Trulla abstammt, kann die Pattie Latierre den eh vergessen."

"Vielleicht sieht er die Latierres aber auch in Millemerveilles", meinte Julius. Hercules grummelte darauf etwas unverständliches.

So ging der Sonntag zu Ende, und die Schüler von Beauxbatons bereiteten sich auf eine weitere Woche vor, wenngleich ein Tag daraus aus dem üblichen Lehrplan fallen würde.

 

__________

 

Die vorübergehende DQ-Regelung bewirkte, daß die meisten Schüler sich mehr zurücknahmen als sonst. Vor allem die ganz jungen, die von den hier üblichen Strafmaßnahmen noch stärker beeindruckt waren als die Alteingesessenen benahmen sich wie wahre Engel. Das bekam Julius, der am Montag die Pausenhofaufsicht mit Professeur Fixus durchführte mit. Nur einige von den Blauen, zu denen auch Jacques Lumière gehörte und die sich nicht für den Ausflug nach Millemerveilles eingetragen hatten sahen es wohl als Lizenz zum Frechsein an, bis die Zaubertranklehrerin befand, daß sie da auf dem Holzweg waren und Jacques und seine Kumpane zu zwei Wochen Putzdienst verdonnerte, als diese eine Ladung konzentrierten Krötenschleims in Kautschukbällen auf ihre Mitschüler abfeuerten oder diese einfach auf den Schulhof pfefferten.

"Hat Fixie dir erzählt, wie die das eigentlich machen wollen, daß der Ausflug auf zwei Tage verteilt stattfinden kann, ohne daß die, die hierbleiben keinen Unterricht versäumen?" Fragte Robert Julius beim Mittagessen. Immerhin hatte sich Julius Andrews ausgiebig mit der Lehrerin unterhalten, die ihm erzählt hatte, als eine der wenigen Lehrer an beiden Tagen hierzubleiben, während Professeur Pallas, die Geschichtslehrerin, sowie die Lehrer Faucon, Trifolio und Bellart an beiden angesetzten Ausflugstagen in Millemerveilles sein wollten. Ob Madame Maxime dort ebenfalls beide Tage zubrachte oder nur den fünfzehnten März, den eigentlichen Jubeltag, hatten sie bisher nicht erfahren.

"Also Professeur Fixus hat mir nur erzählt, daß sie mit Professeur Paximus, Professeur Laplace, Professeur Paralax und Professeur Milet hierbleiben wird. Nur Trifolio, Pallas, Faucon und Bellart nehmen an den Ausflügen teil. Ihre Ausfallstunden werden von den hierbleibenden Kollegen vertreten. Das kann also passieren, daß Gérards Mutter Zaubereigeschichte gibt, während Professeur Fixus eine Kräuterkundestunde gibt oder dergleichen, wobei, soweit ich das gehört habe, die Klassen zusammengenommen werden, also in den Verwandlungsstunden die Grünen mit den Roten oder Violetten zusammensind. Näheres wird Madame Maxime uns aber heute abend erzählen. Dann soll auch die Auslosung der Ausflugstage passieren, die die Saalsprecher vornehmen werden. Logistisch schon eine interessante Aufgabe. Ich frage mich, warum die nicht das Wochenende für den Ausflug verplant haben."

"Das fragst du dich echt? Da steigt doch unser Aufwärmtraining gegen die Gelben, damit wir die Roten so richtig heftig einstampfen können, mit vierzig Toren und dem Schnatzfang. Brochet kriegt den in der Saison eh nicht mehr gefangen", gab Hercules hönisch grinsend zum besten.

"Welcher Tag wäre euch denn lieber, Mittwoch oder Donnerstag?" Wollte Julius wissen. Hercules sagte sofort, daß ihm Mittwoch lieber sei, weil sie da in den ersten Doppelstunden laut dem Stundenplan des zweiten Halbjahres Zaubertränke hatten. Robert und Gérard stimmten dem wortlos zu. Julius grinste darüber nur. Die Frage hätte er sich tatsächlich selbst beantworten können. Dann sagte er noch: "Das werden wir ja sehen, wer wann hin darf."

"Pech nur, daß es passieren kann, daß Pärchen nicht unbedingt zusammen hinreisen dürfen", meinte Hercules an Roberts und Gérards Adresse. "Könnte ziemlich einsam für die Jungs oder Mädels werden."

"Dazu sage ich dir erst was, wenn du dieses gehässige Grinsen aus dem Gesicht kriegst und wir wissen, ob das echt so ist", erwiderte Robert etwas mißmutig. Doch Gaston meinte, Hercules nacheifern zu müssen und warf ein:

"Im Zweifelsfall geht Gérard eben mit Céline und Robert mit Sandrine."

"Öi, dich hat aber jetzt bestimmt keiner gefragt", knurrte Gérard sehr zornig dreinschauend. Hercules grinste darüber nur.

Beim Abendessen ersuchte Madame Maxime um absolute Ruhe und ungeteilte Aufmerksamkeit. Als beides im Speisesaal eingekehrt war sprach sie raumfüllend: "Sehr geehrte Mitglieder des Lehrkörpers, liebe Schülerinnen und Schüler der altehrwürdigen Beauxbatons-Akademie! Unter dem Vorbehalt, daß bis morgen noch gemäß Disziplinarquotient ermittelt werden kann, wer an dem Ausflug zur Jubiläumsfeier in Millemerveilles teilnimmt oder nicht möchte ich nun die noch ausstehenden Einzelheiten des Ausflugsplanes erläutern, sowie die Schülerinnen und Schüler, welche die Funktion des Saalsprechers innehaben damit beauftragen, die Zulosung der Teilnehmer pro Tag vorzunehmen. Von Seiten des Lehrkörpers werden Professeur Faucon, Professeur Trifolio, Professeur Pallas und Professeur Bellart die Ausflügler begleiten und vor Ort mit ihren Fachgebieten untergeordneten Gegebenheiten vertraut machen. Professeur Fixus wird in meiner Abwesenheit am 15. März die stellvertretende Schulleiterin sein. Der Rest der Lehrerschaft verbleibt in den Mauern der Akademie und wird den Unterricht für die gerade nicht am Ausflug teilnehmenden Schüler gewährleisten, wobei für zwei Tage Unterricht im größeren Klassenverbund erteilt wird. Die für die unteren Klassenstufen zuständigen Fachlehrer für Verwandlung und Zauberkunst übernehmen auch die höheren Klassen. Die UTZ-Klassen werden in Fächern, deren Fachlehrer gerade nicht anwesend sind aus Fachklassen zusammengeführt und in einem interdisziplinären Fach unterrichtet, beispielsweise Entwicklung von neuen Zaubern oder Herangehensweisen in verschiedenen Zaubereigesellschaften. Die UTZ-Klassen Kräuterkunde erhalten für die Dauer von zwei Tagen zusammen mit den UTZ-Klassen Magische Alchemie gesonderten Unterricht in der Nutzanwendung magischer Kräuter und Pilze in der Zaubertrankbraukunst, wie sie sonst eher in der Freizeit-AG Alchemie besprochen werden. Dadurch droht den Kandidaten der beiden genannten Fachrichtungen kein Mangel an Lernstoff." Einige Schüler grummelten, schwiegen jedoch sofort, als die halbriesische Schulleiterin sie warnend anblickte. Julius konnte sich denken, daß einige aus den Oberklassen keine rechte Lust hatten, bei Professeur Fixus zu haben, wenn sie sie nach den ZAGs abgewählt hatten. "Um die Teilnehmerzahlen bei den beiden Ausflugstagen gleich zu halten haben wir vom Lehrerkollegium befunden, daß es fairer sei, wenn eine Zulosung der Teilnahmetage stattfindet, bevor unnötige Rangeleien um die Teilnahme oder all zu weit auseinanderklaffende Teilnehmerzahlen pro Tag die Folge sind. Daher werden die Saalsprecher nach dem Abendessen von den Saalvorstehern ihres jeweiligen Saales mit je einer kleineren Wandelraumtruhe ausgestattet. In den Truhen befinden sich bereits gleichviele Lose für Mittwoch und Donnerstag. Die Saalsprecher sind gehalten, jeden auf ihrer Teilnehmerliste aufgeführten Mitbewohner in alphabetischer Reihenfolge der Nachnamen aufzurufen und sie aus der Truhe wählen zu lassen. Dann möchten sie das gezogene Los einsehen und den darauf notierten Termin für den Ausflug neben den aufgerufenen Teilnehmer notieren! Ich hoffe, diese Prozedur verläuft störungslos und fördert keine unnötigen Schwierigkeiten zu Tage. Eine Ausnahme der Verlosung bilden die Pflegehelfer, da Madame Rossignol sicherstellen möchte, daß nicht alle zugleich am Ausflug teilnehmen. Die Pflegehelfer werden sich nach dem Abendessen bei ihr einfinden und dort ihre kleine Auslosung durchführen. Um die größtmögliche Annäherung der beiden Teilnehmerzahlen zu erhalten, bekam unsere hochverehrte Schulheilerin bereits fünf Lose für Mittwoch und sechs für Donnerstag aus der allgemeinen Verlosung. Dieses zu den anstehenden Jubiläumsausflügen. Wie erwähnt kann bis morgen noch durch Ihr Verhalten bestimmt werden, wer von Ihnen daran teilnehmen darf und wer nicht. Aber da ich im Moment zu meiner großen Freude weiß, daß jene, die sich haben vormerken lassen die von mir verordnete Disziplin einhalten hege ich die berechtigte Hoffnung, daß sich dies in den kommenden vierundzwanzig Stunden nicht ändern wird."

Als Madame Maxime ihre Ansprache beendet hatte meinte Robert zu Julius: "Sechs zu fünf für Donnerstag? Dann können sechs von euch dem eigentlichen Jubiläumsfest beiwohnen, während die anderen fünf nur der allgemeinen Feierei beiwohnen dürfen."

"Tja, wenn wir ein ganzes Dutzend Pflegehelfer gewesen wären hätte Madame Maxime wohl Gleichverteilung beschlossen. So habt ihr noch ein Mittwochslos mehr in eurer großen Trommel herumflattern. Dann hast du immerhin eine Chance mehr, um den Zaubertrankunterricht herumzukommen."

"Wenn die Säle auch gleich viele Lose haben. Nicht das Fixie das mit der Maxime so gedreht hat, daß die Grünen alle am Donnerstag ziehen und die Roten alle am Mittwoch", meinte Hercules. "Das traue ich der nämlich zu, das hinzubiegen, daß die uns dann für sich alleine hat, während ihre Zugeteilten die Jubiläumssause in Millemerveilles machen dürfen."

"Hui, das denke in ihrer Anwesenheit bloß nicht", meinte Robert mit einem sehr bösartigen Lächeln. "Es könnte ihr nämlich dann einfallen, dir wegen Unterstellungen den DQ zu versauen und dann, wenn du nicht recht hast und sowohl wir als auch alle Roten aus der Vierten am Mittwoch nach Millemerveilles dürfen nur einer in ihrem Unterricht hocken muß."

"Drachenmist!" Fluchte Hercules. Doch mehr wagte er nicht zu sagen. Da er nicht wie Julius die Occlumentie erlernt hatte würde es Professeur Fixus auch reichen, wenn er sich seinen Teil nur dachte, sobald er in ihrem Blickfeld stand.

Nach dem Abendessen wandschlüpften alle elf Pflegehelfer in Madame Rossignols Sprechzimmer, wo eine kleine weiße Schatulle auf dem Schreibtisch stand, die nicht zum üblichen Inventar gehörte. Die Heilerin begutachtete ihre Pflegehelfer und sagte:

"Dann wollen wir mal. Am besten bleibt ihr solange hier, bis die anderen ihre Lose gezogen haben und die Saalsprecher die Termine notiert haben. Ich hoffe, es wird zwischendurch keiner Krank oder verletzt sich, daß wir gebraucht würden."

"Dann hängen wir hier wohl eine Stunde mehr rum als üblich?" Fragte Mildrid Latierre. Schwester Florence lächelte und meinte, daß die Auslosung wohl solange dauern würde. Um sich die Zeit vertreiben zu können beschwor sie zwei Teekannen und einen Teller mit leichtem Gebäck auf den Konferenztisch. Dann fragte sie, ob sie zuerst losen oder bis etwa um neun die Zeit mit lockerem Plaudern verbringen wollten. Patrice, Millie und Julius waren für die Auslosung. Sixtus meinte, man könne ja dann kungeln, ob ein Mittwochsausflügler nicht doch lieber Donnerstags mitgehen wolle. Dazu sagte Madame Rossignol:

"Achso, um das noch zu klären. Wer den Tag gezogen hat kann ihn nicht mehr umtauschen. Ich muß ja eine Liste an Madame Maxime schicken, die sie mit den Listen der Saalauslosungen zusammenfügt. Was hast du denn am Mittwoch oder Donnerstag, Sixtus?"

"Öhm, Mittwochs Verteidigung gegen die Dunklen Künste vormittags und Nachmittags Zaubertränke. Donnerstags Kräuterkunde und Verwandlung", sagte Sixtus, der gerade in der ZAG-Klasse war.

"Soso, und du würdest gerne um den Zaubertrankunterricht herumkommen oder um den Kräuterkundeunterricht?" Fragte die Heilerin ruhig und ohne Tadel in der Stimme.

"Darum ging's nicht, Madame Rossignol. Es ging mir darum, mit wem aus meiner Klasse ich wann nach Millemerveilles kann."

"Die können sich das nicht mehr anders überlegen, dann wäre es doch gemein, wenn du es dir aussuchen könntest", meinte die Heilerin ruhig. Doch Julius war sich sicher, daß sie seinem Pflegehelferkameraden damit eine ordentliche Standpauke gehalten hatte.

"Ob ich am Mittwoch hingehe oder am Donnerstag ist egal, da die Kräuterkundestunden ja mit den Zaubertrankklassen zusammengefaßt werden", meinte Millie. Julius nickte. Die roten hatten ja mit den Blauen zusammen am Donnerstag Kräuterkunde, wußte er von Patrice und Mildrid. Mittwochs würden dann wohl die Violetten und Gelben der vierten Klasse zum Zaubertrankunterricht dazustoßen, die normalerweise Kräuterkunde hatten.

"Gut, dann bringen wir's hinter uns", meinte Sixtus. Madame Rossignol nickte zustimmend und holte die weiße Schatulle. Sie klappte sie auf und entblößte eine tiefschwarze, gähnende Leere darin.

"Wie bei den anderen auch losen wir alphabetisch dem Nachnamen nach aus", bestimmte sie. "Demnach bist du zuerst dran, Julius." Julius nickte. Wie so oft zuvor sollte er als erster was machen. So griff er in die schwarze Leere der Schatulle hinein, die warm und kribbelnd seine Hand umspielte, als greife er in elektrisch geladene warme Luft hinein. So fühlte sich das also an, wenn jemand in eine Wandelraumtruhe oder einen ähnlich bezauberten Behälter hineinlangte, dachte er und sah für einen Moment wie in einem hellen Blitzlicht erleuchtet Claire, wie sie in die Geburtstagstruhe der Dusoleils hineingriff. Ein leichtes Schwindelgefühl überkam ihn, weil Aufregung und anfliegende Traurigkeit seinen Kreislauf erschütterten. Doch dann fühlte er etwas wie eine Zugfahrkarte zwischen den Fingern vibrieren und griff beherzt zu. Mühelos zog er die Hand aus der Schatulle zurück und hielt ein silbrig bedrucktes Stück Pappe in der Hand. Er hielt es hoch und zeigte es der Heilerin: "FÜNFZEHNTER MÄRZ" stand auf der Karte. Julius durfte also am Donnerstag nach Millemerveilles.

"Gib mir bitte die Loskarte!" Sagte Madame Rossignol. Sie notierte sich Julius Namen darauf und legte sie auf den Schreibtisch. "Jetzt sind sowohl für den vierzehnten wie für den fünfzehnten je fünf Karten übrig", bemerkte sie noch. "Darodi kommt in unserer Liste als zweites. Sixtus, zieh bitte deinen Teilnahmetag!"

Sixtus griff wie Julius in die Schatulle, ließ die Hand einige Sekunden in der schwarzen Leere verschwinden und holte dann eine Karte heraus, auf der "VIERZEHNTER MÄRZ" stand. Damit waren jetzt noch vier für Mittwoch und fünf für Donnerstag im Spiel. Der Überhang war wieder hergestellt. Als nächste zog Felicité Deckers und bekam "VIERZEHNTER MÄRZ" zu fassen. Carmen Deleste holte eine Karte mit dem in Worten ausgeschriebenen Donnerstagstermin heraus. Somit blieben jetzt noch vier Lose für Donnerstag und drei für Mittwoch im Spiel. Patrice Duisenberg zog den Mittwoch, während Sandrine den Donnerstag erwischte. Debbie Flaubert, die danach drankam zog hingegen die Teilnahmekarte für den Mittwoch. Dann folgte Belisama Lagrange, die ihre Hand eine halbe Minute in der Schatulle liegen ließ, bis Madame Rossignol fragte, ob etwas nicht in Ordnung sei.

"Es ist alles in Ordnung. Ich wollte nur nicht das erste Los nehmen, was mir zwischen die Finger gerät", sagte Belisama. "Wir haben doch Zeit."

"Möchtest wohl um die zusätzliche Zaubertrankstunde herumkommen, die am Donnerstag fällig wäre?" Fragte Sixtus. Doch Belisama schwieg. Erst als eine Minute verstrichen war, zog sie die Hand heraus und hielt eine Pappkarte in der Hand: "FÜNFZEHNTER MÄRZ".

"Wollen doch mal sehen", grummelte Millie, die nach Belisama an die Reihe kam. Sie griff in die Schatulle, wartete jedoch nur drei Sekunden und zog die Pappkarte heraus, die ihren Ausflugstermin bestimmte: "FÜNFZEHNTER MÄRZ"

"Damit sind wir schon durch", sagte Madame Rossignol. "Aber um das ordentlich abzuschließen möchten Josephine und Gerlinde bitte noch je eine Karte herausholen. Sind ja jetzt nur noch Mittwochstermine drin."

"Das ist ja fies", knurrte Gerlinde. "Ich hätte auch gerne den Donnerstag gezogen, weil da meine Cousine Giselle zusammen mit der Liberté in Millemerveilles auftreten werden und Hecate Leviata auch da hinkommt." Josephine griff in die Schatulle und holte eine der beiden verbliebenen Karten heraus. Gerlinde griff dann hinein und zog die letzte Karte, auf der "VIERZEHNTER MÄRZ" zu lesen stand.

"So, damit haben wir es nun offiziell und nachprüfbar", verkündete Schwester Florence, nachdem sie alle Lose mit den Namen der "Gewinner" beschriftet hatte. "also werde ich am Mittwoch Julius, Carmen, Sandrine, Belisama und Mildrid zur Verfügung haben", sagte die Heilerin noch. Millie grinste dabei so, als habe sie nicht einfach einen Ausflugstermin zugeteilt bekommen, sondern den Hauptgewinn einer Lotterie oder den Volltreffer an einer Losbude auf einer Kirmes gezogen. Belisama hingegen wirkte so, als sei sie mit dem eigentlichen Jubiläumstag nicht so ganz zufrieden, obwohl sie eben, wo sie den Donnerstagstermin gezogen hatte, schon sehr zufrieden dreingeschaut hatte. Madame Rossignol sah die beiden Hexen an und wiegte dann den Kopf. Sie verlor jedoch kein Wort darüber.

"Hätten wir doch besser die allgemeine Auslosung mitgemacht", grummelte Gerlinde. Julius, der jetzt, wo die Pflegehelfer ihre Sonderverlosung hinter sich hatten gerne noch was wissen wollte hob die Hand. Madame Rossignol nickte ihm auffordernd zu.

"Wie sieht das denn aus, Madame Rossignol. Sind wir bei dem Ausflug als normale Schüler unterwegs oder mit Pflegehelferstatus?"

"Mitschülern und Lehrern gegenüber bleibt ihr Pflegehelfer und müßtet euch gegebenenfalls sogar als Hilfskraft für ortsansässige Heiler zur Verfügung halten, sollten die befinden, nicht alleine zurechtzukommen", sagte Schwester Florence. "Nur gegenüber erwachsenen Besuchern, welche nichts mehr mit der Beauxbatons-Akademie zu tun haben geltet ihr als gewöhnliche Schüler mit der daraus erwachsenden Rangordnung. Das heißt, ihr könnt den mitreisenden Lehrern gegenüber Autorität üben, wenn diese einen Unfall erleiden oder an irgendwas erkranken. Ich habe dir ja schon ein paar mal erzählt, daß jemand, der von mir oder einer vorangegangenen oder mir nachfolgenden Heilerin das Armband umgelegt bekommt solange damit und den damit verbundenen Vorrechten und Pflichten betraut ist, bis es ihm oder ihr wieder abgenommen wird. Aber ich sehe es durchaus als gescheite Frage an, um zu wissen, wem gegenüber ihr euch wie verhalten dürft oder müßt." Julius dachte daran, daß Madame Matine durchaus auf die Idee kommen könnte, ihn einzufordern, wenn Madame Delamontagne bis zum fünfzehnten März noch nicht ihr Kind bekommen hatte. Doch das sagte er nicht laut.

"Wir können die Reisesphäre nicht benutzen, um jemanden zurückzubringen. Was passiert mit einem Mitschüler, der in Millemerveilles einen ausgebildeten Heiler braucht?" Wollte Sandrine Dumas wissen.

"Der oder die wird dann befinden, ob der betreffende Mitschüler eine längere Behandlung benötigt und dann entsprechend mit mir Rücksprache halten. Du kennst ja einige der Heiler dort, Sandrine, zum Beispiel deinen Erste-Hilfe-Ausbilder Monsieur Delourdes oder auch Madame Matine, die wiederum Julius ausgebildet hat. Insofern habt ihr beide ja schon gute Anlaufmöglichkeiten. Natürlich wollen wir alle haben, daß keinem von euch oder den anderen was passiert", sagte die Schulheilerin. Sixtus Darodi fragte dann noch, ob wegenConstance Dornier irgendwas beachtet werden solle.

"Hmm, sie wird ihre Tochter mitnehmen. Ich habe für sie auch schon eine gepolsterte Tragetasche für Säuglinge und Kleinkinder unter zwei Jahren besorgt. Ansonsten ist nichts zu bedenken, was nicht auch für die anderen Mitschüler gilt", antwortete Schwester Florence. Dann sprachen sie darüber, was sie denn in Millemerveilles machen wollten. Zwar hatten sie kein eigentliches Programm zur Verfügung, was nun am Mittwoch und am Donnerstag genau veranstaltet wurde, aber die zwei sich in Millemerveilles gut auskennenden Pflegehelfer Sandrine und Julius konnten den Kameraden, die dort nur einmal und das aus traurigem Anlaß waren verraten, wo sie hingehen konnten. Nur Belisama und Millie, die zu Jeannes und Brunos Hochzeit einige Tage in Millemerveilles gewesen waren wußten noch einige Sachen, die sie in diesem magischen Dorf unternehmen wollten.

"Könnte passieren, daß Monsieur Renard die Preise im Chapeau du Magicien während der Jubiläumswochen anzieht", sagte Sandrine. Julius nickte zustimmend.

"Bei den Hochzeiten im Sommer waren die Preise aber nicht zu hoch", erinnerte sich Belisama. Millie widersprach ihr und merkte an, daß die etwas günstigeren Preise für Essen und Trinken durch ziemlich hohe Übernachtungskosten ausgeglichen worden seien. Julius schwieg dazu. Er dachte daran, wie Monsieur Renard im Sommer wohl gute Umsätze mit den aufstellbaren Gästehäusern gemacht hatte und dachte an Claire, die damals sehr stolz die Führerin von Jeannes Brautjungfern gewesen war. Auch dachte er daran, wie er die Latierres zusammen mit Babette zu ihr hingebracht hatte, damals einen Tag vor Claires vierzehntem Geburtstag. Er erkannte, daß diese wunderschönen und doch nun traurigen Erinnerungen um ihn herumschlichen wie ein Rudel Löwen um eine fußlahme Antilope, bereit zum Angriff und doch noch nicht sicher, die Beute auch wirklich überwinden zu können.

"Hallo, Julius, was ist?" Wollte Madame Rossignol wissen, als er durch seine Grübelei nicht mehr mitbekam, wie Sandrine den Kameraden, die eben nur einmal in Millemerveilles waren gute Tips geben wollte und ihn dabei immer wieder auffordernd ansah, er möge noch etwas dazu sagen.

"Nichts wirklich heftiges, Madame Rossignol. Mir sind nur gerade wegen dem Gespräch über Monsieur Renards Gasthaus zu viele Erinnerungen gleichzeitig gekommen. War ja schon die beste Zeit, die ich da in Millemerveilles erlebt habe."

Alle schwiegen erst betroffen. Dann bemerkte Sandrine: "Ja, das verstehe ich. Der letzte Sommer war auch für mich der beste den ich da erlebt habe, und ich bin ja da geboren."

"Wo hast du denn gewohnt, als Claires Schwester geheiratet hat?" Fragte Patrice Duisenberg unbeeindruckt.

"Bei Professeur Faucon. Ihre Tochter hat sie gefragt, ob meine Mutter und ich mit Babette Brickston zusammen dort wohnen dürfen."

"Bei der?" Fragte Patrice nun doch etwas erschüttert wirkend. "Da hast du freiwillig gewohnt?"

"Du hast es doch gehört, Patrice, daß seine Mutter und er auf Madame Brickstons kleine Tochter aufpassen mußten, weil die eine Brautjungfer war", schnarrte Millie höhnisch. "Außerdem wäre Julius bestimmt nicht hier, wenn Professeur Faucon irgendwas an dem auszusetzen gehabt hätte."

"Ein wenig mehr Respekt vor Professeur Faucon, Mesdemoiselles!" Ging Madame Rossignol dazwischen, weil sie fürchtete, eine nicht ganz unübliche Käbbelei zwischen Mädchen aus dem blauen und roten Saal beenden zu müssen. Julius straffte sich. Er atmete ein und aus. Dann entspannte er sich wieder. Dann sagte er ruhig:

"Ich habe schon einmal bei Professeur Faucon ein paar Ferienwochen gewohnt. Wenn du einiges einfach hinnimmst, was sie von dir erwartet geht es schon. Außerdem war im letzten Sommer ja auch meine Mutter dabei. Die hat schon aufgepaßt, daß Professeur Faucon nicht zu streng zu mir war."

Millie mußte leise kichern, während Patrice ihn betroffen ansah, Sandrine nur den Kopf wog, als müsse sie eine große Eisenkugel darin in eine andere Lage bringen und Sixtus nicht so recht wußte, wie er nun reagieren sollte. Josephine Marat sagte dann:

"Alles eine Frage der richtigen Anpassung. Vertrug sich deine Mutter denn gut mit Professeur Faucon?"

"Größtenteils", erwiderte Julius sachte nickend. "Besonders wenn sie Schach spielten waren sie sehr friedlich miteinander." Millie lachte nun lauthals, während Deborah Flaubert sie tadelnd ansah. Schwester Florence ließ das jüngere der beiden Mädchen aus dem roten Saal gewähren und sagte mit einem warmen Lächeln:

"Ich denke, jetzt haben wir genug über Professeur Faucon gesprochen. Nachher kommt sie noch her, weil ihr die Ohren klingeln."

"Dann müßte die einen Dauerpiepton in den Ohren haben", warf Gerlinde van Drakens ein, bevor ihr klar wurde, daß sie sich damit vielleicht den Ausflug nach Millemerveilles verdarb. Rasch sagte sie: "Aber dann nur, wenn alle schlecht von einem reden, heißt es doch."

"Nun, in der magischen Heilkunst gibt es keine Bestätigung dafür, daß irgendwem die Ohren klingeln, wenn anderswo über ihn oder sie gesprochen wird, es sei denn, derjenige hat an dem Ort, wo von ihm gesprochen wird einen entsprechenden Meldezauber aufgerufen, der sich durch leises Klingeln in den Ohren äußert", erläuterte Schwester Florence mit einer Mischung aus Belehrung und Humor.

Sie plauderten nun über einzelne Attraktionen von Millemerveilles, die ortsansässige Quidditchmannschaft und was im letzten Sommer dort so los war. Letzteres Thema kam von Schwester Florence, die den Anlaß nutzte, damit Julius seine doch sehr schönen Erinnerungen mit den anderen teilte, um sie nicht gleich als Auslöser von Trübsal zu verstehen.

Gegen neun Uhr abends verließen die Pflegehelfer den Krankenflügel direkt durch die zu ihren Sälen führenden Wände. Da wegen der Auslosung die Schach-AG ausgefallen war, konnte Julius einige Saalkameraden beobachten, die improvisierte Partien spielten, weil sie mit der Auslosung schon durch waren. Er kam gerade noch zu recht, um die zwei im alphabet letzten Mitbewohner zu sehen, wie sie in die Wandelraumtruhe griffen. Laurentine, die gerade mit Waltraud Schach spielte, winkte Julius heran.

"Na, wann gehst du hin?" Fragte sie.

"Donnerstag", sagte er. "Und ihr?" Fragte er die beiden Klassenkameradinnen.

"Ich werde mittwochs hingehen", sagte Waltraud. "Mal sehen, wer von denen, die da herkommen da auch hingeht."

"Ich gehe auch Donnerstags", sagte Laurentine. "Das heißt, wir werden wohl mittwochs die Zaubertrankstunden machen müssen."

"Hast gedacht, du kämst drum rum?" Fragte Julius mit einem jungenhaften Grinsen. Waltraud grinste auch. Bébé nickte verdrossen dreinschauend.

"Céline und Robert hatten Glück. Die gehen beide am Mittwoch hin", erwiderte Bébé.

"Hallo, Julius, wann darfst du hin?" Fragte Hercules, der bis dahin mit Robert und Gérard gesprochen hatte.

"Donnerstag", sagte Julius Andrews. Hercules grinste. "Ich darf am Mittwoch, wie die anderen Jungs aus unserer Klasse auch. Wer von eurer Sondertruppe darf da auch gehen?"

"Dürfen dürfen von unserer "Sondertruppe" Sixtus, Felicité, Patrice, Josephine und Gerlinde. Ich gehöre zu denen, die am Donnerstag dürfen, Hercules."

"Öhm, dann bist du der einzige Junge aus unserer Klasse, der am Mittwoch bei Fixie antreten muß", grinste Hercules leicht schadenfroh. Doch dann meinte er: "Na ja, du kommst mit der und ihrem Blubberkram ja auch noch am besten klar."

"Hoffentlich bleiben von den Roten ein paar am Mittwoch hier, sonst haben wir dasselbe Ding wie im Arithmantikunterricht", seufzte Julius. Hercules grinste wieder breit, während Laurentine meinte:

"So richtig gestört hat dich das aber auch nicht, auch als Gloria noch zu uns dazukam. Aber Hercules hat recht, wenn jemand, der den Mittwoch gezogen hat besser dran ist."

"Och, am Donnerstag passiert da aber mehr. Angelique Liberté soll da auftreten, wie auch Hecate Leviata", warf Julius ein. Hercules verzog etwas das Gesicht. Dann meinte er gehässig:

"Zumindest wäre es genial, wenn alle roten Mädels aus der vierten am Donnerstag hingehen, dann hätte ich einen Tag lang Urlaub von denen, und die dürften bei Fixie im Unterricht sitzen."

"Haha, Hercules", schnarrte Bébé. Julius dachte einen Moment nach, wie er diese Äußerung beantworten sollte und sagte dann:

"Wußte nicht, daß die schon anstehen, um den Platz an deiner Seite zu erben, nachdem Bernie den nicht mehr haben wollte."

"Mmpf!" Machte Hercules. "Die kannst du alle haben und hintereinander wegnudeln, wenn die so drauf sind."

"Bor wie erwachsen", knurrte Waltraud an Hercules' Adresse. "Als wenn Julius nichts besseres vorhätte als darauf zu warten, daß irgendwelche Mädchen mit ihm rummachen wollten."

"Ich nehm's nicht so wild", meinte Julius. "Hercules hat's ja zwei Jahre länger gelernt als ich, wie die drauf sind. Wenn er meint, die wären so gestrickt, dann bitte."

"Tja, und wenn die meisten Roten am Mittwoch nach Millemerveilles dürfen kannst du denen doch gut aus dem Weg bleiben", knurrte Laurentine Hercules zugewandt. Dieser grinste nun wieder und meinte zu Julius:

"Lass dich von denen nicht einwickeln, wenn du der einzige echte Typ bist, den die am Mittwoch im Unterricht zu sehen kriegen!"

"Könnte auch sein, daß Professeur Fixus nur Millie, Bébé und mich im Unterricht zu sehen kriegt", konterte Julius unbekümmert.

"Öhm, bloß nicht", knurrte Laurentine. "Mist, daß wir nicht mit denen tauschen können, die am Donnerstag gehen dürfen."

Waltraud meinte dazu noch:

"Virginie hat die Liste schon abgegeben. Sonst könnten wir ja noch mal mit ihr darüber reden."

"Ich bleibe bei Mittwoch", meinte Hercules dazu. "Angelique Liberté kann ich auch ein anderes Mal bewundern."

Abends im Schlafsaal sprachen die Jungen noch einige Minuten davon, was sie an ihrem Tag in Millemerveilles machen würden. Julius sagte nur, daß er wohl genug zu erleben bekäme.

Als der Bettvorhang geschlossen war überlegte er sich schon, ob er sich dazu beknien lassen wollte, für die anderen eine Art Reiseführer zu sein, als sein Pflegehelferarmband zu zittern begann. Er prüfte, ob er ordentlich angezogen war und der Vorhang richtig geschlossen war. Dann legte er den linken Zeigefinger auf den weißen Schmuckstein des Armbandes. Aus dem Nichts heraus erschien Millies räumliches Abbild. Die Pflegehelferkameradin trug einen himmelblauen, eng anliegenden pyjama und schien an der Wand ihres Schlafsaales zu lehnen.

"Na, ob Schwester Florence dir das durchgehen läßt?" Fragte Julius sie, bevor sie was sagen konnte. Doch sie grinste nur.

"Ich wollte dir nur sagen, daß Apollo und ich die einzigen aus der Vierten sind, die am Mittwoch hierbleiben. Wollte nur wissen, wer dann noch im Zaubertrankunterricht dabei ist."

"Außer mir sind alle Jungs für Mittwochs ausgelost worden und von den Mädchen ist nur Laurentine für den Donnerstagsausflug ausgelost. Aber die Violetten und Gelben, die Kräuterkunde haben sind ja dann bei uns", erwiderte Julius.

"Außer Sandrine gehen die alle Mittwochs, haben sie und Felicité mir gerade erzählt. Ui, dann werden wir nur zu fünft im Unterricht sein. Das wollte ich nur wissen. Gute Nacht, Julius!"

"Dir auch!" Wünschte Julius. Die Verbindung endete. Er grinste. Dann würde Hercules bis auf Millie alle Mädchen der vierten Klasse aus dem roten Saal um sich herum haben. Wollte er ihm das brühwarm erzählen? Nein, dann müßte er ihm ja auch sagen, daß Millie ihn mal eben zwischen Bettkontrolle und dem Rendezvous mit dem Sandmännchen zugesteckt hatte, daß sie die einzige Rote aus ihrer Klasse war, die am Donnerstag nach Millemerveilles durfte.

 

__________

 

Der Dienstag verging in einer Mischung aus Schulalltag und Vorfreude. Die Schülerinnen und Schüler, die am nächsten Tag nach Millemerveilles durften hatten es schwer, sich auf die im Unterricht verlangten Arbeiten zu konzentrieren. Das mißfiel Madame Maxime, bei der sie am Morgen praktische Magizoologie hatten. Sie warf einen Blick auf Hercules und Caro und fauchte sie an: "Wenn Sie sich nicht augenblicklich konzentrieren entfällt für Sie beide der Ausflug nach Millemerveilles."

Nachmittags trainierten sie Quidditch. Virginie, die ebenfalls die Donnerstagskarte gezogen hatte, hielt Hercules und Giscard ziemlich gut auf Trab, weil diese wohl schon an den nächsten Tag dachten. "Die Gelben sind dieses Jahr zu gut, um uns durchhängen zu lassen", sagte sie. "Wir müssen die unbedingt besiegen, wenn wir gegen die Roten den Pokal verteidigen wollen, verdammt noch mal!"

"Ey, Virginie, was ist mit dir denn los? Das ist doch echt kein Grund, so auszurasten", kam es von Hercules. Giscard sah die Saalsprecherkollegin an und meinte:

"Stimmt, Virginie, so weit sind wir wirklich nicht zurück, daß du jetzt wütend werden mußt. Nachher kriegst du noch Strafpunkte und darfst nicht nach Millemerveilles."

"'tschuldigung, ihr habt recht. Ich muß mich beherrschen", grummelte Virginie.

"Weißt du, was mit der los war?" Fragte Hercules Julius am Abend.

"Sie hat es mir nicht erzählt", erwiderte Julius verdrossen. Er konnte sich zwar etwas denken. Doch ob das zutraf wußte er nicht, und es ging ihn auch nichts an, und Hercules dann wohl noch weniger.

"Darf ich um Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit bitten?" Dröhnte Madame Maximes Stimme durch den Speisesaal, als der letzte Gang des Abendessens beendet war. Alle wurden ruhig und sahen die alle überragende Schulleiterin erwartungsvoll an. "Ich habe vor dem Abendessen noch einmal mit den Saalvorsteherinnen und -vorstehern konferiert und nachgeprüft, ob wirklich alle, die für den morgigen Ausflug nach Millemerveilles ausgelost wurden, den notwendigen Mindestdisziplinarquotienten erreicht haben oder nicht. Ich freue mich sehr, Ihnen mitteilen zu dürfen, daß niemand sich in letzter Minute einer Verfehlung schuldig machte, die den von mir geforderten Quotienten gefährden mochte. Deshalb möchte ich nun allen, die morgen mit den erwähnten Kolleginnen dem Ausflug beiwohnen kurze Instruktionen geben, da ich selbst den morgigen Tag in der Akademie verbleiben werde und erst dem Ausflug am Donnerstag beiwohnen werde. Hören Sie also bitte gut zu! - Die Abreise für alle Schülerinnen und Schüler, die als Teilnehmer für den vierzehnten März ausgelost wurden, beginnt ab acht Uhr morgens. Es werden vier Reisesphären aufgerufen, die von den Kollegen Bellart, Faucon, Pallas und Trifolio aufgerufen werden. Die Ausflügler werden in Nachnamensalphabetischer Reihenfolge diese Sphären benutzen. Stellen Sie sich also bitte pünktlich ein, um bei Aufruf Ihrer Namen in den Ausgangskreis einzutreten! Wer nicht unverzüglich auf seinen oder ihren Aufruf reagiert bleibt hier und wird auch am folgenden Tag nicht nach Millemerveilles reisen." Die Schülerinnen und Schüler sahen einander leicht ungehalten an. Doch keiner wagte es, einen Laut von sich zu geben. "Den Tag über haben Sie Gelegenheit, die in Millemerveilles gebotenen Attraktionen zu besuchen oder sich den Kollegen anzuschließen, die sich bereiterklärt haben, Ihnen die dortigen Angebote im Rahmen ihrer Fachkompetenz zu erläutern. Die Teilnahme an diesen Angeboten ist völlig freiwillig. Wer sich eigenständig in Millemerveilles bewegen möchte, den ersuche ich dringend, sich ja anständig zu betragen und den Gastgebern und Gästen dort nicht unangenehm aufzufallen." Alle sahen die Blauen an, von denen lediglich zwanzig Leute an den Ausflügen teilnehmen würden, während der rest leicht hämisch zu den anderen Tischen hinüberblickte. "Ich habe mit den Verantwortlichen für Festlichkeiten und Bewirtung ausgehandelt, daß alle von der Akademie zu Besuch kommenden Personen freie Verpflegung im Wert von zwei Galleonen erhalten. Jeder Teilnehmer bekommt morgen einen Zettel, auf dem dieser Freibetrag notiert ist. Was über diesen Freibetrag hinausgeht möge jeder selbst bezahlen. Die Rückreise findet dann um neun Uhr abends statt. Bitte stellen Sie klar, daß Ihre Uhren korrekt eingestellt sind oder sorgen Sie dafür, früh genug am Ausgangskreis von Millemerveilles einzutreffen. Wer aus eigenem Verschulden nicht anwesend ist, wenn der Aufruf für die Reisesphären erfolgt erhält unverzüglich dreihundert Strafpunkte, was für viele wohl gleichbedeutend mit einer fristlosen Entlassung von der Akademie verbunden sein dürfte und für die, deren Bonuspunktekonto diesen hohen Verlust noch verkraftet ein massiver Einschnitt in die Freizeitprivilegien bedeuten wird. Ich möchte Sie alle um spätestens halb zehn abends wieder in der Akademie sehen. - Das war alles."

"Voll die Kasernenhofmentalität. Die Soldaten dürfen zwar feiern, aber nur, wenn sie nicht desertieren", grummelte Laurentine, als die Schüler aus dem grünen Saal auf dem Weg zu ihren Wohnräumen waren.

"Na gut, für einzelne Nachzügler werden die nicht noch einmal nach Millemerveilles zurückfliegen um die einzusammeln", sagte Julius dazu. Ihm schmeckte es zwar auch nicht sonderlich, wie straff hier ein an und für sich zur Belustigung gedachter Ausflug reglementiert wurde. Aber er verstand zumindest, wieso Madame Maxime das noch einmal sagen mußte. Wenn ein Zug im Fahrplan bleiben wollte, durfte er nicht auf einen einzelnen Passagier warten. Das sagte er auch Laurentine.

"Ja, ich habe es aber auch schon erlebt, wie ein Flieger auf Leute gewartet hat, die sich verspätet haben, Julius. Also diese Straffheit ist echt nicht nötig. Die brauchen nur zu warten, bis alle im Kreis stehen und dann die Sphäre aufzurufen. Dann verschiebt sich das halt ein wenig nach hinten."

"Du weißt doch, wie Madame Maxime drauf ist. Sie möchte die Akademie so gut es geht repräsentieren", wandte Julius ein. Waltraud nickte.

"Die Gräfin ist bei uns zwar wesentlich lockerer als Madame Maxime. Aber wehe wenn was ansteht, wo ganz Greifennest dran beteiligt ist. Dann kann die auch anders sein", erzählte Waltraud. Julius nickte ihr zu. "Greifennest und Beauxbatons sind altehrwürdige Schulen, die sich ihren Ruf hart erarbeitet haben."

"Ja, aber in Hogwarts wäre das doch anders gelaufen, oder Julius?" Wollte Bébé wissen.

"Ich denke, Dumbledore hätte die Eltern angeschrieben und ihnen angeboten, daß ihre Kinder Urlaub für einen oder zwei Tage kriegen und sie diese dann abgeholt hätten. Andererseits hätte der wohl ähnlich wie Madame Maxime reagiert. Der hätte halt nur gesagt: "Wer nicht mit will braucht nur nicht zur Abreise zu kommen." So ist der nämlich drauf."

"Ja, aber gleich jemandem wegen Verspätung den Rauswurf anzudrohen ist zu heftig", beharrte Laurentine auf ihrer Meinung. Hercules und Robert stimmten ihr zu. "Was hätte Dumbledore da gesagt?"

"Was ähnliches wie "Nehmt eure Besen mit, falls ihr unterwegs verloren geht und nicht mehr zum Treffpunkt kommt, wenn die Rückreise ansteht", vermutete Julius. "Zumindest hätte der - und da gebe ich dir auch recht - nicht gleich die Rauswurfkeule geschwungen. Aber zu meiner Zeit hat's ja keinen Ausflug von Hogwarts aus woanders hin gegeben. Das Trimagische war ja bei uns. Hätte uns allen wohl einiges erspart, wenn das entweder in Beaux, Durmstrang oder gar nicht stattgefunden hätte", seufzte er noch, weil er daran dachte, daß durch das Turnier die Rückkehr des Dunkelmagiers Voldemort ermöglicht wurde, ohne daß die Ausrichter und Teilnehmer das beabsichtigt hatten.

"Vielleicht wird das Turnier ja doch ein Quadramagisches", meinte Waltraud. "Zumindest hat Adalberta Gräfin Greifennest schon ihre Fäden ausgeworfen, ob das in der bisherigen Form weitergeführt werden soll und wirklich nur die ältesten Zaubererschulen Europas daran teilnehmen dürfen."

"Du schweifst ab, Waltraud", knurrte Bébé. Hercules meinte noch:

"Ich frage mich gerade, ob meine Eltern mich noch in einem Stück lassen, wenn ich morgen Abend wegen irgendwas nicht rechtzeitig ankomme, um zurückzukehren."

"Dann kannst du doch immer noch auf die Insel", warf Robert ein. "Oder hast du irgendwelche Muggelvorfahren?"

"Abgesehen davon, daß ich echt nicht zu diesen beschränkten Hirnies auf die Insel will würden die mich da nicht hinlassen, weil irgendwo in meiner Ahnenlinie ein Knick ist, wo die nicht wissen, ob da Muggel mitgewirkt haben oder nicht", knurrte Hercules.

"Tja, dann sieh zu, daß du morgen abend nicht zu spät kommst", feixte Gérard. "Ich kann schließlich nicht den ganzen Tag auf dich aufpassen."

"Das fehlte mir auch noch", fauchte Hercules. "Nachher verwechselst du mich vor lauter Einsamkeit mit Sandrine."

"Och, spätestens bei bestimmten Sachen würde ich's merken, daß du nicht sie bist", konterte Gérard. Julius wartete, bis die Jungen sich nun endgültig über irgendwelche ihm nebensächlich erscheinenden Sachen hatten und machte sich davon, um zum Zauberwesenseminar zu gehen. Nachdem sie bis vor einer Woche über Sabberhexen gesprochen hatten ging es heute um Werwölfe. Hierzu würde ein Beamter aus dem Werwolfregistraturbüro des Zaubereiministeriums zu ihnen sprechen. In der Woche darauf hatte Madame Maxime zwei Brüder eingeladen, die als Kinder von einem Werwolf gebissen worden waren, aber trotzdem die Akademie besuchen durften, ähnlich wie Remus Lupin es in Hogwarts gekonnt hatte.

Nach einer teils informativen, teils langweiligen Rede des Beamten diskutierten sie über Werwölfe und ihre gesellschaftliche Stellung in der Zaubererwelt. Julius fragte einmal, ob die Werwolfsuchbrigade die Lizenz hatte, Werwölfe zu töten.

"Nun, da die von der Lykanthropie heimgesuchten Individuen im Zustand der plenalunaren Gestalt- und Gemütswandlung zu keinen vernünftigen Handlungen mehr fähig sind sind meine Kollegen gehalten, zur Gefährdung der Allgemeinheit gewordene Exemplare zu erlegen. Daß dabei an und für sich fühlende Wesen eliminiert werden ist zwar bedauerlich, aber im Zuge der allgemeinen Sicherheit unvermeidlich."

"Würden Sie das auch sagen, wenn es um einen Ihrer Verwandten oder Freunde ginge?" Fragte Millie sehr ernst. Madame Maxime straffte sich zwar, entspannte sich jedoch gleich wieder. Der Beamte war hier, um mit den Schülern zu diskutieren und mußte derartige Fragen hinnehmen.

"Junge Mademoiselle, öhm, Latierre, wenn ich richtig sehe, ich habe leider schon einen guten Freund verloren, der von der Lykanthropie befallen und dadurch für seine Umgebung zur Gefahrenquelle wurde. Viele haben mir danach staatlich sanktionierten Mord unterstellt, weil ich in Erfüllung meiner Amtspflicht seinen Namen auf die Liste der bekannten Lykanthropen gesetzt und damit sein Recht auf ein uneingeschränktes Leben beschnitten habe. Ich bin jedoch der gerade von mir geäußerten Überzeugung, daß wir die Opferzahlen der Lykanthropie so klein wie möglich zu halten haben. Soweit ich informiert bin galt es bei den die Meere befahrenden Völkern als legitim, von Seuchen heimgesuchte Schiffsbesatzungen am Landgang zu hindern, ja notfalls erkrankte Personen zu töten, die sich nicht an die Quarantänebestimmungen halten wollten."

"Die Lykanthropie ist aber keine Pest oder Cholera", warf Julius ein, als er das Wort bekam. "Ich weiß, daß wegen der großen Epidemien im Mittelalter und bei der Besiedelung anderer Länder viele Leute an ansteckenden Krankheiten gestorben sind und deshalb so heftige Vorschriften rausgegeben wurden. Aber wenn ich das richtig gelesen habe zählt die Liste registrierter Lykanthropen zur Zeit fünfundzwanzig Personen in Frankreich, von denen die meisten sich schon darum kümmern, daß sie in den Vollmondnächten nicht über ihre Nachbarn herfallen."

"Ihre Information ist noch aktuell, Monsieur Andrews", sagte der Beamte. Gloria hob die Hand.

"Nun, ich weiß von meinen Eltern, daß es in England eine Gruppe böswilliger Werwölfe gibt, die darauf ausgehen, so viele von sich wie möglich zu erschaffen. Es wird gemunkelt, daß sie sich bereits jenem Zauberer angeschlossen haben, der von den Meisten nicht beim Namen genannt wird. Insofern ist es schon gut, wenn darauf geachtet wird, die Ausbreitung dieser schädlichen Individuen zu verhindern. Diejenigen, die darauf achten, nicht zur Gefahr für andere zu werden sind ja dann unbehelligt."

"Nun, dies ist wohl wahr", bestätigte der Beamte. Julius überlegte schon, ob er noch was sagen sollte. Doch ihm fiel nichts ein, was er gegen diese Maßnahmen sagen sollte. Außerdem dachte er über Vampire und die Abgrundstöchter ja nicht anders als der Herr vom Werwolfregistrationsbüro. Je weniger es von denen gab desto besser.

Als das Seminar vorbei war kehrte Julius mit Waltraud in den grünen Saal zurück. Dort nahm ihn Virginie bei Seite und bat Waltraud, zu den anderen Viertklässlerinnen hinüberzugehen.

"Julius, ich fürchte, wenn Maman ihr Kind bis morgen nicht hat könnte es sterben", seufzte sie, als sie mit Julius in eine stille Ecke des Aufenthaltsraumes gegangen war.

"Sollte dein Geschwisterkind nicht um den zwölften rum kommen?" Fragte Julius, der sich bestätigt fühlte, was seinen Eindruck vom Nachmittag betraf.

"Gestern war der Termin, und Madame Matine hat sich bisher nicht einmal vertan. Aber das Kind macht wohl keine Anstalten, geboren werden zu wollen."

"Normalerweise gehen vierzehn Tage vor und nach dem errechneten Termin voll in Ordnung, Virginie. Das ist eher normal, wenn der Termin nicht gehalten wird."

"Nur, daß Maman in den letzten drei Wochen arg daran zu tragen hatte. Sie hat mir geschrieben, daß sie jetzt sicher wisse, daß Ursuline Latierre den Fortunamatris-Trank genommen habe und sie den besser auch hätte nehmen sollen."

"Wie gesagt, das ist echt kein Drama, wenn ein Kind mehr als zehn Tage nach dem errechneten Termin kommt", sagte Julius. "Selbst Madame Matine hat mir gesagt, daß sie es immer erst zwei Tage vor der Geburt ganz sicher wisse, ob ein Kind zu einem bestimmten Zeitpunkt kommt. Wenn ihr das zu lange dauert soll sie es eben holen."

"Meiner Mutter den Bauch aufschneiden, Julius? Das würde sie nicht zulassen", knurrte Virginie. Julius meinte dann, daß Virginie wohl in den nächsten Tagen ihr Geschwisterchen haben würde.

"Mir wäre es lieber, es wäre da, wenn ich übermorgen hinfahre", sagte Virginie.

"Wäre doch schön, wenn du sie sehen könntest, wenn sie gerade angekommen ist", erwiderte Julius und dachte an das, was Aurora Dawn ihm bei Claires Abschiedsfeier erzählt hatte und was er empfunden hatte, als er Cythera Dornier auf die Welt geholfen hatte.

"Du kennst meine Mutter. Sie will alles termingenau haben und nichts einfach so hinnehmen, was sie nicht überblicken kann. Daß sie so viele Jahre nach mir noch einmal Mutter wird macht ihr heftig zu schaffen. Da will sie eben, daß alles auch reibungslos klappt."

"Deine Mutter ist keine Fabrik, Virginie. Es gibt sachen, die halten sich nicht an Termine. ich sollte ja auch vier Tage früher kommen als der Arzt meiner Mum es vorhergesagt hat. Ich denke, deine Mutter freut sich bestimmt, wenn sie das Kind hat. Hat sie dir verraten, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird?"

"Nöh, hat sie nicht", grummelte Virginie. "Deshalb weiß ich auch nicht, ob ich mich jetzt auf einen Bruder oder eine Schwester einrichten muß. Naja, wenn ich mit der Akademie fertig bin sehe ich eh zu, aus Millemerveilles auszuziehen. Dann hat Maman alle Ruhe die sie braucht."

"Ich denke, morgen oder übermorgen wird es deinem Geschwisterchen zu langweilig und es will raus an die Luft", sagte Julius locker klingend. Virginie nickte.

"Ich hoffe, du hast recht, Julius. Maman hat mich wohl mit ihrer Überangst angesteckt."

"Dabei hat sie das doch schon alles mal erlebt", wandte Julius ein.

"Vor achtzehn Jahren, Julius. Da war sie zum einen noch etwas jünger und auch etwas schlanker."

"Madame Latierre hat es auch überstanden. Und die hat Zwillinge gekriegt", sagte Julius. Virginie meinte dazu, daß das ja wirklich vom Fortunamatris-Trank herkommen könne. Julius erwiderte darauf, daß sie selbst das immer abgestritten habe. Aber vielleicht wolle sie auch nur nicht zugeben, daß sie ihren späten Kinderwunsch mit magischen Tricks erfüllt hatte, da für die Latierres Gesundheit und Fruchtbarkeit wohl sehr wichtig waren, wichtiger als Geld und Ansehen. Virginie nickte und bedankte sich noch einmal bei Julius.

"Ich habe dich nur damit behelligt, weil Maman und Madame Matine dir wohl viel erzählt haben und deine Mutter mit meiner ja sehr häufig Schach gespielt hat, bevor Maman erneut schwanger wurde. Erzähl das bitte keinem, daß mir das im Moment heftig zu schaffen macht!"

"Darauf kannst du dich verlassen", versicherte Julius entschieden klingend. Dann kehrte er zu seinen Klassenkameraden zurück, wo die Jungen mit Waltraud über das Zauberwesenseminar sprachen und Robert gerade die Ansicht äußerte, jeder Werwolf solle bei seiner Registratur eine im Mondsteinofen gegossene Silberklinge bekommen, um sich selbst aus dem Leben zu befördern. Julius hielt diese Ansicht für unmenschlich und schlug statt dessen vor, daß alle registrierten Werwölfe kostenlos den Wolfsbanntrank bekommen könnten, so wie Heroinsüchtige, die von ihrer Sucht runter wollten und nicht von jetzt auf gleich davon freikamen eine Ersatzdroge bekämen, um von dem illegalen Stoff wegzukommen und damit auch nicht mehr versucht seien, sich das Geld dafür zusammenzuklauen. Dem pflichtete Waltraud bei und fragte Julius darüber aus, was er aus der Muggelwelt über Drogenabhängige mitbekommen habe. So verstrich der restliche Abend mit einer mehr oder weniger ernsthaften Diskussion über Suchtkrankheiten und Vergleiche mit magischen Krankheiten, wie die Lykanthropie, die Werwut, eine war.

Sichtlich geschafft gingen die Viertklässler zu Bett. Julius dachte zwar noch einmal an Virginies Sorgen um ihr Geschwisterchen und ihre Mutter. Doch Madame Matine war auf ihrem Gebiet erstklassig. Die würde es nicht erlauben, daß Mutter und Kind irgendwas passierte.

 

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"Sie sind also die einzigen, die heute bei mir Unterricht haben?" Begrüßte Professeur Fixus Bébé, Millie, Sandrine, Apollo und Julius vor ihrem Zaubertrankkerker. Die fünf nickten bestätigend. Aus der Ferne hörten sie einen dumpfen Knall. Das war die erste Reisesphäre, die nach Millemerveilles unterwegs war. "Ich habe zwar gehofft, zumindest einige etwas nachholbedürftigere Kandidaten in der Stunde begrüßen zu dürfen, aber das Los entschied, und wir werden nun das bestmögliche daraus machen", sagte die kleine Lehrerin mit dem rotbraunen Lockenschopf und der goldenen Brille. Sie schloß den Kerker auf und winkte sie an sich vorbei in den steinernen Raum, der nun, wo nur fünf Schüler darin waren wesentlich größer wirkte als sonst. Die Steintische und Feuerstellen wirkten total überflüssig.

"Um die kleine Besetzung richtig auszunutzen werden sie alle an einem großen Kessel arbeiten und einen Trank brauen, der in seiner Komplexität Stoff der ZAG-Prüfung sein könnte. Sollte dieser Trank Ihnen wahrhaftig in etwas mehr als einem Jahr in der amtlichen Zwischenprüfung begegnen, hätten Sie zumindest gewisse praktische Erfahrungen damit. Wer außer Monsieur Andrews und Mademoiselle Latierre kann mir etwas zum Corpocalmus-Trank erzählen?"

Laurentine und Apollo sahen sich ratlos an, während Millie überlegte, warum die Lehrerin ihr zugestand, den Trank zu kennen. Daß Julius den kennen könnte glaubte sie sofort. Julius dachte tatsächlich schon über die Komponenten dieses Zaubertrankes nach. Apollo Arbrenoir schüttelte den Kopf, und Bébé duckte sich, als gelte es, keine Angriffsfläche zu bieten. So verhielt sie sich immer dann, wenn sie bei Fixus oder Faucon absolut nichts wußte, obwohl es von ihr verlangt wurde.

"Nun, wie erwähnt ist dieser Trank einer von vielen möglichen ZAG-Prüfungstränken und muß Ihnen im Moment noch nicht bekannt sein. Ich wollte jedoch prüfen, ob Sie eventuell schon mal von ihm gehört haben", erwiderte die Lehrerin merkwürdig gelassen, als sei es ihr nicht so wichtig oder als habe sie nicht damit gerechnet, daß die beiden Angesprochenen den Trank kannten. Dann wandte sie sich an Julius.

"Öhm, der Corpocalmus-Trank oder auch Körperschutztrank Nummer drei genannt ist ein drei-Komponenten-Trank, der dem, der ihn einnimmt eine dreimal so hohe Widerstandskraft gegen Verletzungen und Vergiftungen verleiht, allerdings mit der Nebenwirkung, daß der Anwender sehr schläfrig wird und keine schnellen Bewegungen mehr ausführen kann. Abfällig wird er deshalb auch als "Hexenmamis Schlaftrunk" bezeichnet", sagte Julius.

"Woher kommt diese volkstümliche Bennennung?" Fragte Professeur Fixus ernst aber nicht verärgert klingend.

"Weil es wirklich vorkam, daß zaubertrankkundige Hexen diesen Trank anrührten, um ihre Kinder für die Wirkungsdauer des Trankes, die einen Tag beträgt, ruhigzustellen, ohne daß denen dabei was passierte."

"Wann wurde dieser Trank erstmalig beschrieben?" Fragte die Lehrerin.

"Um das Jahr zweihundertzehn von Morgause Malory, einer mächtigen Druidin der Bretagne, der Verbindungen zu Dairon vom Düsterwald nachgesagt werden. Aber das ist ein anderes Thema. Soweit es den Trank betrifft erwähnt sie ihn als wirksames Mittel zum Schutz vor Naturgewalten und Seuchen."

"Haben Sie das Rezept im Kopf, Monsieur Andrews?" Fragte Professeur Fixus noch. Julius überlegte kurz und nickte dann. So sagte er das Rezept auf. Wie es in diesem Unterrichtsfach üblich war schrieb eine unsichtbare Kraft das Rezept an die Tafel. Als Professeur Fixus alle Angaben hatte ließ sie es kurz von rotem Schimmer überdecken und befand, daß es wie so oft vorher fehlerfrei widergegeben worden war. Dann gingen sie daran, den Trank zu brauen. Jeder mußte die drei benötigten Basistränke in kleineren Kesseln ansetzen, wobei jeder an zwei Tischen gleichzeitig arbeiten mußte. Da Millie und Julius in der Alchemie-AG waren hatten sie sich dort eine gewisse Arbeitseinteilung angelernt, während Laurentine einmal ziemlich zerknirscht vor ihren zwei Kesseln stand, während sie den großen Hauptkessel auf kleiner Flamme hielt, um die Lösung aus Wasser und Schneckenschleim, die darin war die vorgeschriebene Zeit köcheln zu lassen.

"Also wenn der Trank in den ZAGs drankommt wird's finster", knurrte Apollo einmal, als er an den dritten Basistrank ging.

"Deshalb freuen Sie sich, ihn hier und jetzt schon einmal ansetzen zu dürfen", erwiderte seine Saalvorsteherin. Am Ende der langwierigen und ermüdenden Doppeldoppelstunde hatten Millie, Sandrine, Bébé und Julius Lösungen vor sich stehen, die wie dünnflüssiger, grüner Wackelpudding aussah. Apollo hatte ein wild blubberndes, giftgrünes Zeug angerührt, das wohl kaum zum Trinken einlud. Doch als er schon aufgeben wollte sagte Professeur Fixus, er müsse nur noch einmal umrühren. Als er das tat, verschwanden die Blasen und der Trank färbte sich so wie der der vier Anderen.

"Sie erhalten alle fünfzig Punkte für die korrekte Umsetzung des Rezeptes, und Monsieur Andrews erhält zwanzig Punkte für die frei und fehlerlos erläuterte Rezeptur, die, wie Sie alle gesehen haben, ihre kleinen Tücken hat. So ist es sehr wichtig, jedes Umrühren zu zählen, wenn die drei Komponenten vermischt wurden und nur noch die alchemistische Synthese stattfinden muß. Monsieur Arbrenoir hat wohl ein Umrühren zu wenig ausgeführt, nach meinem Hinweis jedoch das gewünschte Endprodukt hervorgebracht. Ich danke Ihnen für Ihre vorbildliche Arbeit!"

Also, sag mal, hat die Frau Kreide gefressen wie der Wolf bei den sieben Geißlein?" Fragte Laurentine Julius auf dem Pausenhof. "Das ist das erste Mal, daß ich die nicht so diktatorisch erlebt habe."

"Vielleicht, weil du heute was echt kompliziertes fehlerfrei hinbekommen hast, was du vorher nicht kanntest", vermutete Julius. "Ich muß sagen, ich wußte erst auch nicht, ob ich den Trank echt drauf habe. Na ja, hat geklappt."

"Das war die erste Zaubertrankstunde, wo ich mich nicht klein und unbedeutend gefühlt habe. Aber mein Lieblingsfach wird das wohl nicht", sagte Laurentine.

"Das wäre ja noch schöner", meinte Millie. "Dann wärest du ja genauso wie Bernie oder Waltraud."

"Oder ich?" Fragte Julius herausfordernd.

"Das du das Zeug drauf hast kommt ja nur daher, daß dein Vater mit sowas auch schon rumhantiert hat, wenn der auch keine Zaubertränke gemacht hat. Außerdem wissen wir ja, daß dieser Snape in Hogwarts keine Muggelstämmigen mag und die da heftiger strampeln müssen um gute Noten zu kriegen, wenn die nicht gleich denken, daß sie nix wert sind."

"Außerdem habe ich mit Julius von direkten Klassenkameraden gesprochen, Mildrid. Was hängst du dich da jetzt rein?" Knurrte Laurentine.

"Ey, weil wir vielleicht gerade zusammen Unterricht hatten, Mademoiselle Hellersdorf. Ist für mich schon interessant, wie ihr das gefunden habt, wie Fixie heute drauf war."

"Tja, wenn man nichts findet, dann erfindet man was passendes", schnaubte Laurentine und ging einfach davon. Julius wollte sie noch was wegen Magizoologie fragen. Doch sie tauchte in der im Moment nicht ganz so großen Menge der Mitschüler unter. Pausenhofaufsicht hatte der bärtige Professeur Paximus.

"Kuck mal, sie läßt dich mit mir rotem Luder einfach alleine", feixte Millie und tätschelte Julius' Rücken. Der im Moment einzige Schüler der vierten Klasse aus dem grünen Saal meinte dazu:

"Die ist geschafft von der Doppeldoppelstunde und hat keine Lust drauf, sich länger als nötig mit dir herumzuzanken."

"Weil sie weiß, daß ihr das eh nix bringt", vermutete Millie überlegen lächelnd. Julius sagte dazu nichts.

Belisama Lagrange kam herüber und bedachte Millie dabei mit einem Blick, als könne sie das Mädchen aus dem roten Saal mit ihrem Blick davontreiben.

"Na, wie war die Stunde bei Fixus?" Fragte sie Julius. Dieser erzählte es ihr. Millie hörte zu und sah Belisama dabei so an, als warte sie auf etwas. Dann sagte die Pflegehelferkameradin aus dem weißen Saal:

"Offenbar hat Laurentine ja heute weniger Stress gehabt als sonst, obwohl Fixus sie intensiver drangenommen hat."

"Das Mädel merkt langsam, daß man mit Fixie besser klarkommt, wenn man macht, was die will", sagte Millie. "Hauptsache sie übertreibt nicht wie Bernadette. Die muß sich jetzt gerade doch tierisch langweilen, nur in einem Dorf rumzulaufen, wo niemand ihre Superleistungen von ihr haben will."

"Außer Trifolio und Faucon vielleicht", warf Julius ein. Belisama grinste.

"Mist, stimmt ja", knurrte Millie. "Dann bin ich froh, daß die jetzt da ist und ich morgen erst hingehen kann."

"Wolltest du mit Millie noch was wichtiges besprechen, weil doch gleich Magizoologie is'?" Fragte Belisama. Julius überlegte, welche Antwort sie nun hören wollte. Sagte er ja, hatte er Millie bis zum Anfang der Stunde am Hals. Sagte er nein, hatte er Belisama um sich und könnte Millie verärgert haben. Aber wieso interessierte es ihn, ob er Millie verärgern würde oder nicht? Sollte er sich nicht eher dafür interessieren was Belisama von ihm wollte?

"Wir haben uns beide nur gewundert, daß Laurentine so gut in der Stunde klargekommen ist, weil sie selbst ja heftigen Bammel hatte, ihr könnte heute was heftiges blühen." Millie nickte ihm zustimmend zu. Dann wandte sie sich an Belisama und fragte:

"Wolltest du ihn fragen, ob ihr euch für morgen in Millemerveilles irgendwo verabreden sollt, Süße? Gute Idee das!" Belisama errötete schlagartig und keuchte, als habe ihr wer in den Bauch getreten.

"Du bist echt unmöglich, Mildrid Ursuline Latierre", spie sie Millie hin, wirbelte herum, daß die Spitzen ihres honigfarbenen Schopfes Julius an der Brust streiften und eilte davon. Dieser kam sich in dem Moment vor wie ein Kinobesucher, der nicht wußte, ob er im falschen Film war und dann auch noch darin mitspielen mußte. Einerseits war Millies Frage ziemlich gemein gewesen. Aber Belisamas Reaktion darauf zeigte ihm, daß sie wohl goldrichtig gelegen hatte. Er drehte sich ihr zu und fragte:

"Mußte das jetzt echt sein, Millie?"

"Der Umstand, daß du mich mit meiner Kurzform ansprichst und nicht mit allen meinen Namen zeigt mir, daß du nicht so verbittert bist wie wie Mademoiselle Honigsüß. Aber die Antwort sollst du haben: Ja, ich fand, das war nötig. Oder möchtest du mir jetzt erzählen, daß du mit ihr was ausgemacht hast?"

"Wenn ich du wäre müßte ich jetzt mit "Ja" antworten", knurrte Julius wütend. Dann fiel ihm wieder ein, daß Millie es toll fand, wenn er wütend war. Die Artt wie sie ihn anstrahlte zeigte es ihm auch jetzt. Er sagte nur: "Ich werde jetzt zu ihr hingehen, ihr sagen, daß es mir leid tut, was du ihr an den Kopf geworfen hast und fragen, was sie wirklich wollte", entschied er. Millie strahlte ihn jedoch weiter an und sagte lässig:

"Wenn du Glück hast wird sie dir nicht zuhören. Wenn du Pech hast haut sie dir links und rechts eine runter, weil sie denkt, du wolltest sie noch mehr verschaukeln. Aber probier's aus, Julius!" Er nickte und ging davon. Sie stand stillda und sah ihm nach, wie er suchend umherging. War er wirklich wütend, weil sie Belisama auf den Kopf zugesagt hatte, sie wolle was von ihm? Dann hatte er entweder wirklich was mit ihr angefangen oder ärgerte sich nur, daß sie meinte, er hätte was mit Belisama angefangen. Das mußte sie unbedingt herauskriegen. Aber jetzt galt erst mal Ruhe zu bewahren und zu sehen, wie das von ihr aufgewühlte Wasser seine Wellen schlug oder sich wieder beruhigte. Sie hatte Julius wieder dazu gebracht, einfach zu fühlen, sich nicht krampfhaft zu beherrschen. Wenn er lernte, wie angenehm es war, einfach zu fühlen, würde er endlich auftauen und es kapieren, was sie ihm alles zu bieten hatte.

Julius suchte Belisama, die gerade bei Deborah Flaubert stand und offenbar ziemlich niedergeschlagen aussah. Als er sich ihr nähern wollte scheuchte die Saalsprecherin der Weißen ihn sehr energisch zurück.

"Mist, da hat Millie die wohl heftiger getroffen als ich dachte", überlegte er und sah sich nach anderen Klassenkameraden um. Wieso mußte Gloria auch den Mittwoch erwischt haben. Mit ihr hätte er jetzt ganz ruhig darüber sprechen können, was gerade passiert war, ohne daß sie sich dabei auch noch auf die Zehen getreten fühlte. Er sah Virginie, die alleine stand und wohl auch über was nachdachte. Er ging zu ihr hin, darauf bedacht, den schnellen Rückzug antreten zu müssen, wenn sie auch nur die Nase rümpfte. Doch sie sah ihn an, lächelte und winkte ihm, zu ihr zu gehen.

"Krach mit der Roten oder der Weißen?" Fragte sie Julius frei heraus. Er stutzte. Dann erzählte er kurz, was gerade abgelaufen war.

"Ich fürchte, du wirst dich damit abfinden, daß dieses gemeine Spiel weitergeht, bis eine von denen dich hinter sich auf dem Walpurgisnachtbesen sitzen hat."

"Auch 'ne Form von Hexenjagd!" Grummelte Julius, bevor ihm einnfiel, daß er Virginie nicht anzuraunzen hatte. Denn er war ja zu ihr hingegangen.

"Soweit ich von meinem Opa Phoebus gehört habe haben die Jungs bei meiner ZAG-Feier das ja damals auch so genannt", erwiderte sie lächelnd. Dann zog sie Julius einfach in eine lockere und kurze Umarmung und sagte ihm: "Du hattest übrigens recht, Julius. Madame Matine hat noch einmal nachgeprüft, ob Maman schon über die Zeit ist und festgestellt, daß es wohl doch erst morgen soweit ist. Vielleicht darf ich ja sogar zusehen, sollte das morgen passieren."

"Hmm, dann solltest du das mit Madame Maxime besprechen, wenn die Geburt mehr als die Zeit dauert, die wir in Millemerveilles sein dürfen."

"Habe ich schon angekündigt. Ich habe heute Nachmittag einen Termin bei ihr. Aber pssst, muß keiner von den anderen wissen!"

"Kein Problem, Virginie", sagte Julius zuversichtlich. Dann kam er wieder auf die Sache zwischen Belisama und Millie.

"Das mußt du jetzt ganz alleine rausfinden, Julius. Mit Claire hast du ja sehr schöne Erfahrungen gesammelt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß sowohl Belisama als auch Mildrid sehr gut zu dir passen."

"Mildrid?" Fragte Julius etwas ungläubig dreinschauend.

"Jetzt tu bitte nicht so, als wäre das was ganz und gar unmögliches, daß du mit Millie gut klarkommen könntest. Claire und du habt euch durch gemeinsame Interessen und eine Freude am Leben und Arbeiten verstanden. Wenn Millie so wird wie ihre große Schwester hat sie auch Spaß an Verantwortung und guten Leistungen, die belohnt werden. Ich denke sogar, Claire wußte das auch, weil sie sonst nicht so eifersüchtig reagiert hätte."

"Öhm, woher möchtest du das wissen", rang sich Julius eine Frage ab, die er sich durchaus selbst beantworten konnte.

"Wir haben uns oft miteinander unterhalten, als ich noch stellvertretende Saalsprecherin war, aber auch am Anfang des Schuljahres ... bis kurz vor dieser Gemeinheit, die sie uns allen weggenommen hat. Sie meinte, wenn es jemanden gebe, der dir noch mehr zu bieten hätte als sie, dann seien das entweder Belisama oder Millie, sofern du wegen dieses Alterungsfluches nicht anfingst, für Mädchen wie mich oder die Montferres zu schwärmen." Sie lächelte unbeholfen. Julius sah sich um. Millie stand immer noch an dem Platz, wo sie gestanden hatte. Belisama schien sich wahrhaftig bei Debbie auszuweinen. Könnte Millie passieren, daß sie morgen statt Millemerveilles Putzdienst aufgebrummt bekam. Virginie folgte seinem Blick und meinte:

"Offenbar hatte Millie mit ihrer ziemlich gemeinen Frage recht, was Belisama angeht. Könnte ihr nur passieren, daß die sich nach dem Schock aufrafft und einen Gegenschlag ausführt, um die Konkurrentin aus dem Feld zu schlagen. Dann wird die es wissen, ob die sich noch einmal sowas herausnehmen kann, falls sie nicht gleich von der Akademie fliegt."

"Ich würde gerne wissen, was Belisama wirklich wollte, um mich zu entschuldigen, daß sie meinetwegen so angemacht wurde", sagte Julius. Virginie deutete auf seinen rechten Arm. Julius schüttelte den Kopf. "Neh, das wäre hinterhältig, sie damit vor allen hier anzurufen, weil sie ja erst nicht weiß, wer es ist. Das mache ich nicht."

"Du meinst, du müßtest dich hinter einem großen Mädchen verstecken, um rauszukriegen, was ein mittelgroßes Mädchen wegen eines anderen mittelgroßen Mädchens denkt?" Fragte Virginie. Julius wollte gerade was sagen, als sie auch schon sagte: "In Ordnung, ich geh mal hin und frage Debbie, ob was ernstes passiert sei, weil du dir Sorgen machen würdest. Mich kann sie ja nicht einfach wegscheuchen."

"Ich sehe das nicht als Schwäche, wen zu schicken, der was besser regeln kann als ich", sagte Julius unaufgefordert. Virginie nickte. Dann ging sie los. Julius beobachtete, wie sie zu Deborah hinüberging, einige Worte mit ihr und Belisama wechselte, die Viertklässlerin kurz in die Arme nahm, wie eine große Schwester, die ihre kleine Schwester trösten möchte und dann alleine zurückkehrte.

"Also, Julius. Sie gibt dir keine Schuld an dem, was passiert ist und bittet dich und mich nur darum, daß wir das nicht in der ganzen Schule breittreten. Was sie von dir wollte war einfach, daß sie fragen wollte, ob du morgen mit ihr in die grüne Gasse und den Tierpark mitkommen möchtest, weil die anderen aus ihrem Saal mit Professeur Trifolio nicht in Berührung kommen wollen, wenn sie schon die Möglichkeit haben, frei herumzulaufen. Du könntest ihr heute abend vor dem Zubettgehen ja über euer Armband Bescheidgeben oder wen aus deinen Bildern zu ihr schicken, sagt sie."

"Hat sie nicht blöd gekuckt, daß ich nicht selber hingegangen bin?" Fragte Julius etwas irritiert.

"Debbie hat dich doch weggescheucht. Sie ist Saalsprecherin und hätte dir glatt den DQ versauen können, und Madame Maxime hätte dich dann morgen nicht mitgenommen. Du hattest also allen Grund, dich zurückzuziehen", sagte Virginie ganz gelassen. Julius stutzte. Soweit hatte er nicht gedacht. Aber da es passte, warum sollte er das nicht auch so sehen?

Julius bedankte sich bei der Sprecherin seines Saales und schlenderte über den Schulhof, vorbei an kleinen Gruppen schwatzender Schülerinnen und Schüler bis kurz vor die Palasttür. Dann blickte er sich um und sah Mildrid, die seelenruhig herankam, nicht so als wolle sie ihn verfolgen, sondern nur, als wolle sie auch wieder reingehen. Er wandte sich ihr zu und sagte, als sie bei ihm war:

"Belisama wollte nur wissen, ob ich mir mit ihr Trifolios Sonderführung durch die grüne Gasse geben möchte. Mehr war nicht."

"Ui, und dafür mußtest du die arme Virginie losschicken, um das zu fragen?" Fragte Millie und verriet damit, daß sie Julius wohl die ganze Zeit beobachtet hatte. Dieser nickte und sagte, daß er im Gegensatz zu ihr den DQ nicht absichtlich verhauen wolle und Debbie ihm ziemlich deutlich gezeigt hatte, daß sie mit Belisama von Mädchen zu Mädchen ohne störende Jungen sprechen wollte.

"Dafür, daß die aussieht wie achtzehn benimmt die sich doch echt noch wie zwölf", erwiderte Millie gehässig.

"Könnte jemand auch über dich sagen", konterte er.

"Tut aber keiner", versetzte Millie. "Ich würde mich zumindest nicht bei meiner Saalsprecherin ausheulen, nur weil mir wer 'ne Frage gestellt hat, die ich nicht beantworten wollte."

"Du hättest dich geprügelt wie eine dreckige Straßendirne", fauchte es hinter Millie. Es war aber nicht Belisama, sondern Laurentine, die unbemerkt von Julius und Millie quer über den Hof geeilt war.

"Uiuiuiui, jetzt wolltest du's mir noch geben, Bébé Hellersdorf", feixte Millie. "Erstens heißen solche Damen in der Zaubererwelt Wonnefeen, zweitens laufen die nicht auf den Straßen herum, sondern empfangen die Wonnesuchenden in geschlossenen Räumen und drittens prügeln die sich nicht, sondern tricksen sich gegenseitig aus. Wenn du jetzt fragst, wozu du das jetzt wissen solltest: Weil dir das sonst kein sogenanter anständiger Bewohner der Zaubererwelt freiwillig erzählt."

"Du mußt es ja wissen, wenn du selbst mal sowas machen willst, weil's zu was anständigem nicht langt", knurrte Laurentine. Millie wandte sich ihr zu und schenkte ihr wider aller Erwartung ein strahlendes Lächeln. Julius argwöhnte, daß Millie gleich eine ihrer gefürchteten Retourkutschen losschicken würde. Doch sie sagte nur:

"Da irrst du dich aber, Laurentine. Um diese Arbeit zu machen müssen die in allem gut sein, Einfühlungsvermögen, Zauberkunst, Zaubertränken und auch Verwandlungen. Eine Cousine meiner Oma Ursuline muß das mal gemacht haben. Aber für Oma Line, Maman oder mich ist das nix, weil wir was besseres zu tun haben, als jeden Tag mehrere Dutzend wild fremde Männer in die richtige Spur zurückzukriegen."

"Verwandlung?" Fragte Laurentine. "Wozu braucht so eine denn Verwandlung? Ach, du verhohnepiepelst mich ja eh, wo ich dabeistehe. Also vergiss meine Frage!" Laurentine zog ab. Julius sah Millie an und meinte:

"Ich habe schon gedacht, du haust ihr eine runter oder ziehst den Zauberstab."

"So kämpfen nur Jungs!" Stieß Millie verächtlich aus. Julius witterte eine Möglichkeit, sie auszukontern und erwiderte:

"Ach, dann ist das zwischen Callisto und Waltraud nur ein Unfall gewesen, oder wie?"

"Ja, kann man so sagen. Callisto benimmt sich in so vielem wie ein Junge, daß sie wohl früher einer war und wohl durch irgendwas den Körper verändert hat. Vielleicht hat sie in irgendeinem fernen Land aus einem verfluchten See getrunken oder drin gebadet, und jetzt weiß keiner mehr, wie das rückgängig gemacht werden kann."

"zauber und Gegenzauber", meinte Julius, der der Ansicht war, Millies Anspielungen aushebeln zu können. "Dann muß nur wer rausfinden, wo dieser See ist, Wasser rausholen und erhitzen. Das trinkt sie dann und Peng! Könnte auch reichen, es ihr überzuschütten oder sowas."

"Neh, lass mal. Dann müßten ja alle Zeugnisse umgeschrieben werden", erwiderte Millie, die sich wunderte, daß Julius auf ihre Gemeinheit eingegangen war. Dann sagte sie noch: "Jedenfalls würde ich einem anderen Mädchen nicht mit dem Zauberstab kommen. Jungs kann ich auch ohne Zauberei aus den Socken hauen, wenn die's drauf anlegen." Die Glocke bimmelte, das es nicht mehr lange zum Pausenende hin war.

"Wollen wir schon mal reingehen?" Fragte Milie. "Oder hast du Angst, mit mir allein durch die Gänge zu wandern?"

"Ich kann mich auch gut ohne Zauberstab wehren", sagte Julius.

"Dann müßtest du mich ja schlagen, und das tust du nicht, hast du immer gesagt", erwiderte Millie. Wieso ließ er sich denn immer noch darauf ein, mit ihr zu flachsen? Vielleicht wollte er ihr zeigen, daß sie ihn nicht so erschüttern konnte wie Belisama.

 

Die Tierwesenstunde war wegen der vielen Roten und Grünen, die heute in Millemerveilles waren eine kleine Veranstaltung wie der Zaubertrankunterricht. Nur Belisama, Millie und Julius standen vor der Tür. Madame Maxime befand, daß mit drei Schülern alleine nicht viel zu machen war und schlug vor, daß jeder ein Stehgreifreferat über zwei vertraute Tierwesen halten möge. Sofern die Tiere in der Schulmenagerie gehalten würden, wolle sie sie später noch einmal besichtigen. Millie und Belisama sahen sich einmal energisch an, als wollten sie abschätzen, wer von ihnen gleich umfallen würde. Doch weil die überragende Schulleiterin dabeistand blieb es nur beim Anstarren.

Belisama sprach im Unterricht ruhig und konzentriert über Einhörner und Greife. Millie sprach natürlich über die Latierre-Kühe, aber auch über Knuddelmuffs, wobei sie die neuerliche Züchtung aus England erwähnte und damit schloß, daß diese bis heute nicht in Frankreich gehandelt werden dürften, weil ihre Tante Barbara und einige andere in der Tierwesenbehörde dagegen Einspruch erhoben hatten. Julius sprach zuerst über Drachen, zählte die gefährlichsten Arten auf und erwähnte dann die, die in Frankreich lebten und wie sichergestellt wurde, daß sie keine Muggelsiedlungen oder Viehherden niedermachen konnten und sprach dann über Kniesel, was die beiden Mädchen schmunzeln ließ.

"Nun, daß Sie mit den Knieseln engeren Kontakt haben wissen wir ja alle sehr gut. Und daß Drachen Sie wie viele andere junge Männer faszinieren, obwohl sie wie erwähnt sehr gefährlich sind und daher in der Klassifizierung der Tierwesen auf der höchsten Stufe eingeteilt werden ist ebenso verständlich. Nun, sowohl Drachen als auch Latierre-Kühe können wir im Moment nicht besichtigen. Knuddelmuffs hatten Sie ja ganz zu Beginn ihrer magizoologischen Unterrichtsstunden bei meinem Vorgänger. Kniesel kennen Sie ebenfalls schon aus dem Unterricht, sowie der Freizeit-AG. Dann kann ich Ihnen eigentlich nur noch einmal die Einhörner vorführen, die ich an und für sich am Ende des Schuljahres präsentieren wollte. Es hat nur einen Nachteil für Monsieur Andrews, da diese Tierwesen sehr abweisend auf männliche Menschen reagieren, falls ihnen die Möglichkeit gegeben ist sofort die Flucht ergreifen, bevor ein Junge oder mann sie zu sehen bekommt aber durchaus auch angreifen, wenn sie nicht fliehen können. Ich kann Ihnen meine absoluten Favoriten unter den Tierwesen vorführen, die Abraxas-Pferde, die Sie zwar schon gesehen haben aber wohl noch nicht alles über sie wissen."

Die Zeit bis zum Läuten der Schulglocke verbrachten sie nun bei den geflügelten Riesenpferden, wobei sie aufpassen mußten, das die ihre trächtigen Stuten beschützenden Hengste nicht meinten, die Lehrerin und die drei Schüler wollten ihnen was. Calypso und Cleopatra, die ranghöchsten Stuten keuchten mit stark aufgetriebenen Bäuchen umher. Sie würden wohl bald ihre Fohlen bekommen.

"Kriegen die ihre Fohlen selber oder muß man denen dabei helfen?" Wollte Belisama wissen. Millie grinste darüber nur. Madame Maxime befand, daß sie die Frage beantworten solle.

"Öhm, also, wenn diese Tierwesen ihren Nachwuchs kriegen kann denen wohl keiner helfen. Die Latierre-Kühe kalben auch ohne fremde Hilfe. Nur wenn ein Kalb quer im Mutterleib liegt hat meine Oma schon einmal ein Muttertier mit einem Schlafgas betäuben müssen, weil einzelne Schockzauber nicht voll wirken und das Muttertier nicht durch den heftigen Schock das Jungtier verlieren soll. Die Abraxas-Stuten helfen sich gegenseitig, wenn ein Fohlen nicht in der falschen Lage geboren zu werden droht. Irgendwie können die sich wohl so mit den Mäulern bestreichen, daß sie dabei das ungeborene Fohlen im Mutterleib herumwerfen, daß es in der richtigen Lage herauskommt."

"Genau das ist richtig, Mademoiselle Latierre", sagte Madame Maxime anerkennend. "Ähnlich wie bei den echten Zwergen, wo werdende Mütter in einer Gruppe zusammen einander bei der Geburt unterstützen vermögen es die Abraxas-Stuten, einander zu helfen. Daher wird empfohlen, eine Herde zu mindestens vier Stuten pro Hengst zu halten. Selbst mit unserer Zauberkraft könnten wir fohlenden Stuten nicht so effektiv beistehen wie die eigenen Artgenossinnen. Wenn Sie schon so weit orientiert sind, Mademoiselle Latierre, können Sie uns bestimmt auch erklären, welche Rolle die Hengste spielen?"

"Öhm, mir wäre da nichts bekannt. Ich meine, wenn sie erfolgreich begattet haben passen sie auf die trächtigen Stuten auf und beschützen auch die Fohlen, bis die Junghengste geschlechtsreif werden", sagte Millie nun nicht so überlegen dreinschauend. Madame Maxime sah sie erst fragend an. Dann sagte sie ruhig:

"Natürlich ist die primäre Aufgabe eines Hengstes der Schutz der Herde und die Arterhaltung. Deshalb umkreist er während jeder Geburt die Gruppe seiner Stuten und greift alles und jeden an, das sich nähert. Selbst ich werde bei klaren Vorzeichen sehen, möglichst weit von Pyrois entfernt zu bleiben. Es hat schon tödliche Unfälle gegeben, als Zauberer mit der Zucht dieser Tiere noch nicht weit genug gedieen waren", erklärte die Lehrerin. Dann vergab sie an Millie zehn Bonuspunkte und empfahl ihr, nicht so überheblich zu grinsen. Daß Millie wohl wegen etwas anderem grinste kam ihr nicht in den Sinn.

Am Nachmittag hatte Julius alte Runen, bei denen auch Sandrine dabei war. Diese fragte Julius, was in der großen Pause gewesen sei. Doch Julius bedauerte und sagte, daß er nicht darüber sprechen möge, weil das Belisama wohl nicht gefiele.

"Wie du meinst. Wenn sie findet, daß ich das nicht wissen darf, wird sie mir das sagen oder mir sagen, was los war", knurrte Sandrine.

Die Alchemie-AG lief ab wie üblich, zumal von den Leuten aus dem Blauen Saal ja genug in Beauxbatons verblieben waren. Millie arbeitete mit Julius an einem Gebräu, das Durolignum-Elixier genannt wurde und jede Holzsorte um ein vielfaches beständiger machte, ohne daß das bearbeitete Holz schwerer oder unansehnlicher wurde. Julius schwante, daß mit dieser Methode auch die großen Balken verstärkt worden waren, mit denen die Hexen in Weiß Hallittis Höhle verkeilt hatten, um einzudringen und ihre eigene Zauberkraft anwenden zu können. Wohl diesem Elixier, das Millie und er da gerade zusammenbrauten, verdankten sein Vater und er ihr Leben.

Sie sprachen nicht darüber, was am Morgen gelaufen war. Julius fand es langsam albern, daß Belisama und Millie sich wohl um ihn zankten, ohne daß er der einen oder der anderen einen Grund dazu gegeben hatte. Andererseits sah er sie beide auf der Traumblumenwiese vor sich. Hatte sich das etwa schon soweit reduziert? Das glaubte er wohl nur, weil außer Sandrine, Belisama und Millie keine der anderen aus diesem Erlebnis in der Nähe waren. Die Montferres waren gerade in Millemerveilles, Martine und Béatrice Latierre gingen ihren Berufen nach, blieben also nur diese drei. Das konnte noch was geben! Zumindest war Sandrine nicht hinter ihm her.

Abends um halb zehn kehrten die Ausflügler mit Hallo in die Akademie zurück. Viele hatten Geschenke aus Millemerveilles, einige trugen Fahnen an ihren Hüten, die in den Farben Millemerveilles glitzerten. Hercules und Robert schwärmten von der Menagerie, während Gaston über die Bienen von Madame L'ordoux sprach, die Julius auch schon besichtigt hatte.

"Also wer totale Angst vor Insekten hat sollte sich da besser nicht mit abgeben. Hat mich auch erst heftig zum schlottern gebracht. Aber als die Hexe, der die Tiere gehören uns erzählt hat, was die so können und wie sie leben habe ich gemerkt, daß die nicht viel anders sind als wir, eben nur daß sie fliegen können und stechen, wenn sie angegriffen werden."

"Neh, dann doch lieber einen dieser Blitzerfische", meinte Hercules. "Die blonde Meerjungfrau, die auf die aufgepaßt hat sah auch sehr hübsch aus."

"Na klar, du stehst neuerdings auf Fischschwänze, Culie", feixte Gérard. "Kann ich mir vorstellen." Dann wurde Julius ausgefragt, was am Tag gelaufen war. Er erzählte von Professeur Fixus' Unterricht und wie sie in der Magizoologieklasse nur zu drei Schülern gewesen waren. Was zwischen Millie und Belisama passiert war verschwieg er jedoch.

"Du nur allein mit Millie und Belisama? Da konntest du wohl froh sein, daß die Maxime die Anstandsdame gegeben hat. Sonst hätten die beiden dich wohl nicht zu Atem kommen lassen", meinte Robert. Hercules meinte dazu:

"Echt, schon krass, der einzige Bursche in einer Klasse zu sein, wenn die beiden Mädels, die da noch bei sind meinen, den für sich einhandeln zu können. Ich hoffe, die lassen dich morgen mal in Ruhe."

"Ich denke nicht, daß die mit mir irgendwas anstellen können, was ich nicht machen will oder von dem ich weiß, daß ich es nicht machen darf", erwiderte Julius dazu nur.

"Klar, Julius. Hast die Mädels ja bisher gut auf Abstand halten können", grinste Hercules. Robert setzte dem noch einen drauf und sagte:

"Belisama und andere Weiße haben wohl keine Probleme damit, daß du im Moment nix von denen wissen willst. Wenn dich aber eine von den Roten ausgeguckt hat wirst du das früher als dir lieb ist mitkriegen, daß die dich jagt. Dann hast du vielleicht nur eine Chance, wenn du dir 'ne Violette oder 'ne Blaue zulegst."

"Der ist im Pflegehelfertrupp. Der hat die freie Auswahl. Was er nicht nimmt kann der langweilige Sixtus haben", erwiderte Hercules. Julius grinste. Zwar fand er es nicht nett, daß sie Sixtus für langweilig hielten, nur weil der sich still und unauffällig um seine Schulsachen kümmerte und sich auch beziehungsmäßig gut zurückhielt. Ihn amüsierte es jedoch, daß sie meinten, er wäre nun fällig. Da hatte er ja wohl doch noch ein Wort mitzureden. So sagte er:

"Wer sagt euch Schwätzern eigentlich, daß ich mir eine hier in der Akademie aussuche. Ihr wißt ja gar nicht, ob ich nicht schon längst anderswo wen kennengelernt habe. Immerhin war ich schon in den Staaten, Australien und auch in England. Also ratet mal schön weiter! Ich höre es mir an und denke mir meinen Teil."

"Das glaubst du doch selbst nicht, daß die Mädels hier in der Akademie dich jetzt einfach mit irgendeiner aus Amerika oder anderswo abziehen lassen", warf Gérard ein. "Aber die Walpurgisnacht ist ja nicht mehr weit weg. Vielleicht darfst du ja hinter Bernadette auf dem Besen sitzen."

"Jetzt wird der Kerl wieder Frech, weil wir aus Millemerveilles zurück sind", knurrte Hercules. Gérard grinste überlegen. Offenbar war Hercules doch noch nicht über die Beziehung mit der strebsamen Roten hinweg. Julius beschloß, für den morgigen Tag gut vorzuschlafen und zog den Bettvorhang zu.

 

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Am nächsten Morgen musizierten die gemalten Mexikaner munter drauf los, als sie um halb sechs durch die Bilder im Viertklässler-Schlafsaal zogen. Gaston verwünschte sie zwar erneut. Aber die anderen Jungen hatten sich dran gewöhnt, einen derartigen Weckdienst zu haben. Vor allem Hercules fand es immer noch toll, wie gut die gemalten Trompeter spielen konnten.

Beim Frühsport traf Julius auf die Montferres, die während eines lockeren Trabs mit ihm über Millemerveilles plauderten. Immerhin waren sie damals ja auch mehrere Tage dort gewesen, als Jeanne und Bruno und einen Tag darauf Barbara und Gustav geheiratet hatten.

"Madame Dusoleil ist besser drauf als Trifolio, was die Erklärung der Zauberpflanzen angeht. War schon gut, daß wir uns so gestellt haben, daß wir mit ihr durch die grüne Gasse gingen", sagte Sabine.

"Ich weiß nicht, ob ich da noch einmal durchgehe. Immerhin kenne ich die grüne Gasse ja sehr gut", erwiderte Julius. Doch für sich selbst dachte er, daß er Camille Dusoleil wohl den Gefallen tun würde, bei einer ihrer Führungen mitzulaufen. Allerdings mußte er wie die Montferres drauf ausgehen, nicht in einer von Professeur Trifolio geführten Gruppe zu sein.

"Madame Maxime geht heute auch hin. Dann habt ihr ja doppelt aufzupassen, daß ihr nicht dumm auffallt", bemerkte Sandra.

"Ich werde schon aufpassen, daß ich mich nicht von ihr bei irgendwas erwischen lasse", erwiderte Julius lässig.

Die Latierre-Zwillinge sausten an ihnen vorbei, verhielten und ließen die Montferres und Julius wieder herankommen. Callie fragte Julius, ob er sich schon einen Plan für den Tag zurechtgelegt habe. Er sagte ihr, daß er da noch nichts genaues festgelegt habe. Pennie fragte daraufhin:

"Woran machst du das fest? Was unsere Cousine macht?"

"Millemerveilles ist schön groß. Da haben Millie und ich genug platz, um uns nicht ins Gehege zu kommen", erwiderte Julius. Die beiden Zwölfjährigen lachten darüber. Offenbar vermuteten sie, daß Millie es wohl darauf anlegte, in Julius' Nähe zu sein, ja, ihn zu irgendwas zu kriegen, was sie gemeinsam machen konnten. Er wollte die beiden jedoch nicht auf sowas ansprechen. Könnte ja auch sein, daß er vermutete, was sie dachten, das aber nicht stimmte.

Die Spannung war bei denen, die heute am Ausflug teilnehmen durften ziemlich groß. Immerhin war ja heute der eigentliche Jubiläumstag, wo bestimmt noch etwas mehr geboten wurde. Julius dachte an Madame Lumière, die in diesen zwei Wochen wohl einen ziemlichen Stress haben mußte oder an Camille Dusoleil, die nun Horden von Besuchern durch ihr grünes Reich lotsen mußte. Doch was war mit Madame Delamontagne? Bekam sie von den Feierlichkeiten überhaupt was mit? Oder war sie mit der unmittelbar bevorstehenden Geburt ihres zweiten Kindes zu sehr beschäftigt? Vielleicht hatte sie das Kind aber auch schon bekommen und würde sich wohl gegen Madame Matine durchsetzen, zumindest kurz beim eigentlichen Festakt, den es wohl gab, dabei sein zu können. Er dachte an Monsieur Dusoleil, der womöglich einige tolle Sachen verkaufen konnte, darunter vielleicht auch die von Julius erfundene und lizenzierte Laterna Magica.

"Die am heutigen Ausflug teilnahmeberechtigten mögen sich ordentlich gekleidet und Ffrisiert zum Ausgangskreis begeben. Für alle anderen gilt: fertigmachen zum Unterricht!" Kommandierte Madame Maxime.

Julius zog den Sonntagsumhang an. Da er der einzige Viertklässler aus dem grünen Saal war, sahen ihm die anderen doch etwas neidvoll nach, als er sich von ihnen verabschiedete und ihnen einen stressarmen Tag wünschte. Hercules meinte nur:

"Gut, daß wir heute nicht bei Fixie haben. Die Ersatzstunden für Zauberkunst und Verwandlung sitze ich auf der linken Pobacke ab."

Zusammen mit Virginie und den meisten Grünen aus der ersten Klasse verließ Julius den Wohnsaal durch die sich öffnende und wieder schließende Wand.

"Bin echt gespannt, wie das in Millemerveilles ist", sagte Louis Vignier, der am ersten Tag in Beauxbatons noch versucht hatte, über Mobiltelefon mit seinen Eltern zu sprechen.

Am Ausgangskreis standen bereits die Leute aus dem roten Saal. Der stämmige Aristo Lambert, der die goldene Brosche trug, teilte seine Saalkameraden gerade so ein, daß bei einem alphabetischen Aufruf jeder ohne andere umzurennen in den Kreis treten konnte. Patricia Latierre stand mit Marc Armand zusammen. Dieser winkte Louis Vignier aufmunternd zu. Millie, ihre Tante Patricia und ihre Cousinen Calypso und Penthesilea standen so, daß sie mit Marc eine Art Fünfeck bildeten, dessen einzelne Spitze Mildrid darstellte.

"Du wirst wahrscheinlich zuerst in den Kreis gehen", sagte Virginie zu Julius. "Am besten stellst du dich gleich so, daß du in fünf Sekunden drin bist."

"Dann zieht uns das aber ziemlich auseinander, wenn wir alle nach Nachnamen sortiert werden", meinte Boris LeCloir, ein weiterer muggelstämmiger Erstklässler der Grünen.

Die Ausflügler aus den anderen Sälen trafen ein. Von den Blauen war keiner dabei. Sandrine Dumas blickte sich um, ob sie alle sah, die sie gut kannte, natürlich auch die Pflegehelferkollegen. Dann erschien Madame Maxime zusammen mit ihren Kollegen Bellart, Faucon, Pallas und Trifolio. Sie schritt in den Ausgangskreis hinein und sah alle sich darum gruppierende Schüler kurz an. Ausnahmslos alle fühlten sich durch die von weiter oben auf sie herabblickenden Augen in Kleinkinder zurückverwandelt. Die dabei aufkommende Unterlegenheit gehörte zu den Trümpfen der Schulleiterin, diesen riesigen Haufen unterschiedlichster Kinder und Jugendlicher mit einem einzigen Blick in ttotale Erwartungshaltung zu versetzen.

"Sehr schön, daß wohl alle die heute an unserem Ausflug teilnehmen dürfen bereitstehen. Dann wird die Anreise insgesamt wohl nur fünf Minuten dauern. So möchte ich alle aufrufen, die in der ersten Sphäre mit mir und Professeur Bellart nach Millemerveilles überwechseln. - Andrews, Julius!" Wieder einmal war Julius der erste auf einer abzuhakenden Liste. Er nickte Virginie zu und eilte in den Kreis, bis Madame Maxime ihm mit einer Handbewegung gebot, stehen zu bleiben. Dann rief sie "Armand, Marc" zu sich auf die rote Kreisfläche. So ging es weiter, bis "Flaubert, Deborah" in den Kreis eintrat und einige Schritte vom Rand entfernt verharrte. Dann rief die Halbriesin die Sphäre auf. Alle innerhalb des Kreises stehenden trieben für mehrere Sekunden schwerelos in jener sonnenuntergangsroten Leuchtsphäre, begleitet von einem leisen Grummeln wie ferner Gewitterdonner. Als sie dann wieder von der irdischen Schwerkraft ergriffen und auf festen Boden gezogen wurden sagte die Schulleiterin: "Wir sind in Millemerveilles. Alle jenen, die jetzt gleich mit mir oder meinen Kollegen zur grünen Gasse, der Menagerie oder dem Geschichtsmuseum gehen möchten möchten bitte warten, bis alle Ihre Schulkameraden vollzählig versammelt sind! Wer auf eigene Faust durch Millemerveilles flanieren möchte wird nochmals gebeten, sich anständig zu betragen. Außerhalb des Kreises warten Verzehrgutscheine, die an allen gastronomischen Stellen in Millemerveilles gelten, bis ein Wert von zwei Galleonen erreicht wurde. Alle darüber hinaus anfallenden Kosten mögen Sie ohne Widerspruch selbst tragen, wie bereits vorgestern erwähnt."

Deborah Flaubert winkte Julius zu sich heran, als sie den Kreis verließen. Er fragte sich, was sie wollte.

"Ich wollte wissen, ob du jetzt mit Belisama zusammen zu Professeur Trifolios Sonderführung gehst oder was du vorhast?"

"Ich habe mich noch nicht festgelegt", sagte Julius.

""Wolltest du dann warten oder schon los?" Fragte Debbie Flaubert.

"Ich wollte mir erst einmal meinen Gutschein abholen. Wahrscheinlich ist Belisama dann auch da", sagte Julius. Ihm gefiel es nicht sonderlich, daß Debbie ihn indirekt vorbuchen wollte. Er hatte keine üble Lust, einfach loszumarschieren und sich selbst umzusehen. Marc Armand stand bereits bei Caro Renards Mutter, die einen Holzkasten vor sich hatte, aus dem sie kleine mit dem Wappen von Millemerveilles bedruckte Karten holte. Als sie Julius mit einem freundlichen Lächeln die Karte in die Hand drückte meinte sie:

"Camille und Florymont haben mir ausgerichtet, du möchtest wenn es geht heute nachmittag bei Ihnen vorbeikommen, so zwischen zwölf und eins. Ich hoffe nur, daß sie dich nicht zu Mittagessen einladen." Julius grinste belustigt.

"Haben die mir nichts von gesagt. Aber ist schon 'ne gute Idee, Madame Renard", sagte er. Dann trat er bei Seite und blickte sich um, wer noch wartete oder schon unterwegs ins Dorf war. Virginie stand etwas abseits. Als sie seinen Blick bemerkte winkte sie ihm zu. Er ging hinüber.

"Ich appariere zu meiner Mutter. Hier geht das ja jetzt. Madame Maxime weiß bescheid. Erkläre den Jungen der Ersten mein Verschwinden! Aber sage ihnen nicht, wo ich hin bin!"

"Geht klar, Virginie! Grüß mir deine Eltern!"

"Danke, Julius", erwiderte Virginie, trat einen Schritt zurück und disapparierte mit lautem Knall. Wie sie vermutet hatten erschraken vor allem die Muggelstämmigen aus der ersten Klasse. Julius ging zu ihnen hinüber. Doch als er ansetzte, das Verschwinden zu erklären meinte Louis:

"Der Knall war nur zu laut. Ich habe Hefte aus Deutschland gelesen, in denen echte Teleporter vorkommen. Kann man das in Beauxbatons auch lernen?"

"Yep, in der sechsten Klasse, soweit ich weiß. Wenn du dann siebzehn Jahre alt bist und das gut genug gelernt hast, daß du eine Prüfung abgelegt hast darfst du das auch machen."

"Oi, voll gut!" Rief Louis und wandte sich an Leonard und Boris, die nicht ganz so locker darüber hinwegkamen, daß ihre Mitschülerin so einfach verschwunden war. Marc Armand hingegen grinste nur, als Julius ihm das erklären wollte.

"Ich habe das von Pattie schon gehört, daß erwachsene Hexen und Zauberer dieses Apparierding draufhaben. Aber warum ist sie so plötzlich weg?"

"Sie hat was wichtiges zu erledigen und wollte nicht lange herumlaufen", sagte Julius beifällig.

Mit lautem Knall erschien die zweite Sphäre. Marc sah die Neuankömmlinge, die von Professeur Faucon herübergebracht worden waren. Die Latierres waren auch dabei, wie auch Belisama Lagrange, die sich schön weit von den Latierres entfernt gehalten hatte. Professeur Faucon erklärte den Neuankömmlingen das, was Madame Maxime vorher erklärt hatte. Dann holten sich die Schüler ihre Verzehrgutscheine ab. Als Belisama und Millie gleichzeitig zu Julius herüberkamen sah er die Erstklässler an und fragte sie, ob Virginie ihnen was erzählt habe, was sie hier machen konnten. Sie schüttelten die Köpfe.

"Hallo, Julius! Hast du dir das überlegt mit Professeur Trifolio?" Fragte Belisama. Millie grinste darüber nur.

"Ich weiß nicht so recht. Virginie mußte wegen was wichtigem hier disapparieren und hat mir gesagt, den Jungs aus der Ersten zu erklären, wie sie verschwunden ist und denen ein wenig zu erklären, was in Millemerveilles so geht", sagte Julius. Die Jungen aus der ersten nickten verhalten. Dann grinsten sie, als Millie sie fragend ansah, ob das auch stimmte.

"Ach, hat eure Saalsprecherin dich verdonnert, auf die Kleinen aufzupassen! Sieht ihr ähnlich. Aber ich denke, die gehen hier nicht verloren. Willst du echt in die grüne Gasse zu trifolios Sonderführung?"

"Wann is'n die?" Fragte Louis, den Zauberkräuter sehr faszinierten.

"Sobald es Bumm macht und Trifolio mit dem letzten Schwung hier angekommen ist", meinte Millie. Professeur Faucon kam herüber und sah die Gruppe um Belisama, Millie, die Erstklässler und Julius an.

"Benötigen Sie Instruktionen, was Sie hier unternehmen sollen, die Herren? Das ist nicht nötig, solange Sie sich nur anständig betragen", sagte sie und blickte die Mädchen aus dem weißen und roten Saal an. "Falls Sie beide was mit Monsieur Andrews ausgehandelt haben, die Damen, mögen Sie nun gehen. Oder möchten Sie auf meinen Kollegen Professeur Trifolio warten?"

"Ich nicht", meinte Mildrid und ging ohne weiteres Wort davon. Belisama witterte ihre Chance, Julius doch noch als Begleitung gewinnen zu können, zumal die muggelstämmigen Jungen gerade von Patricia Latierre und Marc Armand herangewunken wurden. Offenbar hatte Millies Tante mit Marc ein Abkommen getroffen, seine Ausflugsgestalterin zu sein, vermutete Julius.

"Die ist bestimmt gerade läufig wie eine Straßenhündin, daß die das nicht kapiert, wann sie genug genervt hat", knurrte Belisama. Dann fragte sie Julius, ob er wirklich nicht mit ihr zu Trifolios Führung gehen wollte.

"Ich schlage dir was vor, Belisama. Wir gehen zu Madame Dusoleil und fragen sie, wann sie eine Führung für Gäste macht. Das wird bestimmt fröhlicher als der Vortrag von Professeur Trifolio."

"Echt? Kann ich mir denken. Dazu sage ich ja", sagte Belisama. Just in dem Moment erschien die vierte Sphäre und gab den letzten Schwung Ausflügler frei. Professeur Trifolio trat aus dem Kreis und erklärte seinen Passagieren das mit den Verzehrgutscheinen und bot auch an, daß jeder der wollte gleich mit ihm zur grünen Gasse marschieren könne. Julius ging mit Belisama davon. Trifolio sah ihnen unschlüssig nach. Offenbar hatte er darauf gehofft, seine besten Schüler der vierten Klasse würden mit gutem Beispiel vorangehen und sich ihm anschließen.

"Ist Madame Dusoleil denn zu Hause?" Fragte Belisama, als sie und Julius im Strom der Mitschüler in das Dorf hineingingen.

"Wahrscheinlich ist sie bereits vor der grünen gasse." Er wollte gerade noch sagen, daß er sie mal anmentiloquieren könne. Doch das mußte Belisama nicht unbedingt wissen. Einige Schritte weiter meinte er zu ihr, sein linker Schuh sei wohl aufgegangen und blieb stehen. Er bückte sich und konzentrierte sich dabei auf sanftes Meeresrauschen, dann blauen Himmel dazu, dann Camille, eine angenehme Stimmung, dann auf Camille Dusoleils lächelndes Gesicht, dachte ihren Namen und dann als spräche sie selbst:

"Hallo, Camille! Bin in Millemerveilles. Wo bist du?"

Er hörte sofort einen starken Nachhall seiner gedachten Worte. Die mentiloquistische Verbindung zu seiner beinahe-Schwiegermutter war immer noch merkwürdig stark.

"Ah, Julius! Bist du alleine? Bin gerade bei der grünen Gasse und erwarte eure Leute, die uns besuchen wollen. Wolltest du mit mir durch eine Sonderführung?"

"Genau!" Mentiloquierte Julius. "Habe Belisama vorgeschlagen, mit dir durch die grüne Gasse zu gehen."

"Ja, dann kommt mal zur grünen Gasse! Kostet ja nichts."

"Das hat aber lange gedauert, den zuen Schuh anzusehen", grummelte Belisama leicht verdrossen. Doch dann mußte sie grinsen.

"Claire hat das mir erzählt, daß du diese Gedankensprechkunst gelernt hast. Hast du ihre Mutter gefragt, ob wir zu ihr dürfen?"

"Dann hätte ich mir die Bückerei sparen können", grummelte Julius. "Ja, habe ich. Sie wartet auf uns. Wir müssen nur schneller sein als die Gruppe von Trifolio. Ich kenne eine Abkürzung."

"Gut, einverstanden", erwiderte Belisama zuckersüß lächelnd.

Sie liefen durch zwei enge Gassen, vorbei an üppigen Blumengärten. Julius kannte die Besitzer der dazugehörenden Häuser und winkte ihnen zu, als sie von den Schrittgeräuschen an die Fenster gelockt wurden.

"Willst du zu Camille?" Fragte ein Zauberer, der in der grünen Gasse arbeitete. Julius bejahte das. Als sie bei der grünen Gasse ankamen trafen sie auf Belisamas Cousine Seraphine, die sich mit ehemaligen Schulkameraden unterhielt, die wohl vor den Beauxbatons-Schülern angekommen waren.

"Na klar, du bist durch die Zwischengasse gegangen. Madame Dusoleil ist an der Eingangstür und stellt die erste Gruppe zusammen. Wartet sie auf dich?"

"Ja", sagte Julius kurz und knapp.

"Er hat uns angemeldet, Seraphine", sagte Belisama. Ihre Cousine nickte nur. Wie er das gemacht hatte war ihr nicht so wichtig.

"Ah, Julius und Belisama! Wollt ihr noch bei mir mit dabei sein?!" Rief Camille Dusoleil. Julius freute sich, nach dem ganzen strengen Theater vor dem Ausflug endlich eine fröhliche, unbekümmerte Stimme zu hören. Er rief zurück, daß er sich freute. Dann sah er noch Jeanne, die bei ihrer Mutter stand. Auch sie trug gerade neues Leben in sich. Doch es machte ihr wohl wenig aus, obwohl man es ihr nun doch leicht ansehen konnte.

"Ups, mußt du heute nicht arbeiten?" Fragte Julius, nachdem er Jeanne durch ein Nicken begrüßt hatte.

"Heute arbeiten nur die, die freiwillig den Besuchern was bieten wollen. Monsieur Graminis hält die Stellung im Laden. Madame Graminis hilft Barbaras Mutter bei der Dekoration im Musikpark."

"Kommen noch welche von euch, oder wollen die mit Professeur Trifolio gehen?" Fragte Madame Dusoleil.

"Weiß ich nicht genau", sagte Julius. Da kamen gerade die Latierre-Zwillinge und Millie um eine Biegung vor dem Haupteingang gelaufen. Belisama knurrte wie Goldschweif, wenn sie wen nicht leiden konnte. Camille sah die drei Mädchen an. Millie wirkte leicht angestrengt. Ihr Gesicht war leicht gerötet, und auf ihrer Stirn perlten ein paar Schweißtropfen. Offenbar war sie mit ihren Cousinen sehr schnell gelaufen.

"Ah, schön, wir möchten noch mit", keuchte Mildrid leicht abgehetzt. Camille Dusoleil nickte und lächelte die drei an.

"So ein anhängliches Aas", fauchte Belisama. Julius fragte sich gerade, ob er ihr da zustimmen oder ihr widersprechen sollte. Er entschied sich für die klügere Möglichkeit, nämlich gar nichts zu sagen. Aber irgendwie fand er es langsam interessant, wie Millie immer noch versuchte, in seiner Nähe zu bleiben. Oder wollte sie echt nur eine Führung durch die grüne Gasse mitmachen.

"So, wir haben jetzt zwanzig Leute zusammen", sagte Madame Dusoleil. "Das genügt für eine Gruppe, die wirklich interessiert ist. Ich wünsche allen einen schönen guten Morgen!" Alle in der Gruppe, die paar Erwachsenen und die Beauxbatons-Schüler grüßten locker zurück. "Mein Name ist Camille Dusoleil. Ich bin die oberste Wärterin der grünen Gasse, der in Frankreich einzigartigen Anlage für magische Pflanzen und Pilze außerhalb akademischer Einrichtungen. Ich freue mich, daß Sie und ihr zu dieser frühen Stunde hergekommen seid, um die hier lebenden Zauberpflanzen zu besichtigen, deren Zucht und Hege mich und meine Mitarbeiter immer gut bei der Arbeit aber auch bei guter Laune hält. Ich bedanke mich bei Ihnen, die Sie durch Ihre Geldspende die leider aufkommenden Finanzen aufbessern helfen wollten. Die Jungen und Mädchen von der Beauxbatons-Akademie mögen ihrer Schulleiterin bitte ausrichten, daß ich Ihr sehr zu Dank verpflichtet bin, daß sie unsere Jubiläumsausstellung mit ihrer großzügigen Spende unterstützt hat. Zunächst ein paar Grundinformationen zur Grünen Gasse: Sie wurde im Jahre 1507 von Lydia Eauvive und Henri Gaspard zunächst als Gewächshauszeile für den allgemeinen Bedarf errichtet und erfuhr im Jahre 1517 eine Ausdehnung auf acht Morgen. auf dieser Grundfläche, die zunächst nur mit kleineren Glashäusern und üblichen Kulturbäumen besetzt war, blieben die Gartenanlagen bis 1562, bis jemand, der hier zwar viel angestellt hat aber nicht so gern genannt wird eine Erweiterung der Anlage auf 20 Morgen und die Aufstellung von größeren Gewächshäusern verfügte. In den Gewächshäusern wurden ab diesem Zeitraum auch alle Zauberpflanzen und Pilze aus anderen Teilen der damals bekannten Welt gezogen. Mehrere Alleen erlaubten Spaziergängern im Schatten zu flanieren. Um 1650 wurde die Gartenanlage auf die reine Nutzanwendungsfläche von vierzehn Morgen zurückgeführt. Die reinen Baumzeilen wurden durch Umpflanzungen gleichmäßig über das Dorf verteilt. Jedoch blieben alle Gewächshäuser anderswo wachsender Pflanzen erhalten. Wer aber einfach nur so spazierengehen möchte kann dies weiterhin tun, da einige kleinere Baumgruppen mit den Freiluftpflanzen zum Verweil ohne Lernzwang einladen. Zur 500-Jahr-Feier von Millemerveilles am fünfzehnten März 1747 wurde das Tundrahaus für Zauberpflanzen und -pilze aus kaltgemäßigten Breiten eingeweiht, das zusammen mit dem Nordpflanzenhaus in der Beauxbatons-Akademie das einzige derartige Gewächshaus südwesteuropas ist. Somit werden wir eine Gartenanlage besuchen, die in ihrer jetzigen Form seit zweihundertfünfzig Jahren besteht. Das nur für die Damen und Herren, die gerne handfeste Zahlen und Fakten erfahren möchten. Alle anderen mögen einfach die grüne Wunderwelt genießen, die neben vielen anderen Attraktionen so herausragend für Millemerveilles ist. So, dann wollen wir mal! Wir gehen zuerst in die Freiluftbereiche, wo die Zauberpflanzen gemäßigter und mediteraner Breiten neben üblichen Kulturpflanzen gehalten werden."

Julius blieb Camille Dusoleil dicht auf den Fersen. Belisama rang wohl darum, sich bei ihm unterzuhaken, um Millie auf Abstand zu halten, die sich während Camilles kurzer Ansprache still und leise an ihn herangepirscht hatte, aber noch einen sittsamen Abstand einhielt.

"Warum wolltest du den Namen Sardonias nicht aussprechen?" Fragte Julius Camille auf gedanklichem Wege.

"Ihr Name fällt nur bei rein geschichtlichen Sachen, Julius. Viele französische Hexen und Zauberer fühlen sich sehr verstimmt, wenn sie ihn hören", mentiloquierte Camille zurück. Julius schwieg in jeder Hinsicht dazu. Schließlich hatte er vor nicht alll zu langer Zeit erfahren müssen, daß Sardonias Erbe lebendiger war als den meisten hier lieb sein mochte. Da sie ein Jahrhundert mit eiserner Hand die französische Zaubererwelt regiert und alle Zauberer und Muggel unterjocht gehalten hatte verstand er, daß viele ihren Namen nicht nennen wollten, wenngleich er selbst das für Unsinn hielt, einen Namen nicht mehr zu nennen und damit mehr Angst vor dem Namensträger oder der Namensträgerin zu schüren.

Nach der Einführungsrede schaltete Madame Dusoleil auf einen beschwingteren, farbigeren Sprechstil um und beschrieb die Pflanzen mit Worten, wie sie eine Märchenerzählerin oder Dichterin wählen würde, aber keine Wissenschaftlerin. Manchmal machte sie sogar Witze, wie bei den Ohrenblattbäumen, wo sie die heilenden Eigenschaften der Früchte beschrieb und davor warnte, zu viel der Früchte zu essen, weil einem davon so große Ohren wachsen würden, daß man damit das Knirschen jedes wachsenden Grashalms hören und beim kleinsten Windstoß vom Boden abheben würde. Die Latierre-Zwillinge lachten darüber und fragten, ob man damit dann auch ohne Besen fliegen könne.

"Ich habe es noch nicht ausprobiert. Hier wächst alles zu üppig, um mir den Lärm anzutun", entgegnete Madame Dusoleil. Ein älterer Zauberer, der wohl mit seinen unter elf Jahre alten Enkelsöhnen den Festtagsausflug machte wirkte leicht ungehalten. Offenbar hatte er eine etwas nüchternere Führung erwartet. Doch seine Enkel amüsierten sich.

"Wachsen da Alraunen drin?" Fragte eine Hexe, die einen amerikanischen Akzent sprach, als sie vor dem Gewächshaus standen, an dessen Tür das Schild mit einem durchgestrichenen Ohr hing.

"Ja, da sind gerade zwanzig halbstarke Alraunen drin und fünf Paare, die schon zum achten Mal Nachwuchs abgesetzt haben. Wie Sie an dem Schild sehen wird gerade mit ihnen gearbeitet. Hineinzugehen wäre also lebensgefährlich." Sie spähte hinein, wo zwei ihrer Mitarbeiter sich mit einer pummeligen, hellgrünen Pflanze abmühten, die so groß war wie zwei Wassermelonen und wie eine Verschmelzung aus einer Frau und einer Salatgurke mit roten Blättern auf dem Kopf aussah. Julius betrachtete das Alraunenweibchen und fragte, ob die da gerade wieder befruchtete Samen in sich hatte.

"Neh, die ist im moment nicht schwanger", sagte Camille. Die soll nur in einen stabileren Topf gesetzt werden. Wenn eine weibliche Alraune zum achten Mal Junge gekriegt hat wird sie mürrisch und tobsüchtig. Wenn sie in üblichen Töpfen gehalten wird kann sie ihre Behausung zerstören und krabbelt dann solange draußen rum, bis der Wassermangel sie auf die Größe einer Mohrrübe einschrumpfen läßt. Erst dann stirbt sie ab, wenn sie vorher nicht eingefangen und in einen stabileren Topf gesetzt wird."

"Wie oft kann denn so'ne Alraune Babys kriegen oder wie das heißt?" Fragte Callie.

"Ich habe schon zwölf Nachzuchten einer Mutterpflanze hinbekommen. Meine ehrenwerte Kollegin Madame Champverd hat sogar schon zwanzig Nachzuchten mit derselben Mutterpflanze erreicht. Aber dann ist damit schluß, weil die Nachkommen danach nur noch kümmerlich werden und durch ihren eigenen Schrei zerplatzen wie Fallobst. Meine in Australien lebende Kollegin Aurora Dawn hält gerade vier Zuchtpaare, die bereits zehnmal Nachwuchs produziert haben."

"Gerechnet in Menschenjahre wäre so'ne Alraunenmatriarchin ja vierhundert Jahre alt", staunte die Hexe mit dem Amerikanischen Akzent. Julius fragte sich, warum sie das nicht wußte. Hatte die etwa nicht bei Professor Verdant Kräuterkunde gehabt? Oder nahm Professor Verdant keine Alraunen im Unterricht durch?

"Ah, jetzt haben sie sie ordentlich eingesetzt. Hinein können wir jedoch nicht, weil da noch andere ungemütliche Pflanzen wohnen", sagte Camille. Julius dachte an den ersten Besuch im Alraunenhaus, zusammen mit Claire und später noch einmal mit den Hollingsworth-Zwillingen und Aurora Dawn. Wie war er damals aufgeregt, echte Alraunen zu sehen zu kriegen, nicht nur das, was die Muggelbotanik als solche bezeichnete. Auch das war eine dieser schönen Erinnerungen, die im Moment jedoch eher seine Stimmung trüben konnten. Camille schien das zu merken oder genauso zu fühlen. Sie wandte sich ihm zu und nickte sacht. Dabei lächelte sie aufmunternd als wollte sie sagen, daß er nicht allein war und keine Sorgen haben mußte. Jeanne sprach gerade mit Callie, die zu gerne in das Gewächshaus rein wollte.

Nachdem sie alle interessanten Pflanzen besichtigt und die Springschnapper gefüttert hatten sammelten sie sich am Ausgang der Anlage.

"Ich hoffe, der Besuch hat euch und Ihnen gefallen und gezeigt, daß Zauberpflanzen keine dröge Angelegenheit sind und genug drauf haben, um das Leben richtig schön zu machen, aber zum Teil auch mit sehr viel Vorsicht behandelt werden müssen, wodurch jede Langeweile vertrieben werden kann. Ich hoffe, es hat euch und Ihnen gefallen. Falls jemand noch Fragen hat, ich bin ganz Ohr."

"Betrachten Sie die Magische Kräuterkunde als eine Art Spiel oder doch als Wissenschaft?" Fragte der ältere Zauberer, dessen Enkel sich besser amüsiert hatten als er.

"Das Wissen über die Pflanzen ist ein aufwändiges Studienfach und damit eine Wissenschaft für sich. Damit dann praktisch umzugehen ist eine Herausforderung, die meiner Auffassung nach nur bestanden wird, wenn neben dem reinen Wissen auch die Freude an der Arbeit vorhanden ist. Sonst kann das einem sprichwörtlich über den Kopf wachsen." Alle lachten, bis auf den älteren Zauberer. Dieser schüttelte mißbilligend den Kopf und fragte, ob es auch Einzelführungen gebe.

"In den nächsten Tagen ist hier viel los, Monsieur. Aber falls Sie anfang April Zeit finden kann ich gerne eine Fachvorführung vormerken", sagte Madame Dusoleil ruhig. Offenbar machte es ihr nichts aus, daß einer ihrer Zuhörer nicht zufrieden war, oder sie ließ es sich nicht anmerken.

"Sie können ja auch fragen, ob unser Kräuterkundelehrer, Professeur Trifolio sie bei einer Führung mitnehmen kann", warf Callie Latierre ungefragt ein. Madame Dusoleil sah sie erst verdutzt an und grinste.

"Ich fürchte, da hätte eure Schulleiterin was gegen", sagte Madame Dusoleil.

"Trifolio ist in Millemerveilles? Dann werden ich sehen, ihn zu sprechen", sagte der ältere Zauberer und trieb seine Enkel an, ihm zu folgen, ohne das er oder die beiden sich bei Madame Dusoleil für die Führung bedankt hätten.

"Oh, da hat's jemand eilig", bemerkte Camille dazu, als der Besucher außer Hörweite war. alle anderen lachten amüsiert. "Ich hoffe, euch und Ihnen hat meine Führung sehr viel Spaß gemacht und eine Menge nützliches Wissen gebracht."

"Ja, Madame Dusoleil, hat es. Danke schön", bestätigten einige der Erwachsenen und dann auch die Beauxbatons-Schüler. Einige wollten dann wissen, wo es zum Geschichtsmuseum oder den Schattenhäusern ging. Camille gab umfassend Auskunft. Da kamen Patricia Latierre und die ganzen muggelstämmigen Erstklässler aus dem roten und grünen Saal anmarschiert.

"Machen Sie jetzt Pause, Madame?" Fragte Julius und sah auf seine Uhr. Es war jetzt halb zehn. Die Zeit war doch sehr rasch verflogen.

"Eine Viertelstunde zum Trinken und die Beine ausschütteln, Julius. Was machst du jetzt?"

"Hmm, ich weiß nicht, ob ich jetzt erst einmal rumgehe und sehe, was sonst noch alles los ist oder in den Tierpark oder ins Geschichtsmuseum. Wenn Professeur Pallas eine Führung da durch macht wird's bestimmt genauso abwechslungsreich wie bei Ihnen."

"Vielen Dank für das Kompliment", sagte Camille und lächelte.

"Hattest du dich mit den jungen Damen für den ganzen Tag verabredet?" Fragte Jeanne. Belisama und Millie sahen sie etwas argwöhnisch an. Julius meinte ruhig:

 

"Nein, hatte ich nicht. Wieso?"

"Dann hätte ich dich mal eben zum Stadion geflogen. Bruno spielt mit den Mercurios um zehn Uhr sechs gegen sechs ohne Sucher. Im Musikpark gibt's Akrobaten, verschiedene Musiker und Karussells und ab Mittag Musik und Tanz unter freiem Himmel bis heute abend um sechs Uhr. dann hält Madame Delamontagne eine Rede zum Jubiläum, falls sie da nicht gerade mit familiären Sachen beschäftigt ist. Danach tritt Hecate Leviata auf. Der Auftritt geht von sieben Uhr bis bis keiner mehr zuhören will."

"Ihr habt Karussells?" Fragte Julius, als habe er den letzten Teil nicht gehört.

"Warum nicht?" Fragte Jeanne. "Papa hat daran mitgebaut."

"Das ist doch kindlicher Kram", knurrte Belisama. "Was bringt das schon, sich immer im Kreis rumwirbeln zu lassen?"

"Adrenalin, die körpereigene Aufputschdroge", warf Julius ein. Millie nickte zustimmend.

"Dein Vater hat echte Jahrmarktskarussells aufgebaut? Da möchte ich auch hin. Aber Bruno wollte ich auch sehen, und Janine und César. Wie lange spielen die?"

"Bis sie alle Besen kaputt haben", entgegnete Jeanne mit einem Ist-nicht-so-gemeint-Lächeln. Dann sagte sie: "Um eins mache ich für meinen Süßen das Essen. Dann sollte er genug Hunger haben, um mal eben nach Hause zu kommen. Um drei spielen sie dann wohl weiter. Janine wollte heute ins Tor gehen."

"Die als Hüterin?" Grinste Millie. "Das will ich sehen. Kommst du mit, Julius?"

"Neh, ich gehe erst zu den Musikern und Karussells. War lange nicht mehr auf 'ner richtigen Kirmes."

"Jungs halt", knurrte Belisama. Camille sah sie aufmunternd an und meinte, sie würde im Musikpark bestimmt auch was für große Mädchen finden.

"Ich gehe zu dem Basar am Zentralteich, von dem Gloria mir erzählt hat. Vielleicht finde ich da was schönes wie das golden durchsichtige Schleppenkleid, das Gloria sich zugelegt hat."

"Oh, ohne Madame Arachne da eine Kundin zu vergraulen möchte ich dir nur sagen, daß das nicht billig ist, und je weniger davon noch übrig sind desto mehr will sie haben."

"Ist doch Basar. Kannst du handeln!" Meinte Julius zu Belisama.

"Genau, du lächelst Madame Arachne mit deinem honigsüßen Lächeln an und bittest sie so lange, bis sie dir eins dieser Kleider für zwei Sickel läßt", feixte Millie. Belisama schnaufte nur, sagte aber nichts. Sie wandte sich Julius zu und fragte ihn, ob er echt Lust auf Karussellfahren habe.

"Ich muß meine Körper-Augen-Koordination im passiven Flugmodus trainieren, damit ich am Samstag flexibel genug gegen die Gelben anfliegen kann", erwiderte Julius kühl. Millie grinste verschlagen. Dann meinte sie:

"Wir haben ja die Armbänder. Schwester Florence hat uns nicht verboten, uns damit zu rufen. Wenn du zum Stadion willst zitter mich an!"

"Das könnte dir so passen", knurrte Belisama. "Ich will nachher in die Schattenhäuser, wenn ich raushabe, wann Professeur Faucon dort eine Sonderführung macht. Ich denke, daß ist bestimmt interessanter für dich, Julius. Also zitter mich an, falls du die Karussellfahrerei satt hast!"

"Ja, oder wenn sie jemanden braucht, der ihr bei dem hauchzarten Goldkleid aushelfen muß", versetzte Millie. Jeanne nahm Julius bei Seite und mentiloquierte:

"Ist das wegen dir, daß die beiden so zickig sind?"

"Das fürchte ich", mentiloquierte Julius zurück. Darauf sagte Jeanne für alle hörbar:

"Also, Julius, ich apparier mit dir im Musikpark. Madame Matine ist wohl noch bei Madame Delamontagne. Die kann mich also nicht ausschimpfen."

"Nur dann, wenn ich Brunos Baby mit nach Beauxbatons zurücknehme", erwiderte Julius. Jeanne kniff ihm in die Nase, umarmte ihn so schnell, daß weder ihre Mutter noch die beiden Mädchen aus der vierten Klasse darauf gefaßt waren und warf sich mit ihm in eine Apparition. Julius fühlte dieses Einzwengen in einen pechschwarzen Gummischlauch, das für einen langen Moment seine Sinne belastete. Dann standen sie auf einer grünen Wiese, und von nahe und fern klangen Melodien von unterschiedlichen Instrumenten.

"Hast du Viviane jetzt bei dir?" Fragte Janne und befühlte erst Julius' und dann ihren Bauch. Sie schüttelte den Kopf. "Das geht auch gar nicht. Ist nur Geschwistern oder Cousinen passiert, die wegen ihres gleichen Geschlechts und der Blutsverwandtschaft einen Austausch erlebt haben. Sonst hätte ich mein Baby längst schon bei Bruno untergebracht, damit er merkt, wie das ist, von jemandem getreten zu werden oder wie sich jemand mal eben mit deinem Magen umdreht. Was hast du Millie oder Belisama versprochen, daß die beiden sich die Krallen entgegenstrecken?"

"Gar nichts, Jeanne. Mit Belisama konnte ich halt immer gut über Schulkram reden und mit Millie über ihre Familie und meine Mutter, weil die doch jetzt auch gegen deine Schwiegergroßtante Schach spielt."

"Jaja, meine Schwiegergroßtante", grinste Jeanne. "Die dich zu einem Adoptiv-Latierre gemacht hat, wo deine Mutter dabeisaß. Moment, Maman fragt, wo ich dich abgesetzt habe." Sie konzentrierte sich einige Sekunden und sagte dann: "Mein Vater ist auf dem Basar und verkauft da die mitnehmbaren Sachen, wie die Zauberlaterne, die du für Claire gemacht und ihm die Vertriebserlaubnis gegeben hast. Könnte sein, daß du heute abend um einige Dutzend Galleonen reicher nach Beaux zurückkehrst." Er nickte verhalten. Da zitterte sein Pflegehelferarmband.

"Es dürfen Wetten angenommen werden, ob Mademoiselle Latierre, Mildrid oder Mademoiselle Lagrange, Belisama mich zu sprechen wünschen", scherzte Julius. Jeanne sah ihn so ernst an wie damals, wo sie von ihm wissen wollte, ob was zwischen ihm und Claire sei. Das verblies seine Frechheit. Er legte den linken Zeigefinger auf den weißen Stein und sah ... Sandrine Dumas' räumliches Abbild erscheinen.

"Die Wette hättest du also so oder so verloren", raunte Jeanne und trat einige Schritte zurück.

"Hallo, Julius, warst du in der grünen Gasse?"

"Ja, war ich, Sandrine. Jetzt bin ich im Musikpark. Da soll es richtige Karussells geben. Bin lange nicht mehr auf sowas gefahren."

"Du fliegst doch den Ganymed 10. Da brauchst du doch keine Karussells mehr", wunderte sich Sandrine. Julius nickte verhaltenund warf ein, daß das für Muggelkarussells gelte und er nun wissen wolle, ob Zaubererkarussells nicht doch was anderes sein.

"Hmm, könnte sein. Ich kenne ja keine Muggelkarussells. Bist du zu Fuß in den Park gegangen oder hat dich wer geflogen?"

"Jeanne hat mich gebracht", sagte Julius unverbindlich.

"Ja, gut, dann sieh dich mal um. Ich komme dann auch dahin, wenn ich die Kleinen aus meinem Saal zum Zentralteich gebracht habe."

"Dann sieht man sich da", sagte Julius. Sandrine nickte. Die Bild-Sprech-Verbindung erlosch.

"Gérard war gestern hier", sagte Jeanne, obwohl sie wußte, daß Julius das wußte. Er nickte beiläufig. "Wahrscheinlich möchte sie gerne mit wem zusammen durch das Dorf."

"Sie will ja herkommen, hast du mitbekommen. Ich kuck mir mal an, was dein Vater für Höllenmaschinen hingestellt hat und höre mir an, was eure Musiker hier so spielen. Gehst du zu dir nach Hause?"

"Ich gehe wieder zu Maman. Womöglich kann ich eine eigene Führung machen. Ich kenne ja alle Pflanzen da auswendig."

"Okay, Jeanne, dann bis ... irgendwann heute noch", sagte Julius. Jeanne erwiderte seinen Gruß und disapparierte.

Julius wurde nicht enttäuscht, als er an einem großen Platz vorbeikam, wo mehrere skurile Gerüste und Konstruktionen aufgebaut waren. Er hörte Leute zwischen Freude und leichtem Unbehagen schreien und sah, daß einige der großen Geräte um mehr als zwei Achsen rotierten. Er sah eine gigantische Schiffschaukel, die einem echten Dreimaster aus der Segelschiffzeit nachempfunden war und "Wilde Wogen" hieß. Es schwang mindestens hundert Meter aus und tat zwischendurch sogar große Hüpfer. Einmal legte es sich fast neunzig Grad nach rechts und dann wieder nach links. Er hörte keinen Laut einer Mechanik. Auf Muggel-Jahrmärkten hatte er immer das Summen und Zischen des elektrohydraulischen Antriebs gehört. Doch das Fahrgeschäft hing an keinem sichtbaren Getriebe. Er sah etwas, das er erst für ein klassisches Kettenkarussell hielt, bis er sah, daß die Fahrgäste nicht in Korbsitzen an langen Ketten hingen sondern Gurte um Brustkorb und Hüften trugen, die Fallschirmspringergurten nur ohne Fallschirmpaket glichen und ansonsten frei durch die Luft schwirrten, immer rund herum. Dabei konnten sie sich sogar um ihre Querachse drehen.

"Nur für Fahrgäste über zwölf Jahren zugelassen. Schwangeren und Herzkranken, Höhenangstkranken und Trägern von Zahnprotehsen wird dringend abgeraten", stand auf einem Schild mit meterhohen Buchstaben, das über dem Kassenhäuschen hing.

"Also, das teste ich jetzt", beschloß Julius und ging mutig zum Kassenhäuschen. Der Zauberer, der darin saß war ihm bekannt. Es war Sandrines Vater.

"Ach, Julius. Möchtest du Florymonts Freiwirbel ausprobieren? Ich hoffe, Schwester Florence macht dich dafür nicht runter."

"Ich bin Quidditchspieler und fit genug, hoffe ich. Wieviel kostet das, Monsieur Dumas?"

"zehn sickel."

"Nicht gerade für'n apfel und'n Ei", meinte Julius und holte seinen Geldbeutel hervor, dem er eine Galleone entnahm und dem Verkäufer hinlegte. "Aber echter Spaß ist das mir wert."

"Gut. Dann verstau am besten alle losen Gegenstände so, daß nichts wegfliegt! Die Runde ist gleich zu ende", sagte Monsieur Dumas. Julius nickte. Als er das Wechselgeld im Geldbeutel versenkt und diesen in einer verschließbaren Innentasche seines Umhangs verstaut, seinen Zauberstab im Gürtelfutteral ordentlich befestigt und die Trageschnur seines Brustbeutels straff gezogen hatte wartete er darauf, daß die frei herumwirbelnden Besucher landeten. Zuerst sah es so aus, als würden sie in der Luft stehenbleiben. Dann fielen sie laut schreiend an die zwanzig Meter nach unten, um kurz vor dem lackierten Pressholz der Plattform wie auf einem großen, unsichtbaren Luftkissen zu landen und dann die letzten zwei Meter sanft herabgelassen zu werden. Einige Hexen und Zauberer eilten hinzu und halfen den Besuchern aus den merkwürdigen Gurten, die an nichts befestigt zu sein schinen. Julius bestieg die Plattform und zeigte den von Monsieur Dumas erhaltenen Kartenschnipsel vor, wie er es auch auf Muggel-Jahrmärkten oft genug gemacht hatte, als er zu alt für harmlose Kinderkarussells war und sein Vater zu alt war, um ihn auf alles zu begleiten. Ein Zauberer legte ihm den Schultern, Brust und Taille umschließenden Gurt an. Zog ein extragepolstertes Stück Leder zwischen seinen Beinen durch, das er mit einem Zauberstabstubser bombenfest am gurt festmachte. Der Umhang konnte nun nicht wild herumflattern.

"Na, Angst vor dem eigenen Mut?" Wurde er gefragt.

"Ich hab's mir angesehen und komme damit klar", sagte Julius lässig. Über sich sah er nichts. Er trat einige schritte vor und zur Seite ... kein Seil, keine Kette zog ihn zurück.

"Also diese Zauberei muß ich auf jeden Fall lernen", dachte er.

"So, liebe Fahrgäste. Eine neue Runde zu dieser Stunde auf Freiwirbel, der Herausforderung für alle abgehärteten und Wagemutigen", dröhnte Monsieur Dumas' Stimme magisch verstärkt über die Plattform. Dann erscholl eine große Glocke, die jedoch niemand sehen konnte. Ohne Vorwarnung warf Julius etwas nach oben und bugsierte ihn in eine aufrechte Haltung. Dann begann er, erst über der Plattform und dann immer weiter nach außen treibend zu kreisen. Dabei blies ihm ein immer stärker werdender Fahrtwind ins Gesicht und fauchte in seinen Ohren. Er fühlte, wie er immer höher stieg und dabei immer weiter nach außen trieb, obwohl er doch an keiner Kette hing. Es ging immer schneller aufwärts und dann, als Julius schon meinte, er habe die Höchstgeschwindigkeit erreicht, nahm die Bewegungskraft noch einmal zu, wobei er nicht mehr nur kreiste, sondern auf und abhüpfte und dabei unwillkürliche Salti und Schrauben machte. Dabei flog er den anderen Fahrgästen gefährlich nahe, fürchtete für einen Moment, mit einem zusammenzustoßen, schlug einen Rückwärtssalto, um dann in Bauchlage nach innen gezogen zu werden, um dann wie von einer Schleuder davongeschnellt an einer Reihe anderer laut schreiender Fahrgäste vorbei nach außen zurückkatapultiert zu werden. Er hörte seine eigenen Schreie, fühlte sein Herz immer schneller schlagen, während er ohne es zu wollen über andere hinwegund unter ihnen hindurchsauste.

"Geniales Astronautentraining!" Rief er, als er auf eine Gruppe johlender Mitreisender zuflog und seinen von Wind und Fliehkraft wohl getrübten Augen nicht traute, als er Martine Latierre zu erkennen glaubte, die in einem ähnlichen mattblau glänzenden Gurtesystem wie er hing, ohne wirklich zu hängen. Er fragte sich, warum Martine sich sowas antun würde, wo sie eigentlich doch nichts vom unnötigen Fliegen hielt. Dann fiel ihm wieder ein, daß sie sehr waghalsige Besenmanöver geflogen war, als die letzte Walpurgisnacht in Beauxbatons gefeiert wurde. Er wollte ihr schon zurufen, wie ihm das hier gefiel, als ihn etwas einfach nach oben und dann quer über die herumwirbelnden Passagiere davontrieb, so daß er plötzlich rückwärts weiterflog. Langsam grüßten ihn Magen und Darm, fühlte er Schmerzen in seinem Nacken, weil er die Muskeln so stark anspannte, um seinen Kopf nicht wild herumschlenkern zu lassen. Dann drehte ihn etwas in einer Hundertstelsekunde um seine Längsachse, so daß er wieder vorwärts dahinsauste. Dann geschah das, was er von unten her schon gesehen hatte. Die rasende Kreisbewegung ließ nach, immer mehr. Doch er verlor keinen Meter an Höhe. Er glitt nur in Richtung der Plattform.

"Fünf - vier - drei - zwei ... Uuaaaaaaah!!!" Er hatte seinen Countdown nicht bis Null zählen können. Denn übergangslos fiel er in die Tiefe, raste scheinbar unhaltbar der Erde entgegen, dachte eine Hundertstelsekunde, er würde gleich auf der Plattform aufschlagen und ... Da meinte er, ein elektrisches Feld dringe in seinen Körper ein und betäube alle Bewegungssinne. Er sah die Plattform unter sich hängen und für einen Moment zittern. Dann glitt er sanft wie in einem Aussichtsfahrstuhl nach unten, bis er wieder festen Boden unter den Füßen fühlte. Die Fahrt auf diesem magischen Folterinstrument war vorbei.

"Zum Aufwärmen ganz gut", sagte er eher zu sich selbst, als er mit leicht zitternden Knien und bibberndem Körper dastand. Die Nerven mußten sich wohl erst an die solide Bodenhaftung gewöhnen. Der Zauberer, der ihm vorhin in das Fluggeschirr geholfen hatte kam jungenhaft grinsend herbei und stubste mit dem Zauberstab gegen die Schließe für das Unterleibspolster.

"Na, die Art zu tanzen kanntest du noch nicht, nicht wahr?"

"Absolut nicht", erwiderte Julius. "Aber die Sache war's wert. Dagegen ist ein Besenflug ja doch noch etwas behäbiger."

"Am besten gehst du ganz langsam, damit dein Gleichgewichtssinn sich wieder an die Normalbewegung anpassen kann! Ich habe schon Leute erlebt, die nach dem Wirbel meinten, schnell weglaufen zu müssen und nach dem ersten Schritt auf die Nase gefallen sind.

"Hallo, Julius. Habe ich also doch richtig gesehen", grüßte Martine Latierre den wagemutigen Viertklässler. Dieser wandt sich um, als das bezauberte Geschirr ganz von ihm gelöst war und ging auf Millies große Schwester zu.

"Wußte nicht, daß du heute auch hier bist", grüßte er Martine.

"Dabei habe ich das Millie gestern geschrieben, als sie Maman und Papa über ein Portrait mit Ableger bei uns mitgeteilt hat, daß sie am Donnerstag herkommt", sagte Martine. Dann begutachtete sie Julius, als müsse sie bestimmen, ob er noch in Ordnung war. Ihn ritt das Frechheitsteufelchen, daß ihn manchmal einfach so heimsuchte. Er sah Martine an, verzog etwas beunruhigt das Gesicht und raunte beklommen klingend:

 

"Ups, gehört das so, daß die zwei runden Teile am Bauch sitzen müssen?" Martine griff sich erst unwillkürlich an Bauch und Brust. Dann kniff sie Julius in die Nase und zischte:

"Du bist ein Lümmel. Das hat dir die alte Maman Beaux noch nicht ausgetrieben. Hast du mich doch glatt erwischt. Bin ich selbst schuld. Ohoho, wie das einen durchschüttelt."

"Öhm, 'tschuldigung! Aber wir haben gleich die nächsten Fahrgäste eingeschirrt", sagte der Zauberer, der Julius auf die Karussellfahrt vorbereitet hatte. Martine nickte, griff einfach so nach Julius' linkem Arm und nickte dem Zauberer zu.

"Danke für die Hilfe!" Sagte er noch, bevor Martine ihn von der Plattform hinunterführte. Er fühlte sich so, als habe er einen großen Krug von Madame L'ordouxes Honigwein auf ex leergetrunken. Martine schien die Wirbelei wesentlich besser weggesteckt zu haben als er. Denn sie führte ihn sicher, als bringe eine nüchterne Frau ihren volltrunkenen Mann nach Hause zu einer Bank in der Nähe eines Streicherquartetts, das sanft aber mit munterem Takt Lieder spielte.

"Sowas gibt's in der Muggelwelt nicht, oder?" Fragte sie ihn, als sie saßen und Julius' Gleichgewichtssinn sich endlich wieder einränkte. Er schüttelte den Kopf und sagte:

"Das da eben würde bei Muggelphysikern und -ingenieuren, also Maschinenbauern Schreikrämpfe auslösen, weil es sowas gar nicht geben dürfte. Aber herrlich war's schon. Da ist noch diese Schiffschaukel und diese Drehdinger, wo Leute in Gondeln sitzen. Aber das hier war schon das höchste."

"Das Schiff wollte ich gleich noch besuchen. Ansonsten hast du recht. Alles andere ist im Vergleich mit dem freien Wirbel behäbig, bis auf das Labyrinth der tausend Gesichter, habe ich mir von Barbara sagen lassen. Das ist voll was für Leute, die ihre Nervenstärke ausprobieren wollen. Wie Onkel Florymont das hinbekommen hat weiß ich nicht. Aber Jeanne meinte, für werdende Mütter sollten die einen Warnhinweis anschlagen."

"Klingt so, als müßte ich das heute noch ausprobieren", sagte Julius. "Hoffentlich hat Jeannes Vater keine schwarze Magie benutzt, um das zu machen."

"Das wollte mir Jeanne nicht erzählen", sagte Martine. Dann fragte sie danach, ob er mit Millie zusammen angekommen sei und ob er wisse, wo ihre Cousinen seien. Er erzählte es Martine, daß die drei mit Belisama und ihm bei einer Führung von Madame Dusoleil mitgegangen seien und Millie wohl jetzt im Stadion sei, während Belisama auf dem Basar sei.

"Vertragen die beiden sich gut oder ist das zwischen den beiden noch schlimmer geworden?" Fragte Martine.

"Zwischen wem, Martine?" Wollte Julius wissen.

"Achso, natürlich. Millie und Belisama."

"Was soll mit den beiden nicht in Ordnung sein?" Fragte Julius auf unwissend machend.

"Hmm, dann habe ich da wohl was zu ernst gesehen. Ich hörte von Madame Rossignol, daß die beiden wohl einen irgendwie gearteten Kampf austragen, ohne tätlich zu werden. Sie fragte mich, weil sie Maman nicht damit behelligen wollte, ob ich da mal nachhaken könne. Ausgerechnet ich", sagte Martine. "Also du hast von sowas nichts mitbekommen?" Sie sah Julius mit ihren rehbraunen Augen so durchdringend an, daß er schnell Occlumentie anwandte, ohne zu wissen, ob Martine ihn tatsächlich ausforschen konnte oder nicht. Doch in dem Blick lag eine solche Ernsthaftigkeit, daß er fühlte, daß er es nicht schaffen würde, die gerade etwas mehr als ein halbes Jahr im Erwachsenenleben stehende Hexe zu belügen. Er druckste herum, daß die beiden sich wohl nicht mehr sonderlich mochten, aber er nicht wisse, ob das für Mädchen in dem Alter nicht normal sei. Dann sagte er:

"Ich denke, deine Schwester hat einen Streit mit Belisama oder konkurriert mit ihr um was. Aber ich denke, daß legt sich, wenn die beiden merken, daß es sich nicht lohnt."

"Oder die eine oder andere kriegt, was sie will", versetzte Martine unvermittelt ernst. "Danke für die Information. Machen kann ich da zwar nichts. Aber ich weiß jetzt zumindest, daß die beiden sich nicht generell hassen. Das könnte nur passieren, wenn sie meinen, sie haben noch keine Entscheidung oder jemand anderes müsse sich endlich entscheiden." Julius fühlte, wie diese Worte tief in ihn eindrangen und nachhallten wie in einer gewaltigen Höhle. Martine vermutete doch nicht etwa -?

"Nun, das kann ich wohl nicht beurteilen. Wenn die sich um was zanken oder in einer Art Wettkampf sind, und ich weiß nicht um was es geht, kann ich denen nicht helfen", sagte er, um sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn ihre Worte berührt hatten. Sie sah ihn an und erwiderte ganz ruhig:

"Wenn du es mitkriegst, daß sie sich um wen zanken, dann hast du's auch in der Hand, darauf einzuwirken, und sei's das du beide gleichzeitig übers Knie legst."

"Dazu habe ich keine Lizenz", sagte Julius nun abgebrüht tuend. Martine lachte.

"Würde sich Millie auch nicht gefallen lassen, und Madame Rossignol würde dich in eine Bettpfanne verwandeln, wenn du eine andere Pflegehelferin verprügelst und damit ihre Fähigkeit, am Unterricht teilzunehmen beeinträchtigst."

"Neh, danke, das ist mir die Disziplinierung deiner Schwester nicht wert", versetzte Julius schroff.

"Das würde aber wirken", sagte Martine und lächelte dann. "Aber sowas würden meine Eltern und ich nicht von dir verlangen. Aber ich denke, du weißt schon, warum die beiden im Moment so neben der Spur laufen. Du willst es nur nicht wahrhaben, nicht wahr?"

"Wenn du mir jetzt sagen willst, daß deine Schwester immer noch hinter mir her ist ... das ist ein alter Hut", entgegnete Julius, der sich um einen unbeeindruckten, lässigen Tonfall bemühte, es aber wohl nicht so ganz schaffte. Denn immer noch sahen ihn diese beiden rehbraunen Augen voller Entschlossenheit an. Er sah es ein, daß dieses Mädchen, beziehungsweise diese erwachsene Hexe ihren Saalsprecherinnenstatus redlich verdient hatte. Er konnte sich sogar vorstellen, daß sie Deborah Flaubert mit diesem unerbittlich durchdringenden Blick angesehen hatte, als diese vor einem Jahr kurz vor Weihnachten nicht damit herausrücken wollte, was mit Constance Dornier los war.

"So lange du nicht anderweitig untergebracht bist wird sie nicht aufgeben, Julius. Ich habe das mit Edmond auch lange durchgezogen, bis er zu mir kam und meinte, es mit mir zu versuchen. Ich weiß also, wie das geht und bin sicher, daß Millie das im Blut hat und jetzt mit dir macht. Denn wenn sie jemanden anderen ausgeguckt hätte, dann hättest du wohl nichts davon mitbekommen."

"Ja, aber Belisama ...", entgegnete Julius, wohl wissend, daß er selbst nicht glaubte, was er gerade sagen wollte.

"War auch schon immer hinter dir her, Julius. Sie hat nur wegen Claire, ihrer Freundin, verzichtet. Aber ich habe es beim letzten Sommerball hier mitgekriegt und davor schon in der Akademie, daß sie durchaus noch Hoffnungen hegt. Dann hast du dich mit Claire auf magische Weise verlobt, was Belisama wohl hätte hinnehmen müssen. Doch jetzt, wo du für jede frei bist, sieht sie ihre Chance und will es wissen, auch auf die Gefahr hin, daß sie enttäuscht wird."

"Der beste Kampf ist der, den du nicht kämpfen mußt, hat mein Karate-Lehrer mir gesagt, als es um geistige Selbstkontrolle ging. Ich denke, das zwischen Belisama und deiner Schwester legt sich bald, wenn die echt meinen, sich wegen mir oder sonstwem in der Wolle haben zu müssen. Die sind beide Pflegehelferinnen und ..."

"Warum wohl?" Fragte Martine und brachte damit was zum Ausdruck, was Julius sich insgeheim immer gefragt hatte und wovon Claires Eifersucht nach den Sommerferien herrühren mochte.

"Jetzt sage bitte nicht wegen mir, Martine! ... Das hat Claire schon immer behauptet."

"Was für mich heißt, daß sie sich dessen ganz sicher war, ob jetzt aus Eifersucht oder sonstigen Motiven. Millie hat vor anderthalbjahren noch keinen Gedanken an die Pflegehelfertruppe verschwendet. Sie meinte zu mir, daß es doch zu stressig sei, mit der goldenen Brosche rumzulaufen und dann noch auf Kommando bei Schwester Florence anzutreten und Leuten Verbände anzulegen oder ihre Ausscheidungen wegzuputzen. Dann kam sie am Ende des letzten Schuljahres darauf, Tante Béatrice zu fragen, ob sie das von ihr lernen könne, wie magische erste Hilfe geht. Ich hörte von Seraphine, daß Belisama keinen Tag später ihre Mutter gefragt hat. Also geh mal davon aus, daß sie beide den selben Grund hatten, da einzutreten und sich die Strapazen anzutun und jetzt die Verantwortung zu tragen."

"Öhm, dann verstehe ich nicht, warum Millie, falls deine Theorie stimmt, nicht kurz nach Claires Beerdigung auf die Idee kam. Denn wenn du recht hast hätte sich der Aufwand ja irgendwann lohnen müssen."

"Weil sie wohl wußte, daß du in dieser Lage für niemanden zugänglich sein würdest. Wir Roten gelten zwar als unbeherrscht, merken aber eher als viele aus den anderen Sälen, für was jemand gerade empfänglich oder zu was er oder sie bereit ist. Und du warst eben noch nicht bereit, bis Weihnachten. Wenn ich das richtig mitkriege hat sich das zwischen Millie und Belisama wohl erst seit Weihnachten in die Richtung entwickelt, wie es jetzt aussieht." Julius nickte automatisch. "Dann gehe ich mal davon aus, daß es sich bis Walpurgis geklärt haben wird. Wem von euch dreien das vorher zu viel wird und deshalb auf eine Entscheidung hinauswill ist dabei unerheblich."

"Nehmen wir mal an, ich würde merken, daß mir Belisama eher liegt als deine Schwester. Würde die dann nicht meinen, noch weiter hinter mir herzujagen?"

"Nur wenn sie der Meinung ist, daß du es mit Belisama nicht ehrlich meinst und nur wen ausgesucht hast, um sie von dir abzubringen", sagte Martine. "Wie gesagt habe ich das mit Edmond auch so gemacht. Ich hätte aber damals vielleicht mehr denken als fühlen sollen, um zu erkennen, daß er die nötige Entschlossenheit nicht hat, den Weg auch zu ende zu gehen. Du hast diese Entschlossenheit."

"Woran machst du das bitte fest?" Fragte Julius:

"Daran, daß ich zwei ganz kleine Tanten habe, die ich vorgestern erst besucht habe. Die wären nie lebendig geboren worden, wenn nicht jemand ohne Rücksicht auf eigenen Schaden seine ganze Tagesausdauer und etwas mehr auf Oma Line übertragen hätte. Dann die Sache in Amerika, wo du dich darauf eingelassen hast, deinen Vater zu suchen und zu retten, die Sache im Ministerium, wo du dem amtierenden Zaubereiminister gegenübergetreten bist und nicht zuletzt die Tatsache, daß du dich mit Claire auf den Corpores-Dedicata-Zauber eingelassen hast, vor dem jeder andere in deinem Alter doch noch zurückgeschreckt wäre, weil er wortwörtlich verbindlich ist. Ich weiß nicht, was du in Hogwarts so gemacht hast. Aber Jeanne sagte mir, daß du nicht einmal versucht hast, dich vor der von Madame Maxime verhängten Strafarbeit zu drücken. Du hättest da ja zu Lasten deiner Hauskameraden die Strafarbeit verweigern können. Das zeigt mir, daß Sabine und Sandra doch recht hatten und der Teppich dich besser zu uns gesteckt hätte und du nur bei den Grünen gelandet bist, weil deine wahren Eigenschaften stark verkümmert waren."

"Ihr Roten habt den Heldenmut nicht gepachtet", knurrte Julius, dem der Vortrag nun doch etwas auf die Nerven ging.

"Von Heldenmut habe ich auch nichts gesagt, Julius. Ich meine die Fähigkeit, zu dem zu stehen, was du dir durch deine Taten eingebrockt hast."

"Deine Schwester hat mich mal gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, daß wir beide ..."

"Kann ich mir denken. Und du hast natürlich "ja" gesagt", erwiderte Martine unbeeindruckt. Julius hatte sie erschüttern und wütend machen wollen, damit sie nicht weiter auf ihn einredete. Doch sie blieb ruhig. Dann sagte sie auch noch: "Damit hast du ihr bestätigt, was sie gehofft hat, nämlich daß sie durchaus Chancen bei dir hat."

"Nein, sie meinte, ich würde dann ja nur auf große Mädchen stehen."

"Ich würde bestimmt nicht über sowas persönliches mit dir reden und so ruhig bleiben, wenn du mir erzählst, du hättest dir mit mir was vorstellen können, wenn uns beide im Château Tournesol nicht klargeworden wäre, daß wir durchaus was füreinander empfunden haben. Sonst hättest du nicht von mir und ich nicht von dir geträumt: Fluch hin oder her. Wenn ich mich am Abend vor Bines und Sans Geburtstag nicht so gut beherrscht hätte wärest du bei mir im Bett gelandet. Ich hätte da keine Probleme gekriegt, dich zu mir mit reinzunehmen, und zwar in jeder Hinsicht. Willst du wissen, warum ich diesem von Orions Fluch geschürtem Drang nicht nachgegeben habe?"

"Müssen wir das unbedingt hier unter freiem Himmel besprechen, wo in der Nähe Leute vorbeilaufen?" Fragte Julius.

"Solange sie laufen und wir uns nicht anbrüllen ist das hier so gut wie sonstwo. Also möchtest du es wissen?" Fragte Martine. Julius nickte. Jetzt wollte er es wirklich wissen.

"Das sie dich dafür dumm anmachen würden und ich nicht wollte, daß du nach der Sache mit dieser dunklen Kreatur nicht alle Freude am Leben verlierst, weil du denkst, von Frauen wie mir schamlos ausgenutzt zu werden. Ich wollte nicht, daß dir was passiert, nur weil ich dich damals wirklich gewollt habe."

"Einen Tag später hättest du mich wohl genommen", raunte Julius. Martine nickte. Dann mentiloquierte sie:

"Nur daß meine Tante Béatrice mir da zuvorkam."

"Millie hat mir angeboten, mich mit der zusammenzubringen", mentiloquierte Julius.

"Könnte ich mir denken, daß Tante Trice dir auch zusagt. Von der könntest du ja in jeder Hinsicht was lernen", mentiloquierte Martine zurück. Julius wunderte sich, wie gut die Verbindung zwischen ihm und ihr funktionierte. Aber das konnte an dem Vita-mea-Vita-tua-Ritual liegen. "Aber ich fürchte, dann hättest du nichts mehr zu lachen, Julius. Sie ist ziemlich zielstrebig und darauf versessen, ihre Sachen so gut es geht zu machen", gedankensprach sie weiter. "Die hätte von Catherine den Fürsorgeauftrag abgeluchst und dich zu sich ins Château geholt und da in ihrer Nähe behalten. Sei froh, daß du noch wählen kannst!"

"Sollte ich mich mit dir oder Millie einlassen könnte die mir doch auch ins Leben dreinreden", mentiloquierte Julius. Martine bejahte das, aber so, daß sie nur bedingt für ihn verantwortlich wäre. Dann sagte sie laut: "Aber ich merke, das ist dir zu viel auf einmal, und du bist nicht hier, um mit mir über dein Gefühls- und Liebesleben zu diskutieren. Ich bleibe zwar dabei, daß es mich schon was angeht, was meine bald nur mittelkleine Schwester anstellt und mit wem, und daß es im Moment so aussieht, als interessiere sie sich sehr stark für dich, darf dir aber keine Anweisungen erteilen. Ich denke, jetzt haben wir genug geredet. unser Gleichgewichtssinn ist wohl wieder erholt. Möchtest du mit mir auf das Schaukelschiff und dann in das Labyrinth?"

"Warum nicht?" Sagte Julius und stand auf.

Das Schiff war im Vergleich zum freien Wirbel harmloser. Dennoch fühlte Julius es immer im Magen, wenn es nach vorne hinabsank und häufig wilde Hüpfer machte und einmal nach links und einmal nach rechts Schlagseite bekam. Als sie endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatten zitterte Julius' Armband. Er stellte die Sprechverbindung her. Es war Sandrine.

"Ich bin jetzt auf dem Karussellplatz. Wo bist du gerade, Julius?"

"Ich bin jetzt gerade aus dem großen Schaukelschiff gekommen und will jetzt in eine Sache rein, die "Labyrinth der tausend Gesichter" heißen soll."

"Uhu, das Gruselding. Hat mir Béatrice schon erzählt, die da gestern drin war. Ah, ich seh dich. Öhm, bist du gerade mit Martine Latierre zusammen oder ist das eine ihrer Tanten?"

"Grüße sie schön und sage ihr, daß ich dann schwanger aussehen müßte", lachte Martine. Julius gab es weiter. Doch Sandrine hatte es gehört.

"Na, dann haben wir beide ja eine Anstandsdame. Ich komme sofort rüber."

Sandrine kam und zusammen suchten sie den Eingang ins Labyrinth der tausend Gesichter. Julius dachte an eine Art Spiegelkabinett, durch das sie laufen mußten. Tatsächlich handelte es sich aber wohl um ein Fahrgeschäft, bei dem die Passagiere einzeln in Kugelkabinen aus durchsichtigem Material einsteigen mußten und sich auf durchsichtige, mit Polsterungszaubern bequem gemachte Bänke setzen mußten. Dann klappte eine große Halbkugelschale zu und schloß ihn ein wie einen Astronauten in einer Raumkapsel oder einen Fisch in einem Aquarium. Dann hob die Kugel ab und glitt in etwa einem Meter Höhe in einen silbernen Tunnel hinein, in dem von innen her leuchtende Spiegel angebracht waren, aus denen ihm geisterhaft glühend sein Spiegelbild entgegenblickte. Doch das war nur der Eingang. Nach einem Linksschwenk ging es in ein gewirr von Gängen. Übergangslos tauchten vor ihm Gesichter auf, die ihm merkwürdig vertraut vorkamen. Julius meinte, seinen Vater zu sehen, der für einen Moment auf ihn zuflog und dann verschwand. Dann sah er einen Jüngling, der ihm selbst zum verwechseln ähnlich sah und dann jemanden, der wie sein unnatürlich schnell gealterter Vater aussah, als er ihn in Houston, Texas wiedergesehen hatte. Ein dämonisches Grinsen lag auf dem Gesicht des Greises, und Julius vermeinte, einen Alptraum zu durchleben. Doch das Bild verschwand wieder und machte einer anderen Erscheinung Platz, einem total überfetteten Mann, der so aussah wie eine überfütterte Version seines Vaters. Seines Vaters? Sie hatte nicht die Gesichtszüge seines Vaters, soviel konnte er durch die fülligen Wangen und das Kinn noch ausmachen. Sie sah aus wie ein Bruder seines Vaters oder von ihm selbst. Als er das dachte, verschwand das Bild wieder und wich einer Abscheulichkeit, die Julius nie wieder zu sehen gehofft hatte, schon gar nicht auf einem Rummelplatz: Ein Ungetüm mit einem gelb-schwarzen Chitinpanzer, vier wirbelnden Flügeln und sechs armdicken Gliedmaßen stürzte sich auf ihn. Um das Grauen für Julius noch zu steigern saß auf dem kurzen, dicken Hals sein eigener Kopf und glotzte ihn aus hellblauen Facettenaugen bösartig an. Als Julius schon zurückschrak und die Arme hochreißen wollte löste sich die Erscheinung in Nichts auf. Unvermittelt sah er eine Frau im weißen Kleid und feuerroten Haaren, die er ebenso nie gesehen zu haben wünschte. Sie lächelte ihn mit ihren makellos geformten Lippen verführerisch an, deutete dabei auf ihren Körper, der für einen endlos wirkenden Moment halb durchsichtig erschien. Julius sah darin eine verkleinerte, menschliche Gestalt, nackt und mit hellblonden Haaren, die sich wie unter Schmerzen wand und versuchte, aus dem Körper der Rothaarigen, der wie ein Gefäß der Qual war zu entschlüpfen, was jedoch nicht gelang. Julius erschauderte, als er sich selbst in dieser gefangenen Erscheinung erkannte. Als ihm das klar wurde verschwand auch diese grauenvolle Vision. Er zitterte. Würde das jetzt so weitergehen, daß dieses Karussell ein karussell des Grauens blieb? Die Kugel glitt nach rechts in einen anderen Gang hinein. Da flog Julius eine junge Frau, eher noch ein Mädchen im blaßblauen Beauxbatons-Schulmädchenkostüm entgegen. Die Erscheinung besaß langes, hellblondes Haar ... und seine Gesichtszüge. Schlagartig fiel ihm diese Erscheinung ein, die er in den von Marie Laveaus Geist erzeugten Visionen gesehen hatte. Kurz bevor die Erscheinung verschwand, färbte sich ihre Kleidung blütenweiß. Er starrte nach vorne, wagte nicht, die Augen zu schließen, weil er fürchtete, dann drängen die Bilder direkt in seinen Verstand ein. Die Kugel wirbelte nach links und glitt nach oben, durchraste weitere Gänge, wobei Julius weitere Visionen von sich selbst hatte, wie er mit unverhältnismäßig großem Kopf auf einem winzigen Körper aussah, sich selbst als Baby innerhalb einer Zehntelsekunde im Leib seiner Mutter verschwinden und ein Skelett in einem weinroten Festumhang sah, den, welchen er selbst gekauft hatte. Als die Kugel nach oben schnellte meinte er, Ausschnitte aus seiner Vergangenheit zu sehen, auch die vier Tage in Belles Körper, dann wie er zu einem roten Strahl zerfloss, der sich aufspaltete und zu zwei Babys mit rotblonden Haaren wurde, die glücklich dreinschauten, bevor sie sich zu einer pulsierenden, von innen her strahlenden Erscheinung von Ursuline Latierre verdichteten, die ihn anstrahlte, bevor sie verschwand, und dann lange nichts kam außer einem silbernen Gang, durch den die Kugel glitt. Dann sah Julius Claire, wie sie ihn anstrahlte, danach erst Ashtaria, die sich in Ammayamiria verwandelte, aus der wiederum sieben kleinere Versionen ihm vertrauter Wesen wurden, alle die jungen Mädchen von Claires Traumweltblumenwiese. Sie flogen um ihn herum und winkten ihm und verschmolzen zu einer unkenntnlichen, jedoch eindeutig weiblichen Körperform, die sich immer deutlicher ausprägte, jedoch vor der endgültigen Erkennung auflöste und wieder in sieben kleinere Wesen zerfiel, die alle blondes Haar mit einem leichten Rotstich hatten und mit seinen Gesichtszügen jedoch hellbraunen Augen zu ihm hochstarrten, bevor sie endgültig verschwanden. Dann sah er sich selbst als ausgewachsenen, atlletisch gebauten Mann in einem meergrünen Festumhang. Der Umhang erinnerte ihn an irgendwas, das er jedoch nicht fassen konnte. Dann sah er Goldschweif, die mit hoch erhobenem Schwanz auf ihn zusprang und ihn aus ihren smaragdgrünen Augen anstrahlte wie ein ihm freundlich gesonnener Mensch. Dann sah er sich auf einem fliegenden Besen, den großen Pokal in der Hand, die Medaille des besten Schülers um den Hals und die goldene Medaille für die beste Saalwertung und die goldene Saalsprechermedaille auf dem Bruststück des grasgrünen Quidditchumhangs. Dann flog die Kugel durch einen goldenen Funkenregen und sauste hinaus in die Halle, wo sie eingestiegen waren, senkte sich in eine Mulde nieder und kam zur Ruhe. Leise klirrend löste sich die vordere Halbkugel und schwang zurück, das sie mit der Kabine eine Einheit bildete. Julius stand leicht bedröppelt auf und trat bei Seite. Er suchte Martine und Sandrine. Doch diese waren noch unterwegs. Er wandte sich an den Zauberer am Verkaufsstand und fragte ihn, ob dieses Labyrinth auch wirklich nicht mit dunklen Mächten erschaffen worden war.

"Keine Sorge, eine schädliche Magie steckt da nicht drin. Aber wie genau das geht ist ein Betriebsgeheimnis", sagte der Zauberer. "Aber ich verstehe, daß die Bilder einen ziemlich mitnehmen."

"Das waren Bilder, die mir persönlich was sagen, ich aber nicht weiß, was. Wie geht sowas?"

"Wie gesagt, junger Mann, das ist ein Betriebsgeheimnis. Nur so viel: Wer durch das Labyrinth schwebt macht sich seine ganz eigenen Visionen."

"Habe ich gemerkt", erwiderte Julius erst schroff. Dann entschuldigte er sich. Er sagte: "Jedenfalls besser als jedes Spiegelkabinett oder jede Geisterbahn."

"Geisterbahn?" Fragte der Zauberer.

"Ja, eine Tunnelbahn wie das hier, nur das da künstliche Monster und Gespenster drin sind und Geräusche von sich geben oder Bewegungen machen, die gruselig wirken sollen."

"Oh, haben wir auch hier. Die Wirtschaft zum früheren Dasein, ein Gasthaus für Gewesene und Seiende. Monsieur Renard hat es mit einigen Leuten von der Geisterbehörde hingestellt und einige registrierte Geister, die vorher in Millemerveilles gelebt haben oder hier lebende Nachfahren hatten eingeladen, mit allen, die starke Nerven haben zu feiern. Allerdings ist das hier noch heftiger als ein Haus voller Geister."

"Na gut, muß ich jetzt nicht auch noch ausprobieren", sagte Julius. "Ihr Alptraumkarussell hat mir schon gereicht. Schöne Grüße an wen auch immer, der das gebaut hat!"

"Werde ich ausrichten", sagte der Zauberer. Da schnellte eine weitere Kugel heraus und gab Martine frei, die leicht fahl und dennoch merkwürdig glückselig aussah, als habe sie gerade im größten Grauen den glücklichsten Moment ihres Lebens empfunden. Sie stieg aus und kam zu Julius.

"Jetzt weiß ich, warum Jeanne das nicht aushalten wollte. Wenn da unbewußte Ängste und Gelüste hervorgespült werden. Das Ding hätte Seelenloter heißen müssen."

"Hömm-ömm, Mademoiselle. Nicht zu viel verraten. Die meisten könnten mit einer derartigen Wahrheit nicht umgehen", schritt der Zauberer am Kartenverkauf ein. Dann plumpste Sandrines Kugel aus dem Ausgangstunnel und landete. Sandrine wirkte genauso bleich und doch glückselig wie Martine, sagte jedoch nichts. Martine lud die beiden nach diesem aufwühlenden Erlebnis zu einem zweiten Frühstück vor dem Tanzplatz ein, wo mehrere Buffets aufgebaut worden waren und Hexen und Zauberer, keine Hauselfen die Gäste bedienten.

"Maman hatte schon recht, daß man nicht alles sehen möchte, was so in einem ist", sagte Sandrine. Julius nickte und meinte dazu:

"Irgendwie hat mich das jetzt merkwürdig gestimmt. Ich habe Bilder gesehen, die mich total erschrecken und dann Bilder, die mir Mut machen oder mir vorgaukeln sollten, ich könne sehr erfolgreich sein."

"Hast du auch jemanden gesehen, den du aus tiefstem Inneren liebst?" Fragte Sandrine. Julius gab zu, Claire gesehen zu haben, doch sie war nicht die letzte Erscheinung. Sandrine nickte und lächelte. Martine meinte dazu:

"Ich weiß jetzt zumindest, was so alles in meinem Kopf rumspukt."

Das pflegehhelferarmband von Julius zitterte. Er berührte den Schmuckstein und rief damit Millies räumliche Darstellung auf.

"Na, hast du alle Karussells durch, Julius? Ist ziemlich teuer, hat mir Bruno gerade erzählt. Sie spielen gleich die dritte Runde bis zweihundert Punkten aus."

"Ja, ist schon teuer, deshalb waren wir nur auf drei Stück", sagte Julius.

"Wer ist bitte wir?" Fragte Millie.

"Dein lieb Schwesterlein und Sandrine", sagte Julius. Millie verzog erst das Gesicht und lachte dann.

"Ach, hat Martine dich gefunden? Ich denke mal, daß ihr euch benommen habt."

"Werd nicht frech, Millie!" Schnarrte Martine.

"Falls du immer noch Lust auf Zugucken beim Quidditch hast, falls dir das nicht schon zu langweilig ist frage Martine, ob sie dich mal eben zu mir rüberbringt! Ohne Besen ist das ja doch ein wenig weit."

"Warum sollte ich das tun, Mildrid?" Fragte Martine laut genug, daß ihre Schwester es hören konnte.

"Weil Julius dich mein lieb Schwesterlein genannt hat und du bestimmt auch von mir so genannt werden möchtest, bis Miriam da ist."

"Ich glaub's wohl, daß ich bei dir in Konkurrenz zu unserer noch ungeborenen Schwester treten soll. Bruno spielt gleich, Janine auch?"

"Joh, aber das kriegst du nur mit, wenn du mit Julius in einer Minute im Stadion bist."

"Sage ihr bitte einen schönen Gruß von mir, mich zu fragen ob ich mir das ansehen möchte wäre nicht verkehrt gewesen!"

"Meine Schwester kann dich auch rüberbringen, falls sie wirklich lieb ist", entgegnete Millie.

"Zu den beiden bin ich lieb, ungezogene Göre. Das heißt aber nicht, daß du das verdient hättest", sagte Martine. Millie lachte und antwortete:

"Wenn du sie zum Stadion bringst bist du ja lieb genug für uns alle."

"Warum nicht?! Ich wolte die beiden Feldmannschaften der Mercurios ja auch mal sehen, vor allem Janine im Tor. Ich bringe die beiden rüber."

"Danke, Martine", sagte Millie aufrichtig. Dann wurde die Verbindung getrennt. Dann zitterte Sandrines Armband. Sie stellte Sprechverbindung her und ließ Belisamas räumliches Abbild erscheinen.

"Weißt du wo Julius ist? Ich fürchte, die Latierre-Kuh hat sein Armband blockiert."

"Öhm, Julius steht bei mir", sagte Sandrine etwas beschämt. "Martine bringt ihn und mich zum Quidditchstadion."

"Martine? Och nöh, die nicht auch noch!" Maulte Belisama.

"Welchen Krach du gerade mit meiner Schwester hast, Belisama, wirst du ganz hübsch vorsichtig sein, wie du mit mir umspringst", maßregelte Martine die Pflegehelferin aus dem weißen Saal.

"Klar, Schwestern halten doch zusammen, auch wenn's nach außen nicht so aussieht", grummelte Belisama. Dann meinte sie zu Sandrine: "Frage Julius, ob er echt geschobene Quidditchspiele sehen will oder nicht gleich mit mir in die Schattenhäuser reingehen will. Professeur Faucon hat erst zehn von uns zusammen."

"Geschobene Quidditchspiele?" Fragte Martine. Julius sagte zu Sandrine, daß er den Mercurios zusehen wolle. Dann trennte Sandrine die Verbindung. Martine brachte beide nacheinander zum Stadion, wo Julius zwei Galleonen Eintritt für eine halbe Stunde bezahlte.

"Wenn ich heute abend nach Beauxbatons zurückkehre bin ich bettelarm", knurrte Julius. Martine bugsierte ihn und Sandrine durch die Sitzreihen. Millie saß einige Plätze weiter oben. Da hier keine Platznummern vergeben wurden sondern nur Zutrittsberechtigungskarten verkauft wurden konnte Julius weiter nach oben. Das Stadion füllte sich. Eine Glocke bimmelte. Gleich würde die nächste Vorführrunde anfangen. Martine parkte Julius rechts von sich und links von Sandrine und setzte sich zwischen ihn und Mildrid. Diese sah ihre Schwester erst garstig an, wurde dann aber schön kleinlaut, als Martine ihr den Blick zuwarf, mit dem sie vorhin Julius so heftig ins wanken gebracht hatte. Dann ging es los mit der Partie. Wenn das wirklich ein geschobenes, also vorbestimmtes Spiel war, dann hatten die Mercurios den Ablauf ziemlich gut einstudiert oder viel Platz für Improvisation gelassen. Denn das Spiel ohne Sucher unterschied sich nicht von einem richtigen Spiel. Als die Mannschaft, in der Bruno und César mitgespielt hatten gegen die von Janine Dupont und Polonius Lagrange zweihundert zu hundert Punkte gewonnen hatte, läutete die Glocke erneut. Eine Hhalbe Stunde war um.

"Das ist Wucher!" Knurrte Millie. "Zwei Stunden acht Galleonen. Ich kann mir wohl nix mehr kaufen."

"Gute Idee, ich seh mich jetzt noch ein wenig auf dem Basar um, bevor ich jemanden besuche."

"Wolltest du zu Tante Camille?" Fragte Millie. Julius nickte.

"Gut, dann gehe ich ins Gasthaus und esse da was. Wie ich Caros Eltern kenne kostet bei denen eine Tasse Suppe schon zwei Galleonen."

 

"Bei den Preisen hier echt möglich", erwiderte Julius.

Als er zusammen mit Sandrine über den Basar geschlendert war, wo Millemerveillesen alte Sachen und neue Handwerksprodukte verkauften, wobei durchaus gehandelt werden durfte, traf er Monsieur Dusoleil hinter seinem Stand voller Omnigläser, einigen Wunderwerkzeugen und jenen Zauberlaternen und unzähligen Projektionsplättchen, die Julius einmal angedacht und für Claire gebaut hatte.

"Ah, Julius. amüsierst du dich gut?" Fragte er.

"Ja, tue ich", sagte Julius, wobei er die Sache mit dem Labyrinth der tausend Spiegel verschwieg. Dann fiel ihm ein, daß er nicht wußte, ob er Karten für das Hecate-Leviata-Konzert zumindest bis neun Uhr kaufen mußte oder nicht. Er fragte Monsieur Dusoleil.

"Ach, du möchtest auch dahin?" Fragte Jeannes Vater. "Soweit ich weiß, tritt sie auf Kosten der Gemeindekasse auf. Es sind aber Geldspenden erlaubt, falls du Roseanne unter die Arme greifen möchtest. Jeder kann kommen und gehen für wie lange er will. Das wurde mit der Künstlerin vereinbart, damit auch ihr aus Beauxbatons ein wenig von ihr mitkriegen könnt." Julius sagte ihm, daß er gerne etwas springen lassen wollte, um Madame Lumières Finanzen etwas zu entlasten. Florymont Dusoleil grinste und nickte. "Hmm, ich kann dich kurz rüberbringen. Aber dann mußt du zu Fuß zurück oder bleibst im Musikpark bis eins. Dann kann Camille dich mit ihrem Besen abholen. Du ist heute bei uns zu Mittag, egal was die Renards oder Madame Maxime sagen. Alle die hier wohnen werden wohl bei ihren Verwandten essen oder Freunde mitbringen." Monsieur Dusoleil schloß seinen Stand und hängte ein Schild "BIN GLEICH WIEDER Da!" raus. Dann nahm er Julius bei der Hand und disapparierte mit ihm. Wieder im Musikpark kamen sie vor dem großen Tanzplatz heraus, wo die Musiker sich schon auf Musik und Tanz zur Mittagszeit einstellten. Die Tische zum essen standen weit genug weg von der Tanzfläche. Über allem hingen Girlanden und goldene Banner mit dem Spruch "Siebenhundertfünfzig Jahre Millemerveilles" in den Bäumen.

An einem Informationsstand zählte er sein Geld und kam auf sieben Galleonen und zehn sickel. Er gab alle sickel und zwei Galleonen dem Zauberer am Stand, der seinen Namen notierte und ihm sagte, daß alle Spender eine persönliche Danksagung von Madame Lumière zugeschickt bekamen und er ja nur "Julius Andrews" notieren müsse. Julius nickte und lächelte. Er wollte gerade auf die Tanzfläche gehen, um zu sehen, wer dort so alles war, als Madame Delamontagnes Gedankenstimme in seinem Kopf ertönte:"Julius, wo bist du?"

"Hallo, Madame", mentiloquierte er verdutzt zurück, weil er dachte, daß die Dorfrätin gerade mit der bevorstehenden oder gerade stattfindenden Geburt zu tun hatte. "Bin auf dem Tanzplatz im Musikpark."

"Bleib da! Virginie holt dich ab!" Kam eine leise aber nichts desto trotz eindringliche Anweisung zu ihm zurück. Es klang etwas schwächer als er es von einem Mentiloquismuspartner gewöhnt war. Doch er bestätigte den Erhalt der Anweisung und stellte sich so, daß Virginie, wie und wo sie ankam sofort sah, wo er stand. Keine zehn Sekunden später knallte es zwanzig Meter weiter weg. Er sah sich um und erblickte Virginie, die abgehetzt aussehend aber überglücklich strahlend auf ihn zukam.

"Es ist da. Maman hat vor einer Stunde meinen Bruder Baudouin zur Welt gebracht. Sie wollte, daß du ihn dir ansiehst. Ich habe die letzten zwei Stunden der Geburt mitgekriegt. Eklig aber auch sehr erhaben", sagte sie. Julius ergriff ihre Hand und disapparierte mit ihr.

Die gerade zum zweiten Mal Mutter gewordene Hexe wirkte total abgekämpft. Sie war in eine weiche Decke eingewickelt, die ihr vom Brustkorb bis zu den Waden reichte. In einem kleinen Korb lag ein in einen himmelblauen Strampelanzug gehüllter Säugling, den schweren Kopf auf ein kleines Kissen gebettet und wohl schlafend.

"Herzlichen Glückwunsch!" Sagte Julius zu Madame Delamontagne. Diese strahlte ihn an.

"Ich fand, daß du ihn jetzt schon sehen durftest, weil deine Mutter und du mir im letzten Dreivierteljahr so gut beigestanden seid. Er schläft gerade. Er hatte ziemlichen Hunger, dafür, daß er neun Monate am Stück von mir ernährt wurde", sagte sie mit ermattet klingender Stimme. Madame Matine, die Hebamme, trat gerade wieder in das Wohnzimmer ein, das zum hauseigenen Kreißsaal umfunktioniert worden war. Gigie, die Hauselfe der Delamontagnes schüttelte gerade ein großes Kissen aus, das sie der erschöpften Mutter unter den Rücken schob.

"Eleonore hat darauf bestanden, daß du herkommst, sobald die Nachgeburt ausgetrieben war und ich ihren Leib gegen Folgeerkrankungen behandelt habe. Aber ich sagte ihr, sie möge den Kleinen erst einmal stillen, um den nötigen Körperkontakt zu ihm wieder herzustellen, damit er ordentlich in die Welt hineinfinden kann. Ich hoffe, dir geht's gut, Julius."

"Ich habe mich schon auf zwei absoluten Höllenmaschinen körperlich und geistig durch die Mangel drehen lassen. Aber sonst geht's mir gut", sagte Julius.

"Geistig? Du bist in diesem Seelenbildaufwirbelungsapparat gewesen? Oha, das ist nichts für Jedermann und dir ist da bestimmt nicht alles schön und friedlich vorgekommen, nicht wahr?"

"Allerdings", sagte Julius. "Ich habe mich schon gefragt, ob das nicht mit dunkler Magie zu tun hat."

"Nein, hat es nicht, oder zumindest nicht grundsätzlich, wenn du mal von den wirklich erschreckenden Bildern absiehst. Wie geht es dir sonst so, ich meine, nachdem das mit Glorias Großmutter passiert ist, die für dich ja wohl auch nicht unwichtig war?"

Julius schluckte. Er konnte Madame Matine unmöglich was über die Operation Reichenbach erzählen. Aber jetzt den todtraurigen Hinterbliebenen mimen konnte er auch nicht. So sagte er: "Beauxbatons hat mich ziemlich gut von zu viel Trauer abgelenkt, wie schon nachdem ... Claire von uns gegangen ist. Aber jetzt, wo ein neugeborenes Kind in Hörweite liegt müssen wir doch nicht vom sterben reden, oder?"

"Er hat recht, Hera. Es hat einen merkwürdigen Beigeschmack, daß du dich um deinen Pflegehelferzögling bemühst, indem du ihn zu seiner Trauer befragst, wo du mir gerade geholfen hast, Baudouin zur Welt zu bringen ...", warf Madame Delamontagne ein.

"Natürlich, du hast recht, Eleonore, das war jetzt sehr unprofessionell von mir. Außerdem habe ich ja den Bericht von Madame Rossignol."

"Die schickt Ihnen immer noch Berichte über mich?" Fragte Julius. Die Heilerin und Hebamme lächelte mild.

"Natürlich. Solange du Pflegehelfer bist habe ich das gesetzliche Anrecht, über deine Verfassung und deine Leistungen auf dem laufenden zu bleiben. Ich bekomme zwar nur alle zwei Monate einen Bericht, aber wenn etwas sehr gravierendes geschieht ... Na ja, davon hier und jetzt nicht weiter. Wie verträgst du dich mit den anderen Pflegehelfern?"

Julius berichtete nun, was er mit den anderen Pflegehelfern so erlebt hatte. Madame Delamontagne hörte zu. Monsieur Delamontagne flüsterte Gigie etwas zu. Diese schlüpfte unhörbar aus dem Raum, ging wohl in die Küche und kam mit einer großen Flasche zurück.

"Ich habe tatsächlich einen Rosé aus dem Geburtsjahr meiner Frau aufgetrieben. Oleande wollte gleich noch kommen und meine Eltern auch. Dann werden wir auf den kleinen Prinzen anstoßen, damit er gut Pipi machen kann, wie es der Brauch ist", sagte er.

"Feiern Sie dann heute ihr ganz persönliches Jubiläum?" Fragte Julius. Madame Delamontagne lächelte sehr erfreut.

"Bis heute abend um sechs. Dann werde ich, auch wenn Hera das nicht mag, meine Rede halten und dabei unseren Sohn der Öffentlichkeit vorstellen."

"Eleonore, ich müßte es dir verbieten, wenn ich es könnte", schnaubte Madame Matine. Ich lasse sonst keine Wöchnerin einen halben Tag nach der Niederkunft arbeiten. Lasse Roseanne die Rede halten und stelle den Jungen morgen vor!"

"Damals hast du Camille auch ihre Konferenz der Kräuterkundler zu Ende bringen lassen. Nein, Hera, ich sehe es als ein wichtiges zeichen, daß der Kleine heute kam und will das auch allen mitteilen."

"Camille war damals wesentlich jünger als du jetzt bist, eleonore und hatte ja auch ihre Mutter dabei, die diesen Flugteppich benutzen konnte, Eleonore", wandte Madame Matine ein, wobei sie leicht verunsichert zu Julius und der Hausherrin hinüberblickte, als ginge es um was, über das sie jetzt eigentlich nicht reden wollte. Doch dem aus England stammenden Beauxbatons-Schüler ging im Zusammenhang mit Baudouins Geburtstag was anderes im Kopf herum.

"Fünfzehnter März. Heute vor einem Jahr ... Neh, das passt jetzt auch nicht hier her", raunte Julius. Madame Matine sah ihn an und winkte ihm, ihr zu folgen. Madame Delamontagne wollte ihr zwar nachrufen, den Jungen nicht so einfach wegzuholen, doch sie war von der bestimmt sehr anstrengenden Geburt ziemlich ausgelaugt.

"Ich weiß, was vor einem Jahr war. Blanche hat mir deine Aufzeichnungen gegeben, damit ich weiß, was du weißt und demzufolge in deinem Kopf herumgehen mag. Da hat dein Vater unter Hallittis Einfluß seine Arbeitgeber ermordet. Das waren aber wohl nicht die ersten unfreiwilligen Bluttaten, die er begangen hat. Insofern mußt du dich nicht an dieses Datum klammern, Julius."

"Ja, aber gemein ist es schon, daß das genau vor einem Jahr war."

"Ja, aber Baudouin wollte unbedingt mit Millemerveilles zusammen Geburtstag haben, Julius. Das ist ein sehr positiver Anlaß sich an dieses Datum zu erinnern", sagte sie.

"Als hätte der Junge echt gewartet, bis der fünfzehnte war", erwiderte Julius nun wieder fröhlicher dreinschauend.

"Nun, das Datum an sich hat er wohl nicht abwarten können. Aber daß ein Kind den Zeitpunkt seiner Geburt einleitet und nicht die Mutter ist dir ja bekannt."

"Das haben Sie mir beigebracht. Meine Mutter hat mir das auch mal erzählt, als sie mir die Geschichte meiner Geburt erzählt hat und daß ich an und für sich vier Tage früher zur Welt kommen sollte", erwiderte Julius. Hera Matine nickte. Dann sagte sie:

"Ich bin froh, daß Eleonore, also Madame Delamontagne das doch heil und glücklich überstanden hat, ohne Fortunamatris-Trank. Jetzt kann ich mich wieder mehr um deine Fürsorgerin Catherine kümmern, bevor mir die Zwergin sie noch abspenstig macht", sagte Julius' Ersthelferausbilderin.

"Ach, wollte sie zu Madame Arno wechseln?" Fragte Julius nun etwas frecher.

"Hippolyte Latierre muß ihr den Floh ins Ohr gesetzt haben, daß sie beide zusammen in einem Haus ihre Kinder kriegen mögen. Grundsätzlich habe ich nichts gegen gemeinschaftliche Geburten. Aber daß diese Person, diese Madame Arno, sie dann auch noch betreuen soll und damit ihre Geburtshilfestatistik aufbessert, wo sie genug vermehrungsfreudige Anverwandte hat sehe ich nicht ein. Catherine kam hier in Millemerveilles zur Welt. Ich habe sie geholt wie viele andere Kinder vor und nach ihr und habe schon bei Babette zurückgesteckt, weil sie ihrer Schwiegerverwandtschaft willen eine ordentliche Krankenhausniederkunft erleben wollte. Naja, die Erfahrung wird sie gelehrt haben, sich auf altbewährte und wesentlich zuverlässigere Mittel zu verlassen."

Julius' Pflegehelferarmband zitterte wieder. Madame Matine bemerkte es wohl und fragte, was so dringend sei.

"Dringend wohl nicht. Nur meine Kameradinnen vermissen mich wohl und wollen wissen, wo ich bin."

"Dann sage wem auch immer ich hätte dich einbestellt um auf Madame Delamontagnes Wunsch bei der Erstuntersuchung ihres Kindes zu assistieren!" Sagte Madame Matine. Julius stellte die Sprechverbindung her. Es war Millie.

"Ich hätte wetten sollen", sagte er an Stelle einer Begrüßung.

"Ich hörte von dem Kartenverkäufer im Musikpark, daß eure Saalsprecherin dich abgeholt hat. Hat Madame Delamontagne ihr Baby bekommen?"

"Ja, hat sie", erwiderte Julius, sich zunächst wundernd, daß Millie keine abfällige Bemerkung über die Dorfrätin machte. Doch dann fiel ihm wieder ein, daß Millie ganz bestimmt nicht dumm war und sich ja ausmalen konnte, daß entweder die junge Mutter oder deren Helferin mithören würde.

"Oh, dann bestell ihr von Martine und mir bitte einen schönen Gruß. Maman und die restliche Verwandtschaft werden sich dann wohl bald anschließen. Was ist es denn?"

"Ein Baby", erwiderte Julius keck.

"Gut, wie heißt das Baby?" Fragte Millie schlagfertig.

"Ich weiß nicht, ob ich das jetzt schon verraten darf", sagte Julius. Madame Delamontagne rief leicht gequält aus ihrem Wohnzimmer:

"Sage der neugierigen Mademoiselle Latierre, er heißt Baudouin, und ich werde ihn nachher der Bevölkerung und den Gästen Millemerveilles' präsentieren!"">

"Hast du das mitgekriegt, Millie? Baudouin heißt der Knabe."

"So hieß mein Urgroßvater väterlicherseits", sagte Millie. "Habe ich das mitgekriegt, daß Madame Matine ihr erlaubt, den Jungen und sich heute abend vor allen Gästen zu zeigen?"

"Ein bißchen weniger Impertinenz, Mademoiselle, sonst werde ich Madame Rossignol zukommen lassen, daß sie sich respektlos über Autoritätspersonen äußern!" Fauchte Madame Matine.

"Wie du hörst, ist sie nicht gerade begeistert und die Frage muß daher mit "Nein" beantwortet werden, Millie", sagte Julius.

"Jungchen, die Rüge gilt auch für dich", knurrte Madame Matine, mußte dann aber schmunzeln, wohl gegen ihren Willen, aber doch unbestreitbar.

"Dann sage ich Martine, sie soll Maman bescheid sagen, damit sie heute abend auch da sind."

"Wenn es sich nicht vermeiden läßt", knurrte Madame Matine.

"Bleibst du jetzt bei den Delamontagnes oder wolltest du heute noch was zu Mittag essen?"

Hmm, ich bin nachher bei den Dusoleils eingeladen, Camille und Florymont."

"Martine und ich auch, bei Jeanne und Bruno. Eigentlich könnte Martine Jeanne fragen, ob wir uns nicht alle bei ihr treffen können, weil Tante Camille und Onkel Florymont ja den ganzen Tag draußen schaffen müssen und nicht so gut was für viele vorbereiten können und ... Martine winkt ab. Ich soll mir da keinen Kopf drum machen heißt das wohl."

"Dann sieht man sich später wohl noch mal."

"Ich werde mir auf jeden Fall nach dem Festakt Hecate Leviata anhören, bis wir zum Ausgangskreis zurückmüssen."

"Viel Spaß noch", sagte Julius nur und trennte die Verbindung.

"Könnte es sein, daß die Latierres dich nun endgültig in ihre Blutlinie einflechten wollen?" Fragte Madame Matine argwöhnisch.

"Millie versucht es wohl. Aber im Moment bin ich wohl noch nicht für Blutlinienerweiterungen."

"Abgesehen von ihrer teilweise unanständigen Offenheit haben sich alle weiblichen Nachkommen der Latierre-Linie als sehr beharrlich und zielstrebig hervorgetan. Sollte dieses Mädchen der Ansicht zugeneigt sein, dich an ihre Seite zu holen, wirst du nicht groß gefragt, ob du ihr bei der Verlängerung der Blutlinie helfen willst oder nicht. Dann wird diese Zwergin noch weitere ihrer Abkömmlinge ans Licht der Welt holen."

"Nichts für ungut, Madame, aber irgendwie klingt das für mich, als hätten Sie was gegen Zwerge oder Zwerginnen. Ich hoffe, ich irre mich da."

"Du möchtest ausloten, ob ich rassistische Ansichten hege, Julius. Nein, hege ich nicht. Ich habe keine Probleme mit anderen Rassen. Mir mißfällt nur diese Art, wie Lutetia Arno ihre Erfahrung in die Waagschale wirft und die Methoden, wie sie vorgeburtliche Untersuchungen macht sind teilweise unappetitlich", stieß Madame Matine mit verbitterter Mine hervor.

"Ich habe gehofft, mich zu irren", sagte Julius.

Einige Minuten später trafen die Delamontagnes und Champverdes ein. Die altgediente Kräuterkunde-Expertin beglückwünschte ihre Tochter und hob ihren Urenkel aus der kleinen Wiege, die sein Vater ihm vor drei Monaten schon gebaut hatte. Julius durfte mit den Delamontagnes und Madame Matine auf Baudouin Delamontagne anstoßen. Der Kleine fand diesen Trubel wohl zum schreien und zeigte allen, daß er gut bei Stimme war.

Um ein Uhr kam Madame Dusoleil herüber. Offenbar hatte Jeanne es von Martine gehört, die das ja von Millie direkt mitbekommen konnte. Sie brachte den jungen Eltern frische Frühlingsblumen und das Samenkorn eines Kirschbaumes, den Baudouins Vater im Garten einpflanzen mochte, damit dann, wenn der Junge selber laufen konnte, genug süße Kirschen zum Pflücken da seien. Dann nahm sie Julius mit und disapparierte vor dem Anwesen der Delamontagnes.

Im Haus von Camille und Florymont erwartete Julius eine Überraschung. Die Brickstons und seine Mutter waren gekommen. Offenbar hatte Camille das schon vor einem Tag heimlich angeleiert und ohne Wissen Madame Delamontagnes den Muggelabwehrbann-Hemmtrank von Madame Matine besorgt. Als Martha Andrews hörte, daß Eleonore Delamontagne einen Sohn zur Welt gebracht hatte war sie schon drauf und dran, hinüberzulaufen um ihr zu gratulieren.

"Neh, Martha, ist nicht so günstig. Mach das lieber morgen! Normalerweise muß sie nämlich den Gebrauch des Tranks absegnen. Das könnte mir arges einbringen. Ich habe dich ja hergeholt, damit du deinen Sohn schon vor dem Elternsprechtag sehen kannst."

"Du kannst Madame Delamontagne den Eersten Zug einer Fernschachpartie anbieten. Dann kann sie während des Stillens über was nachdenken", schlug Julius vor. Seine Mutter sah ihn erst tadelnd an und lachte dann mit den Dusoleils zusammen. "Das hast du mir doch mal erzählt, daß die Stunden, wo du nur rumsitzen konntest und gewartet hast, bis ich mal satt war mit Kopfschach ausgefüllt hast", setzte Julius einen drauf. Seine Mutter nickte und errötete leicht an den Ohren. Dann sprachen sie über die Karussells. Florymont nahm das Kompliment für den freien Wirbel entgegn, bekannte sich aber nur zum Teil schuldig am Labyrinth der tausend Gesichter.

"Die besonderen Illusionszauber habe nicht ich eingerichtet, sondern Professeur Tourrecandide. Ich habe von sowas zu wenig Ahnung", sagte der Zauberkunsthandwerker. Julius nickte. Dann waren die Visionen, denen er im Labyrinth ausgeliefert war das Werk der Lehrerin von Professeur Faucon. Was auch immer sie damit beabsichtigt hatte.

"Das kann ich dir sagen, was sie damit beabsichtigt hat", sagte Catherine. "Sie wollte den Leuten zu verstehen geben, daß jedes Vergnügen immer gleichberechtigt neben Ängsten und Schmerzen existiert. Ich kenne diese Attraktion zwar nicht, habe mir aber von Hippolyte abraten lassen, solange Claudine noch nicht geboren ist in dieses Teufelsding einzusteigen, weil es die Gemütstiefen einer Schwangeren und ihres Kindes aufwühlt und beide in alptraumhafte Visionen und unbeherrschbare Euphorie stürzen kann. Hippolyte wollte euch schon verklagen, Florymont, weil sie fürchtete, ihre allerjüngste Tochter zu verlieren, bevor sie einen Atemzug getan hat."

"Da kann ich nichts für, Catherine. Ich habe die Gänge und die Bewegungsabfolge eingerichtet", knurrte Monsieur Dusoleil, der sich zu sehr angegriffen fühlte.

"Hippolytes Kind ist noch sicher verstaut und entwickelt sich weiterhin normal, Florymont. Könnte nur irgendwann später auffallend heftige Träume haben, weil ihr gerade erst erwachender Geist mit starken Gefühlen überschwemmt wurde", sagte Catherine ruhig. Dann fragte sie Julius, was das mit Belisama und Millie auf sich hatte. Gegenüber Catherine und vor allem seiner Mutter wollte Julius ehrlich sein. Doch ob Joe das jetzt mitbekommen mußte wußte er nicht so recht, und Babette ganz bestimmt nicht.

"Das schreibe ich dir besser", sagte Julius zu Catherine.

"Ja, das wäre mir sehr lieb, das von deiner Warte her zu hören", sagte sie nur. "Sonst muß ich mich auf meine Mutter verlassen."

"Zoffen sich die Mädels um dich, Julius?" Fragte Babette getrieben von kindlicher Neugier.

"Wer sagt'n sowas?" Erwiderte Julius quäkig.

"Mayette sagt sowas, weil sie von ihrer Schwester Patricia Briefe kriegt, wo drinsteht, daß Millie wohl mit Belisama Krach hat, weil die wohl nicht wissen, bei wem du Walpurgis auf dem Besen sitzt", erwiderte Babette frei heraus.

"Dann schreibe ihr bitte, daß ich erst mal wissen will, wer mich alles einläd. Vielleicht fliege ich ja auch mit Laurentine."

"Die kann gut fliegen", sagte Babette.

"Ich glaube nicht, daß Laurentine es wirklich übers Herz bringt, jemanden zum Walpurgisflug einzuladen", sagte Camille. "Vor allem wird sie gerade dich wohl nicht einladen, weil sie denkt, sie würde Claire verraten."

"Das gehört ja nun wirklich nicht hierher, wo unsere Kinder zuhören", meinte Joe Brickston. Doch Babette grinste ihn frech an, nach dem Motto: Ich krieg doch eh alles mit.

"Nichts für ungut, Joe, aber deine Tochter hat das Thema angefangen. Es jetzt abzuwürgen würde ihr sagen, daß es verdammt spannend ist, wenn sie davon nichts mitbekommen darf", sagte Florymont ruhig aber entschlossen. "Claire und Jeanne haben sich häufig über ihre Freunde unterhalten, und Denise hat in der Nähe gespielt. Julius hat uns erzählt, daß Kinder, sobald sie laufen können vor dem Fernseher sitzen und da schon am Nachmittag ausschließliche Erwachsenensachen zu hören und sehen bekommen, ohne daß sie damit was anfangen oder gar richtig umgehen können."

"Nicht bei uns", sagte Joe unmißverständlich schroff. "Ich habe meine Tochter nur Fernsehen lassen, wenn ich dabei sein und ihr das Programm aussuchen und falls nötig was erklären konnte. Sicher waren da auch einige Sachen bei, die ich als Kind nicht hätte sehen oder wissen dürfen. Aber bevor sie wie du sagst einfach so was mitkriegt dann lieber so, daß ich das auch weiß, was es ist. Aber jetzt über zwei pubertierende Hexenmädchen zu diskutieren, die nicht anwesend sind gehört finde ich nicht hierher."

"Ey, die kann ich herrufen", warf Julius ein, um Joe ein wenig zu ärgern. "Millie kommt bestimmt sofort rüber, wenn sie hört, daß es dich interessiert, was sie denkt."

"Das habe ich verdammt noch mal nicht so gesagt!" Fluchte Joe. Catherine räusperte sich laut und schrak zusammen, wohl weil jemand ganz kleines aufgewacht war.

"Jetzt hast du sie wach gemacht, Joe", knurrte Catherine und sah dann Julius an. "Was die beiden Mädchen angeht, so scheint es mir auch, daß sie sich um dich oder einen anderen Jungen streiten. Falls du das Objekt ihres Zanks bist weißt du es spätestens wenn die Einladungen zur Walpurgisnacht bei dir eintrudeln. Dann mußt du dich halt für eine entscheiden."

"Dann nimm bloß eine an, die weder von der einen noch der anderen kommt", sagte Joe dazu. "Dann sind die beide bedient und geben vielleicht Frieden."

"Ui, da wäre ich nicht drauf gekommen", erwiderte Julius. "Danke, Joe."

"Bleibt ihr noch bis zur Festrede?" Fragte Julius seine Mutter und die Brickstons.

"Wir kehren gleich wieder nach paris zurück. Vielleicht komme ich übermorgen noch einmal her", sagte Martha Andrews. "Ich will Camille und Florymont keinen Ärger wegen des Tranks machen."

"Die dicke Trulla ist jetzt eh mit dem Baby beschäftigt, Martha. Die kriegt das nicht mit, daß wir auch so herkommen können", sagte Joe. Er klang so, als habe er einen Heidenspaß dabei.

Um drei Uhr kehrten die Dusoleils zu ihren Arbeitsstellen zurück. Die Brickstons und Martha Andrews setzten sich heimlich über die Reisesphäre nach Paris ab, und Julius lief zum Musikpark zurück, wo er viele seiner Schulkameraden traf, die alle von ihm wissen wollten, was er so gemacht habe. Er vergnügte sich auf der Tanzfläche, wo er mit jüngeren und älteren Mitschülerinnen aber auch erwachsenen Hexen tanzte, die sich freuten, den dreimaligen Gewinner des goldenen Tanzschuhs aufs Parkett geleiten zu dürfen. Dabei war auch Madame Hippolyte Latierre, die von ihren Töchtern umgehend informiert worden war, daß sich bei den Delamontagnes Nachwuchs eingestellt hatte.

"Das wird mir wohl dieses Jahr nicht gelingen, den Schuh noch einmal zu gewinnen", sagte er leicht traurig. "Die Idealpartnerin ist ja nicht mehr da. Die tanzt vielleicht jetzt ganz woanders oder guckt uns von irgendwo her zu."

"Deshalb solltest du das erst gar nicht denken", erwiderte Madame Latierre. "Immerhin habt ihr beiden euch ja immer gut angestrengt, diese Trophäe zu gewinnen und beim letzten Mal noch diese vermaledeiten Dementoren hier gehabt."

"Das mit Claire war schon was einmaliges", sagte Julius dazu. "Das hat sofort super geklappt."

"Was nicht heißt, daß du es mit einer anderen Partnerin nicht auch hinbekommen kannst. Vielleicht muß das dann erst zusammenwachsen. Aber ich habe dich mit meinen Töchtern tanzen gesehen, mit Barbara van Heldern, meiner Mutter und so vielen anderen, daß ich weiß, daß du das wieder hinbekommst. Du tanzt ja gerade wieder mit einer werdenden Mutter."

"Irgendwie merkwürdig, daß ich da eine Antenne oder einen Magneten für habe. Vor bald zwei Jahren habe ich mit Madame Lumière getanzt, wo sie mit Étée und Lunette schwanger ging."

"Die kommt ja nachher auch noch", sagte Hippolyte Latierre. "Ups, Miriam will wohl auch tanzen", raunte sie. Der langsame Walzer verklang. Julius bedankte sich und fand sich unvermittelt Belisama Lagrange gegenüber.

"Hat dich Millies noch nicht geborene Schwester auch zum Tanz aufgefordert oder darf ich bitten!"

"Ja, du darfst", sagte Julius. Hippolyte Latierre rief ihr nach:

"Mit mir muß er noch. Ich habe nur für Miriam mitgetanzt, weil sie noch zu kurze Beinchen hat!"

"Blödes Weib!" Blaffte Belisama. Dann warf sie sich mit Julius in den nächsten Tanz und horchte ihn aus, wie es bei den Dusoleils war. Dann sagte sie:

"jetzt sag mal ehrlich, was fasziniert dich an diesen Latierre-Ludern? Millie sagte sowas, daß ihre Oma dir was von ihrer Lebenskraft eingeflößt hat. Sage ja nicht, sie hätte dir die Brust gegeben!"

"Bei meinen Zähnchen wäre das etwas schmerzhaft geworden für sie", versetzte Julius. "Neh, die hat sich mit dem Nackten Unterleib auf meine Füße gesetzt und mir was vorgesungen, was mich von innen her aufgewärmt hat." Belisama verpatzte den nächsten Schritt. Dann sagte sie:

"Dann hat die dich zu Millies Onkel gemacht oder sowas. Dann darf die dir nicht nachsteigen, weil du von ihrer Oma quasi zum zusätzlichen Kind gemacht wurdest. Ich habe von diesem Ritual mal was gehört. Soll einen mit mehr Ausdauer und Widerstandskraft aufladen. Aber dafür gehört derjenige dann auch zur Familie der Hexe, die das Ritual gemacht hat. Warum hast du dir das gefallen lassen?"

"Ich hatte zwei Babys in den Armen und konnte nicht mehr aufstehen, weil einige hundert Pfund Hexenfleisch auf meinen Füßen hockten", sagte Julius garstig. Er merkte zwar, daß es Belisama betrübte. Aber eben hatte es in ihren Augen geblitzt als habe sie endlich was in der Hand, um die lästige Konkurrentin aus dem Feld zu schlagen. Doch damit hatte Julius auch die Bestätigung, daß sie wirklich und wahrhaftig um ihn stritten. Wenn sich dieses Mädchen mit dem schönen, honigfarbenem Haar, das wie er älter aussah als sie war mit dem quirligen, sehr willenstarken, rotblonden Hexenmädchen Mildrid Latierre keilen würde, dann war er der Grund dafür, wußte er jetzt. Seine selbst auferlegte Zurückhaltung hatte die beiden wohl gegeneinander aufgebracht.

"Du hast mir immer noch nicht erzählt, was du an diesen Ludern findest", knurrte Belisama.

"Das gleiche was ich an dir, Laurentine oder Céline finde, Belisama. Ich mag es, mit euch zu reden und mit euch zu tanzen. Zu mehr will ich mich nicht hinreißen lassen."

"Ich habe ja auch nicht verlangt, daß du mich schwängern sollst um mir zu zeigen, daß dir was an mir liegt, Julius. Aber dieses rote Luder meint, sie hätte dich schon sicher. Naja, das kann sie vergessen."

"Ich kann mich nicht in euch reindenken, Belisama. Aber eins weiß ich: Wenn sich wer um einen Streitet, ist der das meistens nicht wert oder macht eh was ganz anderes als die beiden Streitenden wollen."

"Will sagen, du hängst dich an Patrice oder Corinne oder eine von den älteren bei euch, weil Millie und ich nicht wissen, ob du was mit ihr oder mir anfangen würdest?"

"Wäre eine Möglichkeit", erwiderte Julius frech. Wenn die beiden zanken wollten, dann sollten sie ihn dabei schön in Ruhe lassen. Zu Belisamas Verdruß tauchte Pennie Latierre auf. Doch da gerade Herrenwahl war beschloss Julius, den nächsten Tanz auszulassen.

"Das war wohl nix", feixte Belisama an Pennies Adresse, als Julius sich dezent zurückzog.

"ich weiß, daß ich den nicht kriege, solange meine Cousine hinter ihm her ist. Ich wollte nur tanzen, Belisama. Also keinen Stress", hörte er noch aus der Ferne.

"Na, Goldtänzer!" begrüßte ihn Bruno Dusoleil und hieb ihm auf die Schultern. "Wolltest du nicht mit dem Kraftküken tanzen?"

"Bruno, hast du das erlebt, daß mehrere Mädels aus einem dir unverständlichen Grund aufeinander einfauchen wie zwei Straßenkater im Revierkampf?"

"Ja, habe ich. Eine von denen hat mich geheiratet und macht mich im Juni zum Papa", sagte Bruno und zog Julius noch ein wenig weiter von der Tanzfläche weg. "Wenn du nicht auf Mädels stehst mußt du dich kastrieren lassen oder jemanden suchen, der auch nicht drauf steht ... Neh, ich weiß, war ein blöder Vorschlag." Julius hatte ihn zornig angefunkelt. "Dann bleibt dir nix anderes Übrig als das Spiel mit den Schuhen zu spielen. Wo kam das noch mal vor?"

"In so'nem russischen Märchen, "Aschenputtel" hieß das", erwiderte Julius barsch.

"Aus Russland kommt die Geschichte? Da muß ich aber von Jeanne was falsches erzählt bekommen haben", meinte Bruno leicht verlegen. Julius grinste. Er hatte den jovialen jungen Zauberer ausgetrickst. Natürlich glaubte das nur der Navigator von der alten "USS Enterprise", daß die Geschichte von Aschenputtel, oder Cinderella, wie er es in England gelernt hatte, ein russisches Märchen war. Aber besagter Brückenoffizier der legendären Weltraumcrew glaubte ja auch, daß zwei Großmütter vor vierhundert Jahren den Scotch Whiskey vor von heute an zurückgerechnet zweihundert Jahren in Leningrad erfunden hatten. Dabei hieß die Stadt damals noch Petersburg, und von dem roten Revolutionsführer Lenin war da weit und breit noch keine Spur in Sicht.

"Ui, es ist wieder Damenwahl. meine freudig runder werdende Angetraute kommt", sagte Bruno, als der Tanz vorbei war und Jeanne herüberkam. Sie forderte Julius auf.

"Wer fordert mich jetzt auf, Viviane Aurélie oder Jeanne Dusoleil?" Fragte Julius. Bruno lachte.

"Hat Tante Hippolyte behauptet, ihre Tochter hätte dich aufgefordert? Warum nicht?" Julius hatte nun wirklich eine Übung darin, werdende Mütter zum Tanz zu führen, daß er schon vermutete, daß er tatsächlich die goldenen Tanzschuhe mit einer Partnerin gewinnen würde, wenn sie es bis dahin einrichtete, zwischen dem fünften und sechsten Monat schwanger zu sein. Bei Hippolyte ging auch schon der siebte Monat. Das sagte er Jeanne grinsend.

"Vielleicht tut Belle euch beiden den Gefallen. Im Moment schmollt sie noch, weil sie zwar einen Mann und einen Arbeitsplatz aber noch kein eigenes Kind in Aussicht hat. Aber du kannst gleich noch mit Barbara tanzen. Die ist gerade angekommen, um mit Gustav ihrer Mutter zuzuhören."

"Mit Ihrer Mutter ging's auch schon", sagte Julius. Jeanne nickte. Zwar war sie damals nicht dabei gewesen, wie Madame Delamontagne den Ostertag gefeiert hatte. Aber sie hatte die Fotos gesehen, die Ossa Chermot gemacht hatte. Wo war die eigentlich?

"Könnte es mir passieren, daß morgen im Miroir Magique steht: "Dreimaliger Gewinner des goldenen Tanzschuhs beglückt ungeborene Hexen mit seiner Tanzkunst?" Fragte Julius und sah sich um.

"Dann könntest du mit Papa einen Club aufmachen, weil der das auch einmal geschafft hat, als ich ankam und dann noch bei Denise", grinste Jeanne. Dann tanzte sie schweigend mit Julius.

Einmal ging er zu Mildrid hin und forderte sie auf, um den beiden Mädchen zu beweisen, daß er im Moment keine Bevorzugte oder benachteiligte. Aber das sagte er Millie nicht.

"Du hast mit meinen beiden Schwestern und meiner Mutter getanzt. Das wurde auch langsam Zeit, daß du mich auch bittest", sagte Millie, lächelte dabei jedoch, daß Julius es nicht als unpassenden Vorwurf ansehen konnte, sondern als Scherz, einen der vielen, die Millie machen konnte. Sie unterhielten sich während der Rumba über den bisherigen Tag. Julius warf nur ein, daß es ihn nerven würde, daß Millie und Belisama sich in seiner Gegenwart immer so angifteten.

"Belisama hält sich für was besseres und meint, meine Cousinen oder ich hätten dich nicht verdient. Das ärgert mich halt. Dafür bin ich nun einmal eine Rote. Das soll die dann auch merken, daß mir sowas übel aufstößt und sie das sofort abkriegt, wenn es mir hochkommt. Du würdest das nicht anders machen, wenn einer der Jungs meint, dich gegenüber wem anderen schlecht zu machen oder mit Gehässigkeiten um sich wirft. Ich will jetzt hier nicht auf Opfer machen, dafür habe ich bisher zu gut ausgeteilt. Aber wenn es etwas in Beaux gibt, an das ich mich sehr gerne halte, dann ist das die Sache, daß wir da alle gleich sind. Das hat sogar Belle eingesehen, als sie lernen mußte, ihren Tagesablauf mit jemandem zu planen, der nicht von ihrer Seite weichen konnte, obwohl er es wollte. Also noch mal, Julius. Ich bleibe bei dem, was ich dir im Park erzählt habe: Es gibt zu viel an dir, was mich interessiert und ja auch heiß auf dich macht, wenn du das nicht für zu platt hältst. Ich seh es nicht ein, nur weil andere es für anständiger halten, mich zurückzunehmen. Das habe ich getan, weil ich wollte, daß du nach Claires Tod zu dir selbst zurückfinden kannst, ohne dich genervt von anhänglichen Mädels zu fühlen. An die Spielregel habe ich mich solange gehalten, bis einige sogenannte Anstandsdamen der Meinung waren, daß du lange genug in dir selbst gewartet hast. Wenn du sagst, "Die Millie Latierre ist mir zu widerlich", dann nehme ich das als deine Meinung hin und lasse dich in Ruhe, weil es mir eben wichtig ist, wie du dich fühlst, auch und vor allem, nachdem Oma Line dich vor uns allen in unsere große Familie reingeholt hat. Aber solange ich nicht von dir höre, ich sei dir zu schmutzig, vulgär, widerlich oder tierisch, solange wirst du damit leben müssen, daß ich da bin. Das mag dir jetzt zu platt vorkommen, nicht charmant und betörend, wie eine sogenannte anständige Dame auftreten sollte, die gelernt hat, ihre Wünsche tunlichst für sich zu behalten und zu beten, daß sie ihr auch so erfüllt werden. Vielleicht ist es aber auch das, was du in Wahrheit suchst, eine, die sich nicht hinter irgendwelchen altmodischen Regeln verkriecht und dir offen sagt, wie sie gerade drauf ist. Solange ich nicht weiß, daß du das für dich entschieden hast und mir oder anderen sagst, was du wirklich willst, wirst du mich nicht los, und Belisama oder Sandrine oder Bine und Sandra können da noch so viel gegen reden und fauchen und die Krallen ausstrecken."

"Bine und San wollen nichts von mir. Denen bin ich zu klein, zumindest für die Art Spiel, wo Männchen und Weibchen solange zusammenstehen, bis sie eine Einheit bilden."

"Was nicht heißt, daß sie dich nicht zurechtziehen könnten, wenn sie finden, daß du es wert bist. Im Moment würden sie dir zustimmen. Aber sie wissen auch, daß sie dir nur die passenden Sachen beibringen müssen, damit sie mit dir Spaß haben."

"Du kennst diese passenden Sachen auch schon?" Fragte Julius.

"Das hatten wir doch schon, ob du mehr von großen oder mittelgroßen Mädchen erwartest. Nur um dich daran zu erinnern, daß wir noch da sind."

 

Belisama nutzte die Pause zwischen zwei Tänzen um mit Millie zu reden. Sie schien sich ihrer Sache sicher zu sein. Doch als sie keine fünf Minuten Später wieder abzog, war es genau umgekehrt. Julius fragte sich, was Millie der Konkurrentin erzählt hatte. Er bedauerte es wieder, daß Claire nicht mehr da war. Sicher, sie war auch sehr eifersüchtig gewesen, bis Julius sich mit ihr auf den für sie später so verhängnisvollen Corpores-Dedicata-Zauber eingelassen hatte.

Um sechs Uhr abends war es endlich so weit. Unter schmetternden Fanfaren betrat zunächst Madame Roseanne Lumière in einem golden glitzerndem Kleid mit weißem Spitzenbesatz die Bühne. Julius stand zu dieser Zeit mit den anderen Mitschülern und den Lehrern angeführt von Madame Maxime in einer großen Gruppe zusammen, um die Akademie besser zu präsentieren.

"Sehr geehrte Festgemeinde, Bürger von Millemerveilles und Gäste", begann Madame Lumière. "Als Dorfrätin für Kulturelles und Festlichkeiten, habe ich seit bald einem Jahr mit meinen Freunden, Mitarbeitern und Verwandten auf diesen Tag hingearbeitet. Auf den Tag genau heute vor siebenhundertfünfzig Jahren, trafen sich fast genau an dieser Stelle die vier Familien Dumas, Rocher, Lagrange und Eauvive, um weit ab von den immer weiter ausgreifenden Städten der nichtmagischen Welt eine reine Zauberersiedlung zu begründen. Damals wurde eine kleine Ansiedlung auf ovaler Grundfläche von siebenhundert Metern Länge und fünfhundert Metern Breite mit zehn Häusern und Ackerland errichtet. Da hier, so die vier führenden Familien, jeder Zauber frei aufrufbar sein sollte, sofern er keinem anderen Schade, sollte hier der Ort der tausend Wunder entstehen, an dem Zaubererfamilien ohne Hemmungen ihre Gaben nutzen und sie ihren Kindern zeigen sollten. Nach der Gründung von Beauxbatons war die Errichtung von Millemerveilles das zweite entscheidende Ereignis in der Geschichte der südwesteuropäischen Zaubererwelt und prägte auch den Umgang der Zaubererschaft von Okzident und Orient. Der allererste Dorfrat, bestehend aus Cornelius Eauvive, Pierre Rocher, Auguste Dumas und Alfonse Lagrange brachte die ersten so wichtigen Regeln zum tragen, wie daß Millemerveilles ausschließlich von Zauberern besiedelt werden dürfe, wobei jedoch nicht darauf bestanden wurde, daß alle reinen Zaubererblutes seien. Im Jahr 1309 kamen noch Mitglieder der Lesauvage-Familie dazu und vergrößerten die Einwohnerzahl und den Dorfrat. Ab da wuchs und gedieh Millemerveilles, wie es ab da nur schon genannt wurde.

Damals waren Quidditch und andere Sportarten noch nicht weit genug entwickelt, um zu allgemeinen Freizeittätigkeiten zu werden. Schach, das königliche Spiel, war jedoch zu dieser Zeit den geistigen Herausforderungen zugetanen Hexen und Zauberern so bekannt, daß die Bürger Millemerveilles im Jahre 1345 ein Schachturnier austrugen, um zu ergründen, wer dieses Spiel am besten beherrschte. Seither wurde es in jedem Jahr ab dem 24. Juli wiederholt, auch als zwischen den Jahren 1542 und 1642 ein sehr dunkler Schatten auf Millemerveilles fiel und den Namen unserer schönen Ansiedlung zum Inbegriff von Angst und Unterdrückung gemacht hat. Um so erfreulicher und beruhigender ist es, daß sich Millemerveilles nach jenem düsteren Jahrhundert von allen dunklen Ereignissen erholte, ja da selbst zu einer Stätte fast vollkommenen Friedens und der Sicherheit wurde. Seither leben Hexen und Zauberer gleichberechtigt miteinander. Um die letzten sichtbaren Spuren der dunklen Vergangenheit zu beseitigen wurde 1650 jedes Haus um eine halbe Meile nach norden versetzt und im neuen Dorfzentrum jener einhundert Meter große Teich mit den zwölf Bronzeplastiken verbreiteter Tier- und Zauberwesen angelegt, der bis heute das bekannteste Wahrzeichen Millemerveilles ist. Weitere Attraktionen wie die grüne Gasse oder der magische Tierpark und das Geschichtsmuseum, welche zum fünfhundertjährigen Bestehen Millemerveilles gegründet wurden, vervollständigen das erhabene wie der Bildung gewidmete Erscheinungsbild des Dorfes, daß zwischen 1792 und 1815 wegen gewaltsamer Umstürzler in der nichtmagischen Welt und ihrem gegen alles sonderbare gerichteten Verfolgungswahn auf an die 100.000 Bewohner anwuchs. In dieser Zeit wurde auch ein wirksamer Schutzzauber zur Verdrängung nichtmagischer Menschen entwickelt, jedoch auch ein Mittel erfunden, um willkommene Gäste aus der nichtmagischen Welt ohne Arg und Pein für einen gewissen Zeitraum in den Grenzen Millemerveilles' willkommen zu heißen. Doch seit 1815 besteht unser Dorf mit seinen weitläufigen Ländereien wie Sie es heute vorfinden.

Millemerveilles genießt international einen sehr guten Ruf als Gemeinde der Ruhe und angenehmer Zerstreuung, aber auch als Festung gegen die Anhänger dunkler Kräfte und der von solchen durchdrungenen Kreaturen.

Im Verlauf seiner nun siebenhundertfünfzig Jahre langen Geschichte hat Millemerveilles viele Hexen und Zauberer hervorgebracht, die in der französischen, aber auch grenzübergreifenden Zaubereigeschichte Einfluß sowie Ruhm errungen haben, welche bis in unsere Zeiten hineinreichen." Dann zählte sie mehrere Dutzend Namen auf, darunter Amandus Castello, den ersten von drei in Millemerveilles geborenen Zaubereiministern, der 1690 gewählt wurde, Gallianus Papillon, den Schöpfer erwähnter Bronzefiguren um den Zentralteich, Yvonne Latierre, die eigentlich von in Cannes lebenden Eltern abstammte, aber 1707 im damaligen Dorfkrug von Millemerveilles zur Welt kam und von 1748 bis 1809 Schulleiterin von Beauxbatons war, über Belenus Dumas, der von 1849 bis 1892 Direktor der Delourdesklinik war, bis zu einer Claudine Rocher, die 1860 hier geboren wurde und als Meisterin der Zauberkunst und der Abwehr dunkler Kräfte gegen die dunklen Magier Witherland und Grindelwald gekämpft hatte und bedauerlicherweise bei einer Studienreise auf Sumatra von einem Letifolden getötet worden war, jedoch eine würdige Erbin in Form ihrer Enkeltochter Professeur Blanche Faucon hinterlassen habe. Auch Florymont Dusoleil wurde erwähnt, sowie - und das versetzte Julius in einen Zustand zwischen stolz und tiefer Trauer, dessen Tochter Claire, die es immerhin geschafft habe, als vorbildliche Schülerin in Beauxbatons zu brillieren und dreimal hintereinander den goldenen Tanzschuh von Millemerveilles zu gewinnen und doch noch so viel mehr vor sich hatte. Dann kam sie zum Ende ihrer Ansprache:

"Wir feiern heute den siebenhundertfünfzigsten Gründungstag von Millemerveilles in einer Zeit, die erneut von Dunkelheit und Schrecken bedroht ist. Doch gerade im dunkeln ist jedes Licht besonders hell. Ich weiß, daß wir in Millemerveilles auch diese neue Prüfung bestehen und anderen von unserer Kraft, unserer Beharrlichkeit und Vielfalt abgeben und ihnen damit helfen können. Ich hätte Ihnen allen noch viel mehr erzählen können, wie unser beschauliches und doch so weltgewandtes Dorf seine unauslöschlichen Fährten auf dem Pfad der Geschichte hinterlassen hat, doch möchte ich meiner Nachrednerin nicht vorgreifen, die sich schon darauf freut, ihre Eindrücke von Millemerveilles zu beschreiben. Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit und bitte um dieselbe Aufmerksamkeit für Madame Eleonore Delamontagne, die amtierende Dorfrätin für gesellschaftliche Angelegenheiten." Minutenlanger Applaus erscholl über den Festplatz, während Barbara van Helderns Mutter sich mehrmals verbeugte und dann, angestrahlt von der langsam sinkenden Sonne hinter den großen, himmelblauen Wandschirm mit weißen Wolkenmotiven darauf verschwand. Eine halbe Minute später trat Madame Delamontagne in einem sehr weiten, himmelblauen Kleid hervor. Sie war jedoch nicht allein. Hera Matine folgte ihr und trug ein himmelblaues Bündel in den Armen. Sämtliche Anwesenden klatschten Beifall und riefen ihre Glückwünsche zu ihr hinüber. Dreimal ertönte ein Tusch. Dann kehrte Ruhe ein.

"Hoch verehrte Festgemeinde, ich bedanke mich recht herzlich bei Ihnen für diesen sehr erhebenden Empfang", sagte sie freudestrahlend. "Ich wußte bis zum Morgen dieses Tages nicht, ob es mir überhaupt möglich sei, hier und jetzt zu Ihnen zu sprechen, um die Verdienste Millemerveilles in der gesellschaftlichen Entwicklung der europäischen Zaubererwelt zu erläutern, wobei ich, anders als meine Vorrednerin, auch über die von ihr erwähnte dunkle Periode sprechen muß, da sie ebenso ein unauslöschlicher Teil unserer Geschichte ist wie die sonstigen Ereignisse. Denn dieses Wissen und die Gewissheit, eben solche dunklen Zeiten überwinden zu können, erfüllt mich mit Stolz und Zuversicht, eine Tochter Millemerveilles' zu sein und meinen bescheidenen Beitrag zur Fortsetzung der rühmlicheren Verdienste meiner Heimat zu leisten. Immerhin gestattete es mir die große Naturmutter, diesen Tag für mich noch schöner und denkwürdiger zu gestalten. Ich möchte Ihnen allen hier und jetzt meinen just am heutigen Tag geborenen Sohn Baudouin vorstellen, der durch seine Ankunft schon einen Platz in der Geschichte Millemerveilles eingenommen hat. Denn es ist weder mir noch sonst jemandem aus Millemerveilles gelungen, in den Bürgerverzeichnissen Hexen und Zauberer zu finden, die genau an diesem Tag das Licht der Welt erblickten." Sie nahm ihren Sohn von Madame Matine und drehte sich mit ihm so, daß ihn alle sehen und ihm zujubeln konnten. Doch das schien dem künftigen Zauberer wohl große Angst zu machen. Er schrie laut und weitreichend. Madame Matine sah Madame Delamontagne leicht verdrossen an. Diese nickte ihr zu, sprach beruhigend auf ihren neugeborenen Sohn ein, während die Zuhörer spontan ein Wiegenlied sangen, um ihm den Schrecken zu nehmen, den sie ihm versetzt hatten. Dieses für zwei Minuten andauernde gemeinschaftliche Singen erfüllte Julius, der laut mitsang mit einem warmen, wohligen Gefühl der Verbundenheit und Hingabe. Dieses Kind hatte alle hier dazu gebracht, ohne Anweisung loszusingen wie Fans in einem Stadion, die sich über das Spiel ihrer Mannsschaft freuten. Madame Delamontagne genoss diese Wirkung, die ihr Sohn auf die zuhörer hatte. Als deren Sttehgreifchorgesang irgendwann verebbte, schlief Baudouin Delamontagne sogar. Sachte wurde er von seiner Mutter an die Hexe weitergereicht, die ihm in die Welt geholfen hatte. Als Madame Matine den Jungen übernommen hatte zog sie sich dezent zurück, während die junge Mutter weiter mit magisch verstärkter Stimme sprach und die Geschichte Millemerveilles noch einmal vom 15. März 1247 aus bis zum Schicksalsdatum 10. Januar 1542 darlegte.

"An diesem Tag starb Ignatius Flaubert, der letzte Verteidiger Millemerveilles. Seine schützende Magie, die er durch sein Blut und seine Lieder auf die Bevölkerung übertragen hatte, hielt nicht mehr länger vor, da er sich kurz vor seinem grausamen Ende dazu hatte verleiten lassen, auch mit dunklen Zaubern wider die anstürmenden Anhängerinnen Sardonias vom Bitterwald anzugehen. Am selben Tage noch ging Flauberts Haus in hellen Flammen auf, und Sardonia besetzte Millemerveilles, wo sie mit den zwölf mächtigsten Dunkelhexen ihrer Zeit Menschen verachtende Rituale wirkte, die böswillige Druiden der Vorzeit an ihnen treue Nachfolger weitergegeben hatten. Sie spannte damit einen Dom der Vertreibung und dunklen Wehr über Millemerveilles, der alle Feinde außerhalb der Wirkungszone dieser Rituale zurücktreiben und niemanden innerhalb der Grenzen ohne Schmerz verweilen lassen konnte. Auf diese Weise unangreifbar diente ihr Millemerveilles als Ausgangspunkt und Trutzburg einer hundertjährigen Herrschaft über die südwesteuropäische Zaubererwelt. Widersacher der hellen und dunklen Seite, wie der Schwarzmagier Gordon vom schwarzen Felsen aus dem schottischen Hochland oder die Bruderschaft der reinen Quellen versuchten, sie und ihre Bundesschwestern zu bekämpfen. Doch es gelang nicht. Millemerveilles - dies erwähnte meine Vorrednerin - wurde zum Inbegriff von Willkür, Unterdrückung und des Terrors gegen alle, die nicht Sardonias Idee einer ausschließlich von Hexen geführten Weltordnung anhingen. So konnte nur sie selbst ihrem unrühmlichen Treiben ein Ende setzen. Das Verlangen nach Unsterblichkeit, um ihre Idee von der Vorherrschaft der weiblichen Zauberkundigen weltweit zu verbreiten und allüberall unangreifbar zu werden trieb sie dazu, sich mit damals wie heute sehr mächtigen Wesen der Dunkelheit anzulegen, um deren angeborene Unsterblichkeit für sich zu gewinnen. So wäre ihre Alleinherrschaft im Jahre 1639 bereits zu Ende gegangen, als sie sich mit einer der neun unheimlichen Töchter des Abgrundes bekriegte, der ihre einzigen beiden Kinder zum Opfer fielen. Doch erst die Schlacht mit jenen unheimlichen Wesen, die wir hier alle unter dem Namen Dementoren kennen und fürchten beendete ihre über ein Jahrhundert andauernde Gewaltherrschaft. Am 24. Juni 1642 fand die entscheidende Schlacht in Millemerveilles statt, als einhundert dieser Kreaturen es mit vereinter Kraft schafften, ddurch die Barriere um Millemerveilles einzudringen und Sardonia zu stellen, die sich in einem Akt der Verzweiflung mit einer zerstörerischen Hexerei aus der Bedrängnis zu befreien versuchte. Doch als die Dementoren ihre Seele an sich reißen wollten, brach die ungehemmte Zerstörungskraft aus Sardonias Körper aus, zerstörte diesen und ließ fünfzig Dementoren mit ihr in einem Flammenstoß vergehen, der als Flammenstoß der Vernichtung unauslöschlich in die französische Zaubereigeschichte eingebrannt ist, als letzte Urgewalt, die Sardonia entfesselte und Hoffnungsfackel für eine bessere, freie Welt nach ihr. Durch ihre Vernichtung wurde die Barriere verstärkt. Im August desselben Jahres wurde der Grundstein für den magischen Bund gelegt, die Vereinigung friedfertiger Hexen und Zauberer, der den damaligen Zaubererrat ablöste und zur Gründung des französischen Zaubereiministeriums führte. Die während Sardonias Herrschaft erlassenen und ausgeübten Gesetze wurden bis auf drei Artikel auf den Stand von vor ihrer Herrschaft zurückgeführt. Dennoch genießen Hexen seither immer noch eine gehobene Wertschätzung in der französischen Zaubererwelt, dürfen ihren Töchtern ohne den Vater zu fragen die Namen auswählen, ihren Mädchennamen behalten, wenn sie eine von mehreren Töchtern ohne Bruder sind und haben das Recht, den Ehepartner durch die Besenwerbung zu einer verbindlichen Zusage aufzufordern.

Während der Barbarei in der nichtmagischen Welt, die dort selbst "Die französische Revolution" genannt wird und die davon proklamierten Grundsätze von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit schon kurz nach ihrem Ausbruch ad Absurdum führte, starben auch viele Zauberer und Hexen, deren nichtmagische Verwandtschaft den Schergen der neuen Machthaber mißfielen. Dies führte zu jener bis heute bedauerten Abspaltung der reinblütigen Zaubererfamilien, die gegen alle Gebote der Toleranz und des Miteinanders ihre Ablehnung der nichtmagischen Welt und der Hexen und Zauberer, die dort Verwandte haben bestätigt sahen und die deshalb alle Kontakte mit solchen Hexen und Zauberern abbrachen und sich ein eigenes, kleines Reich jenseits des Festlands schufen. In jenen Jahren zwischen 1791 und 1815, bis zum Sturz jenes größenwahnsinnigen Kriegsherren Napoleon wuchs die Bevölkerung Millemerveilles auf bis zu 100.000 Bewohner, wie Madame Lumière es bereits erwähnt hatte. Erst nach dem Ende jener barbarischen Epoche wagten es Hexen und Zauberer, wieder unter Nichtmagiern zu leben und mit ihnen Familien zu gründen. Millemerveilles galt nun nicht mehr als dunkle Festung Sardonias, sondern als Zuflucht Frieden und Ruhe suchender Hexen und Zauberer und zeichnete sich durch die Hervorbringung tatkräftiger Söhne und Töchter aus, deren Namen hier bereits genannt wurden.

Heute, in einer Zeit, wo von den britischen Inseln und anderswo her wieder dunkles Ungemach droht, ist es die besondere Aufgabe unserer Gemeinde, den Schutz friedlibender, mitmenschlicher Hexen und Zauberer zu gewährleisten und auch Schaden von der nichtmagischen Welt abzuwenden, der aus unserer Welt heraus entstehen könnte. Trotz oder gerade wegen der düsteren Epoche, in der Millemerveilles zum Inbegriff von Unterdrückung und Menschenverachtung wurde, sind wir heute frohen Mutes und voller Stolz, daß der Name unseres Dorfes und die Taten seiner Bürger mehr Licht als Dunkelheit in die Welt getragen haben und dies heute noch tun. Ich bin stolz, eine Tochter dieser großartigen Gemeinde zu sein. Ich fühle mich glücklich, zwei gesunde Kinder in diese Gemeinde hineingeboren zu haben und bin sehr guter Hoffnung, daß beide Kinder einen ihnen und uns allen gedeihlichen Weg einschlagen werden, so daß sie an weiteren Jubeltagen mit derselben Freude und demselben Stolz ausrufen können: "Ich bin ein Kind von Millemerveilles!""

Offenbar war dies der geplante Schlußssatz der Rede Madame Delamontagnes. Denn sie verbeugte sich, als die letzten Worte über ihre Lippen gegangen waren, und donnernder Applaus ließ die Luft über dem Festplatz vibrieren. tausende von Zuhörern jubelten, und mehrere hundert, die wohl aus Millemerveilles kamen nahmen die Parole auf: "Ich bin ein Kind von Millemerveilles!" Julius lauschte und hörte, daß seine Mitschüler aus Millemerveilles diesen Ruf ebenfalls aufnahmen und frei und inbrünstig weitertrugen. Wieder meinte er, in einem Fußballstadion zu stehen und die Verbundenheitsparolen begeisterter Fans zu hören. Er sah die Fahnen mit dem Wappen Millemerveilles, die von heimatverbundenen Bürgern geschwenkt wurden und hörte sogar Trommeln und Tröten, die im Rhythmus der Parole erklangen. Madame Delamontagne hatte erreicht, was sie wollte, die Verbundenheit der Bürger Millemerveilles zu beschwören und die davon ausgehende Kraft auf die Zuhörer überspringen zu lassen. Sie stand auf der Bühne, nun sichtlich erschöpft, wohl auch von den Strapazen der Geburt, aber freudestrahlend. So hatte Julius sie selten gesehen, zuletzt bei Barbaras Hochzeit. Er sah sich um, hörte wer alles "Ich bin ein Kind von Millemerveilles!" rief und stellte fest, daß es nicht mehr nur Bürgerinnen und Bürger waren, sondern auch Ehepartner, mit denen sie nicht mehr in diesem Dorf wohnten. So rief es Gustav van Heldern ebenso wie seine Frau Barbara und Camille Dusoleil, die nicht hier geboren war rief es zusammen mit ihrem Mann und ihren beiden verbliebenen Töchtern Jeanne und Denise. Er bedauerte, daß Catherine nicht mehr hier war. Sie hätte sicherlich in den Ruf mit eingestimmt. Er sah Professeur Faucon, die zunächst wohl überlegt hatte, ob es ihrer Würde und ihrem Ansehen schaden mochte, mit den Massen zu rufen, doch dann wohl beschlossen hatte, daß sie gerade als eine wichtige Amtsperson ihre Verbundenheit mit den Bewohnern des Magierdorfes in Südfrankreich bekunden wollte, um zu zeigen, daß auch sie ein Kind von Millemerveilles war. Dieser magielose Zauber der Heimatverbundenheit wirkte ganze zehn Minuten lang. Julius ertappte sich dabei, daß auch er in den Ausruf einstimmen wollte. Doch er würgte sich selbst immer wieder ab, weil ihm einfiel, daß er trotzdem er fast schon hier wohnte kein Recht dazu hatte, sich als Kind von Millemerveilles zu sehen. Denn nach allem, was er früher schon gehört, miterlebt und nachgelesen hatte, bis zu dieser Rede heute, war ihm klar, daß es kein reiner Zufall war, hier aufzuwachsen, sondern eine große Ehre, die das Schicksal einem gönnte, ohne vorher zu verraten, was aus solchen Kindern wurde. Baudouin Delamontagne war heute zum Bürger dieses Dorfes geworden und damit schon geehrt, obwohl er noch keinen Tag auf der Welt war. Würde er sich dieser Ehre als würdig erweisen, indem er einmal was herausragendes tat? Oder würde er nur mit dem Stolz, hier geboren zu sein und aufzuwachsen leben, ohne groß in Erscheinung treten zu müssen. Sicher, von der Mutter her war ihm wohl eine Karriere in der Zaubererwelt sprichwörtlich in die Wiege gelegt oder würde ihm mit der Muttermilch dargebracht. Aber wie Julius von sich selbst wußte, Herkunft und Stellung der Eltern bestimmten nicht den Lebensweg vor. Und wenn er genauer darüber nachdachte, dann war er auch froh, daß das so war und er wie alle anderen hier auch immer neu entscheiden durfte, wie das eigene Leben weitergehen sollte.

Als endlich alle genug gerufen hatten und Madame Delamontagne noch einmal Applaus und Jubel entgegengenommen hatte, trat Madame Lumière noch einmal auf die Bühne und verkündete, daß nun alle Gelegenheit hatten, sich für den weiteren Abend einzustimmen. Neben dem Konzert von Hecate Leviata, zu dem Angelique Liberté noch einen Auftritt hinlegen würde, konnten die Besucher weiterhin die Attraktionen besuchen, wie die Karussells, die Museen und Parks.

Um kurz nach sieben Uhr trat Hecate Leviata auf. Wie er es schon einmal bei ihr gesehen hatte, flog sie umspielt von bunten Lichtern auf ihrem Besen heran. Dann, in einem Farbenspiel von Zauberlichtern, legte sie mit ihren Begleitmusikern los. Anders als damals war es nun auch möglich, zu den Liedern zu tanzen, wenngleich mehr als zweitausend Besucher da waren. Julius tanzte zu einem flotten Stück der Musikhexe mit Millie, ihren Cousinen, ihrer Tante Patricia und Marc Armand einen Tanz zu sechs Leuten, wie ihn andere auch vollführten. Gebadet in grün-goldene Lichtfontänen von oben und die trällernden Töne des schnellen Stückes im Ohr hielt er gut mit, während Marc immer müder aussah.

"Wenn ich nachher wieder im Palast bin kann ich mich gleich hinschmeißen", stöhnte er. Patricia hörte das und meinte:

"Das hältst du durch, Marc. Sei froh, daß du gut abgespeckt hast."

"Mädel, wenn es nicht mehr geht, lasse ich's", erwiderte Marc.

"Du kommst aber gut klar?" Fragte Millie Julius. Er nickte.

Belisama und Sandrine tanzten sich durch die fröhliche Festgesellschaft, die immer wieder von neuen Mitfeiernden ergänzt wurde. Sie fragten Julius, ob er mit ihnen und Seraphine eine kleinere Gruppe bilden würde. Seltsamerweise verzichtete Millie auf jeden Kommentar dazu. Julius nahm an und tanzte sich so mit verschiedenen Mitschülern und anderen Besuchern bis zur Bühne vor, wo die Künstlerin gerade mit der Kunstflughexe Angelique Liberté eine Zweierformation bildete und sich dabei etwas wie kleine Kugeln aus Licht zuspielte wie Quidditchbälle. Als Julius bei Camille Dusoleil ankam, die ihre Schwägerin Uranie, ihre Töchter, Bruno und die erwachsenen Latierres zu einer Tanzgruppe zusammengestellt hatte, wurde er ohne weiteres Gerede in diese Gruppe eingefügt.

"Wo ist denn Ihr Mann?" Fragte er Camille, hier die höfliche Sie-Form benutzend, da sie nicht unter sich waren.

"Der verkauft weiter alles, was er heute noch wegkriegen kann. Deine Zauberlaterne ist ein Renner, sagt er. Du kriegst von ihm noch einen Bericht, wieviel er davon anbringen konnte."

"Belisama hat sich auch eine geholt. Zehn Galleonen nimmt er ja dafür", sagte Julius.

"Davon wirst du ja vier Zehntel kriegen, wenn ich das richtig in Erinnerung habe."

"Schon viel", sagte Julius. Er hatte mit Florymont ja einen Lizenzvertrag ausgehandelt, daß er bei einem Verkauf vierzig Prozent Reingewinn kriegen konnte. Somit würde ihm das Jubiläum möglicherweise einiges an Geld einbringen. Wenn er daran dachte, daß er im letzten Sommer viel für neue Kleidung hatte ausgeben müssen schon ein Trost, daß er was erfunden hatte, daß ihm jetzt schon ein gewisses Einkommen verschaffte.

Als das Lied und die Formationsfliegerei vorbei war landete Hecate Leviata auf der Bühne. Ihr schillerndes, wie ein Chamäleon die Farben wechselndes Kleid floss wie miteinander verwebte Wassertropfen um sie herum. Als sie sah, wer gerade vor der Bühne stand lächelte sie so strahlend, daß Julius ihre makellosen Zähne sah, die wohl mit einer Art Leuchtpaste dazu gebracht wurden, aus sich selbst heraus weiß zu strahlen. Sie winkte allen zu und blickte Julius an. Er sah ihr kurz in die graugrünen Augen, deren Pupillen wohl durch einen kosmetischen Trick vergrößert worden waren, vielleicht durch das simple Auftragen von Tollkirschensaft. Dann hob sie wieder mit ihrem Besen ab und stimmte das nächste Lied an. Julius wunderte sich wieder einmal, daß der Stimmverstärkungszauber eine gleichbleibende, raumfüllende Lautstärke bewirkte, egal wie der, der ihn benutzte gerade zu den Zuhörern stand oder über ihnen flog. Er sang das Lied mit, das sie und ihre vier ständigen Musiker spielten, wie die folgenden Lieder auch. Davon und vom vielen Tanzen sehr ermüdet hätte er fast die Uhrzeit aus dem Blick verloren. Als Madame Dusoleil ihn fragte, wann er wieder am Ausgangskreis sein müsse, erschrak er, weil es nur noch eine Minute bis neun war. Er sah sich um. Er sah gerade noch, wie Martine und ihre Eltern Millie und die Latierre-Zwillinge per Apparieren fortbrachten. Patricia und ihr Freund schienen bereits weg zu sein. Ebenso konnte er keinen blaßblauen Umhang oder eine blaßblaue Beauxbatons-Bluse mehr sehen.

"Ich bring dich mal eben zum Ausgangskreis!" Mentiloquierte Camille Dusoleil. Julius nickte dankbar. Er hatte doch glatt die Zeit vergessen vor Tanz und Gesang.

Als er knapp zwanzig Sekunden vor Ablauf des von Madame Maxime gesetzten Rückkehrzeitpunktes am Ausgangskreis ankam umarmte ihn Camille noch einmal:

"Schön, daß du da warst, Julius. Ich bin froh, daß du wieder lachen und singen kannst. Komm gut nach Beaux zurück!"

"Haben Sie noch andere von Ihren Mitschülern dort gesehen, wo Sie gerade herkommen?" Wollte Madame Maxime von ihm wissen, die wie eine Schäferhündin herumlief um ihre blaßblau gewandete Herde zusammenzutreiben.

"Bei dem Konzert habe ich keinen mehr gesehen", sagte Julius wahrheitsgemäß.

"Es fehlen aber noch fünfzehn!" Schnaubte die Schulleiterin. Julius sagte dazu nichts. Er sah, daß seine Pflegehelferkameradinnen vollzählig waren, ebenso die Latierres und Marc Armand, der ungeniert zwischen den Zwillingen lehnte, die ihn hielten. Als Madame Maxime sie ansah, meinte Patricia, daß Marc zu erschöpft sei, um länger als nötig zu stehen.

"Schwächling!" Tönte einer der Zweitklässler aus dem roten Saal, die an diesem Tag mitgekommen waren. Madame Maxime funkelte den Rufer an, nicht aber so drohend wie Patricia.

"Die Zeit ist um! Wenn die fehlenden Herrschaften nicht erscheinen, bevor ich mit der letzten Sphäre abreise, muß ich sie wohl als grob undankbar und ungehorsam abstrafen." Mirabelle, bitte bringen Sie die erste Abteilung zurück!"

 

"Natürlich, Madame Maxime", sagte Professeur Bellart. "Andrews, Julius! Bitte zu mir in den Kreis treten!"

Sie rief noch weitere auf, von denen jedoch vier fehlten. Also hatten sie nur noch die Chance, mit Madame Maxime ganz zum Schluß zurückzureisen. Als die Reisesphäre die erste Abteilung auf dem Gelände von Beauxbatons absetzte fühlte Julius, wie ihn dieser Tag gut geschlaucht hatte. Das lag aber auch daran, daß er außer Mittags nichts mehr gegessen hatte. Zu trinken hatte er zwischendurch gehabt. Sein Gutschein war bis auf fünf Sickel verbraucht.

"Schlaft gut!" Wünschte er den Pflegehelferkameradinnen. Die erwiderten den Gruß lächelnd. Dann wandschlüpften sie in ihre Wohnsäle zurück.

Im grünen Saal erstattete Julius seinen Klassenkameraden Bericht. Hercules und Robert hörten sich an, wie er das Labyrinth der tausend Gesichter beschrieb, ohne auf Einzelheiten eingehen zu müssen.

"Ich war auf diesem Freiwirbelding und in dem Kugelkreisel", sagte Hercules. "Gutes Richtungswechseltraining!"

"Haben sich Millie und Belisama vertragen?" Fragte Céline. Laurentine und Julius sahen sie an. Bébé meinte, daß sie Millie großräumig aus dem Weg geblieben sei aber von Belisama gehört habe, daß die wohl immer noch komisch drauf sei.

"Ich hab's jetzt amtlich, daß die beiden wohl meinen, mit ihrer Zickerei meine Gunst zu erkämpfen", knurrte Julius. "Ich weiß echt nicht, ob ich dieses Jahr nicht auch auf Walpurgis verzichten soll."

"Dann soll Bébé dich einladen", sagte Céline entschlossen. Laurentine verzog das Gesicht und meinte, sie wolle sich das noch überlegen, ob sie wirklich da mitmachen oder doch nur so mitfeiern wolle. Julius fragte sich auch, ob das taktisch so geschickt wäre, wenn er sich auf Bébé als Besenherrin einließe. Es reichte ihm schon, daß Belisama und Millie sich angifteten. Er wollte nicht, daß Bébé auch noch in dieses Gerangel hineingezogen wurde, obwohl sie gar nichts von ihm wollte.

"Du siehst ziemlich abgekämpft aus. War das so heftig bei dem Fest?" fragte Hercules den Kameraden.

"Ich werde mich gleich noch einmal unter die Brause stellen und dann direkt zum Matratzenhorchen abkommandieren."

"Übermorgen müssen wir alle voll gut drauf sein, damit wir die Gelben plattmachen können", sagte Hercules noch. Julius nickte.

Als er um halb elf im Bett lag dachte er noch einmal daran, was ihm heute passiert war. Er hatte Virginies kleinen Bruder kaum zwei Stunden nach der Geburt gesehen, die grüne Gasse besucht und haarsträubende Karussells ausprobiert. Er freute sich, daß die Dusoleils und die Brickstons mit seiner Mutter immer noch gut klar kamen. Dabei dachte er daran, daß bald Elternsprechtag war. Das würde für Camille und Florymont noch einmal hart werden, weil sie ja nun niemanden mehr hier in Beauxbatons hatten, deretwegen sie herkommen mußten. Denise würde ja erst in zwei Jahren eingeschult, also dann, wenn Julius, wenn alles gut ging, in die siebte Klasse kam. Dann dachte er an Mildrid, die ihm an diesem Tag überdeutlich zu verstehen gegeben hatte, daß sie sich immer noch für ihn interessierte. Die Schonzeit war endgültig vorbei. Claire hatte das ja vorausgesehen, erkannte er. Die Vision von der Blumenwiese, wo sie ihm ihre mögliche Nachfolgerin an seiner Seite vorgestellt hatte, ergab tatsächlich einen Sinn. Wollte er wirklich nichts von Millie, daß er ihr auf den Kopf zusagen konnte, daß sie ihn anwiderte? Früher hätte er diese Frage glatt mit "Nein" beantwortet. Doch im Moment fühlte er sich merkwürdig unentschlossen. Denn auch Belisamas Getue irritierte ihn. War es Angst, daß sie zu spät kommen könnte? Oder war sie in Wirklichkeit nicht anders als Millie und verstellte sich nur geschickt genug, um sich nicht als Luder oder sittenloses Mädchen beschimpfen lassen zu müssen? Er hörte Joes Worte noch, daß ihn das Getue pubertierender Hexenmädchen nicht interessiere. Aber ihn, Julius, sollte das schon interessieren. Er dachte daran, daß Goldschweif ihm ohne zu zögern Millie angebracht hatte, als er sie damals einfangen mußte, weil sie aus ihrem Gehege entwischt war. Aber Goldschweif war trotz all der erkennbaren Intelligenz ein Tierwesen, ein sich nur auf die Instinkte einlassendes Geschöpf, das Männchen und Weibchen nur danach einteilte, ob sie gerade in Paarungsstimmung waren, Junge hatten oder derzeit nicht fortpflanzungsbereit waren. Wenn Millie auf dieser niedrigen Ebene dachte und handelte, müßte er sich doch eigentlich sagen, daß sie nichts wert war. Aber genau das konnte er nicht. Denn innerlich empfand er es schon als eine gewisse Anerkennung, daß sich ein Mädchen wie Millie die Mühe machte, einem Jungen nachzusteigen, der schwerfällig wie ein großer Felsbrocken zu bewegen war, sich auf mehr als gute Kameradschaft einzulassen. Er beschloss für sich, das Tehma bis nach dem Quidditchspiel zu vertagen, um einen klaren Kopf zu haben.

 

__________

 

Der Freitag verstrich mit der üblichen Routine, eben nur daß die Nachzügler, die beim Aufruf der dritten Sphäre doch noch eingetroffen waren einhundertfünfzig Strafpunkte und Putzdienst aufgebrummt bekommen hatten. An und für sich hatte Madame Maxime ja schon bei Verpassen des Zeitpunkts für die erste Sphäre dreihundert Strafpunkte angedroht. Wie kam es also, daß sie nur halb so streng durchgegriffen hatte?

"Offenbar hat Maxime von den Leuten in Millemerveilles gesagt bekommen, etwas lockerer mit ihren Schülern umzugehen", vermutete Robert, als Julius sich mit den Jungen am Mittagstisch unterhielt. "Immerhin ist keiner geflogen."

"Sie hätte auch einfach sagen können, daß sie nur eine halbe Stunde warte und einfache Verspätungsstrafpunkte rauslässt, wie imUnterricht. Hundertfünfzig sind mir immer noch zu heftig", meinte Julius Andrews.

"Das ist der Charme der Maman Beauxbatons. Du kannst hier eher bestraft als belohnt werden", seufzte Hercules. "Trotzdem sind viele traurig, wenn sie endlich mit der Plackerei hier durch sind oder kommen als Lehrer freiwillig zurück."

"Sadomasochismus heißt das, wenn jemand gerne quält oder leidet", versetzte Julius dazu. "Mein Vater hat mir das erzählt, daß in manchen Studentenverbindungen auf der Uni, wo er war rauhe Eingliederungsbräuche üblich waren, ähnlich wie bei Steinzeitmenschen und afrikanischen und amerikanischen Ureinwohnern. Insofern war ich froh, daß hier in Beauxbatons sowas nicht mehr üblich ist."

"Weil jeder Schüler hier eben ein Schüler ist, bis der letzte Schultag rum ist", sagte Robert. "Diese Unsitten, die wohl in der Muggelwelt üblich sind kommen nur vor, weil sich da die älteren Schüler oder diese Studenten was drauf einbilden, schon länger dabei zu sein und wohl am Anfang selbst drangsaliert wurden und sich freuen, die Anfänger fertigmachen zu können."

"Vielleicht, weil wir's von Madame Maxime hatten, ist ihr auch eingefallen, daß sie gerne selbst länger bei dem Hecate-Leviata-Konzert geblieben wäre", vermutete Hercules. Robert grinste.

"Die und unsere Saalkönigin können die nicht ab. Wird also was anderes gewesen sein."

"Hauptsache, wir versenken morgen die Gelben", setzte Hercules den Schlußpunkt. Alle stimmten ihm zu.

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