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Julius Andrews - Auf seinem Weg in die Zaubererwelt von Thorsten Oberbossel

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"Du fliegst uns die Doppelachse so schnell du kannst vor. Wir gucken uns das dann in den Omnigläsern an", sagte Brittany wohlwollend lächelnd. Außer den Friday-Drillingen waren sie und ihre Kameraden Venus Partridge und Notus Corner einen Tag nach dem Spiel auf dem Feld zusammengekommen. Millie grinste hinter Julius' Rücken. Nun kam er nicht mehr drum herum, auch ihr die von ihm so gut erlernte Doppelachsen-Flugtechnik beizubringen.

"Ich garantiere für nichts", sagte dieser noch einmal zu den versammelten Quodpottern und saß auf dem Besen auf. Dann flog er einige Runden über dem Feld, um sich aufzuwärmen. Nach zwei Minuten machte er die ersten Doppelachsen, wobei er so eng wie möglich manövrierte. Nach zwanzig Doppelachsen winkte ihm Brittany zu, er möge landen.

"Sieht nicht gerade einfach aus", sagte sie. "Aber wir lassen dich eh nicht weg, bis wir die alle nachfliegen können." Sie lächelte dabei schalkhaft. Millie nickte ihr zustimmend zu und strahlte ihren Freund an.

"Eigentlich müßtest du die Vereinsmanager um ein Honorar bitten, weil du den Leuten hier ein sehr vorteilhaftes Manöver beibringst", meinte sie zu Julius. Dieser erwiderte:

"Eigentlich müßte ich vorher bei Aurora Dawn anfragen, ob ich jedem anderem das überhaupt zeigen darf. Immerhin hat sie dieses Flugmanöver erfunden."

"Ja, und sie bekommt bestimmt von ihrer Heimmannschaft genug Geld dafür, wenn die damit gewinnen kann", entgegnete Millie darauf. "Meine Mutter hat ihre Verbindungen in andre Länder, wie du weißt."

"Ich rede mit den Vereinsbossen, ob dein Freund dafür was kriegt", sagte Venus dazu. "Wenn wir dafür im nächsten Jahr mehr Punkte pro Spiel holen ist das denen die Sache bestimmt wert." Julius nickte. Dann wartete er, bis die Lernwilligen sich mit ihren Omnigläsern seine Flüge in großer Verlangsamung immer und immer wieder angesehen hatten. Brittany meinte dann:

"Okay, wie du die Hände führst und dich verlagerst können wir so sehen. Aber irgendwie fehlt mir beim nur hinsehen die Rückmeldung vom Körper selbst, wann du wie wohin mußt, um die Punktwende so hinzukriegen. Flieg noch mal los und mach erst einige langsame und dann immer schneller ablaufende Wenden!" Julius sah sie fragend an und meinte, daß sie daran wohl nicht mitkriegen würde wie es ging. Sie fragte ihn darauf amüsiert grinsend:

"Wie hast du das denn so schnell gelernt?"

"Wie ich gesagt habe hat mir Ms. Dawn ein besonderes Training ermöglicht. Da ich aber nicht gelernt habe, wie ich das auf dieselbe Weise unterrichten kann, kann ich euch das leider nicht anbieten."

"Jau, das ist doch eine klare Antwort", grinste Brittany. Dann sah sie Millie an, die Julius etwas pickiert anblickte. Wieder schienen die beiden jungen Hexen sich auf einer gemeinsamen Wellenlänge zu befinden, weil Millie fragte:

"Hat dir Ms. Dawn ihre tollen Tricks mit dem Introsenso-Zauber gezeigt, Julius?" Dieser sah Millie erst verwundert an, nickte dann aber bestätigend. Brittany grinste überlegen, ebenso Venus.

"Das sehen wir ein, daß du Introsenso noch nicht gelernt hast. Ist ja auch nicht so einfach, jemanden anderen in die eigene Sinneswelt hineinzubugsieren", sagte Brittany. "Aber ich habe mir gestern schon sowas ähnliches gedacht, als du das mit der besonderen Schulung erzählt hast. Deshalb meinte ich ja auch, daß wir ja alle schon große Mädchen wären." Notus schüttelte entschieden den Kopf. Die weiblichen Mannschaftsmitglieder und Millie lachten lauthals darüber. "Stimmt, Note, du bist kein großes Mädchen", fügte Brittany schelmisch grinsend hinzu. Dann überstrich sie ihre Kameradin Venus und sich mit einer Handbewegung und fuhr fort: "Aber Venus und ich können Exosenso-Zauber machen, falls du keine Komplexe kriegst, wenn jemand den mit dir macht."

"Ich weiß ja nicht, ob ich das mitkriegen würde", sagte Julius darauf. Millie sah Brittany leicht verstört an. Sie meinte daraufhin, daß sie weder den einen noch den anderen Zauber könne, abgesehen davon, daß sie selbst in den Ferien auch in den Staaten nicht zaubern dürfe. Darauf hin ploppte es vernehmlich, als Venus ohne Ankündigung in leerer Luft verschwand.

"Hups, wo will die denn jetzt hin?" Fragte Notus perplex.

"Weiß ich jetzt auch nicht", grummelte Brittany. "Aber noch mal zu dir, Julius. Du hättest nichts dagegen, wenn ich versuche, sozusagen hauteng bei dir mitzufliegen?"

"Wie gesagt kriege ich das ja nicht mit", erwiderte Julius darauf. Millie grummelte nur, daß ihr dann ja doch nur das zugucken bliebe. Julius sagte nichts darauf. Er fürchtete, daß jedes Wort dazu verkehrt sein konnte. Brittany sah sie mitfühlend an und sagte:

"Vielleicht kriegen wir das irgendwie hin, daß wir dir das Gefühl für die Körperhaltung und Handbewegungen irgendwie anders rüberbringen können." Millie nickte verhalten. Dann sollte Julius sein bisher so einzigartiges Können noch einmal vorführen. Er flog auf und flog erst einige Runden, bis er ein merkwürdiges Kribbeln fühlte, das ihm durch den ganzen Körper ging und irgendwie in seinem roten Herzanhänger verstärkt wurde. Dann hörte er Brittanys Gedankenstimme in sich:

"Hups, kriegst du mich echt mit? Ist ja spannend. Dann mach mal!" Julius fühlte, wie das Kribbeln in seinem ganzen Körper etwas nachließ und nur durch seinen Herzanhänger überhaupt noch wahrnehmbar war. Doch er ignorierte es und flog seine Doppelachsen mehrmals aus, erst langsam, dann von mal zu mal schneller werdend. Dann irgendwann meinte er, irgendwas würde sacht aus seinem Kopf und Körper hinausgleiten, und das Vibrieren seines Herzanhängers ebbte ab, bis nur das so vertraute, warme Pulsieren blieb, das ihm zeigte, daß seine Partnerin Millie mit ihm verbunden war.

"Ich möchte das jetzt nachfliegen", mentiloquierte Brittany. "Bleib ruhig oben!"

Julius blieb oben und flog Feldrunden ab, während Brittany in der Feldmitte die Doppelachse nachflog und dabei immer besser wurde. So nach dreißig Manövern in alle Richtungen des Raumes flog sie zu Julius hinüber und strahlte ihn an.

"Notus kann diesen Zauber auch nicht so gut und hat den nie wieder ausprobiert, nachdem er statt in der Empfindungswelt seiner Verlobten in der seiner hochschwangeren Schwiegermutter in Wartestellung gelandet ist", mentiloquierte sie ihm, während sie ruhige Feldrunden flog. Julius zwang sich, nicht schadenfroh zu grinsen. Dann rief Venus von unten:

"Julius, komm bitte noch einmal runter!" Er nickte Britt zu und landete. Millie strahlte Venus Partridge an, die in der linken Hand ein Tuch und eine art Nachtmütze hielt.

"Da längst nicht jeder und jede hier so gut im Exosenso-Zaubern ist habe ich meinen Erzeuger bekniet, uns eine vorbehandelte Kombination für exosenso-Sitzungen auszuleihen, nachdem ich ihm verständlich machen konnte, daß seine Tochter dadurch ein sehr wichtiges Flugmanöver lernen könne, mit dem sie in der nächsten Saison nicht nur mehr Punkte machen, sondern wesentlich weniger Zusammenstöße abkriegen würde. Kennt ihr beiden sowas, Millie und Julius?" Sie zeigte die beiden sachen noch einmal vor. Millie und Julius nickten. Natürlich kannten sie die Exosenso-Haube und hatten auch schon mehrere interessanten Sachen damit erlebt. So nahm Julius das Tuch, knotete es sich so sicher und fest um den Hals, daß er noch frei atmen konnte aber trotzdem die wildesten Manöver fliegen konnte. Millie durfte die Haube zuerst aufsetzen. Sofort wurde das Pulsieren des roten Herzens stärker, fand Julius. Es war ihm, als flösse aus dem Anhänger heißes Blut von außen in seinen Körper hinein und rege ihn wohlig an. Diese Reaktion hatte er nicht erwartet.

"Hallo, was ist mit dir?" Fragte Venus Julius, der wohl immer angeregter aussah, als durchlebe er gerade einen herrlichen Liebesakt.

"Hömm, irgendwie wirkt die Verbindung auf mich so, als würde mir Millie gerade was gutes tun." Millie schien unter der Haube zu kichern. Zumindest glaubte Julius, sie kichern zu hören. Dann meinte sie:

"Liegt bestimmt an den Herzen, Julius. Ich komm auch irgendwie richtig in Stimmung."

"Ups, das habe ich nicht überlegt", meinte Venus und trat zu Julius hin. "Nimm den Anhänger besser ab, solange die junge Mademoiselle bei dir mitfliegt!" Julius fühlte, wie die von außen in ihn einströmende Kraft ihn immer leidenschaftlicher stimmte, ihn wie eine Glühweininfusion berauschte und anheizte. Er spürte, wie sein Körper auf diese magische Stimulation reagierte. Er sah Millie an, deren Gesicht unter dem blauen Stoff der Haube verborgen war, konnte jedoch sehen, wie sie angeregt ein- und ausatmete und dabei ihre Oberschenkel zuckten, als wolle sie gleich einen Spagat springen oder etwas wesentlich privateres anstellen. Er griff unter sein Unterhemd und zog den kräftig pulsierenden Anhänger hervor, der sich wärmer als seine Hand anfühlte und wie ein aus dem Körper gelöstes Herz pochte. Vorsichtig zog er die Kette über den Kopf und öffnete seinen Practicus-Brustbeutel, um den Anhänger darin zu versenken. Sofort hörte diese von außen zugeführte Anregung auf. Millie knurrte verstimmt. Doch dann sagte sie:

"Vielleicht besser so." Julius verstaute seinen Brustbeutel wieder sicher unter der Kleidung und saß auf dem Besen auf. Dann flog er für Millie erst langsam und dann immer sicherer den Doppelachser. Er verdrängte die Vorstellung, daß Millie nun alle körperlichen Regungen von ihm wie die eigenen empfand und mit seinen fünf Sinnen die Umwelt wahrnahm. Irgendwann rief Venus, daß Millie es selbst ausprobieren wolle. Ohne die Haube über dem Gesicht stieg sie auf ihrem Besen nach oben und vollführte in einer der nun potlosen Endzonen die Flugbewegungen, bis sie rief, daß sie das jetzt wohl raushabe und mehrere Doppelachser hintereinander ausflog. Julius rief zurück, daß er sich freue und sah ihr zu, wie sie immer sicherer flog.

"Dann mach mich jetzt mal fit dafür!" Klang Venus' Gedankenstimme in seinem Kopf. Julius flog die Doppelachser weiter und weiter, erst langsam und dann immer schneller, bis Venus auch nach oben kam und das beigebrachte nachahmte, bis sie fast so sicher flog wie Julius. Millie fühlte sich richtig stark, daß sie dieses aus sehr schnellen Bewegungen bestehende Wendemanöver nun raushatte und lieferte sich mit Brittany in der von ihr ausgeflogenen Endzone einen Wettbewerb. Julius flog erst einmal ruhige Feldrunden ab, um sich etwas von den schnellen Manövern zu erholen. Dann rief Hope Friday, daß ihre Schwester Dawn nun die Haube aufhabe. Julius flog nun wieder die Doppelachser aus, bis die älteste der dunkelhäutigen Drillingsschwestern zu ihm nach oben kam.

"Jau, fühlt sich zwar komisch an, in 'nem Männerkörper rumzufliegen. Aber bringen tut's echt was", meinte Dawn Friday und probierte aus, ob es klappte. Brittany und Millie landeten derweil wieder, um den nun fliegenden Trainingspartnern genug Platz zu lassen. Nach zehn Minuten Erholungspause für Julius wollte Hope Friday von ihm lernen, wie die Doppelachsentechnik ging. Zwanzig Minuten später war Eve an der Reihe. Zum Schluß kam Notus Corner an die Reihe. Julius war jedoch schon ziemlich erschöpft. So schaffte er es gerade noch anständig zu landen, als Notus nach oben stieg und auf seinem Besen die neue Flugtechnik ausprobierte.

"So, ich bin jetzt platt", meinte er. "Das schlaucht doch heftig." Er nahm das Tuch ab und gab es Venus, die ihn anerkennend anlächelte und meinte:

"Ist schon ziemlich anstrengend. aber du bist echt gut in Form." Millie kam zu ihm und meinte, er möge doch den Anhänger wieder umlegen. Er grinste und holte das halbe Herz an seiner Kette wieder aus dem Brustbeutel und hängte es sich um. Sofort pulsierte es wieder ruhig und wohlig unter seinem Unterhemd.

"Das steck ich aber Tante Trice, daß die Anhänger so mit einer zusätzlichen Exosenso-Verbindung wirken", grinste sie. Venus meinte:

"Wußte ich vorher ja nicht, daß ihr beiden euch schon so miteinander vereinbart habt. Diese Anhänger sind ja schweineteuer. Aber dafür kriegst du was für's Geld. Meine Eltern haben die goldene Ausgabe für Eheleute. Deshalb wußte ich das, wie die Haube zusammen damit wirkt. Dad meinte mal, es wäre so, als würde er meine Mom körperlich lieben", flüsterte Venus verrucht dreinschauend. "Er hat das aber keinem aus seiner Zunft auf die Nase gebunden. Nachher wollen Liebes- oder Ehepaare die Haube kaufen und dann in Verbindung mit den Anhängern aus mehreren Meilen miteinander in Schwung kommen."

"Bei den Muggeln heißt sowas Cybersex, wenn es zwei Leute mit Hilfe einer Maschine aus großer Entfernung tun", wußte Julius und grinste jungenhaft.

"Dann bringe ich meinem Dad die Haube und das Tuch besser wieder. Öhm, muß er nicht wissen, daß ich euch zwei fast damit richtig doll gemacht habe", zischte Venus Millie und Julius zu und disapparierte.

"Hmm, besser ist das wohl, wenn das nicht jeder weiß", meinte Millie zu Julius. "Nachher zieht Königin Blanche die Dinger doch noch ein, weil sie meint, wir könnten uns durch alle Wände und Türen richtig doll liebhaben." Julius nickte ihr entschlossen zu. Dann grinste er und meinte:

"Aber abgedreht ist die Kiste schon. Vielleicht sollte ich doch Heiler werden. Dann darf ich das Set beantragen. Dann könnte ich es dir von hier aus besorgen, wenn du in Paris bist."

"Mag ja sein, daß das wirklich voll reinhaut, Monju", flüsterte Millie. "Aber du legst es doch nicht echt darauf an, darauf zu verzichten." Sie schlang ihre Arme um ihn und küßte ihn leidenschaftlich. Die Friday-Schwestern glubschten etwas verstört, als die beiden Gäste aus Frankreich sich so eng aneinander drückten, als wollten sie die allernächste Nähe miteinander finden. Er meinte dann zu ihr:

"Stimmt, hast recht. So richtig zusammen bringt's mehr als über mehrere Kilometer. Dann könnten wir ja gleich fragen, ob's einen Trank gibt, der das macht oder ..."

"Abgesehen davon legst du es doch echt nicht drauf an, weiter von mir weg zu sein als fünf Kilometer, oder, Monju?" Fragte Millie grinsend.

"Du wirst nicht immer gefragt, ob du mal hier oder dort hinfahren willst, wenn du für wen arbeitest. Mein Vater fand das auch nicht immer toll, mal eben anderswohin bestellt zu werden." Er fühlte, wie dieser Satz in ihm ein paar dunkle Saiten zum schwingen brachte. Millie merkte das wohl und verstärkte die Umarmung noch einmal, um ihm zu zeigen, daß er nicht alleine war. Dann sah sie die drei Friday-Schwestern an und fragte frei heraus:

"Habt ihr das noch nie gesehen, wenn sich zwei Leute liebhaben?"

"Nicht so heftig", meinte Eve Friday und blickte verlegen auf Mildrid und Julius.

"Am besten ziehen wir uns alle erst einmal wieder um", meinte Brittany und klopfte Millie und Julius auf die Schultern. "Wir haben wohl genug trainiert." Alle stimmten ihr zu. Notus landete auch noch und folgte Julius in die Umkleide.

"Ey, ich besorg mir die Dinger auch", meinte er und deutete auf Julius' Herzanhänger. "Hätte ich schon längst gemacht, wenn die nicht so heftig teuer wären. Sah ja so aus, als würdest du's deinem Mädel besorgen. Stark", lobte er die Wirkung der Herzanhänger. Julius tat verwundert und fragte zurück:

"Was hätte ich besorgen sollen?" Notus sah ihn verstört an, als wisse er nicht, wie er darauf antworten sollte. Es konnte ja immerhin sein, daß Julius von seinen Eltern noch nicht alles wichtige erzählt bekommen hatte. Andererseits hatte der sich bisher doch so beschlagen ausgedrückt und gezeigt, daß er schon wußte, was er mit einem Mädchen wie Millie anfangen wollte und wußte, daß die das wohl auch schon raushatte. Dann meinte er nur:

"Öhm, ich meine, das sah so aus, als wolltet ihr beiden euch so richtig doll liebhaben, wenn du weißt was ich meine."

"Achso", erwiderte Julius scheinbar überrascht. "Dann sag das doch", fügte er noch hinzu, mußte dann aber breit grinsen, weil Notus sichtlich verlegen dreinschaute. Der junge Zauberer glotzte ihn dann erst verärgert zurück, bevor er selbst lachen mußte.

"Jetzt hast du mich aber schön verladen, Bürschchen. Dachte echt, du hättest das noch nicht raus, wozu die heißen Hexen gut sind."

"Kein Kommentar", erwiderte Julius darauf. "Nachher hängen Linos lange Ohren noch bei uns mit im Badezimmer drin." Notus schrak zusammen und blickte sich um. Dann meinte er verdrossen:

"Soll die sich mal wagen, Jungs beim schwätzen zu belauschen, nur weil die bis heute von keinem beglückt wurde."

"Woher willst du das wissen?" Fragte Julius herausfordernd. "Hast du sie mal gefragt, ob sie dich ranließe?"

"Ich mit Lino?! Neh, bloß nicht, Julius. Abgesehen davon, daß ich mit Freddy echt gut ... Aber dazu lass ich auch nix raus. Aber mit Lino ... Neh, echt nich'."

"Na, wie 'ne Sabberhexe sieht die ja doch nicht aus", legte Julius nach, weil er es genoss, den jungen Quodpotspieler etwas von der eigenen Machomedizin einzuschenken.

"Wenn du mal zehn Jahre in diesem netten Ort hier gewohnt hast siehst du Lino an wie 'ne Sabberhexe, Julius", knurrte Notus. "Sei froh, daß dein Mädel so gut auf dich aufpaßt, sonst könnte der langohrigen Lino echt einfallen, dich um ein paar tolle Infos wegen zu vernaschen."

"Ach, arbeitet die so?" Fragte Julius immer noch herausfordernd.

"Nix genaues weiß ich nich'. Aber vorstellen könnte ich's mir, so wie die manchmal andere Zauberer anschmachtet, um die zu irgendwelchen Aussagen zu kriegen. Aber nachher meint die echt noch bei uns hier in die Umkleide reinhören zu müssen, weil wir ihren Namen erwähnen. Ich weiß nich', wie ihre Zauberohren darauf ansprechen, wenn jemand ihren Namen sagt."

"Wir haben doch immer nur von "Lino" geredet und nicht Linda Knowles gesagt", erwiderte Julius arglos. Notus verzog kurz das Gesicht. Dann grummelte er:

"Jetzt hast du ihren offiziellen Namen rausgelassen, Mann!" Julius grinste nur spitzbübisch.

"Ui, stimmt ja", sagte er belustigt. Dann nickte er Notus zu und sagte beschwichtigend: "Aber wir müssen ja auch nicht die ganze Zeit über sie reden. Nachher klingeln der echt noch die Ohren."

"Joh, das meine ich doch", erwiderte Notus Corner darauf. "Aber diese roten Herzanhänger besorgen Fred und ich uns auch."

"Ein Mädchen das Fred heißt, klingt echt abgedreht", erlaubte sich Julius eine verächtliche Bemerkung. Notus grinste darüber nur. Dann fragte er verschmitzt:

"Schon klar, was du heute abend machst?"

"Das weiß ich noch nicht. Da lasse ich mich mal von Brittany und ihren Eltern beraten", erwiderte Julius arglos.

"Soso, dann hat die dir nicht erzählt, daß Mora Vingate heute abend eine Party nur für junges Volk gibt?" Fragte Notus.

"Ich denke, wenn sie wollte, daß wir dahingingen, würde sie uns das sicher sagen", erwiderte Julius. Notus zwinkerte ihm mitleidsvoll zu. Dann sagte er:

"Das ist eigentlich die tollste Party des Universums. Jedes Jahr an einem anderen Tag, an einem Ort, den Nur Leute erfahren, die im richtigen Alter sind."

"Und was ist das richtige Alter?" Hakte Julius nach.

"Zwischen süßen fünfzehn und strammen fünfundzwanzig, Julius."

"Dann kann ich das natürlich nicht wissen, weil ich bin gerade noch so vierzehn Jahre alt", erwiderte Julius, bei dem bereits die ersten Gedanken, logische und verwegene, die ersten Hypotehsen zusammensetzten.

"Ups, öhm, wußte ich das? Gehst ja schon für älter durch. - Öhm - Wegen dieser ... Okay, am besten vergißt du das, was ich gesagt habe. War vielleicht etwas unpassend für dich."

"Wieso, ist das 'ne Sex-Party?" Fragte Julius und sah an Notus' Gesicht, daß er wohl ziemlich genau getroffen hatte.

"Sex heißt das, wenn sich Leute ganz doll liebhaben? Nicht ganz, aber auch eben doch", erwiderte Notus. "Dieses Wullewukuschee-Spielchen ist da zwar nicht der Hauptgrund, aber irgendwie dann doch drin ... öhm, möglich. Deshalb machen die das nur für Leute, die keine Probleme damit haben."

"Ja, aber fünfzehnjährige sind minderjährig. Das ist doch nicht erlaubt, wegen Kuppelei und so", wandte Julius ein, der in der Hinsicht nicht zu weit nach vorne treten durfte.

"Deshalb kuckt Mora Vingate ja auch immer, daß die Minderjährigen nicht damit anfangen. Sie hat die Party in großen zelten. Aber wo die hinkommen kriegt nur mit, wer sich bei ihr eine Einladung holen kann. Aber du kommst da ja eh nicht dran, weil die entsprechende Adresse durch zwei Alterslinien gesichert ist."

"Nun, dann muß ich das nicht wissen", erklärte Julius. In Gedanken fügte er hinzu, wie scheinheilig doch auch die Zauberer in den USA sein konnten. Nach außen anständig und brav, und unter der Decke skrupellos zügellos. Sollte er das Millie und den anderen auftischen? Besser nicht! Millie könnte entweder hingehen wollen oder darüber lachen, wie umständlich die hier waren oder das verachten, weil die hier die körperliche Liebe als eine Art Festtagsspiel ansahen. Dabei hatte Notus ihm nicht mal genau erzählt, was da so vorging. Doch das brauchte ihn, Julius, auch nicht so zu interessieren.

"Am besten gehen wir jetzt wieder raus, bevor die Mädels meinen, wir bräuchten länger in der Umkleide als die", schlug Julius vor. Notus taute wieder auf und grinste breit. So verließen sie die Umkleide für Männer und trafen sich mit den jungen Hexen vor dem Feld.

"Joh, dann mach's mal gut, Julius", sagte Notus, bevor er zu seiner Verlobten Winnifred hinüberging, die ihn schon erwartete.

"Was hat es mit einer Mora Vingate aufsich?" Mentiloquierte Julius an Brittany.

"Möchtest du das wirklich wissen?" Fragte Brittany ihn auf dieselbe Weise zurück. "Ich denke, du bist mit Millie hervorragend bedient." Dann machte sie eine kurze Pause und nickte ihnen allen zu. Laut sagte sie dann: "Wir fliegen noch mal zum Zauberpflanzengarten!" Alle nickten und folgten ihr auf ihren Besen bis zu einem Pavillon, den Julius sofort wiedererkannte. In diesem von Schirmblattbüschen und Regenbogensträuchern umgebenen Häuschen mit verschließbarer Tür hatten Brittany und er die im Internet-Café von San Rafael ergatterten Daten über seinen Vater gesichtet und darüber gesprochen, was davon zu halten war. Jetzt, so schwante es Julius, würden sie wohl wieder eine heimliche Sitzung abhalten, nur daß diesmal auch Millie dabeisein würde.

Als Brittany den Pavillon gegen Fernbeobachtungszauber gesichert und einen Klangkerker aufgebaut hatte setzte sie sich vor Millie und Julius hin.

"Julius wurde wohl gerade von Notus, der es echt nicht mehr nötig haben sollte, auf eine jedes Jahr heimlich gefeierte Tanzparty angesprochen. Vielleicht hat der fast verheiratete Bursche vergessen, daß Julius noch keine siebzehn ist. Kurz und gut: Nur Leute zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig können auf Einladung von einem Mitverschwörer zu einer bestimmten Adresse hingehen und dort eine Einladungskarte kaufen, die ihnen zu einer ganz bestimmten Zeit anzeigt, wo sie hinkommen mögen. Um besorgte und unverständige Eltern abzulenken bekommen die sogar eine Dosis Schlafgasessenz und ein Gegenmittel, um selbst wachzubleiben. Dann schleichen die sich nach Sonnenuntergang raus und fliegen oder apparieren an den Veranstaltungsort, der nicht in VDS, sondern mindestens im Umkreis von zwanzig Kilometern liegt und durch eine doppelte Alterslinie begrenzt wird, daß nur Leute zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig Jahren da reingehen können. Angeblich würde darauf geachtet, daß Sachen, die nur für volljährige Zauberer erlaubt sind, in einem separaten Zelt ablaufen. Ich weiß es leider besser und möchte es deshalb nur erzählen, damit ihr beiden nicht meint, es sei cool oder erwachsen, dafür die Eltern oder Verwandten auszutricksen. Zunächst geht das als ganz normales Fest los, mit Tanzen, Quatschen und Trinken. So gegen Mitternacht aber kommt dann vielleicht heraus, daß mindestens drei Paare aus Jungen und Mädchen immer doller aufeinander fliegen. Diese ziehen sich dann auf einen Ausruf der dubiosen Gastgeberin hin in ein kleineres Zelt zurück, wo sie dann immer heißer aufeinander werden und dann ... Näheres brauche ich wohl nicht zu erwähnen." Millie grinste, Julius nickte verstehend. "Jedenfalls geht das natürlich nicht mit rechten Dingen zu. Diese Mora Vingate versetzt Getränke mit einem geschmack- und geruchlosen Liebestrank, der jedoch nicht auf eine bestimmte Person abgestimmt wird, sondern auf die ihm zuarbeitende Komponente. Ich habe es einmal in unserer Bibliothek nachgelesen, daß in Europa ein magischer Orden auf diese Weise Nachkommen in großer Zahl auf den Weg gebracht hat. Will sagen, wenn ein Junge eine von drei Komponenten trinkt, die auf die entsprechende Mädchenkomponente abgestimmt ist, werden die beiden wie magnetisch angezogen und angeheizt, bis sie alle Hemmungen und Ablehnungen verlieren und nur noch miteinander rummachen wollen. Wer die versetzten Tränke erwischt weiß vorher natürlich keiner von den Gästen, weil die Gastgeberin das nicht ankündigt, wo dieses Sauzeug drinstecken wird. Das kann der Begrüßungstrank sein, es kann ein alkoholischer Trank oder Limonade sein. Jedenfalls wirkt das Zeug nicht sofort, sondern nach einer gewissen Zeit. Und dann kannst du nichts mehr dagegen machen. Wielange der Kuppel-Mix vorhält ist auch unterschiedlich und hängt auch davon ab, wie sehr sich die Opfer eine intime Begegnung gewünscht haben. Das kann zwischen zwei und vier Stunden dauern. Normalerweise kriegen die Opfer dieses Trankes danach die Gelegenheit, nachträgliche Verhütungsmittel zu benutzen. Die sind aber unverschämt teuer. Tja, und bei welchem Mädchen oder welcher Frau es länger anhielt und die dann auch noch in der perfekten Phase im Monat ist, da kann dann bald wer neues ankommen. Deshalb haben sich die meisten Bewohner von VDS seit zwanzig Jahren nicht mehr auf dieser Party blicken lassen. Ich sage die meisten. Denn euch dürfte klar sein, woher ich das alles weiß." Julius nickte schwerfällig. Millie sah Brittany mitfühlend an. Sie nickte und sagte:

"Vor drei Jahren, wo ich fünfzehn war, habe ich aus lauter Frust, weil meine Eltern mir gegenüber immer so verklemmt sind beschlossen, da mal hinzugehen und mir die Einladung und die Eltern-Schlafgas-Dosis zu kaufen. Fünf Galleonen wurde ich da schon los. Dann bin ich abends raus und habe den Platz aufgesucht. tja, und da habe ich dann gemäß meiner veganen Lebensweise nur Fruchtsäfte getrunken, weil wir ja auch keine Rauschmittel zu uns nehmen dürfen. Dumm nur, daß in einem davon wohl dieses Kuppelelixier hineingepanscht worden ist. Jedenfalls hat es mich mit einem Jungen zusammengetrieben, dessen Namen ich hier nicht erwähnen möchte. Das war dann mein berühmtes erstes Mal. Als ich dann aus dem Rausch aufgewacht bin ist mir klar geworden, daß ich wohl noch einen halben Tag hätte, um mein Leben ohne Kind weiterführen zu können und habe für unverschämte zehn Galleonen was gekauft, um mich vor ungewollten Nachwirkungen zu schützen. Zwar hat der betroffene Junge mich noch zwei Monate lang ängstlich belauert, ob ich nicht wie die fünf anderen Hexen da neues Leben herantrage. Aber ich habe das doch gründlich genug abgewendet. Danach haben wir uns geschworen, einander schön in Ruhe zu lassen. Das dumme war nur, daß meine Mutter das mitgekriegt hat, daß ich aus dem Haus war, weil das Schlafgas sie nur halb solang wie nötig hat verschlafen lassen. Ihr wurde dann klar, daß ich wohl diese Party besucht hatte und fing mich am nächsten Morgen, also nachdem ich wieder bei mir selbst war, vor der Tür ab, zitierte mich in ihr Dauerklangkerker-Arbeitszimmer und machte mich sowas von runter, daß ich heute noch Ohrenklingeln kriege, wenn ich daran denke. Sie prüfte nach, ob ich wirklich ... Na ja und so und herrschte mich dann an, daß wir meinem Vater nichts davon erzählen sollen. Der denkt jetzt noch ich sei unschuldig, wie es so gerne genannt wird. Womöglich muß er davon überzeugt sein, weil seine Eltern so hinterweltlerische Sitten haben, erst Hochzeit, dann Liebesnacht und so. Tja, jedes Jahr läuft diese Kiste ab. Und keiner von den Strafverfolgungsleuten kann das abstellen."

"Wieso. Die bräuchten doch nur den Festplatz auszukundschaften, wenn jemand im entsprechenden Alter zu dieser Adresse hingeht und so tut, als wäre er oder sie interessiert", wandte Mildrid ein, der man ansah, daß ihr die Sache nicht gefiel. Julius fragte sich, ob die Brücke der Mondfestung besser oder schlechter als diese Party sei und befand, daß die Mondbrücke eine ehrlichere und vor allem den freien Willen anerkennende Methode war.

"Die haben das versucht, Millie. Aber diese Vingate hat die verdeckten Kundschafter des Ministeriums und die Abgesandten von Anstandsbewahrern erkannt und entweder mit falschen Adressen versorgt oder mit Verwechslungszaubern belegt, daß sie dachten, die Party sei erst in fünf Tagen oder sowas."

"Wie kriegt man denn sowas raus?" Fragte Millie.

"Legilimentik, Veritaserum oder Sachen, die wie Lügendetektoren wirken wie Stimmungsfarbringe", vermutete Julius. "Es sei denn, die benutzen sogenannte Bergesteine oder den Fidelius-Zauber."

"Jeder Zauber hinterläßt eine Spur, Julius. Wenn Fidelius-Zauber angewendet wurden hat Vingate das mit einem Verhüllungserkennungszauber rausgekriegt. Wer zu ihr kam und legilimentiert werden sollte und Okklumentik angewendet hat war ja sofort verdächtig, und was diese Bergesteine angeht, Julius - ich frage jetzt besser nicht, woher du die kennst - so wirken die zwar. Aber die Einladungskarten werden so präpariert, daß sie sofort eine falsche Adresse anzeigen, wenn sie in den Einflußbereich bestimmter Gedankenausstrahlungen wie Feindseligkeit, Siegessicherheit oder so kommen. Zumindest hat Lino das mal erzählt, was sie nicht in den Westwind reinschreiben durfte. Denn es ist ja klar, daß die Betroffenen und deren Angehörige das absolut peinlich fanden. Es stand nur mal was drin, daß es da einen dunklen Fleck im Freizeitangebot von VDS gebe. Außerdem kommen wirklich gute Zauberer nicht über die Alterslinien, wenn die äußere alle über fünfundzwanzig zurückhält. Es wurden schon Stürmungsversuche mit verschiedenen Fluchbrechern gemacht. Aber die sind alle gescheitert."

"Kann man Alterslinien nicht wie jede Bannlinie auslöschen?" Fragte Millie.

"Einfache schon. Aber ich las in einem Buch über Flüche, Gegenflüche, Bann- und Meldezauber, daß eine Alterslinie am stärksten wirkt, wenn die Person, die sie zeichnet in ihr verbleibt", erklärte Julius und bot an, das betreffende Buch aus seiner Miniaturbibliothek zu holen. Millie verzichtete darauf. Sie wußte ja, welches Buch er meinte und glaubte es ihm. "Hmm, aber du sagtest, diese Mora Vingate mache das seit zwanzig Jahren. Wenn sie die Alterslinie zieht, darf sie nicht jünger als fünfzehn und älter als fünfundzwanzig wirklich erlebte Jahre alt sein. Wie geht denn das dann vor sich?"

"Interessant, über die Frage habe ich mir komischerweise nie einen Kopf gemacht", erwiderte Brittany grübelnd. Dann wußte sie die Antwort:

"Das ist nur ein Deckname, Julius. Wenn eine Mora fünfundzwanzig geworden ist, übernimmt eine andere den Namen und wohl auch das Aussehen, die gerade siebzehn Jahre alt ist. Dann kannst du das Jahrhundertelang so weitermachen." Julius zuckte zusammen, weil er nicht selbst auf diese so einfache Lösung gekommen war.

"Dann haben wir es also mit einer ganzen Hexenbande zu tun. Wenn die zu einer nicht näher zu nennenden Schwesternschaft gehört, was ist damit erreicht?" Fragte Millie.

"Viele viele neue Hexen", sang Julius darauf. Brittany nickte und entgegnete:

"In den Staaten ist es nicht so wie bei euch in Frankreich oder in Italien oder Spanien. Hier werden alle so erzogen, bloß nicht raushängen zu lassen, ob sie was für jemanden empfinden, wenn nicht sicher ist, daß das nicht auch gestattet wird. Da kommt dann so eine ungezwungene Party ganz gelegen. Wer das weiß, daß da mindestens drei Paare für eine Nacht zusammengewürfelt werden, lauert womöglich darauf, auf diese Weise eine heiße Nacht zu erleben. Und immer wieder erwischt es wohl eine Hexe. Merkwürdigerweise sind dadurch in Thorntails bisher noch keine jährlichen Geburten passiert. Offenbar kriegen die Eltern der betreffenden Schülerinnen das früh genug mit und steuern noch rechtzeitig dagegen, bevor es unumkehrbar wird. Ich hoffe, ich habe euch nicht auf kuriose Gedanken gebracht."

"Ich finde das armselig, so eine der schönsten Sachen der Welt zu vermurksen", sagte Millie. Brittany sah sie herausfordernd an. Doch mehr sagte Millie dazu nicht. Julius wandte ein, daß doch bekannt sei, wo eine Mora Vingate wohnte und man da doch einfach an dem Tag eine eigene Absperrung drum herum anlegen könne.

"Probieren sie immer wieder. Nur immer wieder fallen diese Absperrungen sofort in sich zusammen", erwiderte Brittany. "Die vom Laveau-Institut haben das sogar schon probiert, einen niederen Fluch als Schutzwall aufzubauen. Nix. Sie haben versucht, das Haus magisch anderswo hinzuversetzen. Hat auch nicht geklappt, weil da diebstahlsichere Gegenstände drin waren. Wer immer diese Kuppelparty veranstaltet meint es so ernst, daß er und/oder sie alle bekannten wie exotischen Zauber vorausahnt und abwehrt. Da die Sache ja eher auf Lebenserzeugung als auf -vernichtung hinausläuft, wurde das wohl vom Ministerium als "lästig aber nicht zu ändern" verbucht. Also bitte erzählt Gloria und Melanie nichts davon. Ich habe Mel nur erzählt, ich hätte es mal mit einem nur so zum Spaß ausprobiert, ohne Verbindlichkeiten und so. Sie ist mir da zwar etwas böse, weil ich ihr in der Hinsicht zuvorgekommen bin, findet aber auch, daß sie es dann auch ernst und verbindlich haben wolle." Millie nickte zustimmend. Julius nickte auch. "Tja, und Gloria würde wohl denken, wir hätten sie nicht mehr alle hier. So ganz abwegig wäre das ja nicht", seufzte Brittany. "Das heißt aber jetzt nicht, daß ich selbst jede Lust daran verloren hätte. Ich will halt nur sicher sein, daß derjenige, mit dem ich das echte Erlebnis haben willl das dann auch wirklich will und wir uns anschließend nicht schämen, sondern freuen."

"Das ist dein gutes Recht", fand Julius. Millie stimmte ihm zu und sagte:

"Du sagtest ja, daß das euer Problem hier sei, daß ihr das nicht erwähnen dürft, wenn euch wer interessiert. Kommt wohl noch aus der Zeit, wo auch die Zauberer ziemlich enthaltsam leben wollten. Aber dann können solche blöden Feste wie das ja einfach so weitergehen, weil kein Mädchen einem Jungen zeigt, daß es ihn nicht nur nettfindet, sondern sich was mit ihm vorstellen kann oder Jungen auf Mädchen zugehen und abklopfen, was geht und was nicht. Wie kriegt ihr denn dann eure Lebensgefährten?"

"Wie erwähnt dann, wenn sicher ist, daß keiner was dagegenhaben wird", antwortete Brittany. Millie verstand. Die Eltern lernten sich also zuerst kennen und ließen ihre Kinder dann zusammen spielen und einander kennenlernen. Brittany nickte verhalten und berichtigte, daß es schon mit den großen Geschwistern, vordringlich den Brüdern getan sei. Darüber mußte Millie nur abfällig lachen. Brittany ließ ihr das durchgehen. Sie wartete eine Minute, dann trieb sie ihre Gäste zum Aufbruch.

Am Nachmittag verbrachten sie die Stunden auf der Terrasse der Foresters. Keiner erwähnte die Mora-Vingate-Party. Sie redeten über Quodpot, die Geschöpfe im Tierpark, die Zauberpflanzen und den Unterschied der französischen zur US-amerikanischen Mode. Sie machten Hausmusik, wobei Gloria und Millie auf Handtrommeln herumklopfen und singen durften. Einmal erwähnte Brittany, daß sie am nächsten Tag doch mal ans Meer reisen könnten. Sie sei da vor fünf Jahren das letzte mal gewesen. Ihre Mutter erbot sich, den Fischverkäufer Finn zu fragen, ob sie sein mit nützlichen Zaubern gespicktes Segelboot "Silbermöwe" mieten dürfe. Alle waren einverstanden, daß sie morgen zum pazifik reisten und dort einige Stunden am oder auf dem Wasser verbrachten. Nur Gloria schien darüber nicht so begeistert zu sein. Doch sie sagte natürlich zu, mitzukommen. Abends spielten Mrs. Forester, Gloria und Julius Schach, während Brittany mit Mel und Mildrid einen Bummel durch die Einkaufsstraßen machten und um elf Uhr zurückkehrten. Julius brummte zwar ein wenig der Kopf, als er Mrs. Forester nach der zweiten gewonnenen Partie mitteilte, daß er nun wohl gut vortrainiert habe, um in Millemerveilles zu spielen. Aber er hatte noch genug Ausdauer, sich mit Mr. Forester über das Leben in einem Zaubererdorf zu unterhalten, nachdem dieser am Nachmittag auf Lino getroffen war, die sein Fahrrad "repariert" hatte, damit es leichter vorankam, was er nicht wollte. Julius fragte sich insgeheim, wie alt Linda Knowles sein mochte. War sie vielleicht die ominöse Mora Vingate? Nein, das war wohl nicht der Fall. Er ließ sich von Mr. Forester erzählen, wie dieser jeden Tag zwischen Bedauern und Ignoranz der Mitbewohner herumpendelte, obwohl er neben vier Frauen und fünf anderen Männern aus der Muggelwelt kein wirklicher Einzelfall mehr war. Aber wegen seiner veganen Lebensweise und einigen anderen Sachen, die er sich hier ohne es zu wollen geleistet hatte, ragte er doch aus der Reihe der gut angepaßten Muggel-Nachbarn heraus. Julius fragte ihn, ob er wisse, wieso es mehr nicht mit magie begabte Ehemänner als -ffrauen gebe.

"Die Frage habe ich mir auch immer mal wieder gestellt, Julius. Es kann sein, daß die Zauberer hier eher einen Job finden, mit dem sie einem Zaubererwelt-Schwiegervater imponieren können, während selbständige Hexen, die in die Welt hinausgehen wohl nicht besonders gut unterstützt werden. Sogesehen bin ich da auch die Ausnahme, weil meine Frau und bisher auch Britt den größten Teil des Jahres in Thorntails waren und sind. Deshalb verstehen die es auch nicht, wieso ich mich hier immer noch wie ein Fremdkörper fühle. Offenbar tun die anderen Hexen ihren sogenannten Muggel-Ehemännern was in den Kaffee, damit die keine Minderwertigkeitskomplexe haben. Gut, von einer Hexe weiß ich, daß die alle zwei Jahre ein Kind bekommen hat. Das was in meiner und deiner Eltern Welt mit dem Schlagwort Sex umschrieben wird kann schon eine aufmunternde Wirkung haben. Aber das sehe ich nicht unbedingt als legitimes Mittel, eine Beziehung zu halten."

"Ohne jetzt altklug oder frech rüberzukommen, Sir. Aber wissen Sie, ob Ihre Frau das nicht anders sieht?"

"Wie erwähnt ist sie ja die meiste Zeit im Jahr weg. Zweitens haben wir uns darauf verständigt, daß wir besser nur bei einem Kind bleiben, auch wenn mir nicht entgangen ist, daß Britt und die Mademoiselle, mit der du herkamst sich wie zwei Schwestern ergänzen, wenn sie wollen."

"Das liegt bei Mildrid wohl daran, daß sie eine große Schwester hat und sich darauf einrichten kann, Sir", vermutete Julius darauf. Mr. Forester nickte.

"Wir, also Lorena und ich, haben uns arrangiert und lassen die anderen ihr Leben leben. Aber ich würde liebendgerne von hier wegziehen und in der Nähe einer kleinen magielosen Stadt wohnen als jeden Tag hier angeguckt zu werden, als hätte ich nur noch ein Bein oder ginge mit einem Blindenstock durch den Ort."

"Kennen Sie Star-Trek?" Fragte Julius.

"Du meinst Captain Kirk und Mr. Spock? Kenne ich. Wieso?"

"Achso, die Nachfolgeserie kennen sie dann wohl schon nicht mehr. Da geht es um eine Zeit etwa hundert Jahre später, auch mit einem Raumschiff Enterprise. In einer Folge wird die an Bord befindliche Gefühlsschwingungswahrnehmerin und Bordpsychologin von einem starken Geistesenergieschock ihrer besonderen Gabe beraubt und fühlt sich obwohl sie klar denken und alle Glieder und Sinne gebrauchen kann behindert. Geht das Ihnen so?"

"Das habe ich glaube ich eben gesagt, Julius", schnaubte Mr. Forester etwas verdrossen. Julius blickte ihn abbittend an. Er nahm die wortlose Entschuldigung mit einem Lächeln und Nicken an. Da klopfte es an der Tür. Mrs. Forester trat ein. Sie sah Julius an und fragte:

"Wie spät gehst du zu Hause zu Bett, Julius?"

"Dann wenn ich müde bin, Mrs. Forester. Meistens so um elf oder zwölf", sagte Julius.

"Dann sagen wir mal, das es wohl jetzt an der Zeit ist", erwiderte Mrs. Forester ziemlich streng dreinschauend.

"Öhm, 'tschuldigung, Lorena, aber der Junge sieht noch nicht müde aus", wandte Mr. Forester ein.

"Ja, aber das heißt nicht, daß er nicht genug Schlaf braucht, Daniel", erwiderte Mrs. Forester Kategorisch. "Ich habe Gloria und Mildrid bereits zu Bett geschickt, weil Gloria nach dem langen Schachabend so schläfrig aussieht und Mildrid heute Morgen noch einen anstrengenden Übungsflug hinter sich gebracht hat. Also, junger Mann. Sie haben zwar zwei Jahre Wachstum übersprungen, sind aber deshalb noch nicht raus aus den Anforderungen, die Ihr Körper an sie stellt."

"Was die nicht sagt", dachte Julius. Doch weil Mr. Forester nicht mehr für ihn eintrat sagte er, daß es vielleicht vernünftiger sei, jetzt auch schlafen zu gehen und verabschiedete sich von seinen Gastgebern. Er rief noch durchs Haus, daß er jetzt auch schlafen ginge und bekam einen Gutenachtgruß von Brittany unter seine Schädeldecke gesetzt. Er verbrachte noch einige Minuten im Badezimmer, dann war er zur Nacht fertig in seinem Zimmer.

Als Millies Gedankenstimme in seinem Kopf erklang dachte er sich, sie wolle ihm nur noch eine gute Nacht wünschen. Doch er irrte sich.

"Ich hab's genau mitgekriegt, daß die beiden großen Mädchen dich immer noch nicht ganz aufgegeben haben. Hoffentlich kommen die beiden nicht auf krumme Ideen, wenn wir morgen ans Meer fahren."

"Mrs. Forester fährt doch mit", erwiderteJulius.

"Der einzige Trost", erwiderte Millie. "Aber irgendwie kann ich die beiden verstehen. Irgendwie wäre mir wieder danach uns beide zusammenzutun."

"Das kannst du hier in dem Haus vergessen, Mamille", erwiderte Julius darauf. "Ich denke mal, die haben Meldezauber auf den Fluren eingerichtet."

"Stimmt, könnte sein. Auf den Fluren. Aber nicht an der Außenwand. Lüften muß ich ja doch können, genau wie du auch."

"Ja, aber wir dürfen keinen Krach machen", mentiloquierte Julius. "Erstens könnten unsere Gastgeber davon wach werden und zweitens könnte Lino das mithören."

"Habe ich dir schon erzählt, daß Bine und San mir ein Zelt der Verschwiegenheit nachträglich zum Geburtstag geschenkt haben. Das ist ein kleines, schön faltbares zwei-Mann-Zelt, daß du auch in einem Haus aufstellen kannst und das wie die Schnarchfängervorhänge bezaubert ist."

"Hui, und das erzählst du mir jetzt erst??"

"Wollte nur wissen, ob die wie in Beaux 'ne Bettkontrolle machen. Tun sie ja nicht. Also wie wäre es. Du zu mir oder ich zu dir?"

"Du willst wissen, ob die Foresters das spitzkriegen oder nicht, nicht wahr, weil Britt und ihre Mutter so überbehütsam drauf sind."

"Britts Mutter ist 'ne Lehrerin wie eure Königin Blanche. Britt ist vielleicht eifersüchtig auf mich. Was meinst du, wie froh die ist, daß Mel und Gloria wieder zurückgekommen sind, die zwischen unseren Zimmern untergebracht sind."

"Okay, da ich über dem Elternschlafzimmer wohne ist es besser, ich komme zu dir rüber. Auf dem Besen, nicht wahr?"

"ganz richtig."

"Gut, das Fenster bleibt eh offen, weil's draußen gerade erst angenehm kühl wird. Dann bin ich in fünf Minuten bei dir, Mamille. Öhm, hol schon mal einen oder zwei deiner kleinen blauen Freunde raus!"

"habe ich schon hier", hörte er Millies säuselnde Gedankenstimme. Dann bestätigte sie nur, daß er in fünf Minuten bei ihr hereinschweben würde. Julius beendete daraufhin den Gedankenkontakt. Irgendwie reizte es ihn, die auferlegten Beschränkungen zu umgehen. Einerseits war es der Spaß am Risiko. Andererseits war es die Aussicht, noch einmal eine heiße Nacht mit Mildrid zu verbringen, wobei der Nervenkitzel darin bestand, daß einige Türen weiter weg mehrere Leute schliefen, die das bestimmt nicht haben wollten. So zog er sich so leise es ging seinen Bademantel über, prüfte, ob er mit dem Besen zum Fenster hinausklettern konte und grinste, weil keiner daran gedacht hatte, ihm den Besen wegzunehmen, solange er ihn nicht brauchte. Er schob den Besenstiel durch die Fensteröffnung und hangelte sich so leise er konnte hinaus. Dann saß er über dem Fenstersims auf und schwirrte erst nach oben, dann um das Haus herum fast senkrecht wieder nach unten. So konnte ihn keiner der Hausbewohner am Fenster vorbeifliegen sehen. So ein Pech für die Foresters, daß er sich hatte einprägen können, wo Millies Zimmer lag. Außerdem mentiloquierte sie ihm, als er so langsam der Besen konnte auf ihr Fenster zuflog. Er legte sich flach auf den Besenstiel und glitt beinahe mühelos durch die hohe Fensteröffnung. Der Waagerechtlandetechnik des Besens verdankte er es, so sacht wie eine fallende Feder aufzusetzen. Dann staunte er. Mitten im Zimmer stand ein Zelt aus waldgrünen Leinen. Es stand fest an vier Heringen festgemacht, die alle irgendwie mit dem Boden verwachsen waren. Millie schloß so leise sie konnte das Fenster, schob Julius' Besen unter ihr Bett und winkte ihm wortlos zum Zelteingang. Kein verräterischer Reißverschluß und kein noch lauterer Klettverschluß machte die kleine Türe auf oder zu. Es wirkte so, als sei der Eingang mit winzigen Magneten versehen, die sich unhörbar anzogen und anhafteten, als Millie Julius in das kleine, verborgene Reich hinüberholte. Drinnen staunte er doch. Denn er stand in einem geräumigen Zimmer mit einem Tisch, zwei Stühlen und einem französischen Himmelbett.

"Wie kamen denn Bine und San darauf, dir das zu schenken?" Fragte Julius, als Millie ihm mit normaler Lautstärke versichert hatte, daß kein Geräusch mehr nach außen dringen würde.

"Sie meinten, ich sollte jederzeit einen ruhigen Ort zum Zurückziehen haben und du reiselustiger Bursche ja ständig irgendwo unterwegs sein. Maman und Papa wissen nix davon, Martine auch nicht. Und so kann es auch bleiben", erwiderte Millie.

"Und Madame Rossignol?" Fragte Julius.

"Ich habe es probiert, sie zu rufen als wir hier ankamen. Die Entfernung ist zu groß, sind ja so um die siebentausend Kilometer Außerdem schirmt das Zelt vor Exosenso und ähnlichen Fernbeobachtungszaubern ab. Tja, und wo du jetzt hier bei mir bist, komm also richtig zu mir!"

"Wie Mylady wünschen", erwiderte Julius nun sichtlich angeregt. Doch sie ließen sich Zeit, um einander erst zu umstreichen, dann zu liebkosen und dann langsam aber genußvoll die direkte Nähe zu finden. Julius fragte einmal, ob das Bett knarren würde.

"Das steht auf Lärmschluckfüßen. Immerhin soll ja keiner was mitkriegen können", säuselte Mildrid, bevor Julius sich gänzlich mit ihr verbunden fühlte. Ihre beiden halben Herzen verstärkten die auflodernde Leidenschaft. Julius genoss jede Sekunde dieser innigen Verbundenheit und fragte sich, wieso er sich früher so dagegen gewehrt hatte. Diese junge Frau wollte ihn, und er wollte sie. Sie nahmen und besaßen einander und spielten diverse nicht magische Techniken aus, wenngleich Julius einmal zögerte, ob er wirklich dieses oder jenes mit Millie tun sollte. Doch er überwand seinen letzten kümmerlichen Rest von Anstand und auch die Angewidertheit. Millie schien unersättlich zu sein, und er fühlte sich nicht mehr müde. Irgendwie schien die gemeinsame Wonne ihn wie einen Akku wieder aufzuladen. Vielleicht lag das auch an Millies Oma Lines Ritual. Er hoffte nur, daß sie nicht doch zu weit gingen und Millie am Ende des Sommers mit Extragepäck nach Beauxbatons zurückkehrte. Als dann beide jedoch mit schmerzenden Armen, Beinen und Rücken nebeneinanderlagen und Millie mit ihren blauen Allzweckreinigern hantierte, meinte sie:

"Eigentlich sollten wir heute noch klären, ob wir nebeneinander gut schlafen können. Martine hat das mit Edmond mal gemacht. Der hat dann behauptet, sie schnarche. Das stimmt sogar, wie ich letzten Sommer und bei Tante Babs mitbekommen konnte."

"Hat sie gesagt, du schnarchst auch?" Fragte Julius.

"Das finde besser selbst raus. Ich stelle uns den Wecker auf halb sechs, dann kannst du schnell wieder in dein Zimmer zurückfliegen und so tun, als hättest du da die ganze nacht gelegen."

"Können wir hier drin nicht ersticken?" Fragte Julius.

"Neh, wird durch einen Lufterfrischer da über dem Waschkessel gereinigt", beruhigte ihn Millie. Dann warf sie sich Julius ungestüm an den Hals. Er fühlte ihren warmen Körper und fragte sich, ob sie noch einmal was mit und von ihm wollte. Doch sie schob ihn nur an die Zeltwand und pflückte die abgelegten Nachtgewänder vom Brett am Fußende und warf Julius seinen Schlafanzug zu, in den er mühevoll hineinschlüpfte, weil Millie sich genüßlich neben ihm langmachte, und sie war nun wirklich schon ein langes, aber leidenschaftliches Elend mit mindestens einen Meter achtzig. In einem oder zwei Jahren könnte sie ihre Schwester Martine von der Körperlänge her eingeholt haben. Julius war da mit seinen wohl nicht mehr ganz nach oben korrigierbaren ein Meter fünfundsiebzig schon ein Stückchen kleiner als Millie. Beim Tanzen würde das wohl komisch aussehen. Doch das hatte er damals gedacht, als Jeanne Dusoleil ihn zum trimagischen Weihnachtsball eingeladen hatte und er dabei auch Paare wie Professor Dumbledore und Madame Maxime und die Professoren Sprout und Flitwick tanzen sehen durfte. Er hatte doch Martine über ein ganzes Jahr immer wieder gesehen. Er wußte es doch, wie groß Latierre-Frauen werden konnten. Er wollte eine, und diese eine wollte ihn auch. Das hatte er jetzt davon, und das wollte er auch nicht mehr so schnell wieder hergeben.

"Mein Wecker steht auf halb sechs. Das könnte dir reichen, mal eben mit dem Besen aus dem Zimmer raus und zu dir wieder rein, bevor das allgemeine Wecken losgeht", sagte Millie. Julius mußte sich so drehen, daß er nicht ihre langen, nach herbem Kräuterbad duftenden Haare in die Nase bekam. Doch das verborgene Bett in dem Zelt der Heimlichkeiten war breit genug.

"Und wenn ich mal raus muß?" Fragte Julius.

"Dann mach ich das, was mir Tante Trice gezeigt hat, wenn noch keine Windeln nötig sind, aber der Gang selbst zu anstrengend wird. Du hast 'ne Pflegehelferin neben dir liegen", säuselte Millie und knuddelte Julius noch einmal. Dann lagen sie Rücken an Rücken und glitten auf den Wellen eines gemeinsamen Atemrhythmusses in den wohltuenden Schlaf hinüber, die erste wirkliche Nacht in ihrem gemeinsamen Leben.

 

__________

 

Julius konnte sich an keinen konkreten Traum erinnern. Nur einmal schien es ihm, daß Millie und er an einem Meeresstrand entlangbummelten. Als dann ein fröhliches Glockenspiel erklang und ihn aufweckte fühlte er sich entspannt und erholt. Millie neben ihm rekelte sich und berührte ihn mit dem rechten Arm und dem rechten Bein.

"Morgen Monju! Schön, dich mal aus nächster Nähe wecken zu dürfen", säuselte Millie und strich Julius über den Brustkorb.

"Morgen, Mamille. Ich hoffe, ich habe nicht geschnarcht", erwiderte Julius.

"Nicht daß ich das mitgekriegt hätte. War wohl schön müde. Allerdings habe ich geträumt, ich flöge mit dir über dem Marktplatz von Viento del Sol dahin und hätte da lauter verknäulte Liebespaare gesehen, wie eingefroren. War schon unheimlich", erwähnte Mildrid, während sie behände aus dem Bett schlüpfte und Julius platzmachte.

"Ich habe geträumt, wir würden an einem Strand entlanggehen, und die Sonne ginge gerade unter", erzählte Julius das, woran er sich noch erinnern konnte.

"Immerhin haben wir voneinander geträumt", meinte Millie. Dann half sie Julius in den Bademantel und küßte ihn noch einmal.

"Das wird immer besser mit uns beiden. Vielleicht machen wir das diese Nacht so, daß wir uns nur nebeneinander hinllegen und uns beim Einschlafen an den Händen halten, ohne uns vorher so richtig ausgetobt zu haben."

"Ich weiß echt nicht, ob das so gut wäre, wenn wir jetzt jede Nacht zusammenlägen, Millie. Das war zwar schön und danach auch gemütlich. Aber wenn Brittany oder ihre Eltern mich doch dabei erwischen ..."

"Hmm, Mag stimmen. Vielleicht geht's bei den Redliefs noch mal", meinte Millie. "Tante Trice meinte ja auch, ich sollte die blauen Fläschchen nicht zu heftig strapatzieren, die müßten mindestens ein halbes Jahr reichen. Aber wir müssen ja nicht jede Nacht - wie sagst du immer? - zwei werden eins spielen. Sonst würde es ja auch schnell langweilig."

"Das sagst du?" Fragte Julius überrascht. Mildrid grinste ihn an und nickte. Dann sagte sie:

"Ist doch mit allem so, was schön ist. Erst willst du es immer und immer wieder, dann wird es langweilig. Aber so zusammenliegen und miteinander einschlafen macht irgendwie auch Spaß. Oder findest du das nicht?"

"Ich sage es dir, wenn wir unsere erste gemeinsame Wohnung planen, ob ich ein gemeinsames oder getrennte Schlafzimmer haben möchte", scherzte Julius. Dann fiel ihm wieder ein, was Millie mal gesagt hatte, daß sie und jedes gemeinsame Kind bei ihm im Zimmer mitschlafen würden.

"Das dauert nicht mehr lange, Monju, dann kannst du ohne mich neben dir nicht mehr einschlafen", wagte Millie eine Prophezeiung, lächelte aber dabei. Sie nickte Julius zu, der vorsichtig aus dem verschwiegenen Zelt schlüpfte, seinen Besen nahm und das Fenster weit öffnete, Ohne große Anstrengung schlüpfte er mit dem Ganymed 10 durch das Fenster, schwang sich darauf und sauste im Rossellini-Raketenaufstieg nach oben, beschrieb eine enge Kurve über dem Dach des Rotbuchenhauses und tauchte durch sein eigenes Schlafzimmerfenster wieder in das ihm zugewiesene Zimmer zurück. Der ganze Vorgang dauerte keine zehn Sekunden. Er legte sich schnell in sein offizielles Gästebett zurück und döste noch einige Minuten, bis die Mariachis durch die Bilder zogen und alle im Haus weckten.

"Also, ich kann echt froh sein, daß ich ein Junge bin und mein eigenes Badezimmer habe", bekannte Julius, als er mit Mr. Forester im Esszimmer saß, während Millie und die anderen Junghexen sich wohl um die Zeit in den zwei Gästebädern käbbeln mußten.

"Hast du denn zumindest gut geschlafen?" Fragte Dan Forester.

"Oja, habe ich", erwiderte Julius ehrlich. "es ist hier so ruhig wie in Millemerveilles", legte er nach.

"Da kommen Leute wie ich aber nicht rein, oder?"

"Doch geht. Allerdings müssen die jeden Tag einen Trank einnehmen, der die sogenannte Muggelabwehr unterdrückt."

"Was ist in dem Trank drin?" Fragte Mr. Forester.

"Öhm, das weiß ich nicht. Ist deren Betriebsgeheimnis", antwortete Julius darauf.

"Dann bleibe ich dabei, daß Leute wie ich da nicht reinkommen. Ich werde mir doch nicht jeden Tag einen Zaubertrank einverleiben, in dem womöglich mehrere tierische Bestandteile eingerührt wurden", stellte Mr. Forester klar.

"Dann haben Sie natürlich recht", gestand Julius dem Veganer zu.

"Hey, ihr beiden, auch ordentlich gewaschen und rasiert?" Fragte Brittany, die es wohl geschafft hatte, vor den anderen jungen Hexen fertig angezogen zu sein. Womöglich hatte sie den Schnellankleidezauber benutzt. Aber den kannte Melanie bestimmt auch.

"Wir hatten es gerade davon, daß Julius Viento del Sol mit Millemerveilles verglichen hat, weil es hier so ruhig sei."

"Das ist wohl richtig", räumte Brittany ein. "Die haben ja auch einen Zaubertierpark und einen magischen Garten. Da wachsen aber keine Spendebäume."

"Nöh, aber Ohrenblattgewächse und Alraunen", erwiderte Julius darauf.

"Ist Mom nicht mit dir aufgestanden, Dad?" Fragte Brittany, als habe sie den letzten Satz von Julius nicht gehört.

"Sie holt gerade frisches Brot und die Zeitungen", sagte Mr. Forester. Da ploppte es im Flur, und Mrs. Forester trat mit zwei großen Körben an den händen und zwei Zeitungen ein. Eine Zeitung, die auf grobes Papier gedruckt zu sein schien, gab sie an ihren Mann weiter. Julius sah, daß es eine Muggelzeitung sein mußte, weil das Titelbild starr und unbeweglich blieb. "Pax Animales" Las Julius den Namen der Zeitung. Also soweit sein Latein reichte hieß das Frieden und Tiere oder Frieden den Tieren oder sowas.

"Na, gut erholt?" Fragte die Hausherrin Julius, als er diese höflich begrüßt hatte.

"Supergut, ich meine, Danke der Nachfrage, sehr gut", beantwortete Julius diese Frage.

"Wo sind die anderen Mädchen, Britt?" Fragte die Hausherrin.

"Als ich aus dem Bad kam wollte Millie rein, und Mel stand gerade erst auf", informierte Brittany ihre Mutter.

"Gloria ist von ihrer Mutter her sehr auf Äußerlichkeiten geprägt, nicht wahr. Es ist echt ignorant, wieviele Kosmetika sich ein Mensch im Leben zumutet, ohne zu prüfen, wer und was dafür herhalten mußte", hielt Mr. Forester eine kurze Stehgreifpredigt gegen Tierprodukte in Schönheits- und Pflegemitteln und schlug seine Zeitung auf, um zu sehen, wer sich da wieder gegen das Lebensrecht der Tiere in der Welt vergangen hatte oder welche Produkte ohne tierische Bestandteile neu auf dem Markt waren.

"Hat Lino was interessantes aus dem Wind herausgehört?" Fragte Julius Mrs. Forester, die ihrerseits ihre Zeitung aufgeschlagen hatte, solange außer ihr, und ihrer Familie nur Julius anwesend war.

"Kann man sagen", grummelte sie und schlug die Seite drei auf, wo Julius ein eindeutig magisches Foto von Kore Blackberry sah.

 

PEINLICHE PRIVATPARTY FORDERT PROMINENTES OPFER

 

 

KANN KORE WEITERMACHEN?

 

 

DUNKLER FLECK AUF VIENTO DEL SOL NICHT MEHR LÄNGER ZU VERHEIMLICHEN

 

 

SICHERHEITSZAUBERER JUPITER BLACKBERRY NACH APPARIERUNFALL IN HONESTUS-POWELL-HOSPITAL

 

"Hups", konnte Julius dazu nur sagen. Da trat Millie in den Raum und begrüßte alle Anwesenden. Sie setzte sich zwischen Brittany und Julius hin. Das bleierne Schweigen gefiel ihr nicht. Ihre Instinkte rotierten wie Radarantennen. Zumindest war Julius sich sicher, daß Mildrid erfassen wolte, was hier gerade vorging. Dann sah sie die aufgeschlagene Zeitungsseite und las die Schlagzeilen.

"Häh?! Was ist da los?" Fragte sie irritiert.

"Ich lese den euch gleich laut vor", knurrte Mrs. Forester und faltete die Zeitung wieder zusammen. Es dauerte jedoch noch zehn Minuten bis erst Melanie und dann Gloria eingetroffen waren. Mrs. Forester beschloß, erst einmal zu frühstücken und brachte das Essen auf den Tisch. Für ihre vegan lebenden Familienangehörigen hatte sie Haferflocken in Kokosmilch mit frischen Beeren vorbereitet, zu dem es übliches Brot gab, während die anderen sich an Pfannkuchen, Muffins und Toastbrot mit Marmelade oder Erdnußbutter hielten. Nach dem Frühstück holte sie die Zeitung wieder hervor und schlug die Seite drei erneut auf. Sie verlas die Schlagzeilen und begann mit dem Exklusivartikel von Linda Knowles:

"Viele Bewohner von Viento del Sol wissen davon, daß alljährlich zum fünfzehnten Juli arglose junge Hexen und Zauberer zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig Lebensjahren die fragwürdige Gelegenheit haben, bei einer unter dem Namen Mora Vingate agierenden Hexe Einladungen zu einer nur für sie besuchbaren Festlichkeit zu erwerben und dann im Schutz von alterslinien erst harmlos tanzen, bis der Höhepunkt des Abends in Gestalt einer durch eine nicht näher bekannte magische Mehr-Komponentenmixtur herbeigeführten Paarfindung mit ungehemmten Trieben erfolgt. doch die meisten Bewohner von Viento del Sol, einem ansonsten besuchens und bewohnenswerten Ort für Zauberer und Muggel in Südkalifornien, schweigen über diese anrüchige Feier. Der Westwind berichtete schon einigemale davon, wie versucht wurde, das Treiben dieser Leute zu unterbinden. Denn es ist kein großer Denkaufwand nötig um zu erkennen, daß hinter der ominösen Mora Vingate mehr als nur eine Person stecken muß. Die Bemühungen versierter Strafverfolgungszauberer scheiterten an diversen Hindernissen, die Mora Vingate ihnen in den Weg legte, wobei sie selbst jeder Form der strafrechtlichen Festsetzung oder Zutrittsvereitelung entging, so daß die heimliche Party immer weiter gefeiert werden konnte, immer an einem anderen Ort in einem Umkreis von zwanzig Kilometern. Doch gestern nacht geschahen zwei Dinge, die das ungerne Dulden dieser Party beenden dürften.

Zum ersten erfuhr der örtliche Leiter der Bürgerschutztruppe, Mr. Jupiter Blackberry (45), daß sein zurzeit bei ihm die Ferientage verbringender Neffe Titonus Hornby (16), gegen den ausdrücklichen Rat seines Onkels eine Einladung zu oben erwähnter Feier erworben habe und sich im Schutze eines betäubenden Gases und der Dunkelheit aus dem Haus seines Onkels davonstehlen wollte. Zwar gelang esTitonus nicht, seinen Onkel und seine Tante mit dem Schlafgas gänzlich außer Gefecht zu setzen. Aber er konnte sich davonschleichen und den nur ehrlich interessierten Gästen bekanntgegebenen Ort aufsuchen. Da Mr. Blackberry in weiser Voraussicht seinem Neffen ein Findmich-Armband angelegt hatte, gelang es ihm, den Jungen zwar zu orten, doch dann beging er einen folgenschweren Fehler. Er beabsichtigte, seinen Schutzbefohlenen direkt aus der georteten Umgebung herauszuholen, indem er dorthin zu apparieren versuchte. Dieses Vorhaben scheiterte - wie er vorher eigentlich hätte wissen müssen - an zwei den Festplatz nach außen hin abschirmenden Alterslinien. Diese weisen nicht nur Menschen zurück, die ein bestimmtes Alter noch nicht oder schon längst erlebt haben, sondern werfen auch jeden Apparator, der in ihren Wirkungsbereich hineingelangen will unverzüglich an seinen Ausgangsort zurück. Hierbei, wie bei dem Versuch, sie zu Fuß zu überqueren, kann es zu teils belustigenden aber auch schwerwiegenden Vergeltungseffekten kommen, je nach Befähigung und Gesinnung dessen, der die Linie zog. Mr. Blackberry, so seine schockierte Gattin, erschien in einem grellen Blitz und mit lautem Knall an der Decke des Zimmers, von dem aus er seinem Neffen erreichen wollte und stürzte zu Boden. "Er drehte sich wie ein aufgezogener Kreisel", gab Mrs. Blackberry dem Heiler vom Dienst, Silvester Partridge (45) zu Protokoll. Sie habe ihren Mann jedoch nur deshalb erkennen können, weil die Person, die unter dem Lichtblitz zurückgekehrt sei dessen Kleidung getragen habe. Ihr Mann selbst sei jedoch körperlich auf das Alter eines Fünfjährigen zurückverjüngt worden. Da er zurzeit noch bewußtlos ist kann zu diesem Zeitpunkt nicht ermittelt werden, ob die unfreiwillige Verjüngung auch den Geist und das Gedächtnis betroffen habe. Mrs. Blackberry stand nach dem Abtransport ihres Gatten für weitere Gespräche nicht mehr zur Verfügung. Es bleibt also abzuwarten, ob und wie er sich von diesem Unfall erholen wird.

Der zweite Schicksalsschlag, der im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Fest der Mora Vingate erwähnt werden muß, betrifft das öffentliche Leben von Viento del Sol im allgemeinen und die Quodpot-Liga der vereinigten Staaten im besonderen. Denn nachdem alle Bemühungen, Titonus Hornby aus der Alterslinienumgrenzung herauszuholen scheiterten und Mrs. Blackberry zur Schockumkehrbehandlung in das Honestus-Powell-Hospital eingewiesen wurde, stellte sich heraus, daß auch Ms. Kore Blackberry (23) nicht auffindbar war. Da sie volljährig und bislang erwerbsmäßige Quodpotterin ist, bewohnt sie ein kleines Haus am nördlichen Ausgang von VDS. Als sie über den Unfall ihres Vaters und die Einweisung ihrer Mutter unterrichtet werden sollte wurde sie dort nicht aufgefunden. Heiler Partridge bat seine Tochter Venus (23), durch die Absperrung zu gehen und nach ihrer Quodpot-Kameradin zu suchen. Sie kehrte nach einer Viertelstunde leicht benommen zurück und sagte der Stellvertretenden Bürgerschutztruppführerin, Mrs. Selma Whitewing, daß sie zwar ein Zelt gefunden habe, in dem offenbar im wilden rausch gefangene Liebespaare miteinander verkehrten, sie aber von jemandem aufgespürt und zum magischen Duell gestellt worden sei. Sie habe fast verloren und sich gerade eben noch durch Disapparition der Niederlage entziehen können. Erst um fünf Uhr, als die restlichen Festgäste über die Linien nach außen getreten waren, erloschen diese, und Bürgerschutz und Heiler konnten vordringen und das Zelt finden, das wegen der Entdeckung von Venus Partridge unter Schlafdunst gesetzt worden war. Wie und in welchem Zustand die dort betäubt liegenden Paare gefunden und geborgen worden will niemand der dabei war genauer schildern. Lediglich soviel steht unbestreitbar fest: Die gefundenen Paare wurden alle in das Honestus-Powell-Hospital eingewiesen. Ob dort weitere Behandlungen erfolgen werden wir im Laufe des Tages erfahren. Doch einer der Heiler, die an der Bergung beteiligt waren murmelte etwas von "Prokonzeptivlösung", was im normalen Sprachgebrauch eine Empfängnisfördernde Mixtur ist. Haben wir es hier also doch mit skrupellosen magischen Verbrechern zu tun, die arg- und wehrlose Hexen und Zauberer wie fortpflanzungsfähige Nutztiere zusammentreiben, um sie zur Paarung zu zwingen? Die Antwort muß nach dem Stand der Fakten und der Augen- und Ohrenzeugen eindeutig mit Ja beantwortet werden. Die Suche nach Mora Vingate läuft. Die Anlaufstelle, wo die potentiellen Opfer ihre Einladungskarten erwerben konnten konnte nicht mehr gefunden werden. Somit befindet sich zumindest die direkte Kontaktperson noch auf der Flucht. Eine bundesweite Fahndung, die wohl auch auf die anderen Staaten im panamerikanischen Zaubererbund ausgedehnt werden wird, soll den oder die Täter aufspüren und zur Verantwortung ziehen.

Auf direkte Nachfrage des Westwindes erklärte Mrs. Whitewing, daß Ms. Blackberry unter den Betroffenen sei, ebenso wie Titonus Hornby. Mr. Partridge wollte aufGrund des Heilerkodex keine näheren Auskünfte zum Zustand seiner Tochter und den aufgefundenen jungen Hexen und Zauberern machen. Somit bleibt abzuwarten, ob Ms. Kore Blackberry weiterhin in den Reihen der Viento-del-Sol-Windriders mitspielen kann und welche Ergebnisse die Fahndung erzielen wird."

Brittany war beim Verlesen des Artikels immer bleicher geworden. Und Mrs. Forester hatte mehrmals absetzen müssen, um Luft zu holen. Auch sie wirkte eher wie ein Bettlaken als wie eine gesunde Hexe. Mr. Forester sah seine beiden Familienangehörigen an. Dann fragte er sehr unheilverheißend:

 

"Könnte es sein, daß ihr, Lorena und Brittany, mir irgendetwas wesentliches verheimlicht? Ihr seht beide so aus, als würde euch dieser Artikel tiefer treffen als eine normale Schreckensnachricht. Also was ist damit?"

"Dan, mit uns ist soweit alles in Ordnung", sagte Mrs. Forester. "Wir haben alle hier genächtigt, ohne von einem Schlafgas betäubt worden zu sein."

"So, woher willst du denn das wissen? Wie wirkt es denn nach? Vielleicht leichte Kopfschmerzen, vielleicht auch nur das Gefühl, nicht ganz im eigenen Körper zu stecken? So ging es mir vor wohl drei Jahren. Und jetzt fällt es mir ein. Das war ein fünfzehnter Juli, weil ich da nämlich Post von meinem Schwager bekam, daß er sich das Endspiel dieser Fußball-Weltmeisterschaft ansehen könne, warum auch immer. An dem Abend sind wir alle ziemlich benebelt ins Bett gegangen und am nächsten Morgen hatte ich das Gefühll, das ich halb aus meinem Körper gerutscht sei und dann sehr leichte Kopfschmerzen erlebt habe. Womöglich wirken diese Gangstergase auf sogenannte Muggel anders als auf vollständige Zauberer. Also raus damit!"

"Nicht vor den Gästen", schnarrte Mrs. Forester zurück. "Britt und ich sprechen mit dir im Arbeitszimmer. Melanie, Gloria, Mildrid und Julius, am besten wartet ihr auf der Terrasse. Es könnte länger dauern."

"Wie du meinst", knurrte Mr. Forester sichtlich verärgert. "Ich kann mir zwar schon etwas denken, hoffe aber noch, daß ich mich irre."

Brittany wirkte so, als habe gerade ein Richter verkündet, daß sie in wenigen Minuten zu ihrer Hinrichtung abgeführt würde. Mrs. Forester wirkte hingegen wie eine kampfbereite Katze, stramm, mit weit aufgerissenen Augen, die Arme angespannt, als wolle sie gleich zu einem Schlag ausholen. Julius sah Millie an, diese sah Melanie an.

"Vielleicht können wir Venus besuchen", sagte Mildrid. "Wenn ihr Vater uns zu ihr läßt freut sie sich bestimmt."

"Das könnt ihr versuchen", schnarrte Mrs. Forester. "Wollt ihr mit den Besen fliegen?"

"Ja, wollen wir."

"Gut, Julius kann mentiloquieren. Paßt auf euch auf. Wer weiß, ob diese Vingate nicht da draußen lauert."

"Wohl eher Lino", warf Julius ein. "Mit ihren Wunderohren kann die diese Vingate doch auf fünfzig Metern atmen hören."

"Mag sein, daß die Banditen sich zurückgezogen haben. Vielleicht werden sie ihren dreisten Trick demnächst anderswo durchziehen, wenn sie keiner aufhält."

"Du wolltest mit mir und deiner Tochter im Arbeitszimmer sprechen", knurrte Mr. Forester. Seine Frau nickte und führte ihn und Brittany in das Zimmer, in dem ein dauerhafter Klangkerker eingerichtet war.

"Kommt!" kommandierte Melanie, die zurzeit älteste der Gäste. Millie und Julius holten ihre Besen und flogen los.

Melanie kannte den Weg zu den Partridges. Sie klopfte an die blaue Haustür. Venus Mutter, die ihrer Tochter zwar ähnelte, aber leicht untersetzt war, begrüßte sie. Melanie trug das Anliegen vor, obwohl Millie die Idee gehabt hatte.

"Silvester meinte, sie sei wieder gesund. Sie wird sich freuen, daß ihr sie besucht", sagte Mrs. Partridge.

Venus saß in einem gemütlichen wohnzimmer und schrieb gerade einen Bericht für ihren Vater und das Zaubereiministerium. Julius bemerkte mit seinem Pflegehelferschlüssel, daß ein pulsierender Zauber auf dem Eingang zur Wohnzimmertür lag, der jedoch gutartig zu sein schien, weil er weder ein Zittern im Armband hervorrief noch eine Lichtentladung, wie er sie beim eingewirkten Curattentius-Zauber schon öfter gesehen hatte. Stattdessen erwärmte sich das Armband und ließ angenehme Wellen durch Julius' Körper wandern.

"Hups, mein Armband benimmt sich so anders, aber nicht unheimlich", sagte Millie. Julius zeigte ihr sein Armband und nickte.

"Ihr braucht keine Angst zu haben, Mildrid und Julius. Der Zauber wirkt nur gegen bösartige Eindringlinge. Er schützt mich vor möglichen Vergeltungsangriffen dieser Vingate und ihrer Saubande", sagte Venus. Julius stutzte. Ein Raumschutzzauber. Sowas hatte er doch vor kurzem erst gelernt. Tatsächlich meinte er, als er sich ansah, einen Hauch von Gold auf den Händen und Armen zu sehen. Millie sah, wo er hinsah und bekam große Augen. Schnell trat Julius durch die Türöffnung. Doch Millie hatte den goldenen Schimmer gesehen. Sie selbst hatte nicht derartig sichtbar auf die Durchquerung des Zaubers reagiert.

"Was ist in euren Armbändern verankert? Curattentius, nicht wahr?"

"Stimmt", sagte Julius und schloß behutsam die Tür. Jetzt sah er einen zarten, goldenen Dunst, der den Raum auskleidete. Von außen war er nicht zu sehen gewesen. Er war sich nun sicher, genau diesen Zauber in der Halle der Altmeister Altaxarois gelernt zu haben. Dann mentiloquierte er auf Blickkontakt zu Venus, ob der Raum abhörsicher sei.

"Wenn die Tür zu ist ist er auch mit dem Friedensraum-Zauber unabhörbar, Julius. Schließlich will mein Vater die Berichte nur für seine Kollegen und für die Strafverfolgungsabteilung. Lino soll das erst erfahren, wenn sie wissen, was davon für die Presse geeignet ist und was nicht." Melanie und Gloria setzten sich auf ein Sofa, während Millie und Julius sich auf zwei Stühle in Venus' Nähe setzten.

"Wie geht es dir, Venus?" Fragte Mildrid zunächst in einem von ihr selten gehörten, behutsamen Tonfall.

"Ich kann froh sein, daß mein Vater ein exzellenter Heiler und Fluchabwehrspezialist ist", sagte die Quodpot-Spielerin. "Wahrscheinlich wollt ihr wissen, wer mich da so beharkt hat. Ach ja, mir geht es soweit gut, Millie. Danke der Nachfrage!"

"Hast du diese Mora Vingate gesehen oder wer immer sich dahinter verbirgt?" Wollte Gloria von der Quodpotterin wissen.

"Womöglich. Ich habe eine Gestalt in einem blutroten Kapuzenumhang gesehen, die mit zwei Zauberstäben gleichzeitig hantiert hat, als ich mir das Zelt angucken wollte in dem ...öhm ... einige Leute was eigentlich ziemlich unvernünftiges gemacht haben."

"Venus, du mußt dich nicht genieren. Wir wissen über einiges schon bescheid", erwiderte Mildrid aufmunternd lächelnd. "Also du warst vor dem Zelt, in dem sich einige Paare ohne es zu wollen miteinander zusammengefunden haben. Hast du wen erkannt?"

"Von denen da drinnen? Nöh, die habe ich nur gehört. ich habe Kore Ggehört, wie sie einen gewissen Tony angehalten hat, sich noch heftiger mit ihr ... zusammenzutun, Mildrid", erwiderte Venus und errötete schamhaft. Millie sah sie unbeeindruckt an, während Julius' innere Zahnräder gerade wieder rotierten und an den richtigen Stellen einrasteten. Doch er wollte seinen Verdacht nicht laut aussprechen. Könnte ja doch wer anderes gemeint gewesen sein.

"Lino hat's in den Westwind geschrieben, bevor wir sie davon abhalten konnten. Ihre Ohren sind oft ein Fluch."

"Für uns", ergänzte Millie. Julius nickte.

"Jedenfalls wollte ich gerade in das Zelt, da stürzte dieses blutrote Phantom mit den beiden Zauberstäben auf mich los. Ich habe nur Abwehrzauber machen können und dabei doch einige leichte Treffer eingesteckt, abgesehen davon, daß mich diese Gestalt schnell ausgezehrt hat. Sie rief mit einer geschlechtlich nicht genau rauszuhörenden Stimme, daß ich eine schmutzige Störerin sei und entweder auch was von dem Nektar der nächsten Zweisamkeit eingeflößt bekommen oder für mein restliches Leben unumkehrbar entstellt rumlaufen sollte. Mann, wie muß ich dieser Giftspritze Purplecloud noch danken, daß die uns im Verteidigungskurs so getrietzt hat, daß ich gerade noch disapparieren konnte, bevor mich irgendwas anderes, womöglich der tödliche Fluch, erwischt hätte. Mit zwei Zauberstäben unabhängig zu zaubern ist ein Meistergrad der Magie, abgesehen von der Selbsterschöpfung. Mein Vater hat mich dann behandelt und die schwachen Auswirkungen der vier Flüche restlos aufgehoben. Ich dachte schon, ich käme da nie wieder weg oder hätte mich unter dieser Paarungsdroge noch mit einem anderen Gast da zusammengelegt."

"Lino ließ was raus, daß da Empfängnisfördernde Lösungen benutzt worden wären", erinnerte sich Julius. Venus nickte.

"Hat mal wieder einer nicht aufgepaßt. Womöglich wollten diese Vingate-Verbrecher, daß jedes Paar ein Kind auf den Weg bringt. Mein Vater prüft noch nach, ob dahinter noch mehr steckt als Leute zur wilden Orgie zu bringen."

"Du meinst, daß die dabei entstehenden Kinder für irgendwen oder irgendwas gebraucht werden?" Fragte Julius.

"Das oder daß Leute in den Staaten den Nachwuchs an Zauberern und Hexen in die Höhe treiben wollen. Wenn Kore wirklich darin war und mit solchen Sachen verhext wurde könnte sie egal in welcher Phase in ihrem eigenen Rhythmus sie war, ein Baby erwarten, sofern sie nicht gegenhalten, solange sich das Ei nicht im Mutterleib eingenistet hat."

"Es muß doch einen Ausnahmeparagraphen geben, der auf kriminelle Weise entstandene Kinder vor der Ausbildung der Organe und Gliedmaßen ... Mmmmmpf Milmmie." Julius fühlte Millies Hand auf seinem Mund.

"Was haben wir gelernt, Julius. Kinder, die empfangen sind, sind unschuldige menschengeschöpfe, sobald sie sicher im Mutterleib ruhen. Wenn eine Hexe oder eine Muggelfrau durch magische Manipulation, beispielsweise Imperius-Fluch oder eben solche Liebestränke ein Kind empfängt, hat sie es zu kriegen. Behalten muß sie es danach ja nicht."

"Toll, dann läuft eine Frau mit einem durch Vergewaltigung entstandenem Kind neun Monate rum, schämt und haßt sich und muß es dann noch kriegen", schnarrte Gloria daraufhin."Willst du so ein Kind haben, Millie?"

"In dem Moment wo ich es in mir fühlen würde würde ich mich fragen, ob es mehr von mir oder von dem hat, der es mir aufgezwungen hat. Und wenn ich echt der Meinung bin, daß es mich immer wieder an den Drecksack erinnert, kann ich es dem Hexenammen-Dienst überlassen, die es dann weit weg von mir aufziehen", sagte Millie ziemlich gereizt klingend. Offenbar, so vermutete Julius, war sie nicht ganz dieser Meinung. Aber sie mußte das wohl jetzt sagen, um ihren Einwand von eben zu rechtfertigen.

"Dieselben Heilergesetze gelten hier auch", sagte Venus. Deshalb wissen wir ja nicht, was mit Kore passiert ist und ob da sprichwörtlich was nachkommt", seufzte Venus. Da ging die Tür auf, und Mr. Partridge trat ein. Julius sah genau hin. Der goldene Dunst war wie eine feste Mauer, durch die Silvester Partridge wie durch eine Glasscheibe drang und nicht selbst golden schimmerte. Er schloß die Tür und sah Millie und Julius an.

"Seid ihr für Lino unterwegs?" Fragte er mißtrauisch. Millie und Julius schüttelten die Köpfe.

"Gut. Venus, egal, was du den beiden schon erzählt hast, bitte behalte alles andere für dich!"

"Sie wollten wissen, was mit Kore und mir passiert ist. Immerhin ..."

"sind sie keine regulären Mannschaftsmitglieder, sondern nur Besucher, Venus", stelllte Mr. Partridge klar. "Auch wenn ich euch nach Linos Artikel verstehen kann, Mildrid und Julius. Aber wenn Kore irgendwelche nachhaltigen Auswirkungen zu erwarten hat ginge es zunächst nur die direkten Betroffenen etwas an, dann erst einen Heiler ihres Vertrauens und dann den Arbeitgeber, der dann erst, wenn er im öffentlichen Interesse arbeitet, die Presse informiert. Tut mir furchtbar leid, aber so lauten die Regeln der Heilzunft. Und da ihr beiden die Beauxbatons-Pflegehelferbänder tragt solltet ihr das wissen und beherzigen."

"Natürlich, Sir", sagte Julius ergeben, während Millie leicht grummelte. Doch dann nickte sie auch.

"Wenn ihr nur was über Venus' Verfassung wissen wollt ... Aha, wißt ihr schon", sagte Mr. Partridge, als seine Tochter und die vier Gäste nickten.

"Wir wollten auch nicht zu viel wissen, Sir. Wir lasen es nur, was Venus passiert ist. Immerhin haben wir zusammen mit ihr Quodpot geübt", bat Julius um Nachsicht. Mr. Partridge nickte verständnisvoll, bestand dann aber mit ernster Miene darauf, daß sie beide jetzt besser wieder gehen sollten. Sie verabschiedeten sich und verließen das besonders bezauberte Zimmer. Julius achtete darauf. Als er den goldenen Dunst berührte, reagierte nicht nur sein Armband, sondern um seinem Körper schimmerte es hauchzart und golden. Millie, Gloria und Melanie hingegen wiesen keine solche Aura auf. Sie gingen einfach durch den ätherischen Schleier hindurch, als durchbreche sie eine Glasscheibe, die jedoch hinter ihr wieder zusammenwuchs, bis beide draußen standen. Von außen war von dem Raumfriedenszauber nichts zu sehen. Mr. Partridge schloß die Tür. Er mentiloquierte Gloria, Mel und Millie nacheinander an, daß sie besser zu keinem ein Wort über das verloren, was Venus ihnen erzählt hatte. Alle angedachten nickten behutsam.

"Wir fliegen in die Morgentaustraße", sagte Melanie. Gloria nickte. Julius sah Millie an, die doch noch unetnschlossen dreinschaute. Dann hörten sie die Schritte und Stimmen mehrerer Leute. Das waren Venus' Mannschaftskameraden. Julius trat vor und grüßte sie. Millie sagte, Venus ginge es soweit wieder gut. Ihr Vater sei bei ihr. Die Leute von der Mannschaft, auch Notus Corner, dem Julius einen leicht vorwurfsvollen Blick zuwarf, trotteten zur Wohnzimmertür. So hatten Gloria, Melanie, Millie und Julius freie Bahn nach draußen, um auf ihre Besen zu steigen. Mel hatte Gloria wieder hinter sich sitzen und flog mit ihr Richtung Osten. Millie und Julius flogen aufs Geratewohl über dem Ort dahin. Eine halbe Stunde später landete ein himmelblauer Doppeldeckerbus mit Ziehharmonikagelenk auf dem Marktplatz, wo bereits wieder das Treiben um Kaufen und Verkaufen ablief. Julius konnte lesen, daß es der Bus Nr. 7 des Unternehmens Blauer Vogel war. Dem Bus entstiegen fünf Hexen und fünf Zauberer, alle so um die achtzehn bis zwanzig. Millie sah Kore Blackberry und den schlachsigen Titonus Hornby, der sich bei Brittanys Premiere bei den Blackberrys aufgehalten und so gut wie keinen Ton herausgebracht hatte. Julius landete am Rand des Marktes, wo Millie und er zusahen, wie sich um die Passagiere aus dem Bus eine Menschentraube bildete. Julius konnte auch Lino erkennen, die mit einem magischen Fernrohr und bestimmt bis zum Anschlag gespitzten Ohren auf mögliche Sensationen lauerte. Er fragte sich immer noch, wieso der Artikel nicht auf Seite eins der Zeitung erschienen war. Zauberer und Hexen in sonnengelber Tracht erschienen aus dem Nichts heraus und trieben die neugierige Menge auseinander. Dann waren alle verschwunden. Die Sonnengelben, wohl die Wachen von VDS, waren mit den Heimkehrern einfach disappariert.

"Komm, hier gibt's nichts mehr zu sehen", sagte Millie zu Julius. Dieser nickte ihr zu und saß auf seinem Besen auf.

Sie strolchten noch einige Zeit über dem Dorf herum, bis Brittany Julius zumentiloquierte, sich beim Spendebaum zu treffen. Julius schickte ein kurzes "Geht klar, Britt" zurück. Laut sagte er, daß er noch mal zum Zaubergarten fliegen wollte. Millie folgte ihm. Wie abgesprochen trafen sie sich mit Brittany bei dem Spendebaum, der ihr gerade eine seiner reifen Früchte an einem Ast herabreichte.

"Mein Vater wird auf unbestimmte Zeit aus VDS wegfahren", begrüßte Brittany sie etwas traurig, aber auch verärgert. "Sein Maß sei voll, hat er Mom und mir nach dieser heftigen Auseinandersetzung heute Morgen an die Kürbisse geknallt. Wundert euch also nicht, wenn er gleich nicht mehr da ist", sagte sie noch und sah sich um. Julius mentiloquierte zu ihr, ob das so gut sei, wenn Lino das mithören könnte. Brittany lächelte trotzig. "Dem ist es egal, was sie hört oder nicht. Es wäre ja nur ein weiteres Puzzlesteinchen in seinem Bild von der Zaubererwelt. Er habe, so mein Vater, Jahre lang versucht, mit seiner Rolle in der Zaubererwelt klarzukommen. Aber keiner habe ihn so richtig für voll genommen. Das hätte ihn nicht so gestört, solange er sich sicher sein konnte, daß wir aufrichtig und ehrlich mit ihm umgingen und seine uns gegenüber kleine aber doch vorhandene Eigenständigkeit respektierten. Tja, und dann posaunt Lino das mit dieser verfluchten Party hinaus, von der mein Vater bis heute Morgen nichts mitgekriegt hat. Dann muß er noch erfahren, daß seine Tochter bereits "gesündigt" hat und seine Frau das wußte, und vielleicht noch ein Dutzend anderer Leute. Als ich ihm dann noch den Namen des unglücklichen Burschen verweigerte, mit dem ich diese Sache vor drei Jahren zu Ende gebracht habe, hat er auf den Tisch gehauen und gesagt, es reiche nun. Er lasse sich nicht ständig zum Dorfdeppen machen, dem man nichts erzählen müsse und hinter dessen Rücken alle tuscheln könnten. Er meinte dann, daß er seine wichtigsten Sachen einpacken wolle und erst einmal nach Chicago reisen würde. Ich wollte ihn danach fragen, wie er von hier wegkommen wolle. Doch Mom sagte da schon, daß es für uns vielleicht einmal gut sei, wenn wir einige Wochen voneinander getrennt wären. Sie bedauere es zwar, daß er so erbost und verletzt reagiere. Aber um ihrer Ehe und meiner Liebe willen würde sie ihn ziehen lassen", seufzte Brittany und kämpfte sichtlich mit aufsteigenden Tränen. "er hat dann noch gesagt, daß er beim Packen keine Hilfe bräuche, und Mom hat ihm ein Ministeriumsauto bestellt, daß ihn direkt zu seinen Eltern zurückbringen könnte. Doch er wollte nur nach San Francisco und von da aus mit einem lärmigen Flugzeug wegfliegen. Je weniger Zauberei er in den nächsten Tagen um sich hätte, desto besser sei es."

"Öhm, wissen deine Großeltern väterlicherseits, daß deine Mutter und du Hexen seid?" Fragte Julius, während Millie sehr verdrossen dreinschaute.

"Nein, wissen sie nicht. Mom und ich haben es immer wieder gut hingekriegt, nicht aufzufallen, wenn wir bei denen waren. Und als die bei uns waren hat der Dorfrat gemäß der nicht offenbarenden Toleranzbestimmung das Fliegen auf Besen und das Apparieren außerhalb von Häusern untersagt. Meine Großeltern glauben, wir lebten wie Menoniten oder Amish-Leute, wenn ihr wißt, was das für welche sind."

"Ich nicht", erwiderte Millie, die immer noch an dieser Neuigkeit zu knabbern hatte.

"Glaubensgemeinschaften die keine technischen Geräte benutzen dürfen und alle modernen Einrichtungen ablehnen", konnte Julius ihr aushelfen. Brittany nickte.

"Anti-Computer-Sekten?" Fragte Millie nun etwas belustigt.

"Ja, und Anti-autos, Elektrizität und Telefon", erwiderte Julius darauf. Brittany erklärte dann noch, daß ihre Großeltern väterlicherseits eine Woche hier ausgehalten hätten. Dann hätten sie den Rückzug angetreten.

"Dann kann der ihnen verkaufen, daß er nicht in eure Dorfgemeinschaft hineinpaßt und jetzt, wo du groß wärest neu anfangen könnte?" Fragte Millie. Brittany nickte.

"Die Frage ist nur, wie das Ministerium damit umgeht. Die werden den mit dem ganzen Wissen über die Zaubererwelt nicht frei in der Muggelwelt herumlaufen lassen", warf Julius ein.

"Das haben die schon geklärt, wo ich noch nicht geboren war", sagte Brittany. "Mein Vater hat auf einen Eidesstein schwören müssen, daß er niemanden außerhalb unserer Gemeinschaft in Wort, Bild oder Schrift berichtet, daß es eine magische Welt gibt. Das war nötig, weil eine meiner Tanten drauf und dran war, Moms Natur zu erkennen. Während der Schwangerschaft mit mir war sie nicht immer so beherrscht wie ihr sie kennengelernt habt."

"Du bist dir sicher, daß Lino das einfach mithören kann", Mentiloquierte Julius.

"Lino ist neugierig, aber nicht hinterhältig oder gehässig, Julius. Sie kann heftig auf die Nerven gehen oder einen mit ihrer honigsüßen Tour Sachen aus dem Umhang ziehen, die nicht unbedingt herausgeholt werden dürfen. Aber sie gehört wie Peggy zu den wenigen, die meinen Vater als Mensch unter Menschen ansehen und seine Entscheidungen respektieren."

"Ja, aber deine Mutter ist prominent. Reporter reißen sich drum, was wichtige Leute privat machen. Ehekrach und Trennungen stehen bei solchen Leuten hoch im Kurs", mentiloquierte Julius und fühlte, wie ihm der Kopf heiß wurde.

"Macht euch bitte keine Sorgen. Ich denke nicht, daß Dad es lange bei seinen Eltern aushält. Das wäre ja so, als würde er sich dem Infanticorpore-Fluch unterwerfen lassen", entgegnete Brittany. "Aber was mich angeht, so denke ich, könnte es nur gut sein, wenn ich mir bald eine eigene Wohnung suche. Ich will ja schließlich auch mal 'ne richtige Familie gründen mit Kindern und solchen Sachen."

"Wieso, meine Großeltern mütterlicherseits haben zwei von meinen Onkeln und eine Tante bei sich wohnen. Die Tante ist eigenständig, und die Onkel haben eigene Familien", wandte Millie ein. Brittany mußte darüber lachen.

"Ja, das geht bei deiner Verwandtschaft wohl noch ganz gut. Aber meine Mom ist 'ne Lehrerin. Wer glaubst du denn, würde die Kinder mehr erziehen, wenn ich nicht mindestens drei Türen zwischen ihr und mir zumachen könnte? Es gibt so Berufe, da wächst du mit zusammen. Deine Oma ist eben eine berufsmäßige Mutter, die braucht Kinder und Kindeskinder um sich rum. Aber ich bekäme noch mehr Streit mit meinen Eltern, wenn ihre Enkel mit ihnen im selben Haus leben. Und jetzt, wo mein Vater die Sache von vor drei Jahren erzählt bekommen hat, könnte dem einfallen, mir jeden Mann madig zu machen. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Ich wolte euch das nur sagen, daß ihr Mom nicht aus Versehen wehtut, wenn wir nachher bei uns sind", beendete Brittany ihre Darlegung. Millie sah sie nur bedauernd an. Julius dachte an die Brickstons, daß Joe beinahe selbst von Frau und Kindern weggezogen wäre.

"Dann erzählt mal, wie die heimkehrenden Nachtsünder zurückgekommen sind", sagte Brittany. Millie und Julius erwähnten es kurz, was sie gesehen hatten. Dann beschlossen sie, noch ein paar Runden über dem Dorf zu drehen, weil Brittany wissen wollte, wie sich der Ganymed als Soziusbesen flöge. Einmal flog sie hinter Julius mit, einmal hinter Millie. Dann übernahm sie mit Julius als Sozius den Ganymed und vollführte einige schwierige Manöver. So verflogen drei Stunden. Unterwegs über Viento del Sol trafen sie auch einmal Kore Blackberry, die mit ihrem sichtlich geknickten Vetter Titonus Quodpot-Übungen ohne Quod und Gegner ausflog. Der Junge, der schmächtiger als Julius aussah aber dafür einen halben Kopf größer war wirkte sichtlich geknickt. Einmal, als er fast vom Besen purzelte, herrschte ihn Kore an, sich zusammenzureißen. Er drehte danach aus der Flugbahn ab und schwirrte wortlos davon.

"Das hat ihn heftig mitgenommen, was ihm und mir gestern abend passiert ist", flüsterte Kore. Sie sah Brittany an und schien ihr was zuzumentiloquieren. Dann meinte sie zu Julius:

"Ich hoffe nur, ihr beiden habt euch irgendwann mal richtig doll lieb, also nicht nur mit dem Herzen. Ich denke, Titonus ist erst einmal von sowas weg."

"Du kannst da genausowenig für wie er", warf Brittany ein. "Außerdem gehörte das früher zum guten Ton und bei den Reinblutfixierten immer noch."

"Danke für den letzten Satz, Britt. Den habe ich jetzt noch gebraucht", schnaubte Kore. Dann schwirrte sie davon, ihrem Vetter hinterher.

"Hast du sie an einem üblen Punkt erwischt?" Fragte Julius unhörbar.

"Sie und Titonus haben sich ein und dasselbe Bett geteilt", erwiderte Brittany ebenso unhörbar.

"Ups", konnte Julius dazu nur denken. Mehr wollte er dann doch nicht rauslassen. Manchmal war es doch unangenehmer, recht zu behalten als unrecht zu haben.

Wieder zurück im Rotbuchenhaus wurden sie Zeugen, wie Dan Forester mit zwei schweren Koffern in den gelben Cadillac kletterte, der Milie und Julius schon einmal abgeholt hatte. Dan Forester winkte seiner Tochter noch einmal zu, die kleine Tränen in den Augen hatte und schloß die Hintertür. Als der Wagen mit dem hier untypischen Motorengebrumm davonrollte, rief Mrs. Forester sie zum Essen ins Haus. Bei Tisch sagte keiner ein Wort mehr als nötig.

Den Nachmittag vertrieben sich Mrs. Forester, Gloria und Julius mit Schach im Garten, während Brittany, Melanie und Mildrid Musik machten. Larissa Swann, die von Peggy gegen drei gebracht worden war, lag ruhig in einem Kinderbett mit Bambusstangen. Julius spürte die Versuchung, das Geschöpf da aus dem Bettchen herauszunehmen und Mrs. Forester auf die Nase zu binden, daß Larissa kein richtiges Baby war, wenn sie auch wie ein Baby neu zur Welt gekommen war. Doch er schwieg. Erst als Peggy Swann zurückkehrte und ihre Kleine wieder abholte, hörte Julius Larissas Gedankenstimme:

"Bevor du abreist kommst du bitte noch mal zu uns. Es wird nicht zu deinem Schaden sein."

"Ich benötige nichts außer dem was ich habe", schickte Julius zurück. "Danke für das Angebot!"

"Du wirst nicht immer in Beauxbatons oder Millemerveilles bleiben können. Gute Freunde oder Freundinnen in wichtigen Positionen sind mehr wert als alles Gold der Welt."

"Aber Freunde kann ich mir immer noch aussuchen", schickte Julius zurück.

"Genau wie Feinde, Julius", erwiderte Larissas Gedankenstimme. "Aber bei einigen Feinden klappt das auch nicht immer. Überlege es dir besser!"

"Gut, damit das Baby ruhe gibt", gedankenschnaubte Julius.

"Wie gesagt, es wird nicht dein Schaden sein. Du kannst deine Auserwählte ruhig mitbringen, wenn du ihr schon übermittelt hast, wer und was ich bin", entgegnete Larissa. Dann bog die Hexe, die einmal ihre Tochter war, mit ihr auf dem Rücken um die nächste Straßenecke.

Abends führten Brittany und ihre Mutter die Gäste zum ordentlichen Tanz aus. Julius merkte wohl, daß Mutter und Tochter Forester sich den Kummer von der Seele tanzen wollten. So gab er sich so galant und gewandt wie er es gelernt und häufig angewendet hatte, wenn er mit Lorena oder Brittany Forester tanzte. Melanie konkurrierte mit Millie darum, ihn oft genug zum Tanz zu führen. Auch konnte er mit den hier lebenden vier Muggelfrauen tanzen, die ihn leise fragten, was er von der Sache mit Dan Forester hielt, wo er seine Welt doch auch kannte. Er sagte dann immer, daß das nicht seine Angelegenheit sei und er daher nichts dazu bemerken dürfe. Mel entging nicht, daß Julius sich bei Brittany und Millie mehr Mühe gab als bei ihr. So fragte sie ihn bei einem langsamen Walzer einmal:

"Bist du dir echt sicher, daß du mit Mildrid zusammenleben willst? So wie du mit Britt tanzt könntest du der ja genauso zuneigen."

"Ich habe mich entschieden, mel. Auch wenn dir das vielleicht wehtun könnte. Aber Millie und ich sind jetzt zusammen. Ich habe mir die Entscheidung nach dem Tod von Claire nicht leicht gemacht, und sie hat geduldig gewartet. Also ist ihr das so ernst wie mir", erwiderte Julius. Melanie sah ihn etwas verstört an und fragte, wieso er finde, daß ihr das wehtue.

"Weil du mich so gefragt hast, als wolltest du wissen, ob ich nicht für wen anderes empfänglich wäre".

"Das Ei hättest du jetzt auch richtig herum legen können, Julius. Du meinst, ich wollte was von dir?" Knurrte Melanie. Julius räumte ein, daß er zumindest die Möglichkeit gesehen hatte. Mel sagte dazu nur: "Ja, aber sowas sagt ein Junge keinem Mädchen, wenn er weiß, daß die sowas echt denkt. Mädchen tun sowas ja auch nicht."

"Tja, und dann laufen sie umeinander rum und denken und machen, ohne zu klären, ob das was bringt oder nicht", konterte Julius. "Britt findet es in Ordnung, daß Millie und ich gut zusammen sind, und wir beide haben uns das eindeutig gesagt, daß wir es zusammen durchziehen wollen, solange es geht."

"Britt hat dir das erzählt, ich sei irgendwie hinter dir her?" Fragte Melanie schnippisch. Julius wandte ein, daß sie selbst so geredet habe, wo er damals gerade von dieser Sache mit Hallitti weggekommen sei. Mel lief daraufhin rot an, weil sie sich erinnerte, wie sie ihn wohl angesehen hatte. "Das ist sogar Gloria aufgefallen, die in dem Moment nichts in der Richtung vorhatte", legte Julius noch nach. Dann wandte er schnell ein: "Ich habe nichts dagegen, mit dir gut bekannt oder befreundet zu sein, Mel. Sicher wäre das spannend geworden, wenn ich eine Beziehung mit einer schon erwachsenen Hexe angefangen hätte. Aber wenn du richtig nachdenkst würdest du sehen, daß wir beide dann doch zu weit auseinanderwohnen. Ich habe noch drei Jahre Beaux vor mir, und deine Tante wird dich wohl nicht vor Weihnachten aus dem neuen Laden rauslassen. Deshalb noch mal meine Entschuldigung, wenn ich dir in irgendeiner Weise falsche Hoffnungen gemacht haben sollte!"

"Wenn dann höchstens ich mir", schnaubte Melanie und gab damit zu, daß sie Julius wohl doch gerne mal als Beziehungspartner gehabt hätte. Dann jedoch lächelte sie und sagte: "Du hättest ja dann meine Schwester und meine Cousine mitheiraten müssen. Aber mit Glo kommst du ja auf der Kopfebene gut zurecht. Wenn ich das auch mit dir kann, dann möchte ich gerne gut mit dir bekannt bleiben, Julius."

"Danke für dein Angebot, Mel. Ich freue mich, wenn wir weiterhin gut zurechtkommen. Bestimmt kannst du mir mal irgendwas nützliches zeigen, wenn ich aus der Schule raus bin und mich einarbeiten muß."

"Ich denke, da werden schon genug Leute auf der Lauer liegen, dir dieses oder jenes beizubringen", erwiderte Mel grinsend. Dann vollendeten sie den Tanz.

Der letzte Cha-cha-cha gehörte Julius und Mildrid. Diese ließ sich in Kurzform erzählen, was Mel und Julius beredet hatten.

"Oha, dann stimmte das ja doch", wisperte Millie. "Aber jetzt weiß sie es halt. Ist ja angeblich schon groß genug, um das einzusehen." Julius schwieg dazu nur.

Als sie alle nach der Tanzveranstaltung im Gemeindehaus von Viento del Sol auf ihre Zimmer gegangen waren mentiloquierte ihm Mildrid, er möge zu ihr rüberkommen. Er fragte sie, ob sie schon wieder Lust hätte. Sie meinte dazu, daß sie dafür wohl gut genug erschöpft sei, aber so zusammenzuliegen habe ihr gestern auch gefallen. Da er das Gefühl voll und ganz teilte, wartete er zehn Minuten ab, flog dann mit dem Besen zum Fenster hinaus und bei Millie hinein, die das Fenster jedoch nicht ganz offen ließ, sondern halb schloß, bevor sie die Vorhänge zuzog und Julius so leise es ging in das kleine Zelt hineinzog.

"Wir müssen es nicht jede Nacht zusammen tun, Julius. Aber ich hatte gestern den Eindruck, daß du neben mir sehr gut geschlafen hast. Außerdem wollte ich wissen, ob dieses Baby dir noch was zumentiloquiert hat."

"Wie kommst du darauf?" Fragte Julius.

"Weil ich dich ganz konzentriert da habe sitzen sehen, obwohl Gloria und Britts Mutter gerade alleine Schach spielten und du nicht auf die Partie geguckt hast."

"Sie will, daß ich vor der Abreise noch einmal zu ihrer Mutter hingehe. Aber der darf sie doch nicht erzählen, daß ich was über sie weiß. Angeblich sollte es nicht zu meinem Schaden sein."

"Die will dir wohl sowas wie eure Zweiwegespiegel andrehen. Dann kann sie damit ohne ihre neue Mutter drauf zu stoßen was mitteilen, wenn sie richtig sprechen kann."

"Wird wohl so sein. Ich habe irgendwie keine rechte Lust, mich länger mit der und ihren Schwestern einzulassen. Nachher ziehen die mich noch in ihre Angelegenheiten rein."

"Ich denke, daß hat diese Wiederkehrerin schon getan, Monju. Wenn Larissa und ihre Mutter vor der Angst haben oder nicht wollen, daß die zu mächtig wird, wissen die vielleicht schon, was die demnächst vorhat. Aber wenn das, was die dir anbieten wollen zu verdächtig ist, kannst du dich ja mit Königin Blanche darüber bereden. Und jetzt komm ins Bett, Mon Cher!"

Julius lag wieder an der Wandseite des Bettes. Sie hatten es tatsächlich beide nicht auf körperliche Liebe angelegt. Er dachte daran, daß er in etwa drei Jahren nur noch neben ihr einschlafen und wieder aufwachen würde. Das war doch auch etwas, wofür es sich zu leben und zu lernen lohnte, dachte er, bevor Millies gleichmäßiger Atem und das sanfte Pulsieren seines Herzanhängers ihn in den erholsamen Schlaf hinübertrugen.

 

__________

 

Lautes Pochen weckte ihn auf. Zunächst dachte er an eine mächtige Dampfmaschine, weil es um ihn herum rauschte. In einem langsameren Takt wie das dunkle Pochen klang ein dumpfes Fauchen wie ein immer wieder einsaugender und ausblasender Riesenblasebalg. Er fühlte sich leicht, als schwebe er in einem fast schwerelosen Raum. Doch als er seinen Arm bewegte merkte er, daß er nicht schwebte, sondern schwamm. Er fühlte etwas an seinem Bauch und spürte etwas schlauchartiges im Takt des dumpfen Pochens pulsieren. Außerdem hörte er noch zwei weitere Geräuschquellen, die höher und schneller wummerten und erkannte, wo und was er war. Doch er war nicht alleine. Als seine Hand unbeholfen nach links glitt fühlte er einen nackten, leicht glitschigen Körper, wie den eines Fisches, nur daß dieser Fisch sich für einen Kaltblüter sehr Warm anfühlte, wie überhaupt alles um ihn herum eine angenehme Wärme besaß. Er dachte an Felice Clavier, Cythera, Esperance und Felicité und an Miriam, Millies kleine Schwester. Er streckte seinen rechten Fuß aus und stieß gegen eine weiche, rutschige Wand. Der Körper neben ihm tastete mit der rechten Hand nach ihm. Dann hörte er Millies Gedankenstimme:

"Monju, sie hat uns erwischt und uns bei sich reingezaubert." Julius wollte was sagen. Doch er konnte weder Luft holen noch sprechen. So dachte er zurück:

"Was? Wer? Wie?"

"Sie meint mich", ertönte um ihn herum dumpf aber doch noch erkennbar Brittanys Stimme. "Schön, daß ihr beiden jetzt richtig aufgewacht seid." Dann hörten er und Millie ihre Gedankenstimme weitersprechen: "Habt ihr beiden euch echt eingebildet, ich kriegte das nicht raus, daß ihr euch heimlich trefft? Ich habe euch in diesem Zelt gefunden und ungesagt in Zauberschlaf versetzt. Dann habe ich mir von Peggy Swann erklären lassen, wie ich den Zauber machen kann, den sie mit ihrer eigenen Mutter gemacht hat und Voilà, wie sie bei euch in Frankreich sagen. Ihr wolltet zusammen liegen? Jetzt habt ihr noch vier Monate Zeit, bis ich euch wieder rauslasse. Ab da könnt ihr jeden Tag und jede Nacht zusammenliegen, im Kinderbett, in meinen Armen oder sonst wo. Ich hätte echt gedacht, du wärest nicht so ungestüm, Julius. Aber dieses frühreife Gör hat dich offenbar schnell rumgekriegt. Eigentlich wollte ich da wo ihr beiden jetzt seit ein Kind von dir haben, Julius. Jetzt werdet ihr meine Kinder. Spart mir eine zeit- und gefühlsaufwändige Beziehung."

"Moment, Britt, das kann doch nicht wahr sein!" Rief Julius nur in Gedanken. "Du kannst uns beide doch nicht einfach verschwinden lassen!"

"Doch, ging ganz einfach. Ich habe mich von Kore mit dem Fidelius-Zauber belegen lassen und damit eure Existenz komplett in mir verborgen. Wenn ihr zur Welt kommt seht ihr mir so ähnlich, daß keiner meinen kann, ihr wäret nicht von mir. Peggy hat mir verraten, wie ich das drehen kann. War nicht so schlecht, daß mein Vater sich abgesetzt hat."

"Du eifersüchtige alte Sabberhexe", knurrte Millie rein gedanklich und trat aus. Tatsächlich hörten sie Brittanys dumpfes Stöhnen. Julius versuchte, nach oben zu schlagen, wo gerade ein lautes Gluckern zu hören war.

"Ey, lasst das. Das bringt euch doch nichts", keuchte Brittany mit hörbarer Stimme, die zwar wie ein nur auf Bass und untere Mitteltöne eingestellter Lautsprecher klang, aber doch noch deutlich genug zu verstehen war.

"Mit mir macht keiner sowas und freut sich noch drüber", erwiderte Millie, während Julius seinen schweren Kopf nach oben drückte und die gemeinsame Behausung nach oben eindellte.

"Das könnte euch so passen, daß ich euch vorher schon verliere", knurrte Brittanys Gedankenstimme. Dann fühlte Julius, wie etwas ihn traf und immer träger machte, genauso wie Millie, die zwar immer noch strampelte, aber immer schwerfälligere Tritte austeilte, bis Brittanys Körpergeräusche immer leiser wurden. Da fühlte er schmerzhaft einen Fuß gegen sein Bein treten und fühlte einen schweren Körper halb über ihm liegen, während er selbst gerade einen Schlag austeilen wollte und, weil er in diesem Moment fauchend Luft einsog, den Schwung abfing und mit wild klopfendem Herzen und Anhänger zur Besinnung kam. Millie hing fast über ihm und keuchte auch. Durch ihren Brustkorb fühlte er ihr Herz schlagen. Dann war er hellwach. Brittanys Bestrafungsaktion war nicht wirklich geschehen. Er hatte mal wieder einen besonders abgedrehten Alptraum gehabt.

"Monju, wach auf", keuchte Millie. Als sie merkte, daß ihr Bettgenosse auch schon wach war rollte sie sich leicht von ihm weg, drehte sich aber dann so, daß ihr Gesicht ihm zugewandt war. Er drehte sich auch in ihre Richtung. Wie tropisch warme Windstöße bestrichen sie sich mit ihrem Atem.

"Ich hatte gerade einen total durchgeknallten Alptraum", seufzte Julius. Millie erwiderte:

"Ich auch, Monju. Brittany hat uns hier erwischt und gemeint, uns was ganz besonderes anzutun."

"Uns als ihre beiden Kinder zu kriegen", erwiderte Julius aufgeregt. Er hoffte, daß das Zelt wirklich jedes nach außen dringende Geräusch zurückhielt.

"Hups, dann hast du ... Oh, das wäre dann der zweite gemeinsame Traum", entgegnete Millie, nun etwas entspannter, ja sogar etwas amüsiert klingend.

"Wir beide haben versucht, ihr die Eingeweide rauszuhauen", sagte Julius.

"Stimmt, ich habe sie getreten und du den Kopf in ihren Magen gerammt. Zumindest kam es mir so vor." Julius bestätigte das leise. "Wirklich durchgeknallt, Monju. Weil ich dich ihr vorenthalten habe.

"Das kommt von Melanies und Myrnas gerede, die hätte was mit mir anfangen wollen. Können nur froh sein, daß das für die 'ne härtere Strafe wäre als für uns."

"Ja, und weil du mir das von Peggy Swann erzählt hast habe ich das wohl auch gedacht, daß sie das mit uns anstellen könnte."

"Am Besten gehe ich jetzt schon mal in mein Zimmer zurück, bevor die wirklich noch nach mir sucht", dachte Julius. Doch Millie drückte ihn mit ihrem Körper an die schräge Zeltwand, die ein wenig nachgab und sich dann straffte.

"Wie spät hast du's?" Fragte sie und griff nach seinem linken Arm, wo er die Weltzeituhr trug, die er nur für besondere Gelegenheiten abnahm. Sie sah auf das sehr schwach im dunkeln glimmende Zifferblatt und meinte: "Es ist erst halb drei. Wenn sie uns jetzt noch nicht erwischt hat erwischt die uns in den nächsten zwei Stunden auch nicht mehr, Monju. Soweit ich weiß hast du in der Burg der Himmelsschwester den kleinen Jungen endgültig abgelegt. Du hast es selbst gesagt, daß Brittany sich selbst heftiger treffen würde, wenn die auf abgedrehte Strafen kommt."

"Du hast gesagt, das Zelt hier schirmt gegen Fernbeobachtungszauber ab", meinte Julius noch. Millie machte nur: "Mmmhmm". "Dann kann die uns zumindest nicht mit dem Exosenso-Zauber auffinden", sagte er dann noch. "Und wie ist es mit dem Lebensquell oder diesem Menschenzeiger Homenum revelio?"

"Ich weiß nicht, was Bine und San die Menge Gold wert war, mir das Zelt zu schenken, weil ich auch nicht weiß, wie teuer es ist. Jedenfalls fängt es alle bekannten Aufspürzauber ab und läßt weder Geräusche noch Körperwärme nach außen dringen. Ich habe das mit Bine und San getestet, bevor wir zu Tante Babs gereist sind. Da wollte ich es eigentlich schon mitnehmen. Aber Tante Babs war so nett, uns vorzuwarnen, daß wir mit unseren Eltern und vorhandenen Geschwistern im gleichen Zimmer schlafen. Tante Babs und Onkel Jean sind eben Spaßverderber."

"Ja, und sie kennen ihre nette Verwandtschaft", fügte Julius noch hinzu.

"Auf jeden Fall kriegt keiner mit welcher Magie auch immer mit, daß du bei mir bist", sagte Millie noch. "Abgesehen davon hätten sie dann ja längst bei mir angeklopft um zu fragen, wo du wärest. Also entspann dich, Monju!" Sie rückte ihm noch etwas näher und nahm seine Hand und hielt sie, nicht zu fest aber fest genug, daß er seine Hand nicht ohne gewisse Anstrengung wegziehen könnte. Sie lagen dann auf dem Rücken und blickten an die dunkle Zeltdecke. Dann glitten sie in den Schlaf zurück, aus dem ihr zweiter gemeinsamer Traum sie so unsanft herausgerissen hatte.

 

__________

 

Wie am Morgen davor weckte sie das melodische Glockenspiel des kleinen Weckers, der auf dem kleinen Tisch neben dem Bett stand. Millie und er lagen Bauch an Bauch, waren aber statthaft bekleidet.

"Hoffentlich ist während der Nacht nichts übergesprungen", argwöhnte Julius. Millie grinste mädchenhaft. Doch dann erwiderte sie:

"Fühlst du etwas, als wären wir ohne es mitgekriegt zu haben zusammengerutscht?" Er verneinte es. "Ich auch nicht. Meine Klamotten sitzen noch so wie ich sie zum schlafen angezogen habe. Aber tröste dich. bin vier Tage vor dem üblichen Tribut, wie meine Mutter das nannte."

"Tribut der Lebensspenderin?" Fragte Julius. "So hat Hera Matine das genannt, als wir es von ihrem Spezialfach hatten und wieviel ich über die Körper von Menschenmännchen und Menschenweibchen wüßte."

"Möchtest du mir den schönen Morgen vermiesen, Monju? Du hättest statt dieser Zwergenhasserin meine Tante erwähnen können. Immerhin hast du dich ja mit der auch öfter unterhalten, wie ich weiß."

"Wenn ich das gemacht hätte wärest du auf deine Tante Trice eifersüchtig geworden", sagte Julius schlagfertig.

"Lieber eine Tante, die dich gut kennengelernt hat als eine alte Witwe, die findet, mich hätte es nicht geben dürfen."

"Die haßt auch Riesen. Besser, sie haßt die, weil sie Angst vor denen hat", fiel es Julius noch ein.

"Also ich bin mir sicher, daß Aurore noch nicht bei mir eingezogen ist, Monju. Falls doch, dann kriegen meine Eltern das durch, daß du deswegen nicht gleich von Beauxbatons runterfliegst."

"Wie nett, Millie", erwiderte Julius darauf. Sich vorzustellen, wie dann alle sich das Maul zerreißen würden, von Belisama über Céline, Hercules bis rauf zu Professeur Faucon ... Aber sie hatte recht. Wenn jetzt schon wer neues unterwegs sein sollte, war das doch eher ein Grund, sich drauf zu freuen als sich drüber zu ärgern. Er stieß sich von der Matratze ab, rollte sich federleicht über Millies ausgestreckten Körper hinweg und verließ das Bett und dann das Zelt. Ohne ein Wort oder lautes Geräusch nahm er seinen Besen, öffnete das Fenster weit und flog in den bereits hellen Morgen hinaus, so schnell es ging nach oben und auf seiner Seite wieder hinunter durch das Fenster.

"Hast du wieder in dein Zimmer gefunden, Julius? Dann kuck mal unter deinem Kopfkissen nach!" Hörte er die Gedankenstimme einer Hexe. Doch es war nicht Millie, sondern Brittany. Julius schrak zusammen. Hatte sie ihn doch irgendwie ertappt? Die einzig logische Antwort war ein klares Ja. Denn als er unter sein Kopfkissen griff zog er einen schweren Umschlag hervor. Darauf stand: "für den Nachtschwärmer und seine heißblütige Herzenshexe" Er dachte schon, einen Heuler oder etwas ähnlich biestiges in den Händen zu halten. Doch er ertastete einen Zettel und eine kleine Flasche oder Phiole. Vorsichtig öffnete er den Umschlag, jeden Moment darauf gefaßt, ihn mit einem Schwung von sich schleudern zu müssen. Doch der Umschlag ging auf, ohne das Brittanys laute Stimme, Bubotubler-Eiter oder ähnliches herausplatzte. "Der Nachtschwärmer" mußte sogar grinsen, als er das blaue Fläschchen wiedererkannte. Erst vor zwei Nächten hatte er sowas bei Millie sehen können. Er legte das Fläschchen auf sein Bett und zog zwei Zettel heraus, einen kleinen, die Gebrauchsanweisung für den kleinen Behälter und einen großen, der eindeutig ein Brief war. Er zog das Pergament auseinander, strich es glatt und las in Brittanys Handschrift:

Hallo Julius,

Wenn du diesen Brief liest wirst du wissen, daß ich dir auf die Schliche gekommen bin. Denn in der Nacht zu gestern mußte ich kurz raus. Da fühlte ich einen sanften Luftzug aus der Richtung, wo dein Zimmer liegt. Da kam mir die Idee, nachzusehen, wie es dir geht. Ich ging an die Tür und fühlte, daß der Luftzug darunter hindurchdrang. Ich benutzte einen Aufspürzauber für menschliche Wesen und fand dich damit nicht in deinem Zimmer. Du hattest die Tür ja von innen verschlossen. Aber mein Menschenfinder zeigte auch nur fünf Personen im Haus an, und zwar dort, wo Mel und Gloria schliefen, meine Eltern und mich. Da meine Mutter einen Meldezauber zwischen deinem und Millies Zimmer eingerichtet hat, um nächtliche Ausflüge zu vereiteln, wußte ich, daß weder du noch Millie durch das Haus gegangen sein konntet. So ging ich davon aus, daß ihr beiden euch mit euren Besen abgesetzt habt, um außerhalb von unserem Haus einen hübsch verborgenen Treffpunkt aufzusuchen. Ich ging in mein Zimmer und disapparierte nach draußen. Da hab' ich's gesehen, daß dein Zimmerfenster weit offenstand und auch das von Millie geöffnet war. Da bin ich mit einem Wandkletterzauber hochgeklettert und habe reingesehen. Tja, und da stand so ein kleines, harmloses Zelt mitten im Zimmer, als hätten wir kein festes Dach über dem Kopf. Ich wirkte einen Schwarzlichtzauber, der im Dunkeln nur die stellen aufleuchten läßt, auf die er unmittelbar fällt, und zwar ohne Streulicht und Widerschein. Schon was praktisches. Ich habe in den Raum hineingeleuchtet und zwei Ganymed-Besen unter dem unberührten Bett gefunden. Ab da war mir klar, wo ihr wart und daß ihr wohl gute Quellen für diskrete Verstecke kennen müßt, wenn kein Aufspürzauber euch da erwischen kann. Ich bin dann wieder zurück ins Haus. Ich hoffe mal für dich, daß die rotblonde Mademoiselle es echt wert ist, daß du meine Eltern und mich derartig auszutricksen gewagt hast. Aber ich bin weder blind noch blöd, daß ich das nicht gesehen hätte, daß Millie kein unschuldiges Mädel mehr ist und mir da schon denken konnte, daß ihr die Ferien von eurer strengen Schule zu gewissen Forschungsprojekten benutzt. Das widerspricht zwar dem, was Gloria und ihre Cousinen über dich so erzählt haben, entspricht aber dem, wie ich dich letzten Sommer erlebt habe. Immerhin haben wir beiden da ja auch was verbotenes angestellt. Dieses und die Tatsache, daß mir daran gelegen ist, daß es dir so gut wie möglich geht, kannst du dir als Glück anrechnen. Denn als ich in der nun wohl vergangenen Nacht wieder kuckte, wo du warst und weder dich noch Mademoiselle Mildrid aufspüren konnte, befand ich, dir das mitzuteilen, daß du nicht einfach so machen kannst, was du willst, ohne das die nette Hexe, die mit dir in San Rafael war das mitkriegt. Ich kam von außen in dein Zimmer. Das hätte jeder andere übrigens auch so machen können. Dann schrieb ich dir den Brief und legte dieses kleine blaue Fläschchen mit dabei. Millie äußerte sich ja gestern, daß sie wisse, was man gegen zu frühe Lebensveränderungen machen kann. Nur für den Fall, daß ihr ihre hoffentlich mitgebrachten Vorräte zu früh aufbraucht. Denn das könnt ihr meiner Mom echt nicht antun, hier in ihrem Haus ein Baby auf den Weg zu bringen. Also gib ihr das Fläschchen und sei mit ihr schön vorsichtig!

Noch was: Wenn ihr das bisher keinem auf die Nase gebunden habt, was ihr nachts so anstellt, dann macht das bitte auch weiterhin nicht! Meiner Mutter würde es verdammt übel aufstoßen, weil sie sich solange für euch verantwortlich fühlt, solange ihr unter unserem Dach wohnt. Tja, und Melanie und Gloria könnten sauer werden, weil sie keinen Partner zum ganz doll liebhaben mitgebracht haben.

Bestell deiner Herzenshexe bitte schöne Grüße!

                              die Gemüsefee

P.S. Hoffentlich seid ihr gut ausgeschlafen für unsere Segeltour nachher.

"Gelesen und zur Kenntnis genommen", mentiloquierte Julius an Brittany. "Danke für dein Verständnis!"

"Nur wenn ich nicht irgendwann zu hören oder zu lesen kriege, daß jemand kleines unterwegs ist. Denn dann kriegt ihr den Ärger weitergereicht, den ich dann haben werde", erwiderte Brittany. Doch in ihrer Gedankenstimme schwang mädchenhafte Erheiterung mit.

"Wir können es dann ja Brittany nennen, wenn es ein Mädchen wird."

"Neh, bloß nicht, Julius. Weder Brittany noch Dorothy. Das sind die Namen meiner Urgroßmütter väterlicherseits. Ich wäre lieber eine Laura oder Lydia geworden", erwiderte Britt.

"Was hast du gegen Brittany. Klingt doch auch schön und auch anspornend, sowie Kestrel das bei eurem Spiel gemacht hat."

"Naja, ändern werde ich ihn ja eh nicht mehr. Du bist aber in Melo sehr ausdauernd."

"Als ich es lernte hat meine Fürsorgebeauftragte darauf bestanden, daß ich das ständig übe", begründete Julius seine Ausdauer.

"Kann Millie auch Melo?" Fragte Brittany.

"Gelernt hat sie's nicht. Ich könnte sie wohl nur ansprechen."

"Wenn du Mademoiselles Privatgemach schon besucht hast, Julius, dann kannst du mit ihr ... Schlingel. Weißt du bestimmt auch schon", klang Brittanys Stimme sehr amüsiert in seinem Bewußtsein.

"Wir haben es unabhängig voneinander rausgefunden", erwiderte Julius darauf.

"Dachte ich es mir doch, weil Lino ja vielleicht gefragt hätte, ob Mom euch so einfach zueinander läßt. Also konnte sie es nicht hören, was ja was heißen will. Also könnt ihr beide mit den Anhängern mentiloquieren."

"Diese Logik ist unwiderlegbar", schickte Julius zurück. Dann sandte er ihr noch ein "Bis nachher" zu. Dann wechselte er den Gedankenfunkkanal, indem er seinen Herzanhänger an die Stirn drückte und Millie zudachte:

"Mamille, Britt ist uns doch draufgekommen. Aber sie hält dicht."

"Häh, wie denn?"

"Aus dem Grund, weshalb jemand nachgucken kommt, warum etwas, das vorher noch zu sehen war auf einmal unsichtbar oder unaufspürbar ist, Mamille. Offenbar ist die vegane Lebensweise doch sehr gut für logisches Denken."

"Du hast es von Logik? Dann hast du mit dem Vater der Gemüsefee das beste Gegenbeispiel. Denn wenn der so logisch denken würde wie du es Brittany zutraust hätte der erkennen müssen, daß er nur verlieren kann, wenn er eine Familie starker Hexen so einfach zurückläßt, nur um wieder bei maman und Papa zu wohnen. Kommt ja echt dem Iterapartio-Zauber gleich."

"Britt hat mir eines der blauen Fläschchen dagelassen, damit ihre Mutter keine lästigen Fragen beantworten muß, falls der Regenbogenvogel doch meint, wir hätten eine Aurore, Linda oder Laura bestellt."

"Aurore ist schon genehmigt, Julius. Laura ist einer der Vornamen von Madame Maxime, weil die Eltern sich mit der lateinischen Schreibweise besser abfanden als mit dem französischen Laure. Linda Knowles kannst du wohl nicht gemeint haben. Hmm, irgendwo klingelt da noch was anderes in mir. Aja, deine Oma mütterlicherseits, nicht wahr. Die erste Tochter der Himmelsschwester hat ihn genannt, als sie unsere direkten Vorfahren - natürlich nur die weiblichen - aufgezählt hat. Dann behalte ich mir den Namen schonmal vor. Vielleicht taugt der ja was als zweiter Vorname, weil der Name im Französischen doch seltener vorkommt und ich die Mädchennamen aussuchen darf.""

"Rosalinda oder Rosalind wäre doch auch ein schöner Name", antwortete Julius unhörbar.

"Dann schon Rose. Klingt schön, rot und dornig."

"Dann könntest du eine deiner Töchter ja gleich Fleur nennen."

"Soweit kommt's noch, daß ich eine Tochter zur Welt bringe, die nach einer wegen ihrer angeborenen Schönheit überheblichen Trulla benannt ist. Aber das von letztem Sommer gilt ja noch, daß du dir schon ein paar Jungennamen überlegen kannst, Monju. Aber jetzt möchte ich mich tagesfertig machen, bevor Brittanys Mexikaner durchs Haus laufen."

"Geht klar", schickte Julius zurück und suchte ebenfalls ein freies Gästebad auf.

Als die gemalten Mariachis durch das Haus zogen traf Julius Brittany im Esszimmer. Er sprach mit ihr über den Ausflug zum Meer. Dann kam Mildrid dazu.

"Hach, die zwei Cousinen können sich jetzt um das Bad zanken. Guten Morgen Brittany!"

"Hallo, Millie. Hast du gut geschlafen?"

"Wunderbar. Hatte nur einmal geträumt, daß eine Hexe, die auf Julius und mich wütend war beschlossen hat, uns als ihre eigenen Kinder neu zur Welt bringen zu müssen", preschte Millie ungestüm vor. Julius zwang sich so sehr er konnte dazu, keine verräterische Regung zu zeigen.

"Solange ich das nicht war ist das irgendwie amüsant."

"Och, du würdest das nicht machen?" Fragte Julius nun.

"Mein Kind zu werden wäre erstens keine Strafe, sondern eine Auszeichnung. Zum zweiten würde ich Leuten, die mir schon so schwer im Magen lägen nicht noch erlauben, mir in den Bauch zu treten. Zum dritten soll das ziemlich wehtun, ein Kind zu bekommen, sagt meine Mom. Mir wehzutun würde ich echt keinem erlauben, auf den ich wütend bin. Abgesehen davon daß das nur mit einem Zauber geht, an dem so viele Gesetzesbeschränkungen dranhängen ..." Sie breitete bekräftigend ihre Arme aus. Julius ertappte sich dabei, daß er Brittanys athletische, aber durchaus weibliche Figur bewunderte. Millie und Julius nickten. Also hatten sie beide recht gehabt. Doch Brittany legte noch etwas nach, was sie beide fast erstarren ließ: "Allerdings, Julius, wenn dich irgendein schwerwiegender Fluch ereilt hätte und du würdest mir voll vertrauen, könnte ich mir das vorstellen, daß du mir nicht zu schwer würdest oder mir beim Rausklettern nicht mehr wehtun würdest als es unbedingt notwendig ist." Dann sah sie Millie und Julius spitzbübisch grinsend an und wandte ein:"Aber zum einen würde ich mir ja den ganzen Spaß an der natürlichen Mutterschaft mit allem was davor und dabei passiert verderben und zum anderen denke ich mal, daß ich mich in der Schlange von Hexen sehr weit hinten anstellen müßte."

"Meine Oma hätte ihn auch gerne als ihren Sohn gehabt", setzte Millie einen drauf. Wieder hatten die beiden frei heraus redenden Hexen dieselbe Wellenlänge gefunden, um Julius zu frotzeln.

"Dann würde ich Hera Matine bitten, sollte es echt so weit kommen, was hier wohl keiner hofft", erwiderte Julius und landete den erhofften Treffer bei Mildrid. Diese sah ihn sehr warnend an. Dann verzog sie das Gesicht und lachte dann. Brittany fragte, wer diese Hera denn sei. Millie sagte:

"Eine ältere Hexe, die als Hebamme arbeitet. Julius meint, da würde er gut bei wegkommen. Du mußt es ja wissen."

"Wovon habt ihr's denn?" Fragte eine irritiert klingende Gloria Porter, die im Hereinkommen noch einmal mit einem Lockenkamm ihre Frisur striegelte.

"Davon, daß Brittany deinen früheren Schulkameraden jederzeit mit einem bestimmten Zauber neu zur Welt bringen möchte und Julius lieber eine verbiesterte ältere Hexe bevorzugen würde", faßte Millie die derben Scherze zusammen, die hier um und mit Julius getrieben wurden.

"Was soll'n der Quatsch", knurrte Gloria. "Wenn ihr euch drum zankt Nachwuchs zu bekommen lost das doch mit Julius aus, mit welcher er zeugen möge."

"Das losen wir nicht aus, Glo. Das wird in einem Duell entschieden", griff Brittany die wirklich nicht ernstgemeinte Anregung auf. Millie warf dann noch ein:

"Ganz genau. Wenn Britt sich schriftlich dazu verpflichtet, im Falle ihres Sieges mindestens sieben Kinder von ihm zu bekommen."

"Drei sind genug", erwiderte Brittany lachend. "Oder willst du deiner runden Gran in Turnsoll den Rang ablaufen?"

"Nein, sie möchte eine eigene Quidditchmannschaft zusammenkriegen", erwiderte Julius.

"Bei dir müßte es dann 'ne Quodpot-Mannschaft sein", warf Millie an Brittany gewandt ein.

"Ich hatte eigentlich im Leben noch was vor, als nur immer wieder aufgefüllt zu werden, bis elf Minibritts zusammensind", erwiderte Brittany schelmisch grinsend, weil Gloria in diesem Punkt wohl keinen Spaß verstand und die beiden Mädchen und Julius bitterböse anfunkelte. Sie warf sich verdrossen auf den freien Stuhl links von Julius, weil Millie schon rechts von ihm saß.

 

"Also wenn eure Lino das dumme Geschwätz hier mithört und in den Westwind bringt kuckt ihr beiden nicht mehr so albern", grummelte Gloria.

"Ist was, Gloria?" Fragte Julius nun etwas ernster.

"Nur, daß die beiden und du euch über Sachen lustig macht, die für Betroffene bitterer Ernst sind. Oder denkst du, ich würde mir nicht schon überlegen, wann ich mal eigene Kinder haben werde und wie viele das dann sein sollen?"

"Da wärest du ja irgendwie krank, wenn du das nicht tätest", bemerkte Brittany dazu, obwohl sie nicht angesprochen worden war, was Gloria ihr auch sofort deutlich zu verstehen gab. Doch Brittany konnte sehr schnell von albernem Mädchen auf gestrenge Lehrerinnentochter umschalten und stauchte Gloria mit wenigen Worten richtig zusammen:

"Ich glaube nicht, Gloria, daß ich mir von einer, die meint, immer bitterernst rumzulaufen und noch dazu ein paar Jahre jünger als ich ist vorhalten lassen muß, wie ich was zu finden oder wozu ich was zu sagen habe oder nicht. Sei froh, wenn ich genug Spaß verstehe und mich nicht ärgere. Denn mich wütend zu machen willst du ganz bestimmt nicht."

"Nimm dir jetzt bitte nicht mehr heraus als dir ansteht, Brittany", knurrte Gloria zwar noch, wich aber dem sehr bedrohlichen Blick der Quotpotspielerin aus. Dann herrschten erst einmal einige Sekunden Schweigen, bis Millie und Britt sich wieder auf ein erheiterndes Geplauder einstimmten. Dann kam noch Mrs. Forester, und zum Schluß Melanie, worauf die lockere Stimmung einer beschaulichen Atmosphäre wich. In der Zeitung stand nur was von den glücklich wiedergekehrten Bewohnern von Viento del Sol. Mr. Blackberry konnte sich nach dem Aufwachen doch noch an alles erinnern, was er bisher erlebt hatte, und so hatten die Heiler seinen Körper mit einem Alterungstrank wieder auf den bereits erreichten Stand zurückbringen können. Alle waren froh, daß nichts nachhaltiges passiert war, sofern die Möglichkeit, daß mehrere Hexen, unter anderem Kore, ungewollt schwanger geworden sein konnten. Nach dem Frühstück, wo Millie und Julius von den rein pflanzlichen Sachen für Brittany probierten, holte die Herrin des Hauses zwei Briefe herein, einen für Melanie und einen für Julius. Der für Julius kam von Camille Dusoleil und enthielt die Zusage, die Gäste auf der beigefügten Liste zu seinem Geburtstag in ihrem Haus zu begrüßen und die Feier auszurichten. Melanie verkündete, daß ihre Eltern bestätigten, daß Gloria, Brittany, Millie und Julius am nächsten Tag zu den Redliefs reisen durften. Julius derweil überprüfte die Gästeliste. Alle die er eingeladen hatte würden kommen, also auch Kevin Malone. Er dachte wieder daran, Brittany zu fragen, ob sie auch kommen möge. Doch das könnte Melanie falsch auffassen. Außerdem fragte er sich, ob Brittany den Weggang ihres Vaters nicht doch schwerer nahm als sie gerade tat. Mrs. Forester wirkte so, als sei ihr Mann nur auf eine Urlaubs- oder Geschäftsreise gegangen und habe noch nicht gesagt, wann er nach Hause kommen könne. Womöglich hatten Mutter und Tochter das auch so miteinander abgeklärt, um sich nicht gegenseitig das Leben schwerzumachen.

"Frag Britt doch, wenn du sie auch dabeihaben möchtest", melote Gloria, als sie sah, wie Julius die Gästeliste überflog, um vielleicht noch wen unterzubringen. Er sah sie an und schickte zurück:

"Per Melo mache ich das nicht. Und solange ich nicht weiß, wie Mel das wegsteckt ..."

"Hmm, könnte was dran sein", war Glorias Antwort.

"Außerdem feiern wir bei den Dusoleils. Da kann ich nicht einfach ... Ach was soll's", entgegnete Julius unhörbar. Gloria zeigte keine Regung, wie diese Botschaft bei ihr ankam.

Julius schaffte es in der Zeit zwischen Frühstück und Aufbruch, Millie Brittanys Brief und Geschenk zu übergeben. Dann ging es per Seit-an-Seit-Apparition nach westen. Julius hielt sich bei Mrs. Forester fest, Gloria bei Mel und Millie bei Brittany.

"Dir setzt das nicht so heftig zu wie anderen ungeübten", stellte Brittanys Mutter anerkennend fest.

"Ich freue mich auf das erste Mal, wenn ich das aus eigener Kraft schaffe", sagte Julius.

"Im Grunde könntest du das wohl schon lernen, weil da nicht viel auswendig zu lernen ist außer ein paar Gesetzen und Grundlagen", bemerkte Mrs. Forester. "Du kannst ja ungesagt zaubern, was die eigentliche Grundlage für erfolgversprechende Apparierübungen ist."

 

"Sogesehen könnte ich auch Auto fahren, weil ich groß genug bin, um an die Pedale ranzukommen und über das Lenkrad wegsehen zu können. Aber dürfen darf ich das noch nicht", hielt Julius ihr so ruhig wie möglich entgegen. Er ging davon aus, daß die Frau eines Muggels ja wußte, was ein Auto war und wie es gefahren wurde. Tatsächlich nickte sie und pflichtete ihm bei. Dann deutete sie auf den Strand, an dem alle zehn Sekunden hohe, graugrüne Brandungswellen aufliefen, weiße Gischt versprühend brachen und als zurückfließendes Wasser in den weiten pazifischen Ozean zurückrollten. Dann sah er ein langgezogenes, schneeweißes Boot mit einem Mast und mehreren kleineren Segeln. Mrs. Forester winkte mit dem Zauberstab, und vom Boot her schob sich eine Holzplanke ans Ufer.

"Das ist die "Silbermöwe", Gloria, Millie und Julius. Mit dem Boot haben wir schon einmal eine schöne schnelle Fahrt erlebt", stellte Mrs. Forester das Boot vor. Julius, der lange nicht mehr auf dem Meer gefahren war, beäugte das schmale Boot etwas skeptisch. Hoffentlich blieb die See ruhig. Denn sonst konnte eine einzige hohe Welle das Gefährt einfach umwerfen. Doch er faßte Mut und begleitete seine derzeitigen Hauskameradinnen an Bord. Mit Magie war es so leicht, die Planke wieder einzuholen, die Leinen zu lösen und die Segel zu setzen. Mrs. Forester, Brittany und Melanie erwiesen sich in der Kunst magischer Hochseesegelei als gut eingeübt. So flog die "Silbermöwe" nach dem Ablegemanöver bald so schnell wie ein Delphin über die nun immer blauer werdende See dahin, Kurs westnordwest. Millie empfand den Ritt auf dem Pazifik offenbar als neue Erfahrung, während Gloria ziemlich blaß wurde, weil die durchpflügten Wellentäler immer tiefer wurden und das schnittige Boot offenbar keine Innerttralisatus-Bezauberung besaß, um die Schaukel- und Stampfbewegungen abzufedern. Julius stimmte ein altenglisches Seemannslied an, während er Brittany am Ruder ablöste und den eingeschlagenen Kurs beibehielt. Mrs. Forester blickte inzwischen durch das Okular eines Zwischendings zwischen Fern- und Sehrohr. An der Mastspitze war auf einem Zwei-Achsengelenk das eigentliche Spähinstrument angebracht. Durch einen Zauber war es mit dem Okular am Fuß des Mastes verbunden und konnte mal hier und mal dahin geschwenkt werden. Gloria fühlte sich immer unwohler. Julius verstand es nicht, wo Gloria doch oft genug auf einem Besen gesessen hatte, vor allem an Walpurgis. Irgendwann lief sie leicht grün im Gesicht an, beugte sich über die Rehling und übergab ihr Frühstück dem wogenden Meer.

"Ui, daß es dich so übel erwischt wußte ich nicht", sagte Melanie, die ihrer Cousine half, die Folgen ihrer Übelkeit gesittet loszuwerden. Brittany ging in die Winzkajütte des Bootes und kehrte mit einer blaugrünen Flasche und einem silbernen Trinkkelch zurück.

"War schon richtig, den Trank gegen Seekrankheit mitzubestellen, Mom", sagte Brittany und reichte Gloria den gefüllten Kelch. Als sie sich sicher war, das Zeug auch wirklich hinunterschlucken zu können setzte sie den Kelch an und stürzte dessen Inhalt mit Todesverachtung hinunter. Keine fünf Sekunden später setzte die beruhigende Wirkung ein. Glorias Gesicht bekam seine nun leicht gebräunte Farbe zurück. So segelten sie, die Sonne im Rücken, wobei die Segel offenbar so bezaubert waren, daß sie egal woher der Wind blies den optimalen Antrieb auf das Boot brachten. Vielleicht war aber auch ein abgeschwächter Vorwärtsgleitzauber eingewirkt. Denn die "Silbermöwe" brauste unbeirrt über die See. Zwischendurch rieben sich alle mit Sonnenkrauttinktur ein, um gegen die nun doch sehr stark strahlende Sonne geschützt zu werden.

"Hui, wir haben in zwei Stunden neunzig Seemeilen zurückgelegt", staunte Julius, der den Steuermannsposten offenbar sehr genoss. Denn neben dem Steuerrad war außer einem Kompas für die Richtung und einer Breitengraduhr auch ein Entfernungslot und Tiefenlot angebracht.

"Wenn wir Mittag haben gehen wir vor Anker", legte Mrs. Forester fest.

Sie genossen die Sonne, den leichten Wind und die wogende See. Gloria, die mit dem Zaubertrank auch ihre Seekrankheit hinuntergespült hatte, empfand es nun als beruhigend, wie das weite Meer um sie herum von Horizont zu Horizont dalag wie eine sich wiegende Landschaft grauer, blauer oder weiß glitzernder Hügel. Dann schlug eine winzige Glocke die Mittagsstunde. Julius sah zu, wie Melanie und Brittany den schweren Anker an einer feingliedrigen Kette über Bord schweben und ins Wasser klatschen ließen. Es dauerte knapp eine Minute, da ruckte das Boot einmal und lag dann sicher. Jetzt war Mittagessenszeit. Aus Rücksichtnahme auf Brittanys Ernährungsweise hatten sie darauf verzichtet, die im Bordzubehör enthaltenen Netze und Angeln auszuwerfen. Stattdessen gab es mexikanische Tortillas mit verschiedenen fleischlosen Füllungen, wie Spinat, Ananas, Mangos oder Möhren. Die Segelausflügler unterhielten sich über ihre gesammelten Erlebnisse mit dem Meer. Julius betonte, daß er das Meer selten so nahe gefühlt hatte. Er war Früher nur an Sandstränden gewesen und einmal mit seinen Eltern und der Familie seines Onkels Claude auf einem Luxuskreuzfahrtschiff durch die Karibik geschippert. Aber das gehörte vollkommen in ein anderes Leben, eine andere zeit, ja in eine andere Welt. Julius bedauerte es, daß seine Mutter nicht hier mit dabeisein konnte. Melanie bemerkte dazu:

"Ich beknie Myrna, mit mir und Britt noch mal hier rauszukommen. Wenn du Ferien hast, könntest du deine Mom fragen, ob sie mitkommen will. Vielleicht wollen deine Hausnachbarn auch mit. Das ist echtes Ursprungserlebnis", säuselte sie am Schluß. "Von hier kam alles her, heißt es."

"Habe ich auch gehört", erwiderte Julius sehr leise, um das leise Plätschern der Wellen an den Bordwänden und dem Bugspriet nicht zu übertönen. Er fühlte diese natürliche Magie, den ewigen und immer wieder neu entstehenden Rhythmus der Welt. Er fühlte Zuversicht, daß egal was ihm im Leben noch widerfuhr, Orte wie das offene Meer oder ein verschwiegener Wald oder das menschenleere Hochgebirge der Pyrenäen die nötige Kraft geben konnten, um alles durchzustehen. Mildrid stand neben ihm und hakte sich behutsam bei ihm unter. Brittany schien zu meditieren. Ihre Mutter sog hörbar die frische Seeluft ein. Obwohl Julius es wußte, daß die technische Welt die Meere mit Öl und Altlasten verschmutzte, konnte er sich der Illusion hingeben, daß das Meer an dieser Stelle noch so sauber war wie zur Zeit der Altaxaroin. So mochte schon Darxandria die ihren Inselkontinent umspielenden Wogen gesehen haben. Das meer schloß die über mehrere Jahrtausende reichende Kluft zwischen seiner Welt und der der Menschen des Landes, das von vielen nur unter dem Namen Atlantis gekannt aber auch wenig für wahr gehalten wurde. Doch hier lag der Pazifik unter und um ihn ausgebreitet. In diesem Meer lagen ebenfalls uralte Reiche verborgen, gab es tausende von Inseln, viele davon durch Vulkane erschaffen und wieder vernichtet. Und Australien wurde von diesem Meer umspült. Er dachte an Aurora Dawn, die sich wohl schon darauf freute, am zwanzigsten Juli nach Millemerveilles zu kommen. Dann faßte er den Entschluß, nicht nur Brittany, sondern auch die Redlief-Schwestern nachträglich einzuladen, falls sie wollten.

Nur die Uhr und die langsam nach südwesten wandernde Sonne verrieten den Freizeitseefahrern, daß bereits zwei Stunden vergangen waren, als der Anker eingeholt wurde. Vorsichtig wendete Brittany das Boot und bugsierte es in die Richtung, in der nun viele hundert Kilometer entfernt das kalifornische Festland unter dem Horizont lag. Die "Silbermöwe" schnellte wieder durch die Wogen und sprang mehrmals über aufsteigende Wellenkämme hinweg. Unterwegs fragte Julius Brittany und Melanie, ob sie es irgendwie hinbekommen könnten, am zwanzigsten Juli bei ihm in Millemerveilles zu sein. Brittany sah ihre Mutter an, die jedoch abwehrend auf sie zurückdeutete.

"Mädchen, du bist jetzt eigenständig. Wenn du dahin möchtest, sofern Julius' Gastgeberin das nachträglich erlaubt, dann geh mit!"

"Und du?" Fragte Brittany ihre Mutter.

"Für mich gilt die Einladung ja nicht", sagte Mrs. Forester. "Außerdem ist am zwanzigsten Juli die panamerikanische Magizoologen-Konferenz in La Paz. Da bin ich schon seit drei Wochen angemeldet."

"Ui, die höchste Hauptstadt der Welt", staunte Melanie. "Die haben die Stadt über dreitausend Meter hoch über dem Meeresspiegel gebaut."

"An die dreitausendsechshundert Meter, Melanie. Ich habe mir bei unserem bolivianischen Gastgeber schon einen Alticalmus-Trank vorbestellt, um dort oben nicht umzufallen."

"Stimmt, hattest du ja vor drei Wochen schon erzählt, Mom", erinnerte sich Brittany, daß ihre Mutter den Termin schon verplant hatte. "Aber bevor ich einfach so bei den Dusoleils auflaufe sollten wir das mit denen klären, ob die einverstanden sind."

"Ich kann da leider nicht hin, wegen der neuen Arbeit, Julius", seufzte Melanie. "Aber danke für die Einladung. Myrna kann ja mit Gloria und Britt mit."

"Hmm, ich habe ja mit meinen Eltern schon 'ne sichere Unterbringung", meinte Millie. "Aber du weißt ja, daß einen Tag nach deinem Geburtstag eure ehemalige Saalsprecherin Virginie Aron heiraten will."

"Das kriegen wir raus, ob's noch geht oder nicht."

"Meine Eltern haben schon gesagt, daß wir uns nicht auf das Gasthaus da einlassen werden. Wir nehmen zwei Zelte Mit. Da passen drei Leute mehr locker rein", sagte Gloria. "Wäre also nur zu klären, ob die Dusoleils noch zwei Hexen mehr verkraften wollen."

"Wenn ich jemanden kennen würde, der oder die ein frei zugängliches Bild von Viviane Eauvive hat wäre das kein Ding, die Anfrage ohne Eulen und Flohpulver in weniger als einer Minute hinzuschicken und vielleicht da auch schon die Antwort zu haben", überlegte Julius laut.

"Ich glaube, Sharon würde das nicht gerne hören, daß du sie nicht mehr kennst, Julius", warf Brittany ein. Julius zuckte wie von einem Stromstoß getroffen zusammen und stieß aus:

"Au, das tat jetzt aber weh. Hätte ich echt wissen müssen."

"Das Problem dabei wäre, daß du Schoko-Sharon auch einladen müßtest, wenn du Mel und Mich schon mitnehmen willst", feixte Brittany.

"Die Cottons sind nicht zu Hause, Brittany. Die sind in den Ferien, irgendwo im Gebirge. Mrs. Cotton hat es mir vor zwei Tagen geschrieben, daß ihr Mann sich ein paar freie Tage verschaffen konnte."

"Dann kennst du zumindest wen, die noch wen kennt", warf Brittany ungetrübt ein. Julius sah sie an.

"Peggy Swann hat gemalte Ausgaben der Gründer aller größeren Zaubererschulen und einige dort mal hervorgegangene wichtigen Leute.. Wenn ich das bei ihr mal richtig gesehen habe waren die sechs aus Beauxbatons ebenso dabei wie Einige Leute aus Hogwarts, darunter 'ne ziemlich selbstherrliche Lady im roten Kleid, die sich mal vor meinen Augen in einen weißen Schwan verwandelt hat."

"Moment, 'ne Lady in Rot?" Fragte Julius aufgeregt. Doch dann beruhigte er sich schnell wieder. Er wußte doch schon längst, in welchem Verein besagte rotgekleidete Dame zu ihren Lebzeiten gespielt hatte. Jetzt ging ihm mit der Leuchtkraft einer Supernova auch auf, wie Larissa Swann an die ganzen Informationen über ihn gekommen war, woher sie wußte, mit wem er zusammen war und vor allem, wie sie das anstellen konnte, mit ihm Verbindung zu halten.

"Ach, kennst du die?" Fragte Brittany. Gloria räusperte sich und sagte:

"Lady Medea, Britt. Natürlich kennen wir die. Die hat mal das Bild unseres Haustürhüters für einen Tag unbrauchbar gemacht und diverses mehr. Ja, Julius, sie war eine Animaga. Warum die unbedingt ein weißer Schwan werden konnte und kein schwarzer wundert mich zwar, aber das war wohl ihre innere Tiergestalt."

"Wieso, ist die so böse gewesen?" Fragte Millie Gloria.

"Na ja, es heißt, sie habe an die zweihundert Jahre vor Sardonia schon ein reines Hexenreich auf Erden haben wollen, aber mehr mit Verlockungen und Intrigen gearbeitet als mit Gewaltaktionen."

"Schwäne sind doch stolze Vögel, und wenn diese Dame fand, daß sie das absolut richtige tat ..." sinnierte Mildrid. Mrs. Forester erwiderte dazu nur:

"Im Grunde ist jeder Mensch, magisch oder nicht, dazu im Stande, mit guten Taten böses zu vollbringen und mit bösen Taten gutes. Aber es stimmt, daß Peggy Swann einige mit Bildern in Übersee verbundene Gemälde hat. Dann gehen wir beide nachher zu ihr hin", sagte Mrs. Forester. Julius überlegte, ob das so gut war. Denn wenn er da eh schon hinmußte, dann konnte er gleich die Angelegenheit mit Larissa regeln. So sagte er, daß er ja da schon einmal gewesen sei und sie ihn ja zu sich ins Haus eingeladen habe. Mrs. Forester nickte.

"Dann muß ich wirklich nicht dabei sein", sagte Brittanys Mutter noch.

Julius warf zwischendurch einen Blick durch das magische Fernrohr und konnte in der Ferne Schiffe ausmachen, deren Masten und Rauchfahnen gerade so über dem Horizont herausragten. Jetzt verstand er, wie Mrs. Forester es angestellt hatte, die "Silbermöwe" immer aus der Sichtweite anderer Schiffe zu halten. Dann rief er laut: "Laaaaaand in Siiiiiicht!!"

"Das dauert aber noch eine halbe Stunde, bis wir auf Augensichtweite rangekommen sind", lachte Mrs. Forester und löste Julius am Fernrohr ab. "Okay, Mel, das Ruder um zwei Grad nach Süden. Wir kommen zu weit nördlich von unserem Ausgangspunkt an."

"Zwei Grad nach Süden", bestätigte Melanie.

Eine halbe Stunde nach der Fernrohrsichtung konnten sie den Küstenstreifen mit freiem Auge ausmachen. Eine Viertelstunde später waren sie schon so dicht unter Land, daß sie die Brandung hören konnten. Dann drehte das Segelboot den Bug nach Süden und glitt an die Anlegestelle heran. Ein Polsterungszauber fing das mit den Wellen heranspringende Boot ab. Mrs. Forester und Britt ließen die Leinen wie zuschnappende Schlangen vorschießen und sich fest um die Poller wickeln. Keine Sekunde später fuhr die Planke aus, und die Freizeitmatrosinnen und ihr Hilfsmatrose gingen von Bord.

"Als sie wieder in VDS waren holte Julius seinen Ganymed-Besen. Millie mentiloquierte ihm vom Bad aus, ob sie mitkommen dürfe. Er schickte zurück, daß die Swanns ja davon ausgingen, daß er ihr eh alles gesagt oder anderweitig mitgeteilt hatte. So saß sie hinter ihm auf und flog mit ihm zusammen zu den Swanns hinüber. Das Dach des Hauses glitzerte im Licht der langsam sinkenden Sonne rötlich golden. Dann landeten sie. Julius zeigte Millie den roten Elefanten, der als wandelnder Rasensprenger eingesetzt werden konnte. Da kam auch schon die Hausbesitzerin durch die Vordertür des runden Hauses heraus. Ihr haar war zwar auch rotblond, wie das von Millie, jedoch hob sich der größere Rotanteil bei Millie im Schein der Abendsonne mehr ab.

"Hallo, Mr. Andrews, Mademoiselle Latierre. Wie nett, daß ihr beiden vorbeischaut. Wolltest deiner Freundin gerne mein Haus zeigen?"

"Öhm, Falls Sie das erlauben, Ms. Swann", setzte Julius an. "Eigentlich komme ich mit einer Bitte zu Ihnen. Ich hörte, Sie seien im Besitz eines frei zugänglichen Zauberergemäldes von Magistra Viviane Eauvive. Ich würde gerne eine kurze Frage zu jemandem schicken und deren Antwort abwarten. Mrs. Forester sagte mir mal, daß Blitzeulen über den Atlantik sehr kostspielig seien. Ich hoffe, wir sind da nicht zu unverfroren."

"Ja, ich habe einige Gemälde europäischer Zaubereigrößen, darunter auch Viviane Eauvive. Meine Mutter hat sie vor dreißig Jahren zusammengetragen. Ich war nur lange nicht mehr in der Würdenträgergalerie. Aber wenn das wirklich nicht zu lange dauert ..." Julius schüttelte den Kopf. "Dann kommt doch bitte rein!" Peggy winkte einladend, und die beiden Besucher aus Frankreich betraten erst die Wiese und dann das Haus.

"Ist ja echt lustig, ein kreisrundes Haus", sagte Millie anerkennend.

"Soweit ich mal erfuhr haben Latierres in Paris ein honigwabenartiges Haus erworben. Stimmt das?" Wollte Peggy wissen.

"meine Eltern sind das", erwiderte Millie ruhig. Julius fühlte jedoch die Alarmstimmung, die seine Gefährtin ergriffen hielt. Denn der Herzanhänger übertrug ihm ihre Gefühle.

Sie gingen durch die schrägwandigen Korridore und runden Räume, bis sie in den Mittelpunkt des Hauses eintraten und dort eine Wendeltreppe hinaufstiegen. Ein stockwerk weiter oben schloß Peggy eine schwere Eichenholztür auf und führte die Besucher in eine Halle voller Bilder. Die meisten davon enthielten selig schnarchende Hexen und Zauberer. Nur ein Bild war nicht im Schlafzustand. Julius sah die Hexe im roten Kleid und mit den langen, schwarzen Haaren und nickte ihr zu. Millie sah sich um, wen sie alles erkannte. Da war auch Orion der Wilde, der jedoch gerade im Bild einer schönen, blonden Hexe saß und in einer halben Umarmung neben ihr döste. Da war auch Viviane Eauvives Bild, wie Julius es kannte. Als er auf Peggys Wink hin näher herangetreten war wachte Viviane auf und sah ihn erst verdutzt und dann leicht befremdet an. Dann jedoch lächelte sie.

"Hallo, Julius, was kann ich für dich tun?" Fragte sie. Julius ging so nahe es ging an das Bild und flüsterte die Frage, die sie an Madame Dusoleil weitergeben mochte. Keine zehn Sekunden später war Viviane aus ihrem Bild herausgetreten und verschwunden. Keine weitere Minute später kehrte sie zurück und sagte:

"Die zwei Damen sind zu der Feier willkommen. Camille rechnet es dir hoch an, daß du sie auch noch dazubitten wolltest. Jeanne böte ihre Gästezimmer an, falls Bedarf bestehe."

"Die Unterkunft ist bereits möglich", sagte Julius. "Richten Sie Jeanne bitte meinen Gruß und Dank aus!"

"Aber sicher doch. Öhm, was treibt dich eigentlich in dieses Haus, Julius?"

"Außer, daß hier ein Gemälde Ihrer selbst hängt nur der Wunsch meiner Freundin, falls sie darf das Haus zu besichtigen."

"Nun denn", seufzte Viviane Eauvive. Julius hörte aus diesem Seufzen alles heraus: Widerwille, Beklemmung, Bedrohung, aber auch Verständnis für seine Lage.

"Möchtest du dabei sein, wenn sich deine Freundin das Haus ansieht?" Fragte Peggy. Julius überlegte kurz und mentiloquierte verhalten an Larissa: "Ich bin hier. Was jetzt?"

"Setz dich irgendwie von Peggy ab und komm zu mir ins Kinderzimmer!"

"Ist das ein Klangkerker?" Fragte Julius schnell, während Millie ihn aufmunternd ansah.

"Wenn das Fenster verschlossen ist schon. Komm jetzt!"

"Ich hörte, Sie hätten soviele Kleidungsstücke aus verschiedenen Zeiten. Falls Sie mit meiner Freundin darüber sprechen möchten würde ich nur im Weg rumstehen." Millie tat so, als sähe sie das nicht so, ließ sich dann aber überreden, mit Peggy alleine zu gehen.

"Du kannst auf meine Tochter aufpassen. Die wollte ich eigentlich gleich füttern. Aber bisher ist sie schön ruhig", sagte Peggy. Julius erbot sich, Larissa zu versorgen, wenn er wüßte, wo alles sei.

"Ich habe zwei gleichwarme Fläschchen in ihrem Zimmer. Das ist das, wo du sie schon einmal gesehen hast. Aber lass bitte die Tür auf, falls doch was anderes anliegt. Dann komme ich hoch", sagte Peggy. Julius bestätigte es und ging zielsicher zum Kinderzimmer, wo Larissa in ihrem Bettchen lag. Als er von unten Millie wie abgesprochen nach den schönsten Räumen fragen hörte zog er ganz leise die Tür zu. Hoffentlich bekam er sie von innen wieder auf.

"Du kriegst die Tür auf, wenn du meine Hand an den Griff legst. Das in mir fließende Blut hebt den Sperrzauber auf", mentiloquierte Larissa, die dalag als könne sie keinem was böses tun. Julius schloß vorsichtig das Fenster. Dann sah er durch eines der Bilder den weißen Schwan hereinfliegen und in einem Landschaftsbild aufsetzen. Sofort verwandelte sich der schöne Vogel in die Hexe im roten Kleid, die er in der Galerie gerade eben gesehen hatte.

"Guten Abend, Mylady. Ihre Tiergestalt ist ja sehr schön", begrüßte Julius Lady Medea.

"Du bist auch sehr gut herangewachsen", erwiderte die Hexe. Dann quäkte das Cogison los:

"Wir haben nur fünf Minuten Zeit. Dann will meine Mutter mich füttern. Du hast deine Gefährtin über mich instruiert, denke ich doch."

"Ich konnte das nicht alleine mit mir rumtragen", sagte Julius etwas verhalten. Lady Medea blickte ihn vorwurfsvoll an, brachte dann jedoch ein aufmunterndes Lächeln hervor.

"Meine gegenwärtige Schwester, die ihre Tochter als Brücke zwischen zwei Leben benutzte hieß mich, der kurzen Aussprache mit ihr beizuwohnen."

"Wie stehen die Dinge in Hogwarts?" Fragte Julius.

"Die Schule an sich wird zurzeit in ihren erhabenen Stand zurückversetzt, Julius. Aber ich denke, Larissa möchte dir was wichtiges mitteilen."

"Da sind wir schon bei, Julius. Ich sagte dir doch, wir, also meine Mutter peggy und ich, möchten gerne mit dir in Verbindung bleiben wegen der Widerkehrerin."

"Anthelia, Julius. Es ist die durch verschiedenes Zauberwerk ohne Geburt wiederverkörperte Nichte Sardonias", warf Lady Medea diese so wichtige Information aus. Julius war sich jedoch schon längst im klaren, daß Anthelia die Wiederkehrerin war, die ihm zweimal das Leben gerettet hatte, nachdem er ihr unbeabsichtigt beim Aufspüren ihrer Feinde Hallitti und Bokanowski geholfen hatte.

"Also sie ist es", tat Julius so, als würde diese Information ein wichtiges Mosaiksteinchen bilden, das er noch brauchte. "Da wird mir doch einiges klar, was sie mir gesagt hat."

"Du magst jetzt denken, Medea ..." Die gemalte Hexe räusperte sich vorwurfsvoll. "... Lady Medea würde für Anthelia arbeiten, Julius. Dem ist jedoch nicht so. Sie arbeitet für die ordentlich erhobenen Sprecherinnen jener diskreten Sororität, der sie einst selbst angehörte."

"Die Nachtfraktion der schweigsamen Schwestern. Das hatten wir schon", grummelte Julius. Lady medea funkelte ihn bedrohlich an. Doch dann mußte sie überlegen lächeln. Hatte er sich ihr gegenüber doch zu sehr verraten?

"Wir sind die entschlossenen Schwestern, junger Master Julius. Den Titel Nachtfraktion haben uns jene Zauberer zugedacht, die uns zu fürchten lernten und jene halbherzigen Schwestern, die das hehre Ziel der geordneten Welt in Händen der Hexenheit einer friedlichen Koexistenz unterordnen. Setz dich bitte hin! Larissa kann nicht so gut nach oben blicken."

"Peggy hat mir gestattet, Sie, ähm, dich zu füttern. Nur für's Windelnwechseln werde ich mich nicht hergeben", stellte Julius klar. Larissa sprach durch das Cogison:

"In jenem kleinen Schrank dort sind zwei vorbereitete Flaschen. Egal welche du mir davon reichst. Ich geh davon aus, daß du gut genug an den vielen Säuglingen geübt hast, die in deiner Umgebung aufwachsen."

"Ich lasse dich schon nicht runterfallen", erwiderte Julius.

"Bevor du mir deine Sachkunde angedeihen läßt nur zu dem, weshalb ich dich herbat. Wie du siehst verfügen wir über eine Verbindung nach Hogwarts und andere wichtige Bauten der Zaubererwelt. Da wir wissen, daß du dies auch für dich in Anspruch nehmen kannst, bieten wir dir unser Netzwerk von gemalten Größen früherer Tage. Im Gegenzug möchten wir, also erst ich und dann Peggy und eventuell einige andere, mit denen wir gut in Verbindung stehen, alle Neuigkeiten und Beschlüsse, die im Zusammenhang mit Anthelia stehen. Außerdem erfuhren wir, daß der Emporkömmling danach trachtet, das Zaubereiministerium in England zu übernehmen. Dies mag dich zurecht erschüttern. Aber ich fürchte, du würdest niemanden früh genug antreffen, der dies noch aufhalten könnte. Daher möchten wir auch, daß du uns einen wöchentlichen Bericht über das lieferst, was sich in deiner neuen Heimat gegen ihn aufbieten läßt. Da wir natürlich nicht von uns aus an die ministeriellen Organe herantreten können."

"Also soll ich für dich spionieren, kleine Larissa", erwiderte Julius.

"Nein, das nicht, Julius. Es ist nicht unser Bestreben, dich als Kundschafter in geheime Sitzungen hineinzuschmuggeln oder geheime Akten zu beschaffen. Es geht mir lediglich darum, daß du während deines ganz alltäglichen Lebens gesammelte Neuigkeiten über Viviane Eauvive oder Orion Lesauvage an uns weitergibst."

"Du sagtest, es würde nicht mein Schaden sein. Was bekäme ich denn zur Gegenleistung außer den Zugriff auf die anderen gemalten Ichs?" Fragte Julius.

"Du wirst von uns beschützt und erhältst notfalls Zuflucht bei Lady Medea oder Lady Pythia, wenn die Wiederkehrerin beschließen sollte, deine hochentwickelte Zauberkraft mit ihrer zu verschmelzen. Außerdem bieten wir deiner Auserwählten an, sich uns anzuschließen, wenn sie volljährig ist. O ja, du wirst jetzt mit aller Vehemenz einwerfen, daß sie das niemals annehmen wird und du es ihr deshalb nicht anbieten wirst. Aber wenn der Emporkömmling und die Wiederkehrerin die Zaubererwelt, wie du sie kennst ins Chaos stürzen, sollten feste Bündnisse nicht so einfach ausgeschlagen werden."

"Dann wäre sie eher in Gefahr als jetzt schon", widersprach Julius. "Ich werde es ihr nicht anbieten. Viele Vorfahren von ihr sind durch Leute wie Sardonia und Anthelia getötet worden. Da wird sie sich wohl kaum Ihrer Gruppe anschließen wollen."

"Natürlich hältst du uns nach den von dir geschilderten Ereignissen für eine Bande skrupelloser Mörderinnen, weil du bisher nur die Mordtaten des Emporkömmlings und die Aufzeichnungen der Geschichtsschreiber kennst. Warum denkst du, ist die Zaubererwelt im Moment noch größtenteils friedlich, wenn wir doch so grausam sind?"

"Skrupellos und intrigant würde ich das wohl eher nennen. Sie versuchen, mich zu manipulieren, meine Ängste und Wünsche anzusprechen. Aber ich sehe im Moment genug Leute um mich herum, die mir helfen können und die nach freiheitlichen Grundsätzen und menschenachtenden Prinzipien handeln. Ich bedanke mich sehr gerne bei ihrer Tochter für die Möglichkeit, durch die Bilder zu sprechen. Aber ich möchte nach Möglichkeit nicht mit ihren Angelegenheiten zu tun haben. Vielen Dank für die Information über die Wiederkehrerin, Mylady Medea", wobei er sich dem Bild zuwandte. "Aber ich möchte mich nicht in welcher Weise auch immer zu einem Erfüllungsgehilfen von wem auch immer machen."

"Er ist stolz und unerschütterlich", bemerkte Lady Medeas Gemälde dazu.

"Das kann ihm aber nicht immer helfen", erwiderte Larissa. Dann sagte sie mit Hilfe des Cogisons. "Wir können dir nur anbieten, mit uns zusammenzuarbeiten und eröffnen deiner Gefährtin eine bessere Ausgangslage für Beruf und Familie. Wir reichen dir eine Hand, Julius Andrews. Wenn du sie nimmst, können wir mehr für dein sicheres Überleben tun und auch das Überleben derer, die du liebst gewährleisten. Aber wenn du der Ansicht bist, mit einer Bande krimineller Hexen nicht zusammenarbeiten zu dürfen und es deshalb ablehnst, mit sehr kompetenten Hexen zusammenzuarbeiten, so geh deinen Weg. Doch erinnere dich bei Zeiten daran, daß nicht jeder alleine gehen kann."

"Ich bin nicht allein", erwiderte Julius. Dann holte er eines der Fläschchen aus dem Schrank. Behutsam hob er Larissa aus ihrem Bett und setzte sich mit ihr auf den Stuhl. Routiniert gab er ihr die Flasche und wartete, bis sie sich sattgetrunken hatte.

"Du sagtest, eure Anführerin will das eh nicht haben, wenn Außenstehende sich in eure Angelegenheiten einmischen. Deshalb werde ich ihr den Gefallen tun und mich schön von euch fernhalten. Bis jetzt kenne ich ja nur dich und Peggy als - wie sagtet ihr? - entschlossene Schwestern. ich darf ja noch nicht einma deiner Mutter was verraten, daß ich von dir weiß."

"Das ist alles richtig. Wie gesagt, es geht uns darum, Anthelia davon abzuhalten, die bisherige Zaubererwelt aus den Angeln zu heben."

"Ich denke nicht, daß sie gezielt hinter mir her ist", sagte Julius. "Wenn sie wen sucht, mit dem sie richtig Eindruck machen will findet sie genug Zauberer, die das für toll halten", sagte Julius. Larissa schluckte den letzten Rest aus der Babyflasche hinunter. Julius bewegte sie wie er es gelernt hatte, bis sie zweimal aufstieß. Er verzichtete auf zärltliches Geplauder und legte sie wieder zurück in ihr Bett.

"Ich danke für das Angebot, Mylady, Larissa. Aber bitte rechnen Sie nicht mit mir. Ich wüßte auch gar nicht, wie ich Ihnen hätte helfen können. Ich bin nur ein Schüler. Vergessen Sie das bitte nicht!"

"Ich verhieß es dir damals und tue dies auch heute. Die Gunst Lady Medeas und alle die mit ihr sind wird mit dir sein. Auch wenn du uns zurückweist, werden wir nicht zulassen, daß Anthelia durch Zauberer wie dich neue Macht gewinnt. Ihre erste Herrschaft war erschreckend. Ihre zweite könnte entsetzlich werden. Ich wünsche dir und deiner Auserwählten alles Glück, daß diese Welt euch zugesteht."

"Medea, ihr wollt ihn doch nicht so unverrichteter Dinge ziehen lassen?" Protestierte Larissa.

"Du hast es doch gehört, Schwester Larissa. Er ist ein Schüler. Geben wir ihm Zeit und Gelegenheit zu lernen."

"Soll das eine Drohung sein, Mylady?"

"Du hast damals einen großen Beitrag geleistet, den Emporkömmling nicht an das gesammelte Wissen Slytherins gelangen zu lassen. Dies war eine wertvolle Lektion für dich. So gehe deinen Weg und lerne, was wichtig ist! Larissa ist ungeduldig. Sie entronn dem Tod und ist nun im körper eines Kindes gefangen. Natürlich möchte sie jemanden außer ihrer Mutter dort draußen wissen, der ihren Rat annimmt und ihr zur Hand geht."

"Ich denke, es gibt genügend Ihrer Mitschwestern, die Ihnen helfen werden, Mrs. Swann", erwähnte Julius noch. Dann verabschiedete er sich höflich und öffnete das Fenster.

"Dir ist klar, daß du hier nicht herauskommst, solange du meine Hand nicht auf den Türknauf legst", mentiloquierte Larissa. Ihre echte durch Gedankenkraft vermittelte Stimme klang wesentlich eindrucksvoller als das Cogison, fand Julius. Er hob das kleine, hilflos wirkende Mädchen aus dem Bett und trug es zur Tür. Er rechnete damit, daß Larissa noch irgendein Trumpfas ausspielen mochte. Er horchte auf seinen Herzanhänger. Falls Millie etwas geschah, vor allem wenn sie Schmerzen fühlte oder sich überglücklich, würde das für ihn ein Alarmzeichen sein. Doch Nichts hinderte ihn daran, Larissas rechte Hand auf den Türknauf zu legen. Mühelos ließ dieser sich drehen. Die Tür ging auf. Julius trug das Baby zurück in sein Bettchen.

"Danke noch mal für das Angebot. Aber ich kann es nicht annehmen", sagte er noch leise.

"Es war ein Versuch", erwiderte Larissas Gedankenstimme. Dann sah das Baby noch, wie Julius aus dem Zimmer ging. Larissa hörte mit ihren im Moment sehr feinen Ohren, wie er unten mit Peggy und Millie zusammentraf. Sie hörte, wie die beiden Gäste das Haus nach einigen Dankes- und Abschiedsworten wieder verließen. Dann ging die Tür zu. Peggy kam herauf.

"Na, hat er dich gefüttert, Larissa?" Fragte Peggy.

"Es ist bedauerlich, daß wir uns ihm nicht offenbaren können", quäkte das Cogison, daß Peggy über eine Mitschwester von den Dexters hatte abstauben können, angeblich um einen Kniesel damit zum sprechen zu bringen.

"Hast du noch etwas herausgefunden?" Fragte Peggy.

"Nichts, was wir nicht schon wußten, Peggy.

"Gut, dann schlaf am besten wieder", sagte Peggy. Sie deckte Larissa zu und verließ das Kinderzimmer.

"Wird er ihr auch so widerstehen wie uns?" Fragte Larissa Medea.

"Zumindest haben sie ihn gut vorbereitet", erwiderte Lady Medea. "Aber wir haben ihm nicht gedroht. Anthelia würde es tun, wenn sie nicht gleich den Imperius-Fluch benutzt. Warum hast du peggy nicht geheißen, ihn auf seine Auserwählte zu legen?"

"Erstens, weil wir damit nicht mehr erreicht hätten als wir haben. Zweitens tragen sie die Zuneigungsherzen. Wenn einer dem Imperius-Fluch unterworfen wird, merkt der andere das. Deshalb wird ihm seine Mentorin auch diesen Schmuck belassen haben. Habt ihr herausgefunden, was es mit dieser Araña auf sich hat, Mylady?"

"Sie verfolgt wohl das gleiche Ziel wie wir, Larissa. Deshalb habe ich Viviane auch nicht zu zwingen versucht."

"Woher wollt ihr das wissen, Mylady.

"Weil sie mich auch in Hogwarts kontaktiert hat, über andere Bilder", erwiderte Medea. Von unten klangen schnelle Schritte nach oben, und die Tür flog auf:

"Larissa, wie oft soll ich dir das sagen, daß du immer noch ein Säugling bist und den Schlaf brauchst, um weiter zu wachsen und zu Kräften zu kommen", fauchte Peggy.

"Wie redest du mit mir?" Schnarrte Larissa.

"Wie die Frau, die dich in sich getragen hat, die alle Schmerzen ausgehalten hat, dich zur Welt zu bringen, dich an ihren Brüsten gesäugt hat und sich verpflichtet hat, dich in ein neues Leben hineinzuführen. Was war ist mit dem Zauber verflogen, Larissa. Denkst du, ich bekäme es nicht mit, daß du an mir vorbeihandeln möchtest? Wenn das ganze mit dem Iterapartio-Zauber nicht für nichts und wieder nichts gewesen sein soll, dann benimm dich gefälligst wie ein anständiges Baby und lass dich umsorgen, bis du stark genug bist, in die Welt hinauszugehen. Dann kannst du mich meinetwegen verfluchen oder sonst was. Aber bis dahin bin ich deine Mutter, Larissa", schnaubte Peggy.

"Was hältst du von dem Jungen, Peggy? Medea sagte mir er sei sehr willensstark und gut vorbereitet."

"Ja, ist er. Und er hat die richtige Hexe gefunden, die ihn begleitet. Ich habe sie gefragt, ob sie schon wisse, was sie nach der Schule mache. Sie sagte mir ...

Julius flog mit dem Besen, während Millie ihm erzählte, was sie mit Peggy geredet hatte. Über das dahinter wollte er ihr dann mentiloquieren, sofern sie nicht wieder im kleinen Zelt zusammenliegen wollten.

"Also offenbar will die vorfühlen, ob ich nach der Schule nicht vielleicht hier anfange oder ob ich lieber eine Familienhexe oder eine beruflich tätige Hexe werde."

"Und, was hast du ihr gesagt?" Fragte Julius.

"Daß ich es davon abhängig mache, wie ich mich nach Beauxbatons fühle. Wenn ich was in der Welt schaffen will, dann lasse ich mir einen entsprechenden Beruf geben. Falls ich eher Lust auf ein Baby oder zwei habe würde ich dafür leben. Meine Mutter kann wunderbar damit leben, daß sie beides hinbekommen hat, Monju."

"Sie hat dir keinen Ausbildungsplatz angeboten oder sowas?" Fragte Julius.

"Hat sie nicht. Alles schön und gut, was hier läuft. Aber ich liebe mein Heimatland, unsere Sprache und die Leute da. Hier ist mir doch alles zu doppelzüngig. Auf der einen Seite tun sie wunders wie anständig. Auf der anderen Seite wollen sie jeden Spaß haben, auch im Bett."

"Ja, und in Frankreich gibt es das Vorurteil, daß viele da immer nur höflich aber auch oberfrlächlich seien", konterte Julius.

"Ja, bei den Muggeln vielleicht. Aber die Zaubererwelt ist dan icht so oberflächlich. Das hast du bei den Dusoleils mitgekriegt, bei Sandrine, Bine, San, ja auch bei Belisama. Und die hast du doch schließlich auch als falsche Schlange erkannt, die nur mit dir zum Rumzeigen zusammensein wollte."

"Zusammen sind wir im Grunde doch auch", grinste Julius.

"Du wolltest das. Vergiss das nicht. Ohne daß du das gewollt hättest, wären wir beide nicht zusammen", entgegnete Millie sehr überzeugt. Dann schwieg sie.

Nach dem Abendessen spielte Julius noch eine Partie Schach mit Mrs. Forester. Dann half er Gloria bei einer Aufgabe für Sprout. Dann zogen sich die Hausbewohner zurück. Als Julius in seinem Zimmer war empfing er Brittanys Gedankenstimme:

"Ich habe das Fenster so bezaubert, daß es hinter dir wieder zugeht. Wenn du zurückwillst geht es nur für dich auf."

"Wie hast du das gemacht?" Fragte Julius.

"Am besten lernst du das, daß du deine Haare nicht in einer offen rumliegenden Haarbürste lassen sollst", erwiderte Brittany. Dann wünschten sie sich noch eine gute Nacht.

"Kommt auf jeden Fall zum schlafen, Julius!" Mußte Brittany ihn noch zwischen seine Ohren pflanzen. Julius gab nur ein:

"Das geht danach wunderbar" zurück.

"Jarvey", bekam er dafür zurück. Julius mußte lachen. Dann jedoch wartete er darauf, daß Millie sich meldete.

"Brittany hat's abgesegnet", schickte er zurück, als sie ihn fragte, ob er lieber bei sich oder bei ihr übernachten wolle. Er flog zu ihr hinüber. Tatsächlich klappte das Fenster hinter ihm wieder zu.

Im Zelt besprachen sie unabhörbar, was bei Peggy Swann und Larissa gelaufen war. Julius fragte seine Gefährtin:

"Würdest du bei den Nachtfraktions-Schwestern einsteigen?"

"Du hast ganz bestimmt nicht behauptet, daß ich das würde", knurrte Millie. Julius beruhigte sie, daß er das auf keinen Fall behauptet habe. "Was bilden die sich denn ein, daß jede Hexe in die Hände klatscht, weil jemand "Hexen an die Macht" schreit? Wir haben einen Weg gefunden, die Verantwortung der Hexen großzuhalten. Aber dafür muß niemand unter dem Imperius-Fluch leben oder sterben."

"Und wenn das der einzige Weg wäre, deine Familie zu schützen und mich zu retten?" Fragte Julius.

"Monju, meine Urgroßmutter Barbara hätte dich dafür wohl neben sich eingepflanzt, mir und uns allen sowas zu unterstellen. Aber ich kenne dich jetzt doch ein wenig besser als andere und weiß, daß du mich damit nur versuchen willst. Also sage ich dir das einmal, damit du nicht noch mal fragst: Die schweigsamen Schwestern mögen überwiegend ein ehrenvoller Verein sein. Aber in den Club von Peggy und Larissa trete ich nicht ein. Wir Latierres sind alt und haben alles behalten, was uns getan wurde. Das meiste davon passierte uns durch solche Schwestern wie Sardonia oder Anthelia. Meine und in gewisser Weise auch deine Familie ist mir zu wichtig, um all das zu vergessen, was ihr zugestoßen ist. Außerdem würden Sie dich auch dann noch foltern oder töten, wenn ich eine von denen wäre."

"Öhm, es ging ja auch darum, wenn dieser sogenannte dunkle Lord uns angreift und du bräuchtest Hilfe."

"Dann würde ich von anderen Leuten mehr Hilfe bekommen als von den Sardonianerinnen, Monju. Die sind echt dreist."

"Ich fürchte nur, die werden mich jetzt ständig überwachen, auch wenn Larissa nur ein Baby ist."

"Und genau da hängt es, Monju. Überwachen tun sie dich auch ohne Ansage, weil du mit dieser freundlichen Hexe zweimal zusammengetroffen bist. Ja, und genau deshalb, weil sich Larissa lieber noch mal in die Welt drücken lassen wollte ist sie im Moment viel zu hilflos, um wirklich was machen zu können. Das ist eben der Preis der Wiedergeburt. Deshalb würde Oma Line jeden bedauern, der findet, ein Baby zu sein sei doch toll, von wegen erst rumgetragen werden, überall sein Klo dabeizuhaben und nur schreien zu müssen, um gefüttert oder sonst wie bedient zu werden. Aber du hast den Infanticorpore-Fluch ausprobiert. Dann hast du häufiger nachgesehen, wie sich so'n kleines Wesen im Mutterleib fühlt. Aber du hast diesen Traum von Brittany, mir und dir als Alptraum empfunden und nicht als verlorengegangenes Paradies."

"Weil ich dich sonst nicht so schön knuddeln könnte", entgegnete Julius und zog Millie an sich, die das als Aufforderung verstand, sich mit ihm auf eine neue Forschungsreise ihrer Wünsche zu begeben.

"So, und heute Nacht keine Träume von rachsüchtigen Hexen oder intriganten Hexenschwestern!" Meinte Millie, als sie beide nun doch sehr gut erschöpft wieder nebeneinanderlagen. Julius fragte sich, ob er das nicht doch schnell wieder zurückfahren sollte, um nicht wie ein Drogensüchtiger unter schweren Entzugserscheinungen zu leiden. Er fragte Millie, was sie machen würde, wenn sie beide nur noch nebeneinander einschlafen könnten, das in Beaux aber nicht ging.

"Dafür sind ja die Ferien da, damit wir das tun können, was wir in der Schule nicht tun können, Monju."

"Wie könnten wir das vermissen", meinte Julius.

"Sei froh, daß ich dich habe!" Sagte Millie.

"Du mich?" Fragte Julius frech.

"Ich muß dafür keine Nachtfraktions-Mörderin werden um das zu wissen, wer wem gehört, Monju. Und jetzt sollten wir besser schlafen, damit Brittany nicht doch noch meint, uns bei ihrer Mutter verpetzen zu müssen."

"Sehr wohll, Mylady."

"Ich glaube, du strengst dich nicht richtig an, wenn du danach immer noch so unverschämt frech sein kannst. Aber wir finden das noch raus, Monju."

 

__________

 

Diesmal konnte sich Julius an keinen Traum erinnern, weder mit Millie zusammen oder für sich alleine. Als der Wecker läutete fühlte er sich jedoch ziemlich ausgeschlafen.

"Irgendwie blöd, daß du immer wieder in dein Zimmer zurückmußt. Ich denke mal, die nächste Nacht schlafen wir eh wieder getrennt. Ich hörte sowas, daß Gloria, Brittany und ich ein Zimmer zusammen haben."

"Na dann, Mademoiselle, bedanke ich mich recht artig für die drei letzten sehr angenehmen Nächte", sagte Julius.

"Das hat mir auch sehr gutgetan und mich in der Gewißheit bestärkt, daß ich nicht wie Martine brummelig allein durch das Leben laufen will."

"Wenn die mit mir rübergegangen wäre ..." sagte Julius.

"Bräuchtest du keine fremden Babys mehr zu wickeln, weil Tine dich in der hinsicht mit eigenem Fleisch und Blut beliefert hätte, Monju. Aber Maman war mit Miriam im Gepäck manchmal sehr wechselhaft. Also genieße es noch, daß wir noch nicht beim Regenbogenvogel bestellen."

"Mach ich", erwiderte Julius und verließ erst jetzt das kleine Zelt. Er sah zu, schnell in sein Zimmer zurückzukehren. Tatsächlich ging das Fenster wieder auf und ließ ihn durch.

Beim Frühstück erfuhr Julius, daß sie um zehn Uhr per Seit-an-Seit-Apparition zu Melanies Familie überwechseln wollten. Julius nutzte die Gelegenheit noch, um sich wie er es von Millemerveilles kannte von den Leuten hier zu verabschieden, die er in den letzten Tagen häufiger getroffen hatte. So flogen Millie und er zu den Quodpotspielern, zuerst zu Venus, die Millie und Julius noch viel Erfolg beim Quidditch und ein gutes ZAG-Jahr wünschte. Von den Friday-Schwestern bekam Julius je ein Autogramm.

"Vielleicht machen unsere Vereinsgeldsammler das, daß du ein Honorar kriegst, wenn wir durch den Doppelachser mehr Punkte holen", sagte Dawn Friday. Ihre Eltern nickten zustimmend.

Notus meinte noch zu Julius, daß er mit Millie wohl den Grund an sich gezogen hätte, sich darüber zu freuen, ein Mann zu werden. Millie sah ihn nur belustigt an, sagte aber nichts.

Zum Schluß landeten sie bei Kore. Diese wirkte etwas mißmutig. Julius dachte, daß das an dieser magischen Kuppelei lag. Sie meinte dann zu Julius:

"Ich hoffe, die Heiler haben gründlich genug gearbeitet, damit ich in der nächsten Saison noch spielen kann", sagte sie Millie und Julius zugewandt. Erst dann, wenn ich mir sicher bin, daß dieser Drachenmist bei mir nichts hinterlassen hat werde ich mich wieder freuen können."

"Ich hoffe für dich, daß du mit allem klarkommst, was dich in nächster zeit fordert", sagte Julius ehrlich. Auch Millie sagte das. Kore nickte und wünschte den beiden noch eine schöne Zeit und eine gute Rückreise.

"So, dann halt dich gut fest, Julius", sagte Brittany. Ihre Mutter hielt Millie am linken Arm, während Melanie wieder ihre Cousine Gloria mitnehmen sollte. Julius hielt mit der linken Hand seine Reisetasche gut fest. Dann drehte sich Brittany auf der Stelle und zog Julius mit sich. Fast in dem gleichen Abstand und der gleichen Aufstellung standen sie einen Augenblick später vor der Stadtgrenze von Misty Mountain.

"Wir sind gut eingespielt", sagte Brittany zu Julius. Dann zählte ihre Mutter wieder vor. Julius sprang bei drei ab und fühlte einen nicht mehr all zu starken Druck auf seinen Körper lasten.

"Also ich fühl dich fast nicht bei der Deliberation, Julius", staunte Brittany.

"Das ist, weil ich mich abgestoßen und dir mehr Schwung gegeben habe", sagte er.

"Zu viel Schwung ist auch nicht gut, Julius. Wir sind über fünfhundert Kilometer weit appariert. Kleine Abweichungen in der Zielausrichtung können da zu großen Fehlsprüngen werden."

"Ich glaube, ich muß das noch etwas üben", stöhnte Melanie. "Über die Strecke Merke ich's doch gut."

"Sage jetzt nicht, ich sei dir zu schwer", fauchte Gloria.

"Okay, letzter Sprung, wie besprochen, Britt und Mel!" Rief Mrs. Forester.

"Wir hätten doch durch den Kamin gehen sollen", beklagte sich Melanie.

"Der ist doch viel zu eng für jemandem mit 'nem Besen im Handgepäck", stichelte Gloria.

"Das bringt Übung", sagte Mrs. Rorester und zählte den letzten Sprung an.

Da steht Mels und Myrnas Elternhaus", verkündete Brittany, als sie vor einem frei stehenden Glockenturm standen.

"Höh, die wohnen in einem ausrangierten Glockenturm?" Fragte Julius und blickte das etwa sechzig Meter hohe Gebäude nach oben. Doch da wo bei Kirchen der Glockenstuhl mit den Schalllöchern zu sehen gewesen wäre, drehte sich ganz sachte ein gläsernes Ding wie ein Zaubererhut mit breiter Krempe.

"Soll das ein Wohnhaus oder eine Schaubude sein?" Fragte Millie. Melanie knurrte sie an, daß das amerikanischer Lebensstil sei. Da schwang über dem grasgrünen Portal im Sockel des Turmes eine Klappe auf, und ein goldener Löwenkopf lugte heraus.

"Wer da?" Rollte eine einschüchternd klingende Frage wie Donnergrummeln über sie hinweg. Melanie trat vor und stellte sich, ihre Cousine Gloria, Brittany Forester, Mildrid Latierre und Julius Andrews vor.

"Tretet ein", donnergrollte es aus dem breiten Löwenmaul.

"So, dann habe ich euch gut abgeliefert", sagte Mrs. Forester, als das Portal aufschwang. "Ich wünsche euch, Millie und Julius noch eine angenehme Zeit und eine störungsfreie Heimreise." Sie verabschiedete sich von Millie und Julius auf französische Landesart. Dann sagte sie zu Brittany:

"Grüß mir wenn ihr in Millemerveilles seid Monsieur Bouvier, Britt!"

"Mein Französisch ist ziemlich dürftig", sagte Brittany. "Hoffe nur, daß da genug Leute für mich übersetzen."

"Die meisten davon stehen bei dir", sagte Mrs. Forester. Dann winkte sie allen zu und disapparierte wieder.

"So kann man auch Eindruck machen, Millie", sagte Julius zu seiner Freundin, als die an seiner rechten Seite durch das Portal trat, hinter dem eine weit ausladende Empfangshalle mit dickem, moosgrünen Teppich lag. An der etwa zehn Meter über ihnen ruhenden Decke hingen mehrere große Leuchtkristalle.

"Hast du einen reichen Onkel beerbt, Melanie?" Fragte Julius frech.

"Das nicht. Aber hier wohnte mal ein hoher Beamter des amerikanischen Zaubereiministers. Ist aber schon hundertfünfzig Jahre her", erwiderte Melanie. Der Teppich und die gerade bei Seite gezogenen, vier Meter lang herabhängenden Vorhänge schluckten den Schall so gut, als stünden sie in einem etwas größeren Konferenzraum.

"Descendo!" Rief Melanie, als das Portal leise knarrend hinter ihnen zugefallen war. Eine zwei Meter durchmessende Luke ging auf, und das untere Ende einer Wendeltreppe zog sich wie eine Ziehharmonika nach unten auseinander, bis die unterste Windung klackernd aufsetzte.

"Wenn Babettes Vater noch mal behauptet, meine Großeltern im Château Tournesol lebten protzig, dann lass den mal hierher kommen", grinste Millie. Sie kletterten die Holztreppe hoch, die oberhalb der Deckenluke zu einer steinernen Wendeltreppe wurde, die alle zehn hohen Stufen von einer Plattform unterbrochen wurde, von der aus mehrere Türen abzweigten.

"Toll! Wie im Ravenclaw-Turm", kommentierte Julius den Aufstieg. Sie kletterten bis knapp unter die Spitze des Turmes. Dort empfing sie Mrs. Geraldine Redlief winkend. Hinter ihr tauchte ihre Schwägerin Dione Porter auf, die die Neuankömmlinge anlächelte.

"Wie Mel das geschafft hat, bei dieser tollen Übung so gut anzusetzen weiß ich nicht", meinte Gloria.

"Nur weil deine Mom in Sicht ist mußt du mir nicht noch frech kommen, Gloria", zischte Melanie. Dann erreichten sie den letzten Absatz unter der gläsernen Spitze. Mrs. Redlief begrüßte Brittany, die sie ja schon ein paar mal gesehen hatte, dann Gloria, dann Julius, den sie von einer Weihnachtsfeier her kannte und dann erst Millie, die das locker wegsteckte. Gloria wurde natürlich zuerst von ihrer Mutter begrüßt. Dann grüßte Dione Porter Mildrid, und dann Julius, um dann Melanie anzusehen, als würde sie ihr gleich Arbeit aufhalsen. Julius warf einen Blick auf seine Uhr und stellte fest, daß sie in der östlichsten Zeitzone der vereinigten Staaten waren. Hier war es also jetzt schon ein Uhr nachmittag durch.

"Ich dachte, deine Mutter käme auch noch hoch", wunderte sich Mrs. Redlief Brittany zugewandt.

"Die hat uns nur helfen wollen, alle Nichtapparatoren auf einmal rüberzubringen, Mom", sagte Melanie. Brittany räusperte sich und sagte dann:

"Meine Mutter nutzt es aus, im Osten zu sein, um dort mit den nordamerikanischen Delegierten vor der panamerikanischen Magizoologenkonferenz noch mal die Interessen abzuklopfen."

"Ach ja, La Paz, natürlich", entsann sich Mrs. Redlief.

"Ich bekam eine Blitzeule von der Personenverkehrsabteilung und der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit, daß eure Reise nach Millemerveilles mit den dortigen Gegenstellen abgeklärt ist, Brittany. Die anderen bekamen die Bestätigung ja schon vorher."

"War echt noch nett von Julius, uns noch mit einzuladen", sagte Melanie. Dann winkte sie Brittany, Gloria und Millie zu sich heran. "Ihr schlaft zusammen im grünen Zimmer", stellte sie klar und führte die drei jungen Hexen durch einen Flur nach süden.

"Dich geleite ich zum blauen Zimmer", sagte Mrs. Porter und führte Julius in einen Flur an der Nordseite.

"In drei Stunden startet ihr laden in New Orleans?" Fragte Julius.

"Jawohl", erwiderte Glorias Mutter stolz. "Mein Schwiegervater und Plinius sind da und beaufsichtigen den letzten Akt. Du wirst übrigens auch dort erwartet, abgesehen von der Filialeneröffnung", sagte Glorias Mutter.

"Huch, wer will denn da noch was von mir?" Fragte Julius.

"Maya Unittamo hat gefragt, ob Milie und du noch auf einen kurzen Schwatz in den betrunkenen Drachen kommen würdet. Heute Abend ist da geschlossene Gesellschaft. Eine Protesttagung von Broomswood-Befürworterinnen."

"Dann könnten die ja gleich den Club der läufigen Sabberhexen dahin einladen", knurrte Julius.

"Na, Julius. die haben dir nichts getan, die Damen von Broomswoodd", wies Dione Porter Julius zurecht. "Aber du wirst die eh nicht treffen, denke ich."

"Wollen's hoffen", sagte Julius.

"Bist richtig braun geworden", stellte Glorias Mutter fest, als sie in einem himmelblau angestrichenen Zimmer angekommen waren, das an zwei der vier Wände mannshohe Fenster besaß, die bei Julius auf Brusthöhe begannen und knapp bis unter die getäfelte Decke reichten. Helles Sonnenlicht flutete durch diese Fenster, als stünden sie unter freiem Himmel.

"Mußte immer Sonnenkrauttinktur auftragen, wenn ich für Stunden in der Sonne war", erwiderte Julius auf Mrs. Porters Feststellung.

"Ja, da möchte ich auch noch drankommen", knurrte sie. "Aber leider haben die Plantagenbesitzer eine eigene Handelskette aufgemacht und sich mit den Heilern und Apothekern zusammengeschlossen. Da ich weder Heilerin noch Apothekerin bin kam ich da bisher nicht heran. Aber wir arbeiten dran, daß die Kosmetikbranche mit in den Handel von Sonnenkrauttinktur einsteigen darf."

"Oh, dann hätte ich das vielleicht besser nicht erwähnen sollen. Dachte, Sie würden das auch verkaufen."

"Das muß dir jetzt echt nicht leid tun, Julius. Normalerweise gehören Mittel zur Hautpflege und Erhaltung ja auch zu meiner Branche", beruhigte Mrs. Porter Julius' Gewissen. Dann fragte sie mehr so zum Jux als ernst: "Und hat Mildrid dich von Mel und Brittany fernhalten können?"

"Nur wo sie meinte, daß die beiden noch was für möglich hielten", erwiderte Julius grinsend.

"Achso, das blaue Zimmer", kam Dione Porter auf den eigentlichen Grund, warum sie jetzt hierstanden. "Hier wirst du bis morgen Mittag sozusagen wohnen. Dann reist ihr zusammen von New Orleans aus nach Paris und Millemerveilles. Professeur Faucon wird euch in New Orleans abholen."

"Das war ja so geplant", bemerkte Julius gelassen. "Weiß sie, daß noch zwei mehr mitkommen?"

"Sie hat wohl von Madame Dusoleil die überarbeitete Gästeliste bekommen", antwortete Mrs. Porter. Julius nickte. Dann ließ er sich den geräumigen Kleiderschrank zeigen, legte seinen Sommerpyjama auf das schmale Bett und lehnte seinen Besen an den Schrank. Anschließen führte ihn Melanies und Myrnas Tante zu einem Badezimmer einige Schritte vom Zimmer entfernt.

"Plinius und ich schlafen auch in diesem Trakt des Turmes. Deine Mitreisenden haben den Familiengästeschlafsaal", sagte Mrs. Porter. Dann geleitete sie den einzigen männlichen Übernachtungsgast zurück zur Wendeltreppe, die sie dann eine Etage tiefer stiegen, wo Mr. und Mrs. Redlief den jungen Zauberer übernahmen. Mr. Redlief, den Julius heute zum ersten Mal traf, hatte mittelblondes, glattes Haar und die gleichen graublauen Augen wie seine beiden Töchter. Er trug einen Oberlippenbart und besaß einen kleinen Spitzbauch.

"Du hast Mel gefragt, wie wir uns dieses kleine Türmchen leisten konnten?" Fragte er Julius. Dieser nickte mit leicht geröteten Ohren.

"Mein Urgroßvater hat es einem protzigen Beamten aus dem Zaubereiministerium abgekauft. Der hat sich mit den Galleonen verhoben und an jeder Ecke Gläubiger stehen gehabt. Mein Uropa hatte da gerade eine Goldmine gefunden und die an diesen armen Narren abgetreten, um diesen Turm zu kriegen. Pech für den Protz war, daß die Mine nach einem Vierteljahr leer war und der Turm damit für ein Zehntel des erwarteten Preises verschachert war. Weil die beiden das mit einem Handelsrechtler zusammen abgesichert hatten, konnte dieser Idiot meinen Urgroßvater noch nicht einmal wegen Betruges anzeigen. Der dachte halt, er würde das bessere Geschäft machen. War so um 1848 in Kalifornien. Irgendwie meinten da alle, das Gold lege überall rum."

"O da habe ich auch von gehört. Der kalifornische Goldrausch heißt das auch bei den Muggeln", erinnerte sich Julius daran, wie er vor fünf Jahren einen Dokumentarfilm über die Besiedlung des sogenannten wilden Westens im Fernsehen gesehen hatte. Mr. Redlief nickte schwerfällig.

"Ja, das war ja das Ding, daß die Muggel das ganze Gold vorher gefunden haben. Ja, deswegen konnte meine Mutter in diesem Turm auch das Licht der Welt erblicken. Die wohnt übrigens auch hier, in der Etage über dem Empfangssaal. Hier auf der Etage wohnen Geri, Mel, Myrna und ich. Falls nicht doch noch mal der Regenbogenvogel bei uns anklopft." Er grinste verschmitzt, während seine Frau leicht errötete. Julius hatte es auf der Zunge, zu sagen, daß der bestimmt nur käme, wenn man ihn immer wieder rufen würde. Aber ein wenig Rest Anstand war doch noch in ihm verblieben. Geraldine Redlief sagte nur:

"Jedenfalls haben wir hier viel Platz und haben einen halben Wald für uns."

"Huch, nur einen halben?" Fragte julius, weil Mrs. Redlief es so betont hatte.

"In der anderen Hälfte wohnt Aubartia, eine - wie sagt Grizwald Paddington immer? - nette kleine Waldfrau."

"Die hast du doch letztes Jahr gesehen, als wir mit Oma Jane im betrunkenen Drachen waren", meldete sich Myrna, die aus dem Schatten des hinteren Flures hervortrat. Julius begrüßte sie mit einer Kopf- und einer Handbewegung und antwortete:

"Die haben wir gesehen." Sofort sah er sich zusammen mit Professeur Faucon vor einem Krankenhausbett stehen, in dem, von piependen, summenden und rhythmisch fauchenden Maschinen versorgt, seine bewußtlose Mutter lag. Er hörte es, wie ihm Aubartia, die Sabberhexe, ihre Anerkennung dafür ausgesprochen hatte, daß er eine der Abgrundstöchter überlebt hatte.

"Ist das nicht ein wenig riskant, obwohl die so zurückhaltend sein soll?" Fragte Julius dann noch.

"Wie gesagt, wir haben die Hälfte des Waldes, die diesseits des Flusses liegt", erwiderte Mrs. Redlief. Das mit dem Fluß hatte sie jetzt erst gesagt, und Julius war beruhigt, weil Sabberhexen genauso wie Vampire nicht über fließende Gewässer hinwegfliegen konnten. Zumindest konnten sie das nicht aus eigener Kraft. Dann fragte er, wie die Tagesplanung aussah.

"Erstmal gibt's Mittagessen. Meine Mutter hat extra was für Brittany vorbereitet, weil die ja kein anständiges Steak essen will", sagte Mr. Redlief. Wir essen oben im Wintergarten. ist überhaupt die Krönung dieses netten Bauwerkes hier."

"Hab ich schon von außen gesehen. Ziemlich imposant", bemerkte Julius.

"Kann man so sagen", meinte Mrs. Redlief.

"Dann können wir ja gleich hoch", sprach Mr. Redlief und winkte Myrna heran.

"Wir gehen wieder rauf. Du mußt dich jetzt noch nicht für heute Nachmittag fertigmachen, Myrna."

"Weiß Mel, daß wir oben essen?" Wollte Myrna wissen.

"Kriegen wir gleich, wenn wir hochgehen", sagte Mrs. Redlief. "Marcy, rufst du deine Mutter bitte hoch!"

"Yupp", machte Mr. Redlief und stand für einige Sekunden still da. "Okay, Mom kommt rauf", sagte er dann noch. Dann sah er Julius fragend an. "Siehst so aus, als hätte dich das jetzt nicht sonderlich erstaunt, junger Mann."

"Wie sollte den das auch beeindrucken, wo Oma Jane ihm Melo beigebracht hat", warf Myrna vorlaut ein. Julius mußte nicken.

"Myrna, nicht so keck. Das schickt sich nicht für eine junge Hexe", wies Mr. Redlief seine jüngere Tochter zurecht. Doch diese konterte unverdrossen:

"Nur für solche, die in Lady Pabblenuts Gänsestall lernen." Julius mußte grinsen. Mr. Redlief funkelte seine Tochter zwar giftig an. Diese schnitt ihm jedoch nur eine verächtliche Grimasse. So blieb dem Familienvater nur, sie alle zum Aufstieg in den Wintergarten anzuhalten.

"Komm, sag jetzt nicht, ihr wäret so langsam", keuchte eine von unten heraufsteigende Hexe mit dunkelblonden Locken, die ihr in den Nacken hinabreichten. Das war Patricia Redlief, Mels und Myrnas andere Großmutter, wußte Julius. Ihr war er in jenem verhängnisvollen Sommer begegnet, als er mit Hallitti und seinem von ihr versklavten Vater aneinandergeraten war. Auch hatte er sie bei der Trauerfeier für Jane Porter wiedergesehen. Sie erkannte ihn auch, wohl auch weil sie ja gehört hatte, wer hier noch übernachten würde.

"Wir haben uns eben richtig begrüßt", sagte Geraldine Redlief. Dann erreichten sie die oberste Luke, die aus unzerbrechlichem Glas bestand und betraten die sich langsam um sich selbst drehende Glaskonstruktion, die von außen wie ein handelsüblicher Zaubererspitzhut mit breiter Krempe aussah.

"Muß sich dieser Hut drehen?" Fragte Gloria ihren Onkel.

"Muß nicht. Aber du möchtest doch zwischendurch mal woanders draufgucken, oder, Glo?"

"Ja aber nicht innerhalb von dreißig Sekunden", erwiderte Gloria. Mel meinte, daß Gloria doch nirgendwo sitzen könne, wenn sich rund um sie alles drehe oder schaukeln würde.

"Hängt davon ab, wie heftig das ist, Mel", schnarrte Gloria, bevor ihre Cousine noch ausplaudern konnte, daß sie gestern die Fische im Pazifik gefüttert hatte.

"Kinder, keinen Zank!" Ermahnte Mr. Porter seine Tochter und seine nichte. Marcellus Redlief sah ihn zwar etwas verstimmt an, weil der einfach hier kommandiert hatte, nickte ihm aber schweren Herzens zu.

"Kann man da auch raus auf diese Hutkrempe oder wie sich das nennt?" Fragte Julius.

"Nur wenn du damit klarkommst, daß der sichtbare Boden unter dir fünfundsechzig Meter tiefer liegt als deine Füße", lachte Mr. Redliefs Mutter. Julius beteuerte, daß er als Quidditchspieler das Schweben in großen Höhen gewöhnt sei.

"Ja, aber so hoch über dem Boden fligen die auch bei dem Vier-Ball-Spiel nich'", bemerkte Myrna Redlief. Julius überblickte derweil die von keiner Wand oder Verstrebung behinderte Aussicht. Er sah in kurzer Entfernung über die Baumwipfel eines wildwüchsigen Mischwaldes, konnte in einiger Entfernung einen die Sonne spiegelnden Flußlauf erkennen, der sich durch diesen großen Wald schlängelte, bevor der Drehmechanismus des Wintergartens ihn Grad für Grad vom direkten Blick auf den Wald fortbewegte und er statt dessen eine breite Ebene erkannte, in der irgendwas ovales lag, an dessen Schmalseiten es golden in der Sonne glitzerte.

"Das ist das Rossfield-Stadion, Julius", sagte Melanie, die hinter Julius stand und mitbekam, wo er hinsah. "Da spielen die Ravens."

"Krah krah!" gab Brittany verächtlich von sich.

"Nächstes Jahr holen die sich den Goldpot, Ms. Brittany", knurrte Melanie.

"Jetzt kann ich was dran machen, das nicht", erwiderte Brittany siegessicher.

"Pass mal besser auf, daß ich nicht was dran mache, daß du das nicht kannst", schnaubte Melanie.

"Mel, was ist mit dir", blaffte Marcellus Redlief.

"Das übliche Spiel, Dad. Die beiden machen das doch schon seitdem die in Thorntails reinkamen", meinte Myrna, antworten zu müssen.

"Myrna, im Gegensatz zu dir darf ich auch in den Ferien zaubern", blaffte Melanie bedrohlich. Brittany deutete auf sich selbst und nickte, was wohl heißen sollte, daß das auch für sie zutraf.

"Bevor wir uns jetzt hier in Kleinmädchenzänkereien verlieren essen wir besser was", knurrte Marcellus Redlief. Das war wohl ein Signal für einen großen Tisch, mitten im Wintergarten aufzutauchen. Julius fragte Mrs. Geraldine Redlief, ob sie in dem Turm Hauselfen hätten.

"zwei Stück. Aber die kommen nur zu besonderen Anlässen aus der Küche raus und zum Putzen", sagte Glorias Tante.

"Dann haben die also das Essen gemacht?" Fragte Julius.

"Das für die Fleischesser", erläuterte Geraldine Redlief. "Das für Ms. Brittany hat meine Schwiegermutter selbst gemacht, weil mein Schwiegervater auch Vegetarier ist."

"Oh, gut daß das erwähnt wird", schaltete sich Britt nun in die Unterhaltung ein. "Ich bin Veganerin, also darf überhaupt nichts tierisches zu mir nehmen, also auch keine Milch oder Honig, von Eiern ganz zu schweigen."

"Das habe ich befolgt", beruhigte Patricia Redlief die frischgebackene Quodpot-Profispielerin. Brittany nickte ihr dankbar zu. Dann erschienen wie mit dem Apportierzauber herbeigeholt Teller, Besteck, silberne Kelche und Terinen mit Essen und eine wagenradgroße Platte mit Steaks, deren Anblick und Duft Brittany naserümpfen machte.

Während des mehrgängigen Essens sprachen sie über das vergangene Schuljar, die letzten Tage, das Spiel, den Besuch bei Venus Partridge und die Segelbootpartie. Daß Brittanys Vater wegen dieser drei Jahre alten Geschichte "Urlaub von der Familie" machte erwähnte niemand, nicht einmal Melanie, die sonst jede Gelegenheit nutzte, um Brittany zu piesacken. Nach dem Mittagessen schwärmten die weiblichen Turmbewohner aus, um sich für die feierliche Eröffnung der Zweigstelle von Dione Porters Kosmetikvertrieb fertigzumachen.

"Schon komisch, daß man sich für den Besuch eines schönheitsladens schön machen soll", warf Julius ein. Gloria, die als letzte im Tross der anderen Hexen ging wandte sich noch einmal um und meinte:

"Es gibt auch Zauberer, die Wert auf gepflegtes Äußeres legen. Ich komm nachher kucken, ob du dich auch gut zurechtgemacht hast."

"Kein Kommentar", knurrte Julius. Mr. Redlief sagte dann:

"Meine Schwippschwägerin hat das auch schon angedroht, daß ich bloß nicht mit fettigen Haaren und zu langen Haaren da hingehen soll."

"Die ist mit ihrem Beruf verheiratet, Marcellus", wandte plinius Porter ein. "Eigentlich müßte ich die wegen Untreue verstoßen." Beide erwachsenen Zauberer lachten wie Lausbuben. Julius grinste nur. Wenn er sich vorstellte, daß ihn sämtliche junge Hexen in diesem Turm gleich begutachten würden fühlte er sich doch ein wenig in die Enge getrieben. Kosmetik hieß für ihn außer einmal in der Woche Pickel-Ex-Tinktur aufzutragen tägliches Rasieren, Waschen und alle zwei Tage oder nach jeder Sporteinheit duschen oder baden. Mit Schminksachen war er seit den ersten Novembertagen vor bald zwei Jahren fertig, wenngleich ihn das zum Schluß schon begeistert hatte, was Frauen und Mädchen damit so anstellen konnten.

Gegen drei Uhr trafen dann noch Diones Bruder Victor Craft mit seiner Frau Greta ein, die beide, soweit Julius das mitbekommen hatte, kinderlos geblieben waren. Mr. Craft begrüßte Julius, der gerade von Gloria eine Gesichts- und Harrkontrolle und von Millie einen Bekleidungsvergleich aushalten mußte.

"Na, Auswanderer. Nächstes Jahr die ZAGs?" Fragte Mr. Craft.

"Falls die mich zulassen", erwiderte Julius.

"Jetzt untertreibt der Kerl schon wider", knurrte Gloria. "Der hat in diesem Schuljahr eines der Besten Zeugnisse unseres Jahrgangs erworben. Und das bei dem hohen Niveau, das Beauxbatons für sich beansprucht."

"Kommt drauf an, ob er im nächsten Jahr immer genug Zeit für die Schule hat", erwiderte Mr. Craft und sah Mildrid verschwörerisch an. "Immerhin scheint er ja noch andere Sachen im Leben lernen zu wollen."

"Das ist ja wohl seine Angelegenheit", fauchte Gloria und lief an den Ohren rot an. Millie meinte dazu nur:

"Ich habe gute Lehrerinnen in meiner Familie, Sir. Was Julius von mir lernen will lernt er auch."

"Bin ich gerade irgendwo am Nordpol oder stehe ich hier bei euch?" Fragte Julius etwas angenervt. "Falls ich in Ihrer und eurer Hörweite stehe, dann sage ich nur soviel, daß ich schon zusehe, die ZAGs zu machen. Aber ich weiß nicht, was da noch alles auf mich zukommt und ob ich dann das von dir, Gloria, erwähnte Niveau von Beauxbatons halten kann."

"Das Stimmt, Gloria. Als ich deine Tante Greta kennenlernte hatte ich nicht immer nur Schule im Kopf", wandte Mr. Craft vielsagend lächelnd ein.

"Das möchtest du doch jetzt nicht ernst auf den Tisch bringen, Onkel Vick, wo ich außer Melanie und Myrna keine anderen Cousins und Cousinen habe", feuerte Gloria eine ziemlich üble Breitseite auf ihren Onkel ab, der sichtlich verdrossen dreinschaute, aber sonst nichts sagte. Julius schwieg aus purer Höflichkeit. Auch Millie sagte nichts. Trotz ihrer ungezügelten Lebensart wußte sie doch noch, was sie anging und was nicht. Ihre Oma Line, da war sich Julius sicher, hätte die beiden wohl bedauert oder dazu angehalten, ihre Zukunft nicht zu verschenken, die im Weltbild der zwölffachen Mutter aus Kindern und Enkelkindern zu bestehen hatte.

"Suum cuique, Ms. Gloria", brachte Mr. Craft noch heraus. Julius kannte den Spruch und nickte ihm zustimmend zu. Dann versammelten sie sich vor dem Kamin in der großen Eingangshalle am Fuß des Turmes. Mit dem Ziel "Betrunkener Drache!" flohpulverten sich erst Dione Porter, dann Melanie und dann Myrna davon. Dann traten die übrigen Hexen und Zauberer in den Kamin und riefen das Ziel aus.

Julius fühlte sich um mehrere Monate zurückversetzt, als er im großen Schankraum des betrunkenen Drachen aus dem Kamin kletterte. Die großen Krallen an der Wand, die langgestreckte Alligatorenhaut, die von der Schnauzen- bis zur Schwanzspitze gute sieben Meter maß, der altgediente Flugbesen, der mit sechs Ringen an der Wand befestigt war und die verschiedenen Zauberbilder grüßten vom letzten Sommer her. Klein und kugelrund stand Bachus Vineyard in seiner grünen Schürze hinter der rot glänzenden Theke und bediente die Gäste, die sich ihre Getränke selbst holen gingen. Er warf den Ankömmlingen aus seinen grauen Augen freundliche Blicke zu und winkte ihnen. Im Moment saßen keine Gäste im Raum. Die waren alle draußen auf der Terrasse.

"Na, die Ruhe vor dem Sturm?" Fragte Brittany frei heraus, als der Wirt sie zu ihrer guten Leistung im Freundschaftsspiel beglückwünschte.

"Ich habe mich mit Phil abgestimmt, daß ich die Gäste auf der Terrasse bediene, wenn Ms. Pabblenut hier anrückt", erwiderte Mr. Vineyard und strich sich verlegen das ziegelrote haar ein wenig glatter. Dann bedeutete er den Eingetroffenen, daß Mrs. Porter mit Melanie schon zu dem Haus unterwegs war, um die Eröffnung zu leiten. Dann sagte er zu Julius: "Maya, ich meine Mrs. Unittamo, wird so gegen fünf draußen auf der Terrasse sein, Mr. Andrews."

"Ja, ich hörte, daß sie mich gerne wiedersehen würde", entgegnete Julius fröhlich. "Ich hoffe, ich werde sie nicht zu lange warten lassen, Sir."

"Das ist doch ihr zweites Wohnzimmer hier", warf Myrna Redlief ein. "Die langweilt sich hier nicht, Julius."

"Ein wenig mehr Respekt, junge Miss. Immerhin ist Mrs. Unittamo eine sehr wichtige Persönlichkeit", maßregelte der Wirt des betrunkenen Drachens die Jüngere der Redlief-Schwestern. Diese sagte jedoch nichts mehr dazu und lief hinaus, wo die Terrasse gerammelt voll war. Julius begab sich mit den Redliefs, Porters, Crafts, sowie Britt und Millie zu einem hellgrün gestrichenen Haus, dessen Fenster alle unterschiedlich gefärbte Rahmen besaßen. Über der honigfarbenen Tür prangte ein poliertes Messingschild mit runden Buchstaben. DIONE PORTERS MAGISCHE MIXTUREN FÜR MAKELLOSE ERSCHEINUNG. Darunter stand in kleineren Buchstaben: Geschäftsführerin: Ms. Melanie Patricia Redlief.

"Na super, jetzt kennt jeder deinen zweiten Vornamen, Mel Pat", feixte Myrna, als ihre Schwester gerade durch die Tür trat und ihre Verwandten und Gäste begrüßte.

"Kann ja nicht jeder Ginger mit zweitem Vornamen heißen, Myrna."

"Hör auf!" Knurrte Myrna vergrätzt.

"Soweit alles klar, Mel?" Fragte Millie.

"Wir sind soweit klar, Millie", sagte Melanie. "Nur, daß Tante Di mich gleich als Geschäftsführerin ausgewiesen hat ist mir ein wenig unheimlich. Die paar Sachen, die sie mir schon beigebracht hat reichen dafür doch noch nicht hin. Außerdem habe ich meine UTZs ja noch nicht gekriegt. Ist also ziemlich gewagt."

"Wenn sie dich in einem Monat soweit anlernen kann, daß du ihre Sachen nur noch richtig verkaufen mußt, Melanie, warum nicht?" Fragte Julius.

"Meint Tante Di auch", bestätigte Melanie. Millie sagte nur:

"Machst du dir Sorgen wegen der UTZs?"

"Eigentlich nicht. Aber Das könnte was die Endnoten angeht ja doch wichtig sein, ob ich da nicht einiges nacharbeiten muß", sagte Melanie.

"Verwandlung, Zaubertränke, Zauberkunst, Kräuterkunde und Pflege magischer Geschöpfe, Mel. Wenn du die hast ist das doch egal, wie die anderen ausfallen", wandte ihre Schwester ein. Mel nickte. Julius nickte auch. Das brauchte also eine gute Hexenkosmetikerin alles. Wenn sie noch Verteidigung gegen die dunklen Künste dazunahm könnte sie auch Heilerin werden. Er wußte ja schon von den Redliefs, daß Mel auch dieses Fach in den UTZ-Klassen belegt hatte.

Es ist jetzt viertel vor vier!" Rief Mrs. Porter. Melanie komm rein und mach die Begrüßungssachen fertig!"

"Geht klar, Tante di!" Rief Mel in den Laden zurück. Dann sagte sie zu den anderen. "Also ihr wartet draußen. Gleich kommen die eingeladenen Ehrengäste, darunter auch Prinzipalin Wright und Professor Verdant."

"Jetzt weiß ich auch, warum wir die Sonntagssachen anziehen sollten", feixte Myrna. Melanie reagierte jedoch nicht darauf. Sie ging wieder hinein und verschloß die Tür.

"Okay, Leute, dann bauen wir uns am Besten etwas abseits vom Laden auf, damit die nicht denken, hier würden nur die Verwandten reingelassen", sagte Mr. Redlief. Er dirigierte alle so, daß sie rechts von der Tür und ungefähr zehn Meter von der Wand wegstanden. Da krachte und ploppte es in der Einkaufsstraße. Julius sah Hexen verschiedenen Alters, die sich lautstark begrüßten. Gloria trat zu Julius hin und stellte ihm im Stil eines flüsternden Herolds die ihr bekannten Hexen vor. Julius erkannte jedoch zwei Hexen sofort. Die eine war untersetzt, besaß weißes Haar und trug eine silberne Brille mit dicken Gläsern. Die zweite war hochgewachsen und dunkelhaarig und befand sich gut sichtbar in wahrhaft freudiger Erwartung. Julius sah die werdende Mutter genauer an. Das war Professor Verdant. Die weißhaarige Hexe war die Schulleiterin von Thorntails. Er erinnerte sich schon wieder an diese verhängnisvollen Sommertage im letzten Jahr. Damals hatte Professor Verdant doch noch einen gerade einige Monate alten Sohn gehabt. Sie hatte auch seinen von diesen Hexen um Anthelia zurückverwandelten Vater versorgt und nach der Gerichtsverhandlung auf nimmer Wiedersehen fortgebracht. Sollte er sie jetzt fragen, wohin? Nein! Er hatte es damals beschlossen und wollte es nicht umstoßen, daß er über das neue Leben seines Vaters nichts wissen wollte.

"Hey, was grübelst du, Monju. Das Professor Verdant wieder schwanger ist hat Britt uns doch vorgestern erzählt."

"Ja, im vierten Monat, Millie", erwiderte Julius. "Aber sie sieht schon wesentlich weiter aus."

"Klar, wer nicht genug kriegt kriegt irgendwann zu viel", sagte Brittany. "Die wird denen die sie schon hat wohl zu Weihnachten drei neue Geschwister schenken. Ob die sich darüber freuen?"

"Das kann dir doch egal sein, Brittany. Oder bist du neidisch, weil du noch keinen hast, der dich in andere Umstände versetzt", schnarrte Gloria ungehalten. Millie grinste nur darüber. Julius sagte dann kein Wort mehr über Professor Verdant. Vielleicht konnte er sie nachher begrüßen und beglückwünschen. Er sah noch weitere Hexen apparieren, und dann noch vier oder fünf Zauberer mit faltigen Gesichtern und ausladenden Bäuchen. Diese veranlaßten Julius, Gloria etwas hochzunehmen:

"Na, entweder wird deine Mutter an denen noch viel reicher oder kann denen nicht mehr helfen."

"Das ist eben die Strafe dafür, wenn jemand zu spät anfängt, auf sich zu achten", erwiderte Gloria überheblich. "Entweder sind die bisher nicht verheiratet oder haben Frauen, die entweder blind oder dumm sind."

"Oder die Typen da haben Berge von Gold. Dann ist denen ihr Aussehen irgendwann schnuppe", hielt Julius dagegen. Gloria mußte leise lachen.

"Gerade die mehr Gold als Verstand haben achten peinlich darauf, daß ihre Körper solange wie's geht gut aussehen, Julius. Meine Mutter hätte dich für diese Unterstellung wohl sehr mitleidig angeguckt."

Etwa fünfzig Meter weiter krachte es, und mit quietschenden Reifen hielt ein himmelblauer Doppeldeckerbus im Weißrosenweg. DER BLAUE VOGEL Nr. 12, stand zwischen den beiden Frontscheiben zu lesen. Die vordertür klappte zur Seite wie bei einem gewöhnlichen Personenwagen, und eine Schar von drei Dutzend Hexen ergoss sich in den Weißrosenweg. Alle Hexen trugen ausnahmslos weite Kleider, die ihnen vom streng zugebundenen Hals bis fast unter die Absätze ihrer Schuhe hinabreichten. Die Anführerin erkannte Julius sofort wieder. Das war Ms. Pabblenut.

"Ich dachte, die wollte erst um sechs im Drachen einfallen", wunderte sich Myrna. "Was hat die ihre Graugänse denn jetzt schon hier abladen lassen?"

"Weiß der Geier", erwiderte Julius. "Vielleicht wollen die vorher bei deiner Tante und deiner Schwester einkaufen."

"Ruf den großen, gräßlichen Drachen nicht, Julius. Oder willst du, daß Mel nachher ungenießbar ist?"

"Essen wollte ich sie nicht", erwiderte Julius schlagfertig. Myrna trat ihm dafür mit ihrem hohen Absatz auf den rechten großen Zeh, daß er die Zähne sehr fest zusammenbeißen mußte, um nicht aufzuschreien. Tatsächlich schwenkte eine kleine Unterabteilung der aus dem Bus gekletterten Hexen in Richtung Laden. Es waren vor allem sehr alte Hexen.

"Na, gloria, wie stehen die Wetten bei denen?" Fragte Julius seine frühere Schulkameradin herausfordernd.

"Das der erste Tag wohl ein voller Erfolg wird, wenn die da gleich reingehen", entgegnete Gloria schnippisch. Julius nickte ihr zu. Als er sich wieder auf andere Dinge besann sah er, daß Millie trotzig dastand, die Hände in die Hüften gestemmt, während Ms. Pabblenut ihr ziemlich ungehalten entgegenblickte. Dann jedoch marschierte sie mit dem Haupttross ihrer Kameradinnen weiter.

"Sahst so aus, als wolltest du die gleich anspringen oder anspucken", meinte Julius zu Millie.

"Die hat mich so bitterböse angeglotzt, Monju. Dabei habe ich der Trulla nix getan, was die auf mich wütend machen könnte", schnaubte Millie.

"Wenn die von deiner Familie gehört hat könnte die finden, daß ihr alle in den nächsten Sumpf geschickt werden solltet", stichelte Brittany.

"Ach neh", gab Millie trotzig zurück. "Was könnte die denn an meiner Familie finden?"

"Nichts, was ihr gefällt", vermutete Brittany und machte ein Ist-nicht-so-gemeint-Gesicht. Millie beließ es daher bei einem verächtlichen Schnaufer und blickte sich wie Julius neugierig um, wer noch alles eintrudelte. Zwischendurch schnarrten an den Fenstern des Ladens silberne Jalousien herunter und wieder hinauf. Das waren die WasserabweiseJalousien, die starke Wassermassen eindämmten, wenn Hurrikans über die Stadt hereinbrechen sollten, wußte Julius. Offenbar wurden die magischen Installationen des Hauses durchgetestet. Dann waren es nur noch zwanzig Sekunden bis vier Uhr. Aus dem runden Schornstein über auf dem mit abgerundeten Dachpfannen gedeckten Haus kräuselte sich eine dünne, weiße Rauchsäule erst einige Meter in den Himmel. Diese ballte sich dann oben immer mehr zu einer blütenweißen Wolke, die immer dicker wurde, bis genau um vier uhr - Julius las es auf seiner Uhr ab - die weiße Rauchsäule versiegte und die gebildete Dampfblase mit lautem Plopp zerplatzte und eine rosarote Buchstabenreihe gebar, die fröhlich in der Luft tanzte und "Willkommen zur Eröffnung!" sagte. Im selben Moment ging die Tür auf, und Melanie Redlief trat in ihrem goldenen Glitzerkleid heraus, dicht gefolgt von Mrs. Porter in gleichartiger Aufmachung. Einige vor der Tür wartende Hexen applaudierten und winkten zur Begrüßung. Dann tippte sich Mrs. Porter mit dem Zauberstab an den Kehlkopf und sagte weithin hörbar:

"Sehr geehrte Damen und Herren. Hiermit begrüße ich, Dione Porter, Sie alle zur Eröffnung meiner nordamerikanischen Niederlassung. Ich freue mich, daß sie meiner Einladung so zahlreich gefolgt sind und darf Ihnen hier und jetzt meine hiesige Zweigstellenleiterin, Ms. Melanie Patricia Redlief, vorstellen." Die Mehrheit der versammelten Eröffnungsgäste klatschte in die Hände. Nur die Unterabteilung von Ms. Pabblenuts Hexentruppe blieb stocksteif und unbeeindruckt. Melanie verbeugte sich kurz vor den Anwesenden und lächelte sie an. Dann sagte Mrs. Porter noch: "Ms. Redlief und ich möchten Sie nun um die Ehre bitten, unser Geschäft mit Ihrem Besuch zu beehren, auf daß Sie und wir eine wunderschöne Zukunft begrüßen dürfen."

"Hups, jetzt dachte ich wunders, wie lange sie reden wird", sagte Brittany zu Millie, Myrna und Julius. Mrs. Porter hatte den Stimmverstärkungszauber wieder aufgehoben und winkte den wartenden ersten Kunden freundlich lächelnd zu. Melanie begrüßte jeden und jede an der Tür. Offenbar kannte sie alle mit Namen, stellte Julius fest, als die ersten Besucher freundlich zurückgrüßten und eintraten.

"Lassen wir die sich erstmal da drinnen verteilen, bevor wir auch reingehen", legte Mr. Porter fest. Er wirkte sehr stolz.

"Millie und du geht mit mir rein, während Myrna mit ihrer Verwandtschaft reingeht", mentiloquierte Brittany an Julius Adresse. Offenbar hatte sie sich mit Gloria und Millie schon entsprechend abgesprochen, weil diese ruhig warteten, bis Gloria von ihrem Vater zugewunken wurde.

"Ich geh jetzt da rein. Wir sehen uns dann beim Drachen so um sechs Uhr", sagte Gloria und marschierte an der Seite ihrer Cousine Myrna in den Laden hinein.

"das war es wohl, warum Mel so knötterig war", vermutete Brittany. "Die mußten das genau abstimmen, wer alles kommt und wie die ganzen Sachen ablaufen sollen."

"Dann wollen wir mal hoffen, daß Mels erster Arbeitstag auch schön endet", sagte Julius. Die Verwandtschaft von Melanie betrat den Laden. Immer noch standen die Hexen Ms. Pabblenuts davor und schienen nicht zu wissen, ob sie da reingehen oder es besser bleiben lassen sollten. Brittany wartete noch eine halbe Minute. Dann winkte sie Millie und Julius. Einige der wartenden Hexen blickten Millie und Julius an. Als hätten sie es mentiloquistisch abgesprochen ergriffen die beiden sich einfach bei den Händen und schritten aufrecht und unbekümmert durch die Türöffnung. Melanie begrüßte sie beide mit derselben ausgesuchten Ehrerbietung wie die anderen Kunden.

"Herzlich willkommen, Mademoiselle Latierre, Mr. Andrews!"

"Danke sehr, Ms. Redlief", grüßte Julius freundlich lächelnd zurück. Dann trat Brittany hinter ihnen durch die Tür.

Der große Raum war freundlich und hell. Es waren nur ein wenig zu viele Plüschbestandteile vorhanden, fand Julius. Die Vorhänge erstrahlten in einem hellen Mauve. Auf dem Boden lag ein großer, rosaroter Teppich, und die aberdutzend schmalen und breiten, hohen und niedrigen Regale besaßen alle bunte Wollverzierungen wie die Pompoms einer Cheerleaderin. In den Regalen reihten sich goldene, rosane, blaue, grüne, weiße und mondlichtfarbene Gefäße, Flaschen, Flakons und Zerstäuber, Tiegel und Fäßchen. An den Wänden waren bunte Wandteppiche befestigt, die mit lebendigen Motiven verziert waren. Bunte Schmetterlinge, Marienkäfer und bunte Vögel bevölkerten die Teppiche ebenso wie schillernde Blumen, deren Blütenkelche jedem, der an ihnen vorüberging freundlich zunickten. Der Tür gegenüber war eine dunkelblaue, fast schwarze Wand, in deren Zentrum eine selbstleuchtende Projektion der Erde zu sehen war, wie sie Astronauten aus dem erdnahen Weltraum betrachten konnten. Neben dem Tageslicht sorgten frei schwebende rosarote und himmelblaue Kerzenleuchter für die optimale Beleuchtung. Ein Duft von neuem und frischgewaschenem Stoff, frischem Holz und warmem Bienenwachs mischte sich mit dem zarten Hauch von Duftwässern, die hier auf neue Besitzer warteten oder von den ersten Kundinnen mit hereingetragen worden waren. Ein leises Tuscheln von den ersten Besuchern erfüllte den Raum.

"Da hinten sind noch zwei Türen", wisperte Millie und deutete auf eine rosarote und eine himmelblaue Tür. Julius grinste, wenn er daran dachte, daß hier wohl zwischen Männchen und Weibchen unterschieden wurde. Er wollte bereits auf die blaue Tür zusteuern, als Millie ihn keck am tannengrünen Umhang zog und ihm zuraunte: "Kuck dir erstmal an, was hier so angeboten wird, Monju!"

"Sehe ich doch", sagte Julius. "Kleine und große Flaschen, Töpfchen und Zerstäuber kann man hier kaufen."

"Natürlich", erwiderte Mildrid grinsend und deutete dann auf das erste Regal, an dem ein silbernes Schild hing, das verhieß, das hier Haaraufwertungsprodukte für beiderlei Geschlecht auslagen. Er ging kurz hinüber und betrachtete sich das Angebot. Er fand die Frisurhaltlösung und die Leuchthaarlotion wieder, die um einige Farben erweitert worden war. Daneben gab es Sachen für Haarfülle, Haarwuchsmittel, aber auch Glanzlösungen für unrettbar haarlose Köpfe. Er blickte kurz auf die Farbverstärkerflakons, die Haar jeder Farbe noch mehr leuchten ließ oder andere, nicht durch Verwandlungszauber bewirkte Haarfarben und Frisuren hervorzaubern konnten.

"ei, die haben hier fünf Mittel für rotblondes Haar, jenach Farbabstimmung", meinte Mildrid. Julius hörte es wohl, tat auch verstehend, interessierte sich jedoch nicht dafür. Ihn faszinierte eher die Aufweichungscreme gegen borstige Körperhaare, wobei er auch Schachteln mit kleinen Instrumenten fand, die zur schmerzlosen Haarentfernung bestimmt waren. Millie zeigte ihm eine kleine Flasche, in der eine zähflüssige, golden glitzernde Mixtur schillerte. "Blonder Engel heißt das, Julius. Wär das was?" Er las die Beschreibung auf dem Etikett, daß dieses Mittel blondes Haar wie gewobenes Gold aussehen machte und nach Anwendung einen vollen Tag vorhielt. Er nickte. Offenbar hieß das für Millie, das gerade in der Hand liegende Fläschchen in einen der kleinen Einkaufskörbe zu legen, die der klobigen Kasse gegenüber gestapelt waren. Dann legte sie noch sieben Flaschen einer Lösung in den Korb, die "Vulkanische Aussichten" hieß und wohl für Millies Abstufung des rotblonden Farbtons die Ideallösung war. "Damit sieht das Haar aus wie Flammenzungen aus einem Vulkan, Monju. Ich nehme für Martine, Maman, Tante trice, Tante Babs, Temmie und Oma Line was mit."

"Das wären nur sechs, Millie", wandte Julius grinsend ein. Millie grinste überlegen zurück. Er nahm noch einmal eines der Fläschchen heraus, las den Preis und setzte schon an, Millie zu fragen, ob die sich das echt leisten wollte, wo sie gerade am Anfang standen. Doch Millie kam ihm zuvor und sagte:

"mein Taschengeld reicht voll aus, Monju. Oder möchtest du mir das alles bezahlen?" Julius überlegte kurz und sagte dann, daß er eine von Millies rotblonden und seine Blond-zu-Gold-Lösung bezahlen wolle. Er war ja doch Kavalier, wenngleich das dann leicht ins Geld gehen konnte.

Einige Regale weiter trafen sie Prinzipalin Wright, die sich für Körperreinigungslösungen interessierte. Sie sah Julius an, der sofort seinen Geist verschloß, weil er damit rechnete, daß die Thorntails-Schulleiterin ihn legilimentieren mochte.

"Wie ich erkennen kann haben Sie das letzte Jahr trotz einiger Rückschläge doch wohlbehalten überstanden und sich körperlich in guter Verfassung gehalten. Ich hoffe auch geistig", sagte Ernestine Wright. Julius beteuerte, daß er sich alle Mühe gegeben habe, die an ihn gestellten Ansprüche zu erfüllen.

"Das freut mich sehr, Mr. Andrews", sagte Prinzipalin Wright wohlwollend und wandte sich dann wieder dem Warenangebot zu.

Millie befand, daß Julius eine Salbe für Hand- und Fußpflege bekommen sollte.

"Hattest du was an meinen Füßen und Händen auszusetzen?" Fragte Julius sie so leise er konnte.

"Nein, und damit das auch so bleibt kannst du das ruhig benutzen, Monju", erwiderte sie ebenfalls im Flüsterton. Er dachte daran, daß Claire ihn nie so heftig auf Verschönerungssachen eingetrimmt hatte. Aber die hatte ihn ja nur ein einziges Mal völlig unbekleidet gesehen. Ein Schauer fast verflogener Trübseligkeit überkam ihn, weil er daran dachte, daß sie nicht mehr da war um mitzukriegen, was es alles gab. Aber dann überwand die Zuversicht, daß Ammayamiria ihm jederzeit zusehen könnte und ließ ihn strahlen. Brittany stand bei den Schminken und Lidschatten und rümpfte ein ums andre Mal die Nase.

"Wird zeit, daß Mel mit ihrer Tante die vegane Linie auflegt", knurrte sie und präsentierte eine Schminke für dunkelhäutige und tippte verbittert auf die Liste der wichtigsten Inhaltsstoffe: "Tintenfischtintenextrakt", knurrte sie. "Klingt so, als würden sie die Tiere wie Zitronen ausquetschen und den Saft in Flaschen abfüllen."

"Da steht aber nicht, wieviel wovon", erwiderte Julius darauf. "Wäre ja dann auch gegen alle Betriebsgeheimnisse."

"Was hast du denn schon eingesammelt, Millie?" Fragte Brittany. Millie zählte unbeeindruckt von Britts Verdruß auf, was sie gekauft hatte. Julius zeigte auf die Flasche mit dem Goldhaarelixier. Brittany holte es nach wortlosem Einverständnis heraus und las die Inhaltsstoffe, wobei sich ihr Gesicht sichtlich aufhellte."Keine Tierbestandteile, aber jede Menge Zauberpflanzen, die ich nicht kenne und Weizenrispen." Julius besah sich das Etikett noch mal. "Ui, Regenbogenstrauch. Kennen wir den nicht von irgendwoher, Millie?"

"Och, könnte sein, daß ich sowas schonmal gesehen habe."

"Den meinte ich nicht. Aber ist auch drin", erwiderte Brittany etwas besser gelaunt als eben noch. dann erklärte sie, daß sie sich auch was davon holen würde und ging gesittet aber zielstrebig zum Regal mit den Haarverfeinerungsprodukten zurück. Julius sah die anderen Schminken und entdeckte einige, die er ziemlich gut kannte. Belle hatte es ihm doch erzählt, daß sie Sachen von Dione Porter benutzte. Es hier und jetzt bestätigt zu kriegen wirkte jedoch noch besser. Millie sah, daß er die Tuben und Stifte erkannte und fragte:

"Kamst du damit gut zurecht?"

"War zwar gewöhnungsbedürftig, aber ging gut drauf und wieder runter", flüsterte Julius. Millie befand, daß sowas auch in den Korb zu wandern hatte. Julius wollte sie darauf hinweisen, daß Belle das benutzt hatte und es deshalb wohl sehr kostspielig war. Doch er fühlte, daß gerade das Millies Trotz anfachen würde und beschloß wohl oder übel auch dafür sein Geld auszugeben.

Als der Korb halb voll war kamen sie vor die Wand mit der frei im All leuchtenden Erde. Julius erkannte, daß der blaue Planet ihnen die Seite mit dem amerikanischen Kontinent zuwandte und nur ein paar Wolken zu sehen waren.

"Eine täuschend echt wirkende Leuchtbildimitation, Junger Mann", bemerkte einer der wenigen Zauberer im Laden. "ich habe Mrs. Porter diesen netten Überblick hier angebracht, weil ich finde, daß es im Punkte Schönheit nichts gibt, was mit unserer großen Mutter Erde vergleichbar ist." Julius horchte erst auf, weil der Fremde australischen Akzent sprach.

"Woher bekamen Sie die genaue Erscheinungsform, Sir?" Fragte er interessiert.

"O, das darf ich nicht erzählen, weil meine Söhne mich dafür glatt für senil erklären würden", lachte der Zauberer. "Gestatten, Optimus Lighthouse: Magische Bild- und Klangillusionen für gehobene Ansprüche."

"Angenehm, Sir. Julius Andrews, Beauxbatons-Schüler", erwiderte Julius höflich und betrachtete den kleinwüchsigen, breitbäuchigen Zauberer mit dem goldblonden Haarkranz und dem gleichfarbigen Backenbart. Eine goldrandbrille mit runden Gläsern ritt auf der Nase des Zauberers.

"Natürlich kenne ich Sie, junger Mann. Sonst hätte ich mich nicht erdreistet, Sie ohne Grußworte anzusprechen. Aber wie ich sehe, erkennen oder kennen Sie mich auch."

"Ich kenne Ihren Sohn vom sehen her, Sir. Oder sind Sie der Onkel von Mr. Laurin Lighthouse. Daher wohl der australische Akzent.

"Ich komme wirklich nach meinem Sohn", erwiderte Mr. Lighthouse vergnügt. "Er hat ja seine eigene Firma aufgemacht, um nicht von den anderen Jungs getrietzt zu werden, er müsse vom Ruhm seiner Frau leben. Tja, und Sie haben ihm ja wohl auch geholfen, daß er ein paar Galleonen im Jahr mehr einnimmt, soweit ich orientiert bin", erwiderte Mr. Lighthouse leise. Julius nickte bestätigend und wollte schon abwiegeln. Doch Mr. Lighthouse erkannte das wohl und sagte: "Doch, haben Sie, junger Mann. Ehre wem Ehre gebührt. Oh, ich muß weiter, bevor meine Frau den Laden schon in der ersten Stunde leergekauft hat. Noch viel Vergnügen und erholsame Ferien."

"Danke gleichfalls, Sir", wünschte Julius dem kleinen Zauberer, der eilfertig weiterzog.

"Kannst du mal sehen, wie berühmt du bist, Monju", frotzelte Millie ihren Gefährten, der für einen kurzen Moment verdrossen dreinschaute. "Die Welt ist echt klein, nicht wahr?

"Manchmal zu klein", erwiderte Julius darauf. Doch dann mußte er grinsen.

"Willst du allein durch die rosarote Tür und ich durch die blaue?" Fragte Julius.

"Wenn die wirklich die Babyfarben als für ein Geschlecht ausgelegt haben, Monju, dann kuck dir mal an, was die für Männer wie dich bereithalten! Ich seh mich mal hinter der rosaroten Tür um", entschied Millie und strich Julius kurz über das Haar. Dann ging sie los. Julius öffnete die blaue Tür, auf der ein kleines Schild mit der Aufschrift MASCULINUS befestigt war und trat in einen Raum ein, der halb so groß war wie der Hauptraum. Doch dafür standen die Regale hier voll mit ähnlichen Gefäßen und Schachteln wie der erste Raum. Es roch nach herben Kräutern und Bienenwachs, das wohl von den auch hier frei schwebenden Kerzen herrührte, nur das die hier alle himmelblau waren. Auch hatten die Ausstatter hier nicht zu viel Stoff und Wolle verteilt wie vorne. Er war ganz allein in diesem Raum. Keiner der anderen Zauberer hatte sich bisher hierhin verirrt. So genoss er nach Schließen der Tür die Stille, die nur von seinem leisen Atem überlagert wurde. Er schlenderte ziellos durch die Reihen der Regale und erkannte, daß es auch Hautaufbesserungsprodukte für Männer gab, auch Bartpflegeartikel und Rasiergeräte, mit denen jedoch nicht nur die Barthaare entfernt werden konnten. Er stutzte, als er an einem hohen Regal vorbeikam, das beinahe außerhalb seiner Körperhöhe Intimpflegeprodukte anbot, mit denen ein Mann seine angeborenen Attribute sauber und jugendlich frisch, sowie strapatzierbar und gleitfähig halten konnte. Sollte er was zur Erholung nach wilden Stunden kaufen? Wäre bestimmt auch eine interessante Form von Nachspiel, dachte er. Doch dann verwarf er diesen Gedanken erstmal. Es reichte erst mal, daß er wußte, daß es sowas gab. eine Nachrasurcreme, die der Haut seidige Glätte und einen erfrischenden Duft verlieh nahm er jedoch mit. Sowas konnte er doch immer gebrauchen. Hier waren auch die etwas teureren Haarwuchsmittel, die laut Etikett eine Vollglatze innerhalb einer halben Stunde in üppiges Haar zurückverwandeln konnten. Allerdings mußte die Lösung dann jeden zweiten Tag angewendet werden, um die Haarpracht bis ins hohe Alter zu erhalten.

"Tja, jetzt glaube ich es langsam, daß so mancher Zauberer doch schon mit Haarausfall zu kämpfen hat", dachte Julius und ging an den Deodorants vorbei, die wie in der Muggelwelt in Rollern verkauft wurden. Ansonsten reizte und überzeugte ihn nichts weiteres in der Abteilung nur für Männer. Auch nicht die Gesichtsfixiermittel, die einem Mann zu mehr entschlossenem Ausdruck verhelfen konnten. So war er nach fünf Minuten schon wieder im Hauptraum und blickte sich um. Millie war wohl noch hinter der rosaroten Tür. Er sah Professor Verdant gerade aus dem Raum für Frauen und Mädchen zurückkommen und nahm Blickkontakt mit ihr auf. Sie kam auf ihn zu und strahlte ihn an.

"Hallo, Julius. Schön, dich mal wiederzusehen. Wie ich erfahren durfte hast du die Anforderungen meiner Kollegen Fixus und Trifolio mehr als erfüllt."

"Wie ich sehe darf ich Ihnen zu baldigem Nachwuchs gratulieren. Wann findet das Ereignis denn statt, Mrs. Verdant?"

"Nun, rein vom Ablauf her werden die Ereignisse zwischen dem siebzehnten und fünfundzwanzigsten Dezember stattfinden, Julius. Offenbar hätte ich mich nicht mit dem Fortunamatris-Trank einlassen sollen. Es sind nämlich drei nette junge Leute, die da bald zur Welt kommen werden. Rein optisch und körperlich sieht es ja so aus, als könne es jeden Tag soweit sein."

"Ui, Drillinge. Dann wünsche ich Ihnen dreifaches Glück, daß Sie sie so beschwerdenfrei wie möglich tragen, so schmerzfrei wie es geht zur Welt bringen und so geduldig wie nötig aufziehen können", sagte Julius.

"Danke sehr, Julius. Ich sah übrigens die rotblonde junge Dame, die mit dir vom alten Kontinent herüberkam. Ein attraktives junges Mädchen, das sehr viel Temperament ausstrahlt."

"Ich denke, ihr wird das gefallen, was Sie über sie gesagt haben", antwortete Julius. Mrs. Verdant verlagerte ihr Gewicht etwas weiter nach links.

"Anstrengend ist es immer. Aber schön ist es auch. Ich hoffe, du wirst mit diesem Mädchen auch mal sowas herrliches erleben."

"Das hofft sie auch", dachte Julius. Laut sagte er: "Wenn wir uns sicher sind, daß sie und ich gemeinsame Kinder haben wollen bestimmt."

"Na dann", sagte Professor Verdant lächelnd und wünschte Julius noch einen schönen Tag.

"Unverfroren sind die wahrlich!" Hörte er eine ungehaltene Frauenstimme durch die eigentlich sehr schallschluckende rosarote Tür. Da flog diese auch schon auf und eine Hexe aus Pabblenuts Gefolge entfuhr dem Durchgang wie eine angriffslustige Ratte ihrem Loch. "Sie da, Mrs. Porter!" Keifte sie in Richtung von Dione Porter, die gerade zwei jüngere Hexen beriet, die wohl was für Ganzkörperpflege suchten. Mrs. Porter wandte sich ruhig um und lächelte freundlich. "Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Ms. Dawlish?"

"Indem Sie diesen verderblichen Schund in Ihrer Sektion Feminina umgehend und unwiderbringlich aus Ihrem Sortiment entfernen." Alle Besucher im Hauptraum starrten abwechselnd auf Mrs. Porter und die erboste Besucherin. Mrs. Porter behielt jedoch die Ruhe und Freundlichkeit und kam zu ihr herüber. "Was erzürnt Sie genauer und mit welchem Grund sollte ich dieses Angebot unwiederruflich zurücknehmen?" Fragte sie.

"Sie wollen doch nicht im Ernst von mir hören, was genau ich an Ihrem unzüchtigen Angebot im Detail verabscheue, Mrs. Porter. Aber den Grund dafür, warum ich diesen Unrat für verboten gehörig erachte sollen Sie und alle anderen hier auch wissen. Jede Form von Erleichterung geschlechtlichen Zusammenseins und Hervorhebung geschlechtlicher Attribute ist eine Aufforderung zur Haltlosigkeit und tötet den Anstand junger Hexen, wenn diese sich dadurch berechtigt fühlen, ihre niederen Gelüste zu befriedigen", erwiderte die aufgebrachte Hexe. Weitere Hexen aus dem kleinen Untertrupp von Ms. Pabblenut gaben entrüstete Laute von sich und hasteten auf die rosarote Tür zu. "Allein schon, daß eine Angehörige einer der sittenlosesten Familien der Welt in diesem Pfuhl umhersucht schreit nach sofortiger Revision."

"Nichts für ungut, Ms. Dawlish, aber wen auch immer Sie meinen, erweisen Sie den übrigen Kunden denselben Respekt, den Sie selbst für sich in Anspruch nehmen", wurde Mrs. Porter nun doch etwas ungemütlich. "Wir, einschließlich Ihrer Kolleginnen, können sehr gerne und ausführlich über unser Warenangebot diskutieren. Aber eins vorweg, In das Sortiment ist sehr viel Zeit und Geld investiert worden, daß ich es nur wegen einzelner Unmutsbekundungen vernichten würde."

"Principiis obsta!" Rief die aufgebrachte Hexe. Da sie jedoch mit ihren leeren Händen fuchtelte, war es wohl eine reine Parole, kein Zauberspruch. Julius grinste. Mrs. Porter fragte höflich:

"Was meinen Sie bitte?"

"Wehret den Anfängen!" Rief Ms. Dawlish, und ihre Begleiterinnen stimmten ihr zu, auch die, die in dem rosaroten Raum waren.

"Wie erwähnt, Madam, halte ich mein Angebot aufrecht, Ihre Meinung in gesitteter Weise anzuhören. Doch dürfen Sie dabei nicht außer Acht lassen, daß es genug Hexen gibt, die anderer Meinung sind, und deren Bedürfnisse ich befriedigen möchte", sagte Mrs. Porter.

"Befriedigen, wohl wahr. Nur darum geht es Ihnen doch, junge Mädchen dazu zu verleiten, sich selbst als bevollmächtigt zu fühlen, niedere Bedürfnisse frei auszuleben, wann immer sie es wollen", knurrte Ms. Dawlish. Da polterte etwas im Rosaroten Raum, und eine der dort hineingegangenen Hexen von Ms. Pabblenut flog den Kopf voran hinaus und schlug zwischen zwei Regale auf den Teppich hin. Millie trat mit zerzaustem Haar und einer einzigen roten Maske der Wut an Stelle ihres Gesichtes durch die Tür.

"Was fällt der ein, mich an den Haaren zu reißen?" Schnaubte Mildrid, während die am Boden liegende Hexe sich knurrend wieder aufrichtete und nach ihrem Zauberstab langte. Julius zog schnell seinen eigenen Zauberstab blank. Doch Mrs. Porter meinte rasch:

"Ich verstehe, daß mein Warenangebot Ihrer Auffassung von enthaltsamer Lebensweise mißfallen mag, die Damen von Broomswood. Aber hier in meinem Geschäft rührt niemand einen anderen Kunden an, ob mit oder ohne Zauberkraft. Verlassen Sie umgehend mein Geschäft, bevor ich die Ordnungshüter herzitiere!"

"Dieses Luder hat mich angegriffen", schnaubte Ms. Archer, die Hexe, die gerade ohne Besen durch eine Tür geflogen war. Julius hielt seinen Zauberstab auf sie gerichtet. Mrs. Porter wiederholte ihre Aufforderung an die Begleiterinnen Ms. Pabblenuts. Diese schnaubten und machten Anstalten, nach ihren Zauberstäben zu greifen. Doch verschiedene andere Kundinnen und Kunden hielten ihre Zauberstäbe bereits in Händen. So stand auch Melanie mit erhobenem Zauberstab da. Die Übermacht war für die Hexen von Ms. Pabblenut zu groß. So verließen sie schnell und zornig dreinschauend den Laden. Millie kam auf Julius zu, der gerade seinen Zauberstab ins Futteral zurückschob.

"Gibt's sowas. Da kuck ich mir ein paar Sachen an, und da reißt mir doch diese alte Sabberhexe an den Haaren", schnaubte sie. Dann sah sie Julius an. "Hat eine von denen Stunk gemacht?"

"Moralinsaures Gekleff", knurrte Julius. "Frauen, die Männer hassen und damit alles, was ihnen selbst Spaß machen könnte", fügte er lässig hinzu.

"Dann hat mir diese Sabberhexe trotzdem nicht an den Haaren zu ziehen. Jetzt weiß die zumindest, daß ich Judo kann", knurrte Millie, die wohl immer noch nicht von ihrer Wut runterkommen wollte.

"Das tut mir leid, Mildrid. Das wollte ich wirklich nicht", versuchte Mrs. Porter, die Gefährtin von Julius zu beschwichtigen.

"Das ist mir klar, Mrs. Porter. Nur daß solche Leute einem vorschreiben wollen, was man zu mögen und nicht zu mögen hat und dann handgreiflich werden ... Ich nehme Ihre Entschuldigung an, auch wenn Sie nicht schuld sind", grummelte Millie. Dann wandte sie sich wieder um und ging in den Rosaroten Raum zurück.

"Also der Blaue Raum bietet schon einiges", meinte Julius zu Brittany, die ruhig im Hintergrund gestanden hatte und Julius anblickte. "Was wohl so bitterböses in dem anderen Raum ist."

"Frage Mel", meinte Brittany nur. Julius sah, wie Melanie bereits die ersten Verkäufe in die Kasse eintippte. Er sah Mrs. Porter an und ging auf sie zu.

"Ich dachte, Sie führen nur Cremes und Pflegemittel. Aber wenn das Angebot im blauen Raum schon ziemlich umfangreich ist ..."

"Es gibt Hexen, die nicht nur enthaltsam leben wollen, Julius. Außerdem fühlen sich viele Hexen wohler, wenn sie alle Stellen ihres Körpers geschmeidig halten und ihre Attraktivität steigern, was ja die wesentliche Aufgabe einer Kosmetikerin ist. Hinzu kommt noch, daß Hexen während der Schwangerschaft und um die Geburt herum Probleme mit ihrem Bindegewebe und ganz privaten Stellen haben. Da kann ich doch nicht einfach alles rauswerfen, nur weil so altjüngferliche Furien "Skandal" und "Weg mit dem Dreck!" schreien."

"Da rennen Sie bei mir offene Türen ein, Mrs. Porter. Ich komme wunderbar damit zurecht, daß Leute was an sich verbessern oder bestimmte Sachen im Leben so gut wie möglich hinkriegen wollen."

"Professor Verdant zum Beispiel wird in der Feminina-Sektion einiges finden, was ihre anderen Umstände erträglicher macht und ihr auch nach der Geburt helfen mag."

"Gloria hat sowas Jeanne Dusoleil und Barbara van Heldern erzählt, als wir nach Hogwarts geflogen sind", raunte Julius. Mrs. Porter nickte.

"Ich habe das mitbekommen, als mir detaillierte Bestellungen aus Millemerveilles und Brüssel zugegangen sind." Sie lächelte zufrieden. Dann wandte sie sich an die verbliebene Kundschaft:

"Meine Damen, meine Herren, ich bitte diesen unangenehmen Zwischenfall zu entschuldigen. Ich hätte darauf gefaßt sein sollen, daß es Leute gibt, die eine gewisse Aversion gegen Teile aus dem hier für Sie bereitstehenden Sortiment äußern. Allerdings hielt ich es für höflich, die betreffenden Damen mit demselben Respekt und derselben Freundlichkeit willkommen zu heißen wie Sie alle zusammen. Ich bitte nochmals für den Zwischenfall um Entschuldigung." Diese wurde ihr von allen Seiten gewährt. Brittany ging danach in den rosaroten Raum und kam nach fünf Minuten zurück. Mentiloquistisch teilte sie Julius mit, was es dort für raffinierte Artikel für selbstbewußte Hexen gab. Julius nahm das alles in sich auf und schickte zurück:

"Vielleicht sollte Mrs. Porter diese Sachen in einer Extraabteilung nur für Erwachsene verstauen."

"Die betreffenden Sachen liegen in den höchsten Regalen", erwiderte Brittany. Julius verstand und lächelte. Natürlich lagen die Sachen für lebenslustige Zauberer auch nicht gerade auf Augenhöhe für Kinder unter zwölf Jahren. Das fiel ihm jetzt wieder ein. So konnte man es also auch anstellen, nur entsprechend ausgewachsene Kundschaft an bestimmte Artikel kommen zu lassen. Nach zehn weiteren Minuten verließ auch Millie die rosarote Hexen-Abteilung wieder. Der Korb war jetzt noch voller. Julius legte seine wenigen Sachen aus der blauen Abteilung hinein. Dann meinte Millie:

"Ich denke, das genügt für's erste." Julius stimmte ihr zu. Sie gingen an die Kasse, wo Melanie den Inhalt des Korbes an eine glatte Fläche hielt, worauf die Kasse rasselnd einen Pergamentstreifen ausspuckte, bis Millie alle Artikel auf den Ladentisch gelegt hatte. Melanie drückte einen Knopf, und mit einem letzten Rattern und einem kurzen Ratsch löste sich der Pergamentstreifen von der Rolle. Melanie las die Endsumme ab. Julius kramte mit einem entschlossenen Blick auf Millie mehrere Galleonen hervor, bis er Melanie zwanzig dieser Goldmünzen auf den Geldteller legte. Mel bedankte sich geschäftsmäßig. Doch dann nahm sie fünf Galleonen wieder herunter und sagte leise, daß sie als Erstkunden einen 25-Prozent-Rabbat hätten und gab ihm die Goldmünzen zurück. Dann schüttete sie den restlichen Inhalt des Tellers in eine Schublade der Kasse, die nach fünf Sekunden von alleine zuging. Mel half Millie dabei, die Einkäufe in einer großen Tüte mit dem Schriftzug des neuen Ladens zu packen. Gloria Porter streifte derweil in der Abteilung für Augenverschönerungen herum. Julius winkte ihr zu und deutete auf die Tür. Gloria nickte. "Dann bis nachher", mentiloquierte sie.

Millie und Julius verließen den Laden für magische Verschönerungsmittel

"So, wenn wir gleich beim betrunkenen Drachen sind und ich da die letzten vier Galleonen raushaue habe ich für morgen kein Taschengeld mehr", sagte Julius.

"Da du so galant auch die Haarfärbemittel für meine Verwandten vorgestreckt hast lade ich dich ein, Monju. Es sei denn, das geht gegen deinen männlichen Stolz."

"Tut es nicht, Millie", sagte Julius und bedankte sich.

Als sie um halb fünf bereits auf der Terrasse ankamen wies Bachus Vineyard ihnen einen Tisch zu.

"Wir haben die ersten von denen schon im Lokal", knurrte der sonst so freundliche Wirt. "Hat ihnen nicht gefallen, was sie in dem neuen Laden gesehen haben, wie?"

"Die merken doch nur, was sie verpaßt haben", knurrte Millie dazu nur. Der Wirt grinste sie wie ein fröhlicher Vollmond an und kümmerte sich dann um die anderen Terrassengäste, schwatzte mit einem, scherzte mit einem anderen, hörte sich Sorgen oder Vorhaben eines weiteren an. Millie bestellte Milchkaffee, den Mr. Vineyard ihnen brachte. Sie sprachen leise über den Laden, wobei Millie ihrem Freund von den Sondersachen im rosaroten Raum vorschwärmte.

"Alles davon habe ich wirklich nicht nötig. Aber gut zu wissen, daß es da auch schon nützliche Hilfsmittel gibt", beendete sie das Thema. Dann sah sie auf ihre Uhr. "Hmm, jetzt ist es fünf Uhr. wollte diese Maya Unittamo nicht um diese Zeit herkommen?"

"Sie wohnt nicht weit von hier. Die wird sich Zeit lassen", sagte Julius. Doch als es viertel Nach fünf wurde, fand Julius, daß es wohl doch nichts werden würde. Millie meinte:

"Schade, Monju. Ich hätte sie gerne noch mal privat gesprochen, nachdem sie vor einem Jahr ja bei uns war, wo sie uns was über Verwandlung ... Huch! hey!" Unvermittelt regte sich das Sitzkissen unter Millies verlängertem Rücken und hüpfte. Millie wurde blaß und stand keine Sekunde später auf ihren Füßen. Da löste sich das rotgemusterte Sitzkissen in einen Farbigen Nebelwirbel auf und verdichtete sich zu einer relativ kleinen Frauengestalt im blauen Glitzerkleid mit fast weißen, blonden Haren, die zu einem eleganten Knotn gebunden waren und einer Brille mit zehneckigen Gläsern auf der Nase, durch die zweig goldbraune Augen mädchenhaft vergnügt blitzten. Ein breites Grinsen formte das nur sehr leicht eingefurchte Gesicht der so unvermittelt eingetroffenen Hexe.

"Entschuldigung, das hab' ich echt nicht ...", stammelte Millie, immer noch bleich um die Nase. Doch langsam breitete sich über ihr Gesicht ein anerkennendes, dann belustigtes Lächeln aus, während Julius die neue Tischnachbarin amüsiert angrinste.

"Das war Sinn und zweck der Übung, Mademoiselle", sagte die fröhliche Verwandlungskünstlerin, Maya Unittamo persönlich.

"Ich hoffe, meine Freundin ist Ihnen nicht zu schwer geworden", meinte Julius. Millie zwickte ihm dafür in die Nase.

"Nein nein, Julius. die junge Mademoiselle ist keineswegs zu schwer."

"Das wollte ich nicht", meinte Millie, die jedoch jetzt eher lachen mußte.

"Das hättest du auch nicht gewagt, wenn dir jemand erzählt hätte, daß die alte Unittamo sich als Sitzkissen getarnt hat. Aber ich muß dir noch ein neues hinzaubern", giggelte Maya Unittamo und ließ aus dem Nichts ein neues Sitzkissen erscheinen. Dann setzte sie sich auf den noch freien Stuhl und winkte Bachus Vineyard. Dieser fragte, wie sie denn hergekommen sei. Maya Unittamo erzählte es überlegen lächelnd.

"Oha, das war aber nicht unbedingt anständig. Sie könnten die junge Dame in Verlegenheit gebracht haben", sagte der Wirt des betrunkenen Drachens.

"Dann kann sie sich ja bei den Hüterinnen für sittsame Hexen da drinnen beschweren", warf Julius ein. Mildrid rammte ihm dafür ansatzlos die linke faust in die Magengrube. Er biss wieder die Zähne aufeinander, um nicht aufschreien zu müssen. Dann meinte sie:

"Die würden mir auch zuhören, wenn ich denen sagte, daß ich mehr als eine halbe Stunde auf der ehrenwerten Maya Unittamo herumgerutscht wäre." Die Erwähnte mußte darüber laut lachen, während Bachus Millie erst tadelnd ansah und dann doch grinsen mußte.

"Wenn du das so formulieren würdest würden die in der Tat merkwürdiges von uns beiden denken, Mildrid", entgegnete Maya Unittamo darauf. "Aber von mir sind sie Schabernack gewöhnt und deiner Familie unterstellen sie eh allen Unrat der Gesellschaft."

"Habe ich gemerkt", grummelte Mildrid und fragte sich, was das rote Kissen so alles mitgehört hatte. Doch sie wäre keine lebenslustige Latierre, wenn sie deswegen rot angelaufen wäre. Wer lauschte bekam eben auch Sachen mit, die er oder sie nicht hören wollte.

"Nach allem was ich gehört habe, werde ich mir Dione Porters Filiale hier wohl auch noch mal ansehen", wandte Maya Unittamo ein, als Bachus ihre Bestellung entgegengenommen hatte. "Klingt echt sehr entgegenkommend."

"Ich hoffe, wir haben Ihr Schamgefühl nicht strapatziert", meinte Julius.

"Jungchen, was deine Freundin dir vorgeschwärmt hat hätte mich eh nicht mehr röter gemacht. Ich habe doch einiges erlebt und auch getrieben, wie du weißt. Eine Mäusemutter zu werden ist ja auch nix für prüde Hexen. Abgesehen davon bin ich der Meinung, daß junge Hexen, aber auch selbstbewußte ältere Hexen sich nicht für ihre Natur zu schämen haben."

"Die da hat Sie impertinent behandelt?" Hörten sie eine Frauenstimme von der Straße her. Da kamen Ms. Pabblenut und die Hexe, die Millie aus Vergeltung für das Haareziehen mit einem schwungvollen Judowurf durch den halben Laden gefeuert hatte.

"Ärger im Anmarsch", raunte Julius. Da standen die beiden auch schon vor ihnen. Ms. Pabblenut blickte Millie an, die sich so sehr straffte, daß ihre Körperformen ein wenig üppiger wurden.

"Natürlich, eine von dieser liederlichen Nymphomanin abstammende, wohl selbst irgendwann mal triebhafte", knurrte Ms. Pabblenut. Julius spannte sich an. Mildrid sagte kein Wort, bis die Broomswood-Schulleiterin sie anherrschte: "Was fällt Ihnen ein, meine Kollegin derartig aggressiv und renitent zu behandeln, nur weil Sie sie davor bewahren wollte, sittenwidrige Artikel zu betrachten?"

"Zum einen, Madam sagen Sie da wo wir herkommen erst einmal "Guten Tag" oder welche Tageszeit gerade dran ist", sprach Millie mit der Kälte eines Eisblocks. "Zum zweiten hat mich Ihre Gesinnungskollegin da", wobei sie auf Ms. Archer deutete, "ziemlich gemein von hinten an den Haaren gezogen. Wissen Sie vielleicht noch wie weh sowas tun kann? Deshalb habe ich das als Angriff gesehen und sie mal eben von mir wegbefördert, weil ich ja noch nicht frei zaubern darf. Drittens und letztens gehen Ihre frauenfeindlichen Ansichten meinen Großmüttern, meiner Mutter und meinen Tanten sowas von quer am unteren Rücken vorbei, daß ich nicht einsehe, warum ich mich wegen Ihnen aufrege."

"Was heißt hier frauenfeindlich. Wir streben nach der Vollendung jeder Hexe, um sie vor Ungemach und Untergang zu schützen und ..."

"Falsche Klamotten, Ms. Pabblenut. Nonnen tragen schwarz-weiße Trachten. Aber Sie durften ja keine werden, weil die Hexen alle als ganz böse, unzüchtige, mit dem Teufel rummachende Weiber ansehen", schnitt ihr Julius ins Wort. Millie sah ihn kurz an und wandte sich dann an die im Moment perplexe Hexe.

"Ich sagte frauenfeindlich, weil Sie alles für böse und abartig halten, was eine Frau, Muggel oder Hexe, zu einem erfüllten und abwechslungsreichen Leben und einem schönen und brauchbaren Körper verhilft."

"Du weißt offenbar nicht, mit wem du da redest, du ungehobeltes Ding", schnaubte Ms. Pabblenut. Dann zog sie ihren Zauberstab. Doch sowohl Julius als auch Maya hielten ihre Zauberstäbe in Händen. Ms. Archer tastete nach ihrem Zauberstab und blickte auf die Spitze von Julius' Zauberstab.

"Dir ist das Zaubern verboten", schnarrte sie.

"Gemäß Paragraph sieben der internationalen Geheimhaltung nicht, wenn ich oder ein Begleiter in einer brenzligen Situation stecke", konterte Julius. Doch was Maya Unittamo sagte wirkte heftiger als jeder Zauberspruch:

"Alex, lern es endlich, daß längst nicht jedes Mädchen sich mit vierzehn zu hassen lernt und nichts von seiner Natur wissen oder ihr gönnen will. Benimm dich jetzt nicht wie eine blöde Gans, wo hier so viele Leute zugucken! Oder willst du, daß Minister Cartridge dich noch heute als Schulleiterin absetzt und Broomswoodmorgen früh schon nicht mehr da ist?"

"Was fällt dir ein, Maya, nur weil du meintest, diesen Haufen von ignoranten, zügellosen Kindern was beibringen zu können ...", erwiderte Pabblenut, doch sehr sehr niedergeschlagen klingend.

"Ich habe jedes meiner Kinder genossen, von der Zeugung bis zum UTZ-Abschluß, Alex. Das ist etwas was du dir selbst verbaut hast. Also haßt du Hexen, die nicht so sind wie du und scharst die ganzen selbsthassenden Hexen um dich, um junge Mädchen unter dem Deckmantel von Zauberstudien Unterwürfigkeit und Ablehnung der eigenen Natur in die Hirne zu rammen. Geh da rein, und lass dich von Philomena bedienen und lass uns hier in Ruhe!"

"Du wagst es, mich in aller Öffentlichkeit ...", spie Ms. Pabblenut und zitterte vor Wut und Erschütterung.

"Das tust du gerade selbst, Alex. Noch hast du Gelegenheit, dich ohne weiteren Ärger zurückzuziehen. Wenn du wirklich über allen Dingen stehst und die Intelligenz besitzt, die du während unserer Schulzeit geäußert hast ..." Ms. Pabblenut lief rot an. Dann fauchte sie noch was von wegen "Du hast dich zum aufmüpfigen Schulmädchen zurückentwickelt" und zog mit ihrer Begleiterin von Dannen. Gerade als Brittany, Gloria und Myrna herankamen.

"Huch, was wollte die alte Sabberhexe Pabblenut von euch?" Fragte Brittany. Dann sah sie Maya Unittamo und begrüßte sie.

"Na, du mußt die Sabberhexen nicht gleich beleidigen, Brittany", lachte Maya Unittamo. "Und was Ms. Pabblenut angeht, so war und wird sie wohl immer sein, eine ganz ganz arme Hexe, die nie gelernt hat, sich einfach mal zu freuen und daher anderen den Spaß verderben muß. Sie gehört bedauert und nicht beschimpft."

"Sie waren mit ihr in Broomswood?" Fragte Julius Maya.

"Bei Merlins Bart, bloß nicht. Ich war mit ihr in Thorntails. Aber sie hat, wie ich ihr vorhalten mußte, bereits mit vierzehn jede Lust am Leben und an der Entwicklung vom Mädchen zur Frau verloren, sich als eiserne, eiskalte Jungfrau entfaltet und damit für sich selbst nur Wut und Verdruß erschaffen. Schlimm ist nur, daß sie in Broomswood, das wirklich mal eine sehr aufbauende Schule für junge Hexen war, unschuldige Mädchen mit ihrem Selbsthaß und ihrer Ablehnung der Welt wie sie ist beläd. Zum Glück erkennen die meisten von ihnen, wenn sie aus Broomswood wieder rauskommen, daß das Leben nicht so in einzigrichtig und Ggrundverkehrt aufgeteilt werden kann. Deshalb schicken die meisten, die da waren, zumindest die aus den letzten fünfzig Jahrgängen, ihre Töchter doch nach Thorntails. Aber davon redet Ms. Pabblenut natürlich nicht, weil sie damit ja zugeben würde, daß ihre Auffassung von moralischer Erziehung in der wahren Welt nicht lange hält. Verantwortung und Leistungsbereitschaft lernen Hexen auch in Thorntails. Aber sie lernen, daß sie dafür auch eine Belohnung erhalten. Die Broomswood-Schülerinnen, die dann doch von den Ideen einer unterwürfigen, enthaltsamen Hexe überzeugt werden, landen schon bald als neue Lehrerinnen dort, weil sie in der Welt da draußen weder Sinn noch Funktion sehen."

"Niemand der böse ist ist dabei so richtig glücklich", zitierte Julius aus "Jim Knopf". Millie verzog nur das Gesicht.

"Böse im Sinne von machtsüchtig, skrupellos, gewaltsüchtig und intrigant trifft auf Ms. Pabblenut und ihre Koolleginnen nicht zu. Allerdings verstehen sie sich gut auf das Angstschüren und Haßsäen, was leider auch Eigenschaften böser Zeitgenossen sind."

"Nachdem was Sie uns erzählt haben hat sie aber nicht viel davon, außer verängstigte Schülerinnen und Hohn und Spott aus der Zaubererwelt", sagte Brittany. "Meine Mom wollte ja da auch als Lehrerin anfangen, obwohl sie in Thorntails gelernt hat. Weil ich mich da aber schon angekündigt habe durfte sie den Job nicht machen. Mütter sind ja Frauen, die ihren Körper anerkennen, nicht wahr?"

"Das trifft wohl zu", erwiderte Maya betrübt. Dann kam sie auf ein anderes Thema, ein Buch von Rita Kimmkorn.

"Auch wenn das Aas klein ist kommen die Geier. Aber in diesem Fall konnte Kimmkorn ja einen wirklich bekannten und uralten Zauberer in dieser Pseudobiographie verwursteln", sagte Maya und holte ein Buch heraus, auf dessen Hochglanzklappe ein wie im Spiegel zu sehendes Vollportrait von Albus Dumbledore zu sehen war. "Leben und Lügen des Albus Dumbledore" las Julius den Titel auf dem Rücken.

"Ich habe mir dieses Machwerk schon durchgelesen. Da mag einiges drinstehen, was der Wahrheit entsprechen mag. Vieles, auf das sie sich zu stützen behauptet ist ja weit vor meiner Geburt aktuell gewesen. Aber wie es dasteht ist es nur dazu da, einen großen Geist der Zaubererwelt endgültig umzubringen. Ich fürchte nur, daß diese Schmierfink-Hexe recht behält, daß ihr Machwerk ein Verkaufsschlager wird. Skandale verkaufen sich so gut wie Sex und Tod, und Skandale in denen Sex und Tod eine Rolle spielen verkaufen sich noch besser."

"Meine Mutter wollte dieses Buch da auch kaufen", sagte Gloria. "Sie meint, daß wir dadurch mehr über Dumbledore und warum er ermordet wurde rausfinden könnten, wenn ich wieder nach Hogwarts gehe."

"Gloria, nichts für ungut. Aber Beauxbatons hat dir die Hand ausgestreckt, um dich wie deinen ehemaligen Schulkameraden sicher unterrichten zu können. Ich fürchte, Hogwarts wird dann, wenn der wahrhaftig böse Hexer mit dem unnennbaren Namen wichtige Abteilungen des Ministeriums in seine Gewalt bekommt ein Folterkerker. Ich weiß, ich habe es den Leuten damals gesagt, daß Dumbledore für die Schule ins Grab gestiegen ist. Aber das galt und gilt für die Schule, die er und seine direkten Vorgänger geleitet haben."

"Wieso, Professor McGonagall wird Schulleiterin. Wenn sie keine Todesser einstellt bin ich in Hogwarts sicherer als anderswo", widersprach Gloria.

"Ja, aber die Bedrohung wird auch dich nicht verschonen, Gloria", blieb Maya Unittamo bei ihren Bedenken. "Slytherins Bewohner könnten versucht sein, eine brutale Machtelite aufzubauen, um sich ihrem verehrten dunklen Herren bestmöglich zu empfehlen. Überleg dir das doch noch mal mit Beauxbatons!"

"Bei allem Respekt, Mrs. Unittamo, aber ich bin entschlossen, nach Hogwarts zurückzukehren", beharrte Gloria auf ihrer Meinung.

"Nun, mir steht es ja auch nicht zu, dich zu der einen oder anderen Entscheidung zu drängen", seufzte die Verwandlungsgroßmeisterin bedauernd. Mildrid sah Gloria fragend an. Diese nickte ihr einwilligend zu:

"Was außer deinen Freundinnen und Freunden ist für dich in Hogwarts noch wichtig?" Fragte Julius' Gefährtin.

"Nun", setzte Gloria an, machte eine Denkpause von einer Sekunde und fuhr fort: "Zum einen ist das die Nähe zur Verwandtschaft, was ja durch die Eulenbriefe deutlich wird. Je weiter du weg wohnst, desto länger dauert es, bis ein Brief hin und hergeschickt wird. Weiterhin ist da die Sprache. Nichts gegen eure Sprache, Mildrid. Aber für jemanden, die nicht wie Julius ein unerwartetes Glück hatte, eine Fremdsprache mit zwei gleichartigen Lernbüchern und Wechselzungentrank wie eine zusätzliche Muttersprache zu lernen, ist das immer anstrengend, in der Fremdsprache zuzuhören und zu sprechen, zu lesen und zu schreiben, wobei eure Rechtschreibung ja noch stärker von der Aussprache abweicht als im Englischen schon. Das merkst du sicher auch, seitdem du hier bist, denke ich." Millie bestätigte das mit einem Nicken. "Ja, und dann kommt da noch die Selbstbestimmung da zu, die in Hogwarts doch wichtiger ist als die Einbringung in irgendwelche angebotenen Zusatzsachen. Ich habe es nach zwei Wochen mit Professeur Trifolio mal besprochen, als er wissen wollte, ob ich mich gut eingelebt hätte. Jeden Schultag nach dem Unterricht noch irgendwas machen zu müssen kann zwar eine gewisse Motivation und Interessensbildung bedeuten, ist aber auch eine zusätzliche Belastung und stört das ganz alltägliche Miteinander, weil Leute sich nie mal eben spontan für irgendwas zusammentun oder auch mal einfach dasitzen und gar nichts tun können. Du kennst es nicht anders, daher bist du daran gewöhnt, und ich habe mich auch irgendwie damit zurechtgefunden. Julius hat ja wohl am Anfang auch gewisse Schwierigkeiten damit gehabt, nicht wahr?" Julius nickte behutsam. "Ja, und eben dieses einfach mal so miteinander irgendwas oder gar nichts machen oder freiwillig irgendwo mitmachen, ohne daß dann im Zeugnis drinsteht, wie du dich dabei behauptet hast. Das finde ich, unterscheidet Hogwarts von Beauxbatons, daß die Disziplin nur im Unterricht und den Hausaufgaben wichtig ist, aber ansonsten schon alle irgendwie miteinander klarkommen, ohne daß sie an irgendwas teilzunehmen haben", beendete Gloria ihre Antwort auf Millies Frage.

"Wenn ich dann auch mal darf", setzte Julius vorsichtig an und erhielt von allen am Tisch sitzenden ein zustimmendes Nicken. "Also, ich kenne ja beide Schulen jeweils zwei Jahre lang. Daher behaupte ich mal, einen guten Vergleich hinbekommen zu können. Es ist schon richtig, daß in Hogwarts nicht so drastische Disziplinierungen laufen wie in Beauxbatons. Es ist auch richtig, daß da mehr eigene Freizeit gilt, obwohl in Beauxbatons in den Stundenplänen drinsteht "Freizeitgestaltung nach Auswahl". Aber in Hogwarts gibt es auch Schulregeln, die eingehalten werden müssen. Im Gegensatz zu Beauxbatons kriegen die Schüler die aber nicht alle zu lesen und können sich deshalb nicht überlegen, welche Regeln sie jetzt unbedingt einhalten müssen und wo für sie die berühmte Ausnahme passiert oder nicht. Gloria, du hast wie ich vor zwei Jahren schon beim Gang an den dir zugeteilten Tisch ein Buch mit den Hausregeln bekommen. Das heißt, du konntest dir wie alle anderen auch ansehen, worauf du dich einlassen und wovon du besser ablassen solltest. Dann gibt es in Hogwarts dieses Punktesystem, wonach nur die jeweiligen Schulhäuser Punkte kriegen, obwohl einzelne was leisten oder anstellen. Das finde ich nur solange gut, solange dann auch wirklich alle kameradschaftlich zueinander sind und sich gegenseitig helfen. Du hast ja Henry Hardbrick mitgekriegt, Gloria. Dem war das doch völlig egal, wie viele Punkte seine Verweigerungshaltung Hufflepuff vom Konto gezogen hat. Dem wäre Gryffindor, Slytherin und auch Ravenclaw völlig gleich gewesen. In Beauxbatons wird beides beachtet, die Einzelleistung und der Einsatz für die gesamten Mitbewohner. Aber die Einzelleistung wird eben besonders gefördert, wobei ich natürlich nicht unbedingt für jeden kleinen Regelübertritt fünfzig Strafpunkte aussprechen würde, wie das bei manchen Leuten passiert ist. Aber im Gegensatz zu Hogwarts bekommt jeder Schüler in Beauxbatons das ganz konkret mit, ob er oder sie gut oder weniger gut mitarbeitet. Ich habe am Anfang auch gedacht: "Führt euch gut, dann ist die Legion gut zu euch!" Aber mittlerweile, ganz ohne Imperius oder Muggel-Gehirnwäsche, bin ich davon überzeugt, daß das eine bessere Mischung ist, wenn jemand seine eigenen Leistungen oder Fehltritte abkriegt und erst am Schluß gesehen wird, wie das das Gesamtbild ausmacht. Und was die Freizeitkurse angeht, so habe ich am Anfang auch gegrummelt, weil wir alle in so eine Terminschiene reingequetscht werden. Andererseits mußt du die Kurse ja nicht die ganze Schulzeit belegen, nicht einmal das nächste Halbjahr. Ich habe zum Beispiel im Vorigen Schuljahr einen Malkurs mitgemacht, den ich in diesem Schuljahr gegen Zauberwesen und magische Tiere getauscht habe, wie auch den Tanzkurs. Und wenn du dir ansiehst, daß ja auch die Lehrer in diese Freizeitangebote eingebaut sind, die ja auch keinen einfachen Tag haben, ist das schon beachtlich, wie motivierend das trotzdem ist."

"So, du konntest dir freiwillig Verwandlung für Fortgeschrittene aussuchen?" Fragte Gloria. "Die Schach-AG hast du ausdrücklich auf eigenen Wunsch besucht? Da habe ich aber was anderes mitbekommen."

"Das kann ich leider nicht abstreiten, daß manche Lehrer schon befinden, welche Kurse jemand machen sollte. Aber bei Zaubertränken, Kräuterkunde, Zauberkunst und Tierwesen bin ich freiwillig reingegangen, von der Musik-AG ganz zu schweigen. Das geht in Hogwarts ja nur ab und an, wenn sich Leute zusammentun, die Musik machen können."

"Eben, Julius, weil die sich in Hogwarts absprechen können, ohne von wem getrieben und bewertet zu werden", hakte Gloria triumphierend grinsend ein. "Gerade bei Musik ist es doch wichtig, daß sie Spaß macht."

"Fordert aber auch eine gute Disziplin und Zusammenarbeit, Gloria. Ich habe es absolut nicht mehr machen wollen, als ich erst im Kindergarten und dann noch in der Grundschule Blockflöte spielen mußte. Ich wollte wenn überhaupt Instrumente spielen, die nicht von kleinen Jungen oder kleinen Mädchen zur Aufregung ihrer Eltern gespielt wurden. Erst Claire hat mich drauf gebracht, daß man das auch zum Spaß machen kann, um einfach mal zusammen zu spielen. Insofern ist die Holzbläsergruppe eine Mischung aus beidem, Disziplin und Spaß. Keiner wird dazu gezwungen, da mitzuspielen."

"Solange du dafür was anderes machst", wußte Gloria eine passende Antwort. Millie nickte ihr zwar zu, hakte dann aber ein:

"Was Julius dir wohl gerne sagen möchte, ohne dich gleich zu verletzen ist, daß er wesentlich besser in Beauxbatons reingekommen ist als du, Gloria. Du bist da für ein Jahr rein, wußtest also, daß du nur dieses Jahr durchhalten mußt und fertig. Dann bist du ... Lass mich das bitte zu ende sagen!" Gloria schloß ihren Mund wieder und entspannte ihren gerade noch gestrafften Körper wieder. "... in einen Saal reingekommen, wo du niemanden kanntest. Julius ist mit Hilfe von Jeanne und Claire, Barbara, Sandrine und meiner Schwester Martine gut bei uns angekommen und hat zum einen, weil er ja früher schon viel lernen und ackern mußte keinen großen Unterschied gemerkt." Julius setzte an, was zu sagen, sah aber an Millies entschlossenem Blick, daß sie noch was loswerden wollte. "Sicher hast du auch viel vorher lernen müssen, Gloria. Aber soweit ich von Martine weiß, die es von Barbara van Heldern hat, kam Julius wegen dem, was seine Eltern ihm schon in Hogwarts aufgedrückt haben wunderbar bei uns rein. Allerdings, Julius - das habe ich dir ja schon lange bevor du es mit mir doch noch versuchen wolltest immer wieder gesagt -, hast du dabei nicht gelernt, zu wissen, was du selbst willst und dich mal einfach so zu freuen oder zu ärgern oder dich auf jemanden mal ganz ohne irgendwelche abzusehenden Noten oder Belohnungen einzulassen. Deshalb noch mal auch für Gloria: In Beauxbatons wird heftig geregelt und rumkommandiert. Doch die meisten von uns kriegen es trotzdem raus, was sie selbst tun und sein wollen, mit wem sie wie und warum klarkommen oder nicht. Und ich bin froh, Julius, daß du nach den Jahren, wo du nur gelernt und gelernt hast und auch nach dem für dich wirklich schlimmen Verlust von Claire nicht nur lernst was reingeht, sondern auch mal einfach tust, wonach dir gerade ist."

"Wenn du jetzt durchbist noch mal ich", sagte Julius behutsam in Millies Richtung. "Das stimmt, daß ich viel büffeln und bei Aufforderung hersagen oder vormachen sollte und ich deshalb wohl besser in Beaux reingekommen bin. Auch bin ich da besser rein, weil ich eine Freundin dort hatte, die und deren Schwester und deren Freundin mir geholfen haben, damit klarzukommen, nicht mehr in meiner Heimat zu sein. Deshalb kann ich dich auch verstehen, Gloria, daß du da nicht so warm geworden bist, weil du außer einigen von meinen Geburtstagsfeiern keinen richtig gut kanntest. Außerdem hast du es ja keinem vorher erzählt, daß du dahinkommen würdest, weil da vielleicht doch dann mehr hätte vorbereitet werden können. - Ja, ich weiß, daß hatten wir schon mal." Gloria machte ein Genervtes Gesicht. "Es stimmt auch, daß ich nach dem Ding, daß sich mein Vater mit meiner Mutter geleistet hat einfach nur noch Ruhe haben wollte und nicht andauernd an dem einen oder dem anderen rummeckern wollte. Ich habe gemacht, was die mir gesagt haben, aber auch rausgekriegt, was mir Spaß macht, unabhängig davon, ob das im Zeugnis bewertet wurde oder nicht. Millie, du kannst dich auch noch gut daran erinnern, daß wir beide einigemale aneinandergeraten sind und ich mich von dir doch schon ziemlich angenervt gefühlt habe." Millie nickte. "Also wußte ich da auch schon, was ich mir gefallen oder nicht gefallen lassen wollte." Millie grinste erheitert. Gloria blickte beide etwas pickiert an, während Maya Unittamo, Brittany und Myrna dem ganzen wie interessierte Zuschauer einer Gerichtsverhandlung zuhörten. Gloria wandte sich an Julius und sagte:

"Ich sehe es ein, daß du in Beauxbatons und wohl jetzt auch in Millies Familie einen für dich wichtigen Halt gefunden hast, Julius. Da kann auch was dran sein, daß ich außer mit Belisama und Constance keine richtigen Freundinnen und Freunde im weißen Saal gefunden habe, weil die mich ja eh als nur für ein Jahr da gesehen haben und tatsächlich einige der Meinung waren, ich käme damit nicht zurecht. Vielleicht habe ich denen ja doch den Gefallen getan, wenngleich ich mit der Schule ja super klarkam und mit dieser durchgeplanten Freizeit."

"Du warst doch mit Sixtus auf dem Walpurgisnacht-Besen", warf Millie ein. Julius nickte.

"Ja, weil jemand anderes Julius schon für sich gebucht hat und die anderen drei, die ich noch angeschrieben habe auch schon jemand anderem zugesagt haben", stellte Gloria klar.

"Und daher laßt uns das klarstellen: Broomswood muß erhalten werden, für die Hexentugend hier auf erden!" Skandierte Ms. Pabblenut gerade im Schankraum eine ihrer Meinung wohl zündende Parole, die von ihren Kameradinnen im Chor wiederholt wurde.

"Da sag du noch mal was gegen Beaux, Glo!" feixte Myrna. Millie zwinkerte ihr beipflichtend zu. Maya Unittamo nickte den dreien, die sich über das Für und Wider von Beauxbatons ausgetauscht hatten anerkennend zu. Dann grinste sie Millie schelmisch an:

"Lernt man bei euch auch Rhetorik oder hast du das mit der Muttermilch eingesogen, Mildrid."

"Ich habe nur gesagt was ich denke. Wenn Ihnen das gefallen hat dann finde ich das nett. Ich geh mal davon aus, daß ich die Sachen von meiner Mutter bekommen habe, die meine große Schwester nicht haben wollte oder mir übriglassen mußte. Es gibt in Beauxbatons keinen Rotorik-Kurs." Alle lachten, und nach einer Sekunde auch Millie. Maya Unittamo meinte, daß das ein Kurs für gute Reden sei. Julius warf dann ein, daß sie im Zauberwesenseminar häufig über die gut- und bösartigen Eigenschaften von Zauberwesen gesprochen hatten. Er erinnerte Millie und Gloria an die Zwerge, Vampire, Werwölfe und Riesen, über die sie gesprochen hatten. Gloria und Millie nickten. Maya nickte dann auch.

"So kann man auch was lernen, ohne dafür was büffeln zu müssen. Frei reden ist für Hexen und Zauberer genauso wichtig wie der Gebrauch von Magie, wird von manchen Zeitgenossen sogar als heimlicher Zweig der Magie angesehen, weil es ja darum geht, zu stärken, zu lenken und zu vereinen und eine Mehrheitsmeinung umzuwandeln."

"Meine Mom sagt, daß Musik eine magielose Zauberei ist, die über alles andere geht", sagte Myrna. Brittany wandte ein, daß ihre Mutter immer gemeint hatte, daß Liebe die höchste aller Zauberkünste sei, weil sie zwei Seelen vereine, stärke aber auch neues Leben in die Welt bringen würde.

"Jaja, und die Eifersucht ist dann der Spiegel, in dem die Liebe sich immer wieder ansehen muß, wie stark oder wie häßlich sie aussieht", knurrte Myrna. Millie mußte erst grinsen und fragte dann, wie sie darauf käme. Myrna schmetterte diese Frage jedoch mit einem Kopfschüttelnden "Kein Kommentar" ab. Brittany grinste daraufhin in sich hinein.

"Wofür leben wir?!" Rief Ms. Pabblenut. "Broomswood!" Erscholl die Antwort aus mindestens dreißig rauhen Hexenkehlen.

"Super!" Schnaubte Brittany.

"Die Arme Philomena", seufzte Maya. "Was wird sie das an ihre düstersten Zeiten erinnern."

"War die da etwa?" Entglitt es Julius unbedacht. Maya Unittamo nickte.

 

"Noch einen Wunsch, die Damen und der Herr?" Fragte Mr. Vineyard.

"Wollt ihr noch was?" Fragte Maya Unittamo. Alle nickten und bestellten Mufalettas, die Sandwich-Fassung aus New Orleans, wobei Brittany nur Salat und Gemüse dabeihaben wollte. Mr. Vineyard nickte und ging mit zusammengepreßten Lippen durch die offene Tür, wo die Broomswood-Hexen gerade ein Kampflied anstimmten, dessen Melodie nicht von allen mitgesungen werden konnte. Mildrid verzog das Gesicht. Julius blickte bedauernd auf die noch offene Zugangstür. Andere Hexen und Zauberer boten ein breites Band von Verachtung, über Bedauern, heimliche Heiterkeit und schallend hinausgelachte Schadenfreude.

"Mit dem Chor wird die alte Sabberhexe zur verbotenen Vereinigung erklärt", gröhlte ein hagerer Hexenmeister mit grauem Bart und goss einen Schluck aus seinem großen Krug in sich hinein. Julius mußte auch lachen. Dieser Spruch war gut.

"Die hätten sie alle bei Zeiten mal richtig rannehmen sollen. Dann wären die nicht mehr so verklemmt", schnaubte ein anderer Zauberer einen Tisch weiter. maya Unittamo blickte ziemlich ungehalten zu ihm hinüber und stand auf.

"Pincus, Mißfallen zu bekunden ist in unserem Land durchaus erlaubt. Aber beachte bitte, daß hier auch Kinder und Jugendliche sitzen, die keine Derben Sprüche gebrauchen können!" Rief sie nicht zu streng aber respekterheischend. Alle Lacher schwiegen, sahen die ehemalige Verwandlungslehrerin abbittend an und kehrten zu ihren bisherigen Unterhaltungsthemen zurück.

"Doch noch 'ne Lehrerin", mentiloquierte Julius an Brittany. Diese schickte zurück, daß sie ja auch mehrfache Mutter, Großmutter und Urgroßmutter sei.

Bachus Vineyard brachte die Bestellungen und ließ sich von Maya in eine kleine Plauderei über die letzten Neuigkeiten verwickeln. In diese Unterhaltung stiegen auch Gloria, ihre Cousine Myrna und Brittany, sowie Mildrid und Julius ein. So verging die Zeit, bis Glorias Eltern und Verwandte eintrudelten.

"Durch den Kamin in meinem Laden kann im Moment keiner durch, Geri. Der gehört im Moment zu Broomswood."

"Wie kommen wir denn dann nach Hause?" Fragte Greta Craft. "apparieren ist mir seit jenem Vorfall zu wider."

"Muß jetzt keiner wissen, Greta. Außerdem kann ich dich bei der Hand nehmen", sagte ihr Mann Victor.

"Du bist dabei ja noch schusseliger als ich", widersprach Mrs. Craft.

"Dann eben der Blaue Vogel", sagte Mr. Porter. "Wie viel macht die einfache Fahrt noch mal?"

"Elf Sickel für häufig befahrene Orte und dreizehn für Einzelziele", sagte Brittany.

"Arm werden dabei nur die Fahrgäste", schnaubte Mr. Craft. Mr. Porter zückte einen großen Geldbeutel und entzündete seinen Zauberstab. Julius wandte ein, daß sie noch bezahlen müßten. Maya Unittamo machte eine abwehrende Handbewegung.

"Ich habe euch eingeladen, Julius, und meine damit auch, daß ich das bezahle, was ihr hattet", sagte sie unumstößlich. So blieb den jungen Hexen und dem Jungzauberer nur, sich anständig für die Kaffeerunde zu bedanken. Mr. Porter winkte fünfmal mit dem leuchtenden Zauberstab. Da krachte es auch schon, und mit schnell abgeblendeten Frontscheinwerfern ratterte der himmelblaue Doppeldecker aus dem Nichts herausgebrochen bis kurz vor die Terrasse. Diesmal war es die Nummer eins der magischen Reisebusgesellschaft. Eine dunkelhäutige Schaffnerin sprang heraus, die Julius an die Friday-Geschwister erinnerte. Sie sah Brittany und Myrna, erkannte sogar Julius Andrews und lächelte.

"Wohin dürfen wir euch fahren?" Fragte sie.

"Zu meinem bescheidenen Haus, sagte Marcellus Redlief und ließ sich von seinem Schwager mehrere Galleonen geben. "Zum Glashut-Turm", ergänzte Mels und Myrnas Vater noch. Dann wartete er auf die Fahrpreisansage und gab die entsprechende Menge Geld an die Schaffnerin ab, die sie hineinwinkte und die Tür schloß.

"Nächster Halt, Misty Mountain!" Rief die Schaffnerin den nächsten Haltepunkt auf, bevor der Bus anrollte, einige Dutzend Meter weit über das Kopfsteinpflaster ruckelte und dann mit einem großen Satz auf einen Autobahnabschnitt irgendwo in den Staaten hinüberwechselte. Julius prüfte die Zeitzone und stellte fest, daß sie eine Zeitzone östlich von Kalifornien waren. Fünf Minuten später sprang der Bus erneut und glitt auf einer Strandautobahn dahin, die in Kalifornien lag. Dann hüpfte der Bus mitten hinein in die Straßenschluchten einer Großßstadt. Julius erkannte in einiger entfernung einen Zwillingsturm. Außerdem sprang seine Weltzeituhr auf Ostküstenzeit um.

"Manhattan", sagte er zu Millie. "Das Stadtzentrum von New York. Oh, wir sind in der Wallstraße." Er erkannte ein Gebäude, daß er häufig im Bezug auf Wirtschaftsnachrichten im Fernsehen zu sehen bekam, die New Yorker Börse.

"Hängt hier aber viel Qualm in der Luft", naserümpfte Millie und deutete auf die himmelhohe Dunstglocke über der Stadt. Dann knallte es erneut, und sie fuhren einen Berghang hinauf, um mitten auf einem Plateau zu halten, wo zwei einzelne Zauberer mit erhobenen Zauberstäben standen. Diese stiegen noch ein. Der Bus fuhr rasch weiter, machte noch einen Raumsprung und hielt auf einem beschaulichen Marktplatz in Mitten eines kleinen Ortes in Mitten hoher Berge.

Hier stiegen einige Fahrgäste aus und drei Hexen ein. Das nächste Ziel war Viento del Sol. Myrna feixte, daß Britt ja wieder nach Hause könnte. Sie sagte dazu nur, daß sie ihr Gepäck im grünen Zimmer habe und nicht nach Hause fahren würde. Von VDS aus ging es zu einem hohen Berg in Mitten von Alaska. Danach rief die Schaffnerin eine Straße in Detroit auf, wo eine Hexen mutter mit vier Kindern zustieg. Dann ging es im Zickzack über die Staaten herum bis zum Glashut-Turm.

"Apparieren geht doch schneller", befand Brittany. Doch Mrs. Craft warf ihr nur einen ungehaltenen Blick zu.

In einem runden Speisesaal auf halber Höhe des Turmes versammelten sich die Bewohner und ihre Gäste um neun Uhr, als Melanie und ihre Tante erschöpft aber sehr zufrieden vom ersten Arbeitstag nach Hause kamen.

"Deine Tochter hat heute ihre ersten fünfzig Galleonen verdient, Marcy", sagte Dione Porter. "Wir haben zusammen fünftausend Galleonen eingenommen. Abzüglich Platzmiete, Gewerbesteuer und Material und Verarbeitungskosten bleiben dann noch zweitausend Galleonen übrig. Will sagen, die Monatsmiete und Gewerbegebühr haben wir schon voll raus."

"Und dann kriegt Mel nur fünfzig Goldstücke?" Fragte Myrna mißmutig.

"Fünfzig pro Tag ist viel Schotter", warf Julius ein. "Das ist bald das doppelte Taschengeld, daß sie mir für ein Jahr in Hogwarts zugebilligt haben."

"Ja, und das an einem Tag", meinte Millie.

"An und für sich wären es ja fünfundsiebzig Galleonen", meinte Dione Porter. "Aber in unserem Arbeitsvertrag steht drin, daß Melanie von der Firma Kosmetikartikel und Berufsbekleidung finanziert bekäme und immer gepflegt und gut eingekleidet zur Arbeit zu erscheinen habe.

"Im Monat sind das zwischen eintausendvierhundert und eintausendfünfhundert Galleonen", gab Julius eine Probe seiner Rechenkunst zum besten.

"Na rechne mal lieber zwischen neunhundert und eintausendzweihundertfünfzig Galleonen, Julius", sagte Mrs. Porter. "Wir haben einen Honorarvertrag."

"Dann glaubst du, daß sich der Umsatz am Tag weiter runterregelt?" Fragte Gloria ihre Mutter.

"Ist leider immer so. Die Gewerbeabgaben und alles andere sind feste Kosten. Rücklagen müssen wir auch machen. Dann geht was von den Umsätzen hier in die Weiterentwicklung rein. Ich kriege als Inhaberin dreißig Prozent vom Monatsüberschuß, und Mel als Filialleiterin fünfzehn, was an anderen Berufen gemessen immer noch viel Geld ist."

"Das kannst du laut sagen", knurrte Gloria.

"Ihre Mitarbeiter kriegen dann wohl auch was davon ab?" Fragte Brittany.

"Wir haben in England zehn Mitarbeiter und Liefervertragspartner", sagte Mrs. Porter. "Die alle zusammen kriegen von dem, was hier erwirtschaftet wird zusammen fünfundzwanzig Prozent."

"Hey, Moment mal, das ist aber irgendwie ungerecht, wenn Mel, die gerade angefangen hat sechsmal mehr kriegt als ein einzelner Mitarbeiter", warf Myrna ein. Doch Mrs. Porter beruhigte sie, daß sie ja vom wesentlich größeren Umsatzkuchen in Europa ja auch was abbekamen, was den einzelnen Mitarbeiter fast so gut verdienen ließ wie Melanie.

"Gewinne machen und Rücklagen bilden ist wichtig. Aber auch die Arbeiter zu motivieren ist verdammt wichtig. Gerade bei der Konkurrenz auf dem Kosmetiksektor und bei der Nachfrage nach Apothekenfachgehilfen oder neuen Heilern", sagte Mrs. Porter. Julius rechnete derweil Mels mittleres Jahresgehalt ohne Steuern aus. Denn sicher mußte sie von den heute verdienten Galleonen welche für das Finanzamt, also die Behörde für magischen Handel abzweigen. Wenn er mit eintausend Galleonen im Monat kalkulierte, waren das im Jahr ...

"Ui, zwölftausend Galleonen mittleres Bruttojahresgehalt. In englischen Pfund wären das sechzigtausend. Dafür kriegst du in England nach zwei Jahren dein eigenes kleines Haus. Meine Fresse", antwortete Julius.

"Brutto, Julius?" Fragte Millie.

"Also bevor jemand wie Monsieur Colbert kommt und seinen Anteil abzieht und die Heilerpauschale eingezahlt wird, damit du bei einer Krankheit nicht deine ganzen Ersparnisse abdrücken mußt", erwiderte Julius. Gloria nickte. Millie nickte auch. Sie wußte ja, daß ihre Tante Béatrice im Monat 1500 Galleonen Grundbetrag bekam, die möglichen Honorare für Sonderleistungen nicht mitgerechnet. das sagte sie Julius auch leise.

"Da kannst du sehen, daß so'n Heiler immer noch mehr bekommt als die Geschäftsführerin einer Kosmetikniederlassung", wandte Melanie ein. Dann aßen sie zu Abend.

Gegen elf Uhr begaben sich alle zu Bett. Julius mentiloquierte an jede der Junghexen noch einen Gutenachtwunsch, wobei er bei Millie den Herzanhänger benutzte.

 

__________

 

Julius saß zusammen mit Millie auf der geflügelten Kuh Artemis und flog über Millemerveilles hinweg. Die Kuh erzählte ihnen ohne Cogison, daß ihre Cousine Auberge mit einem Kalb sei und ihre andere Cousine Nuagette von Barbara irgendwo hingeflogen worden war, wo die Sonne unterging. Julius wollte Temmie gerade fragen, ob sie auch mit einem Kalb also tragend sei, da erscholl ein lauter, lang nachhallender Ton und fegte wie ein Wirbelwind alles um ihn weg. Dann fand er sich in dem schmalen Gästebett wieder, in dem er sich am Abend zuvor alleine hingelegt hatte. Da hallte der Ton erneut. Es war ein großer Gong, oder ein Meldezauber, der dieses Geräusch nachahmte. Julius zählte die Sekunden, bis er den lange nachhallenden Ton nicht mehr hören konnte und staunte. Zehn Sekunden waren das.

"Morgen, meine rotblonde Traumfrau! Auch schon wach?" Schickte er über den Herzanhänger einen Gruß an Millie.

"Gerade wach geworden. Britt und ich haben Gloria damit aufgezogen, daß ihre Maman die meisten Umsätze mit den Sachen für lebenslustige Hexen machen würde. Britt hat zumindest noch fünf vegane Verschönerungsmittel gefunden, darunter eines, daß ihre Augen größer wirken läßt. Gloria meinte, Britt und ich würden uns wie unreife Dreizehnjährige benehmen, worauf Britt den Brüller des Abends landete, indem sie Gloria fragte, wieviele Kinder sie denn schon habe, wenn Britt und ich erst dreizehn wären. Ui, das war lustig. Die hätte mit Bernie doch einen Club aufmachen können, deine nun wohl auf absehbare Zeit nicht wieder Schulkameradin."

"Das du verdorben bist wußte Gloria ja bestimmt schon von Belisama", schickte Julius die passende Antwort.

"Tja, dann hat die eben gelernt, das etwas wissen und etwas mitkriegen zwei Welten für sich sind", dachte ihm Millie belustigt wirkend zu.

"Dann sehen wir uns gleich im Speisesaal, wenn ich schneller als Mr. Porter im Bad bin, bevor der sich mit den Männerschmink- und verbesserungssachen länger aufhalten muß, die er bei seiner Frau gekauft hat."

"Ja, mach das! I, Britt!"

"Was hat sie gemacht?" Wollte Julius noch wissen.

"Naßgespritzt hat die Gloria und mich, weil wir nicht aufstehen wollten. Toll, jetzt guckt Gloria ganz doof, weil ich schon mehr Auslage habe als sie."

"Böses Mädchen", schickte Julius zurück.

"Stimmt, das ist Brittany. Aber jetzt stehe ich besser auf, bevor Britt uns noch auszieht und baden will. Dann bekäme deine frühere Mitbewohnerin den Vollstress."

"Ich meinte nicht Britt, sondern dich. Bis nachher."

"Bis nachher, Monju!" Trällerte Millies fröhliche Gedankenstimme.

Julius brauchte sich nicht um das Bad zu streiten. Denn die Porters schienen noch fest zu schlafen. Zumindest konnte er sich in Ruhe duschen und anziehen.

"Die beiden sind voll die blöden Gänse", hörte er Gloria Porters Stimme in seinem Kopf, als er gerade prüfte, ob er seine Sachen auch alle reisefertig verstaut hatte.

"Quak quak", schickte Julius auf die übliche, über fünf Stufen gehende Weise zurück, wofür er mittlerweile nur noch zwei Sekunden brauchte.

"Als wären die Schwestern und könnten mich einfach so aufziehen."

"Dann spul dich doch wieder ab!" Schlug Julius unhörbar vor. "Bin unterwegs zum Speisesaal. Bis gleich!"

"Bis gleich", gedankenschnaubte Gloria zurück.

Im Speisesaal räumte Melanie gerade Frühstückssachen auf den großen Tisch. Ihre Großmutter Patricia hielt gerade zwei Zeitungen in der Hand.

"Die wurden gerade gebracht", seufzte sie und faltete etwas betrübt die erste Zeitung, den Kristallherold, auseinander. Julius erkannte das Schwarz-weiß-Photo einer Hexe mit langen, wohl fast dunklen Haaren mit hohen Wangenknochen. Das Bild war in einem schwarzen Rahmen abgedruckt und mit "Patricia Straton" unterschrieben. Über dem Bild stand:

 

FLUCH ÜBER DEN STRATONS?

 

 

NACH DER MUTTER AUCH DIE TOCHTER

 

 

GERÜCHTE ÜBER MITGLIEDSCHAFT IN OBSKURER VEREINIGUNG NICHT AUS DER WELT

 

"Ach du großer Drachenmist", stöhnte Julius. Denn jetzt erkannte er die Hexe, zumindest sah sie einer ähnlich, deren Bild er vor wenigen Tagen schon im Westwind gesehen hatte.

"Ein ziemlich unpassender Ausdruck, junger Mann, aber als emotionaler Kommentar nicht ganz abzustreiten", sagte Mrs. Patricia Redlief. "Kanntest du die Verstorbene?"

"Ich habe das von einer Pandora Straton gelesen. Und die Hexe da im schwarzen Rahmen war ja ihre Tochter, so die Schlagzeile und das Bild", sagte Julius.

"Wir hatten's doch von der, Julius", sagte Melanie und verpatzte fast die sauber gezauberte Landung einer vollen Kaffeekanne. "Die war supergut in Verwandlung und Verteidigung gegen die dunklen Künste. Könnte mir vorstellen, daß die sich für eine dieser Hexenclubs erwärmt hat oder daß ihre Mutter die da eingeführt hat."

"Ja, aber so kurz hintereinander? Haben die wen verraten?" Julius erschrak über die Antwort, die in seiner Frage steckte. Natürlich hatten die beiden Stratons irgendwen verraten. Die Frage war nur: Wen?

"Julius, ich habe dir doch erzählt, daß die selige Jane Porter mal gemeint hat, mich zu einem Verhör ins Ministerium bestellen zu lassen. Wahrscheinlich deshalb, weil ich denselben Vornamen habe wie die nun wohl über ihre eigene Machtgier gestolperte Miss auf dem Foto. Das wirklich erschreckende an dieser Situation ist, daß wir hier in Amerika eine Bande von Fememördern oder -mörderinnen haben, also Leute, die jeden sofort töten, der oder die ihnen abtrünnig wird. Aber zumindest haben sie die restliche Familie nicht erwischt", seufzte Patricia Redlief. Dann nahm sie die zweite Zeitung, den Westwind. Auch hier wurde über das viel zu frühe Ableben der Patricia Straton berichtet und noch mal erwähnt, welche Auszeichnungen sie sich verdient hatte. Außerdem stand da noch etwas über die Demonstration von Broomswood-Lehrerinnen und ehemaligen Schülerinnen vor dem Ministerium. Dann las er amüsiert, daß in New Orleans die von vielen jungen Hexen aber auch Zauberern lange erhoffte Zweigstelle von Dione Porters Schönheitss- und Pflegemittelvertrieb eröffnet habe. Schmunzelnd mußte er, als er las, daß es während der ersten Verkaufsstunde zu einem kleinen Zwischenfall gekommen sei, weil einige Teilnehmerinnen der Pro-Broomswood-Demonstration das Geschäft besichtigt hätten und sich dabei mit einer Kundin angelegt hätten, die magielose Verteidigungskünste erlernt habe.

"So, ich lass dich jetzt mit Oma Pat alleine, Julius. Die vier anderen Hühner und meine Eltern kommen ja gleich noch. Was ist mit Glorias Eltern?"

"Die schlafen wohl noch. Wollte deine Tante denn auch noch zum Laden, bevor sie mit uns nach Millemerveilles reist?"

"Eigentlich schon, weil wir heute noch was reinkriegen", sagte Melanie. Sie blickte an die Decke und schien sich zu konzentrieren. Dann wiegte sie den Kopf. "Tante Di ist gerade noch im Bad. Sie nimmt ihr Frühstück mit, Oma Pat. Ich disappariere dann schon mal. Kommt gut in Millemerveilles an!" Sagte sie Julius zugewandt. Und nur für seinen Geist empfänglich fügte sie hinzu: "Und lass dich von Britt und Millie nicht zu übereilten Sachen überreden!" Dann winkte sie ihrer Großmutter und Julius zu und disapparierte mit leisem Plopp.

"Die haben mich wegen dieser jungen, törichten Hexe da mit Veritaserum abgefüllt", schnaubte Mrs. Redlief. "Wahrscheinlich haben die das mit allen Patricias von Amerika gemacht."

"Dann auch mit Ms. McDuffy von den Slingshots?" Fragte Julius.

"Zuzutrauen war es Pole. Der war doch so ein Geheimniskrämer."

"Erzählen Sie mir bitte mal was neues", grummelte Julius.

"Verstehe, Julius. Setz dich am besten schon mal hin. Die jungen Dinger vergeuden ja zu viel Zeit mit dem Aussehen als daß sie genug Zeit zum Frühstücken hätten. Du magst Eierkuchen mit Ahornsirup?"

"Oja", bestätigte Julius und hatte ohne großen Übergang einen großen, Goldgelben, verheißungsvoll duftenden Eierpfannkuchen auf dem Teller. Leise Ploppend materialisierte sich rechts daneben eine Schale und ein Löffel. Mrs. Redlief nahm am Fuß des Tisches Platz.

"Du und die rotblonde Enkelin dieser Vielmutter Ursuline, das ist jetzt was ganz ernstes?"

"Sie hat den Besen schon vorbestellt, auf den sie mich heben möchte und auch schon die Erstlingssachen gelagert", antwortete Julius etwas abfällig, weil ihm die Frage zu persönlich vorkam. Aber Millie hätte da ja sofort gesagt, daß sie ihn nun sicher habe und er erst auf ihren Besen und dann zu ihr ins Ehebett wandern würde.

 

"Und du möchtest das auch, daß dieses Mädchen von dir Kinder bekommt?" Fragte Mrs. Redlief.

"Oma Pat, was soll denn die Frage", schnaubte Myrna. "Oder wolltest du ihn eher fragen, ob du von ihm Mutter werden darfst?"

"Myrna, ich finde, du und deine Schwester werdet langsam sehr renitent", knurrte Patricia Redlief. Dann kam Gloria noch hinzu:

"Ich hab's mitgekriegt, Tante Pat, daß du nicht glaubst, daß Julius von dieser tolldreisten Hexe da Kinder haben will. Wo sind Mum und Dad?"

"Deine Mutter geht sofort zu Mel in den Laden und was mit Plinius ist weiß ich nicht", sagte ihre Großtante.

"Haben Brittany und die kleine Mildrid dich geärgert, Glo?" Flötete Myrna.

"Ach komm, hör auf! An und für sich müßte ich Mum einen Heuler schicken, daß sie demnächst nur Hexen über zwanzig in ihre Läden reinläßt. Die haben mich die halbe Nacht damit angenervt, wie praktisch die speziellen Hexenkosmetika seien und was die beiden sich vorstellen könnten, was sie damit so alles hinbekämen. Ich dachte, daß Brittany zumindest schon erwachsen sei."

"Die fängt jetzt an alles auszutesten, was sie in Thorntails nicht durfte", vermutete Julius. Er wollte Gloria nicht auf die Nase binden, daß er auch mit Millie mentiloquieren konnte.

"Ja, toll. Als ich denen gesagt habe, sie würden sich wie unreife Dreizehnjährige benehmen fragte mich diese Gemüsefee Brittany doch glatt, wie viele Kinder ich denn jetzt schon hätte, wenn sie erst Dreizehn sei, und diese Latierre-Göre mußte da natürlich laut drüber lachen. Wundere mich, daß ihr das nicht gehört habt."

"Die Decken schlucken den Schall, Glo. Wenn alle Türen zu sind hört keiner mehr was von oben oder unten", erläuterte Mrs. Redlief. Dann hörten sie ein heiteres Giggeln junger Mädchen vor der Tür, und Brittany und Mildrid traten ein.

"Hey, Gloria, wir wollten doch zusammen eintreten", sagte Britt, bevor sie Mrs. Redlief, Myrna und Julius begrüßte. Dann kam Mildrid noch herein und begrüßte die in diesem Raum älteste Hexe und dann Julius, den sie nach französischer Landessitte umarmte und auf jede Wange küßte.

"Mit euch albernen Gänsen laufe ich doch nicht im Gänsemarsch", knurrte Gloria.

"Oh, haben wir dich arg geärgert?" Fragte Brittany scheinheilig. Millie grinste nur.

"Das Mildrid so gestrickt ist, wo sie erst fünfzehn ist und aus einem Stall freizügiger Hexen und Zauberer kommt bin ich ja gewöhnt. Aber das du, Brittany, die Tochter einer Lehrerin, so schulmädchenhaft rumalbern mußt hat mich doch sehr beunruhigt."

"Ja, und die passende Frage zu deiner Feststellung hast du uns nur mit einem "Blöde Gänse" beantwortet. Und heute morgen hast u so komisch auf Mildrids Rundungen geglotzt, als hättest du sowas nicht selber", erwiderte Brittany. Mrs. Redlief räusperte sich drohend. Doch Gloria fauchte zurück:

"Offenbar meint sie, daß Julius darauf steht. Ich dachte bisher, daß die einzige Rundung, die für ihn wichtig ist über dem Hals sitzt."

 

"Aus dir spricht doch nur der Neid, Gloria", erwiderte Millie schadenfroh grinsend. "Nur weil Brittanys Wasserstrahl-Weckdienst dir gezeigt hat, daß bei mir schon mehr dran ist als bei dir."

"Mädchen, schluß damit, sonst werde ich ernstlich ungemütlich!" bellte Mrs. Redlief. Doch Gloria wollte nicht unverrichteter Dinge aufhören und sagte zu Julius:

"Wußte nicht, daß es dir bei Hexen mittlerweile nur noch auf die Oberweite ankommt."

"Ich sagte, Schluß damit!" Blaffte Mrs. Redlief. Julius sah Glorias Großtante abbittend an und sagte dann:

"Sagen wir's so, im grunde verdanken wir alle diesen Merkmalen unser Leben, von mir über Millie, du, Brittany, Myrna und, bei allem Respekt, auch Sie, Mrs. Redlief." Diese sah ihn erst perplex an, schien dann nachzudenken, was offenbar bei ihrem Alter nicht mehr so schnell ging, weil Brittany, Myrna und Millie schallend loslachten und Gloria erkannte, daß sie sich da gerade ein Eigentor geschossen hatte. Millie schmatzte Julius noch einen Kuß auf die rechte Wange und hauchte ihm ins Ohr: "Jetzt ist die endgültig aus der Bahn, Monju."

"Nun, auch wenn ich eine gewisse Gehässigkeit in dieser Feststellung erkennen muß ist die Aussage als solche korrekt", mußte Mrs. Redlief zugestehen. "Aber jetzt ist ehrlich Schluß, bevor ich euch allen außer Julius noch den Sprechbann verpassen muß. Ist das angekommen?"

"Klar, Oma Pat", erwiderte Myrna. Gloria nickte nur, während Millie trotzig dreinschaute und Brittany so guckte, als habe sie doch überhaupt nichts böses getan. So konnten sie, als die vollständig erwachsenen Redliefs und Mr. Porter noch eintrafen in Ruhe frühstücken und sich über die Themen in den Zeitungen unterhalten. Anschließend genossen sie oben im drehbaren Wintergarten die Aussicht auf das Land drum herum. So gegen viertel vor zwölf kehrte Mrs. Porter aus dem Geschäft zurück. Sie wirkte etwas verärgert.

"Diese frigiden Broomswood-Hexen haben mich und Melanie doch glatt bei der Abteilung für magische Ausbildung und die Behörde für internationalen Handel angezeigt, daß wir jugendgefährdende Waren vertreiben würden, wo ich genau darauf geachtet habe, daß eher für erwachsene Kunden gedachte Artikel nicht von Kindern einzusehen sind. Fazit, der Laden ist bis zur Klärung der Angelegenheit am fünfundzwanzigsten Juli magisch verriegelt. Melanie ist noch bei einem Rechtsbeistand, um die Gegenklage wegen Ruf- und Geschäftsschädigung vorzubereiten. Ich habe ihr gesagt, wenn der Anwalt engagiert ist, solle sie mit nach Millemerveilles kommen. Ich quartiere sie dann bei uns ein, Plinius."

"Das tun wir doch eh", erwiderte Plinius Porter. "Wir haben das Großfamilienzelt ja schließlich auch für Ausflüge mit Glorias Cousinen gekauft. Da wollen wir ja auch Brittany mit reinholen."

"Dann soll die erst mal erwachsen werden, Dad", knurrte Gloria und erzählte ihrer Mutter und ihrem Vater nun was am Morgen gelaufen sei. Die Stimmung ihrer Mutter wurde dadurch zwar nicht besser. Aber sie sagte irgendwann, daß Gloria jetzt eben merke, daß der Kopf nicht das einzige Organ einer Hexe ist, das sich entwickeln würde. Mr. Porter mußte immer wieder hinter vorgehaltener Hand grinsen.

"Was heißt denn bitte frigide?" Fragte Mildrid Mrs. Porter.

"Für körperliche Bedürfnisse unempfänglich oder gefühlskalt, Mildrid. Also im Grunde das entgegengesetzte Charakteristikum deiner Familienangehörigen."

"Das was?" Fragte Mildrid. Julius übersetzte es kurz ins Französische, daß damit das absolute Gegenteil gemeint sei. Sie nickte dann aufrichtig bestätigend. Er fragte dann noch, ob wegen Millies Judo-Nummer noch was nachkäme.

"Dazu wird sich diese Archer nicht herablassen. Dann müßte sie zugeben, einer wildfremden Hexe an den Haaren gezogen zu haben und die sich daraufhin ohne Zauberkraft so gekonnt gewehrt habe", antwortete Glorias Mutter. Millie meinte dann, daß sie im Zweifelsfall bezeugen könnte, daß nur Leute über einem Meter achtzig in die oberen Regale mit den Verblendungen hätten hineinsehen können. Doch Mrs. Porter schüttelte vorsichtig den Kopf.

"Ich habe genug Zeuginnen bei der Hand, die das bestätigen werden, Mildrid. Danke schön für das Angebot."

Melanie apparierte mit lautem Knall im Wintergarten.

"So, Tante Di, die Broomswood-Eishexen kriegen jetzt das Feuer aller Höllen dieser Welt unter den Füßen angemacht. Hypereides Greenwood hat die Angelegenheit übernommen und auch da sogar Handelsrechte hervorgekramt, die dir und mir erlauben, die Produkte zu vertreiben, die die alten Schachteln so auf die Palme gebracht haben. Die Anhörung vor den Leitern vom Handel und von der Ausbildung ist dann am fünfundzwanzigsten Juli."

"Ich fürchte, damit können Pabblenut und Genossinnen ihre Schule endgültig dichtmachen", vermutete Brittany, wobei ein schadenfrohes Grinsen ihr Gesicht erfüllte. Melanie fragte die Porters noch mal, wie lange sie in Millemerveilles blieben.

"Die haben am einundzwanzigsten wieder eine dorfweite Feierlichkeit. Ich denke, wir werden uns da um kurz nach acht wieder empfehlen", antwortete Dione Porter. Dann stiegen sie wieder in den eigentlichen Turm hinunter und holten ihre Sachen aus den Zimmern. Julius mentiloquierte noch rasch an Mildrid, daß sie sich am Besten für die nächsten vierundzwanzig Stunden nicht mit Gloria anlegen möge, wenn Gloria es nicht eindeutig herausfordere. Sie versprach es ihm. Dann verließen sie den Turm, weil der wirklich schmale Kamin im Empfangsraum große Taschen und Besen nicht so ungehindert durchließ. Da alle, die nicht von sich aus apparieren konnten oder durften nun genug Mitnehmer fanden, war es kein großer Akt, in einem einzigen Sprung wieder im Weißrosenweg zu landen, wo der Einreisezauberer Peter Bruckner sie vor dem Tor zum Ausgangskreis erwartete. Er zählte alle durch und fragte Brittany, ob sie den besen nur zur eigenen Verwendung mitnehmen wolle. Sie bestätigte ihm das schriftlich. Dann wurde das Tor geöffnet und die Reisegesellschaft trat in den Ausgangskreis, wo Madame Faucon und Catherine Brickston sie bereits erwarteten.

"Madame Dusoleil hat bereits erwähnt, daß noch drei junge Damen zu uns kommen werden", sagte Madame Faucon durchdringend. "Welche von Ihnen sprechen Französisch?" Außer Gloria und Melanie erhob nur Mrs. Porter die Hand. "Gut, ich gehe davon aus, daß Sie dann immer jemanden zum Übersetzen in Rufweite finden werden, da wir im Moment nicht genug Wechselzungentrank vorrätig haben. Dann machte sie Anstalten, die Reisesphäre aufzurufen. Mels und Myrnas Eltern traten aus dem Kreis zurück und sahen zu, wie ihre Töchter und ihre britischen Verwandten mit ihren Freundinnen und dem Jungzauberer Julius Andrews in einer sonnenuntergangsroten Lichtsphäre verschwanden.

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