Julius sah die Blicke der Mitschüler über seine am kirschrot gedeckten Tisch sitzende Frau streichen. Bisher hatten außer seiner Familie und den engsten Freunden und Bekannten noch keine anderen erfahren, daß Millie sein Kind trug. Auch Sandrine Dumas, die am zitronengelb gedeckten Tisch saß, trug neues Leben, noch dazu Zwillinge. Das bedrückte Gérard Dumas, der zwischen Robert Deloire und André Deckers am grasgrünen Tisch saß. Julius mußte sich beherrschen, mit keiner Regung zu verraten, wie angespannt er war. Heute begann hier in Beauxbatons für Millie und ihn das letzte Schuljahr. Ab heute würde er in einem Zimmer für Nachwuchs erwartende Ehepartner schlafen. Trotzdem trug er die goldene Brosche des Saalsprechers weiter, wie Gérard die silberne des stellvertretenden Saalsprechers trug. Gerade hatte Madame Faucon, die Schulleiterin von Beauxbatons, die Zuteilungszeremonie eröffnet. Dieses Jahr hatte sich niemand als Austauschschüler für Beauxbatons beworben. Doch Julius wußte, daß es ab Oktober mindestens vierundzwanzig vorübergehende Gastschüler geben würde. Das alles versprach, ein höchst interessantes wie anstrengendes Jahr zu werden.
Die ersten zwölf in alphabetischer Reihe der Nachnamen aufgerufenen Jungen und Mädchen liefen über den Teppich der Farben. Wurde dieser einfarbig, zeigte er damit, wo der oder die über ihn schreitende die nächsten sieben Jahre unterkommen würde. Doch die ersten zwölf landeten in allen anderen Sälen, nur nicht dem grasgrünen. Vor allem zwei Muggelstämmig wirkende Jungen, dem Aussehen nach Vettern, landeten im roten Saal, der von Apollo Arbrenoir und Millie Latierre betreut wurde. Als "Berlios, Madeleine" aufgerufen wurde, dachte Julius erst, sie würde wie ihre ein Jahr ältere Schwester Lucine im gelben Saal landen, weil gleich beim ersten Schritt alle Farbtöne außer Gelb und Rot aus dem Teppich verdrängt wurden. Doch als Madeleine nach dem vierten Schritt auf einem vollständig kirschroten Teppich stand und die Signalglocke über Millies Tisch anschlug war es klar, wo sie wirklich hingehörte. Julius sah seiner Frau zu, wie diese die aufrecht einherschreitende madeleine auf halbem Weg zum roten Tisch von der kleinen zaubertranklehrerin Fixus übernahm. Millie konnte gleich stehenbleiben. Denn "Bleulac, Jeannette", ein leicht pummelig wirkendes Mädchen mit blonder Kurzhaarfrisur, wurde bereits nach nur zwei Schritten als neue Bewohnerin des roten Saales eingeläutet.
Weitere neue Beauxbatons-Schülerinnen und -schüler überschritten den Teppich. Einmal sah es knapp danach aus, daß Céline die erste neue Grüne begrüßen gehen durfte. Doch dann verschlangen die weißen Anteile die verbliebenen grünen Farbanteile im Teppich und blieben als einzige Farbe übrig.
"Zu uns will dieses Jahr keiner hin", scherzte Céline Dornier, die in den letzten Wochen noch einmal etwas an Körperlänge und Oberweite zugelegt hatte. Julius grinste und meinte, daß sie mindestens eine neue Schulkameradin würde begrüßen dürfen. "Du spekulierst auf Denise Dusoleil, richtig?" Fragte Céline, während ein weiterer Neueinsteiger über den Teppich schritt und von den Bewohnern der noch als Farbe auswählbaren Häusern angefeuert wurde. "Die waren alle im grünen Saal, Céline, Camille, Florymont, deren Eltern und Geschwister und Camilles und Florymonts Kinder. Würde mich heftig wundern, wenn Denise da anderswo reinkäme", übertönte Julius das rhythmische Klatschen der anderen. Dann stand auch schon fest, daß "de Groot, Michel" in den himmelblauen Saal einziehen würde, was von dessen Bewohnern stürmisch beklatscht wurde.
"Delourdes, Merle!" Rief Madame Faucon die nächste Schülerin auf. Julius betrachtete die neue Mitschülerin. Sie wirkte wie eine Tochter oder Enkelin der Schulgründerin Serena Delourdes, nur daß ihr Haar goldblond war. Dennoch war nicht nur er sich sicher, daß sie wie ihre lebenden Verwandten im zitronengelben Saal landen würde. Um so erstaunter war nicht nur er, als Merle nach Schritt Nummer zehn noch zwischen Gelb, Grün und Rot auswählen konnte. Dann verschwanden die kirschroten Stellen aus dem Teppich. Grün oder Gelb, das war nun zu klären. Merle schwang ihr rechtes Bein vor und setzte den Fuß auf den Teppich. Laut dröhnend schlug die Glocke über dem Tisch an, dessen Farbe soeben als einzige vom Teppich wiedergegeben wurde. Ein Ausruf des Erstaunens klang vom gelben tisch her. Alle anderen sahen verwundert auf das Mädchen, das gerade auf einem vollständig grasgrünen Teppich stand, während die Glocke über dem dazugehörigen Tisch gerade ausklang. Céline wiegte den Kopf. Offenbar hatte sie nicht damit gerechnet, eine Delourdes im grünen Saal begrüßen zu dürfen. Dann stand sie auf und ging der Elfjährigen entgegen, die bereits von Professeur Delamontagne begrüßt wurde. Julius dachte für sich, daß das mit den Nachnamen wohl doch kein Garant für die Zuteilung war.
Hatten die grünen zunächst überhaupt keinen Neuzugang begrüßen dürfen folgten gleich nach merle Delourdes drei weitere, Brigitte Dubois und die Zwillingsschwestern Laure und Lavinie Dulac. Dann durfte Sandrine Dumas ihre Schwester Véronique im gelben Saal begrüßen. Darüber freuten sie sich beide unübersehbar. Danach kam ein spargeldünner Junge mit schwarzer Igelfrisur namens Jean-Luc Dumont, der vom Auftreten und Erstaunen her höchstwahrscheinlich Muggelstämmiger war. Bei der Ankunft in den sonnenuntergangsroten Reisesphären war der neue Erstklässler mit den Schülern aus dem Einzugsgebiet Nizza eingetroffen. Ihn durfte Julius als ersten Jungen der ersten Klasse im grünen Saal abholen. Professeur Delamontagne übergab Julius bei der Gelegenheit auch die beiden Zettel mit dem gültigen Zugangspasswort für die Tür zum grünen Saal. Dann rief Madame Faucon "Dusoleil, Denise!" Céline und Julius blickten noch einmal einander an, während Jean-Luc sich bereits auf einen freien Platz setzte. Denise betrat den Teppich. Sofort verschwanden alle blauen, weißen und violetten Farbanteile. Nach dem zweiten Schritt verschwand auch alles gelbe aus dem Teppich. Dann setzte Denise den linken Fuß zum folgenden Schritt auf den Teppich. Dong! Wieder erscholl die Glocke über dem grasgrünen Tisch. Denn Grasgrün war die nun einzige Farbe des Teppichs. Denise warf erfreut die Arme in die Luft und sprang vom Teppich. Das löste von den Blauen und Roten Lachen und lautes Klatschen aus. Madame Faucon wirkte so, als müsse sie dem sofort Einhalt gebieten. Doch sie sagte kein Wort dazu. Denise nahm Kurs auf den grasgrünen Tisch. Alle daran sitzenden klatschten ihr einladend entgegen. Céline grinste kurz, bevor sie aufstand und die neue Mitschülerin abzuholen. Julius lächelte. Denise war wahrhaftig zu den Grünen gekommen, ähnlich schnell wie er damals. Als Denise an den grünen Tisch herankam trafen sich ihr Blick und der von Julius. Sie strahlte ihn an. Er strahlte zurück.
Nach Denises erfolgreicher Zuteilung schwieg die Glocke über dem Grünen tisch jedoch wieder lange. Erst Martin Lepontier wurde ein Neuzugang im grünen Saal. Dann dauerte es wieder, bis die Drillinge Anne, Berenice und Cécile Monier allesamt dem grünen Saal zugeteilt wurden.
"Odin, Melanie!" Rief Madame Faucon. Denises Cousine betrat den Speisesaal. Julius fühlte die Spannung in sich ansteigen. Er mochte Melanies Mutter nicht und bekam auch von dieser keine Zuneigung. Aber mit Melanie und ihrem großen Bruder Argon war er immer gut ausgekommen. Denise rief ihr zu, zu den Grünen zu kommen. Darauf rief Mayette Latierre vom roten Tisch, daß Melanie besser bei den Roten hinkommen sollte. Madame Faucon klatschte in die Hände und ermahnte die Schülerschaft, die Auswahl nicht durch Zwischenrufe zu verderben. Erst als Melanie auf dem Teppich entlanglief klatschten sie alle wieder. Denn bis Schritt Nummer sieben tat sich überhaupt nichts. Melanie wirkte etwas verstört, weil der Teppich offenbar keine Lust hatte, sie für einen bestimmten Saal auszuwählen. Mayette heizte für die Mädchen im roten Saal die Stimmung an, Babette und Denise für die Mädchen im grünen Saal, während die violetten ebenfalls meinten, Cassiopeia und Emil Odins Tochter als neue Mitbewohnerin begrüßen zu wollen. Schritt Nummer neun veranlaßte den Teppich, alle gelben, blauen und weißen Anteile verschwinden zu lassen. Dann erfolgte Schritt Nummer zehn. Grasgrün und Kirschrot verschlangen alles violette im Teppich. Schritt elf brachte keine Veränderung. Dann, beim letzten möglichen Schritt, wurde der Teppich einfarbig. Die Glocke über dem farbgleich gedeckten Tisch dröhnte laut los. Laute der Verwunderung, Schadenfreude und Belustigung erklangen. Melanie blickte verdattert auf den Teppich unter ihren Füßen. Dieser war vollkommen kirschrot gefärbt. Julius hörte Denises erstaunt klingendes "Häh?!" aus allen Lautäußerungen heraus. "Bitte nehmen Sie an dem für sie ausgewählten Tisch Platz, Mademoiselle Odin!" Drängte Madame Faucon Melanie dazu, den Teppich freizumachen, damit die Auswahl weitergehen konnte. Melanie setzte sich leicht bedröppelt dreinschauend in Bewegung. Professeur Fixus holte sie ab und begleitete sie den halben Weg, bevor Millie die nun sechste neue Mitbewohnerin abholte.
"Argon war bei den Violetten wie seine Maman. Mal sehen, wie die das wegsteckt, daß Melanie bei den Roten gelandet ist", feixte Julius. Er blickte zu Denise und Babette hinüber, die leicht enttäuscht wirkten, doch dann mehr und mehr belustigt grinsten.
Ein pummeliger Junge namens Paul Pontier wurde der dritte Erstklässler der grünen.
"Also wenn wir schon nicht Melanie Odin kriegten könnten wir Celestine Rocher kriegen", meinte Julius leise zu Céline, als er sich wieder zu ihr gesetzt hatte.
"Neun Mädchen, da müssen die aber den Mädchenschlafsaal für Erstklässler vergrößern", erwiderte Céline. Als dann die bereits ziemlich mollige Celestine Rocher über den Teppich lief war jedoch nach bereits vier Schritten klar, daß sie Millies siebte neue Mitbewohnerin sein würde.
Jetzt warteten nur noch sechs Mädchen und neun Jungen im runden Warteraum neben dem Speisesaal. Davon landeten drei Mädchen und vier Jungen bei den weißen, die nun vierzehn Neuzugänge hatten, ein Mädchen und zwei Jungen bei den Blauen, die nun zwölf Neuzugänge begrüßen durften und ein Mädchen und zwei Jungen im violetten Saal, der damit zehn Erstklässler beherbergen durfte.
"Trichet, Angelique!" Rief Madame Faucon das verbliebene Mädchen in den Speisesaal. Angelique war für ihre wohl elf Jahre schon hochgewachsen, besaß schwarzes Lockenhaar und dunkelgrüne Augen. Julius meinte einen Moment, eine dunkelhaarige Ausgabe seiner früheren Schulkameradin Gloria Porter zu sehen. Doch die lange, aufwärts gerichtete Nase des Mädchens zeigte, daß sie nicht mit den Porters, Crafts oder Redliefs verwandt war. Sie ging ruhig auf dem Teppich der Farben entlang. Erst beim vierten Schritt verschwanden zwei der sechs Farben. Sie würde nicht zu den Violetten und auch nicht zu den Blauen kommen. Nach Schritt sieben stand auch fest, daß sie keine Weiße werden würde. Nach Schritt neun wußte Sandrine, daß sie heute keine neue Mitschülerin mehr im gelben Saal begrüßen mußte. Nach schritt elf schließlich durfte Céline wieder aufstehen, um die nun neunte neue Mitbewohnerin abholen zu gehen.
"Trichet, Brian!" Rief Madame Faucon den einzigen noch unzugeteilten Erstklässler in den Saal hinein. Julius sah sofort, daß der Junge ein Bruder Angeliques war und nicht ihr Vetter. Allerdings wußte Julius nicht, ob Brian ein Zwillingsbruder war oder ein Jahr vor oder nach Angelique geboren worden war. Er kannte die Schulregeln, nachdem ein Neueinsteiger vor dem ersten August eines Jahres das elfte Lebensjahr vollendet haben mußte, um eingeschult zu werden. Als Brian dann nach nur fünf Schritten der vierte Junge im Erstklässlerschlafsaal der Grünen wurde nahm sich Julius vor, ihn danach zu fragen.
Als die Auswahl geschafft war begann das Abendessen. Die alten und neuen Schüler tauschten ihre Ferienerlebnisse aus. Natürlich war die Quidditchweltmeisterschaft in Millemerveilles das vorherrschende Thema, vor allem was Julius als Besucherbetreuer so erlebt hatte. Zumindest konnte er so bis auf weiteres zurückhalten, daß Millie und er schon auf Nachwuchs warteten. Gérard wußte das zwar schon, hatte aber seine Gründe, nicht von sich aus davon anzufangen. Denn dann hätte Julius ihn gleich darauf anspitzen können, von der Cocktailparty auf Martinique zu berichten, an der Gérard und Sandrine teilgenommen hatten. Gérard erzählte jedoch auch so genug von der Hochzeit und den Flitterwochen auf der Karibikinsel, die zu den französischen Überseebesitzungen gehörte. André Deckers kam jedoch am Ende darauf, Julius zu fragen, ob er noch im Schlafsaal der Grünen übernachten würde. Julius erwiderte darauf:
"Madame Faucon hat mich gebeten, ihr zu überlassen, das zu sagen, ob ja oder ob nein."
"Häh? Dann hat der Regenbogenvogel echt schon bei euch angeklopft?" Fragte André verwegen grinsend. Julius ließ sich nicht anmerken, ob André recht hatte oder nicht. Er sagte darauf nur:
"Hmm, ob der Vogel klopft weiß ich nicht. Werde meine Frau fragen, wenn ich näher als drei Meter an sie herantreten darf." Gérard grinste darüber. Robert verzog das Gesicht und erwiderte.
"Die hätten dich nicht hierher zurückgelassen, wenn du den Latierres nicht den nächsten Schreihals auf den Weg gebracht hättest."
"Nur kein Neid", feixte André an Roberts Adresse. "Das hast du gerade nötig", knurrte Robert Deloire zur Antwort. Julius deutete auf die goldene Brosche. Als habe er die beiden Klassenkameraden damit auf Pause gestellt verhielten die beiden im aufkommenden Streit.
"Also, Millie und ich sind immer noch hauptamtliche Saalsprecher geblieben", sagte Julius. "mehr müßt ihr bis zur Bettgehzeit nicht wissen."
"Eh, schon gehört, daß UTZ-Schüler bis zwölf aufbleiben dürfen?" Fragte André. Julius grinste und erwiderte, daß er das schon in der dritten Klasse mitbekommen habe.
"Wenn die uns in dem Jahr noch heftiger rannehmen als im letzten muß ich aber nicht solange aufbleiben", grummelte Robert. "André mit seinen wenigen Fächern kann dann gerne die Geisterstunde einläuten. Aber seid ja leise, wenn ihr den ins Bett bringt und ich da schon liegen sollte!"
"Ich könnte was drauf antworten. Aber ich mußte meinem Papa versprechen, möglichst lange mit dem Einsammeln von Strafpunkten zu warten", knurrte André.
"Dann denk bitte erst nach, bevor du irgendwas von dir gibst", grummelte Gérard. André und Robert wunderten sich, wie empfindlich Gérard reagierte, während Julius ganz gelassen blieb. Robert meinte dann: "Haben deine Schwiegereltern dir einen Batzen Pergament auf die Füße fallen lassen, wo draufsteht, was du mit Sandrine alles anstellen darfst oder hast du jetzt schon die Nase vom Verheiratetsein voll, Gérard?"
"Paß auf, daß ich dir keine Respektlosigkeitsstrafpunkte verpasse", knurrte Gérard. Julius winkte ab und sagte:
"Robert, André, Gérard und ich haben uns darauf geeinigt, jede ansatzweise unverschämte, ja strohdumme Bemerkung über ihn, mich oder unsere Frauen mit je fünfzig Strafpunkten zu bedenken. Deshalb kann ich in Ruhe warten, bis einer von euch beiden so dumm ist, das auszuprobieren. Gérard wollte zwar mit mir wetten, wer von euch beiden die ersten Strafpunkte einsammelt. Aber wetten dürfen wir ja nicht mehr, vor allem, wenn dabei andere Mitschüler mit einbezogen werden." Das wirkte. Die beiden Mitschüler sahen sich mit einer Mischung aus Belauern und Betretenheit an, unterließen aber weitere abschätzige Bemerkungen. Um die Stimmung wieder zu entspannen erzählte Julius noch von seiner Reise nach Viento del Sol, wo er den Auftakt der Quodpot-Saison mitverfolgt hatte. Da seine Schulkameraden ja Brittany und Venus kennengelernt hatten interessierte es sie, daß deren Mannschaft den Auftakt geschafft hatte.
"Dafür dürfen wir wohl dieses Jahr kein Quidditch spielen", meinte Robert. André kicherte und meinte, daß Robert doch nie selbst auf einen Rennbesen gehüpft sei.
"Ja, aber den Pokal hätte ich doch gerne noch mal grün werden sehen, wo die kleine, runde Duisenberg uns das im letzten Jahr im Endspiel versaut hat", knurrte Robert.
"Julius und deine Süße hätten einfach nur sieben Tore mehr schießen müssen", konterte André. Julius erwiderte darauf, daß es ja fast auch geklappt hätte und das im Sport eben so sei, wie die Weltmeisterschaft ja auch klar gezeigt habe.
"Die jüngste von den Dusoleils hat erst total bedröppelt geglotzt, weil deren Cousine zu den Roten gekommen ist und dann gegrinst. Glaubst du, da kommt noch was nach?" fragte Robert Julius.
"Melanies Mutter ist schräg drauf und könnte meinen, ihre Tochter hätte sich zu Millie und den anderen Latierres in den Saal gewünscht. Aber die wird wohl keinen Heuler schicken. Die wird ihr höchstens schreiben, sich von den neuen Mitschülerinnen keine ihrer damenhaften Umgebung unpassenden Sachen beibringen zu lassen", erwiderte Julius darauf.
"Zum Beispiel beim Apparieren nicht die Klamotten vom Körper zu verlieren?" Fragte André spitzbübisch grinsend. Julius mußte darüber auch grinsen. Zu gut erinnerte er sich noch, daß auch er eine gewisse Schadenfreude gefühlt hatte, als Melanies Mutter nach dem Abschied von Claires Körper versucht hatte, direkt aus Millemerveilles zu disapparieren und dabei komplett unbekleidet wieder aufgetaucht war.
"Jetzt hat Millie diese Odin am Hals", meinte Robert. "Ich habe schon befürchtet, die käme zu uns, und Céline müßte sich dann mit deren Eltern rumkriegen."
"Millie packt das locker weg. Die nimmt Melanies Mutter nicht für voll", erwiderte Julius darauf. Seine Mitschüler grinsten. Dann fiel André ein, daß er besser noch was essen sollte. Die Idee übernahmen auch die anderen Siebtklässler.
Nach dem mehrgängigen Festessen zur Begrüßung des neuen Schuljahres und der neuen Erstklässler erhob sich Madame Faucon, die heute ein hellblaues Satinkleid trug und klatschte in die Hände. Alle Schüler sprangen auf, nur nicht die, die heute neu dazugekommen waren. "Behalten Sie Platz!" gebot die Schulleiterin mit ruhiger Stimme. Sie wartete, bis alle wieder saßen und fuhr fort: "Ein neues Schuljahr, Mesdames, Messieurs et Mesdemoiselles, ist immer wieder ein neuer Anfang. Sicher, jene, die bereits mehr als ein Jahr in den ehrwürdigen Mauern Beauxbatons zubringen durften sehen im Schuljahresbeginn immer eine gewisse Fortsetzung und Wiederholung von bereits erlebten Ereignissen, wie gerade eben die Zuteilung der neuen Erstklässler. Aber gerade bei soetwas können auch immer neue Umstände eintreten, welche jedes Schuljahr für sich immer wieder neu und einzigartig machen. Was die Damenschlafsäle der Säle Rot, Grün und Gelb, sowie die Herrenschlafsäle der Säle Violett, Blau, Weiß und Rot angeht, so müssen Monsieur Bertillon und unsere guten Schulbediensteten rasch umplanen, weil in einen Schlafsaal gerade sechs Personen hineinpassen. Daher werden in die erwähnten Schlafsäle Etagenbetten und Rauminhaltsvergrößerte Kleider- und Nachtschränke eingestellt, um die zusätzliche Belegung zu verkraften." Verhaltenes Murren klang auf, wohl weil sich einige fragten, ob sie in so vollen Schlafsälen wohnen wollten. Einer der Erstklässler aus dem roten Saal wagte es dazwischenzurufen: "Wie bei meinem Vater in der Kaserne!" Das löste bei allen Muggelstämmigen der Säle Rot, Blau, Grün und Violett lautes Lachen aus. Madame Faucon sah den Zwischenrufer mit ihren saphirblauen Augen sehr genau an und sagte: "Sie sind nicht der erste, der Beauxbatons mit den Quartieren von Militärangehörigen vergleicht, Monsieur Gilbert. Ich überlasse es Ihnen, die Unterschiede zwischen unserer Lehranstalt und einer Garnison herauszufinden und verzichte dieses Mal auf die Zuteilung von Unterbrechungsstrafpunkten. Ich habe nämlich wichtige Ankündigungen zu machen, die meine Zeit genug beanspruchen." Verhaltenes Grummeln und Kichern war die Antwort. Dann setzte die Schulleiterin ihre Ansprache fort. "Wie erwähnt bringt jedes Schuljahr Neuerungen in scheinbar längst bekannte und ständig wiederkehrende Abläufe. Neben der Begrüßung neuer Erstklässlerinnen und Erstklässler sind dies in diesem Jahr noch zwei wesentliche Dinge." Sie machte eine rhetorische Pause und wartete, bis alle mit zum Anschlag gespitzten Ohren dasaßen. "In diesem Schuljahr wird es kein Quidditchturnier geben. Wie viele von Ihnen wohl schon den beiden Zaubererweltzeitungen Frankreichs entnehmen durften wurde nach langwieriger Beratung zwischen den interessierten Zaubereiministerien vereinbart, noch einmal ein trimagisches Turnier auszutragen. Nachdem trotz der nachweislichen Manipulation was die Teilnahme des seinerzeit in Hogwarts lernenden Schülers Harry Potter und den gewaltsamen Tod seines Schulkameraden Cedric Diggory angeht befunden wurde, den Turnierausgang gelten zu lassen wurde vereinbart, es erneut stattfinden zu lassen, um den Ruch der unzulässigen Eingriffe abzuschütteln. Für jene, die noch nicht wissen, worum es sich bei diesem Wettstreit handelt: Früher war es üblich, daß Europas älteste Schulen für Magie alle fünf Jahre einen über drei Runden gehenden Wettkampf bestritten. Die Schulen waren die britische Schule Hogwarts, das für Ost- und Nordeuropa eintretende Durmstrang-Institut für angewandte Magie und Alchemie und unsere altehrwürdige Beauxbatons-Akademie für französischsprachige Hexen und Zauberer. Allerdings kam es im Verlauf der Wettkämpfe immer wieder zu tödlichen Unfällen. Dies führte dazu, daß vor mehreren Jahrhunderten die Ausrichtung des Turnieres ausgesetzt wurde, bis anspruchsvolle Aufgaben mit verringertem Todesrisiko möglich wurden. Das letzte Turnier fand in der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei in Großbritannien statt. Das war im Schuljahr 1994/1995. Allerdings kam es dabei zu einer Manipulation der Teilnehmerauswahl, so daß der damalige Schüler Harry Potter trotz ergriffener Altersbeschränkungsmaßnahmen als zweiter Teilnehmer seiner Schule erwählt wurde. Trotz der im Nachhinein aufgedeckten Manipulation und die düsteren Beweggründe, Monsieur Potter zur Turnierteilnahme zu veranlassen befanden die zuständigen Zaubereiministerien und die beteiligten Schulleiter, daß der Turnierausgang kein Grund sei, es nicht wieder in regelmäßigen Abständen stattfinden zu lassen. Allerdings verweigerte der Schulleiter des Durmstrang-Institutes, Professor Ischtvan Radulescu eine neuerliche Teilnahme seiner Lehranstalt und schlug auch das Angebot aus, das kommende Turnier selbst auszurichten. Dafür wurde die Idee eines europäischen Zauberschulturniers erwogen, bei dem mindestens drei, maximal sechs Lehranstalten beteiligt werden könnten, um am Ende ein Interkontinentalturnier zu ermöglichen, bei dem auch amerikanische, afrikanische und asiatische Zauberschulen teilnehmen können. Um die Möglichkeit für ein derartiges Turnier auszuloten wurde mit Einverständnis der Schulleitung und der zuständigen Abteilungen für magische Spiele und Sportarten beschlossen, daß die Zaubererschule Burg Greifennest für deutschsprachige Hexen und Zauberer für Durmstrang einspringen möge, um zumindest einmal ein trimagisches Turnier nach bewährter Ausrichtung stattfinden zu lassen. Gemäß der alten Regularien wechselt der Austragungsort in der Richtung des Sonnenlaufes. Da das vorletzte Turnier in Beauxbatons stattfand und das letzte in Hogwarts hätte diesesmal Durmstrang die Beherbergung der Teilnahmeinteressierten und Ausstattung der Wettkampfaufgaben übernehmen müssen. Da Durmstrang sich jedoch nicht nur wegen der Unregelmäßigkeiten des letzten Turnieres die Teilnahme verweigert und Greifennest nördlicher von Beauxbatons liegt fiel die Ausrichtung des Turniers nun an unsere Schule. Deshalb haben wir in diesem Jahr die große Ehre und Freude, Ausrichter des trimagischen Turnieres zu sein, das als wohl endgültig letztes Turnier in der bisherigen Ausprägung stattfindet. Es beginnt offiziell am einunddreißigsten Oktober dieses Jahres mit der Ankunft der Teilnahmekandidaten aus Hogwarts und Greifennest." Die Schüler setzten schon an, was zu flüstern oder zu raunen. Doch Madame Faucons unerbittlich über alle hinwegstreichender Blick mahnte alle zur Ruhe. "Am ersten November findet im Beisein der Leiter der teilnehmenden Lehranstalten die Auswahl jedes Teilnehmers statt. Interessierte Schülerinnen und Schüler müssen folgende Bedingungen erfüllen: Sie müssen mindestens siebzehn vollendete Lebensjahre alt sein und aus freien Stücken zur Teilnahme am Turnier entschlossen sein. Zudem darf es keinerlei heilkundlichen Einwand gegen ihre Teilnahme geben. Letzte Bedingung bezieht sich vor allem auf interessierte junge Hexen. Denn wenn eine Hexe ein Kind erwartet oder darauf ausgeht, in den Ferien eines zu empfangen, verwirkt sie ihr Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper bis zur erfolgreichen Entwöhnung des Kindes. diese Ankündigung mache ich deshalb, weil jeder, der oder die sich zur Teilnahme entschließt und ausgewählt wird, einen bindenden magischen Vertrag schließt, von Beginn bis zum Ende teilzunehmen. Das war ja auch der Grund, warum Monsieur Harry Potter damals trotz ruchbarer Beeinflussung der Auswahl durch einen ihm unbekannten zur Teilnahme gezwungen war. Bitte merken Sie sich deshalb gut, daß Sie nur als volljährige Schülerinnen und Schüler an der Auswahl teilnehmen dürfen. Näheres zur Auswahl bei Turnierbeginn." Alle sahen Millie Latierre und Sandrine an, die einzigen, von denen es nun alle wußten, daß sie bereits verheiratet waren. Das nahm Madame Faucon zum Anlaß, die zweite wichtige Neuerung dieses Jahres zu erläutern.
"Ich erwähnte zwei den üblichen Ablauf abändernde Dinge in diesem Jahr. Das eine ist das hier stattfindende trimagische Turnier und der damit verbundene Wegfall des diesjährigen Schulquidditchturnieres. Die zweite Besonderheit in diesem Jahr betrifft die Schüler des kirschroten, grasgrünen und zitronengelben Saales." Alle blickten sofort auf Millie und Julius Latierre und dann auf Sandrine und Gérard Dumas. "Wir vom Lehrkörper von Beauxbatons erfuhren von der hiesigen Heilerin Madame Rossignol, daß die bereits vor dem Schulabschluß einander angetrauten Eheleute Dumas und Latierre in den heute zu Ende gegangenen Schulferien erfolgreich auf kommenden Nachwuchs hingewirkt haben." Unverzüglich setzte lautes Tuscheln ein. Die Blicke der bisher uneingeweihten wirbelten zu Sandrine und Millie. Offenbar wollten alle sehen, ob von den angekündigten Kindern schon was zu sehen war. Madame Faucon ließ das wilde Tuscheln eine halbe Minute lang vorhalten. Dann gebot sie erneut Ruhe und sprach weiter. " Da die dazu nötigen Handlungen innerhalb von Beauxbatons unerwünscht sind und die beiden Ehepaare deshalb wohl die ihnen verbleibende Freizeit ausnutzen wollten, müssen wir gemäß den Sonderregeln für Schülerinnen, die nach Vollendung des siebzehnten Lebensjahres heirateten und von ihren Angetrauten ein Kind empfingen, ihnen und ihren Angetrauten von den übrigen Schlafsälen abgeschiedene Übernachtungsräume anweisen, um die im Verlauf einer erfolgreich angetretenen Schwangerschaft anfallenden Begleiterscheinungen nicht über Gebühr auf die Aufmerksamkeit und Nachtruhe der Mitschüler einwirken zu lassen. Die Sonderregel wurde von den Gründern der Beauxbatons-Akademie verfügt, um damals übliche junge Ehepaare weiterhin auszubilden. Natürlich ist diese Eröffnung für Sie alle wie für mich eine einschneidende Mitteilung, und es wird unter Ihnen welche geben, die mit unterschiedlichsten Gefühlen damit umgehen. Auch deshalb werden Madame und Monsieur Dumas sowie Madame und Monsieur Latierre gesonderte Unterbringungen erhalten. Da jedoch sowohl Madame Dumas, Madame Latierre, Monsieur Dumas und Monsieur Latierre Sprecherinnen und Sprecher ihrer Säle sind habe ich im Einvernehmen mit den Kollegen Delamontagne, Fixus und Paximus folgendes beschlossen: Die erwähnten Eheleute bleiben weiterhin hauptamtliche oder stellvertretende Sprecher ihrer Wohnsäle, auch und vor allem, um ihren Mitschülern zu demonstrieren, daß die Vorbereitung auf eine Elternschaft kein Grund zur Rückstufung ist, sofern es sich bei den erwarteten Kindern um ehelich in den Ferien empfangene Kinder handelt. Sicher werden Sie jetzt einwerfen, daß Saalsprecherinnen und Saalsprecher in den von ihnen betreuten Sälen zu übernachten haben sollten. Dem halte ich nach Studium der bereits geschehenen Fälle dieser Art entgegen, daß es gewisse Möglichkeiten gibt, für die betreffenden Saalsprecher schnelle Zugangswege zu den von ihnen betreuten Sälen einzurichten. Jene, die schon mehr als ein Jahr unter diesem Dach zugebracht haben wissen, daß es magische Mittel gibt, Wege abzukürzen und sicherzustellen, daß nur zur Abkürzung der Wege berechtigte diese Vorrechte nutzen können. Bei den bisher wenigen Fällen wo eine schwangere Saalsprecherin ihre Aufgaben wahrzunehmen hatte wurde ein magisches Tor eingerichtet, daß nur die Trägerin der goldenen Brosche passieren ließ. Handelte es sich gar um eine Schülerin, die zur Hilfstruppe der Schulheilerin gehörte, ergab sich eine derartige Möglichkeit schon aus ihren mit dieser Tätigkeit einhergehenden Rechte, Pflichten und Möglichkeiten. Insofern können Monsieur Dumas und Monsieur Latierre ihre Aufgaben als Saalsprecher weiterhin wahrnehmen, da Monsieur Latierre Mitglied erwähnter Truppe aus heilmagisch vorgebildeten Schülerinnen und Schüler ist und Monsieur Dumas nach Erfüllung aller täglich anfallenden Aufgaben über das den Pflegehelfern verfügbare Wegesystem mitnehmen darf. Näheres dazu erfahren Sie, Monsieur Dumas und Monsieur Latierre heute Abend noch von Madame Rossignol persönlich. Da Madame Dumas und Madame Latierre ebenfalls Mitglieder der Pflegehelfertruppe sind verfügen diese ebenfalls bereits über eine Möglichkeit, ohne Zeitverlust die von ihnen betreuten Säle aufzusuchen oder zu verlassen. Es besteht jedoch die allen hauptamtlichen Saalsprechern gewährte Möglichkeit, einen Teil anfallender Aufgaben an die stellvertretenden Saalsprecher abzugeben, allerdings nur in einem bestimmten Rahmen, über dessen Gestaltung Sie sich mit Ihren Stellvertreterinnen und den Ihren Sälen hauptverantwortlich zugeteilten Kollegen aus dem Lehrkörper abzustimmen haben. Dies müssen Sie nicht gleich heute abend tun, sollten es jedoch bis zur Einberufung der ersten Saalsprecherzusammenkunft dieses Schuljahres verbindlich und für das ganze Jahr gültig geregelt haben. Wie erwähnt behalten die Eheleute Dumas und Latierre ihre Zuteilung als Saalsprecher mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten. Über die Unterbringung und weitere nur die betroffenen berührende Einzelheiten wird Schulheilerin Rossignol Sie heute Abend noch unterrichten, Messieurs Dumas und Latierre." Wieder setzte wildes Raunen und Tuscheln an. Robert sah Gérard mit einem Ausdruck der Bestürzung an, während André Julius überlegen angrinste und Gérard mit bedauerndem Blick bedachte.
"Wer hat da so laut getönt, erst mal mit Beaux durchzusein, bevor er Kinder in die Welt setzt?" Fragte Robert Gérard. "Oder willst du jetzt behaupten, Sandrine hätte dir was ins Essen getan, um sich in aller Gemütsruhe von dir das zu holen, was der mann der Frau zu geben hat, damit sie ein Kind kriegt?"
"Klar, Robert, wo du ja schon seit Jahren drauf scharf bist, mit Céline mal ganz eng zusammenzufinden", knurrte Gérard. André feixte:
"Wolltest Julius nicht als einzigen UTZ-Papi rauskommen lassen, wie, Gérard?"
"Genau deshalb haben Julius und ich das mit den fünfzig Strafpunkten für Lästersprüche vereinbart", sagte Gérard. "Gratulation, Monsieur Deckers, Sie bekommen als erster diese fünfzig Strafpunkte wegen anzüglicher Bemerkung gegen zwei Saalsprecher und Respektlosigkeit gegenüber zweier Saalsprecher."
"Nur zwei?" Tönte André, dem das im Moment wohl egal war, mal gleich mit fünfzig Strafpunkten ins neue Schuljahr zu gehen. Er sah Julius an. Dieser blieb ruhig. Dann sagte er:
"Stimmt, Gérard bezog das wohl nur auf Millie und mich, daß er dir Strafpunkte gab. Hättest du ihn mitbeleidigt hätte er dir glatt hundert verpassen müssen, weil du ja dann vier Saalsprecher zugleich verächtlich geredet hast." Gérard verzog das Gesicht. André fiel die Kinnlade herunter, während Robert schadenfroh grinste. Gerard wiegte den Kopf. Dann sagte er: "Werde ich mit Julius noch abstimmen, ob jeder abfällige Vergleich zwischen ihm und mir gleich hundert Strafpunkte setzt." André fand diese Idee absolut nicht gut. Er fiel fast in sich zusammen.
"Ja, aber die Frage ist ja doch erlaubt, wie ihr eure meinung geändert habt, Gérard", wandte Robert ein. "Daß Millie Julius nicht mehr nach Beauxbatons läßt, bevor sie von ihm ein Kind zu Tragen bekommen hat war ja klar. Aber wieso haben Sandrine und du eure Meinung geändert. Oder habt ihr nicht gut genug aufgepaßt? Die Frage darf ich wohl stellen."
"Stellen ja. Aber eine Antwort kriegst du nicht darauf, weil das nur Sandrine und mich was angeht", erwiderte Gérard sichtlich gereizt. "Nehmt es einfach mal hin, daß Sandrine und ich auch in diesem Jahr ein Ehepaarzimmer kriegen. Mehr muß euch nicht kümmern, solange ihr nicht selbst auf eigene Kinder ausgeht."
"Aha, also hat Sandrine dich dabeigekriegt, weil sie Millie die Schau stehlen wollte", feixte André. Professeur Delamontagne kam in diesem Moment an den grünen Tisch. Julius bemerkte es und sagte leise: "Offenbar möchtest du morgen schon die Schule putzen, André. Weil Sie Madame Latierre, Madame Dumas, Monsieur Dumas und mich gleichzeitig verächtlich bezeichnet haben, erhalten Sie einhundert Strafpunkte, Monsieur André Deckers."
"Eh, so läuft das nicht, nur weil ihr offenbar vor lauter Bettgehopse keinen Spaß mehr abkönnt", schnaubte André. Da merkte er, daß der Saalvorsteher persönlich in Hörweite war. Dieser hatte Andrés letzte Bemerkung mitbekommen und bat mit unüberhörbarer Strenge um eine genaue Schilderung, warum André so viele Strafpunkte erhalten hatte. Als er wußte, was er wissen wollte sagte er zu André: "Dann muß ich Ihnen noch einmal hundert Strafpunkte zuteilen, Monsieur Deckers und erlege Ihnen auch gleich die Verpflichtung auf, ab morgen Nachmittag an vierzehn Tage Monsieur Bertillon bei der Säuberung der Gänge und öffentlichen Räume des Palastes zu assistieren, ohne Benutzung des Zauberstabes versteht sich. Sie können froh sein, daß Ihre Vorjahresleistungen Ihnen ein ausreichend großes Bonuspunktekonto beschert haben. Ihren Disziplinarquotienten dürften Sie jedoch für's erste verdorben haben."
"Habe verstanden, Professeur Delamontagne", grummelte André. Robert mußte hinter vorgehaltener Hand grinsen. Zwar störte es ihn auch, daß Gérard nun Sonderrechte genoß und daß er offenbar schnell vergessen hatte, was er vor den Ferien noch gesagt hatte. Doch es bestätigte auch, daß Céline und er richtig entschieden hatten, nicht vor den UTZs zu heiraten.
Julius sah sich um und konnte Professeur Fixus sehen, die bei Millie und Leonie am roten Tisch stand, sowie Professeur Paximus, der bei Sandrine am gelben Tisch stand. Millies Klassenkameradinnen blickten sie mit unterschiedlichsten Regungen an. Caroline sah sie schadenfroh an. Leonie blickte sie mit gewissem Neid an. Sandrines Klassenkameradinnen wirkten eher so, als freuten sie sich für die schwangere Mitschülerin. Julius fühlte, wie angespannt Millie war, bekam aber auch ihre Entschlossenheit mit. Die beiden Herzanhänger übertrugen ihm ihre und ihr seine wortlosen Regungen. Das würde sicher noch schwer, wenn Millies Gefühlsbalance auf Grund der körperlichen Umstellung aus dem Ruder lief. Seine Schwiegertante Béatrice hatte ihn gewarnt.
"Super, gleich ab morgen für zwei Wochen Gänge schrubben", knurrte André. Robert meinte dazu: "Dann kannst du zumindest im Kopf behalten, wo welcher Gang hinführt, André."
"Da ist das letzte Wort noch nicht drüber gesprochen", knurrte André. Julius sagte deshalb sofort:
"Gérard und ich haben euch zwei vorgewarnt. Ihr könnt das auch gerne den anderen Jungs und Mädchen aus dem grünen Saal sagen."
"Den Rausschmiß werdet ihr ja wohl nicht riskieren", sagte Gérard mit prüfendem Blick auf André und Robert.
"Ich laß mir einen Termin bei Königin Blanche geben und klär das mit der, ob das echt so laufen darf. Ich habe weder dir noch Julius gesagt, eure Angetrauten bereits vor den UTZs schwanger zu machen, eh!"
"Das wäre es auch, wenn wir deine Genehmigung dazu bräuchten", feixte Robert, der eigentlich nicht gemeint war. Das sagte Julius ihm auch und stellte ihm Strafpunkte in Aussicht, wenn er André mutwillig zu weiteren Ausrutschern anstachelte. Robert funkelte Julius an. Dieser blickte ihn so entschlossen an, daß Robert fast von seinem Stuhl fiel, weil er dem tief in ihn eindringenden Blick hastig auszuweichen versuchte. Julius beließ es bei dieser wortlosen Warnung.
Wenn sich die Gemüter nun beruhigt haben und vorerst alle Fragen geklärt sind möchte ich nun alle Saalsprecherinnen und Saalsprecher darum bitten, den heute in ihren Sälen eingezogenen Schülerinnen und Schülern die für jeden zugänglichen Räumlichkeiten und Wege zu zeigen und sie bei der Gelegenheit auch mit unserer Schulheilerin Madame Rossignol bekanntzumachen", schnitt Madame Faucons Stimme in das immer noch wilde Gemurmel an den Tischen ein. Julius nickte der Schulleiterin zu und erhob sich zusammen mit Gérard. Er winkte den vier Jungen der ersten Klasse zu und gab Gérard den Zettel mit dem Passwort.
"So, die jungen Herren, ich darf euch jetzt durch den Palast führen und euch die wichtigen Räume und Gänge zeigen", sagte Julius und stellte sich noch einmal vor, obwohl seine Brosche ja weithin lesbar auswies, wer er war. Brian Trichet grinste und fragte: "Echt, Sie haben in den Ferien ein Baby gemacht?"
"Erstaunlich, wie?" Fragte Julius. "Dabei hatten meine Frau und ich wegen der Quidditch-Weltmeisterschaft und deswegen bei uns wohnender Hausgäste viel um die Ohren." Die vier Jungen lachten. Martin Lepontier meinte dazu:
"Meine Eltern haben gesagt, daß das, was den Regenbogenvogel ruft, hier in Beaux nicht erlaubt ist und sie deshalb mal wen rausgeworfen haben, weil er das hier gemacht hat."
"Zum einen, weil der mit dem Mädchen nicht verheiratet war und zum anderen weil beide da noch zu jung waren, um selbst ein Kind großziehen zu dürfen. Also merkt euch das besser mal gleich", erwiderte Julius. Mit unausgegorenen Jungen, die noch nicht mal einen Flaumbart im Gesicht hatten konnte er da lockerer umspringen als mit knapp zwischen Junge und Mann festhängenden Typen wie André und Robert. Jean-luc Dumont fragte Julius, ob das mit dem Regenbogenvogel so sei wie mit dem Klapperstorch. Julius bestätigte das. Dann trieb er die vier Elfjährigen zum Ausmarsch aus dem Speisesaal an.
Er führte sie zunächst zum Sprechzimmer von Professeur Delamontagne und machte die vier mit ihm bekannt. Jean-Luc fragte, ob sie in Delamontagnes Fach auch lernten, wie man Dämonen vernichtete.
"Dazu lernen Sie natürlich erst einmal, was in der echten Zaubererwelt als Dämon bezeichnet wird und ob es sich dabei um reine Tierwesen handelt oder um intelligente, vorausplanende Geschöpfe, die Ihnen übel mitspielen können. Das aber auch gleich als Einstieg für den Unterricht: Am Meisten müssen Sie sich vor der Wut und den bösen Taten magischer Mitmenschen schützen. Bösartige Zauberei ist das gefährlichste, mit dem Sie in Ihrem heute beginnenden Leben als Zauberer zu tun haben werden. Monsieur Latierre wird Ihnen das sicher bestätigen." Julius nickte.
"Meine Oma hat mir ein Silberkreuz geschenkt, als ich sieben wurde. Aber die hält Hexen und Zauberer für Teufelsanbeter", meinte Jean-Luc und holte das religiöse Schmuckstück hervor.
"Daran dürfen Sie erkennen, daß ein Symbol ohne magische Beschwörung alleine nicht ausreicht, abgesehen davon, daß Sie dann ja schon selbst einer vernichtenden oder austreibenden Wirkung ausgeliefert wären, wenn das mit den Satansanbetern und ihrer Allergie gegen religiöse Symbole zutrifft, wobei das Kreuz an sich kein einzig christliches Symbol darstellt. Danke für diese Inspiration, meine erste Unterrichtsstunde vorzubereiten, Monsieur Dumont. Stecken Sie Ihr Kruzifix bitte wieder fort. Das offene Tragen religiöser Symbole ist in Beauxbatons nicht gerne gesehen, da hier auch Schüler unterrichtet werden, die aus muslimischen, afrikanischen, druidischen und jüdischen Familien stammen und wir deshalb keiner Religion den Vorzug geben dürfen." Jean-Luc nickte und ließ das silberne Kreuz wieder unter seinem Umhang verschwinden. Professeur Delamontagne sah Julius an und fragte ihn, ob Madame Rossignol schon mit ihm Kontakt aufgenommen habe.
"Ja, hat sie. Ich bin mit Gérard nach Saalschluß mit ihr verabredet", antwortete Julius. Der Lehrer nickte. Er übergab Julius noch einen dicken Stapel Pergamentbögen, auf denen die Termine für die angebotenen Freizeitkurse standen, damit die Jungen aus dem grünen Saal sich welche aussuchen konnten. Natürlich hatte Professeur Delamontagne bei Julius schon Verwandlung, Duellieren und den Schachkurs verbindlich eingetragen, konnte Julius gleich erkennen. Dann wünschte der Vorsteher des grünen Saales den vier neuen Bewohnern einen angenehmen Einstieg in die Ausbildung und Monsieur Latierre für alle anstehenden Dinge Mut, Ruhe und Durchhaltevermögen.
"Gibt's hier echt kein Netz. Paul meint, das Zauberzeug läßt alle Computersachen und Handys verrückt spielen", Wandte sich Brian Trichet an Julius. Der Saalsprecher der Grünen bestätigte es und erwähnte, daß er damals, wo er mit der Zauberschule angefangen hatte, einen Schachcomputer mitgehabt hatte, der nur noch schnarren, Quietschen und wildes Leuchten von sich geben konnte.
"Oh Mist, dann schieben meine Eltern die Vollpanik, wenn ich die mit dem Handy nicht anrufen kann. Diese Madame Pontier hat uns zwar einen erzählt, daß Elektrosachen und Computer in Beauxbatons nicht mehr laufen. Aber meine Ma glaubt das nicht."
"Pontier, du hast mit meiner Tante geredet", erwiderte Paul. "Cool. Was macht'n meine Cousine Irene gerade bei euch?" Fragte er noch.
"Das kannst du sie nachher ja selbst fragen, Paul", erwiderte Julius. Dann führte er seine kleine überschaubare Gruppe weiter zum Eingang der Bibliothek. Dort traf er auf Millie und ihren Tross neuer Schulmädchen. Er sah dabei, daß Melanie noch zimlich bedröppelt aussah, wohl weil ihr jetzt aufging, daß sie genau da gelandet war, wo ihre Mutter sie sicher am wenigsten hinhaben wollte.
"Das ist unsere Bibliothek, Mädels", sagte Millie locker. "Ach, da sind auch eure Klassenkameraden aus Saal Grün. Guten Abend zusammen!" Julius erwiderte den Gruß und übernahm die lockere Art seiner Frau, indem er seine vier Neuzugänge mit den Mädchen aus dem roten Saal bekannt machte. Brian meinte dazu: "Ui, und wenn einer von uns mit einer von euch zu nah beieinander ist kriegen wir im letzten Schuljahr entweder Freiflug nach Hause oder eine Zweierkabine?" Die Mädchen außer Melanie lachten. Melanie lief an den Ohren rot an, was Celestine kichern ließ.
"Es hat schon ein paar hier herausgekegelt, die nicht warten wollten, bis ein Zeremonienmagier sie mit ihr zusammengesprochen hat", sagte Millie. Jean-Luc verzog das Gesicht. Dann fragte er, ob es echt keine Priester und Pastoren bei den Zauberern gebe.
"Irgendwo im Vatikan lungert einer rum, der aufpaßt, daß die Kollegen beim Herumpredigen nicht aus versehen mit echter Magie aneinandergeraten", warf Julius lässig ein. Er wußte es zwar nicht, aber ging davon aus, daß die Zaubererwelt genau da ihre Spione hatte, wo ihr die meiste Verachtung entgegengebracht wurde.
"Echt, wer denn?" Fragte Jean-Luc.
"Wenn ich das wüßte wär ich das ja", erwiderte Julius schlagfertig. Die Mädchen lachten und sahen erst ihn an und dann neidvoll auf ihre Saalsprecherin.
"Mann, du hast doch gehört, daß so'n Humbug wie Silberkreuze bei echter Magie nix bringt, ey", blaffte Brian Trichet den neuen Klassenkameraden an.
"Selbst ein sogenannter Mugglerich und reißt das Maul weiter auf als die Heckklappe von 'nem Vierzigtonner", knurrte Jean-Luc. Julius räusperte sich und hielt die beiden Jungen an, sich nicht zu zanken. Dann betraten sie zusammen mit Millie und ihrer Gruppe die Bücherei. Julius flüsterte ihnen zu, daß hier nur leise gesprochen werden durfte, um die anderen nicht beim Lesen und Lernen zu stören. Tatsächlich war auch gerade noch eine andere Gruppe hier. Laurentine Hellersdorf führte die neuen Mitschülerinnen aus dem grünen Saal. Also hatte Céline diese Aufgabe delegiert. Lag wohl daran, daß vier muggelstämmige Mädchen dabei waren. Brian winkte seiner Schwester Angelique, die zurückwinkte.
vor der Bibliothek sprachen sich die drei ab, wo sie ihre Gruppen als nächstes hinführen wollten. Laurentine willigte ein, ihre Gruppe zuerst zu Madame Rossignol zu führen. Millie wollte mit ihren Mädchen zu Professeur Fixus. Julius wollte seinen Jungen den Weg zur Astronomiekuppel zeigen.
Als Jean-Luc, Martin, Paul und Brian die Kuppel von außen bewundert hatten und hörten, was in ihr alles möglich war meinte Jean-Luc: "Das ist was für meinen alten Herrn, wo der meinte, mich nach dem Captain der neuen Enterprise nennen zu müssen und meine Mutter nur drauf ansprang, weil sie voll auf diese vier Omis stand und bei 'nem Mädchen dann 'ne Sophie oder Blanche gehabt hätte."
"Du meinst Bläänch, Jean-Luc", feixte Brian.
"Wie komisch, du Clown", knurrte Jean-Luc. Julius hing zwischen Belustigung und dem Zwang zur Ernsthaftigkeit fest. Deshalb konnte er erst reagieren, als Brian sagte: "Kannst froh sein, daß du keine Bläänch geworden bist. Sonst hättest du ja gleich nach dem Abendessen einen von uns vernaschen müssen wie das Original." Darauf konterte Jean-Luc mit einem absolut unkatholischen Kraftausdruck, den ihm seine Oma sicher nicht beigebracht hatte.
"Okay, Jungs, rotes Licht", ging Julius dazwischen. "Monsieur Dumont, Sie erhalten wegen verbaler Beleidigung und Benutzung eines hier nicht erlaubten Wortes fünfzig Strafpunkte. Sei froh, daß ich das werte, daß du dich irgendwie wehren mußtest. Aber Das war nicht die richtige Art. Ähm, Brian Trichet, du erhältst dreißig Strafpunkte wegen herabwürdigender Behauptungen gegen einen Mitschüler. - Im übrigen, bevor ihr es von den anderen erfahrt, Blanche ist der Vorname unserer Schulleiterin, Madame Faucon. Wenn die das eben mitbekommen hätte hätte die dir glatt mit dem Ratzeputzzauber die Zähne und den Rachen geschrubbt."
"Ratzeputzzauber?" Fragte Brian. Julius führte ihm den Zauber ungesagt vor, in dem er Brians Schuhe mit rosarotem Schaumstrahl spiegelblank polierte. Jean-Luc meinte, daß er kein Wort von Julius gehört hatte. Julius erwähnte darauf, daß Schüler ab der sechsten Klasse Zaubern ohne lautes Aussprechen der Zauberwörter lernten.
"Schon fies, wie ein Hochdruckreiniger", meinte Brian. "Dann paß ich besser auf, daß ich die Dame vom Lehrertisch nicht so blöd anquatsche."
"Besser ist das", erwiderte Julius behutsam lächelnd.
Als Julius seinen Schutzbefohlenen die Heilerin von Beauxbatons vorstellte hatte diese wieder eine Strickerei in Arbeit. Brian und Jean-Luc bewunderten es, wie die Stricknadeln weiterklapperten, als Madame Rossignol sie mit der bereits angefangenen Handarbeit niedergelegt hatte. Die Heilerin schärfte den vier Jungen ein, daß sie sich bloß so gesund wie möglich halten sollten. Dann sah sie den dünnen Jean-Luc an und sagte: "Du siehst so aus, als würdest du nur halb so viel zu essen bekommen, wie du gerade nötig hast. Stell dich bitte mal da auf die Waage!"
"Wozu'n das?" Fragte Jean-Luc aufsässig.
"Weil ich wissen will, wie viel du von heute bis zum nächsten Montag zu- oder abnimmst, junger Mann. Also rauf da!" Sie deutete auf eine silberne Personenwaage in der Ecke, die Julius sonst nicht im Sprechzimmer sah. Offenbar hatte die Heilerin befunden, über- oder untergewichtige Neuzugänge gleich mal auszuwiegen.
"Und was machen Sie, wenn ich Ihnen zu dünn bin. Sperren Sie mich dann in ein Holzställchen ein und füttern mich rund, bis sie mich braten können, ey?"
"Ichkenne das Muggelmärchen, Junger Mann. Aber ich esse keine frechen Jungen, wo ich selbst zwei auf die Welt gebracht habe und zwei ebenso freche Enkelsöhne habe. Ob du zu dünn bist kriege ich raus, wenn die erste Woche um ist und ich weiß, ob es am Essen liegt. Also hopp!" Jean-Luc fragte dann provokant, was sie machen würde, wenn er nicht gehorche.
"Dann kriegst du erst einmal Strafpunkte und Putzdienst bei mir, damit du lernst, mich zu respektieren. Hätte was für sich, weil ich dabei gleich überwachen könnte, ob du ausreichend ißt. Falls du nicht genug für die Anforderungen deines wachsenden Körpers ißt kläre ich gerne mit dir ab, ob du zu viel Bewegung hast oder dich falsch bewegst oder auch befinden, dich mit Aufbaunahrung zu füttern. Julius hat das schon erlebt, wie das aussehen kann." Julius nickte. Alle sahen ihn an. "Weil ich mal beim Zaubern meinen halben Körper zerlegt habe und Madame Rossignol mich zwei Tage in einen Streckverband gewickelt hat, um meine Knochen und Muskeln wieder zusammenwachsen zu lassen", sagte er. Das wirkte. Jean-Luc erklomm die Waage. Neben ihm schnellte eine Meßlatte wie eine selbst ausfahrende Autoradioantenne nach oben und verhielt auf Höhe seines dunkelblonden Schopfes. Dann klingelte es. "Mit klamotten mindestens zwei Kilo mehr", feixte Jean-Luc.
"Die Waage filtert Wäsche und Schuhe beim Wiegen aus", sagte Madame Rossignol und zog einen dünnen Pergamentstreifen aus einem Sockel neben der Waage. "Bei einer Größe von einen Meter und zweiundsechzig nur fünfzig Kilogramm ist mir ein wenig zu wenig", sagte die Heilerin. Die Meßvorrichtung surrte wieder in ihrer Halterung zusammen. "Also, du nimmst bitte bei allen Mahlzeiten so viel zu dir, daß du dich satt fühlst und kommst nächste Woche um diese Zeit noch einmal zu mir zum Vergleichen. Dann besprechen wir, ob wir bei dir Ernährung und Bewegung verändern müssen."
"Dann machen Sie das aber meinem Vater klar, daß der mir zu wenig zu Essen besorgt hat", mußte Jean-Luc noch loswerden. Madame Rossignol tat diese Bemerkung mit einem beiläufigen Nicken ab. Dann schickte sie Julius und die anderen hinaus, weil sie bereits weitere Erstklässler hörte. Vor der Tür war Patrice Duisenberg mit ihren sechs neuen Mitbewohnerinnen. Sie grüßte und gratulierte Julius zum baldigen Nachwuchs. Julius beglückwünschte sie zur Saalsprecherinnenbrosche. "Hatte lange mit Corinne gesprochen, worauf ich jetzt achten muß", sagte Patrice. Dann führte sie die sechs neuen Mitbewohnerinnen in das Sprechzimmer.
Zum Abschluß der Führung brachte Julius seine vier Jungen noch zum Büro von Professeur Fixus, weil er wollte, daß die vier wußten, wo die anderen Saalvorsteher und Hauptfachlehrer arbeiteten. Brian fragte laut und herausfordernd, ob sie bei Professeur Fixus auch Liebestränke lernten. Darauf erwiderte Professeur Fixus mit ihrer schulweit gefürchteten Windgeheulstimme:
"Das dürfen Sie mich noch einmal fragen, wenn Sie mit allen Klassenkameraden in meinem Unterricht sitzen. Da Sie mit den Schülerinnen und Schülern aus dem roten Saal zusammen Unterrichtet werden interessiert es Sie sicher, wie die anderen darauf reagieren. Und ich empfinde mich für mein Leben hinreichend gestaltet und muß mich nicht selbst mit Verschönerungstränken versorgen, Monsieur Trichet. Da Sie aus Ihrer Familie der erste sind, der unsere Akademie besuchen darf sollten Sie sich besser gleich einprägen, daß Sie hier nicht mehr in Ihrer Grundschule in St. Tropez sind, wo der Geldbeutel der Eltern offenbar jede Frechheit mit seinem Klimpern übertönen kann. Ähm, Monsieur Latierre, wir sehen uns dann gleich morgen in der ersten Stunde."
"Sind die Stundenpläne schon fertig?" Fragte Julius.
"Zumindest die der UTZ-Klasse", sagte die Zaubertranklehrerin. Dann gebot sie allen, ihr Büro zu verlassen, weil Apollo Arbrenoir mit seinen Jungs gerade aufkreuzte.
"Die Alte kann doch nicht etwa Gedanken lesen", wimmerte Brian. Julius schüttelte den Kopf.
"Lesen nicht, aber hören, was du denkst."
"Ich habe nur gedacht, warum die sich keinen Schönmachertrank reinzieht und daß meine letzte Klassenlehrerin mit fünfzig noch schärfer aussieht als die."
"Die betreibt sicher schon Fassadenmalerei", meinte Julius dazu. "Hat Professeur Fixus nicht nötig, wie sie dir gerade gesagt hat."
"Wie bei Lwaxana Troi, die kann auch Gedanken hören", feixte Jean-Luc Dumont.
"Sei du mal ganz still, Spargeltarzan!" Schnaubte Brian. Julius räusperte sich vernehmlich und gab Brian zehn Strafpunkte wegen herabwürdigender Äußerung. "Ich kapier's, das ihr Jungs mit allem neuen hier noch klarkommen müßt und daher durch den Wind seid. Aber irgendwo ist immer eine Wand, gegen die ihr besser nicht knallen solltet", sagte er. Er fühlte sich in dieser Rolle des Raubtierbändigers, der mal zwischendurch mit der Peitsche knallen mußte nicht wohl. Aber wenn ihm keiner die goldene Brosche abnahm mußte er da durch, allein, weil er allen hier zeigen wollte, daß er trotz Millies und seines Kindes noch hier lernen wollte und für ihn keine Sonderregeln zu gelten hatten. Paul rümpfte nur die Nase.
Als Julius endlich vor dem grünen Saal ankam schärfte er seinen vier neuen Mitbewohnern ein, daß sie das Passwort keinem außer einem Bewohner des grünen Saales verraten durften. Dann nannte er es: "Bubo bubo!"
"Lustig, das ist der Zoologenname für 'nen Uhu", grinste Brian Trichet. Julius überlegte und nickte. Er mußte grinsen, weil er das nicht gleich beim Lesen kapiert hatte. Dann fragte er Brian, ob ihn Tiere und Pflanzen interessierten.
"Meine Mutter ist Tierärztin und mein Vater Tierpfleger im Zoo von Paris. Da kriegt man schon was mit", sagte Brian.
Im grünen Saal waren schon alle anderen, auch die Erstklässlerinnen. Julius führte seine vier Anbefohlenen noch in den Trakt für jungen und zeigte ihnen ihren Schlafsaal. Dabei traf er auch auf Pierre Marceau.
"Hallo Julius, war echt spannend, die Quidditchweltmeisterschaft. Oh, die neuen. Tag Jungs!"
"Hi. Auch schon länger hier?" Fragte Jean-Luc. Pierre bestätigte das. Julius zeigte den vieren dann noch den Waschraum für Erst- und zweitklässler und dann noch die schuleigene Eulerei. "Ähm, die haben fiese Krallen", meinte Jean-Luc. "Wie kann man die echt als Postvögel abrichten?"
"Die magisch gezüchteten Eulen lernen daß, ihre Krallen so anzuspannen, daß sie dabei gerade genug Druck auf bekleidete Schultern ausüben. Aber das können die locker vergessen, wenn wer sie ärgert", sagte Julius. Danach führte er die vier Jungen in ihren Schlafsaal, denn für sie war ja schon Bettgehzeit.
"Wecken ist morgen früh um sechs. Wer Frühsport machen will kann erst ab sechs aus dem Aufenthaltsraum raus. Sportgeräte und Laufbahnen sind ja am Quidditchstadion."
"Echt, wir sollen schon um halb zehn ins Bett", protestierte Brian. "Zu Hause konnte ich bis zehn aufbleiben."
"Eben, und da bist du im Moment nicht", grinste Paul Pontier, bevor Julius was dazu sagen konnte. Er überwachte noch, wie die vier Neuzugänge sich bettfertig machten, kontrollierte bei der Gelegenheit noch die Zweit- und Drittklässler und suchte kurz den Schlafsaal für Siebtklässler auf. Er erschauerte, als er nur zwei Betten in dem für bis zu sechs Leuten benutzbaren Raum sah. Ebenso gab es hier nur zwei Kleiderschränke. Außerdem fehlte das Gemälde von Aurora Dawn, das früher über Julius' Bett gehangen hatte. Jetzt wurde ihm klar, daß sich für Gérard und ihn einiges verändert hatte.
Als Gérard und Julius die Bettkontrolle bei den Schülern bis zur vierten Klasse durchgeführt hatten trafen sie sich noch einmal im Aufenthaltsraum mit Laurentine und Céline. Céline erzählte Julius, daß sie mit Robert über die neuesten Entwicklungen hatte sprechen wollen, weil sie den Eindruck hatte, daß er mit Sandrines und Millies Schwangerschaft und den Ehepaarzimmern heftiger zu kämpfen hatte als Gérard und Julius.
"Na ja, er ist nicht der einzige, der da Probleme mit haben dürfte, daß Sandrine, Millie, Gérard und ich jetzt was besonderes sein sollen. Ich habe das auch erst recht kapiert, als ich Gérards und meinen früheren Schlafraum besucht habe. Mir jetzt vorzustellen, daß Robert und André da jetzt alleine drin schlafen ..."
"Auch ein Grund, warum ich Robert unbedingt gleich nach dem Essen sprechen wollte", wisperte Céline. "Ich habe das mit ihm und André mitbekommen und ihm klargemacht, daß ich den im nächsten Mai auf den Besen heben werde. Wenn er bis dahin aber von der Schule fliegt kriegt er jeden Tag einen Heuler von mir. Denkst du, ich packte das locker weg, daß nicht nur Millie, sondern auch Sandrine schon ein Baby im Bauch hat? Sicher ist Kinderkriegen nicht das wichtigste im Leben, wenn man nicht gerade Latierre heißt. Aber ich habe das mit Robert so abgemacht, daß er und ich mindestens ein Kind hinkriegen."
"Ganz sicher geht das bei euch", sagte Julius zu Céline. Sie wirkte immer noch ein wenig mager. Aber ihr weit ausladendes Becken und der nun unübersehbare Brustumfang zeigten, daß sie bei rein instinktgesteuerter Partnerwahl sicher Anklang finden würde. Julius erwähnte die Szene mit Jean-Luc und Madame Rossignol. Céline grinste. "Hat die mit mir auch gemacht, als Barbaras Vorgängerin uns damals durch den Palast geführt hat. mann, schon komisch, daß das jetzt sechs Jahre her ist." Julius nickte. Sich vorzustellen, wie Claire zum ersten Mal in Beauxbatons herumlief hatte schon was leicht betrübendes an sich. Aber Claire war nicht mehr da.
"Hat die dir auch Aufpäppelnahrung angedroht?" Fragte Julius.
"Versucht hat sie es. Aber nicht jeder reagiert auf Diätnahrung oder Tränke", sagte Céline. "Hat sich aber auch so geregelt. Und du mußt mit Gérard gleich noch zu Madame Rossignol?"
"Wo jetzt Saalschluß ist auf jeden Fall, wenn ich weiß, wie das mit der Aufsicht geregelt wird."
"Klär das mit Madame Rossignol, solange sie dich nicht zu sich zitiert hat", sagte Celine. Julius nickte und ging in eine freie Ecke, wo er den weißen Schmuckstein des silbernen Armbandes an seiner rechten Hand berührte und "Madame Rossignol, ich rufe Sie", murmelte. Sofort entstand ein räumliches, frei vor ihm schwebendes Abbild der Schulheilerin.
"Sandrine und Millie sind schon bei mir. Die haben es ihren Stellvertreterinnen überlassen, für die anderen ansprechbar zu sein. Ich untersuche die beiden noch einmal, um eigene Ergebnisse zu haben. Ihr kommt dann bitte um elf Uhr, damit ich euch eure Zimmer zeigen kann!" Julius bestätigte es und beendete die Verbindung.
Kurz vor elf winkte Julius Gérard zu sich heran, der gerade noch einmal mit Robert und André sprach, wo Céline dabeisaß. "Robert ist knurrig, weil du und ich unsere Mädels schon aufgefüllt haben und er bei Céline nicht mal unter den Rock gucken durfte und André macht ihn deshalb immer wieder dumm an. Hoffentlich müssen wir die morgen früh nicht von den Schlafsaalwänden kratzen."
"Hat Céline schon geklärt", sagte Julius. "Sie will keinen an der Wand zermatschten Mann haben."
"Habe ich auch gemerkt, daß er vor ihr kuscht. Wie kommen wir jetzt in unser neues Zimmer?"
"Erstmal wandschlüpfen. Da die Saaltür zubleiben muß bleibt nichts anderes. Außerdem habe ich Madame Faucons Hinweis so verstanden, daß ich dich huckepack durch das Pflegehelfer-Wegesystem mitnehmen soll, wenn du nach Saalschluß in euer neues Zimmer willst. Aber dich am linken Arm einhaken reicht auch."
"Sandrine hat das mit mir mal gemacht, als ich so platt wegen der Prüfungsvorbereitung war. Mann, war die da am brodeln", erwiderte Gérard.
"Okay, dann kennst du das Gefühl ja. Ist nicht so wild wie beim Apparieren", sagte Julius und tippte noch einmal an den weißen Schmuckstein des Armbandes, wobei er daran dachte, das Wegesystem zu benutzen und in Madame Rossignols Sprechzimmer ankommen zu wollen. Als vor ihm und Gérard ein Wandstück rosarot aufleuchtete bot er seinem früheren Schlafsaalkameraden und Saalsprecherkollegen den linken Arm an. Gérard hielt sich daran fest. Julius trat vor und berührte die Wand mit dem Armband. Sofort wurden er und Gérard von einem Sog erfaßt und nach vorne in die Wand hineingerissen. Doch keine Sekunde später meinten beide, von etwas nach vorne gestoßen zu werden. Sie landeten in Madame Rossignols Sprechzimmer. Die Heilerin saß auf ihrem Stuhl und strickte. Sandrine und Millie saßen am Tisch, wo sonst die Pflegehelferkonferenzen abgehalten wurden.
"So, dann sind wir ja alle vollzählig. Erst einmal freue ich mich, daß ihr vier wohlbehalten aus den Ferien zurückgekommen seid, auch wenn Millie und Sandrine bereits für eure Kinder mitdenken. Daß ihr zwei Ehegattenzimmer bekommt wißt ihr ja auch schon. Wo die sich befinden zeige ich euch, wenn wir noch einmal geklärt haben, wie das mit euren Verpflichtungen als Saalsprecher ist, Gérard und Julius."
"Wecken gehen muß irgendwer", sagte Julius.
"Du kommst mit diesem Wandschlüpfding sicher schneller klar als wenn du mich andauernd mitnimmst", sagte Gérard.
"Ich habe es mit Béatrice abgeklärt, daß sie alle zwei Tage weckt", sagte Sandrine. "Zumindest solange, wie ich mit den Babys noch wandschlüpfen kann."
"Dafür habt ihr zwei ja die dehnbare Unterkleidung von Madame Arachne mit der fünfzigprozentigen Innertralisatusbezauberung", sagte Madame Rossignol. "Schon praktisch, was im Bereich der Umstandskleidung nun alles verfügbar ist. Hätte ich damals auch gerne schon gehabt."
"In Ordnung, wie sieht das mit den Weckzeiten aus?" fragte Julius. Millie erzählte ihm, daß sie sich mit Leonie wöchentlich abwechseln würde. Julius und Gérard verabredeten ebenfalls wöchentlich abwechselnde Weckeinsetze, wobei Julius Gérard per Wandschlüpfsystem vor sechs Uhr im grünen Saal absetzen wollte, um dann zum Frühsport zu gehen. Das Wort Frühsport griff Madame Rossignol auf, um Julius und Gérard zu fragen, ob sie an der demnächst allsamstäglichen Schwangerschaftsgymnastik ihrer Frauen teilnehmen wollten oder darauf verzichteten. Julius hatte bereits vor einem Tag mit Millie beschlossen, bei den nötigen Gymnastikübungen mitzumachen, auch und vor allem, weil er sonst wohl keine geregelte Körperertüchtigung mehr haben würde. als auch das geklärt war holte Madame Rossignol vier silberne Schlüssel aus ihrem Schreibtisch und winkte den beiden Ehepaaren damit. Millie und Julius gingen vor den Dumas'. Es ging aus dem Sprechzimmer hinaus auf einen Gang, der in die allgemeinen Bereiche des Palastes führte. Doch auf halben Weg flimmerte die Wand. Madame Rossignol deutete auf die Wand. "Das ist die Zugangstür zum geheimen Korridor, von dem aus insgesamt fünf Zimmer abgehen, von denen drei Schlafzimmer und zwei Badezimmer sind. Ich habe mir schon erlaubt, eure Kosmetika und Handtücher zu platzieren." Madame Rossignol tippte die flimmernde Stelle der Wand mit einem weiteren Schlüssel an. Eine Tür erschien. Sie steckte den Schlüssel ins Schloß und drehte ihn leicht nach rechts. Die Tür schwang auf. Die beiden Ehepaare folgten in einen von warm leuchtenden Kristallsphären an der Decke beschienenen Gang. Tatsächlich gingen je zwei Türen links und Rechts ab. Der Gang selbst endete bei einer weiteren Tür. "Links die Schlafzimmer, rechts die Badezimmer. Das erste nach der Eingangstür gehört Sandrine und Gérard, weil ich bei Sandrine mit mehr Sorgfalt und Eile rechnen muß, wo sie Zwillinge trägt. Das Zimmer und das Bad bei der Tür am Ende sind das Reich von Millie und Julius", vermeldete die Heilerin. Ihre Stimme hallte wie aus einem gewöhnlichen Hausflur wider. Millie und Julius öffneten die zugewiesene Tür.
Ein breites Himmelbett beherrschte die Mitte des Zimmers. Links und Rechts stand je ein großer Kleiderschrank. Davor standen bereits die Koffer der Latierres. Außerdem konnten sie die Koffer auch unter das Bett schieben. Nachtschränkchen flankierten das Kopfende des Bettes. Über ihnen baumelte eine weitere Kristallsphäre. Darüber hinaus besaß der Raum drei große Fenster mit mittelhellen Vorhängen. Das war also ab heute das gemeinsame Schlafzimmer von Mildrid und Julius Latierre. Dann fiel Julius noch das kleine Möbelstück zwischen Kleiderschrank und Nachtschrank auf: Eine kleine, weiße Wiege. Millie entging das auch nicht. Sie strahlte Madame Rossignol und dann Julius an.
"Damit eindeutig klar ist, wofür dieses Zimmer gedacht ist", sagte die Heilerin. "Ähm, da ich euch nicht davon abhalten kann, euch in dem großen Bett da ab und an auszutoben möchte ich lediglich an eure Vernunft appellieren, zum einen mit euren Körperkräften hauszuhalten und zum anderen weiterhin als gutes Vorbild für die anderen Schüler zu dienen und euch nach Möglichkeit einzuschränken. Aber wie erwähnt, abhalten kann ich euch von nichts, höchstens ermahnen, wenn ihr es zu wild treibt und damit auch das ungeborene Kind beeinträchtigt."
"Ich denke, hier in Beauxbatons haben wir genug um die Ohren, um abends müde genug zu sein", sagte Julius. Madame Rossignol grinste mädchenhaft und erinnerte ihn daran, daß ihn das vor zwei Jahren nicht abgehalten hatte, als ihre Kollegin Béatrice ihnen besondere Utensilien ausgeborgt hatte. Dann deutete sie noch auf die Vorhänge am Bett: "Sie sind schallundurchlässig. Unter dem Baldachin ist ein Glockenzug, falls ihr sofort Hilfe braucht und nicht aus dem Bett kommt. Bitte nur dann dran ziehen, wenn es wirklich nicht anders geht! Ansonsten bleibt mir nur noch, euch eine gute Nacht zu wünschen. Achso, Julius. Die porträtierte Kollegin kannst du heute hier an die Wand hängen. Es hat mich sehr gefreut, sie mal in Natura und für sehr interessante Gespräche kennenzulernen." Damit zog sie unter dem Bett ein eingerolltes Leinwandstück und einen zerlegten Bilderrahmen hervor. Julius trieb vier Nägel in die Wand und hängte das Bild von Aurora Dawn auf. Das Motiv des Bildes war jedoch im Moment nicht an seinem Platz. Offenbar hatte sie sich bei Viviane Eauvive oder anderen gemalten Mitbewohnern von Beauxbatons hingeflüchtet. "Sorum ist hoffentlich richtig", sagte Julius und überprüfte die Ausrichtung des Bildes. Dann hängte er auch die Musikzwerge und das Kalenderbild auf, das ihm Claire gemalt hatte. Einen Moment dachte er daran, daß er beinahe mit Claire in diesem Zimmer gelandet wäre. Sicher hätte sie das gemeinsame Kind auch Aurore genannt, wenn es ein Mädchen geworden wäre. Aber Claire war eben nicht mehr da. Neben ihm stand, knapp einen Meter und fünfundneunzig hochgewachsen, athletisch und auch attraktiv gerundet, mit rotblondem Schopf bis über die Schultern, seine Ehefrau, Mildrid Ursuline Latierre. Es wäre undankbar, an Claire zu denken, wo er mit ihr bisher so viele schöne Stunden erlebt hatte und wo irgendwo in ihrem Unterleib gerade sein erstes Kind ruhte, noch eher einer Kugel ähnelnd, aber eben schon ordentlich im Schoß seiner Mutter eingebettet. Im Nebenzimmer, das wußte Julius, waren Sandrine und Gérard wohl schon dabei, ihr neues Reich auszustatten. Sandrine trug zwei Kinder. Bisher hatte niemand außer den Dumas und den Eheleuten Latierre davon Kenntnis, daß Sandrine bereits für drei leben mußte.
Millie öffnete ihren Koffer und befüllte den Kleiderschrank auf der Seite, wo die Wiege bereitstand, die jedoch erst im Mai belegt werden würde. Julius räumte auch alle Sachen aus dem Koffer in den Nacht- und den Kleiderschrank. Dann schoben sie ihre Koffer und Taschen unter das Bett. Julius dachte daran, daß sie ihre Besen in ihrem apfelförmigen Haus in Millemerveilles zurückgelassen hatten, um nicht in Versuchung geführt zu werden.
Nach einem kurzen Aufenthalt im schon einem Schwimmbad an Größe ähnelnden Badezimmer lagen Millie und Julius nebeneinander in ihrem neuen Bett, das kein bißchen quietschte. Sie kuschelten sich aneinander.
"Wenn ich das Martine vor fünf Jahren erzählt hätte, daß ich mit einem Baby im Bauch neben dem Mann in Beauxbatons einschlafen darf, der mir geholfen hat, es da reinzulegen, hätte die mich sicher für übergeschnappt oder verträumt erklärt", schnurrte Millie.
"Wenn mir das wer vor fünf Jahren auch erzählt hätte, daß ich noch vor dem Schulabschluß Papa werde hätte ich den glatt ausgelacht", schnurrte Julius zurück.
"Tja, und jetzt liegen wir nebeneinander, halten uns schön warm und hoffen drauf, daß wir dieses Jahr schaffen", sagte Millie leise. Julius bestätigte das. Sie waren in Beauxbatons. Doch es war jetzt was ganz anderes. Ab morgen fingen sie beide das letzte Jahr ihrer Schulzeit an. In diesem Jahr würde das trimagische Turnier in Beauxbatons stattfinden und Aurore oder Taurus Latierre geboren werden. Wenige Tage später würde der neue Erdenbürger bereits Gesellschaft bekommen, wenn Sandrine ihre beiden eigentlich erst für das Jahr nach der Schule geplanten Kinder ans Licht der Welt brachte. Bis dahin würde es sicher eine Menge Spannungen und Gefühlschaos geben. Aber Julius hatte beschlossen, das jetzt durchzustehen, wo er so vieles überlebt hatte, auch Dank der jungen Hexe, die da wohlig warm und weich neben ihm lag und sich einfach nur freute, mit ihm zusammen zu sein.
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Julius dachte erst, im Schlafsaal der Grünen zu liegen, als er von fröhlicher mexikanischer Musik geweckt wurde. Dann erst erkannte er, daß er echt in einem Ehebett mit rubinrotem Baldachin lag. Millie erwachte auch gerade und streckte sich. Die munteren Mariachis, die Calypso und Penthesilea Latierre immer noch gerne in Beauxbatons hängen hatten, marschierten durch Millies und seine Bilder hindurch und verstummten, als sie allesamt verschwunden waren.
"Wie Spät?" Grummelte Millie. Julius rieb sich den Schlaf aus den Augen und blickte auf seine Weltzeituhr. "Viertel nach vier in London, also viertel nach fünf bei uns."
"Die sind doch nicht ganz richtig, so früh rumzutröten", maulte Millie. Julius pflichtete ihr wortlos bei. "Bei uns Grünen sind die meistens um halb sechs eingefallen", erwähnte er.
"Callie und Pennie haben die dazu gekriegt, uns Rote nicht vor viertel vor Sechs aufzuscheuchen. Dann laufen die also anderswo durch den Palast. Ich glaube, ich ziehe das Bild mit denen von Callie und Pennie ein."
"Dann trällern die uns morgens wohl schon um vier wach", vermutete Julius, der gerade fühlte, daß er wohl nicht noch einmal einschlafen konnte.
"Von wegen, die schicke ich Tante Babs mit besten Grüßen, daß ihr Großneffe oder ihre Großnichte meinen Schlaf braucht", grummelte Millie. Julius wollte dazu nichts sagen. Aber als der gemalte Musikzwerg mit Trompete meinte, jetzt auch losschmettern zu müssen entfuhr ihm ein unartikulierter Unmutslaut. Er zog den nach außen schallschluckenden Vorhang auf und katapultierte sich aus dem Bett heraus. "Ey, erst viertel nach fünf. Ihr musiziert erst los, wenn meine Frau und ich aus dem Bett raus sind, sonst kommt ihr in den Koffer zurück. Klar?!" Herrschte er die gemalten Musikzwerge an. Der Trompeter verschluckte den letzten gerade zu blasenden Ton und starrte ihn verstört an. "Wenn die großen Rundhutträger wecken dürfen müssen wir auch. Das müssen wir machen, wenn die Sonne aufgeht", lamentierte der zweite Musikzwerg auf dem Bild, der eine Flöte spielte.
"Die euch gemalt hat wollte aber haben, daß meine Kinder ihren nötigen Schlaf kriegen. Also bleibt ruhig, wenn wir noch im Bett liegen, egal wie hell die Sonne schon scheint."
"Arngari", knurrte der Trompeter.
"Selber Ohrenloser", blaffte Millie zurück. Dann deutete sie auf ihren Unterkörper. "Da drin schläft sein und mein Kind. Wenn ich nicht genug schlafe, kann es nicht richtig groß werden. Also bleibt gefälligst ruhig, wenn Julius euch nicht in den Koffer zurücklegt, bis das Kind ein eigenes Zimmer hat."
"Die uns gemalt hat will aber, daß wir Musik machen", protestierte der Trompetenzwerg. Julius fürchtete, daß Millie gleich was sagen mochte, was ihm womöglich weh tat. Er spannte sich an. Sie sagte:
"Er hat euch gerade gesagt, daß sie aber will, daß seine Kinder ihren nötigen Schlaf kriegen müssen. Sie will haben, daß seine Kinder alles kriegen, was sie brauchen." Julius entspannte sich wieder.
"Gut, Arngaris", knurrte der Trompetenzwerg. "Aber dann sagt den großen mit den runden Hüten, daß die auch nicht wachmachen dürfen!"
"Ich soll mir von einem gemalten Zwerg sagen lassen, was ich wem zu sagen habe?" Fragte Millie. Julius machte eine beschwichtigende Geste. Er wollte gerade eine Antwort geben, als es an die Tür klopfte. Er sah schnell, ob Millie und er gut genug bekleidet waren und ging an die Tür. "Morgen, waren wir zu laut!" preschte er vor, während er die Tür öffnete. Draußen stand Sandrine Dumas.
"Wenn ihr das raushabt, wie ihr mehrere mexikanische Mariachitrompeten, Fideln und sonst noch was zugleich spielt ja", erwiderte Sandrine. Sie trug einen fliederfarbenen Morgenrock, der bis zu ihren Knien herabreichte. Sie lächelte warm. Ihr Haar war jedoch noch vom Schlaf zerwühlt.
"Millie muß das ihren Cousinen klarmachen, daß du und sie für wen anderes mitschlafen müßt. Ich habe die von Claire gemalten Musikzwerge gerade drauf eingepegelt, daß die erst Musik machen dürfen, wenn Millie und ich aus dem Bett raus sind. Tut uns leid, daß die euch geweckt haben."
"Wenn du mit "euch" mich und die Kleinen meinst stimmt's. Gérard schläft noch tief und fest."
"Geht es dir nicht gut, daß du nicht richtig schlafen kannst?" Fragte Julius.
"Bißchen Schwindelig. Aber an sonsten kein Problem", erwiderte Sandrine. "Soll ich Gérard wecken, wenn es halb sechs ist?" Fragte sie.
"Ja, mach das. Der ist ja diese Woche mit Weckdienst dran."
"Geht klar", erwiderte Sandrine und verließ das andere Schlafzimmer wieder.
"Ich könnte noch eine Stunde durchschlafen. Mann, diese blöden Musikmacher", knurrte Millie. "Aber ich muß unseren Hühner- und Zickenstall tagesfrisch hinkriegen."
"Hoffentlich nehmen die dich überhaupt für voll, ähm, ich meine ernst", erwiderte Julius.
"Für voll nehmen die mich spätestens nach den Weihnachtsferien, Monju", grinste Millie. "Und ernstnehmen werden die mich auch, solange ich morgens nicht wie die selige Madame Sangazon aussehe."
"Ruf da keinen großen Drachen, Millie. Immerhin hat die für Nocturnia gearbeitet und deretwegen Professeur Tourrecandide in eine Falle gelockt", seufzte Julius. Millie nickte eifrig. Mehr erwiderte sie jedoch nicht. Beide waren sich sicher, was an Voixdelalune Sangazons Vernichtung alles dranhing.
Um Halb sechs suchte Julius das geräumige Badezimmer auf und wusch sich. Duschen wollte er erst um halb sieben, wenn er vom Frühsport zurückkehrte. Danach überließ er seiner Frau das Bad.
Zwei Minuten vor sechs Uhr brachte Julius Gérard per Wandschlüpfsystem in den grünen Saal. Dort warteten bereits Pierre Marceau aus der dritten Klasse und Louis Vignier aus der vierten Klasse. Sie trugen Sportkleidung. Céline verließ gerade den Schlaftrakt für Mädchen. Sie hatte sich schon tagesfertig zurechtgemacht.
"Hallo ihr beiden", grüßte Gérard. "Louis, schlafen deine Klassenkameraden noch?"
"Ja, tun die, Gérard. Hallo Julius. Wie ist das neue Zimmer?" Fragte Pierre.
"Ist wie ein übliches Elternschlafzimmer mit Schränken und einem Doppelbett, Pierre. Wolltest du heute wieder zum Frühsport?"
"Na klar, wo diese Idioten aus den oberen Klassen meinen, Gabie würde mich gleich vergessen, wenn ich nicht anständige Muckis habe. Die hat noch gesagt, daß sie ihrer Schwester schreibt, daß Millie und Sandrine Babys kriegen, weil Gabie meint, Fleur könnte auch schon Maman werden."
"Dann hoffe ich mal, daß Gabies große Schwester nicht eifersüchtig wird, falls sie selbst noch kein Kind erwartet", sagte Julius. Pierre grinste hilflos. Julius war sich jedoch sicher, daß Fleur ebenfalls auf Nachwuchs wartete. Ihre Veela-Ausstrahlung bei der Quidditch-Weltmeisterschaft hatte ihn und Millie beeindruckt. Und Millie hatte erwähnt, daß Fleur wohl länger als reinrassige Hexen an einem Kind tragen würde und wohl gerade auf eines wartete.
"Gleich ist's sechs", sagte Céline. "Bin gespannt, ob der Hühnerstall noch zur Ruhe gekommen ist. Neun kleine Hexen auf drei Doppelstock- und drei Einzelbetten zu verteilen ist echt anstrengend. Wenn ich das dieses Jahr gut im Griff habe könnte ich glatt im Marienkäferhaus in der Rue de Camouflage anfangen."
"Das ist die Kinderaufbewahrungsstätte für berufstätige Zaubererwelt-Elternpaare", erwähnte Julius für Pierre.
"Und, wer schläft oben und wer unten?" Fragte Gérard.
"Die Zwillinge haben ein Doppelstockbett, dann Anne und Berenice und Merle und Angelique. Denise, Brigitte und Cécile bekamen die einzelbetten. Aber wer da oben und wer unten schläft war ein Akt für sich. Seid froh, daß ihr dieses Jahr nur vier neue Jungs ..." Dong! Die Standuhr würgte Célines weitere Ausführungen ab. Es war genau sechs Uhr. Julius folgte Gérard in den Jungentrakt. Er wollte sehen, ob André und Robert sich in der Nacht vertragen hatten. Zu seiner Erleichterung waren sowohl der auf zwei Schlafplätze geschrumpfte Schlafsaal und dessen Bewohner unversehrt. Robert maulte nur, daß André ihn damit genervt habe, daß er, Robert, das auch hätte haben können, neben seiner Süßen in einem eigenen Zimmer zu liegen. Gérard weckte die, die noch nicht auf den Beinen waren.
Julius überließ es Gérard, das Aufstehen der Mitschüler zu beaufsichtigen und wandschlüpfte in die Nähe des Quidditchstadions, wo er bereits seine Schwiegerverwandtschaft, sowie einige Jungen aus dem roten und blauen Saal sowie Pierre Marceau antraf, der gerade von Pennie Latierre auf die Schultern gehoben wurde. Pennies Zwillingsschwester Callie balancierte gerade die kugelrunde Celestine Rocher auf ihren Schultern.
"Huch, Pierre, du bist ja glatt auf das doppelte gewachsen", scherzte Julius.
"Deine eine Pippi-Langstrumpf-Schwiegerbase hat gemeint, sie müsse klären, ob sie mit wem Huckepack rumlaufen kann, wo im nächsten Jahr so viele Kinder in ihrer Familie ankommen. Aber ich wollte das nicht. Dann kam die andere von deinen angeheirateten Basen an und hatte die kleine, runde Neue aus ihrem Saal oben drauf. Da hat mich die hier aufgegabelt und läßt mich nicht mehr runter."
"Ich merk von dem nix. Der muß mehr essen", trällerte Pennie. Julius ging zu ihr hin und sagte: "Gut, alle Mädels haben es gesehen, daß du Gabrielles Freund auf die Schultern heben kannst. Lass ihn bitte runter, damit du mit Gabrielle keinen Ärger kriegst!"
"Wen?" Fragte Pennie, die aufrecht und scheinbar völlig unbelastet herumging. Julius hatte keine Lust, sich mit seiner Schwiegerbase auf ein albernes Geplänkel einzulassen. Er ging zu ihr hin, sah Pierre fragend an und ergriff ihn mühelos um die Hüften, als er ihm mit einer Armbewegung bedeutete, das Spiel zu beenden. Für Julius war Pierre fast federleicht. Mühelos trug er ihn einige Meter von Pennie fort, der nicht anzumerken war, ob sie sich nun von einer Last befreit fühlte oder nicht. Er stellte ihn wieder auf die eigenen Füße und deutete auf die Sportgeräte. Pierre grinste und rannte los, während Pennie ihm nachzujagen versuchte. Julius sprang ihr jedoch in den Weg und stoppte sie mit der breiten Brust ab. Der Schwung der jüngeren Schwiegerverwandten warf ihn fast um.
"Ey, Spaßbremse", knurrte Pennie.
"Pennie, Millie hat's euch doch erklärt, daß Jungs keine Spielsachen sind, genauso wie Mädchen keine Spielsachen sind. Wenn du das nicht in den Kopf kriegst wunder dich nicht, wenn deine kleinen Brüder mal die einzigen sind, die deiner Mutter Enkelkinder vorstellen."
"Der wollte das so. Der hat gesagt, ich könne den nicht hochheben. Jetzt weiß der das, Mensch!" Maulte Pennie, während Callie mit Celestine auf den Schultern Laufübungen machte.
"Hat er nichts von gesagt. Er wollte nicht von dir rumgetragen werden. Er ist kein Kind von dir oder Callie. Callie, lass die nicht runterfallen! Sonst kriegst du Ärger mit ihrem großen Bruder!" Rief Julius. Er fühlte sich genervt, daß er hier auf dem Platz des Stadions jetzt den Dompteur für megastarke Junghexen geben mußte.
"Der hat im Moment andere Sachen zu tun", trällerte Celestine. "Hundertfünfzig Hexen wollen von dem ein Baby."
"Nur hundertfünfzig?" Fragte Julius amüsiert. "Da hatte Bocafuego aber mehr Anfragen."
"Das sind nur die, die sich getraut haben, das zu schreien, zu schreiben oder sonstwie rüberzubringen. Aber die Kleine hebt was weg, fast wie ein Meisterschmied von den Zwergen."
"Nicht so wackeln, Stine", meinte Callie. Julius wollte gerade noch was sagen, da fühlte er, wie ein dicht behaarter Kopf zwischen seine Beine hindurchglitt und etwas ihn von den Füßen hob. Unvermittelt hockte er auf den Schultern Pennies, die körperlich zwar kleiner war, aber mindestens doppelt so stark wie ein Mädchen ihrer Größe war. "Jau, das merke ich jetzt", meinte Pennie, während sie das zusätzliche Gewicht mit ihren Beinen auswog. "Kann Millie dich zumindest nicht mit einer Bettdecke verwechseln."
"Gut, Pennie, du wolltest es wissen", sagte Julius, der Anstalten machte, sich von den Schultern seiner Schwiegerbase herabzuschwingen. Doch diese hielt seine Beine mit ihren Armen umklammert und rückte ihn wieder zurecht. Sie zuckte zusammen, weil er ihr offenbar ein paar Haare eingeklemmt und aus Versehen daran gezogen hatte. Dann trabte sie jedoch an.
"Pennie, ich möchte dir keine Strafpunkte geben. Aber das eben über Millie und mich war daneben. Dafür muß ich dir fünfzig Strafpunkte geben, Penthisilea Latierre. Und wenn du mich jetzt nicht auf die eigenen Füße zurückkommen läßt gibt es noch einmal zwanzig wegen offener Respektlosigkeit und einen Brief an deine Mutter, daß das mit der Latierre-Kuhmilch eine schlechte Idee war. Ich kann mittlerweile auch Heuler schreiben." Pennie schnaubte laut, zog die Arme weg und wandte sich um. Julius rutschte dabei von den Schultern der jüngeren Anverwandten und landete federnd auf den eigenen zwei Füßen.
"Ich kann viel ab, Pennie. Aber langsam solltet ihr zwei lernen, wo die Anstandsgrenzen sind", grummelte Julius. Pennie hörte ihm nicht zu. Sie kehrte ihm den Rücken zu und lief davon, um ihre Schwester einzuholen, die gerade im lockeren Trab die Laufbahn entlangeilte.
Julius schaffte es noch, ungestört einige Übungen zu machen, bevor er um halb sieben in den neu zugewiesenen Wohntrakt zurückkehrte. Er erzählte Millie, daß die beiden Latierres ausprobiert hätten, wie schwer jemand sein mußte, den sie noch locker herumtragen konnten.
"Verstehe, wenn die Katze das Haus verläßt feiern die Mäuse ein Fest", grummelte Millie. "Die üben wohl schon selbst für's Kindertragen. Wenn sie Jungs wie dich oder Pierre locker herumtragen können meinen die, daß sie das mit eigenen Kindern auch können. Dann sollen die sich mal mit Tante Babs unterhalten, wo da der Unterschied ist. Die hat als kleines Hexenmädchen auch jeden Tag Latierre-Kuhmilch getrunken und ist sehr stark geworden. Aber mit Callie und Pennie unter ihrem Umhang war es doch was anderes. Na ja, wir haben noch ein Jahr zeit, denen beizubringen, daß sie keinen Jungen abkriegen, wenn sie meinen, gleich jeden mit voller Körperkraft herumjonglieren zu müssen. Am besten mach ich das mit Leonie aus, daß die denen Verwandlungsstrafen überbraten soll, wenn die nicht merken, wo es genug ist."
"Dann laufen die nachher noch als Schwestern von Speedy Gonzales durch die Gegend", grummelte Julius. Natürlich mußte er Millie dann von der schnellsten Maus von Mexiko aus den Geschichten der tolldreisten Trickfiguren erzählen.
"Dann besser Schnecken", erwiderte Millie. Julius meinte, daß die dann wie die Rennschnecken aus der unendlichen Geschichte durch die Gegend flitzen würden. "Dann kommen die eben in Goldfischgläser", knurrte Millie. "Aber nur, wenn die es nicht anders kapieren. Dann auf zum Tagesprogramm!"
Daß Gérard und Julius nicht mehr im grünen Saal schliefen fiel nicht auf. Wie in den beiden letzten Jahren wurden die Jungen vor dem Ausrücken auf ordentliches Aussehen geprüft. Das galt auch für die Mädchen. Am Tisch der grünen sprachen sie nur darüber, wie ihre Stundenpläne aussehen mochten. Julius streute ein, daß die UTZ-Klasse Zaubertränke gleich in der ersten Stunde hatte. Da heute schon dienstag war waren alle gespannt, was an den anderen Tagen anfiel.
Während des Frühstücks trafen Briefe ein. Melanie bekam gleich drei Briefe, von denen keiner ein Heuler war. In der von Julius' Schwiegerverwandten Gilbert Latierre eigenständig gemachten und vertriebenen Zeitung Temps de Liberté stand ein Interview mit Hippolyte Latierre über das anstehende trimagische Turnier. In der anderen Zaubererweltzeitung Miroir Magique ging es um Maßnahmen gegen weltherrschaftssüchtige Vampire und um die Absprache zwischen den Zaubereiministerien Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, Frankreichs und Großbritanniens und Irlands über die Vorbereitung des trimagischen Turnieres.
Es hat sich bewährt, daß jede der anreisenden Teilnehmergruppen aus zwölf Interessenten besteht. Daher werden die Delegationen aus Hogwarts und Burg Greifennest aus der amtierenden Schulleiterin und zwölf volljährigen Hexen und Zauberern bestehen, die von den Schulleiterinnen für dieses Turnier für geeignet erachtet wurden. Von der Seite Beauxbatons' her kann jeder dort gerade lernende Schüler sein Interesse am Turnier bekunden, der volljährig ist. Allerdings gibt es zwei Ausnahmen, Madame Sandrine Dumas und Madame Mildrid Latierre. Diese, so dürfen wir mit Erlaubnis der betreffenden und der Schulleitung von Beauxbatons verkünden, erwarten im Mai des kommenden Jahres Nachwuchs und sind daher aus familienstandsrechtlichen Gründen von der Teilnahme ausgeschlossen, da sie bei den anstehenden gefährlichen Aufgaben sonst das Leben ihrer ungeborenen Kinder gefährden würden. Madame Faucon betonte dem Miroir Magique gegenüber, daß es sich bei den angetretenen Schwangerschaften von Madame Sandrine Dumas und Madame Mildrid Latierre um Ausnahmen handele, da beide bereits bei erreichen der Volljährigkeit geheiratet hätten und die auf dem Weg befindlichen Kinder von ihren Ehemännern empfangen hätten. Ansonsten, so Madame Faucon weiter, sei jede Handlung zwischen unverheirateten und/oder minderjährigen Schülerinnen und Schülern streng untersagt, die zur Zeugung eines Kindes führen kann. Dies nur, um sicher- und klarzustellen, daß Madame Sandrine Dumas und Madame Mildrid Latierre keine neuen Umgangsformen in Beauxbatons erwirkt hätten, nachdem im letzten Jahr die Schülerin Bernadette Lavalette bei Kenntnis einer Schwangerschaft mit dem minderjährigen Kindsvater die Schule fluchtartig verlassen hat. Interviews mit den betreffenden Schülerinnen sind zur Zeit nicht erwünscht, so Madame Faucon.
"Toll, erst alle Pferde scheu machen und dann bedauern, daß keine Interviews erlaubt sind", knurrte Julius. Gérard erwiderte: "Immerhin waren die noch so rücksichtsvoll, keine Bilder von unseren Frauen abzudrucken."
"Die würden sich auch erst lohnen, wenn Millie und Sandrine ein paar Monate weiter sind", sagte Julius dazu. Gérard nickte.
Die Stundenpläne wurden verteilt. Julius las, daß er am Montag in der ersten Stunde Zaubertierkunde und danach Kräuterkunde hatte. Dienstags, gleich nach der schon angekündigten Zaubertrank-Doppelstunde, stand Verwandlung auf dem Programm. Sandrine würde da wohl merken, wie heftig sie die auf dem Weg befindlichen Zwillinge zurückwarfen. Das konnte noch was geben. Nachmittags dann noch Verteidigung gegen dunkle Künste. Da würde auch Millie mitkriegen, daß sie wohl nicht mehr alles machen durfte, was die anderen machen konnten. Zauberkunst hingegen würde wohl für beide kein Problem sein. Das Fach hatten sie montags und Mittwochs. Die Letzte Stunde in der Woche war wieder Verwandlung. Der Freizeitkurs Verwandlung für fortgeschrittene fand dieses Jahr wieder am Donnerstag statt. Julius würde wohl weiter daran teilnehmen, wie auch an der Schach-AG, der Zauberkunst-AG und dem Alchemie-Kurs am Mittwoch. Dienstags war üblicherweise Quidditchtraining. Aber das fand ja dieses Jahr nicht statt. So hatte Julius den Nachmittag zur freien Verfügung. Abends war wieder Zauberwesen-AG bei Professeur Delamontagne, und Samstag der magische Haushaltskurs abwechselnd betreut von Professeur Dirkson und Madame Faucon. Dabei stand sogar daß nach der Ankunft der trimagischen Abordnungen alle Freizeitkurse auch von den mitgereisten Teilnahmeinteressenten und den ausgewählten Champions besucht werden durften, ebenso wie der Unterricht, bei dem jedoch dann nur die UTZ-Klassen betroffen waren.
"Super, den ganzen Freitagnachmittag frei", freute sich André, der keinen Verwandlungsunterricht mehr hatte.
"Dann fang aber was mit deiner Zeit an, wenn du bei den paar UTZs, die du dir zutraust gut wegkommen willst!" Warf Robert Deloire ein. Julius enthielt sich einer Antwort.
"Kriegst du das hin, die vier neuen zur ersten Stunde zu führen, wenn wir wissen, bei wem die haben?" Fragte Gérard. Julius nickte. Mit dem Pflegehelferschlüssel konnte er ja locker durch den halben Palast springen, um rechtzeitig zum Zaubertrankkerker zu kommen. So fragte er nach dem Frühstück Jean-Luc, bei wem sie zuerst hatten.
"Abwehr schädlicher Zauber bei unserem Boss", sagte Jean-Luc. Julius ließ ihm die englische Form für Chef mal durchgehen, obwohl nicht fachbezogene Wörter aus anderen Sprachen nicht erwünscht waren. Julius bot Céline an, auch die Mädchen der ersten Klasse zu ihrem Kursraum zu bringen. So liefen ihm kurz vor acht Uhr dreizehn elfjährige Hexen und Zauberer nach, als er ihnen den Weg zum Klassenraum für die Abwehr dunkler Kräfte zeigte. Er fragte Denise, wen sie danach hätten:
"Trifolio, Julius. Wenn stimmt, was Jeanne und Claire erzählt haben ist der ziemlich heftig drauf."
"Ja, weil er meint, ihr hättet von eurer Mutter her mehr zu können als der Rest. Laßt es erst einmal ruhig angehen!"
"Mal sehen, ob wir heute schon was über Zombies oder Vampire lernen", sagte Brian Trichet.
"Die kommen eigentlich erst etwas später dran. Aber womöglich kriegt ihr heute die Aufgabe, euch über alles zu äußern, was dunkle Magie ist und was ihr meint, was dagegen getan werden kann. Ihr müßt ja erst einmal einfache Zauber ausführen können, bevor ihr euch an heftige Sachen rantrauen könnt."
"Feuerstrahlen und Blitze oder sowas?" Fragte Jean-Luc.
"Oder sowas", erwiderte Julius. "Ich möchte euch die Spannung nicht verderben."
Sie kamen vor dem Klassenzimmer für Verteidigung gegen schädliche Zauber an, wo Professeur Delamontagne schon wartete. Er zählte durch und lächelte. "Ist meine erste Klasse, wo aus einem Saal mehr als zehn Leute sind", sagte er. Dann bedankte er sich bei Julius für die Führung und wünschte ihm einen erfolgreichen Schultag. Julius bedankte sich und lief zum nächsten Wandstück zurück, das mit dem Wegesystem der Pflegehelfer verbunden war.
Pünktlich zu Unterrichtsbeginn begrüßte Professeur Fixus ihre UTZ-Klasse. "In diesem Jahr wird sich erweisen, ob die magische Braukunst der Weg ist, den Sie in Ihrem Leben gehen werden, Mesdames, Messieurs et Mesdemoiselles. Selbstverständlich stellt die magische Alchemie auch einen Zweig verschiedener hochwertiger Berufe dar, die Sie nur dann ergreifen sollten, wenn Sie in der Alchemie sicher genug sind. Wie gut das sein wird werden die am Jahresende angesetzten Prüfungen erweisen. Bis dahin werden Sie alle die potentesten und komplexesten Zaubertränke kennenlernen, die die magische Braukunst bisher kennt. Solche, die im Rahmen einer Doppelstunde nachzubrauen sind werden Sie eigenhändig erstellen. Natürlich werden Sie dabei auch Verfahren erlernen, Ihnen bisher unbekannte Zaubertränke auf Zusammensetzung und Wirkung zu untersuchen. Eine form davon lernten Sie ja bereits im letzten Schuljahr kennen, als es um die Ermittlung von giftigen Abmischungen und ihre alchemistische Aufhebung ging. Wie Sie alle erfahren haben werden uns am einunddreißigsten Oktober weitere Schülerinnen und Schüler beehren, die bis zum Ende des Schuljahres unserem Unterricht folgen werden. Ich bitte mir aus, daß Sie alle für diese zeitweiligen Mitschüler als glänzendes Vorbild von Lernbereitschaft, Fleiß und Verantwortungsgefühl arbeiten." Leises Grummeln war die Antwort. "Darüber hinaus gibt es einige Tränke, deren Herstellung oder Zutaten auf die Entwicklung ungeborener Kinder störend bis schädlich einwirken. Da Madame Latierre und Madame Dumas gerade auf Nachwuchs warten versteht es sich von selbst, daß sie sich in der Vorbereitung auf die Unterrichtsstunden über die Auswirkungen der zu brauenden Tränke kundigmachen. Für die Zeit der Brauphasen sind Sie dann beide mit ausdrücklicher Anweisung der Schulleitung und der schuleigenen Heilerin vom Unterricht freizustellen, Madame Dumas und Madame Latierre. Ihnen werden jedoch keine Lernrückstände dadurch entstehen, da die theoretische Erarbeitung der Brauvorgänge dann als Ihre zusätzlichen Hausaufgaben aufgegeben werden. Monsieur Latierre, der zwischen März und Mai 1998 ja wie Sie wissen nicht selbst am Unterricht teilnehmen konnte, half mit, eine genaue Abwägung zwischen rein theoretischer Arbeit und dem Vergleich mit praktischen Leistungsnachweisen zu erarbeiten." Julius hob den Arm. Professeur Fixus sah ihn auffordernd an.
"Ich möchte Sie nicht ungefragt korrigieren, Professeur Fixus. Aber damals habe ich alle in Ihrem Unterricht behandelten Zaubertränke mit Madame Maxime nachgebraut und die Ergebnisse zur Untersuchung eingereicht." Professeur Fixus nickte und räumte ein, daß diese Art praktischer Leistungsnachweise bei leibesfruchtschädigenden Tränken dann eben nicht möglich sei. "Außer einer direkten Bedrohung ungeborenen Lebens gibt es auch Tränke, die bei schwangeren Frauen nicht dieselbe Wirkung erzielen wie bei gerade nicht schwangeren Frauen oder die zwar nicht entwicklungsschädigend, aber entwicklungsverfremdend auf ungeborene Kinder wirken. Da Sie beide Pflegehelferinnen sind, Madame Dumas und Madame Latierre, habe ich mit Madame Rossignol abgesprochen, daß Sie als Ausgleich für die von Ihnen nicht zu besuchenden Unterrichtsstunden Abhandlungen über Entwicklungsveränderungen bei ungeborenen Kindern zusammenfassen, die mit in die theoretische Prüfungsvorbereitung einbezogen werden. heute werden wir jedoch einen Trank erstellen, der keinerlei bedenkliche Auswirkungen auf ungeborenes Leben hat. Ich gab Ihnen für die Sommerferien auf, sich mit alchemistischen Verfahren zur Materialveränderung zu befassen, um aus lebewesen gewonnene Stoffe zu verstärken oder in ihrer Wirkung zu verändern. Diese Hausarbeiten möchte ich nun von Ihnen haben." Die Lehrerin sammelte alle Sommerferienaufgaben ein, wobei sie Julius fragte, ob es ihm leicht gefallen sei, wo er in den Ferien ja eine Menge Zusatzaufgaben zu erfüllen hatte.
"Ich konnte eine übersichtliche Quelle für die Herstellung des Durolignumelixiers mit anschaulicher Beschreibung finden, die ich im Quellenverzeichnis ausgewiesen habe", sagte Julius. Da er mit Millie zusammengearbeitet hatte hatte die natürlich auch aus besagter Quelle "Materialverbessernde Mixturen" von Ceridwen Barley geschöpft, die nicht nur das Holz verstärkende Durolignumelixier erwähnte, sondern auch Baumwollbelastungsaufbesserungsbäder für reißfeste Baumwollkleidung und Lederelastizitätslösungen beschrieb, von den Rost- und Frostschutzlösungen bei Stein und Metall ganz zu schweigen.
Nachdem die Zaubertranklehrerin alle Hausarbeiten eingesammelt hatte bat sie um eine mündliche Zusammenfassung des Rezeptes für das Durolignumelixier. Fast alle meldeten sich. Professeur Fixus war sehr zufrieden und ließ Patrice Duisenberg das Rezept hersagen, das von unsichtbarer Hand auf der Tafel nachgeschrieben wurde. Als die Lehrerin den Fehleranzeigezauber über das Geschriebene gehen ließ kam heraus, daß Patrice sich nirgendwo vertan hatte.
"Das Elixier kann in einer Doppelstunde hergestellt werden. Allerdings sind die Zutaten schwer zu beschaffen. Daher habe ich für jeden von Ihnen die vorgesehenen Mengen der benötigten Zutaten bereitgestellt. Bitte kommen Sie einzeln zu mir an das Lehrerpult und nehmen Sie die für Ihre Brauarbeiten nötigen Ingredentien entgegen!"
Nach der Doppelten Doppelstunde hatten alle eine wässerig erscheinende Lösung in ihren Kesseln. Die Probe mit Holzstücken zeigte, daß bis auf Apollo Arbrenoir alle den richtigen Zaubertrank hinbekommen hatten. Denn die Holzstücke konnten, einmal für eine Minute in die Lösung getaucht, mehr als das zwölffache der sonstigen Belastung aushalten, so daß an ein streichholzdünnes Stäbchen mehr als ein Zentner Gewicht gehängt werden konnte, bevor es durchbrach.
"Sie erkennen, daß die korrekte Lösung hilft, holzhaltige Komponenten zu stabilen Bestandteilen zu machen. Allerdings empfiehlt es sich, die Holzbestandteile zuerst so zu be- und verarbeiten, daß sie ihre gewünschte Endform erhalten, bevor sie mit dem Durolignumelixier behandelt werden", dozierte die Zaubertranklehrerin. Alle Schülerinnen und Schüler nickten. "So lesen Sie sich bis nächsten Dienstag bitte die Nebenformdiskussion des Durolignumelixiers aus der Abhandlung über die alchemistische Interaktion magisch aktiver Pflanzen mit magisch inaktiven Pflanzen durch, um die Magieverstärkungslösung zur Einbringung kombinierter, dauerhaft wirksamer Zauber in hölzerne Gerätschaften und Bauteile zu brauen. Gerade den dem Besenflugsport verbundenen Schülern unter Ihnen sollte diese Nebenform des Durolignumelixiers sehr bedeutsam erscheinen, falls Sie nach erfolgreich absolvierten UTZ-Prüfungen an einen Werdegang im Flugbesenbau oder Flugbesensport denken. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit! Bis zur nächsten Stunde!" Alle Schüler erwiderten den Abschiedsgruß im Chor und verließen den Klassenraum für magische Alchemie.
In der Pause traf Julius die Erstklässler aus dem grünen Saal wieder. Sie hatten nach dem Unterricht bei Delamontagne die erste Stunde bei Professeur Dirkson gehabt. Allerdings habe nur Denise Dusoleil eine Verwandlungsübung annähernd hinbekommen. In der kommenden Stunde würden sie erstmalig bei Professeur Pallas Zaubereigeschichte haben.
Als die das Fach Transfiguration bis zu den UTZs lernenden Siebtklässler vor dem Klassenraum Professeur Dirksons zusammentrafen hörte Julius Caroline Renard gerade zu Millie sagen: "Die sagt dir gleich auch, was du alles nicht machen darfst. Besser du wiederholst gleich die ganze Klasse!"
"Deshalb habe ich das alles ja schon letztes Jahr gemacht, was in Verwandlung drankommt und auch schon was für Zauberkunst und Abwehr dunkler Zauber vorgearbeitet", sagte Millie. Julius vermutete, daß Caro eher neidisch war, daß Millie bei den Mädchen aus dem roten Saal jetzt eine gesonderte Stellung hatte, nicht weil sie Saalsprecherin war, sondern weil sie ganz bewußt und für alle miterlebbar Mutter würde. Er wollte sich da auch nicht weiter einmischen, solange Caro oder jemand anderes nichts anstellte, was millies und sein Kind gefährdete.
Die junge Lehrerin Eunice Dirkson erwartete ihre UTZ-Klasse Verwandlung bereits vor geöffneter Klassenzimmertür. Ihr seidigweiches, über die Schultern herabreichendes Haar war noch eine Spur dunkler als das der Schulleiterin Faucon. Sie strahlte ihre Schüler freundlich an und winkte ihnen, an ihr vorbei den Unterrichtsraum zu betreten. Als alle an ihr vorbeigegangen waren schloß sie die Tür von innen und eilte mit weit ausgreifenden Schritten zu ihrem Pult. Dann begrüßte sie die Siebtklässler, die in guter alter Beauxbatons-Manier im Chor zurückgrüßten. Professeur Dirkson war mit Julius Bekannter Aurora Dawn in derselben Jahrgangsstufe gewesen. Daher hielt sie nicht viel von der strickten Distanz zwischen ihr und den Schülern, wie sie die meisten anderen Lehrer in Beauxbatons pflegten. Das äußerte sich vor allem darin, daß sie die Schüler mit Du und dem Vornamen ansprach und sie mit einer gewissen Lockerheit behandelte, wo ihre anderen Kollegen eher reserviert bis sehr streng auftraten.
"Die meisten von euch habe ich in den Ferien ja in Millemerveilles sehen können. Da ich dort schöne Ferien verbracht habe vermute ich mal ganz dreist, daß ihr da auch schöne Ferien hattet, sofern ihr nicht zu heftig für die reibungsarme Durchführung der Quidditch-Weltmeisterschaft schaffen mußtet", sagte sie und blickte dabei auf Sandrine, Laurentine, Millie und Julius. "Wenn wir uns alle gut erholt haben können wir nun zum Endspurt übergehen. Heute fängt für euch wie ich hoffe das letzte Schuljahr an." Caroline grinste. Professeur Dirkson fragte sie, was sie amüsiere. Als Caro auf Sandrine und Millie deutete und sagte, daß die beiden wohl lieber noch ein Jahr dranhängen wollten sagte die Lehrerin: "Da komme ich gleich noch drauf, Caroline. Aber wenn ich sage, ich hoffe, daß für euch alle das letzte Jahr anfängt, dann meine ich das so, daß ihr hoffentlich alle Prüfungen schafft und wir vom Lehrkörper keine Bedenken haben, euch für fertig ausgebildet befinden zu dürfen. So und nicht anders habe ich das gemeint. Wer hatte schon bei seinem oder ihrem Saalvorstand?" Die Schüler aus dem roten Saal zeigten auf. "Gut, dann habt ihr das von Professeur Fixus ja schon gehört, daß ihr in diesem Jahr mit den von euch besuchten Fächern herausfindet, ob ihr damit verbundene Berufe ergreifen könnt. Gerade im Bereich der Verwandlung gibt es nicht nur den Lehrerberuf, sondern auch verschiedene Anstellungen, bei denen alle Arten der Verwandlung erforderlich sind. Ihr durftet ja im letzten Jahr einen gewissen Vorgeschmack bekommen, worum es in diesem Jahr hauptsächlich geht." Mit diesen Worten richtete sie ihren Zauberstab auf sich und verschwamm für eine Sekunde zu einem Flimmern. Dann stand ein großes Faß mit Zapfvorrichtung hinter dem Lehrerpult, dessen Deckel sich leicht hob und im Rhythmus von Worten wackelte, die so klangen, als spreche die Lehrerin aus dem Faß heraus: "Die Kunst der vollständigen Selbstverwandlung." Alle Schüler und Schülerinnen staunten. Wie konnte jemand, der sich selbst in einen toten Gegenstand verwandelte immer noch reden? "Ihr fragt euch sicher, wie ich das hinkriege, als großes Faß zu reden, wo ihr zumindest mal mitbekommen habt, daß ich mich am leichtesten in sowas verwandeln kann. Das ist eben die Vollendung der Selbstverwandlung. Wer sich Selbst verwandeln kann vermag noch, sich in gewissen Grenzen mit seiner Umwelt zu verständigen. Besonders gut geeignet sind dafür Selbstverwandlungen in Hohlkörper." Nach diesem Satz flimmerte das Faß und löste sich auf. Einen Sekundenbruchteil später stand Professeur Dirkson wieder hinter ihrem Pult. "Wir hatten es ja schon davon, was bei vollständigen Selbstverwandlungen dringend zu beachten ist. Wer möchte das wiederholen?" Alle zeigten auf. So leicht ergatterbare Bonuspunkte wollte sich keiner entgehen lassen. Belisama durfte dann noch einmal erläutern, daß Hexen oder zauberer, die sich selbst verwandelten, zu allererst einen Zauber in sich wirkten, der ihnen half, sich durch einen konzentrierten Wunsch in ihre natürliche Form zurückzuverwandeln und daß die Dauer der Verwandlung zusammen mit der eigenen Willenskraft und dem Unterschied zwischen Ausgangsform und veränderter Form zu einer geistigen Anpassung an die körperliche Daseinsform bewirken konnte. Patrice fragte Professeur Dirkson einmal, was passiere, wenn jemand einen in einen Hohlkörper verwandelten etwas einfüllte?
"Die Frage habe ich mir auch mal gestellt und es darauf angelegt und mich in der gerade vorgeführten Form mit Met auffüllen lassen. Fühlt sich so an, als würde dich jemand so lange füttern, bis du schwer und zu keiner Bewegung mehr fähig wirst. Berauscht wurde ich davon nicht. Als ich mich dann zurückverwandelt habe stand ich von Kopf bis Fuß in Met getränkt da. Als ich mich dann noch mal in das große Faß verwandelt habe war der süße Honigwein wieder in mir drin. Ich wollte das eigentlich als Kuriiosum in "Verwandlung Heute" veröffentlichen. Aber bei Recherchen, ob jemand das Phänomen schon erwähnt hatte stieß ich auf die in Latein gehaltene Erwähnung eines Zauberers namens Urban Herbstgold aus dem 16. Jahrhundert. Er wollte damals mit seinen Kameraden ausprobieren, ob jemand sich innerhalb von Sekunden den Rausch von zehn Weinkrügen zufügen könne, wenn er sich in ein so viel fassendes Faß verwandelte. Dabei zeigte sich dann dieser Tausch von Inhalt und Umhüllung. War also nichts mit einer spektakulären Neuigkeit meinerseits."
"Kann jeder, der in einen Gegenstand verwandelt wurde sprechen wie Sie?" fragte Apollo Arbrenoir.
"Fremdverwandelte, die es sich nicht ausgesucht haben können sich weder bewegen noch mitteilen, wenn der Verwandelnde ihn in eine gegenständliche Daseinsform gezwungen hat. Das ist ja, was ich schon letztes Jahr erwähnte, daß die magische Rechtsprechung das als Freiheitsberaubung unter Ausnutzung der Magie behandelt. Wer sich selbst verwandeln kann vermag die Beherrschung über seine Bewegungen und Sprachfertigkeiten zu behalten, wobei er oder sie dann natürlich keine menschlichen Sprechorgane besitzt. Die Worte sind dann hörbar werdende Gedanken, die wie gerade vorgeführt bei als Behälter oder sonstige Hohlkörper herumexistierenden Hexen und Zauberern besonders leicht und verständlich zu hören sind. Das bekommt ihr aber alles selbst heraus, wenn ihr euch in diesem Jahr ranhaltet und alle, die es noch nicht geschafft haben, die vollständige Selbstverwandlung in Tiere, Pflanzen und Gegenstände hinbekommen. Ihr habt ja mitbekommen, daß eure Klassenkameraden Mildrid, Julius und am Ende auch Laurentine schon entsprechende Übungen hinbekommen haben, weil bei Laurentine und Julius eine sehr hohe Zauberbegabung vorhanden ist und Mildrid aus freien Stücken vorarbeiten wollte, um die praktische UTZ-Prüfung Transfiguration zu bestehen, da sie ja für dises Jahr bereits auf Familienzuwachs hinarbeiten wollte und in der Hinsicht erfolgreich war, wie wir ja alle erfahren durften. Damit komme ich dann auch zu deinem Einwand, Caroline", sagte Professeur Dirkson und blickte kurz zu Caro und dann zu Sandrine und Millie. "Ich weiß von den jungen Eheleuten Dumas, daß sie eigentlich in diesem Jahr noch nicht auf Nachwuchs hinarbeiten wollten. Daß Sandrine dennoch wie Mildrid in freudiger Erwartung ist kann als nicht beabsichtigt bezeichnet werden. Madame Faucon teilte mir als Lehrerin eines zauberstabbasierenden Faches die näheren Gründe für den doch schon jetzt zu erwartenden Zuwachs mit. Sie bat mich jedoch, darüber zu schweigen, was genau passierte, sofern Sandrine und ihr Mann es nicht von sich aus erwähnen möchten. Allerdings muß ich Sandrine wie Mildrid von den hier zu übenden Selbstverwandlungen suspendieren, weil es durchaus schon vorkam, daß schwangere Hexen bei Selbstverwandlungen unerwünschte bis unumkehrbare Auswirkungen auf sich und ihr ungeborenes Kind herbeiführten. Dies reichte von dem Verlust der Leibesfrucht bei der Zustandsänderung zu Wasser oder Nebel, der bei Rückverfestigung mit einem Verlust der Gebärmutter einherging und zum Verbluten führte, wie auch zu einer körperlich-geistigen Verschmelzung zwischen Mutter und ungeborener Tochter oder dem Festhängen in einer kleinwüchsigen Zwitterform endete, wo die Körpergröße von Mutter und ungeborenem Sohn die Hälfte der Gesamtlänge betrug und wegen der Blutsverwandtschaft nicht mehr umzukehren war. Die so entstandene Mischform mußte neu lesen und sprechen lernen. Ja, Mildrid?" Millie hatte den Arm gehoben, während Sandrine leicht erbleichte und die anderen Mädchen verstört umherblickten.
"Bei der körperlich-geistigen Verschmelzung zwischen Mutter und ungeborener Tochter mußte die so entstandene Hexe als gerade mal neunzig Zentimeter große, halbwüchsig geformte Hexe weiterleben, ohne wieder neu aufzuwachsen, weil sie bei Antritt der Schwangerschaft dreißig Jahre alt war und diesen Selbstversuch machte, als sie im fünften Monat war. Eigentlich wollte sie wohl rauskriegen, ob es möglich war, sich etwas größer zu machen, um überschüssiges Gewicht besser zu verteilen. Tja, und dann war sie ein gerade kleinkindgroßes, körperlich wie fünfzehn aussehendes Mädchen und mußte alles neu lernen, weil ihre Tochter noch nicht genug hörbares im Gedächtnis hatte. Meine Tante und Ersthelferausbilderin hat mir das erzählt, daß ich bloß nicht auf die Idee komme, mich selbst zu verwandeln, solange ich schwanger bin." Sandrine nickte heftig. Bisher wußten nur ganz wenige, daß sie Zwillinge trug. Wie verheerend mochte sich eine derartige Selbstverwandlungspanne auf sie auswirken, vor allem, falls sie von jedem Geschlecht ein Kind trug?
"Ja, aber diese sogenannte Postnatalzwergin, wie "Wirrungen der Verwandlung" sie nannte, konnte gesunde Kinder zur Welt bringen und wurde stolze dreihundert Jahre alt. Sie lebte von 1649 bis 1949 in Österreich."
"Gut, was ich sagen wollte ist bei euch wohl allen angekommen", erwiderte Professeur Dirkson. "Millie und Sandrine werden keine Selbstverwandlungen ausführen. Sie sind biologisch entschuldigt. Ähm, ja, ich verstehe, daß du den Begriff von woanders her kennst, Laurentine." Die im letzten Jahr als überragende Hexe enthüllte Tochter einer Muggelfamilie hatte gegrinst. Sie deutete dann an, daß der Begriff bei Muggeln im Sportunterricht für Frauen oder Mädchen während der Monatsblutung verwendet wurde, um sie freizustellen. "Und genau deshalb erhalten Mildrid und Sandrine auch keine Versäumnisstrafen oder dergleichen. Sandrine wird zwar erst bis ein halbes Jahr nach einer hoffentlich beschwernisarmen Niederkunft die anstehenden praktischen Prüfungen machen können, was sie jedoch nicht davon abhält, die theoretischen Prüfungen mitzumachen. Soweit ich weiß hat es vor sieben Jahren in Thorntails in den USA auch eine junge Mutter gegeben, die ihre UTZ-Prüfungen nach der Geburt ihres Kindes ablegen konnte. In den UTZ-Wertungen steht dann ein TG für Theoretisch geprüft mit einer Andeutung ob die Theorie auf eine ebensogute Praxis hoffen lasse oder die Praxis den Erfolg der Prüfung retten müsse. Nur so viel dazu, die Herrschaften. Um Sandrine und Mildrid nicht im Unterricht gelangweilt herumsitzen zu lassen werden sie halt die Verwandlung an größeren Objekten und Tieren, sowie die vollständige Verwandlung von gerade nicht schwangeren Kameraden üben, natürlich von mir beaufsichtigt. Außerdem können sie die Materialisation und Apportation von Dingen und Lebewesen üben, die ihr im letzten Jahr bereits erlernt habt."
"Toll, ich darf mich für Millie als Versuchsperson zur Verfügung stellen?" Fragte Caroline vergrätzt. Millie wirkte nach außen ungerührt. Julius fühlte jedoch, daß es in der Seele seiner Frau zu brodeln begann.
"Betonung liegt auf darf, Caroline. Aber wenn du fürchtest, deine Hauskameradin könnte auf Grund ihrer anderen Umstände zu Fehlschlägen neigen kann und werde ich dich nicht zu entsprechenden Hilfsleistungen zwingen", sagte Professeur Dirkson. Millie lächelte. Caro warf dann ein, daß Julius sich ja für seine Frau zum Verwandeltwerden anbieten könne. Julius fragte sich, ob Caro das mitbekommen hatte, was damals mit ihm und Sandra Montferre passiert war. Natürlich war das im roten Saal herumgegangen. Dann war Caros Bemerkung nicht nur frech sondern gemein.
"Geschlechtsgleichheit, Caro. Nachher prägt jemand noch sein oder ihr Geschlecht wem anderen auf", sagte Professeur Dirkson. Laurentine hob die Hand und meldete an, sich für Millies Verwandlungsübungen zur Verfügung zu stellen, ebenso Patrice. Die sollte dann aber mit Sandrine zusammen üben, aber eben nur unter der Aufsicht der Lehrerin. Damit war auch das Thema ohne großes Getöse vom Tisch. Julius bewunderte die Landsmännin, daß sie den besonderen Umstand nicht erwähnen mußte, daß er durch Ursuline Latierres Lebenskraftverstärkung anfällig für eine Verwandlung in ihre ungeborene Zwillingsschwester seines körperlichen Alters empfänglich war, sobald eine mit Ursuline nahe oder zweitrangig blutsverwandte ihn mit einem beliebigen Verwandlungszauber belegte. Denn das mit der Geschlechtsveränderung stimmte so nicht, weil er sonst wohl kaum mit Constance und Laurentine im letzten Jahr Fremdverwandlungsübungen hätte machen können und Professeur Dirkson, die sich auf ihre Anweisung hin von ihm in eine Kuh hatte verwandeln lassen, als Stier durch die Gegend gelaufen wäre. Aber wenn die anderen das nicht wußten. Caro grinste verschlagen. Also hatte sie doch darauf spekuliert, daß Julius seine Schwiegergroßtante hätte werden können.
Um sich nicht zu lange mit Gerede aufzuhalten wurden erst Verwandlungen an größeren Gegenständen und Tieren aufgefrischt. Julius mußte mal wieder ungesagt alles mögliche verwandeln, am Ende noch einmal die eingeübten Zustandsveränderungszauber vollführen, die die anderen außer Millie und Laurentine erst noch zu lernen hatten. Am Ende der Doppelstunde waren alle sichtlich erschöpft und hungrig. Auch Julius meinte, mehr Hunger zu haben als sonst. Schlugen Millies aufwallende Hormone bei ihm durch? Hoffentlich war das nur die Erschöpfung vom Unterricht.
Als alle Schüler die Klasse verlassen durften hielt Professeur Dirkson Sandrine, Millie und Julius zurück. Sie schloß noch einmal die Tür und deutete auf drei leere Stühle beim Lehrerpult.
"Ich bin zwar nicht eure Saalvorsteherin. Aber ich habe schon mitbekommen, daß einige von euren Kameradinnen mit einer gewissen Mischung aus Neid und Schadenfreude auf euch zwei reagieren, Sandrine und Mildrid. Da ihr drei Saalsprecher seid, wie geht ihr damit um? Ich frage das jetzt aus der Warte einer schlagartigen Dreifachmutter, nicht als Fachlehrerin."
"Caroline ist neidisch, weil sie gerne an meiner Stelle wäre. Professeur Fixus weiß das und Madame Rossignol wird es von mir bei der ersten Pflegehelferkonferenz gesagt bekommen", erwiderte Millie. Sie deutete auf Julius und sagte: "Sie findet, ich hätte ihn mir als tollen Zuchtbullen zugelegt, wird das aber öffentlich nicht sagen, weil Sandrine, Gérard, Julius und ich vereinbart haben, jede gegen einen von uns vieren geäußerte Unverschämtheit gleich mit fünfzig bis zweihundert Strafpunkten zu bedenken. So biestig Caroline Renard ist, sie ist nicht blöd. Wenn sie aus dem Gasthaus ihrer Eltern rauskommen will und nicht ihr ganzes Leben als Schankmädchen von den ganzen Säufern und Hexenstechern dumm angequatscht werden will braucht sie die UTZs. Deshalb hält sie sich zurück. Das eben mit Julius und mir hat sie wohl gesagt, um zu erfahren, ob Sie das schon wissen, daß wegen eines Lebenskraftgeschenks meiner Großmutter Julius nicht von einer von uns Latierres verwandelt werden darf, weil er sonst zu einer Zwillingsschwester meiner Großmutter wird und dann schwer bis gar nicht zurückverwandelt werden kann."
"Was?" Fragte Sandrine und erschauerte. Julius nickte und erwähnte die Begebenheit, von der Professeur Dirkson schon längst wußte.
"ja, und dann könnte Julius sogar unumkehrbar verwandelt werden, weil eine magische Verquickung zwischen ihm, Mildrid und dem gemeinsamen Kind entstünde. Abgesehen davon könnte es sogar zu einer Verdoppelung der Leibesfrucht kommen und Julius mit dem Zwilling schwanger werden. Insofern schon sehr hart an der Hundert-Punkte-Grenze, was Caroline sich geleistet hat. Aber da ich im Unterricht Strafhoheit habe habe ich, um keinen weiterführenden Konflikt anzufachen, noch einmal von einer Bestrafung abgesehen", sagte Professeur Dirkson. Dann wandte sie sich an Sandrine: "Ich bekam als Lehrerin natürlich von Madame Faucon zu hören, daß du sogar Zwillinge erwartest, Sandrine. Mir wurde auch berichtet, warum du in diesem Jahr schon Mutter wirst und daß das nicht von dir und deinem Mann geplant war." Sandrine verfiel in eine kampfbereite Körperhaltung. Professeur Dirkson übersah es und sprach ruhig weiter: "Ich habe von dieser Gaunerbande auch schon gehört, die diese Art von Partys feiert, um unbescholtene Hexen und Zauberer zu ungewollten Sachen zu treiben. Da ich in Beauxbatons gerade die einzige Hexe bin, die Erfahrungen mit Mehrlingsgeburten hat wollte ich dir, Sandrine und euch Pflegehelfern Mildrid und Julius nur mitteilen, daß ich von Madame Rossignol gefragt worden bin, dir beizustehen, falls du wegen der doppelten Belastung Probleme haben solltest, Sandrine."
"Ich will die beiden kriegen", knurrte Sandrine. "Egal ob das jetzt von dieser verdammten Panscherei kommt, die wir getrunken haben oder weil ich es hinter mich bringen möchte oder weil Gérard und ich sowieso mindestens zwei Kinder haben wollten und es nun eben dieses Jahr passiert. Ich trage die fertig aus und bring die zur Welt, egal ob die mir dafür den halben Unterleib zerreißen."
"Ich habe auch nichts angedeutet, daß ich dir eines oder beide da unten herausnehmen und selbst tragen will. Gerade weil ich drei auf einen Wurf hinbekommen habe würde ich mir sowas nur noch mal antun, wenn ich wen finde, mit dem ich aus unbeeinflußter, ehrlicher Liebe heraus Kinder haben möchte. Ich biete eben nur an, dir mit meinen Erfahrungen zu helfen, falls du mit deiner besonderen Lage Schwierigkeiten bekommen solltest. Mehr war nicht, ist nicht und wird auch nicht." Sandrine entspannte sich wieder. Millie und Julius tauschten einen kurzen Blick aus. Professeur Dirkson erwähnte dann noch, daß sie bereits einen Übungsplan erstellt hatte, damit Sandrine und Mildrid ohne Gefährdung ihrer Kinder gleichwertige Leistungen im Klassenverbund erbringen konnten. Danach ließ sie die drei Goldbroschenträger zum Mittagessen abrücken.
"Wenn Caro Sandrine dummkommt kriegt die Sabberhexe Krach", grummelte Gérard. "Aber Professeur Dirkson ist wohl ganz gelassen, wenn die sowas locker umbiegt."
"Sie will eben nicht, daß sich Leute in ihrem Unterricht zanken. Vielleicht wollen wir alle das nicht wissen, was passiert, wenn doch wer im Unterricht miese Sprüche klopft", sagte Julius. "Wenn ich gesehen habe, wie Unittamo einmal Jacques Lumière abgestraft hat, weil der mit magischer Leuchtfarbe herumgepanscht hat kann ich mir vorstellen, daß Professeur Dirkson auch mal eben einen erinnerungswürdigen Verwandlungszauber aus dem Ärmel schüttelt."
"Tja, dann soll Caro sich besser zurückhalten", erwiderte Gérard. Julius nickte bekräftigend.
In der ersten Stunde Protektion gegen destruktive Formen der Magie, wie das Fach Verteidigung gegen dunkle Künste akademisch ausgeschmückt genannt wurde, ging es um die Ziele des letzten Schuljahres. Professeur Phoebus Delamontagne, der ehemalige Gegenspieler des diktatorisch regierenden Zaubereiministers Janus Didier, richtete sich zu seiner vollen Größe vor der versammelten Abschlußklasse auf. In seinem mitternachtsblauen Umhang mit silbernen Sternenmustern und dem gleichfarbigen Spitzhut sah er wie ein klassischer Märchenbuchzauberer aus. Er blickte kurz alle an und sprach mit den Raum ausfüllender Stimme: "Mesdames, Messieurs et Mesdemoiselles, ich begrüße Sie alle zum wohl entscheidenden Jahr Ihrer magischen Ausbildung. Als sie vor zwei Jahren die allgemeinen Zauberergrade erwarben und sich dafür entschieden, die Schutz- und Abwehrzauber gegen bösartige und zerstörerische Zauberkräfte und -wesen bis zum Ultimativen Test Zauberfähigkeiten zu erlernen, wußten Sie alle ganz sicher, wie umfangreich, komplex, Verantwortungs- und gefahrvoll das Studium der Abwehr dunkler Zauberei und Zauberkreaturen ist. Daß Sie alle, die Sie vor mir versammelt sind, dennoch dieses Unterrichtsfach als UTZ-Kurs erwählt haben zeigt mir deshalb, daß Sie sowohl Verantwortung für sich und die Menschen in ihrer Umgebung zu übernehmen gewillt sind, als auch, daß Sie alle, die Sie gerade vor mir sitzen, Ihren Beitrag zu einer etwas besseren Welt der magischen und nichtmagischen Lebewesen leisten möchten. Trotz der bereits erfahrenen Schwierigkeiten und der zu überwindenden Hürden haben Sie sich klar entschieden, in der Zurückdrängung bösartiger Magie alles zu lernen, was zur reinen Abwehr und Schutz vor solchen düsteren Bedrohungen wichtig und nötig ist. Wie zerstörerisch und heimtückisch dunkles Zauberwerk werden kann werden Sie in diesem entscheidenden Jahr Ihrer Ausbildung erfahren. Sie werden von mir erfahren, wie verheerend schwarzmagische Elementarzauber sind, wie heimtückisch und verheerend schlummernde Flüche sein können und wie gnadenlos von dunklen Kräften beseelte Wesen sein können, wenn Ihnen nicht mit wirksamen Zaubern oder Ritualen entgegengewirkt wird. Ich unterscheide deshalb zwischen direktem Zauber und magischem Ritual, weil Sie in diesem Jahr als Krönung der in Beauxbatons nötigen und zulässigen Unterrichtseinheiten erlernen werden, daß Magie, je mächtiger und dauerhafter sie wirken soll, so umfangreich und kompliziert aufgebaut werden muß. Es gibt Flüche, die können nicht durch eine simple Zauberformel aufgehoben werden, weil sie nach dem Aufruf eine Art Eigenleben entwickeln, das ähnlich wie das von Tieren und Menschen einen Selbsterhaltungs- und Fortpflanzungstrieb erfährt." Einige grinsten, als er das letzte sagte. "Natürlich müssen Sie jetzt amüsiert sein, wo hier in der Klasse zwei Damen sitzen, die in diesem Jahr Nachwuchs erwarten und damit ihrer im Erbgut verankerten Neigung zur Erhaltung der eigenen Art nachkommen. Aber dazu gleich noch an der geeigneten Stelle noch einige Worte. Wo war ich? Richtig, das gewisse Eigenleben von einmal aufgerufenen Flüchen. Um es zu beenden beziehungsweise die in ihm gebündelte Kraft unschädlich abzubauen bedarf es oft mehr als nur eines einzigen Zauberspruches. Wie die Kunst der simultanen Zauberei, die jene unter Ihnen, die den UTZ-Kurs Zauberkunst belegen es dieses Jahr ergründen dürfen, und wie die Kunst der simultanen und durch sorgfältige Vermischung gebrauten Tränke aus vier Kesseln zu Gleich für die Zaubertrankbraukunst, so stellen stufenweise ausgeführte Zauber im Verbund eines magischen Rituals die eigentliche Leistung der Schutz- und Abwehrzauberkunde gegen bösartiges Zauberwerk dar. Denn, das haben Sie natürlich alle sofort begriffen, umgekehrt vollziehen sich wahrhaft verheerende Zauber durch das stufenweise Ineinanderfügen magischer Abläufe, gekettete oder verschmolzene Flüche, Schöpfungen dunkler Kräfte wie Golems, lebender Leichname oder mit dunklen Zaubern behafteter Pflanzen. Um sich wirksam dunklen Kräften widersetzen zu können müssen Sie jedoch vor allem Ihren eigenen Geist beherrschen, seine Grenzen erweitern und Ihre Selbstbeherrschung unter allen Umständen zu bewahren verstehen, auch wenn Sie mit Gefühlsbeeinflussungszaubern, dem Imperius-Fluch oder anderen in Ihren Geist eindringenden Kräften zu tun bekommen. All diese so wichtigen Grundlagen werden Sie dieses Jahr von mir erlernen." Delamontagne blickte noch einmal in die Versammlung der Schüler. Dann sah er erst Sandrine und dann Millie an, während er sagte: "Wir alle durften ja von Madame Faucon erfahren, daß Madame Sandrine Dumas und Madame Mildrid Latierre im kommenden Frühjahr Nachwuchs erwarten. Da es im Verlauf dieses Kurses zu Übungen kommt, die eine gewisse Gefährdung der eigenen Unversehrtheit und damit des Wohls ungeborener Kinder nach sich ziehen können, bin ich verpflichtet, den beiden erwähnten Kandidatinnen von der Teilnahme an diesen Übungen abzuraten, bis die in ihrer körperlichen Obhut heranwachsenden Kinder geboren sind und dadurch keine unmittelbare Gefährdung zu befürchten haben. Um den beiden Damen einen gleichberechtigten Leistungsnachweis zu ermöglichen werden sie in der Zeit, wo Ihre Mitkandidaten die erwähnten praktischen Übungen absolvieren die Objektschutzzauber und Eigenschutzzauber üben, die selbst bei möglichen Fehlern keine schädlichen Auswirkungen auf Sie und die von Ihnen ausgetragenen Kinder haben oder eingehend über bösartige Zauberwesen referieren, die wir im Unterricht behandeln. Sie dürfen sich aus der Liste der zu diskutierenden Kreaturen welche aussuchen und erhalten dann von mir einen Terminplan, wann Sie über welches Geschöpf der dunklen Zauberkräfte berichten dürfen." Millie und Sandrine nickten einverstanden, während die anderen, vor allem Jacques Lumière und Caro Renard verächtlich grinsten. Delamontagne sah dies und fragte nach dem Grund dafür. Jacques warf ein, daß die beiden ja locker das Jahr noch mal machen könnten, weil gerade in diesem Fach so viel gefährliches Zaubern drankam. Caroline druckste herum, daß sie lieber früh mit der Schule fertig sei als sich wegen eines viel zu früh kommenden Kindes von dem meisten ausschließen zu lassen. Professeur Delamontagne argwöhnte zwar, daß die beiden etwas verächtliches über die beiden schwangeren Mitschülerinnen sagen wollten, aber aus berechtigter Furcht vor vielen Strafpunkten kein falsches Wort sagten. So blieb ihm nur, die restlichen Schüler zu ermahnen, daß er in seiner Eigenschaft als Saalvorsteher der Grünen bereits im Vorfeld über Gérards und Julius' Vaterschaft erfahren habe und er sich jede abwertende Äußerung darüber verbitte. Vor allem für die Blauen und Roten sagte er: "Ich weiß nicht, wie Ihre Saalsprecher mit dieser Situation umgehen, die Damen und Herren. Wir vom Lehrkörper haben uns in der Zusammenkunft zum Schuljahresbeginn am Tag Ihrer Anreise darauf verständigt, bei abwertenden oder die Arbeitsmoral eintrübenden Äußerungen gleich zweihundertachtzig Strafpunkte zu verhängen, was der durchschnittlichen Dauer einer Schwangerschaft in Tagen entspricht. Sie sind hiermit gewarnt, die Herrschaften." Das schlug bei allen ein wie ein Meteorit. Caro erbleichte. Offenbar zählte sie schon die gerade so an ihr vorbeigegangenen Strafpunkte. Jacques gefror das Grinsen zu einer Maske der Verstörtheit, und Leonie schien zu überlegen, ob sie dieses Strafmaß nicht für zu hoch empfand, weil die Roten dann leicht in einer Woche mehr als tausend Strafpunkte abräumen konnten, womit sie in der Jahresendwertung vielleicht sogar hinter die sonst auf den letzten Platz stolzen Blauen zurückfallen konnten.
Nachdem Delamontagne seine Ansprache und klaren Ankündigungen beendet hatte sammelte er die aufgegebenen Arbeiten zum Thema unsichtbare Zauberfallen und Abwehrbanne ein. Danach wies er seine Schüler an, jeder für sich aufzuschreiben, was er oder sie sich unter schwarzmagischen Elementarzaubern vorstellte, um den Boden für weiterführende Diskussionen zu bereiten. Julius erwähnte alles, was Mrs. Porter ihm über die Abgrundstöchter und die von Ihnen von Natur aus beherrschten Elementarzauber erzählt hatte, vor allem das dunkle Feuer Hallittis, in dem er damals zwei Mitstreiterinnen Anthelias hatte verbrennen sehen müssen. Er erinnerte sich auch an die Berichte, denen nach besagte Hexenlady den durch radioaktive Strahlung umgewandelten Vampir Volakin vernichtet hatte, indem sie eine mit schwarzer magie gespeiste Flutwelle heraufbeschworen hatte. Aus dem Prozeß gegen die Malfoys kannte er Harry Potters Bericht über den Kampf gegen Dracos einfältige Kumpane Crabbe und Goyle, bei dem der Dämonsfeuerbeschwörer Crabbe Opfer der von ihm selbst entfesselten Vernichtungskraft geworden war. Dann fiel ihm mit Schrecken wieder ein, wie Sebastian Pétain in einem blauen Feuer zerschmolzen war, als der aus seiner Gefangenschaft zurückgekehrte Zaubereiminister Grandchapeau ihm gesagt hatte, daß seine Geliebte Syrinx ihn wiederhaben wolle. Delamontagne hatte diesen tückischen Zauber als Schmelzfeuerfluch bezeichnet und erwähnt, daß die blauen Flammen alles lebende Gewebe auflösten und zu neuen Flammen werden ließen, bis kein weiteres Lebewesen in der Reichweite der Flammen geriet. Über die Elementarmonster in der verborgenen Stadt Khalakatan schrieb er jedoch nichts. Den Terradevoratus-Zauber, mit dem Voldemorts Handlanger sein Elternhaus und dessen Nachbarhäuser in einem großen Krater hatten versinken lassen, erwähnte er mit unverhohlener Wut und Betrübtheit. Er vermutete dann noch, daß Zauber zur Verursachung von Naturkatastrophen wie Wirbelstürmen, Erdbeben oder Vulkanausbrüchen unter dem Titel dunkle Elementarzauber zusammengefaßt werden könnten. Als die von Delamontagne veranschlagten dreißig Minuten um waren forderte der Lehrer jeden und jede einzeln auf, vorzulesen, was er oder sie aufgeschrieben hatte. Das mit der vernichtenden Flutwelle hatten alle irgendwie schon mitbekommen und vermuteten auch, daß Erdbeben- oder Erdrutschzauber in die Kategorie böser Elementarzauber fielen. Was die Macht magischen Feuers anging trumpften alle mit großem Vorstellungsvermögen auf. Allerdings hatte nur Julius das dunkle Feuer und den Schmelzfeuerfluch erwähnt. Laurentine hatte bläulich leuchtendes, eiskaltes Feuer erwähnt, Jacques wollte wissen, daß es ein nur auf Gesteinsformen zerstörerisch wirkendes Feuer gab. Delamontagne nickte jedem zu und verteilte für exakt erwähnte Zauber fünf und für in die richtige Richtung zielende Vorstellungen je zwei Bonuspunkte. Dann sagte er:
"Sie sehen also, daß es in der Handhabung der Elementarkräfte einen großen Spielraum gibt, im Guten, aber vor allem im Bösen. Monsieur Latierre erwähnte die unrühmliche Begegnung mit einer eindeutig menschenfeindlichen Kreatur, die im Zuge ihrer Entstehung licht und Wärme schluckende Flammen erzeugen konnte. Diese wirkten sich vor allem auf lebende Wesen oder metallhaltige Dinge aus. Den dunklen Künsten zugeneigte Zauberkundige erlernen die Beschwörung dieses dunklen Feuers, das auch als Flamme der Finsternis bezeichnet wird. Es kann mit magischem Feuer wie es im zauber Flammurus oder Flammanulus beschworen wird, eingedämmt werden, Feuer und Gegenfeuer sozusagen. Der Schmelzfeuerfluch, wie er bei der Gerichtsverhandlung gegen den feindlichen Spion Pétain, der sich in die höchsten Ränge des Zaubereiministeriums einschleichen konnte wirksam wurde. Da er auf einen winzigen räumlichen Abschnitt eines Lebewesens oder von diesem benutzten Gegenstandes gebündelt wird ist er mit Flucherkennungszaubern schwer bis gar nicht zu orten und gehört daher zu den heimtückischsten Zauberfallen überhaupt und rangiert in derselben Gefahrenklasse wie andere Situationsflüche, die jedoch Ortsgebunden aufgerufen werden oder progressive Flüche, die das von mir angedeutete gewisse Eigenleben entwickeln. Ebenso darf das Dämonsfeuer diesen quasi lebendigen Flüchen zugerechnet werden, was sich vor allem in der Entstehung von eigenständig handelnden Geschöpfen aus purem Feuer äußert. Die Flammen des Dämonsfeuers können nicht mit Wasserstrahlen oder dem Brandlöschzauber Extingio gelöscht werden, da ihre Kraft um ein vielfaches größer ist als die gewöhnlichen Feuers. Zum einen kann es der, der es rief durch einen Rückrufzauber wieder löschen, der aber nur solange gelingt, solange sich das Dämonsfeuer nicht stärker entwickelt hat als die höchste anwendbare Zauberkraft des Beschwörers. Daher kann es leicht der Kontrolle seines Erzeugers entgleiten und wie von Monsieur Latierre korrekt wiedergegeben seinen Verursacher selbst töten. Dämonsfeuer ernährt sich von allem brennbaren und lebendigem und vermehrt sich durch Teilung und Nachwachsen der schwarzmagischen Flammengeschöpfe. Es gibt einen Schutzzauber, um die Dämonsfeuerkreaturen vom eigenen Leib fernzuhalten. Er heißt Aura Sanignis und vermag seinen Anwender vor magischem Feuer zu schützen, wie der Flammengefrierzauber es bei unmagischem, brennstoffabhängigem Feuer vollbringt. Wenn jedoch bereits dunkle Flammen oder erwähnter Schmelzfeuerfluch auf einen übergesprungen sind, kann der zauber nicht mehr aufgerufen werden. Neben den Feuerzaubern gibt es, wie Sie alle zu recht erwähnt haben, eine Menge Erdbeeinflussungszauber, die durch dunkle Kräfte verstärkt größere Verheerungen anrichten können oder den Boden, auf dem jemand geht zu einer tödlichen Falle machen, wie der Giergrundzauber, der Gestein mit einem unbändigen Drang nach lebender Materie aufläd, so daß ein argloses, sich am Boden bewegendes Lebewesen von granithartem Untergrund wie Wasser von Sand aufgesogen und vernichtet wird. Die Lebenskraft des Verschlungenen bewirkt eine Verstärkung und Ausdehnung des verwünschten Bodens, bis der zauber durch einen Erdfriedenszauber oder das Erreichen freien Wassers wie einen Flußlauf oder Meeresbrandung gebrochen wird. Dann hatt Monsieur Latierre auch den Terradevoratus-Fluch erwähnt, der große Gebäude oder Geländeformationen in einem aufbrechenden Krater versinken lassen kann. Hierfür müssen jedoch mehrere ihn kennende zusammenarbeiten. Natürlich ist auch mir bekannt, Monsieur Latierre, woher Sie diesen Zauber kennen, beziehungsweise, daß sie dessen Auswirkung mitbekommen mußten. Mit dem Sturm der Finsternis wird eine mächtige Windhose um den Aufrufer herum erzeugt, die sich ausbreitet und durch die Aufnahme von Bewußtseinsenergie angefacht wird. Übersteigt er eine bestimmte Ausdehnung, kann er dem Aufrufer entgleiten und diesen mit sich reißen und töten. Ähnlich verheerend wirkt sich die von Ihnen, Monsieur Latierre und Ihnen, Mademoiselle Hellersdorf erwähnte Schlingflut aus. Hierbei wird das Wasser der Umgebung dazu gezwungen, zu einer mächtigen Flutwelle zusammenzufließen, die in Richtung des Ausrufenden rollt und dabei durch zerstörerische Zauberkraft zwanzigmal mehr Schaden anrichten kann, als fließendes Wasser es ohnehin tun würde. Um mehr als hundert Vampire auf einmal zu vernichten ist sie zwar ein probates Mittel, kann aber eben auch durch den Aufruf Kraft aus dem Aufrufer ziehen und diesen selbst verschlingen. Dann gibt es noch viele Arten tödlicher Nebelzauber und das dunkle Eis, welches einer weiteren der von Ihnen, Monsieur Latierre erwähnten Abgrundstochter in die dunkle Wiege gelegt worden ist. Diese Form von mit keiner magielosen Wärmequelle schmelzbarem Eis ist zwanzigmal stärker als gewöhnliches Eis und kann Dinge oder Wesen innerhalb von Sekunden gefrieren, wobei ein perfider Anwender vorabbestimmen kann, ob ein von dunklem Eis verschlungenes Lebewesen stirbt oder nur Aktionsunfähig und unerreichbar eingekerkert wird. Verschätzt sich der Beschwörer dieser dunklen Elementarzauberei jedoch in seinen eigenen Kräften, so kann es ihm passieren, daß die Beschwörung ihm alle Kraft entreißt und er bei Aufruf des Zaubers stirbt und eins mit dem dunklen Eis wird, daß er heraufbeschworen hat. Dieser Zauber ist also wie jeder andere Schadenszauber auch dazu fähig, den Verwender selbst zu schädigen. Das sind alles nach außen wirksame Zauber, die bei zunehmender Ausdehnung und Stärke immer schwerer zu kontern sind. Hierbei spielen die Überwindung des räumlichen Widerstandes und die durch den bösartigen Zauber aufgenommenen Kräfte aus der Umwelt eine wichtige Rolle. Natürlich gilt hier die allgemeine Weisheit, daß es besser ist, diese zauber erst gar nicht groß und stark werden zu lassen. die Bekämpfung dunkler Elementarzauber wird bis zur Ankunft der Delegationen aus Hogwarts und Greifennest unsere erste große Unterrichtseinheit sein. Was danach drankommt kündige ich Ihnen an, wenn wir die für den UTZ-Kurs eingetragenen Schüler aus Hogwarts und Greifennest bei uns begrüßen dürfen." Danach schrieb Delamontagne noch einmal die seiner Auffassung nach schlimmsten dunklen Elementarzauber an die Tafel und erwähnte noch einmal, daß seine Klasse bei ihm lediglich die Abwehr dieser Zauber erlernen würde, wobei sie hierfür zwischendurch aus dem Palast hinaus mußten, da heftige Flächenzauber den Palast und das Gelände von Beauxbatons gefährden mochten. "Da Sie alle die Apparierprüfung bestanden haben ist es von Vorteil, uns für wahrlich gefährliche Übungen außerhalb der Appariereindämmung von Beauxbatons aufzuhalten. Natürlich werde ich alle denkbare Vorsorge treffen, Sie, die dann an den Übungen teilnehmen dürfen, nach bestem Wissen ungeschoren davonkommen zu lassen, falls Sie die Abwehrzauber gegen die losgelassenen Verheerungen nicht vollbringen können. "
Den Rest der Nachmittagsstunde verbrachten die Schüler mit Notizen zu dem, was Delamontagne erzählt hatte und einem kurzen Übungsduell, um die über die Ferien eingeschlafenen Reflexe wiederzubeleben. Millie und Sandrine sollten derweil aus der Liste zu bösartigen Zauberwesen aussuchen, worüber sie zu gegebener Zeit referieren sollten. Damit klang die erste Nachmittagsstunde im neuen Schuljahr aus.
Da Dienstags normalerweise Quidditchtraining für die Grünen anstand, es aber wegen des trimagischen Turnieres kein Schulquidditchturnier geben würde, hatte die Mannschaft einen freien Nachmittag. Julius ging an den schuleigenen Strand. Patrice hatte Strandaufsicht. Deshalb meinten einige Blaue, sich mehr herausnehmen zu können als bei anderen. Das dachten sie aber nur solange, bis Patrice sie mit dicken, eiskalten Wasserstrahlen aus ihrem Zauberstab wortwörtlich abkühlte. Ähnlich behandelte sie rauflustige Rote, die mal wieder meinten, Pierre Marceau zu behelligen und ihn von Gabrielle Delacour wegzudrängen. Dann rief sie ihnen keck zu: "Professeur Dirkson hat heute morgen im Unterricht gesagt, daß wenn eine Hexe einen Zauberer verwandelt der auch zum Weibchen von was immer werden kann. So wie ihr drauf seid gebt ihr sicher geniale Muttersäue ab." Das wirkte heftiger als die Eiswasserstrahlen gegen die Rauflustigen. Sie begriffen nun, daß Patrice tatsächlich unerbittlich sein konnte, wenn sie wollte.
Nach dem Abendessen ging es im Seminar intelligente Zauberwesen um die Maskottchen der Quidditch-Weltmeisterschaft. Professeur Delamontagne bekundete, daß ihn vor allem die Meigas, Selkies und Huldren imponiert hatten und er deshalb nach dem Ende der Weltmeisterschaft Anfragen an die diese Wesen beheimatenden Zaubereiministerien gestellt habe. "Wenn meine Anfragen bei den betreffenden Räten der Zauberwesen wohlwollend beschieden wird können wir uns wohl in den nächsten Monaten auf interessante Gäste freuen. Außerdem werden wir uns in diesem Seminar noch mit Dryaden, Berg- und Flußnymphen und wenn ich es ganz geschickt anstelle, auch mit Zentauren beschäftigen, da wir die gängigen Zauberwesen wie Kobolde, Zwerge, Hauselfen und sogar Riesen ja im letzten Jahr ausgiebig behandelt haben und in diesem Seminar alle bis auf zwei Neuzugänge letztes Jahr schon dabei waren."
"Zentauren sind aber sehr Menschenscheu", wußte Belisama Lagrange. Professeur Delamontagne nickte. "Meigas eigentlich auch. Dennoch erwarte ich jeden Tag die Zusage des spanischen Zaubereiministeriums, daß eine von Ihnen uns besucht. Näheres dazu, wenn wir diese Zauberwesenart durchnehmen." Dann bat er vor allem die Neuzugänge darum, ihre bisherigen Kenntnisse oder Erfahrungen mit Zauberwesen zu schildern. Da Jean Gaspard und Gerome Beauchamp aus der dritten Klasse beide Zaubererjungen waren kannten sie die Kobolde, Hauselfen und sogar Zwerge vom Sehen und erwähnten diese auch. Danach ging es um Vampire, weil es ja durch alle Zeitungen war, daß eine Gruppe mit Namen Nocturnia ein Vampirreich auf Erden errichten wollte. "Im Gegensatz zu meiner hochrespektablen Vorgängerin Madame Maxime werde ich keine Vampire zu uns einladen, selbst wenn wir die damals so wirkungsvollen Schutzmaßnahmen benutzen. Das Verschwinden meiner früheren Ligakameradin Tourrecandide war mir Warnung genug, mich bis zur Entmachtung von Nocturnia nicht darauf einzulassen, Vampire nach Beauxbatons zu holen. Aber in meiner Eigenschaft als Lehrer zum Schutz vor bösartigen Zaubern und Zauberwesen und als Leiter dieses Seminars über intelligente Zauberwesen ist es natürlich meine Pflicht, Sie alle umfassend über die Nachtkinder, wie sich die Vampire selbst nennen, zu unterrichten. Daher wird das unser Schwerpunkt für die kommenden drei Seminarabende sein, Mesdames, Messieurs et Mesdemoiselles." Julius nickte. Natürlich würden sie hier alles über die Gefahr von Nocturnia mitbekommen, was nicht zum Geheimnis des Zaubereiministeriums erklärt wurde.
Nach dem Seminar versahen Julius und Gérard noch ihre Aufgabe als Saalsprecher im grünen Saal. Gegen halb zwölf wünschte Céline den beiden Kameraden noch eine gute Nacht. Julius brachte Gérard in den Krankenflügel, von wo aus sie den geheimen Nebentrakt mit den beiden Ehegattenzimmern und den Badezimmern aufsuchten. Bevor die vier verheirateten Schüler in ihren Zimmern verschwanden sprachen sie im Flüsterton noch über den Tag. Sandrine hatte Nadine Albert, die nun in der dritten Klasse war, als neue Pflegehelferin einweisen müssen. Da Nadine bei Clementine Eauvive ihre Ersthelferinnenausbildung erhalten hatte war sie auch in die Grundzüge der Schwangerenbetreuung und Säuglingspflege eingearbeitet worden, was Sandrine sehr wichtig fand, da außer Julius, Millie und Patricia Latierre kein weiterer Pflegehelfer direkt entsprechend vorgebildet war. Sandrine erwähnte noch, daß sie heute morgen ziemlich wütend auf Caroline gewesen sei, es jedoch sehr gelungen empfunden hatte, wie Professeur Dirkson mit ihr umgegangen sei. Im geräumigen Himmelbett sprachen Millie und Julius noch einmal über den ersten Schultag.
"Vielleicht sollte wer Caro stecken, daß Sandrine ihre beiden Kinder um jeden Preis kriegen will, bevor Caro noch was sagt, was sie als großen roten Fleck an einer Wand enden läßt", meinte Millie. "Wenn die bei diesem Prokonzeptionszeug wirklich Feuerlöwinnenblut mit verrührt haben sollten, wird Sandrine ihre Kinder wie so eine Feuerlöwin verteidigen."
"So wie Professor Crafts kleines Handtäschchen?" Fragte Julius.
"Ganz sicher und noch viel heftiger", grummelte Millie. Dann meinte sie, daß sie jetzt für das gemeinsame Kind mitschlafen müsse und wünschte ihrem Angetrauten eine gute Nacht.
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Als am Mittwoch die gemalten Mariachis schon um viertel nach Fünf durch die Bilder im Ehegattenzimmer marschierten zerrte Millie ihren Bettvorhang bei Seite und stieß sich aus dem Bett ab. Gerade soeben konnte sie sich mit einer Hand an einem Bettpfosten festhalten, weil das schnelle Aufspringen ihrem Kreislauf doch zusetzte. Doch das hielt sie nicht davon ab, den gemalten Musikern etwas auf Spanisch entgegenzurufen, worauf die fidelen Fidler, Trompeter und Gitarristen eiligst aus den Bildern davonstürmten.
"Ui, fast hätte mich das Aufstehen auf den Boden gehauen", grummelte Millie. Julius rieb sich den restlichen Schlaf aus den Augen und sah seine Frau besorgt an. Diese wischte seine Bedenken mit einer Handbewegung bei Seite. Er fragte sie, was sie den Mexikanern angedroht habe: "Daß ich deren Stammbild bei meinen Cousinen abhängen und es so klein ich kann zusammenfalten und in einer nur von mir zu öffnenden Schachtel verbuddele, bis das Kleine aus mir raus ist, wenn die vor halb sechs ihr Getröte bei uns veranstalten. Das hat die fluchtartig vertrieben. Nunca enfades la bruja embarasada heißt es bei den Südamerikanern. Mach niemals die schwangere Hexe wütend."
"Wobei eine wütende Hexe schlimmer als die Hölle sein soll", wußte Julius noch.
"Eben, und vor allem, wenn sie gerade was kleines in Aussicht hat, Monju."
"Hoffentlich haben wir Sandrine und Gérard nicht schon wieder aus dem Schlaf gerissen", erwiderte Julius.
"Wenn dann nur diese Hutträger", knurrte Millie.
Da Gérard in dieser Woche den Weckdienst hatte konnte Julius gleich nachdem er ihn im grünen Saal abgeliefert hatte mit denen, die morgens zum Frühsport ausrücken wollten zum Quidditchstadion. Dabei war auch Jean-Luc Dumont, dessen spargeldürre Statur nicht auf einen ständig trainierenden Freizeitsportler deutete. Am Quidditchstadion traf Julius seine Schwiegerverwandten, Apollo und einige Jungen aus den beiden unteren Klassen der Roten, sowie Marc Armand, Patricia Latierres immer noch sicher gehaltenen Freund und die kleine Schwester César Rochers, die Jean-Luc zu einem Wettrennen aufforderte.
Wie am Tag zuvor die anderen Kollegen betonte Professeur Bellart in der ersten Zauberkunststunde, daß sie in diesem Jahr das höchste lernen würden, was die Zauberkunst bereithielt. Dazu gehörten die Unsichtbarkeitszauber für Lebewesen, flexible Rauminhaltsveränderungszauber und großflächig aufrufbare Ordnungs- und Umräumzauber, bis sie dann nach den Osterferien das Aufrufen simultan wirkender Zauber verschiedener Ausprägungen lernen würden. Um zu zeigen, wie das aussehen sollte ließ die kleine, kugelrunde Lehrerin mit einer blitzartigen Abfolge von Zauberstabbewegungen eine Feuerwand auflodern und zugleich alle Tische zu einer unhörbaren Musik Ballett tanzen und die Decke des Klassenzimmers in verschiedenen Farbtönen aufleuchten. Julius vermeinte, in einer magischen Diskothek für Möbelstücke gelandet zu sein. Und bei allem hatte die Lehrerin kein hörbares Wort von sich gegeben, nicht einmal die Lippen bewegt. Nach einer neuerlichen kurzen Zauberstabbewegung fiel die Flammenwand wieder in sich zusammen, die tanzenden Tische ruckten auf ihre angestammten Plätze zurück und erstarrten und das Farbenspiel der Decke endete. "So kann es ablaufen", sagte Professeur Bellart nur. "Zudem üben Sie alle bereits erlernten Zauber zu den neuen, die wir noch lernen ungesagt. Vor allem jene unter Ihnen, die mit dem Gedanken spielen, sich für die Teilnahme am trimagischen Turnier zu bewerben, sollten sich dessen bewußt sein, daß Zauberkunst das A und O des Erfolges sein wird. Das letzte Turnier hat klar gezeigt, wie wichtig die Beherrschung praktischer Zauber ist. So konnte die damals noch Mademoiselle Delacour heißende Vertreterin für Beauxbatons mit dem dosierbaren Wasserstrahlzauber brennende Kleidung löschen, nachdem sie einen Drachen mit einem Schlafzauber niedergehalten hat und erwies sich in der Benutzung der Kopfblase zur freien Atmung in frischluftarmer Umgebung als gut vorgebildet. Harry Potter schaffte bereits als Viertklässler durch Ausführung eines tadellosen Aufrufezaubers einen Vorteil bei der Bewältigung der ersten Aufgabe und verwendete nach meinen Kenntnissen auch den Vier-Punkte-Zauber zur Richtungsbestimmung während der dritten Aufgabe. Sie erkennen also, daß Zauberkunst die mit Abstand praktischste und wichtigste Fachrichtung der Magie ist, auch wenn die Kollegen Fixus, Trifolio und Delamontagne das von ihrem Fach auch behaupten. Aber Sie müssen nicht ständig gegen Widersacher antreten, nicht jede Stunde mit magischen Pflanzen hantieren und auch nicht jeden Tag einen neuen Zaubertrank brauen. Wenn Sie jedoch alle Bewegungs-, Verpackungs- und Elementarzauber beherrschen, können sie sich Ihren Alltag erheblich erleichtern und auch für Ihre berufliche Zukunft wichtige Grundlagen vorweisen." Dann deutete sie noch auf Mildrid und Sandrine und erwähnte, daß gerade junge Eltern es zu schätzen wußten, daß es genug Haushalts- und Hilfszauber gab und die kurative Zauberkunst ja ein wichtiger Zweig der magischen Heilkunde sei, bei dem die Zauber zur Heilung kleinerer Verletzungen zum Alltagswissen jeder jungen Mutter und jedes jungen Vaters gehörten und sie sich bei Sandrine und Mildrid da ja schon einmal keine Sorgen machen müsse. Dann erwähnte sie noch, daß die meisten Zauber, die dieses Jahr drankämen für schwangere Hexen unbedenklich seien und sie daher wohl keine Probleme mit der praktischen UTZ-Prüfung haben würden.
Mittags hing im Speisesaal eine Mitteilung der Heilerin Rossignol aus.
Aufruf zur Untersuchung
Werte Schülerinnen der Beauxbatons-Akademie,
Sie erinnern sich sicherlich noch an den höchst unschönen Abgang von Bernadette Lavalette und die deshalb von Madame Faucon und mir festgelegten Richtlinien. Um sicherzustellen, daß vor allem die unverheirateten Schülerinnen im Verlauf des Schuljahres keinerlei Handlungen ausführen, die zu vorzeitiger Kindesempfängnis führen, fordere ich hiermit alle Schülerinnen oberhalb der zweiten Klasse auf, sich mit mir auf einen Untersuchungstermin zur Feststellung ihres derzeitigen Körperlichen Zustandes zu verständigen. Der Zeitraum für die Untersuchungen gilt von heute, dem dritten September, bis zum dreiundzwanzigsten September. Ich hoffe sehr, mit Ihnen einen entsprechenden Termin vereinbaren zu können. Wer von den gerade aufgerufenen Schülerinnen sich bis zum neunzehnten September nicht bei mir gemeldet hat, muß damit rechnen, daß die Schulleiterin und ich das als Verweigerung einer direkten Anweisung auslegen und je nach Höhe der Jahrgangsstufe mit Strafpunkten ahnden. Da ich jedoch davon ausgehe, daß Sie erstens so vernünftig sind, den Sinn dieser Maßnahme zu erkennen und zweitens großen Wert darauf legen, über jeden Vorwurf unerwünschter Handlungen und Auswirkungen erhaben zu sein gehe ich davon aus, keine Strafpunkte verhängen zu müssen. Meine Sprechzeiten Sind Ihnen ja bekannt. Ansonsten wenden Sie sich an die Mitglieder der Pflegehelfertruppe!
Ich hoffe auf Ihre uneingeschränkte Mithilfe bei einer reibungslosen Durchführung dieser Maßnahme.
Schulheilerin Mme. Florence Rossignol
Die Jungen am himmelblauen, kirschroten und violetten Tisch feixten, daß die Mädchen ihre Unschuld beweisen müßten. Die Jungen am zitronengelben, weißen und grasgrünen Tisch hielten sich mit abfälligen Äußerungen zurück. Die Weißen wohl, weil sie noch wußten, wie das mit Constance und später mit Bernadette gewesen war, die Grünen, weil zwei von ihnen ja schon offiziell als künftige Väter bekannt waren und die Gelben, weil sie sich nicht mit der Schulleitung anlegen wollten und eben auch, weil Sandrine schon in diesem Jahr Mutter würde. Robert meinte nur zu Julius:
"Hat eure Chefin jetzt ihr Strickmuster geprüft, wann sie alle Mädels mal eben durchsehen kann?"
"Da ich nicht weiß, woran Madame Rossignol gerade strickt kann ich das weder bejahen noch verneinen, Robert", erwiderte Julius. "Fünf Strafpunkte wegen angedeuteter Respektlosigkeit gegen die amtierende Schulheilerin." Robert grummelte was, daß er nicht mal mehr so reden könne, wie ihm gerade sei. Julius meinte dazu, daß das hier in Beauxbatons doch niemand wirklich könne, nicht mal die Lehrer. Darüber mußte Robert verhalten grinsen.
Millie hatte auf Anraten Professeur Fixus' von einer Teilnahme in der Alchemie-AG abgesehen. Julius wurde als Gruppenältester einer aus sechs Mann bestehenden Arbeitsgruppe eingeteilt, zu der auch die Muggelstämmigen Jean-Luc Dumont und Brian Trichet gehörten. Nadine Albert hatte sich trotz oder gerade wegen etwas unterdurchschnittlicher Jahresendnoten im Fach Zaubertränke dazu bereiterklärt, an der Freizeit-AG magische Alchemie teilzunehmen, wohl auch, um sich in ihrer neuen Rolle als junge Pflegehelferin besser einzufinden. Auch sie war in Julius' Gruppe. So betreute er wohl nicht ganz aus Zufall drei Muggelstämmige.
Abends besuchte er die Knieselin Goldschweif XXVI. und ihre Jungen, die im Sommer um einiges gewachsen waren und nun gut genug hören, sehen und laufen konnten, um frei durch das Knieselgehege zu laufen. Durch den von ihm und ihr getrunkenen Interfidelis-Trank konnten sie sich immer noch miteinander verständigen. Wenn sie ihre Gedanken in für sie typischen Lautäußerungen mitteilte, meinte er, die mittelhohe Stimme einer erwachsenen Frau zu hören, die von nahe dem Erdboden klang.
"Millies Begleiter sucht nach einer von uns, die seine Junge haben soll. Millie trägt dein Junges. Warum jetzt erst?"
"Weil wir erst die fragen mußten, die hier sagt, was wir machen dürfen und was nicht", erwiderte Julius. "Deshalb darf Millie mein Kind tragen und hier auch kriegen wie Sandrine."
"Du schläfst nicht mehr in der großen Schlafhöhle. Kann ich wieder zu dir hingehen?"
"Nur, wenn Millie oder Dusty nichts dagegen hat."
"Ich werde wohl bald wieder in Stimmung sein. Vielleicht ist er gut für starke Junge", erwiderte Goldschweif. Julius konnte das nicht grundsätzlich ablehnen, zumal Millie und er nach dem Schuljahr Goldschweif und Sternenstaub genannt Dusty ja mitnehmen wollten. In Millemerveilles würde Goldschweif wohl keinen anderen Knieselkater finden, mit dem sie neue Junge haben konnte. Womöglich würde sie das langweilen. Aber das sagte er ihr nicht. Denn auch wenn das so wäre würde sie darauf bestehen, ihn zu begleiten, wenn sie wußte, daß er nach den Ferien nicht mehr nach Beauxbatons zurückkehrte. Vielleicht brachte es sie gerade dazu, bei ihm bleiben zu wollen, weil Dusty Millies vertrauter war und er obendrein gut für gesunde, reinrassige Knieselkinder war.
"Ich muß jetzt wieder in den großen Bau zurück, weil meine Musikgruppe gleich zusammenkommt", sagte Julius zu Goldschweif. Diese erwiderte, daß sie das, was Menschen Musik nannten, nicht immer so gut vertrug, weil die Menschen Töne spielten, die sie entweder anwiderten oder sie ärgerten. Julius vermutete, daß Kniesel Ultraschall- oder sogar Infraschalltöne hören konnten, die beim Musizieren mitschwangen, aber von den Musikern selbst nicht gehört wurden. Da konnte ein nur halbherzig angeblasener Ton sauber und rein klingen, aber dabei unsaubere Obertöne mitschwingen lassen, die eben eine Oktave zu hoch für Menschenohren waren.
Nach der Holzbläsergruppe beaufsichtigte Julius noch seine Mitschüler im grünen Saal. Er sprach mit Céline und Laurentine über Goldschweif.
"Belisamas Tante hat mir gesagt, daß Maxis Kinder, die er mit ihrer Lauretta hinbekommen hat, alle gut untergekommen seien. Aber jetzt sei Lauretta auch wieder trächtig."
"Ja, von Millies Kniesel Stardust", erwiderte Julius. "Er hat es ihr erzählt, wie er Madame Lagranges weiße Hausgenossin rumgekriegt hat."
"Müssen Millie und du das nicht registrieren lassen, mit wem ihr Kniesel Junge macht?" Wollte Céline wissen. Julius bestätigte das. "Millie hat schon einen Brief an Madame Lagrange geschrieben, daß die ihr schreibt, wenn die kleinen ankommen und wie die dann heißen sollen. Den rest soll dann die Abteilung für magische Tierwesen erledigen. Belisama will von dem neuen Wurf wohl auch einen haben."
"Nachdem sie Schachbrett bekommen hat noch einen von denen?" Fragte Laurentine. Julius nickte. Schachbrett war ein Jungkater aus der Verbindung zwischen der Knieselin Lauretta und Laurentines Kater Maximilian. Wenn da in drei Monaten noch ein Wurf reinrassiger Kniesel ankam konnte Belisama noch einen kleinen Kater dazunehmen. Die Frage war nur, ob sie die beiden dann voll zeugungsfähig ließ oder kastrieren ließ. Vielleicht durfte sie aber auch eine Halbschwester Schachbretts haben und mit den beiden weiterzüchten, sofern die Tierwesenbehörde jeden neuen Wurf gemeldet bekam, um Dustys Zuchtlinie weiterzuverfolgen. "Brittany und Linus haben auch schon angemeldet, einen von Dustys ersten französischen Jungen haben zu wollen, auch wenn Lauretta mehr Hauskatzenvorfahren hat als Stardust", sagte Julius.
"Dieser "Sternenstaub" ist wohl ein rechter Abstauber", scherzte Laurentine. "Könnte mir vorstellen, auch eine junge Knieselkätzin aus einem der Würfe zu nehmen."
"Die meisten suchen sich ihre Vertrauten aus, wenn sie die freie Wahl haben", sagte Julius. Céline nickte. Laurentine mußte dann einräumen, besser abzuwarten, was passierte.
Um halb Zwölf verließen Julius und Gérard den grünen Saal über das Wandschlüpfsystem. Wieder war ein Tag um.
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Irgendwie kannte Julius das schon. Wieder einmal schwebte er in einem stockdunklen Raum und hörte lautes, rhythmisches Wummern, Schnaufen und Gluckern. Doch dann hörte er noch Stimmen, die zwar wie die von Zwergen klangen, aber eindeutig als Männlich und weiblich unterschieden werden konnten.
"Eh, mach dich nich' so schwer", maulte die weibliche Stimme. Julius fühlte, wie ihn zwei Füße oder Fäuste gegen eine nachgiebige Wand drängten, bevor die männliche Stimme sagte:
"Dann geh hier endlich raus, damit ich wieder Platz genug habe. Ich bleib nämlich hier."
"Hättest du gerne. Erst andauernd quängeln, zu eng und zu klein und jetzt zu feige sein, da rauszugehen und zu leben, Maulheld!"
"Ich bin kein Maulheld, du Quängelbalg. Ich hab ' nich' drum gebeten, daß du mit mir in diesem immer engereren Gluckersack festhängst. Also raus und Ruhe!"
"Klar, und du kannst dich dann richtig breit machen und dich weiter von der, zu der wir Maman sagen sollen durchfüttern lassen, während ich da draußen nach allem schreien soll? Nicht nur Maulheld, sondern Faulpelz und Feigling!"
"Das sagt keine zu mir, die wie ich in diesem Gluckerteil drinsteckt, ey!" Begehrte die männliche Stimme auf. Julius versuchte, seine Arme zu bewegen. Doch er konnte es nicht. Auch sprechen ging nicht.
"Ach ja, dann geh raus und sieh nach, ob maman echt so groß und lieb ist wie sie immer sagen!" Stachelte die weibliche Stimme ihren Gesprächspartner an. Julius verstand. Einmal mehr durfte, konnte oder mußte er miterleben, wie Jeanne kurz vor der Niederkunft stand. Daß ihre beiden Kinder miteinander stritten war wohl Traumgespinnst. Aber ... Er fühlte, wie sich etwas um ihn zusammenzog und hörte die Kleinmädchenstimme: "Die hat dich gehört. Aber ich bin erste. Liber eine große Schwester sein als von so'nem Quängelbalg als großem Bruder dumm angeredet zu werden."
"Du hast Feigling zu mir gesagt. Deshalb mach Platz und laß mich vorbei!"
"Vergiß es!" Versetzte die nun sichtlich angestrengt klingende weibliche Stimme. Julius hörte nun das Wummern schneller und das Käuchen um sich heftiger, bis er erste Stöhnlaute und Schreie vernahm, sobald sich alles um ihn zusammenzog.
"Weg da, dumme Göre!" Forderte die männliche Stimme.
"Nix. Du wolltest Mamans Bauch für dich alleine, dann bleib noch ein paar tage drin!" Julius fühlte, wie die beiden wohl gerade ins Leben startenden Zwillinge sich wohl darum käbbelten, wer zuerst zur Welt kommen sollte. Dann hörte er die männliche Stimme. "Okay, du gehst raus und sagst mir, ob das echt die ganze Quälerei wert ist. Wenn nicht, bleib ich eben alleine hier."
Julius verfolgte nun, wie Jeannes zweite Tochter mit ihrer sie austreibenden Mutter um die Wette stöhnte und dann wie durch dicke Wände gedämpft lautes Babygeschrei ertönte. "Ey, sag was und quängel nich' rum!" Rief der noch verbliebene Zwilling. Julius sah nun rotes Licht, hell aber nicht gleißend. Dann zog sich alles um ihn herum wieder zusammen. "Neh, Alte. Ich bleib hier. Draußen ist zu stressig", versuchte der verbliebene Zwilling, seine Ankunft zu verhindern. Doch niemand hörte ihn, schon gar nicht die, deren Leib er nun zu verlassen hatte. Er protestierte, bis er, wohl schon halb am Licht der Welt, resignierte und noch sagte "Mist! Jetzt ist's eben passiert!" Dann hörte Julius erneutes Babygeschrei und fühlte, wie das Licht, daß nun hellrot um ihn herumflutete, ihn förmlich aufhob und davontrug. Dann fand er sich in seinem Bett wieder. Das Keuchen und Stöhnen Jeannes wurde zu Millies gleichmäßigem Atmen. Hatte sie auch wieder geträumt, was er geträumt hatte? Er wagte es nicht, sie zu wecken. Er blickte auf seine Armbanduhr. Sie sagte ihm, daß es in Frankreich gerade halb fünf morgens war. Falls das echt die Zeit war, zu der Jeannes Zwillinge geboren worden waren, sollte er sich vielleicht doch mal eingehend mit der Wahrträumerei befassen. Allerdings hatte er ja schon erfahren, daß er wohl über Ammayamiria und die als überirdisches Energiewesen existierende Ashtaria mit den Dusoleils verbunden war. Schlief er, bekam er wohl sowas wie das eben im Traum mit. Sichtlich überwältigt von den nachempfundenen Ereignissen, von denen er nicht wußte, ob sie wirklich so geschehen waren, schlief Julius wieder ein, diesmal, ohne sich an einen Traum zu erinnern.
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Millies Drohung hatte gewirkt. Die Mexikaner trauten sich erst kurz nach halb sechs durch die Bilder in ihrem und Julius gemeinsamem Schlafzimmer.
"Offenbar spielen diese Hormonsachen in mir langsam verrückt. Habe echt geträumt, ich sei Hera Matine und hätte Jeanne geholfen, die Zwillinge rauszulassen", grummelte Millie. Julius erwähnte, daß er auch sowas geträumt habe. Er sagte dann noch: "Aber ich habe auf der anderen Seite der Tür gesessen."
"Was hat Madame Rossignol gesagt, daß du offenbar diese Eigenschaft hast, mitzukriegen, wie sich Ungeborene Kinder fühlen, wenn du träumst? Dann bestell Aurore oder Taurus schöne Grüße, wenn er oder sie dich mal einläd, meine kleine Wartekammer zu besuchen. Aber mach dich dann bitte nicht zu breit, damit ich nicht den halben Magen auswürgen muß!" Julius wunderte sich. Millie nahm das mit Humor, daß er Jeannes Zwillingsniederkunft mitbekommen hatte? Wie mußte er das verstehen?
"Ich denke, daß hat nur was mit den Dusoleils zu tun", sagte er, "wegen Ashtaria und Ammayamiria."
"Ja, und weil bei dieser von den Todessern versauten Fete eine Menge von dieser Supermagie Ashtarias durch mich zu dir hingejagt wurde könnten wir drei jetzt auch zusammenhängen", grummelte Millie. "Soll bloß keiner wissen, daß du so abgedrehte Beziehungen zu Jeannes ganz kleinen hast, wenn die echt heute angekommen sind. Aber warum ich dann Hera Matine sein sollte und nicht Janine Dusoleil könnte mich echt runterziehen. Tut es aber komischerweise nicht", erwiderte Millie noch. Julius wußte darauf auch keine Antwort. Manchmal mußte man Sachen einfach hinnehmen, ohne sie in allen Einzelheiten begreifen zu können. Das hatte er in Hogwarts und Beauxbatons bereits gelernt und mußte damit leben.
"Dann wollen wir zwei auch mal raus ans Licht, wenn's auch nur aus diesem schönen, großen Bett ist", trieb Millie ihren Mann an. Julius überließ ihr den Vortritt zum Badezimmer. Doch sie brauchte knapp eine Minute, um den morgentlichen Schwindelanfall zu überwinden.
Als er alleine im Ehegattenzimmer war blickte er auf Aurora Dawns Bild. Die gemalte Heilerin saß auf dem Boden knapp über dem unteren Teil des Bilderrahmens und barg den Kopf in den Händen. Offenbar schlief sie. Wäre Viviane Eauvive bei ihr gewesen, hätte Julius sie mal eben losschicken können, um zu fragen, ob Jeannes Zwillinge echt schon zur Welt gekommen waren. So ging das im Moment nicht, und er mußte sich erstmal damit zufriedengeben, daß die beiden neuen Dusoleils vielleicht erst in einem oder zwei Tagen ankommen mochten.
Während des Frühstücks langte Julius so gründlich zu, daß Robert und André vergnügt grinsten und Gérard ihn besorgt ansah und einmal fragte, ob ihm das auch passieren würde, daß er mehr aß, wo seine Frau wohl gerade mehr und mehr aß.
"Das weiß ich nicht, Gérard", sagte Julius. "Ich hoffe nur, ich muß nicht irgendwann für drei mit zum Klo oder alles leckere Essen unverdaut wieder loswerden." Robert schüttelte sich, während André verächtlich grinste, weil Gérard schon bei der Erwähnung solcher Sachen weißer als eine Wand wurde.
Mit dem allmorgentlichen Posteulengeschwader kam auch ein Brief für Julius an. Er war nicht auf dem hier üblichen Pergament geschrieben, sondern auf hauchdünnem, an den Rändern gezahntem Faxpapier. Er erkannte jedoch die Handschrift seiner Mutter.
Hallo Julius!
Du wirst dich wohl wundern, daß ich einen Brief auf Faxpapier schreibe. Zumindest gehe ich davon aus, daß der von mir an die Muggelweltschnittstelle gefaxte Brief nicht noch extra auf Pergament umkopiert wird. Das hat seinen Grund. Ich wollte einfach nicht, daß du erst im Oktober erfährst, was ich jetzt erlebe.
Wie du weißt hat mich Madame Grandchapeau ja wegen weiterführender Besprechungen mit den Amerikanern in die Staaten geschickt. Ich bin zwar in einem Zaubererhaus bei Washington untergebracht, kann aber von hier aus mit nichtmagischen Verkehrsmitteln in die Hauptstadt hineinfahren, wenn ich nicht per Flohpulver ins dortige Zaubereiministerium muß. Die Leute hier sind mir gegenüber noch sehr reserviert, weil ich für die trotz der ZAGs immer noch nicht so recht dazugehöre. Damit mußte ich rechnen und nehme es als notwendiges Übel zur Kenntnis. Meine Sachkompetenz im Punkte Internet ist hier jedoch sehr hoch angesehen. Durch die Beziehungen, die vor allem auch während der Quidditch-Weltmeisterschaft verbessert wurden, finde ich mehr offene als verschlossene Türen vor.
Ich wurde heute (Siehe Briefdatum) von Maya Unittamo eingeladen, den Weißrosenweg zu besuchen, weil sie sich gerne mit mir über meine nachgeburtliche Wandlung von der sogenannten Muggelfrau zur Hexe unterhalten möchte. Allerdings kenne ich die Dame nur als Autorin der Verwandlungsbücher, mit denen mich Antoinette und Madeleine traktiert haben. Außerdem weiß ich nicht, ob ich mit jemanden, die nur fachlich an mir interessiert ist, so uneingeschränkt über mein neues Leben sprechen darf, zumal Antoinette vielleicht einen Eingriff in ihre Privatsphäre sehen mag, wenn ich das tue. Natürlich kann und will ich nicht von dir verlangen, mir in dieser Hinsicht was zu raten. Aber den Weißrosenweg werde ich wohl noch einmal besuchen, alleine weil Mr. Livius Porter mich ebenfalls eingeladen hat, ihn mit seinen amerikanischen Verwandten zu besuchen. Ich werde nur zusehen müssen, mich nicht auf Gespräche über seine aus der Welt gegangenen Frau einzulassen.
Die magischen Buschtrommeln, vielleicht auch die ganzen Klone magischer Gemälde, haben meine Ankunft schon weit herumgereicht. Wenn ich nicht gerade im Ministerium mit halbignoranten Vertretern einer sich selbst höher als nötig einschätzenden Clique sprechen muß, habe ich ein volles Besuchsprogramm, wie eine Touristin, die in nur zwei Wochen durch die ganzen Staaten hetzen muß, heute Manhattan, morgen Miami und Cape Canaveral bis hin zu den Rocky Mountains, übermorgen Dallas, und dann San Francisco, Los Angeles und Malibu in nur zwölf Stunden. Brittany und Linus haben mich höflich aber verbindlich für den fünfzehnten September eingeladen. Da werde ich auf jeden Fall hingehen.
Daß bei euch dieses trimagische Turnier stattfindet habe ich ja noch mitbekommen. Willst du daran teilnehmen? Was sagt Millie dazu, falls du mitmachen möchtest?
Wie geht es deiner Frau gerade? Ich denke, die ersten größeren Umstellungserscheinungen dürften langsam auftreten. Sieh ihr bitte alles nach, was sie aus irgendwelchen Hormonverwirrungen heraus sagen oder tun könnte! Wenn ich überlege, wie das war, als du unterwegs warst und ich da (schon) gemerkt habe, daß mein logisches Denken nicht selbstverständlich und immerwährend vorhanden ist ... Na ja, ihr beide wollt ja das Kind. Das erleichtert für sie und dich doch vieles. Ich bekam ja noch mit, daß Gérard und Sandrine da offenbar etwas vorzeitig mit konfrontiert werden. Wünsche den beiden bitte alles gute und vor allem Geduld und Durchhaltevermögen von mir! Ich muß davon ausgehen, daß längst nicht jeder bei euch glücklich darüber ist, daß Sandrine und Millie schon Nachwuchs erwarten. Sieh es deinen Mitschülern bitte auch soweit du kannst nach, wenn sie aus jugendlicher Unbedachtheit Sachen sagen, die dich erst verletzen mögen! Tu es, falls du kannst als reine Neidreaktionen ab, weil viele wohl meinen, erst wer körperlich geliebt hat sei erwachsen. Wer so denkt und redet, ist es meistens auch dann noch nicht, wenn das berühmte erste Mal stattgefunden hat.
Ich melde mich dann wieder, wenn der ganze Berufs- und Besuchsstress überwunden ist und ich die rechten Worte finde, alles wichtige auf möglichst wenig Faxpapier zusammenzufassen.
Bis dahin geh deinen Weg zusammen mit Mildrid aufrecht und entschlossen weiter!
In großer Liebe
deine Mum
"Ich soll Sandrine und dich schön von meiner Mutter grüßen und euch beiden alles gute und das rechte Durchhaltevermögen wünschen", wandte sich Julius an Gérard.
"Die hat echt gut reden", grummelte Gérard. Julius räusperte sich etwas ungehalten. "Achso, 'tschuldigung! Danke für die Grüße! Wenn du ihr antwortest schreibe ihr bitte, daß ich noch rauskriegen muß, wie ich damit klarkommen muß!" Julius nickte bestätigend.
Professeur Fourmier, die Lehrerin mit den spindeldünnen Armen und Beinen, die jedoch eine enorme Kraft und Schnelligkeit entfalten konnten, erwähnte in der ersten Stunde Praktische Magizoologie, daß sie in diesem Jahr die Zaubertiere der Schwierigkeitsstufen XXXX und XXXXX durchnehmen würden, also Drachen, Feuerlöwen und orientalische Felsenvögel. Julius erinnerte sich noch gut an seinen Ausflug in das algerische Zaubertierreservat. Allerdings würde er dieses Jahr offiziell und in seinem angestammten Körper dorthin reisen.
Am Abend des Tages erwartete Viviane Eauvive Millie und Julius in ihrem Schlafzimmer.
"Ich darf euch beiden von Jeanne und Bruno höchsterfreuliche Grüße überbringen. Heute morgen um kurz nach halb fünf sind Janine Aminette und Belenus Arminius beide auf dieser unserer nun nicht mehr so dunklen Welt angekommen. Offenbar haben sich die beiden darum gestritten, wer zuerst das Licht der Welt erblicken darf. Jeanne erwähnte derartige Beschwerden. Janine hat es jedoch geschafft, eine Viertelstunde vor ihrem Bruder anzukommen. Insgesamt hat die Geburt der beiden drei Stunden gedauert." Millie sah Julius verschmitzt an. Er nickte ihr zu und wandte sich dann an Vivianes gemaltes Ich:
"Das freut Millie und mich, daß Bruno und Jeanne ihre beiden Kinder jetzt haben. Geht es ihnen denn gut?"
"Die residente Heilerin und Hebamme hat ihr offenbar wegen aufwühlender Bewegungen der beiden auf dem Weg in die Welt drei Wochen Bettruhe verordnet. Viviane Aurélie verbrachte die Nacht bei ihren Großeltern mütterlicherseits. Es wird interessant sein, wie sie mit den beiden Geschwistern zu leben lernt", erwiderte Viviane Eauvive.
"Sind ja noch kurz nach ihr angekommen", erwähnte Millie. "Wenn ich denke, daß zwischen meiner großen Schwester Martine und mir vier Jahre liegen und zwischen mir und meiner kleinen Schwester Miriam fünfzehn ist das schon heftiger."
"Jedenfalls freue ich mich, daß die große Familie Eauvive weiterhin wächst und gedeiht", erwiderte Viviane. "Ich wünsche euch beiden eine geruhsame Nacht!"
"Danke, Viviane", sagte Julius zu der gemalten Ausgabe der Gründungsmutter des grasgrünen Saales. Diese nickte und verließ Auroras Bild, aus dem heraus sie ihre Freudenbotschaft vermeldet hatte.
"Schon unheimlich", bemerkte Julius, als Millie und er von den schallschluckenden Vorhängen nach außen unabhörbar in ihrem Bett lagen. "Ob mir das jetzt immer passiert?"
"Ich hoffe mal, bei der Geburt deines Kindes bist du hellwach und kriegst nicht mit, wie das Kleine darüber mosert, daß es nicht länger da unten wohnen bleiben darf", säuselte Millie. Wie schon häufig ergriff sie Julius' Hand und legte sie behutsam auf ihren Unterbauch. "Irgendwann fühlst du das auch, wenn das Kleine sich rührt", wisperte sie noch. Julius bestätigte das. Sicher mochte er dann auch Millies Unbehagen mitbekommen, weil das Kleine ihre Eingeweide durcheinanderbrachte, wenn es seinen winzigen Lebensraum erkundete. Doch das lag noch Monate in der Zukunft.
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Am fünften September, dem Geburtstag von Ursuline Latierre und ihren zur Zeit noch jüngsten Kindern Félicité und Esperance, bekam Julius einen grasgrünen Briefumschlag. Er kannte die Posteule als eine von Camille Dusoleil. Als er den Umschlag öffnete, erscholl ein fröhliches Glöckchenspiel über den grasgrünen Tisch. Sofort verstummten alle daran sitzenden. An den anderen Tischen drehten die Schülerinnen und Schüler ihre Köpfe zu Julius, der nun ein helles Pergamentstück hervorzog und lautlos las:
An Mildrid und Julius!
Ich freue mich über die Maßen, euch zweien schreiben zu dürfen, daß Jeanne und Bruno in der letzten Nacht ihre beiden Zwillinge Janine Aminette und Belenus Arminius bekommen haben. Eigentlich müßte ich Jeanne und Hera böse sein, weil sie es nicht für nötig gehalten haben, mich zu wecken und dazuzuholen. Ich hätte Jeanne gerne beigestanden. Aber so bin ich froh, daß die beiden gesund und munter auf die Welt gekommen sind. Jeanne wurde zu drei Wochen Wochenbettruhe verurteilt, um ihre inneren Organe wieder in Balance zu kriegen. Hera meinte, es habe so ausgesehen, daß die beiden sich darum zankten, wer zuerst herausschlüpfen dürfe und dann, als Janine endlich an der Luft war, Belenus versucht haben sollte, seine Geburt hinauszuzögern. Gut, da Jeanne meine Tochter ist und ich nicht ihre, kann ich nicht beurteilen, wie gemütlich ihr Schoß war und ob Belenus nicht gemeint haben könnte, diesen nun für sich zu behalten. Aber jetzt ist auch er da und wird sicher ein strammer Bursche. Ich freue mich richtig für Jeanne und Bruno. Die kleine Viviane wohnte ja die letzten zwei Tage bei mir, damit sie, wo sie noch so jung ist, nicht im Weg herumlaufen konnte. Falls Jeanne aber irgendwann noch einmal wen kleines ausliefern möchte, wird sie wohl dabei zusehen dürfen.
Ich ärgere mich nur über meine werte Schwägerin, weil sie so einen unschönen Aufstand gemacht hat, weil Melanie in Millies Saal unterkam. Als habe das Mädchen was dafür gekonnt, daß sie jetzt mit Césars kleiner Schwester dort wohnen soll. Womöglich wird sie sich auch darüber ärgern, daß Jeanne und Bruno jetzt zwei Kinder mehr haben, so gierig sie bei Mamans Erbschaft aufgefallen ist. Sage Millie bitte meinen besten Gruß an Melanie, daß ich ihr absolut nicht böse bin und ihr auch gerade jetzt, wo sie nicht mit Denise im grünen Saal wohnt, alles gute und eine abwechslungsreiche Zeit wünsche. Das wünscht ihr auch Florymont, der Cassiopeias ungebührlichen Auftritt mitbekommen mußte.
Ich hoffe, Millie will euer Kind immer noch bekommen, wenn du ihr den Brief vorliest oder zu lesen gegeben hast. Falls sie das hier gerade selbst liest: Millie, Jeanne hat mir gesagt, daß es, auch wenn es ihr doch sehr weh getan hat, sehr gefallen hat, diese beiden kleinen Bündel neuen Lebens zu tragen und zu kriegen und daß sie nun, wo sie zwei Töchter hat, irgendwann wohl noch auf einen zweiten Sohn hinarbeiten könnte, wenn sie nicht meint, mich mit drei oder vier lebenden Töchtern überflügeln zu können. Da ich selbst ja auch viermal Mutter wurde und es trotz mancher Zweifel, ob ich mir das wirklich antun soll, vor allem während der Schwangerschaft mit Jeanne, kann und möchte ich dir, Millie schreiben, daß du das auch hinbekommst, deiner Mutter noch ein paar quirlige Enkelkinder vorzustellen. Julius, für dich ist das jetzt eine Umstellung, wenn schon nicht körperlich, dann zumindest seelisch und gesellschaftlich. Du mußt aber keine Angst haben. Du wirst nicht alleingelassen. Wir haben dir ja schon immer gesagt, daß wir für dich da sein werden, egal was du brauchst.
Hmm, wißt ihr schon, wer zum trimagischen Turnier kommt? Schreibt mir das ruhig, wenn ihr das wißt. Vielleicht kenne ich ja den einen oder anderen aus Hogwarts schon.
Achso, Hera hat mir die Geburtsangaben mitgegeben. Ich schreibe die mal hin, damit ihr wißt, wie gut Jeanne die beiden mitgefüttert hat.
Janine Aminette Dusoleil, geboren um viertel nach vier Uhr am Morgen des vierten Septembers 1999, Geburtsgewicht 3509 Gramm, Körperlänge 53,32 Zentimeter, Kopfdurchmesser 10,20 Zentimeter.
Belenus Arminius Dusoleil, geboren um eine Minute nach halb fünf Uhr morgens am vierten September 1999, Geburtsgewicht 4001 Gramm, Körperlänge 50,29 Zentimeter, Kopfdurchmesser 11 Zentimeter.
Die Angaben zeigen, was Jeanne geleistet hat. Roseannes Zwillingstöchter waren gerade einmal fünfundvierzig Zentimeter groß und nur sechs Pfund schwer, als sie auf die Welt kamen. Ich werde erst morgen mit der kleinen Viviane zu ihren Eltern hingehen. Chloé bleibt besser hier, wo sie gerade anfängt, unsere Möbel umzustoßen und schon sehr flink die Treppen rauf- und runterkrabbeln kann, wenn Florymont nicht im Haus ist. Wenn er da ist muß die arme, überanstrengte kleine dann auf dem Arm die Treppe raufgetragen werden. Wir kennen das schon von ihren größeren Schwestern.
Auf das ihr beiden gut in dieses Schuljahr hineingefunden habt!
Es drückt euch ans große Großmutterherz
Camille Dusoleil
"Das war ein Brief von Madame Dusoleil, daß Jeanne ihre beiden Kinder bekommen hat", verkündete Julius seinen Tischkameraden. Gérard wollte nun wissen, wie das abgelaufen war. Julius überlegte, ob er ihm die Geburtsdaten der beiden kleinen Dusoleils verraten durfte. Am Ende bekam er noch Angst, daß Sandrine ebenso große Babys zur Welt bringen müsse. Doch er überwand seine Bedenken und las Gérard die Daten vor. Tatsächlich erbleichte Sandrines Ehemann und seufzte:
"O Mann, das kann ja noch was geben."
"Wieso, hast du Sandrine gleich zwei auf einmal unter den Rock geschupst?" feixte André mit einer für Kameraden unpassenden Verachtung in der Stimme.
"Muß Madame Rossignol sich mit befassen, nicht du, André. Ich kriege davon ja zum Glück nicht so viel mit wie Sandrine", knurrte Gérard verdrossen.
"Stimmt, weil du sonst nicht einmal in die Nähe eines Mädchens gegangen wärest, aus purer Angst, deren Atem könnte dich schwängern", stieß André verächtlich aus. Robert grinste genauso verächtlich wie André. Julius verzog sein Gesicht und bedachte André mit fünfzig und Robert mit zehn Strafpunkten. Robert protestierte, weil er ja nichts gesagt hatte. "Dein Grinsen eben hat mir erlaubt, das als Zustimmung zu Andrés Unverschämtheit zu werten, Robert", erwiderte Julius harsch und fühlte mal wieder, wie unangenehm das war, so mit seinen Mitschülern umspringen zu müssen. Danach war jedoch Ruhe. Gérard atmete auf. Die Frage nach der Zahl seiner angekündigten Kinder war damit erst einmal aus der Welt.
Weil Julius nun eine offizielle Bestätigung hatte konnte er jetzt auch Denise Dusoleil beglückwünschen, daß sie nun dreifache Tante war. Babette und die anderen Mädchen aus der zweiten Klasse freuten sich für Denise. Die Kameradinnen aus der ersten Klasse fragten, ob sie das feiern sollten. Doch Céline, die mitgehört hatte, meinte, daß sie damals, wo sie Tante geworden war, keine Feier gemacht hatte und Denise sich einfach nur freuen möge.
"Hoffentlich geht Jeanne auch wieder soweit zu, wenn die zwei zugleich aus der rauswollten", meinte Denise. Armgard Munster errötete, während Babette grinste:
"Ganz zu geht nicht, Denise, weil die dann sonst nichts mehr machen kann, um noch eins zu kriegen."
"Blöde Gans", grummelte Denise. Julius wollte das überhören. Doch Céline wollte das nicht überhören und vergab für die Beleidigung fünf Strafpunkte. "Nur weil Babette angefangen hat", sagte sie Denise zugewandt und gab auch Babette fünf Strafpunkte.
"Als wenn du nie eine von deinen Klassenkameradinnen beschimpft hättest", feixte Irene Pontier. Céline errötete heftig und verpaßte ihr auch noch zehn Strafpunkte, was Irene jedoch nach außen lässig hinnahm.
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Am Freitag bekamen Millie und er eine Direktnachricht über den sogenannten Pappostillion, jenen gemalten Schmetterling, von dem es in der ganzen Latierre-Familie mehrere Kopien gab, um Textnachrichten weiterzugeben, ähnlich wie es bei elektronischen Postsendungen funktionierte, nur daß der Pappostillon schon zwanzig Jahre länger im Gebrauch war als alle E-Mail-anbieter.
Von Barbara Latierre
an Mildrid und Julius Latierre
Betrifft: geschätzte Ankunft des Kalbes von ArtemisHallo Millie und Julius!
Nach meiner eigenen Erfahrung und der Rückmeldung eurer Kuh Artemis kann ich jetzt den ungefähren Geburtstermin für ihr Kalb bestimmen.
So wie sich Artemis fühlt und ihr Kalb liegt kommt es zwischen dem 12. und 14. Oktober an.
Ich hoffe, dir geht es noch soweit gut, Millie.
Die ersten heftigen Auswirkungen fühlst du sicher bald schon.
Julius, pass ja gut auf meine Nichte auf!
Laß sie bloß nicht in ein weiteres dieser Abenteuer mit Temmies früherer Heimat hineinschliddern!
Noch eine erfolgreiche Zeit in Beauxbatons!Barbara Latierre
"Die ist süß", knurrte Millie. "meint wohl, Ma ersetzen zu müssen, wenn sie uns schon mal unterjubeln kann, wann Temmies Wonneproppen ins Stroh plumst oder wo sie den rauslassen möchte. Die soll lieber Sandrine antexten, daß das mit Zwillingen auch kein Weltuntergang ist."
"Sandrine würde sich schön bedanken, wenn Tante Babs sie deshalb anschreibt, wo außer den Lehrern, Madame Rossignol, du, Gérard und ich keiner weiß, daß Sandrine gleich zwei kleine Dumas' erwartet."
"Du schickst Tante Babs die Antwort. Im Formulieren bist du besser als ich", legte Millie fest und zog Richtung Badezimmer los. Julius diktierte dem Pappostillon nur:
"Hallo Tante Babs! Millie läßt schön Grüßen und freut sich, erst einmal nur mit einem Kind üben zu müssen. Danke für die Benachrichtigung! Bis dann!"
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"Tanzen! Ich dachte, die hätten hier keine Stereoanlagen und sowas", sagte Brian am Samstag morgen, als Julius bestätigte, daß die Erstklässler einen Tanzkurs hatten. Als Brian dann erfuhr, daß es mit magischen Plattenspielern oder Musikfässern auch gute Musikanlagen gebe und daß sie ja Gesellschaftstänze lernten stöhnte Brian. "Och nöh, Walzer und Tango und Foxtrott. Geht's noch spießiger? Die Tänze waren ja schon für meine Großeltern alt."
"Tango und spießig? Ich las damals wo ich tanzen gelernt habe, daß der in den Nachtclubs von Buenos Aires erfunden worden sein soll und deshalb lange nicht in den sogenannten anständigen Tanzsalons erwünscht gewesen sein soll", bemerkte Julius dazu. Dann grinste er und meinte: "Na ja, aber wenn du nicht möchtest, daß du von einem älteren Mädchen zum trimagischenWeihnachtsball eingeladen wirst mußt du ja nicht tanzen können. Ist eben nur was für größere Jungen und Mädchen."
"Haha, warum sollen wir den Krempel dann jetzt lernen, ey?" Wollte Brian wissen. Jean-Luc nahm Julius die Antwort ab:
"Weil wir's dann gut können, wenn wir es echt gebrauchen können, Ey."
"Du machst besser gar nichts, was die dir von Schwester Florence verschriebenen Kalorien wieder runterkullern läßt, sonst meint die kleine runde Rocher noch, du seist ihr Flugbesen und klemmt dich zwischen ihre Schweinshachsen."
"Wenn die Dirkson uns zeigt, wie man Ohren an einem Arsch macht braucht man das bei dir nicht mehr zu tun", knurrte Jean-Luc. Julius sah sich veranlaßt, die beiden Streithammel zur Ordnung zu rufen.
"Ihr habt offenbar keine Lust mehr auf den Schulstrand und wollt echt mit Schuldiener Bertillon die Flure putzen? Muß ich zumindest so sehen, wenn ihr euch nicht gleich beieinander entschuldigt", sagte er sehr ernst. Er fühlte sich in dieser Rolle mal wieder sehr unwohl. Jean-Luc und Brian blickten ihn an. Julius verwies auf die Schulregeln: "Seid froh, daß ich das Geplänkel kleiner Jungen aus Muggelschulen nachfühlen kann und nicht aus einem reinen Zaubererwelthaus komme, sonst hättet ihr gleich zu einer Menge Strafpunkten noch Verwandlungsstrafen zu befürchten", legte Julius nach. "Also entschuldige dich bei Brian für das indirekt benutzte Schimpfwort gegen ihn! Brian, es gibt Leute, die können echt nichts dafür, wie sie aussehen. Sie deshalb mit dummen Sprüchen runterzumachen macht das nicht besser. Abgesehen davon hast du es gerade klar erkannt, daß Madame Rossignol für körperliche Sachen zuständig ist und nicht du. Also nimm bitte zurück, was du über sie, Jean-Luc und Celestine Rocher gesagt hast! Dann kann ich die Kiste als erledigt verbuchen. Wenn nicht, fangt ihr nach dem Tanzkurs mit dem Putzdienst an. Ihr habt's bei André aus meiner Klasse mitgekriegt, wie heftig das reinhauen kann."
"Ey, Mann, hast du uns eben als kleine Jungs bezeichnet?" Fragte Brian. Julius baute sich in seiner ganzen mittlerweile erreichten Größe und Breite vor dem Elfjährigen auf und sah auf ihn herunter. "Willst du das echt abstreiten, daß du für mich noch zu klein bist, um mich mehr als mir aufgeladen wurde mit dir abzugeben?" Fragte Julius. Diese Behandlung wirkte auf Brian härter als die Androhung einer Verwandlungsstrafe. "Ich könnte so schön mit meinen Klassenkameraden für unsere dieses Jahr laufenden Endprüfungen üben, die Hausaufgaben für die kommende Woche in aller Ruhe machen. Aber die Schulleiterin hat mir diese goldene Brosche an den Umhang geheftet, weil sie meint, ich hätte zuzusehen, daß kleine Jungs wie ihr nicht schon in der ersten Woche von der Schule runterfliegt, weil ihr nicht kapiert, wo ihr hier seid. Celestine kann sicher schon besser zaubern als ihr zwei, weil die als zehnjähriges Mädchen in einer Einsteigerklasse für Zaubererweltkinder war. Und wenn 'ne Klassenkameradin von euch schon besser zaubern kann, geht mal ganz stark davon aus, daß jeder über eurer Klasse besser mit dem Zauberstab klarkommt als ihr zwei zusammen. Ihr habt hier eine geniale Möglichkeit, wegen bei euch gefundener Begabungen was zu lernen, was andere Jungs aus eurem früheren Bekanntenkreis nicht mal im Traum erwarten können. Und das einzige, was euch hier einfällt ist, euch wegen eines Tanzkurses, der nebenbei viele Türen für später aufmachen kann, einen echt rückständigen Wettkampf um die dümmsten Sprüche zu liefern. Also, Entschuldigen oder Putzdienst?"
"Ich kapier's, daß du uns beiden heftig über bist", grummelte Jean-Luc und entschuldigte sich bei Brian für den Arsch mit Ohren. Brian erkannte, daß er jetzt als der Dummkopf vom Dienst rumgereicht würde, wenn er sich nicht auch entschuldigte, zumal Julius ihm gerade eindrucksvoll gezeigt hatte, wie es sich anfühlte, von anderen nicht für voll genommen zu werden. Deshalb nahm er mit in den Umhangtaschen geballten Fäusten alles zurück, was er über Celestine, Madame Rossignol und Jean-Luc gesagt hatte. Julius nötigte den Beiden noch ab, sich die Hand zu reichen. Als sie das getan hatten sagte er: "Gut, dann braucht ihr für jetzt keine weiteren Strafpunkte mit euch rumzuschleppen. In meiner alten Schule wurde ein Spruch rumgereicht: "Vor Inbetriebnahme des Mundes Gehirn Einschalten!" Damit fahrt ihr zwei echt besser."
"Wenn du meinst", grummelte Brian, der sich gerade als der eigentliche Verlierer dieser Auseinandersetzung fühlte. Julius nickte und wandte sich von den beiden ab. Dabei sah er Gérard und Laurentine, die in gerade drei Metern Abstand gewartet hatten.
"Deine Bezeichnung "kleiner Junge" hat den voll runtergezogen", sagte Laurentine zu Julius, als sie erst nur beobachteten, wie sich die Mitschüler im grünen Saal versammelten. "Strafpunkte sind für den doch so abstrakt wie Einsteins Relativitätstheorie."
"Welche, die spezielle oder die allgemeine?" Fragte Julius. Laurentine machte erst ein verdrossenes und dann ein amüsiertes Gesicht. Julius sagte dann noch: "Habe ich auch mal geglaubt, daß diese Strafpunkte abstraktes Zeug sind, bis ich bei anderen mitbekommen habe, daß die als Rechtfertigung für drastische Maßnahmen herhalten. Ich brauchte denen nicht mal zu sagen, daß ich die auch in Goldfische oder Mäuse oder dergleichen verwandeln könnte, wenn die zu viele Strafpunkte haben wollen." Laurentine verzog wieder das Gesicht. Zu gut wußte sie, wen er mit "bei anderen mitbekommen habe" gemeint hatte. Dann lächelte sie wieder und sagte:
"Das du denen klargemacht hast, daß wir aus den oberen Klassen jeder für sich besser mit dem Zauberstab sind als die beiden zusammen hat denen heftiger zugesetzt und daß du es als Zeitverschwendung bezeichnet hast, dich mehr als nötig mit denen abzugeben auch."
"Ja, und die indirekte Drohung, daß sie ja schon nach der ersten Woche von Beauxbatons runterfliegen könnten hat auch voll eingeschlagen, vor allem, wo deren Eltern sicher jetzt eine Menge Notlügen erzählen müssen, wo ihre beiden Söhne sind", fügte Gérard hinzu. "Stellt euch mal vor, die Eltern von Trichet sind auf einem Fest und reichen rum, daß ihr Sohn auf einer nur für Superschüler zuständigen Schule irgendwo in Weiß-nicht-wo ist, da lädt den einer von der Ausbildungsabteilung bei denen ab und erzählt, daß er sich schon nach nur einer Woche voll von der Schule gequatscht hat. Wie peinlich für alle beteiligten."
"Wie schnell das ging haben wir bei Hanno ja mitbekommen", erwähnte Laurentine. "Eigentlich wollte ich ja auch schon nach einer Woche runterfliegen. Aber offenbar hat mir da die letzte Hemmung gefehlt, wen körperlich anzugreifen."
"Ja, und Madame Faucon hat's früh mitbekommen, daß du ja nicht von dir aus alles hier vermurksen wolltest", flüsterte Gérard. "Von da an war es nicht mehr so einfach, den Rauswurf zu kassieren." Laurentine bedachte Gérard mit einem verdrossenen Blick und sagte kein Wort. Das war alles in einem anderen Leben gewesen, wußten sie drei, in einem Leben mit Claire Dusoleil. Julius ertappte sich einmal mehr, daß er trotz aller Erlebnisse mit Ammayamiria und Mildrid immer noch nicht restlos davon ablassen konnte, sich die Schuld an Claires körperlichem Tod zuzuschieben, obwohl gerade Claires Familie ihn von jedem diesbezüglichen Vorwurf freigesprochen hatte. Dann erkannte er, daß er Millie indirekt Unrecht tat, die ruhig auf ihn gewartet hatte und seit ihrem Ausflug in die Burg der Mondtöchter vieles getan hatte, weswegen er heute überhaupt noch am leben war. Sie hatte sogar die ihr völlig fremde Belastung einer Schwangerschaft auf sich genommen, um sein Kind zu bekommen, etwas, was Claire in diesem Jahr womöglich noch nicht auf sich genommen hätte. Er lebte jetz und nicht vor vier Jahren. Mit dieser inneren Zurechtweisung an sich selbst fand er in die Gegenwart zurück.
Er beobachtete die sich versammelnden Schüler weiter und führte sie zusammen mit Gérard, Céline und Laurentine aus dem grünen Saal zum Frühstücken.
Bei der ersten Saalsprecherkonferenz des Schuljahres ging es um die neuen Schüler, wobei Julius auf Anfrage Madame Faucons erzählen mußte, wie er die Reibereien wegen der Umstellung auf Beauxbatons behob und daß er nur dort Strafpunkte aussprach, wo keine Einsicht herrschte und die strafwürdigen Sachen zu heftig waren, um sie einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Madame Faucon sah ihn ernst an. Er rechnete mit einer Standpauke, daß er ja nicht zu lasch auftreten solle. Dann sagte sie mit einer unverkennbaren Unerbittlichkeit:
"Ein Grund, warum Madame Maxime und nach ihr ich darauf setzen, daß Sie als hauptamtlicher Saalsprecher arbeiten, Monsieur Latierre, ist Ihre Kenntnis der Kindheit in nichtmagischen Familien und Lehranstalten, sowie ihr Vermögen, hochwertige Schutz- und Verteidigungszauber zu wirken und weil Sie trotz der Ihnen bereits widerfahrenen Schrecken immer noch einen gefestigten Charakter besitzen. Daß Sie unser disziplinarisches System nicht immer gutheißen nahmen Madame Maxime und ich in Kauf, weil wir beide wissen, daß Sie zwischen Vernunft und Trotz, Imponiergehabe und Einsicht zu unterscheiden wissen und dort, wo es nicht mit Beschwichtigung getan ist mit der gebotenen Unerbittlichkeit vorgehen. Gerade auch Ihre ausgezeichnete Ferientätigkeit als Besucherbetreuer bei der Quidditch-Weltmeisterschaft bestärkt mich in dieser Überzeugung, wo Sie sogar dort die nötige Ordnung durchsetzten, wo Sie mit alters- und rangmäßig über Ihnen stehenden Damen und Herren zu tun hatten. Auch wenn Sie nicht müde werden zu betonen, daß Sie weder der geborene Anführer noch ein stupider Befehlsausführer sind sollten Sie diese gerade in den Ferien gewonnene Erkenntnis nutzen, um mit der gebotenen Strenge vorzugehen. Sie müssen ja nicht jeden, der ein falsches Wort sagt gleich mit einer Arbeits- oder gar Verwandlungsstrafe belegen. Sie dürfen aber keineswegs, und das dürfen Sie anderen sich ebenfalls sorgfältig einprägen - den Eindruck aufkommen lassen, daß ein Saalsprecher nur ein lebendiger Bestandteil der Saaldekoration ist und die gültigen Schulregeln nicht für wichtig genug hält, auf ihre Einhaltung zu bestehen. Sicher gab und gibt es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Schülern. Doch wie alles im Leben muß eine klar erkennbare und auch feste Grenze bestehen. Sie alle sind von uns für fähig befunden worden, diese so wichtige Ordnung zu bewahren. Monsieur Latierre, Freundschaften sind wichtig und gutes Auskommen besser als Unbeliebtheit. Aber wenn Sie, ein UTZ-Kandidat, sich von jüngeren Mitschülern der Lächerlichkeit preisgeben lassen, weil Sie jeder und jedem dieselbe Einsicht und Voraussicht unterstellen, die Sie selbst zeigen und deshalb auf disziplinarische Maßnahmen verzichten, schaden Sie nicht nur sich selbst, sondern allen, bei denen Sie es nur gut gemeint haben, wenn Sie zu nachsichtig auftreten. Gerade die Vorfälle um die unehrenhaft abgegangenen Schülerinnen und Schüler Dorfmann, Perignon, Southerland und Lavalette im letzten Jahr zeigen, daß die Ordnung in einer Zaubererschule lebensnotwendig ist, um ein auch in körperlichen Schädigungen ausartendes Chaos zu vermeiden. Monsieur Latierre, Sie kennen wie Mademoiselle Hellersdorf sicher auch die Berichte aus ihren Fernsehnachrichten, daß es in Muggelschulen immer häufiger zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommt, weil Selbstdarstellungs- und Geltungssucht einzelner Schülerinnen und Schüler freien Lauf haben. Das artet mittlerweile in den für ihre Bewaffnungsfreizügigkeit berüchtigten USA dahin aus, daß Schüler mit Stich- oder gar Schußwaffen zur Schule gehen, weil sie meinen, sich gegen andere verteidigen zu müssen. Das bedroht sowohl die Lehrerschaft, die dann natürlich keinen geordneten Unterricht mehr halten kann, als auch die Schülerschaft. Jeder der in Hogwarts, Greifennest oder Beauxbatons seine Ausbildung beginnt trägt jederzeit und überall eine potentielle Waffe bei sich. Daher ist es wichtig, den Schülern frühestmöglich beizubringen, daß sie nicht für sich alleine sind und alles was sie tun darauf prüfen müssen, wie es sich auf ihre Mitmenschen auswirkt und von ihren Mitmenschen auf sie selbst zurückwirkt. Deshalb müssen wir hier immer und überall darauf achten und nötigenfalls beharren, daß sich Schüler gegenseitig respektieren und wenn schon nicht als Freunde oder gute Kameraden miteinander auskommen, dann aber zumindest wissen, daß sie in einer Gemeinschaft leben und nicht als jeder gegen jeden kämpfende Einzelwesen eingepfercht sind. Sie wissen das natürlich alle, weil sie sonst weder so weit in Ihrer Ausbildung gelangt wären noch an diesem Tisch zusammen hätten platznehmen dürfen. Helfen Sie Ihren jüngeren Mitschülerinnen und Mitschülern, diese Ziele zu erreichen. Das ist Ihre fundamentale Aufgabe hier. Denken Sie bitte immer daran, wenn Sie in eine Lage geraten, wo sie entscheiden müssen, ob Sie mit Nachsicht oder Strenge handeln müssen! Denken Sie bitte daran, was denen am besten hilft, mit denen Sie zu tun haben, und zwar nicht in dem Sinne, was für den betreffenden Mitschüler das beste ist, sondern wie er es erreichen kann, herauszufinden, was für ihn oder sie das beste ist. Mademoiselle Hellersdorf hat dies gelernt und daher die Würde der stellvertretenden Saalsprecherin verdient. An ihr dürfen Sie sich alle ein Beispiel nehmen."
Nachdem Madame Faucon diese Ansprache gehalten hatte blickte sie alle genau an. Julius überlegte, ob er dazu noch was sagen sollte. Doch Laurentine bat um das Wort und erhielt es. Sie gab in vier Sätzen wieder, was am Morgen geschehen war und schloß mit ihrer Julius bereits erzählten Einschätzung, daß die beiden Elfjährigen sich unwohler fühlten, weil man sie als zu klein für wirklich wichtige Sachen ansah, als ihnen viele Strafpunkte aufzuladen, was wie bei den Blauen zu Wettbewerben reizen konnte, wer am Ende des Monats die meisten Strafpunkte kassiert habe. Madame Faucon sah Julius an, der nur nickte. Dann sagte sie:
"War in dem Fall auch eine probate Methode, den beiden durch Verabreichung der eigenen Medizin aufzuzeigen, wie unangenehm sie schmecken kann. Sollte diese Lektion nicht ausreichen bedenken Sie bitte die von mir gerade an Sie gerichteten Worte!" Dann forderte sie zum Themenwechsel auf und erörterte mit den Saalsprechern die Stimmung nach Verkündung des trimagischen Turnieres und wie die Mitschüler auf die offizielle Bestätigung von Mildrids und Sandrines Schwangerschaft reagierten. Leonie erwähnte, daß die Mädchen im roten Saal teilweise neidisch auf Millie seien, weil diese jetzt schon die ganze Erfahrung des Frauseins machen durfte. Andere Mädchen seien schadenfroh, weil Millie jetzt kein echt freies Leben mehr führen konnte und wieder andere fragten sich, ob sie nicht auch schon mit siebzehn heiraten sollten oder ob sie doch besser ungebunden blieben. Die Jungen aus dem blauen Saal empfanden eher Schadenfreude, weil Julius sich schon so früh dazu hatte bringen lassen, der Latierre-Familie weitere Mitglieder zu verschaffen und deshalb schon mit achtzehn alles das machen müsse, was die meisten Jungen meinten, erst mit achtundzwanzig oder dreißig machen zu müssen und bis dahin alle Freiheiten der Welt zu haben. Patrice Duisenberg meinte dazu noch, daß diese Jungen offenbar nicht wüßten, daß die Besen, auf die sie mal gehoben würden, schon gedrechselt seien. Das verursachte bei den anderen ein verhaltenes Grinsen, das nur durch Madame Faucons Räuspern weggewischt werden konnte. Sandrine durfte dann berichten, wie ihre Saalkameraden mit ihrer Situation umgingen. Die meisten hatten ihr ehrlich bekundet, sie zu unterstützen und ihr gratuliert, auch wenn viele direkt oder indirekt zugegeben hatten, daß es schon befremdlich früh war, sie aber Sandrines Privatleben und ihre ganz persönlichen Entscheidungen zu respektieren hätten. Bei den Grünen kursierten ähnliche Ansichten wie bei den Roten und Blauen. Einige bedauerten Julius, weil er jetzt keine Möglichkeit mehr habe, einen ganz eigenen Weg einzuschlagen. Céline und Laurentine räumten ein, daß sie ja schon seit mehr als einem Jahr damit rechneten, daß Millie und Julius noch in Beauxbatons ein Kind haben würden. Gérard erwähnte, daß sich André und Robert zwar nach außen hin so gaben, als sei ihnen das nicht wichtig, daß er und Julius in diesem Schuljahr zu Vätern würden. Doch gerade bei Robert habe er das Gefühl, daß der auf Julius und ihn eifersüchtig sei und vor allem ihn, Gérard grollte, daß der mit Sandrine in diesem Schuljahr ein Kind haben würde. Dafür fing er sich wie zu erwarten stand einen sehr vorwurfsvollen Blick Célines ein, aus dem Julius die Ankündigung herauslas, daß sie das mit Gérard noch einmal genau klären müsse. Dieser erwiderte den Blick der smaragdgrünen Augen Célines mit innerer Entschlossenheit. Falls Céline das noch nicht von Robert wußte, daß der sich jetzt herabgewürdigt fühlte, sollte sie das mal mit dem klären, deutete Julius diesen Blick Gérards. Die Vertreter der Weißen erwähnten, daß sich viele an Constance Dornier erinnert fühlten, aber jetzt froh seien, daß es diesmal keine Schülerin des weißen Saales betraf. Ähnlich hielten es die Violetten, wobei hier das Bedauern überwog, daß Julius, der so vielversprechend in den Schulfächern war, keine Zeit mehr bekam, seine Fähigkeiten möglichst einträglich umzusetzen, weil er ja gleich nach der Schule für eine Familie zu sorgen habe und daher nicht lange mit einer gründlichen Ausbildung zubringen dürfte. Julius gab den Mitschülern aus dem violetten Saal mit, daß er genug Leute kenne, die ihm helfen wollten, möglichst gut zu verdienen, um Millie und das Kind und dessen noch ungezeugten Geschwister versorgen zu können. Millie fügte dem selbstsicher hinzu, daß die Leute aus dem violetten Saal sich nicht den Kopf ihrer Eltern oder Großeltern zerbrechen sollten, ob Julius, sie und das Kind nackt und hungrig herumlaufen müßten oder immer genug anzuziehen und zu essen haben würden. Was die Unterbringung anginge sei das ja bereits erledigt, wie die meisten hier im Konferenzsaal ja mitbekommen hätten. Das konnte keiner abstreiten. Madame Faucon bat Mildrid darum, sich nicht zu rüde auszudrücken, obwohl Millie kein Schimpfwort oder eine abfällige Äußerung benutzt hatte. Millie sah sie nur an und sagte, daß sie ja sicherstellen wollte, daß ihre Meinung bei den Schülern aus den anderen Sälen ankäme. Madame Faucon tat diese Rechtfertigung mit einem ungehaltenen Grummeln ab, sagte aber nichts weiteres, um sich nicht in einer zeitraubenden Debatte zu verzetteln, solange noch wichtige Tagesordnungspunkte abzuhandeln waren, wie die Einteilung der Strandaufsicht und die Organisation der saalübergreifenden Freizeitkurse. Julius durfte den Träger der Silberbrosche aus dem blauen Saal nach dem Mittagessen ablösen, der gerade die Strandaufsicht führte. Auf die Frage, ob der Strand auch nach dem Eintreffen der beiden Gruppen aus Hogwarts und Greifennest geöffnet bliebe sagte die Schulleiterin: "Abgesehen von der Unterbringung der beiden Delegationen werden sie für die Zeit des Turnieres voll und ganz in den üblichen Tagesablauf von Beauxbatons einbezogen, was den Besuch des Schulstrandes einschließt, sofern ich mich mit meinen Kolleginnen Professor McGonagall und Gräfin Greifennest dahingehend einigen kann, wie der bei uns gültige Disziplinarquotient mit den in Hogwarts und Burg Greifennest geltenden Regeln abgestimmt werden kann. Wie erwähnt werden die beiden Schülergruppen bis zum Ende des Schuljahres bei uns dem Unterricht folgen, die Freizeitkurse wahrnehmen und innerhalb des Schulgeländes von Beauxbatons dieselben Schulregeln zu beachten haben. Während des letzten trimagischen Turnieres erhielten die Schülerinnen und Schüler unserer Akademie während der Unterrichtsstunden Punkte für Beauxbatons, weil in Hogwarts keine individuelle Zuteilung von Bonus- und Strafpunkten existiert. Madame Maxime blieb es dann überlassen, die einzelnen Wertungen anhand der Rückmeldungen von den Fachkollegen zu Hogwarts vorzunehmen. Ich bin noch dabei, mich mit den Kolleginnen aus Großbritannien und Deutschland auf ähnliche Handhabungen zu verständigen." Das genügte den Saalsprechern für's erste.
"Oh, Céline sah aber eben ziemlich angenervt aus, als Gérard das rausgelassen hat, daß ihr Süßer wohl eifersüchtig auf ihn und dich ist", feixte Millie, als sie mit Julius alleine auf dem Weg durch einen der Parks war.
"Möchte ich jetzt auch nicht in der Nähe sein, wenn Céline Gérard zusammenstaucht. Denn was er über Robert gesagt hat kann sie sich glatt selbst als Schuh anziehen. Im Moment liegt mir nichts am Schlichten, wenn ich das nicht muß", erwiderte Julius. Seine Frau schnurrte, daß er Robert ja auch nicht um Erlaubnis fragen mußte, um mit ihr zusammen zu sein und im Mai was quirliges kleines, mal nervtötend anstrengendes und dann wieder liebenswürdiges Wesen hinzubekommen. Sie und Julius hätten zwar auch gerne den Strand besucht. Aber wo Roger Vandri gerade die Aufsicht führte und der wesentlich lockerer mit den Strandbesuchsregeln umging als die anderen Saalsprecher wären sie beide ständig in Alarmstimmung, eingreifen zu müssen. Julius hatte nämlich keine Lust, sich mit rauflustigen Leuten herumzuzanken, nur weil der Stellvertreter der Blauen meinte, das sei eben das echte Leben, wenn sich Jungen wegen winziger Kleinigkeiten prügelten. Sicher, er bangte um Pierre Marceau. Doch wenn der sah, wer am Strand die Aufsicht führte, würde der schon anderswo hingehen, um mit Gabrielle Delacour ungestört zu sein, solange sie sich dabei an die Anstandsregeln hielten.
Im Ostpark trafen Millie und Julius auf das Dreiergespann Babette Brickston, Armgard Munster und Jacqueline Richelieu aus der zweiten Klasse. Babette fragte Millie, ob sie schon was von dem Kleinen fühlen konnte. Millie mußte grinsen und sagte dann, daß sie gerade nur merkte, daß ihr Körper anders eingestimmt war wie vorher. Richtig fühlen würde sie wohl erst was, wenn das Kleine sich bewegen könne und daß sie sich darauf freue, wenn sie das erste mal fühlen könnte, daß jemand neues in ihr heranwuchs. Armgard meinte dazu, daß sie sich das nicht antun wolle, bevor sie keinen eigenen Beruf habe. Außerdem habe ihre Mutter damals mehrere Kilo zugelegt, die sie nicht wieder losgeworden sei. Millie meinte dazu nur, daß ihre Oma Ursuline richtig stolz darauf sei, so mollig auszusehen, weil das eben daher käme, daß sie zwölf Kinder bekommen habe. Jacqueline fragte dann natürlich, ob es stimme, daß ihre Großmutter wieder auf Nachwuchs warte. Millie bestätigte das und sagte stolz:
"Dann kommt unser Kind mit seinen Großonkels oder Großtanten zusammen nach Beauxbatons. Hat es auch noch nie gegeben."
"Häh?!" Machte Armgard. Babette glubschte sie dafür verächtlich an und erklärte:
"Millies Oma kriegt selbst noch mal Kinder, mehr als eins diesmal. Das sind dann natürlich die Geschwister von Millies Maman also Onkeln oder Tanten von ihr. Von Millies Baby sind's dann ja die Großonkel oder Großtanten. Kapiert?"
"Habe ich, Mann!" Schnaubte Armgard. Jacqueline wollte dann natürlich noch wissen, ob Millie das entscheiden könne, ob es ein Junge oder Mädchen würde. Millie lachte darüber und deutete auf Julius. "Der hier macht das aus, ob ich uns beiden ein quirliges Bübchen oder ein wildes Mädchen ausbrüte. Oder hat dein Vater behauptet, deine Mutter hätte dich nur bekommen, weil sie unbedingt ein Mädchen haben wollte?"
"Nöh, hat'r nich'", grummelte Jacqueline. "Aber irgendwie soll's gehen, daß sich ein Mann und eine Frau drauf festlegen können, ob sie einen Jungen oder ein Mädchen hinkriegen. Wie genau das geht wollten die mir nicht erzählen, und die betreffenden Fernsehsendungen, wo das erklärt wird durfte ich mir nicht ansehen, weil ich für sowas zu klein sein soll." Babette grinste Jacqueline an und setzte an, ihr was von X- und Y-Chromosomen zu erzählen, die im Erbgut festlegten, wer Mann und wer Frau wurde. Julius kam nicht darum herum, den drei Mädchen dann korrekt zu erläutern, wie das mit dem doppelten Chromosomensatz bei menschlichen Zellen war und das die Keimzellen nur einen einfachen Bausatz der Erbsubstanz hatten, der dann bei der Befruchtung wieder zu einem doppelten wurde, eben nur so, daß sich Vaters und Mutters Erbanteile vermischten. Dabei könnten dann die in X- und Y-Chromosomen eingeteilten Bestandteile des väterlichen Erbguts bei der Aufteilung in einen X- oder einen Y-Bausatz auseinanderfallen. Mütter hätten nur zwei X-Bausätze. Er zeichnete mit einfachen Zaubern Bilder von Körperzellen in die Luft und vollführte während seiner Ausführung auch Bewegungsillusionen, die die Aufteilung der Keimzellen und die Befruchtung simulierten, wobei er sich den Spaß gönnte, die rein männlich ausgeprägten Spermatozoiden blau und die rein weiblichen rosa gefärbt darzustellen. Millie hatte sich derweil einen bequemen Lehnstuhl gezeichnet und verfolgte die Darlegungen ihres Mannes mit zufriedener Miene. Nach dem kurzen Unterricht sagte Babette, daß sie das so ähnlich auch schon im Fernsehen gesehen habe, wo es darum ging, wie kleine Menschen gemacht wurden.
"Hast du jetzt keine Angst, daß Gardies Eltern dich dumm anlabern, weil du der das alles erklärt hast?" Fragte Babette Julius herausfordernd anblickend.
"Besser, ich erzähl ihr das alles, als daß ich als Pflegehelfer ihren Eltern erklären muß, warum Armgard nach gewissen Übungen mit anderen Jungen immer runder wird, weil ihr keiner was erzählt hat, worauf sie achten muß. Kann ich locker als eine meiner Aufgaben abhandeln", erwiderte Julius. Babette und Jacqueline kicherten schadenfroh, weil Armgard unvermittelt rot anlief. Julius wußte, daß die drei bereits ihren Fruchtbarkeitszyklus erfuhren und daher schon wissen sollten, worauf sie aufpassen sollten und was sie bedenkenlos tun konnten. Die drei Mädchen bedankten sich für die anschauliche Vorführung und zogen weiter.
"Das hätte Sandrines Maman jetzt mal sehen müssen, dann hätte die dich sofort klargemacht, nach Beaux bei ihr anzufangen. Hera Matine hat dich echt gut vorgebildet."
"Sie mußte nur das vervollständigen, was ich von meinen Eltern und aus Wissenschaftsdokus im Fernsehen schon wußte", erwiderte Julius darauf. Dann fragte er, ob Millie nicht ihren Bequemen Umstandssessel benutzen wollte. "Erst wenn Taurus oder Aurore mein Bäuchlein gut genug ausbeult und ich meine, doppelt so schwer wie sonst zu sein", erwiderte Millie darauf. Dann ließ sie den von ihr gezeichneten Stuhl wieder verschwinden, und das alles ungesagt.
Die Zeit bis zum Mittagessen genossen die beiden werdenden Eltern die Sonne und die frische Luft, hielten sich durch leichte Gymnastikübungen in Bewegung und sprachen über das, was am Morgen mit Jean-Luc und Brian passiert war.
"Das war gut, daß du denen nicht gleich viele hundert Strafpunkte übergebraten hast. Tine oder euer Mogel-Eddie waren da nicht so rücksichtsvoll. Aber Madame Faucon hat schon recht, daß da irgendwo eine Grenze sein soll. Wenn die meinen, sich balgen zu müssen und sich dabei an bestimmte Regeln halten laß sie doch. Aber wenn die sich gegenseitig übel beschimpfen oder gar die Zauberstäbe schwingen ist ja wohl der Punkt erreicht, wo du Strafsachen raushauen mußt." Julius nickte. Sicher hatte Millie da ihre Erfahrungen.
Nach dem Mittagessen übernahm Julius die Strandaufsicht. An diesem Nachmittag schien noch einmal die Sonne. Die Wellen rollten ruhig rauschend gegen den Sandstrand an und wieder zurück ins Meer. Julius bekam mit, wie Melanie sich mit Denise unterhielt, weitab von den Mädchen aus dem roten Saal. Erst als Celestine Rocher durch das magische Verbindungstor zwischen Beauxbatons und dem Strand kam wurde es anders. Celestine lief zu Melanie hinüber, die erst abwehrende Gesten machte und dann resignierend nickte. Julius verspürte Neugier, zu hören, was die drei Mädchen nun miteinander beredeten. Doch er zwang sich dazu, deren Privatsphäre zu respektieren. Wenn Denise, Melanie oder Celestine was von ihm wollten wußten sie doch, wo er war. Er hatte auf die schwimmenden Mitschüler aufzupassen. Sandrine war dabei, sorgenvoll beäugt von Gérard. Doch weil Belisama neben ihr schwamm sah Julius keinen Grund, Sandrine zurückzurufen. Was hatte Millie ihm geraten, er solle nicht überbehütsam mit ihr umspringen. Wenn Sandrine das von Gérard erwartete oder wünschte sollte der das eben so machen und nicht er, Julius.
Zur großen Erleichterung des Saalsprechers der Grünen passierte nichts, was sein Eingreifen erfordert hätte. Sicher hatten die Jungen aus dem blauen und roten Saal noch in unangenehmer Erinnerung, wie schnell und zielgenau er aus der Ferne Zauber auf jemanden legen konnte.
Nach dem Abendessen hörte er sich von Brian an, wie die erste Tanzstunde am Vormittag gelaufen war. "Diese Nurieve hat mich mit Merle Delourdes zusammengestellt. Die tut schon wunders wie gut sie tanzen kann. Heute sollten wir erst mal nur einigermaßen gut aussehende Bewegungen zur Musik aus so'nem dicken Faß machen. Jean-Luc hat sich ganz gezielt zu Celestine Rocher gestellt. Mann, sah das komisch aus, wie der lange dünne und die kleine runde sich umeinander gedreht haben. nachher heiraten die beiden noch. Das wäre die Schau vom nächsten Jahrtausend." Julius räusperte sich unüberhörbar. Das ließ den Spötterich verstummen.
"Die Delourdes-Familie ist eine sehr alte und angesehene Zaubererfamilie, fast schon so wie die Grimaldis von Monaco oder unsere Windsors von England, eben nur ohne Krone oder Herrschaftstitel", erwähnte er noch. "Kann mir vorstellen, daß Merle schon eine gute Tanzausbildung bekommen hat und Madame Nurieve jetzt erst einmal sehen will, wer schon wie gut ist. Vielleicht formiert sie dann neue Paare, die gleich gut zusammentanzen."
"Dann soll Paul mit Celestine tanzen und Jean-Luc mit dieser aufgeschossenen Eloise Chaudchamps, die bei deiner Angetrauten im Saal wohnt."
"Ja, und dich stellt sie dann mit deiner Schwester Angelique zusammen, weil ihr schon vor eurer Geburt zusammen getanzt habt", knurrte Jean-Luc, der gerade in Hörweite gekommen war und Brians letzte Bemerkung mitbekommen hatte. Brian verzog das Gesicht. Julius war darauf gefaßt, eingreifen zu müssen. Dann sagte Brian:
"Hat die Nurieve versucht, bis ihr einfiel, daß direkte Verwandte, auch wenn's Zwillinge sind, nicht zusammen tanzen, weil' ja dabei drum geht, möglichst mit verschiedenen Leuten klarzukommen. Auch gut, damit Angelique nicht wieder die große Schwester rauskehren kann, nur weil die es noch hingebogen hat, um eins vor zwölf Uhr nachts aus mamans Bauch zu krabbeln und ich da noch vier Minuten festhing und Angelique deshalb einen Tag früher Geburtstag feiern kann als ich, verdamt noch mal!"
"Sei froh, dann hat die für dich das kleine Tor zur großen Welt weit genug aufgedrückt", feixte Jean-Luc. Julius nickte nur. Brian erkannte, daß es wohl besser war, nicht zu viel zu lamentieren. Julius erkundigte sich, um die Lage zu entspannen, wie Jean-Luc den Tanzunterricht empfunden hatte.
"Stine und ich haben sicher total abgedreht ausgesehen. Aber irgendwie ging's genial. Jedenfalls habe ich der nicht und die mir nicht auf die Füße getreten. Könnte sein, daß Merle bei Madame Rossignol sitzt und ihre blauen Zehen kurieren läßt." Julius bedachte Jean-Luc mit einem warnenden Blick. Wie der Wolf in der Geschichte betrat Merle Delourdes gerade den Aufenthaltsraum der Grünen und steuerte auf Denise Dusoleil zu, die mit den Monier-Drillingsschwestern an einem Tisch saß. Sie zwinkerte zu Brian herüber, der sofort auf seine Pergamentblätter blickte, um so zu tun, als säße er gerade an einer anstrengenden Hausaufgabe. Julius fragte deshalb, was die Lehrer ihm so aufgegeben hatten und durfte den beiden Jungen noch was über Kartoffelbauchpilze erzählen.
Gérard wirkte ziemlich verdrossen, als er Julius darum bat, von ihm schon mal zum ehegattentrakt gebracht zu werden. Céline eilte heran und hielt Julius mit einer schlichten Handbewegung ab, Gérard an einen Arm zu nehmen.
"Wir waren noch nicht fertig, Monsieur Dumas, und Robert will das nicht auf sich beruhen lassen, was du heute morgen gesagt hast. Der will morgen zu Professeur Delamontagne."
"Céline, ich habe nur wahrheitsgemäß gesagt, daß Robert mir das übelnimmt, daß ich mich von Sandrine schon vor den Sommerferien auf den Besen habe heben lassen und sie in den Ferien ... von mir schwanger wurde. Das ging nicht gegen dich persönlich."
"Ach neh. Heute Mittag hast du dich am Strand versteckt. Und bis gerade eben war die Bettzeitkontrolle. Wundere mich, daß Robert da nicht schon was gesagt hat."
"Weil der Typ genau weiß, daß ich mich von niemandem mehr dumm anquatschen lasse, Céline. Wenn der sauer ist, weil du ihn noch nicht auf den Besen gehoben hast ist das sein ganz eigenes Problem."
"Ach ja, und wieso mußtest du das dann vor den ganzen Saalsprechern ausplaudern, zumal du nicht mal wußtest, ob's stimmt?" Fauchte Céline. Wie aufbrausend sie werden konnte wußte Julius noch zu gut von seinem ersten Jahr in Beauxbatons.
"Weil, wie du mitbekommen hast, jeder von uns erzählen sollte, wie das bei den anderen rüberkam, daß Millie und Julius und Sandrine und ich schon in den Ehepaarzimmern schlafen dürfen, damit ihr nicht vor den UTZs noch unsere Kinder um die Ohren habt", erwiderte Gérard trotzig. "Und wenn Robert jetzt zu Professeur Delamontagne rennt und sich beschwert wird der dem genauso sagen, daß ich nicht anders handeln konnte."
"Du hättest nur den Mund halten müssen, was bestimmte Namen angeht", erwiderte Céline. "Wenn Madame Faucon nicht noch andere Sachen zu besprechen gehabt hätte wäre die sicher noch genauer drauf eingegangen."
"Gérard könnte recht haben, was Professeur Delamontagne angeht, Céline", versuchte Julius, die Spannung abzubauen. Céline sah ihn nun an und fauchte:
"Das Millie und du euch ein Kind zulegen wolltet war mir ja sofort klar, als ich das hörte, daß ihr zwei vorzeitig verheiratet wurdet. Da dachte ich ja, sie hätte schon eins im Bauch, und du hättest sie schnell heiraten müssen, damit du nicht von Beaux runterfliegst und sie nicht wie Connie ein Jahr Ehrenrunde machen müßte. Aber was sich Gérard heute morgen erlaubt hat war echt gemein."
"So'n Pech nur, daß du mir dafür keine Strafpunkte geben kannst, weil ich nur das gemacht habe, was von mir verlangt wurde", feixte Gérard. Ehe Julius reagieren konnte sauste Célines Hand wie ein Schemen durch die Luft und klatschte laut gegen Gérards linke Wange. "Und so ein Pech, daß du mir dafür keine Strafpunkte geben kannst, Gérard Dumas", fauchte Céline. In ihren smaragdgrünen Augen glitzerten Tränen. Ihr errötetes Gesicht und ihre pulsierenden Stirnadern verrieten, daß es Tränen der Wut waren. Gérard stand wie bewegungsgebannt da. Auf der linken Wange zeichnete sich immer röter Célines Handabdruck ab. Julius blickte sich um, wer das alles mitbekommen hatte. Es hatten fast alle gesehen. Und die, die nur das laute Klatschen der Ohrfeige gehört hatten ließen sich nun von den anderen berichten, was abgelaufen war. Julius trat einen Schritt zurück und sah Céline an.
"Ich weiß nicht, ob das jetzt nötig war, Céline. Auf jeden Fall war es verkehrt. Gérard kann zu Professeur Delamontagne und das melden, wo so viele Zeugen hier sind. Am besten entschuldigst du dich für die Backpfeife." Alle anderen hörten gespannt zu. So konnte auch jeder hören, was Julius gesagt hatte.
"Julius, bring mich bitte in den Krankenflügel, damit ich meine Ruhe habe", knurrte Gérard. "Wenn Professeur Delamontagne wegen Célines zu lockerer Hand was sagt, erzähle ich es. Wenn nicht dann nicht.""
"Hmm, Gérard, wo Madame Rossignol sehen kann, daß dir wer eine runtergehauen hat will sie sicher wissen, wer das war und warum. Die kann übrigens auch Strafpunkte verteilen, nur zur allgemeinen Information", erwiderte Julius.
"Okay, bis Mitternacht dürfte ich auch durch die Tür raus", knurrte Gérard und wandte sich zum gehen. Céline Dornier, die jetzt merkte, in welche Schwierigkeiten sie sich gebracht hatte erbleichte wieder. Julius sah sie an und wiederholte seinen Vorschlag, sie möge sich bei Gérard entschuldigen. Weil ihr alle zusahen wollte sie Gérard hinterhergehen. Doch der winkte ab.
"Meine Frau ist schwanger, und bei dir spielt der Verstand verrückt", knurrte er noch, bevor er auf die scheinbar feste Wand zuging und das Passwort sagte, das die Wand auflöste, um ihn hinauszulassen.
"Darum hat der 'ne Gelbe geheiratet", mußte nun André Deckers einstreuen. Julius warf ihn einen warnenden Blick zu und fragte ihn, ob er noch ein paar Strafpunkte zum Zudecken haben wollte. André schüttelte den Kopf.
Knapp zwanzig Sekunden später tat sich die magische Tür zum grünen Saal erneut auf. Professeur Delamontagne kam mit Robert und Gérard zurück. Sofort verfielen alle in gut antrainierte Habachtstellung.
"Entspannen Sie sich, Messieurs et Mesdemoiselles", sagte er. Dann ging er auf Céline und Julius zu. Mit einer von ihm selten gehörten Strenge fragte er danach, was passiert sei und ließ sich von Gérard berichten. Dann sagte der Saalvorsteher:
"Mademoiselle Dornier, Monsieur Deloire legte bei mir Beschwerde ein, Monsieur Dumas habe ihn vor den Saalsprechern in ein schlechtes Licht gerückt. Nachdem ich ihm sagte, daß Madame Faucon einen genauen Bericht über die Stimmungslage erhalten wollte, verlangte er, ich solle Monsieur Dumas dahingehend belehren, seine Kameraden nicht ohne genaues Wissen irgendwas zu unterstellen. Ich fragte ihn, ob es wirklich einen Grund gebe, derartig wütend zu sein. Auf diese Frage wollte mir Monsieur Deloire dann keine Antwort geben. Damit wäre die Sache für mich eigentlich erledigt gewesen. Ich brachte ihn her und traf Monsieur Dumas unterwegs an. Mir konnte nicht entgehen, daß ihn jemand geschlagen hatte und der Handabdruck auf eine junge Hexe schließen ließ, da Jungen dann ja doch eher zu Faustschlägen neigen, wenn ein ungezügelter Wutanfall sie überkommt. Mademoiselle Dornier, Ihr Verhalten ist dem einer Saalsprecherin absolut unwürdig. Daher muß ich Ihnen nach Augenschein und Zeugenbericht dreihundert Strafpunkte auferlegen und Sie so leid es mir tut der Schulleiterin melden, die dann verfügen soll, in welchem Maß Sie zu den zugeteilten Strafpunkten Bußleistung zu verrichten haben. Ich bin schlicht weg verärgert, Mademoiselle Dornier. Ob aus der Verärgerung Enttäuschung wird liegt bei Ihnen und welcherart Bußleistung Sie zu verrichten haben. Sollte Madame Faucon befinden, Ihnen die Saalsprecherinnenwürde abzuerkennen, kommen Sie der Aufforderung zur Rückgabe der goldenen Brosche unverzüglich nach. Sollten Sie, wie Mademoiselle Lavalette, lediglich mit einer schriftlichen Ermahnung davonkommen, sehen Sie ja zu, sich im noch sehr langen Schuljahr keinerlei Verfehlungen über fünfzig Strafpunkten mehr schuldig zu machen! Ich wünsche Ihnen allen eine gute Nacht. Offenbar brauchen Sie dringend Erholung vom Streß der ersten Schulwoche."
"Dreihundert Strafpunkte", seufzte Céline, als Delamontagne den grünen Saal verlassen hatte. Julius stand mit Robert in einer Ecke und schwieg, während Gérard bereits wieder auf dem Weg nach draußen war, um das mit Sandrine geteilte Zimmer aufzusuchen.
"Ich hoffe mal, Gérard hatte unrecht mit dem, was er heute morgen erzählt hat, und ihr kommt mit Sandrine, Millie und mir weiterhin irgendwie zurecht", sagte Julius, während die anderen Sechst- und Siebtklässler wieder zu tuscheln anfingen.
"Wie gesagt, Julius, bei dir und Millie war es ja klar, daß sie und ihre Familie dich nicht mehr länger warten lassen. Gérard will ja auch nicht erzählen, was seine und Sandrines Meinung geändert hat", sagte Céline betreten, während Robert verdrossen zur nun wieder festen Wand im Ausgang blickte.
"Würdest du erzählen, wie die Hochzeitsnacht war oder warum zwei, die sich gut verstehen, anderen auf die Nase binden sollen, warum sie dieses oder jenes tun oder lassen?" Fragte Julius. "Nehmt das bitte einfach hin, daß Gérard und Sandrine auch schon Vater und Mutter werden, egal, warum sie das noch in Beauxbatons werden!" Seufzte Julius.
"Sag dem Typen, daß er uns nicht mehr wecken kommen soll, Julius", sagte Robert nun mit einer unheilvoll unerbittlich klingenden Stimme. "Wer seine Kameraden derartig blöd aushängt hat keine Freunde verdient."
"Er ist stellvertretender Saalsprecher, Robert. Er und ich klären das ab, wer was macht oder nicht macht", mußte Julius klarstellen.
"Dann möchte ich, daß ihr das klärt, daß er beim Wecken nur die anderen Schlafsäle betreten soll. Ich weiß nicht, ob mir nicht auch die Hand oder der Zauberstab ausrutscht, wenn der Typ morgen oder in den nächsten Tagen meint, den großen Weckrufer geben zu müssen."
"Robert, ich versuche das gerade zu sortieren, was dich so anstinkt. Aber sicher ist, daß Gérard dich nicht als einen hinhängen wollte, der seine Gefühle nicht im Griff hat oder sowas."
"Ist nicht nur das, Julius. Gérard hat mit mir lange drüber geredet, als rumging, daß er Sandrine auch schon was Kleines in den Bauch gelegt hat. Ich meinte, ihm als Freund erzählen zu können, was mich umtreibt. Dir konnte ich alles mögliche erzählen, ohne daß du das weitergereicht hast. Aber er muß gleich bei der ersten Gelegenheit ausquatschen, daß ich das schon fies finde, daß er und Sandrine vorher so getan haben, als wollten sie noch schön warten, bis Beauxbatons vorbei ist, und dann kommen die wieder und kriegen wie Millie und du ein Ehepaarzimmer, weil Sandrine doch schon was kleines unterm Rock hat. Neh, wenn der Typ dann meint, Gespräche zwischen Freunden seien der Schulleiterin zu erzählen, braucht der sich in den nächsten Wochen nicht mehr näher als fünf Schritte an mich ranzuwagen."
"Okay, ich versuche das mit ihm zu klären, daß wir den Weckdienst aufteilen und er die unteren Klassen wachsingt", lenkte Julius ein. "Ich weiß jetzt auch nicht, wie ich das reparieren kann, ohne euch beiden den Imperius-Fluch aufzuhalsen, was ja strengstens verboten ist. Aber wenn ich den noch in Klamotten antreffen will muß ich weg", sagte Julius mit ernstem Bedauern in der Stimme. "Céline, ich hoffe, Madame Faucon hängt dir nicht zu viel ans Bein wegen der Ohrfeige!"
"Notfalls kriegt Laurentine dann die Goldbrosche, solange Irene nicht die Silberbrosche von der kriegt", zischte Céline. Julius überhörte es einstweilen. Er aktivierte das Wandschlüpfsystem und verschwand aus dem grünen Saal.
Julius wußte nicht, ob er Sandrine in ihrem Zimmer besuchen durfte. Deshalb fragte er Madame Rossignol, die mal wieder mit einer Strickarbeit beschäftigt war.
"Sagen wir es so, Julius, ihr könnt nichts mehr anrichten, was nicht schon auf dem Weg wäre. Die Ehegattenzimmer sind nicht so strickt abgetrennt wie die Schlafsäle für Jungen und Mädchen. Aber warum hast du Gérard nicht mitgebracht?"
"Der kommt auf dem üblichen Weg herüber, weil ich noch was mit einigen Mitschülern zu besprechen hatte und er unbedingt seine Ruhe brauchte."
Sandrine purzelte aus dem Wandstück, das direkt mit dem gelben Saal verbunden war. Sie sah Julius bei Madame Rossignol stehen und fragte nach Gérard. Julius erwähnte, daß er offenbar total bei Robert verspielt habe und es noch dazu zu einer kurzen aber heftigen Auseinandersetzung mit Céline gekommen sei. Da das ja alle Grünen der zwei Oberklassen mitbekommen hatten würde es eh morgen die Runde machen.
"Oh, das habe ich befürchtet", sagte Sandrine. "Als Gérard das heute sagte, Robert sei auf ihn eifersüchtig, weil er schon mit mir verheiratet sei und ich schon von ihm schwanger bin, habe ich sowas befürchtet. Céline hat dem sicher das Feuer von zehn Drachen unter dem Kessel angezündet. Warum hast du den nicht durch das Wandschlüpfsystem mitgebracht?" Julius erklärte es ihr. Sie blickte betroffen und nickte. Dann straffte sie sich unvermittelt. Julius wußte nicht, ob bei Sandrine echt schon die Hormone Achterbahn fuhren. Doch als sie unvermittelt sehr zornig aussah und sie sagen hörte: "Die hat den gehauen, weil sie sich nicht getraut hat, Ihren Freund auf den Besen zu rufen", wußte er, daß Sandrines sonst so zurückhaltende Art in den nächsten Wochen und Monaten Urlaub machen würde. Madame Rossignol rief über ihr Armband nach Millie, die noch im roten Saal saß. Sie sagte zu, sofort rüberzukommen und tauchte knapp eine Minute später durch die Verbindungswand zum roten Saal auf. Als dann noch Gérard auf dem für alle Schüler zugänglichen Weg den Krankenflügel erreicht hatte eröffnete die Schulheilerin eine spontane Besprechung. Gérard, der Célines Handabdruck immer noch im Gesicht hatte, erwähnte, was am Morgen in der Saalsprecherkonferenz gesagt wurde. Madame Rossignol nickte und deutete auf das Bild von Serena Delourdes, der Mitbegründerin von Beauxbatons, Gründerin des Gelben Saales, der ersten Heilerin von Beauxbatons und Gründerin der Pflegehelfertruppe. "Ich pflege seitdem mehrere Pflegehelfer auch Saalsprecher werden von ihr kurze Berichte über den Ablauf der Konferenzen zu erhalten. Daher wußte ich das schon. Aber daß es Céline und Robert so mitnimmt hätte ich nicht gedacht."
"Céline regt sich deshalb auf, weil sie dachte, Sandrine und ich könnten uns wunderbar zurückhalten und ihr Freund käme dann damit klar, wo Julius sicher nicht ohne gemeinsames Baby mit Millie aus den Sommerferien kommen durfte, wo die ja schon zusammen wohnen dürfen. Ich war fast davor, ihm die Sache mit dem Regenbogengesöff zu erzählen. Aber die Art, wie der mich vorwurfsvoll anglubschte hat das mir schnell ausgetrieben. Nachher hätte der noch rumgehen lassen, daß ich ja ein Vollidiot sei, mich mit Sandrine vorzeitig auf ein Kind einzulassen und daß irgendwer mich wie Zuchttiere zusammengetrieben hat."
"Könnte dir nur passieren, daß das irgendwann doch wer rausbekommt, Gérard. Im roten Saal sind zwei Jungen, deren Eltern auf Martinique wohnen", sagte Millie. "Wenn das bei denen rumgeht, daß da irgendwie nach einer wilden Party mehrere Hexen neue Kinder erwarten und viele wissen, daß Sandrine und du zur selben Zeit auf dieser Insel gewesen seid, weiß ich nicht, wie ich die davon abhalten soll, das rumzureichen, ohne das Leonie oder Apollo erklären zu dürfen, warun", sagte Millie.
"Das habe ich Madame Faucon auch gesagt, Millie. Aber sie ist der Ansicht, daß das nur Sandrine und Gérard entscheiden dürfen, wer das erfährt, wer es noch nicht erfahren hat", wandte die Heilerin ein.
"Dann werde ich das wohl bei der nächsten SSK rauslassen müssen", grummelte Gérard. "Das macht den zwischen Céline, Robert und mir zerbrochenen Besen zwar nicht mehr ganz. Aber zumindest können die Saalsprecher dann aufpassen, daß das nicht alle mitkriegen."
"Wenn du das rumgehen lassen willst, Gérard brauchst du das nicht erst bei der SSK zu sagen", grummelte Sandrine. "Dann können wir das auch gleich jedem aus unseren Sälen erzählen. Ich bin ja nur froh, daß du nicht bei dieser Lerouge gelandet bist, die dich schon so komisch angeguckt hat."
"Gut, das klärt ihr bitte erst einmal für euch. Wenn ihr wollt, daß die Saalsprecher das wissen und sonst niemand mehr könnt ihr nächste Woche drauf bestehen, daß das nicht in der ganzen Schule weitererzählt wird", entgegnete Madame Rossignol ruhig. Sandrine und Gérard nickten. Julius teilte Gérard dann noch mit, daß Robert ihn nicht mehr im Siebtklässlerschlafsaal sehen wolle. Madame Rossignol kam Gérard mit einer Antwort zuvor:
"Da läßt du dich nicht drauf ein, Gérard. Ein Saalsprecher oder stellvertretender Saalsprecher darf sich nicht einschüchtern oder von irgendwas abbringen lassen. Wenn ihr beide euch beim Wecken der anderen ablöst mußt du auch in den Siebtklässlerschlafsaal hinein, am besten gleich morgen früh. Und sollte Robert meinen, seine gekränkte Ehre durch Handgreiflichkeiten oder Zauber an dir abzureagieren, so bekommt er eben die seit bald zwei Jahren geltenden dreihundert Strafpunkte wegen Angriffs auf einen Saalsprecher oder dessen Stellvertreter. Julius, du läßt dich nicht von ihm dazu überreden, seine Aufgaben zu übernehmen. Du entscheidest als hauptamtlicher Saalsprecher, wie du mit deinem Stellvertreter zusammenarbeitest. Sich einschüchtern zu lassen wäre jetzt das völlig verkehrte Signal an eure Mitschüler." Julius wollte einwenden, daß ihm die Freundschaft mit Robert ebensowichtig war wie die Saalsprecherwürde. Da sagte Sandrine rasch:
"Madame Rossignol hat recht, Gérard. Du läßt dich nicht von einem einschüchtern, der meint, auf uns wütend zu sein, weil seine Freundin zu lange warten wollte." Julius schöpfte erst einmal Atem. Mit einer derartigen Ansage Sandrines hatte er trotz der kurzen Wut eben gerade nicht gerechnet.
"Es bringt doch nichts, Robert dazu zu zwingen, sich von mir wecken zu lassen", grummelte Gérard. Das verursachte bei allen außer Sandrine belustigtes Lachen.
"Gérard, dadurch, daß wir die Broschen haben, werden unsre Mitschüler schon dazu gezwungen, sich von uns wecken zu lassen. Wo käme ich hin, wenn Leonie mir sagte, daß ich sie nicht aufzuwecken hätte, und Apollo würde sich schön bedanken, wenn ihm wer sagt, in welchen der Jungenschlafsäle er reingehen dürfe und in welchen nicht", erwiderte Millie erheitert. Sandrine blickte ihren Mann verdrossen an und zischte nur: "Da hörst du's." Gérard seufzte. Dann nickte er schwerfällig.
"Julius setzt dich morgen früh in eurem Saal ab und kommt sofort zu mir zurück, weil ich mit ihm, Sandrine und Millie die Einteilung der Pflegehelferübungsgruppen abstimmen muß. Du weckst deine Kameraden, inklusive Robert Deloire!" Wies Madame Rossignol Gérard an. Er versuchte es zwar, dem gestrengen Blick der Heilhexe von Beauxbatons auszuweichen, schaffte es jedoch nicht. Alle im Besprechungszimmer sitzenden sahen, daß er in einem inneren Streit zwischen zwei Gefühlen oder Ansichten gefangen war. "Ist das bei dir angekommen, Gérard?" Setzte die Heilerin nach. Gérard nickte schwerfällig. Julius wandte sich der Heilerin zu und wollte sie fragen, wieso sie jetzt diese strenge Anweisung gegeben hatte. Wollte sie, daß Robert und Gérard sich gegenseitig in Einzelteile zerlegten, wo sie sonst auf die Gesunderhaltung aller Schüler achtete? Er öffnete den Mund. Doch Madame Rossignol hatte es wohl vorausgesehen, daß er dazu was sagen oder fragen wollte und gebot ihm mit einer Handbewegung, erst einmal nichts zu sagen. So blieb den zwei Ehepaaren nur noch, sich von ihrer Quartiermeisterin zu verabschieden und ihre Zimmer aufzusuchen.
"Und dessen Kinder wollte ich mal haben", grummelte Millie, als sie neben Julius im Bett lag. "Aber du hast dich von Robert auch beschwatzen lassen, richtig?"
"Millie, wir sind schon in einer total anderen Lage als im letzten Jahr. Da wollte ich die Kiste nicht noch schwerer machen."
"Das was die gute Madame Rossignol uns gerade im allgemeinen und euch zwei Jungs im besonderen gesagt hat hättest du Célines schmachtendem Verehrer so und nicht anders um die Birne hauen müssen. Apollo hätte dem jedenfalls gesagt, daß er als Saalsprecher keine Anweisungen von Mitschülern entgegennimmt und auch den Weckplan nicht nach Einzelmeinungen ausrichtet. Aber ich kapiere das, daß du da vorhin zwischen allen Stühlen gehangen hast. Das ist ja was anderes als bei der Weltmeisterschaft, wo du mehr mit fremden Leuten zu tun hattest und da lockerer gegebene Anweisungen ausführen konntest, ohne dich damit rumzuplagen, wie andere das finden könnten."
"Das ist sehr lieb, daß du mir nicht auch noch vorwirfst, zu weich gewesen zu sein."
"Deine Eltern wollten keinen Draufgänger. Wissen wir ja jetzt. Du hast gelernt, erst zu verhandeln und dann zu handeln. Ist nicht immer verkehrt, Julius. Aber bei manchen Burschen bringt's das nicht. Wir haben in der ersten auch so zwei, die absolut in den roten Saal gehören, weil die sich bei jeder Kleinigkeit die Fäuste zeigen. Apollo mußte da immer wieder zwischengehen und denen zeigen, daß er größer und stärker ist. Er hat das noch auf eine derbe Art gesagt, die euren oder Sandrines Mädchen glatt den Atem verschlagen würden. Aber wenn du bei uns reingekommen wärest, wie der Teppich es klar angedeutet hat, hättest du das gelernt, dich schnell zu entscheiden, wie du mit Raufbolden und wütenden Leuten umspringst, Süßer." Sie küßte ihm auf die Wange. "Aber Gérard hätte sich besser in den gelben Saal schicken lassen sollen", fügte sie noch in der gewißheit hinzu, daß sie außerhalb des Bettes keiner hören konnte. Julius wollte dazu nichts sagen. Er ließ es lieber geschehen, daß Millie sich ankuschelte und fand mit ihr einen ruhigen, gleichmäßigen Atemrhythmus. Er meinte, ihr Herz durch seine Brust klopfen zu hören, ohne daß sie mehr taten, als nebeneinander zu liegen und sich gegenseitig zu wärmen. Wärme, Atemrhythmus und das Gefühl der wohligen Nähe trugen Julius in einen angenehmen, tiefen Schlaf hinüber.
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Da Sonntags kein Unterricht war verschob sich die Frühstückszeit um eine Stunde nach hinten. Madame Rossignol schickte Millie und Sandrine zuerst aus, ihre Stellvertreterinnen zum Weckdienst loszuschicken und später nachzukommen, wenn alle aus den Sälen zum Frühstück ausrückten. Als die beiden werdenden Mütter wieder da waren sagte Madame Rossignol: "So, Julius, du lieferst Gérard jetzt bei euch ab und kommst in spätestens Zehn Sekunden zurück. Jede Sekunde danach kriegst du fünf Strafpunkte von mir."
"Bevor Julius mich da abliefert will ich mal festhalten, daß Sie das nicht angeht, wie wir klarkommen", grummelte Gérard, der offenbar meinte, doch noch einmal aufbegehren zu müssen.
"Das Armband an Julius' rechtem Handgelenk sagt ihm und euch, daß es mich zum Donnerwetter mit Kugelblitz und Hagelschlag eine Menge angeht, was er wie mit wem regelt, solange ich das von der Schulleitung seit Zeit der Gründer verbriefte Recht habe, die von mir eingestellten Pflegehelfer für gesonderte Aufgaben anzufordern. Und da du, Gérard, dieses Jahr in meinem Zuständigkeitsbereich übernachtest, geht es mich auch etwas an, wie du mit den dir zugeordneten Aufgaben fertig wirst und wie du dich geistig weiterentwickelst. So, und jetzt keine weitere Diskussion! Es ist schon kurz vor sieben." Julius nickte und bot Gérard den Arm an. "Zehn Sekunden nach dem Wandschlüpfen bist du spätestens wieder hier", erinnerte die Heilerin Julius an ihre Anweisung und Strafpunktandrohung. Julius rief den Wandschlüpfzauber wach und berührte mit seinem silbernen Armband die Wand zum grünen Saal.
"Sag der Dame, die meint, sich überall reinhängen zu müssen, sie kann mich und Robert in zwei Minuten mit dem Spatel von der Wand kratzen!" Zischte Gérard. Julius fühlte, daß der Kamerad sichtlich angespannt war. So sagte er ihm nur:
"Du wirst deine Kinder noch in den Schlafsingen, Gérard." Gérard blickte ihn verdrossen an und verpaßte damit die gelegenheit, Julius wieder am Arm zu ergreifen, als dieser postwendend durch die Wand zurück in das Besprechungszimmer Madame Rossignols schlüpfte.
"Er läßt schön grüßen und fürchtet, daß Robert oder er miteinander die Wand im Schlafsaal tapezieren."
"Was hast du darauf geantwortet?" Fragte die Heilerin.
"Daß er seinen Kindern noch was zum Einschlafen vorsingt", erwiderte Julius.
"Gute Antwort. Setz dich bitte an den Tisch!" Julius nickte seiner Frau und Sandrine zu und nahm Platz.
Madame Rossignol erwähnte, daß es in diesem Jahr nur einen Neuzugang gab, Nadine Albert. Somit waren es nach dem Abgang von Sixtus und Josephine im letzten Jahr nur noch neun aktive Pflegehelfer. Da Madame Rossignol gerne eine gewisse Ausgeglichenheit in den Gruppen herstellte sollte in jeder der beiden Gruppen ein Zauberer und eine der beiden werdenden Mütter sein, zumal das Thema Schwangerenbetreuung und Säuglingspflege ja dieses Jahr die Hauptbetätigung sein würden. Da Madame Rossignol ebenfalls nicht gerne Leute aus nur einem Saal in einer Gruppe hatte teilte sie im Beisein von Sandrine und den Latierres die Gruppen so ein, daß Nadine bei der Gruppe dabei war, in der Millie eingeteilt war. zu ihr teilte sie dann noch Louis, Patrice und Aysha Karim, während Sandrine, Belisama, Patricia Latierre und Julius in der zweiten Gruppe zusammenarbeiten sollten.
"Mir ist klar, Julius, daß du gerne deine Frau weiterbetreuen möchtest. Aber ich weiß auch, daß ihr zwei dann zu emotional aufeinander eingeht. Außerdem möchte ich dich mindestens bei der Geburt von Sandrines Zwillingen dabei haben, die wohl zwischen dem vierzehnten bis fünfundzwanzigsten mai ansteht." Millie fragte, ob Julius auch bei der Geburt des gemeinsamen Kindes mithelfen dürfe.
"Das ist schon ein Unterschied, ob das eigene Kind zur Welt kommt oder das von anderen Eltern", wandte Madame Rossignol ein. "Aber ich erlaube ihm, dabeizusein, weil ich weiß, daß er sowieso an dem Tag nichts anderes im Kopf haben wird und ja schon zwei Geburtsvorgänge mitverfolgt hat."
"Mein Mann fragt an, ob er bei der Geburt unserer Kinder zusehen darf", sagte Sandrine.
"Ich weiß, und gerechterweise muß ich ihm zumindest die Möglichkeit einräumen, zuzusehen, obwohl es viele magische Hebammen ablehnen, Zauberer bei der Geburt von Kindern zusehen zu lassen. Aber da es sich auch langsam in der magischen Welt immer mehr durchsetzt, was in der Muggelwelt schon AllTäglichkeit ist und ich hier das heilmagische Hausrecht genieße werde ich ihn in seinen Freistunden entsprechend vorbereiten.
"Wie machen wir das mit der Schwangerschaftsgymnastik?" Fragte Millie.
"Zweimal in der Woche. Am besten dienstags nach dem Unterricht und Samstags nachmittag um drei Uhr, um das Mittagessen gut verdaut zu haben, bevor ihr euch in anstrengenden Übungen ergeht."
"Nur für werdende Mütter?" Fragte Julius herausfordernd, weil er mit Millie schon über dergleichen gesprochen hatte. Madame Rossignol lächelte vergnügt als sie erwiderte:
"Na ja, wird ein wenig schwierig für dich, bei den Atemübungen zur Gebärmutter hinzuatmen oder so elegant mit dem Beckenboden zu kreiseln wie eine werdende Mutter. Aber es gibt durchaus Übungen, die du auch mitmachen könntest, falls du deine Frau unterstützen möchtest."
"Wäre auf jeden Fall eine gute Ausgleichsübung zum laufen und Schwermachertraining", wandte Julius ein. "Allerdings ja nur dann, wenn ich Sandrine dabei nicht unbekleidet sehen muß, weil sich das ja nicht gehört, daß ein fremder Mann eine verheiratete Frau nackt zu sehen bekommt, der weder ihr Arzt noch ihr Vater ist."
"Also, mein Vater hat mich zum letzten mal unbekleidet ansehen dürfen, als ich fünfzehn Jahre alt war", sagte die Heilerin. "Und das nur, damit er endlich erkannte, daß ich kein kleines Kind mehr war."
"Das hat meiner schon mit elf kapiert, als bei mir alles losging, was das Mädchen zur Hexe macht", sagte Millie. Sandrine errötete.
"Also, falls du, Julius und falls er nicht als blutrotes Muster an der Wand des Siebtklässlerschlafsaals geendet hat auch Gérard euren Gymnastikstunden als aktive Teilnehmer beiwohnen möchten tragt ihr natürlich alle Sportsachen. Nur wenn ich das für nötig halte, eure Körper frei zu sehen, Sandrine und Millie, werde ich die beiden Herren in ein Nebenzimmer schicken und umgekehrt."
"Ich hoffe echt, daß Gérard sich mit Robert kein Duell liefert", sagte Julius. Er fragte, ob er in den Grünen Saal durfte. Doch die gerade eben noch heiter aussehende Heilerin schüttelte den Kopf und bedeutete ihm mit strengem Blick und unerbittlicher Geste, solange sitzen zu bleiben, bis sie alle für die beiden Ehepaare allein gültigen Anliegen abgeklärt habe. Es ging dann noch um die vorgeburtliche Betreuung während der Ferien. "Das mußte ich offiziell sagen, ihr drei", bemerkte die Heilerin, weil alle drei Pflegehelfer grinsten. Denn wenn die Weihnachtsferien kamen würde ja dann wohl der trimagische Weihnachtsball stattfinden. Wer von den Schülern über der dritten würde da dann in die Ferien fahren? "Aber es sind ja auch noch die Osterferien, wo ihr beiden ja dann nur noch wenige Wochen vor der hoffentlich beschwernisarmen Niederkunft steht. Sandrine, du hast dich verbindlich für Madame Matine in Millemerveilles entschieden?" Sandrine nickte bestätigend. "Millie, du möchtest, falls du in die Ferien fährst weiterhin von deiner Tante Béatrice Latierre betreut werden?" Millie nickte auch. Dann sagte sie jedoch, daß sie, falls das ginge, in den Osterferien gerne mit Julius in Beauxbatons bleiben wolle. Ihr mann nickte beipflichtend. Sandrine überlegte.
"Ich muß das mit Gérard besprechen. Aber wie ist das mit der Reisesphäre bei fortgeschrittener Schwangerschaft?"
"Sofern du keine Überseesphäre nach Martinique, New Orleans oder Mauritius benutzen möchtest werden die beiden Kinder keinen Unterschied zwischen der Schwerelosigkeit im Fruchtwasser und der einer Reisesphäre empfinden. Aber es ist durchaus richtig, das vorher zu klären, ob du oder Millie, falls sie doch noch in die Ferien möchte, auf eine mögliche Lageänderung der Leibesfrüchte zu untersuchen, die ein Reisen in der Sphäre bei möglichem Fall nach der Ankunft verbietet. Ich korrespondiere auf jeden Fall mit den beiden Kolleginnen, auch wenn die junge Kollegin Latierre ja demnächst genug mit ihrer eigenen Mutter zu tun hat."
"Dann hat die wahrlich genug um die Ohren", erwiderte Millie.
"Wie viele werden das jetzt?" Wollte Sandrine noch einmal wissen. Millie sagte ihr, daß ihre Großmutter vier Kinder trug. Sandrine erbleichte.
"Und ich mach mir schon die heftigsten Sorgen wegen der zwei."
"Und ich wegen einem einzigen", erwiderte Millie. "Aber wir kriegen das alle hin, Oma Line, du und ich."
"Als wenn du das schon mal erlebt hättest", grummelte Sandrine.
"Oft genug mitbekommen habe ich es jedenfalls", erwiderte Millie. Die Heilerin räusperte sich und hakte dann den Punkt Ferienbetreuung ab. Mittlerweile war es zwanzig nach sieben. Das Wecken war vor zwanzig Minuten über die Bühne gegangen. Julius blieb jedoch ruhig.
"So, damit sind wir mit allem wesentlichem und auch unwesentlichem durch. Heute ist Sandrines Pflegehelfergruppe dran, wenn die allgemeine Konferenz zu Ende ist. Sandrine, Mildrid, ihr geht jetzt in eure Säle zurück und trefft euch mit euren Saalmitbewohnern zum Frühstück!" Julius erhob sich auch. "Erst die beiden", legte Madame Rossignol nach. Julius sah sie an. Wieder erwiderte sie seinen Blick mit einer Unerbittlichkeit. Er versuchte, sie genauso konzentriert anzusehen wie vor wenigen Wochen Professor McGonagall, als sie meinte, ihn unbedingt zu ihn ablehnenden Muggelstämmigen in eine Ausflugsgruppe einteilen zu wollen. Doch bei der Heilerin zog es seltsamerweise nicht. Offenbar klemmte da bei ihm etwas in der Konzentration. Sie sagte nichts. Als Millie gerade durch die Wand verschwand erkannte er auch, was es war. Er verdankte dieser Frau einfach zu viel, als das er sich mit aller Macht gegen sie auflehnen konnte. Im übertragenen Sinne war sie sogar eine Art zweite Mutter, die ihm sein Leben als Zauberer zurückgegeben hatte. Er entspannte sich. Sie lächelte, nicht überlegen, sondern großmütterlich wohlwollend.
"Mir ist klar, daß du dich für Gérard mitverantwortlich fühlst, Julius. Das ehrt dich sogar. Aber er mußte endlich lernen, ihm zugefallene Verpflichtungen konsequent wahrzunehmen", sagte die Heilerin ruhig. "Ich mußte ihm diese harte Lektion auferlegen, weil er sich selbst noch vor Eigenverantwortung scheut. Er fühlt sich zwar sowieso schon von allen Seiten herumgeschupst. Aber ein Zauberer, der Vater wird sollte lernen, zu dem seine Pflichten zu erkennen und den Mut aufzubringen, sie wahrzunehmen. Das hast du schon längst lernen müssen. Er muß es noch lernen. Und jetzt, wo ich quasi eure Schlafsaalaufsicht bin, bot es sich mir an, diese so lebenswichtige Lektion heute zu geben. Robert wird bei aller Verärgerung und Frustration nicht so dumm sein, Gérard etwas zu tun."
"Und falls doch. Jungs mit siebzehn können genauso ausrasten wie ... ähm, eben unbeherrscht." "Schwangere Frauen" hatte Julius fast gesagt. Doch er verkniff es sich gerade so noch. Madame Rossignol verstand es aber auch so und sagte:
"Meine Schwiegertochter hatte sehr ungemütliche Umstände, als Serge und Marc unterwegs waren. Die haben sich immer gezankt, bevor sie geboren waren. Offenbar war meine Schwiegertochter ihnen unangenehm. Ich habe ihnen dann klargemacht, daß sie nicht eher an die Frische Luft dürften, bis sie sich den spärlichen Platz friedlich zu teilen gelernt hätten. Irgendwie hat das wohl funktioniert. Denn die letzten vier Wochen vor ihrer Geburt haben sich meine rauflustigen Herren Enkelsöhne hübsch friedlich verhalten und machten bei ihrer Ankunft auch keine Zicken. Manchmal brauchen Jungs wie ihr, egal ob vier Wochen vor der Geburt oder sieben Jahrzehnte danach noch eine klare Zurechtweisung, um zu lernen, was richtig ist." Sie schloß Julius kurz in ihre Arme und drückte ihn an sich. "Du kannst das machen, was sie dir alle auferlegen. dann kannst du das auch zwischen Gérard und Robert wieder hinkriegen, ohne dich klein und scheu zu machen." Mit diesen Worten entließ sie ihn zu seinem Treffen mit den anderen Jungen aus dem grünen Saal.
Robert und Gérard waren noch in einem Stück und quicklebendig. Diese Erkenntnis beruhigte Julius ungemein, auch wenn Robert sehr verächtlich auf Gérard schaute. Als er Julius ebenso verächtlich anblickte entsann sich der Träger der Goldenen Brosche des grünen Saales, sich nicht unterkriegen lassen zu wollen und blickte ihn konzentriert an. Jetzt schaffte er es, jene Unerbittlichkeit und Entschlossenheit in seinen Blick zu legen, die ihm eben bei Madame Rossignol gefehlt hatten. Robert erzitterte, wich einen Schritt zurück. Julius setzte nach, jedoch auf der Hut vor einer verdächtig nach Schlag oder Zauberstabführung aussehenden Bewegung. Robert wich weiter zurück. Julius setzte ebenso weiter nach. Auch wenn er sowas früher immer abgestritten hätte, jetzt empfand er es als ungemein wichtig, Stärke und Entschlossenheit zu zeigen. Robert zitterte immer noch. Um Julius und Robert herum standen andere Jungen. Céline und Laurentine begutachteten gerade die jüngeren Mitschülerinnen. Doch für Julius gab es im Moment nur Robert Deloire, der immer noch vor seinem konzentrierten Blick zurückwich. Als Robert kurz davor war, rückwärts über einen nicht ganz an den Tisch herangeschobenen Stuhl zu stolpern verringerte Julius seine Konnzentration. Robert stand da, leicht zitternd, verunsichert. Dann entspannte er sich. Julius ging mit freundlichem Lächeln nach vorne und sprach ihn an: "Hallo Robert, ich sehe, du hast gut geschlafen."
"Woher kannst du sowas. Wer hat dir das beigebracht, Mann?" Wimmerte Robert Deloire.
"Vielleicht noch ein Rest von Madame Maximes Blutspende oder dem Schlangenmenschengift, weiß ich das?" Erwiderte Julius gelassen klingend. Er wußte, daß Robert jetzt keine wie auch immer geartete Bemerkung machen würde.
"Fast hätte es geknallt, als ich in unseren früheren Schlafsaal rein bin", berichtete Gérard. "Robert hat mir ein Kissen entgegengeschmissen und gebrüllt, ich solle den Abmarsch machen. Da habe ich ihm gesagt, daß ich mich nicht von ihm oder André davon abhalten lassen wolle, die Weckrunde komplett zu machen. Er meinte dann nur, daß Madame Rossignol dir wohl verboten habe, die Runde zu machen, damit ich die machen muß. Muß ich wohl dabei blöd geguckt haben. Da hat der Typ nur gelacht und gemeint, daß ich ja nur nach vorne gehe, wenn von hinten ein hungriger Drache käme. Da hab ich ihm gesagt, daß er ja nur die Erlaubnis von Célines Vater zur Hochzeit kriegte, wenn er im Kopfstand auf einem Besen fliegen könnte. Das hat den natürlich wütend gemacht. Der zog den Stab, ich meinen. Da ist dem aufgegangen, daß die Brosche sicher petzt, wenn jemand ihren Träger angreift. Da ich den Stab noch in der Hand hatte konnte er mich nicht mit bloßen Händen anspringen. Ich habe dem nur gesagt, daß in einer Stunde Frühstücksabmarsch sei und bin wieder raus."
"Gut, und das Manöver wiederholen wir jetzt jeden Morgen, bis unser werter UTZ-Mitkandidat sich wieder eingekriegt hat", sagte Julius jetzt mit ihm selbst unheimlicher Entschiedenheit, daß jeder Umstehende das mitbekommen mußte, auch Robert. Leise sagte er noch zu Gérard: "Wir haben die Gruppen eingeteilt."
"Als ich von dir so allein da stehengelassen worden bin habe ich's kapiert, daß ich mir von keinem dummkommen lassen darf, solange ich die Brosche trage, weil ich ja sonst voll die Lachnummer bin", grummelte Gérard. Julius nickte.
Am grasgrünen Tisch versuchte André, Robert damit aufzuziehen, daß Julius ihn regelrecht durch die Wand geglotzt hätte, wenn der Stuhl nicht im Weg gestanden hätte. Julius wandte sich an André und hielt ihn leise aber unmißverständlich an, sich keine weiteren Strafpunkte einzuhandeln. Es könnten zu viele sein. Er ärgerte sich zum einen darüber, so auftreten zu müssen. Andererseits fühlte er auch eine gewisse Erleichterung, sich durchsetzen zu können, wenn er mußte.
Nach dem Frühstück trat die neunköpfige Pflegehelfergruppe zur ersten Sonntagskonferenz zusammen. Nachdem Nadine Albert offiziell als neues Mitglied vorgestellt worden war ging es um die Ereignisse der ersten Woche. Viel war ja noch nicht passiert. Dann ging es um die Betreuung der beiden schwangeren Kameradinnen Sandrine und Millie, um die Pausenhofaufsicht während der Schultage und die Vorbereitungen des trimagischen Turnieres.
"Wir wissen noch nicht, wer genau zu uns kommen wird. Eins ist aber sicher, daß die beiden Abordnungen in ihren Reisefahrzeugen übernachten. Da es in den Außenwänden des Palastes Verbindungen zum Wegesystem gibt können wir also auch nach Toresschluß hinaus. Ich bitte mir jedoch aus, daß nur die Pflegehelfer nach Saalschluß den Palast verlassen, die ich persönlich anfordere, falls was passiert, das ich alleine nicht bewältigen kann", sagte die Schulheilerin mit strenger Betonung. Dann teilte sie die Übungsgruppen ein.
Nachdem Julius' Gruppe in der Handhabung des Einblickspiegels unterwiesen worden war, um durch ihre Kleidung und Bauchdecke in Sandrines Gebärmutter blicken zu können staunte Patricia Latierre. "Hat Millie nichts von gesagt. Oder wußte die das noch nicht."
"Das Sandrine zwei Kinder trägt behaltet ihr bitte erst einmal für euch, bis Sandrine und ihr Mann das bekanntgeben wollen!" Hielt die Heilerin die drei bei Sandrine sitzenden Pflegehelfer an.
"Wann kann man Kopf, Arme und Beine von den Kindern sehen?" Wollte Belisama Wwissen.
"So im dritten Monat", sagte Sandrine, die befand, nicht nur Anschauungsobjekt zu sein. Patricia sagte, daß ihre Mutter jetzt sogar vier im Bauch habe und deshalb den Fortuna-Matris-Trank trinken müsse, damit die vier auch richtig groß wurden, um geboren zu werden.
"Zwei reichen mir im Moment schon, Pattie", lächelte Sandrine.
"Ist Millie sauer, weil du zwei hast und sie nur eins?" Wollte Patricia noch wissen. Sandrine grinste.
"Die wäre nur sauer, wenn ich die einzige hier wäre, die gerade für wen mitessen muß, Pattie." Madame Rossignol hielt die beiden Mädchen dann noch an, sich selbst mit dem Einblickspiegel zu untersuchen, um zu sehen, wie eine gerade unbesetzte Gebärmutter aussah.
"Hmm, Marc hat mir gestern einen langen kuß gegeben, nicht das dadurch wer bei mir eingezogen ist", scherzte Patricia.
"Oh, dann sollten wir dich aber gleich auf den Gebärstuhl setzen, damit der lange Kuß auch sicher wieder aus dir rausfindet, Patricia", erwiderte Madame Rossignol. Die drei Mädchen und Julius lachten. Ihnen und der Heilerin war ja schon längst klar, daß Patricia wußte, wie die kleinen Kinder in den Mutterschoß kamen. Immerhin hatte Patricia das selbst erzählt, daß ihre Eltern sie einmal hatten zusehen lassen. Die Heilerin besah sich Patricias Unterleib durch den runden Einblickspiegel und stellte fest, daß sie gerade kein Kind trug. Als Patricia noch Belisama mit magischem Durchblick überprüft hatte meinte sie: "Das wir alle mal in sowas kleinem drin angefangen haben ist echt stark."
"Auch Madame Maxime", meinte Sandrine dazu. Julius mußte darauf antworten, daß Madame Maximes Maman noch ein bißchen größer als Belisama oder Patricia gewesen sei.
"Auf die Weise konnte ich zumindest schon mal feststellen, daß ihr zwei noch unberührt seid, zumindest was eure Geschlechtsorgane angeht", sagte Madame Rossignol. Dann zeigte sie Bilder von Ungeborenen in allen vierzig Wochen und gab den vier Pflegehelfern Puppen die so groß und schwer wie Neugeborene waren. Belisama konnte sich jedoch wie Julius und Sandrine wunderbar in die bereits an Cythera Dornier erprobten Pflegepraktiken einfinden, und Patricia zeigte, daß sie auch schon mit ihren zur Zeit noch jüngsten Schwestern Félicité und Esperance vertraut genug gemacht worden war.
"Dann sind wir auf jeden Fall die richtige Besetzung, um Sandrine zu helfen, ihre Babys zu bekommen", sagte die Heilerin. Damit war es für Julius offiziell, daß die Heilerin gezielt auf diese Besetzung der Pflegehelfergruppe abgezielt hatte. Er dachte daran, daß Louis und Nadine in der Hinsicht totale Anfänger waren, auch wenn Nadine wohl schon in Säuglingspflege vorgebildet worden war.
Nach der Übungsstunde erstattete Julius seiner Frau Bericht. Sie trafen sich am Strand und genossen die Spätsommersonne. Nach dem Mittagessen schickte Julius Aurora Dawns Bild-Ich nach Hogwarts, um Gloria zu fragen, wann er mit ihr über die Zweiwegspiegelverbindung sprechen könne. Sie ließ über das Bild-Ich zurückmelden, daß sie abends ab elf Uhr ihrer Zeit im Vertrauensschülerbad war.
Als Millie und Julius in ihrem Bett lagen holte Julius den kleinen, quadratischen Spiegel mit dem Sonnensymbol auf der Rückseite aus seinem Practicus-Brustbeutel und wisperte Gloria Porters Namen gegen das Glas. Sein Gesicht im Spiegel verschwamm und machte dem Gloria Porters platz. Auch wenn es noch nicht einmal einen Monat her war, daß er sie zuletzt gesehen hatte fand er, daß sie sich weiter zu einer attraktiven Junghexe entwickelt hatte. Doch das sagte er ihr nicht.
"Wo bist du gerade?" Fragte sie ihn. "Im Bett neben meiner Frau. Da stört uns keiner."
"Geht's euch dreien gut?" Fragte Gloria.
"Uns dreien geht's herrlich", schnurrte Millie. "Vielleicht siehst du das Kleine ja, wenn es an die Luft kommt. Oder kommst du nicht zum Turnier?"
"Das ist gerade absolut und unerreichbar das Geheimnis von Professor McGonagall", erwiderte Gloria auf Französisch. "Die will nicht haben, daß ihr schon mal wißt, auf wen ihr euch einstellen müßt. Kevin übt mit den Hollingsworths, ich mit Pina, und dann weiß ich nicht, wer sonst noch alles, um gut genug die Sprache zu können, wenn der große Sprech- und Schreibtest Anfang Oktober ansteht."
"Wer darf daran teilnehmen?" Fragte Julius.
"Alle, die jetzt schon siebzehn sind oder bis zum Halloweentag siebzehn werden. Professor McGonagall hat klargestellt, daß es diesmal nur drei Champions werden, da ihre Kollegin in Beauxbatons eine Alterslinie genausogut zeichnen könnte wie Dumbledore und obendrein was machen würde, um sicherzustellen, daß niemand an dem Kelch herummurksen kann, Meldezauber oder sowas. Wer den Test am Anfang Oktober besteht ist eine Runde weiter auf dem Weg zu euch hin. Soviel hat Professor Flitwick zumindest erwähnt. Wie genau sie das ausknobelt will aber keiner verraten."
"Ich höre noch kevin, daß er "diese Strammsteherschule" niemals betreten würde, selbst wenn sie ihm zehntausend Galleonen ohne Turnierteilnahme gäben. Kannst ihn ja vorwarnen, daß Madame Faucon das Straf- und Bonuspunktesystem nicht anders einsetzen will, auch wenn Hogwarts-Schüler und die von Greifennest bei uns sind. Und unsere Schulheilerin hat uns gesagt, daß ihr draußen vor dem Palast schlaft. Also solltet ihr in der Zeit besser nicht krank werden."
"Gilt das auch für Krankheiten, die vierzig Wochen brauchen, bis sie aus einem wieder raus sind?" Feixte Gloria.
"Nur wenn ein Mädchen ein anderes damit ansteckt", grummelte Millie. "Ansonsten geht's wohl wieder ohne Abschlußzeugnis nach Hause zu Maman und Papa."
"Hast du Angst, dir diese, ähm, besondere Lage, einzuhandeln, Gloria?"
"Wenn ich überlege, wie das bei euch möglich ist, wo bei uns in den letzten hundertfünfzig Jahren keine Schülerin für wen mitessen mußte muß ich ja mal fragen dürfen."
"Sagen wir es so, sollte Kevin oder Fredo oder wer von euch herkommt sich diese besondere Sache einhandeln behält Madame Rossignol ihn dann hier als neues Wunder der magischen Heilkunst. Also sag denen das, daß sie immer schön auf ihre Körpertemperatur achten sollen und nichts mit einem Mädchen anstellen, wenn die am höchsten ist!"
"Okay, ich habe diesen Unfug angefangen", knurrte Gloria. "Aber wieder zurück zur Teilnehmergruppe. Ich seh zu, daß ich dabei bin, weil ich mich sonst wohl kaum noch im Verwandlungsunterricht blicken lassen darf."
"Wieso, hast du Probleme mit der Lehrerin?" Fragte Julius unwissend tuend.
"Die hat allen, von denen sie wußte, daß sie Französisch können und ihrem Unterricht beiwohnen geraten, bloß so gut es geht durch die Vorauswahl zu kommen, weil sie sonst zusehen würde, den Hierbleibern Sonderaufgaben zu geben, da die ja wegen der Sprachlernaufgaben weniger Aufmerksamkeit für ihren Unterricht aufwenden konnten und dann ja einiges nachholen könnten. Das ging klar an meine Adresse und vielleicht noch an die von Kevin."
"Wir haben jetzt die erste Schulwoche um. Bei uns kann jeder teilnehmen, der oder die bis Halloween siebzehn oder achtzehn ist", sagte Julius. Millie kuschelte sich an ihn.
"Und darfst du in die Auswahl, oder gilt das nur für deine Frau und Sandrine, daß sie nicht mitmachen dürfen?"
"Wie kommst du drauf, daß ich da nicht mitmachen darf?" Fragte Millie dem Spiegel zugewandt.
"Weil du gerade für ein Kind mitlebst, das bis Halloween noch keine siebzehn Jahre alt ist und es deshalb nicht am Turnier teilnehmen darf. Wobei Oma Jane mir nie gesagt hat, ob schwangere Hexen über eine Alterslinie können, wenn sie selbst das damit markierte Alter haben", erwiderte Gloria.
"Steht nichts von in "Schutz und Trutz" über Melde- und Bannzauber drin", sagte Julius. Du kannst ja eure Verteidigungslehrerin oder Professor Flitwick fragen."
"Dann können die das wohl", grummelte Gloria. "Aber laut den Heilerregeln dürfen Hexen, die Mutter werden nichts machen, was für ihren Körper und das Kind oder die Kinder gefährlich werden kann, und vielleicht bringen die beim Trimagischen wieder Drachen und dann einen bretonischen Blauen", feixte Gloria.
"Das können die erst in zweihundert Jahren wieder bringen, wenn keiner mehr lebt, der das damals mitbekommen hat", wandte Julius ein und erschauerte. Denn mit denen, die dann nicht mehr lebten meinte er auch sich, Millie und das ungeborene Kind.
"Irgendwelche Monster kommen sicher dran. Deshalb und nur deshalb will Kevin unbedingt mitmachen, weil er meint, mit den Monstern gut fertig zu werden."
"Ui, dann will der die bitterböse Schule Beauxbatons nur deshalb betreten, weil es hier ganz gefährliche Ungeheuer gibt", staunte Julius. Gloria lachte:
"Ist wohl eher Trotz, weil er "denen von Beauxbatons" beweisen will, daß er kein Idiot ist und gut mithalten kann. Kam zumindest so rüber. Den sehe ich ja nur zum Essen oder bei den Hausaufgaben."
"Na ja, zwölf sollen es von jeder Schule werden, sagt Madame Faucon und schreiben unsere beiden Zeitungen", erwiderte Julius.
"Dann sehe ich besser zu, daß ich nicht auf dem dreizehnten Platz lande."
"Du meinst dem vierten von Ravenclaw", berichtigte Julius Gloria, während Millie sich noch enger an ihn kuschelte.
"Was wird das, wo sie schon eins von dir kriegt?" Fragte Gloria leicht verstört, weil sie wohl sah, wie Millies Gesicht und untere Halspartie ins Blickfeld des Spiegels geriet.
"Ich liege nicht unter der Decke, deshalb müssen wir uns warmhalten", sagte Julius. Dann meinte er, daß Gloria ja eine von drei Ravenclaws sein würde, sofern McGonagall aus jedem Haus drei Schüler mitbringen wolle und nicht eine Rangliste aller in Frage kommenden Kandidaten von supergut bis geradeso noch mitnehmbar aufstelle.
"Und sei nicht eifersüchtig, Gloria. Spätestens hier findest du sicher wen, der dich auch so schön warm und kuschelig halten kann wie meinen Julius", säuselte Millie.
"Ja, und dann gleich nach der Hochzeit in die Umstandsmodenschneiderei. Danke, habe noch was anderes mit meinem Leben vor", knurrte Gloria. Jetzt glaubte es auch Julius, daß Millies Vermutung zutraf und Gloria vergrätzt war, weil sie noch keinen festen Freund und möglichen Lebenspartner gefunden hatte.
"Stimmt, erst mal zusehen, ob du beim trimagischen Turnier dabei sein kannst", meinte Glorias früherer Schulkamerad noch.
"Genau, und den Titel für Hogwarts verteidigen."
"Das glaubst du aber", erwiderte Millie. Gloria fragte, ob Julius denn teilnehmen würde. Dieser erwiederte, daß er bis zum Ankunftstag warten würde. Es spräche viel dafür und viel dagegen, daß er teilnahm.
"Dagegen? Die haben dich zu sich geholt, weil du so supergut zaubern kannst und haben dich vier Jahre zu einem der ihren herangezogen. Was soll dagegensprechen?" Wunderte sich Gloria.
"Womöglich der Umstand, daß ich immer noch für Hogwarts sein könnte und daß ich meinem Kind gerne selbst in die Augen sehen und es auf den Arm nehmen möchte."
"Ich glaube nicht, daß der Kelch, wenn sie den überhaupt noch mal verwenden wollen, deinen Namen drinbehält, wenn du den einwirfst", sagte Gloria.
"Wenn ich wüßte, wie der Kelch auswählt würde ich dir glatt zustimmen, Gloria. Aber am Ende ist der Kelch nur ein aufgemotzter, flambierter Würfelbecher, der alle eingeworfenen Zettel durchschüttelt und nur aufpassen muß, keine zwei Kandidaten von einer Schule auszuwerfen."
"Hmm, öhm, stimmt, weiß keiner, wie das geht, außer dem, der Potter damals ins Turnier reingemogelt hat", grummelte Gloria. "Aber ich seh trotzdem zu, in der Gruppe zu sein, allein schon, weil ich Professeur Dirkson im Unterricht erleben möchte. Die war mit deiner großen Brieffreundin im selben Jahrgang, wußtest du das?"
"Yep", erwiderte Julius darauf. "War damals eine Gryffindor und sogar im letzten Jahr Schulsprecherin."
"Und die ist schlicht weg genial", mußte Millie noch einwerfen. Glorias Gesicht im Spiegel wippte kurz vor und zurück. Dann sagte sie: "Am besten reden wir im Oktober noch mal, wenn ich klarhabe, wie die Auswahl ausgegangen ist." Julius nickte. Millie meinte, daß sie dann wohl auch schon das Herz von ihrem Kind hören könne. Gloria stritt ab, daß die Spiegelverbindung das möglich mache, wenn Millie nicht meine, das nützliche Teil in ihren Leib hineinzuzwengen. Millie meinte, daß sie das nur mit sachen machen wolle, die nicht kaputtgingen und sie dabei nicht gleich mit kaputtmachten. Dann nahm sie Julius behutsam den Spiegel ab und legte ihn sich auf den Bauch. Glorias Stimme klang gedämpft, als sie sagte, daß sie gerade nur Dunkelheit sah. Dann lauschte sie. "Das gluckert und wummert. Ich hör echt was von wem. Bist du das, Millie?"
"Ja, bin ich", erwiderte Millie. Dann nahm sie den Spiegel wieder hoch und gab ihn Julius.
"Gruselig, so ein großes, schlagendes Herz zu hören. Aber ich denke, wir machen für heute Schluß. Bis dann Anfang Oktober!"
"Halt dich ran, Gloria", erwiderte Julius. Dann verschwand Glorias Gesicht aus dem Spiegel.
"Interessant, wußte nicht, daß das echt geht", säuselte Millie. Dann flüsterte sie:
"Hast du es jetzt auch gemerkt, daß sie eifersüchtig ist. Wir könnten sie mit Robert verkuppeln."
"Ja, und dann Céline oder sie von der Wand abkratzen oder aus einem Einmachglas fischen oder sowas", grummelte Julius. "Außerdem laufen hier genug ungebundene Jungen rum, die ihr geistig was zu bieten haben."
"Wen meinst du genau?" Fragte Millie ihren Mann.
"Weiß ich, wer von den Greifennestlern herkommt?" Fragte Julius zurück. Millie mußte lachen. Dann küßte sie ihren Mann noch einmal zur guten Nacht und rollte sich auf ihre Seite des Bettes zurück. Julius robbte ein wenig nach rechts und legte sich auf die von ihr herrlich vorgewärmte Stelle. Bald darauf schlief er ein.
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Am nächsten Morgen erwachte Julius, weil Millie sich zwar behutsam aber doch Spürbar aus dem Bett erhob. Er fühlte sich irgendwie unangenehm. Über den Herzanhänger fühlte er Millies gerade vorherrschende Stimmung. Doch er konnte sie nicht recht klar erkennen. Irgendwas zwischen Beklommenheit und Freude. Er wollte sie ansprechen, als sie barfuß zur Tür lief. Er fühlte, daß sie es gerade eilig hatte und verspürte das Unbehagen stärker werden. Irgendwas trieb Millie aus dem Bett. Als er hörte, wie sie im direkt gegenüberliegenden Badezimmer verschwand war ihm klar, was los war. Er mußte nicht erst Millies würgen und Husten hören, um zu wissen, daß sie offenbar nun in jener ersten heftigen Phase der Umstellung angekommen war. Er fühlte ihr Unwohlsein als Unbehagen, aber meinte auch, daß sein Magen zusammenzuckte. Hoffentlich wurde das nicht echt so, daß er auch alle rein körperlichen Begleiterscheinungen verspürte. Das Unbehagen seiner Frau drohte sein eigenes Bewußtsein zu überlagern. Er dachte seine Selbstbeherrschungsformel. Doch Millies lautes Husten und würgen durchdrangen diese geistige Vorkehrung immer wieder. Erst als sie zu Atem kam vermochte er, das von ihr zufließende Unbehagen aus seinem Verstand zu verdrängen, bis eine Welle der Freude das errungene Gleichgewicht erschütterte. Er hörte noch, wie Millie die Toilettenspülung betätigte, wie sie Wasser laufen ließ, um sich die Hände und das Gesicht zu waschen und dann zu ihm zurückkehrte. Sie sah sehr bleich aus. Ihre Lippen waren schmale, blutleere Striche. Doch sie strahlte ihren Mann an. Sie schloß die Tür und kam etwas schwankend zu ihm zurück und glitt in das noch warme Bett.
"Ist dir das Abendessen nicht bekommen?" Flüsterte Julius. Millie kniff ihm dafür so kräftig in die Nase, daß er meinte, sie bräche ihm ab. Er fühlte einen kurzen Schauer Verdrossenheit, der von einer Woge Erheiterung gefolgt wurde.
"Als wenn du damit nicht auch schon gerechnet hättest", sagte Millie und kuschelte sich an. "allerdings dachte ich, ich müßte erst was frühstücken, um so heftig speien zu müssen. Aber damit mußten wir zwei ja rechnen. Hast du außer meiner Würgerei noch was von mir mitbekommen?" Sie tippte ihn an den sanft pulsierenden Herzanhänger auf seiner Brust. Er beschrieb ihr seine Empfindungen, als sie den Vorhang wieder ordentlich verschlossen hatte
"Bin gespannt, wie Gérard damit klarkommt", feixte Millie. Julius glaubte, sie meine Sandrine und fragte "Gérard?" "Für den ist das jetzt doch was komplett neues, weil er nicht wie du damals auf Connie aufgepaßt hat und weil Sandrine jetzt schon nicht mehr das sanfte, süße Mädchen ist, als das er sie kennengelernt hat."
"Wir kennen sie aber auch schon anders, Millie", wußte Julius.
"Ja, und jetzt, wo sie für ihre Kinder mitdenken, -essen und sonst alles muß werden ihre roten Eigenschaften jetzt richtig rauskommen."
"Oha, willst du mir Angst machen?" Fragte Julius, der daran dachte, wie heftig die nächsten Wochen noch werden mochten. "Die hättest du dann, wenn Sachen passieren, mit denen du nicht bei mir rechnen konntest. Aber wir kennen uns und du weißt ja schon genug von schwangeren Hexen, um nicht mehr so viel Angst zu haben." Millie wußte jedoch, daß es für Julius was ganz anderes sein würde, zumal sie beide ja über die Zuneigungsherzen ihre Gefühlslage mitteilten. So fragte er sie, ob sie was mitbekommen habe, daß er seine Selbstbeherrschungsformel gedacht hatte? Millie knuddelte ihn und bejahte es. Dann sah sie auf seine Armbanduhr. Sie zeigte gerade halb sechs an. In dem Moment schmetterte der gemalte Musikzwerg mit der Trompete los. Denn Millie war ja aus dem Bett gewesen und hatte damit die Erlaubnis gegeben, den Morgen zu begrüßen. Die anderen Musiker legten auch los und spielten "Wache auf, mein Kind, die Sonne lacht", eines von den Liedern, die Claire den Musikzwergen wohl aus dem Gedächtnis heraus eingeprägt hatte. Im Grunde kannten die gemalten Musiker wohl alle Lieder, die Claire auswendig gekonnt hatte.
"Will da noch was vom Abendessen raus oder kann ich schon ins Bad?" Fragte Julius.
"Im Moment ist mir nur schwindelig. Ich mache Übungen, um meinen Kreislauf richtig in Gang zu halten. Du kannst ins Bad", antwortete seine Frau.
Auf dem Flur traf er Sandrine, die sich bemühte, nicht zu schwanken. Auch sie wirkte blaß um die Nase. Doch sie hatte es nicht so eilig wie Millie. Sie verschwand im für sie und Gérard zugeteilten Badezimmer.
Nach dem Anziehen bestand Madame Rossignol darauf, daß Gérard erneut zum Wecken ging. "Das wiederholen wir so lange, bis Robert sich damit abfindet und seine unvernünftige Haltung aufgibt", begründete sie diese Maßnahme. Millie hatte Leonie zum Wecken eingeteilt und Sandrine ihre Stellvertreterin Béatrice.
So verbrachte Julius mit den beiden jungen Hexen und der Schulheilerin den Morgen mit belastungsarmen Gymnastikübungen und gab Millie eine kleine Dosis Magenberuhigungstrank, damit sie zumindest bis Mittag keine weiteren Brechanfälle mehr zu befürchten hatte. Sandrine fühlte zwar morgens schon ein gewisses Unwohlsein, aber noch keine richtige Übelkeit. Ihre Schwangerschaft hatte ja später begonnen als die Millies. Dennoch ging sie davon aus, wegen der festgestellten Zwillinge heftigere körperliche Begleiterscheinungen zu erleben.
"Kann auch sein, daß du wesentlich unbeschwerter an ihnen trägst als Millie an ihrem einzelnen Kind", streute Madame Rossignol ein. "Der Umstand, der deine anderen Umstände ausgelöst hat könnte ähnlich wirken wie der Fortuna-Matris-Trank."
"Der muß aber regelmäßig getrunken werden", wußte Julius.
"Es ist nur eine Vermutung", wandte die Heilerin ein.
"Ist ja nett, daß ich dieses bunte Gesöff getrunken habe und Sie jetzt an mir nachforschen können, wie eine so von einem Typen geschwängerte Hexe drauf ist", knurrte Sandrine. Madame Rossignol überhörte es. Julius verkniff sich deshalb jede Antwort.
"Robert hat mich nur angeschwiegen. Offenbar gab's Krach mit seiner Süßen, weil der fast mehrere Strafpunkte und einen verhauenen DQ abgeräumt hat", meinte Gérard kurz vor dem Ausrücken der Grünen in den Speisesaal zu Julius. Tatsächlich stellte sich Robert Taubstumm, wenn irgendwas zwischen ihm und Gérard anstand. Julius flüsterte seinem Stellvertreter zu, sich nicht davon beeindrucken zu lassen, da er sicher wichtigere und heftigere Sachen zu überstehen hatte.
In der Stunde praktische Magizoologie begann die Unterrichtseinheit über erdgebundene große Zaubertiere der Schwierigkeitss- und Gefahrenklasse XXXX. Zunächst wollte sie mit ihrer UTZ-Klasse die dreiköpfige Schlange Runespoor durchnehmen und danach das Occamy, wenn sicher sei, daß im moment keine brütenden Occamy anzutreffen waren. Auf die Frage, was die Natur einer Runespoor war durfte Leonie erzählen, was sie darüber wußte.
"Die Runespoor, magizoologisch Hydrula tricephalos, stammt in ihrer Wildform aus dem westafrikanischen Burkina Faso und zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß sie statt nur eines Kopfes gleich drei Köpfe besitzt. Ihre Haut ist orange-schwarz gestreift, und sie erreicht ausgewachsen etwa zweieinhalb Meter Körperlänge und dreißig Zentimeter Leibesdicke. Die drei Köpfe sind durch ein gemeinsames Halsstück mit dem Rest des Körpers verbunden, wobei jeder Kopf für sich den gesamten Körper steuern mag. Die Runespoor gehört zu den Giftschlangen, wobei jeder Kopf eine eigene Giftart verabreichen kann. Da die Schlange selbst eher zum Studienobjekt dunkler Magier und Hexen gehörte, von denen einige sogenannte Parselmünder waren, welche sich mit Schlangen per Lautverständigung unterhalten können, ist bekannt, daß jeder der drei Köpfe eine hervorstechende Eigenart aufweist. So ist ein Kopf für Planung und Überblick zuständig, während der zweite, meist der mittlere, höchst kritisch und mißgelaunt ist und der dritte eher den Gefühlen und Träumereien verhaftet ist. Den erwähnten Eigenarten entsprechend gibt jeder Kopf sein typisches Gift ab. Der sogenannte Plankopf kann mit seinem Biß eine Lähmung der geistigen Beweglichkeit herbeiführen. Der sogenannte Miesepeterkopf führt mit seinem Gift zu einer immer stärker ausgeprägten Angriffslust, erst gegen andere und im Endstadium auch gegen sich selbst. Der Giftbiß des sogenannten Träumerkopfes führt zu einer immer größer werdenden Verwirrung, die in alptraumartigen Sinnestäuschungen und Panik ausartet, in der der Gebissene am Ende sein eigenes Leben beendet, weil er diese Angstzustände nicht mehr ertragen kann. Die Gifte wirken jedoch so schleichend, daß die Schlange selbst als weniger Gefährlich gilt. Nur wer mehr als eine Woche lang nichts gegen die zugefügte Vergiftung unternimmt, erleidet die von mir erwähnten Auswirkungen, die bei schwachem Willen zum Selbstmord treiben können oder einen totalen Zusammenbruch der Nerven mit endgültigem Herz- und/oder Hirnversagen herbeiführen können. Gegen die Gifte kann mit einer Mischung aus den beiden anderen Giften der Runespoor mit Bezoarpulver als Giftaufhebenden Katalysator kuriert werden. Jeder Kopf ist nicht gegen das Gift der beiden anderen gefeit. Daher erreichen Runespoors selten ein Alter über zwei Jahre, sobald die Giftbildung einsetzt. Vor allem der sogenannte Miesepeter, der an allem herumkritisiert und nichts für richtig hält, neigt dazu, seine Nachbarköpfe mit dem eigenen Gift zu verseuchen, weshalb die Schlange sterben kann. Nur wenn es den beiden anderen Köpfen gelingt, sich in einem kurzen Zweckbündnis gegen den Miesepeterkopf zusammenzutun und ihn zusammen mit ihrem Gift erwischen und ihn dann, wenn die zweifache Wirkung den Miesepeter handlungsunfähig macht abzubeißen, kann die Runespoor mehr als fünf Jahre alt werden. Scamander erwähnt in seinem Buch "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind auch", daß die Runespoor ihre Eier nicht durch die Mehrzweckleibesöffnung im Hinterleib legt, sondern durch die zwei oder drei Münder ausbringt, was vor allem dem Miesepeterkopf sichtlich mißfällt." Die anderen Schüler sahen Millie herausfordernd an. Professeur Fourmier räusperte sich warnend und fragte Leonie, ob sie noch etwas zu erwähnen habe. Leonie sagte dann noch, daß vermischtes Runespoorgift und die kleinen, orangeroten, gallertartigen Eier in der Zaubertrankbraukunst verwendet würden, wobei hier vielerlei bösartige Tränke entwickelt worden seien. Es gebe nur wenige gutartige Zaubertränke.
Julius durfte auf die Frage nach der Verwendbarkeit von Bestandteilen in der Zaubertrankbraukunst alles nutzbringende herunterbeten, was aus dem Gift der dreiköpfigen Schlange gemacht wurde und daß die Runespoor für die Gift- und Eiergewinnung in Reservaten des Mittelmeerraumes gehalten wurde. Er hatte ja selbst einmal den Psychopolaris-Trank gebraut, der übermächtige Verhaltensauffälligkeiten umkehren konnte, aber bei Überdosierung eben auch jemanden komplett verändern konnte. Außerdem fand das Gift in verschiedenen Schlaf- und Betäubungstränken Anwendung. Die Eier hingegen konnten zu Geistesverstärkungstränken benutzt werden. Ein Viertel Runespoorei in einem Kessel der Normgröße zwei vermischt gehörte zur merhstufigen Zubereitung des Felix Felicis und vervielfachte die Intuition des Trinkenden, die ihm verriet, welche Handlung ihm den erwünschten Erfolg brachte und welche Handlung zu einem unangenehmen bis lebensgefährlichen Mißerfolg führen würde.
"Zur nächsten Stunde besuchen wir das Reservat auf Korsika, wo auf einer Fläche von vierzig Morgen hundert Runespoores gehalten werden. Bitte tragen Sie bei dieser Reise kniehohes, festes Schuhwerk, die reißfesten Arbeitsumhänge und die Drachenhauthandschuhe!" Wies die Lehrerin ihre Schüler an. Dann ging es noch um die erstmalige Erwähnung und die in der Geschichte der magischen Tierkunde erwähnten Begebenheiten, bei denen diese orange-schwarz gestreiften Schlangen eine Rolle spielten. Weil ihr Gift erst in anderthalb bis zwei Wochen zum Tode führen konnte galten sie als mindergefährliche Zaubertiere, jedoch noch mit der entsprechenden Schutzausrüstung zu handhaben. Belisama wollte wissen, ob diese Schlange wirklich sprechen konnte, da Scamander in seinem Buch "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" behaupte, der mittlere der drei Köpfe, der einen höchst pessimistisch-miesepetrigen Charakter besitze, würde an allem herumkritisieren und aus Wut heraus die beiden anderen Köpfe attackieren, weshalb die Schlange häufig nicht älter als zwei Jahre werden könne.
"Das hat Mademoiselle Poissonier schon erwähnt", erwiderte Professeur Fourmier etwas ungehalten. zehn Strafpunkte wegen geäußerter Unaufmerksamkeit, Mademoiselle Lagrange. Sich nicht immer auf die gerade anstehende Sache zu konzentrieren kann in tödlichen Unfällen mit Zaubertieren ausarten", tadelte die Zaubertierkundelehrerin die Pflegehelferkameradin von Millie und Julius. Dann wollte sie noch mehr über die genaue Anatomie der Schlange wissen, wie es möglich war, daß diese Tiere mit drei Köpfen einen Körper steuern konnten und zeichnete entsprechende Innenansichten an die Tafel. "Die Runespoor ist im Vergleich zur orientalmediteranen Hydra, Serpens septemcapites hydra, nicht zu verwechseln mit dem winzigen magielosen Süßwasserpolypen, vergleichsweise harmlos. Dennoch sind sich die führenden Magizoologen einig, daß die beiden Schlangenwesen einen gemeinsamen Vorfahren haben, dessen degenerierte Verzweigung die Runespoor ist. Mit der Hydra werden wir uns Anfang Dezember befassen, wenn wir die Tierwesen der höchsten Gefahren- und Handhabbarkeitsklasse durchnehmen", wiederholte die Lehrerin noch, was sie in der ersten Stunde dargelegt hatte.
Kräuterkunde bei Professeur Trifolio befaßte sich ebenfalls mit höchstgefährlichen Zauberpflanzen. "Wer hier nicht jeden Moment voll bei der Sache ist kann sehr leicht den Tod finden", hatte Trifolio seine Schüler in der ersten Stunde ermahnt. Als laurentine nur wegen ihrer nun sehr gut ausgeprägten Zauberfertigkeiten gerade so verhindern konnte, daß sie von giftgrünen Fangranken der in südamerikanischen Mangrovenwäldern umherstreifenden Wasserfallenknolle in das trübe Wasser des Aufbewahrungsbeckens gezerrt wurde, wußten es alle, wie Trifolio es meinte. Laurentine rief schnell "Herbarupto!" Als vier glitschige Fangranken zugleich auf sie zuschossen. Diese zerrissen mit häßlichem Geräusch. Der in den Ranken enthaltene Pflanzensaft spritzte als hellgrüner Schleim durch die Gegend und erwischte Laurentine beinahe.
"Sie wissen, daß der Herbaruptus-Zauber nur dazu da ist, gefährliche Pflanzen abzutöten", schnarrte Trifolio. Laurentine nickte. Doch bevor Trifolio ihr dafür noch Strafpunkte gab, den Zauber gewirkt zu haben sagte sie: "Bei der Wasserfallenknolle ist das jedoch nicht so leicht, die ganze Pflanze mit einem einzigen Herbaruptus zu töten, da man ihn von unten in den Zentralkörper, die Knolle selbst, hineinschicken muß. Ansonsten werden nur die nachwachsenden Teile zerstört und können sich innerhalb von einem Monat regenerieren. Außerdem verfügt die Pflanze über eine Art Gedächtnis und prägt sich ein, was sie angegriffen hat und hält sich bei tödlich anmutenden Angriffen solange zurück, bis ihre sich als wehrhaft erwiesene Beute krank, ohnmächtig oder tot ist, um erneut nach ihr zu greifen. So schreibt es die nordamerikanische Pflanzenkundlerin Silvana Verdant in ihrem Buch "Teratophyten Amerikas - Umgang, Lebensräume und Bekämpfungsmethoden"." Trifolio verzog das Gesicht. Damit hatte er jetzt nicht gerechnet, weil er in dieser Stunde nicht über die Wasserfallenknolle, sondern über den im nebenangelegenen Beet gehaltenen Riesensonnentau sprechen wollte, dessen meterlange, klebrige Fangfäden ähnlich verheerend waren wie Spinnweben.
"Eigentlich wollten wir die Wasserfallenknolle erst in der übernächsten Stunde besprechen. Aber ich kann für Ihre rasche Reaktion und das geäußerte Wissen über diese Pflanze nicht anders als Ihnen dreißig Bonuspunkte zuzusprechen, Mademoiselle Hellersdorf", grummelte Trifolio. Dann prüfte er mit dem Vivideo-Zauber nach, ob die knapp drei Meter große Knolle unter der trüben Wasseroberfläche noch lebte. Tatsächlich sahen alle die sacht pulsierende dunkelgrüne Aura, die sich im Zentrum der Knolle noch zu einem starken, flackernden Leuchten verdichtete.
Nach dem Mittagessen hatte Julius mit Sandrine zusammen alte Runen. Julius fragte Professeur Milet nach jener Bekleidung, die Jeanne Dusoleil während der Quidditchweltmeisterschaft getragen hatte. Damit begann eine Diskussion über ineinandergreifende Runen auf Kleidungs- und anderen Wäschestücken, wobei die im letzten Jahr durchgenommenen Machtrunen auch hier zum Einsatz kamen. "Viele werdende Mütter lassen sich Umhänge oder Kleider oder Unterkleider anfertigen, die mit Runen zum Abdämpfen von Geräuschen, Schutz vor Unterkühlung oder Überhitzung und einer Teilaufhebung der Schwerkraft bezaubert werden. Allerdings kommt es auch auf das Material und die Verarbeitung desselben an, da in Textilien eingewobene Runen ja durch die Verformung der Textilien immer ihre Form ändern und dadurch ihre Wirksamkeit fluktuiert. Daher ist es nicht allein damit getan, Runen in ein Kleidungsstück einzuweben und mit den entsprechenden Zaubersprüchen zu aktivieren. Zauberschneider und -schneiderinnen brauchen unter Umständen Jahre, um die ideale Verarbeitung zu finden, um Kleidung dauerhaft mit magisch aktivierten Runen versehen zu können. Es empfiehlt sich eher, ein Kleidungsstück unberunt und mit nur einem Zauber zu versehen, auch wenn der Zauber nicht so lange wirksam bleibt wie das Kleidungsstück in einem Stück ist."
Nach dem Abendessen erhielt Julius von Madame Rossignol den Auftrag, Jean-Luc Dumont zu ihr zu bringen, um sein Körpergewicht von letzter Woche mit dem von heute zu vergleichen. Jean-Luc feixte, daß er heute extraviel gegessen habe, um ein für die Heilerin brauchbares Ergebnis zu kriegen. Doch die Heilerin meinte, daß er ja letzten Montag auch schon viel gegessen habe und sie somit einen guten Vergleich hinbekam. Wieder mußte er sich auf die magische Personenwaage stellen, die zugleich die Körperlänge maß. "Ein Viertelpfund mehr als letzte Woche. Dein Körper bekommt offenbar nicht genug Nahrung, um das schnellere Längenwachstum zu verarbeiten", stellte die Heilerin fest. "Werden wir zwei uns jetzt also hinsetzen und genau abstimmen, wie viel wo von du ab heute ißt und trinkst und wie viel Körperertüchtigung ausreicht, um dich in guter Verfassung zu halten. " Jean-Luc maulte:
"Ich fühl mich absolut in Ordnung so. Wenn Sie meinen, mich wie ein Schwein mästen zu müssen wie die Hexe im Märchen von Hänsel und Gretel sollten sie Besser daran denken, wie das Märchen für die Hexe ausgegangen ist."
"Mir ist das Märchen bekannt, zumal es auf langjährig überlieferte Berichte von grünen Waldfrauen, sogenannten Sabberhexen, beruht, die in der Tat Menschenfresserinnen sind und bevorzugt kleine Kinder fangen und verspeisen. Diese Kreaturen sind jedoch kleiner als gewöhnliche Menschen und haben eine grüne Hautfarbe. Da ich nicht so aussehe gehöre ich nicht zu dieser Zauberwesenart. Daher wage es nicht noch mal, mich mit diesen Kreaturen zu vergleichen oder mir gar zu drohen! Zwanzig Strafpunkte wegen Aufsässigkeit und indirekter Bedrohung einer Schulbediensteten, Jean-Luc Dumont."
"Dann mache ich mehr Sport und acker solange, daß ich viele Muckis kriege. Das macht auch schwerer", versetzte Jean-Luc auf die Maßregelung der Heilerin. Diese blickte ihn abschätzig an.
"Dann kommst du auch nicht drum herum, mehr zu essen als bisher. Also klären wir das ab, was du unter der Woche so zu dir nimmst und stimmen das mit deinem Sportprogramm ab!" Julius wurde gebeten, den Krankenflügel zu verlassen, zumal die Schach-AG ja gleich anfinge, für die er sich ja eingetragen hatte.
Nachdem Julius und Gérard die Aufsicht im grünen Saal beendet hatten sagte Mildrid zu ihrem Mann:
"Euer Neueinsteiger Jean-Luc ist zu dünn, und Celestine ein wenig zu rund. Vielleicht kann Madame Rossignol ja was drehen, daß was die eine zu viel hat der andere kriegt." Julius prüfte, ob die Schnarchfängervorhänge um das große Doppelbett wirklich zu waren. Er atmete auf und sagte seiner Frau: "Gut, daß Madame Rossignol das jetzt nicht gehört hat." Millie konnte darüber nur grinsen.
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Die nächsten Tage waren schon eher Routine. Millie erlebte nun alle zwei Tage eine heftige Morgenübelkeit, die sie noch vor dem offiziellen Wecken aus dem Bett trieb. Außerdem überkam sie immer wieder ein Heißhunger, dem Julius sich nicht entziehen konnte. Ehe er begriff, daß nicht er Lust auf mehr Braten, Kartoffeln, Würste oder Käse hatte, hatte er auch schon was regelrecht in sich hineingeschlungen. Auch seine Selbstbeherrschungsformel wirkte nicht, da Millies Hungeranfälle zu rasch über reine Empfindung zum Bedürfnis nach Essen sprang. Am Donnerstag schaffte es Julius gerade so, einen unvermittelten Wutanfall zu unterdrücken, der ihm wie ein heißer Speerstoß über den rubinroten Herzanhänger traf. Er mußte sich anstrengen, André nicht für eine abwertende Äußerung über die immer noch vorhaltende Eiszeit zwischen Robert und Gérard eine runterzuhauen. Er strengte sich an, seine Selbstbeherrschungsformel zu denken. Erst nach dem vierten Mal hatte er seine eigenen Empfindungen wieder im Gleichgewicht.
Was Millie so ansatzlos in Wut versetzt hatte erfuhr er erst, als er sie abends im gemeinsamen Schlafzimmer traf.
"Melanie Odin hat heute total auf Stur und unwillig gemacht, ähnlich wie eure Laurentine vor fünf Jahren. Dabei hat sie sich bei Professeur Fixus, Professeur Bellart und Professeur Trifolio insgesamt dreihundertzwanzig Strafpunkte eingehandelt und wurde zusammen mit Leonie und mir am Abend zu Professeur Fixus einbestellt. Weil Melanie meinte, sich von unserer Saalvorsteherin nichts befehlen zu lassen habe ich sie mal eben durch die Wand mitgenommen. Da hatte ich schon so ein mieses Gefühl. Aber richtig heftig wurde es dann erst, als Professeur Fixus Melanie befragt hat, was das jetzt sollte, nachdem sie in den letzten Tagen eher zurückhaltend aber aufmerksam am Unterricht teilgenommen hatte. Melanie wollte wohl nicht mit der Sprache raus. Aber unsere Saalvorsteherin hat wohl schon aus ihrem Kopf herausgehört, was da vorging und hat dann gefragt, was ihre Eltern von einem derartigen Verhalten hielten. Da kam's raus, daß Melanie von ihrer Mutter einen Brief erhalten hatte, in dem diese sie aufforderte, zuzusehen, aus "dem Saal der Hirnlosen und Wilden" herauszukommen, notfalls durch den Rauswurf von Beauxbatons. Die hatte den Brief mit. Professeur Fixus las den laut vor. Da ist es regelrecht in mir übergekocht. Hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte Melanie und Leonie mit bloßen Händen die Köpfe abgerissen. Professeur Fixus konnte gerade noch einen Bewegungsbann auf mich draufhauen. Der hat mich dann aber erst recht wild gemacht. Bewegen ging zwar nicht mehr, aber es dauerte viel zu lange, bis ich mich wieder runterkühlte. Noch mal Danke für deine Selbstbeherrschungsformel. Ich habe auch gemerkt, daß du die wohl auch verwendet hast."
"Moment, Cassiopeia Odin rät Melanie glatt, den Rauswurf zu provozieren, nur damit die nicht bei euch im roten Saal bleiben muß?" Fragte Julius. Irgendwie hatte er eine ähnliche Nummer schon befürchtet, aber nichts dergleichen laut angesprochen.
"In dem Brief stand drin, daß Madame Odin nicht wisse, ob ihre Tochter das absichtlich gemacht habe, im roten Saal zu landen, sie sich aber für sie schämen müsse und es nicht zulassen würde, daß ihre Tochter auf derselben Stufe wie die Latierres und Lesauvages abstürzen würde. Da könne sie lieber zusehen, Melanie in den grundlegenden Zaubern zu Hause auszubilden, von der Ausbildungsabteilung überwacht, aber dann ohne die ZAGs und UTZs.
"Hätte dich wohl vor zwei Monaten noch zum lachen gebracht, wie armselig und hilflos diese Frau über das Schicksal ihrer Tochter bestimmt", grummelte Julius.
"Professeur Fixus hat die Hälfte der verhängten Strafpunkte widerrufen und ihr einen Brief diktiert, den sie dann unterschrieben hat. Solange saß ich bewegungsgebannt auf dem Stuhl und hoffte nur, daß unser Kind nicht durch den Zauber beeinträchtigt wird, bis mir wieder einfiel, daß es sich ja noch nicht selbst bewegen kann." als Melanie und Leonie dann aus Professeur Fixus' Büro raus waren hat die den Zauber aufgehoben und mir geraten, mich draußen noch ein wenig abzureagieren und mir auch geraten, mich in Zukunft besser zu beherrschen. Strafpunkte habe ich keine abgeräumt."
"Was hat Melanie ihrer Mutter geschrieben?" Fragte Julius.
"Das professeur Fixus darüber nachdenke, gegen Madame Odin Anzeige wegen mutwilliger Gefährdung ihres Kindes zu erstatten und daß die von ihr gemachten Äußerungen zu Beleidigungsklagen seitens der Latierres, also uns, sowie der anderen in Cassies Brief erwähnten Familien führen und so teuer werden könnte, daß Cassiopeia Odin gerade noch mit den gerade am Leib getragenen Sachen davonkommen würde oder sowas. Den ganzen Inhalt habe ich nicht mehr behalten, weil ich zu heftig mit meiner Wut und der Selbstbeherrschungsformel zu tun hatte."
"Dir ist klar, daß deine Saalmitbewohner davon nichts wissen dürfen, Mamille?" Fragte Julius.
"Eindeutig. Das gäbe nur heftigsten Krach zwischen Melanie und allen anderen, vor allem mit Mayette und Tante Babs' Kriegerprinzessinnen."
"Die gibt ihr die Schuld, bei euch gelandet zu sein. Hätte mir von Camille auch blühen können, wenn der Teppich mich damals zu euch geschickt hätte", seufzte Julius.
"Nur mit dem Unterschied, daß Camille dich noch nicht gut genug kannte, um komplett sicher zu sein, daß du bei den Grünen reinkommst. Außerdem ist sie trotz allem, was sie für dich bisher so getan hat nicht deine eigene Mutter." Das mußte Julius einsehen. "Und du hast leider auch recht, daß das von unserer gemeinsamen Tante Cassiopeia seltendämlich war, Melanie so zuzusetzen und ich da vor zwei Monaten noch drüber gelacht hätte. Offenbar hauen die Gefühlsveränderungen jetzt doch schon gut rein."
"Weil der Hormonhaushalt durcheinander ist", kam es von Julius wie auf Knopfdruck. Da Millie schon von den körpereigenen Botenstoffen gehört hatte, die das Gefühlsleben und den Körperzustand beeinflußten konnte sie nur grummeln, daß er ihr mal was neues erzählen solle. Er unterdrückte gerade noch eine Entschuldigung. Er wollte sich Millie gegenüber nicht als zu leicht einzuschüchtern geben, auch wenn er früher eher auf Bescheidenheit und Höflichkeit wertgelegt hatte. Aber spätestens seit seiner Erfahrung mit den Schlangenmenschen und den drei Monaten in Madame Maximes Obhut kapierte er, was Martine ihm damals geraten hatte. Es konnte auch annerven, wenn sich jemand bei einem für etwas entschuldigte, wenn es eigentlich keinen Grund dafür gab. Außerdem sollte er Millie gegenüber nicht sofort nachgeben oder sich ducken, damit sie merkte, daß er nicht ihr persönliches Spielzeug war.
"Wenn sie morgen wieder Strafpunkte einsammelt?" Fragte Julius seine Frau nach fünf Sekunden Schweigen.
"Morgen Früh ist schwierig, wo sie bei Professeur Pallas und Professeur Dirkson hat. Außerdem hat Professeur Fixus ihr angedroht, daß sie vielleicht nicht mehr zu ihrer Mutter zurückdürfe, wenn die so offenkundig dran arbeite, ihrer Tochter das Leben zu versauen. Das dürfte erst einmal wirken."
"Ich dachte, daß gebe es nur bei Muggelstämmigen, deren Eltern aus dem Ruder laufen", wunderte sich Julius.
"Offenbar nicht nur, nur weil Laurentine und du das voll abbekommen habt. Da gilt wohl, wenn die Eltern ihre Kinder zum Ungehorsam und sonstigen Sachen anstiften wird geprüft, ob die Kinder anderswo nicht besser klarkommen."
"Meine Mum, zu der du Martha oder Belle-Maman sagen darfst, hat nach der Kiste mit meinem Vater, ihr und mir mal nachrecherchiert, wie das in der Muggelwelt läuft. Da können Jugendfürsorgebeamte auch entscheiden, ob Kinder bei Ihren Eltern mehr Schaden abbekommen als gutes und den Eltern entzogen werden, wie es so amtlich steril heißt. Also gibt's sowas auch in der Zaubererwelt, wenn Eltern so dämlich sind, ihren Kindern schriftliche Aufruhranweisungen zu erteilen. Gut zu wissen."
"Das stimmt, Monju. Das sollten wir uns gut merken", erwiderte Millie nun amüsiert grinsend. Dann legten sich beide in ihr Bett.
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Tatsächlich hatte die Unterredung zwischen Melanie, Professeur Fixus, Millie und Leonie gewirkt. Denises Cousine holte sich keine weiteren Strafpunkte ab. Dafür stellte sich Robert Gérard gegenüber immer noch auf taubstumm. Zwar verpaßte Gérard Robert einmal wegen Mißachtung zehn Strafpunkte. Aber das brachte nicht viel ein. Julius bat Céline, das mit ihrem Freund zu klären, damit es wieder zwischen den beiden Jahrgangskameraden funktionierte. "Nur dieses eine Schuljahr, Céline. Danach können die beiden sich Lichtjahre weit aus dem Weg bleiben", hatte er ihr gesagt.
"Der will jetzt zeigen, daß er sich nicht unterkriegen läßt. Wenn Gérard sich bei ihm schriftlich entschuldigt, daß er ihn vor den Saalsprechern so hingehängt hat, könnte er vielleicht nicht drum rum, die Entschuldigung anzunehmen. Ohne den Imperius-Fluch könnte ich Robert nicht umstimmen. Und den riskiere ich hier sicher nicht", hatte Céline darauf geantwortet.
"Ich glaube nicht, daß du möchtest, daß Gérard dieses kindische Getue Roberts bei der nächsten Saalsprecherkonferenz noch erwähnt", hatte Julius einen weiteren Ansatz gemacht. Céline hatte nach kurzer überlegung nur mit "Sag das Robert", geantwortet. Julius Erwiderung darauf war nur, daß Gérard sich nicht herablassen würde, Robert um Entschuldigung zu bitten, weil er sich sonst als Silberbroschenträger erledigt fühlen mochte. Céline hatte dazu nur genickt. "Ich habe dir mal gesagt, daß Krach zwischen Mädchen heftiger sein kann, richtig?" Julius hatte genickt. "Das mit Irene Pontier ist immer noch nicht vorbei. Aber sie hat es kapiert, daß sie genau deshalb und weil sie bei den Prüfungen und vorher weniger gut aussah hinter mir zurückgefallen ist und ich jetzt die goldene Brosche anhabe. Die will nicht kurz vor dem Ende von der Schule fliegen, wo die mit mir und den anderen hier sechs Jahre durchgehalten hat. Deshalb muß sie mit mir reden, wenn ich sie was frage. Robert und Gérard müssen das wohl noch irgendwie rauskriegen." Julius hatte erneut genickt.
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Den Abend vor dem Ausflug zu den Runespoors traf Julius Robert im Jungentrakt. Er ging mit ihm in den Schlafsaal der Siebtklässler. André kostete es aus, jetzt bis Mitternacht aufbleiben zu dürfen. Um so besser, fand Julius. Er schloß die Tür und zeichnete sich einen hochlehnigen Stuhl in die Luft, der erst schemenhaft und dann handfest über dem Boden rotierte und dann leise klappernd aufsetzte. Als Julius saß fragte er Robert, wie lange er das Spiel mit Gérard noch treiben wolle.
"Das ist kein Spiel. Wenn die Rossignol euch beiden nicht befohlen hätte, daß der mich und André jeden morgen weckt wäre der sicher nicht mehr in diesen Schlafsaal gekommen", schnaubte Robert.
"Achso, dann meinst du, Gérard würde vor dir kuschen, weil du ihn nur einmal schief angesehen hast? Dabei hast du es nicht einmal hinbekommen, ihm ins Gesicht zu sagen, daß er in diesem Raum nichts mehr zu suchen hat. Ich sollte ihm das bestellen und ihm das nach Möglichkeit auch noch befehlen oder was? Dann solltest du mich anschweigen und nicht ihn, weil ich das vor Madame Rossignol an ihn weitergegeben und ihm nicht zwischen Tür und Angel vor seinem Schlafzimmer zugezischt habe."
"Gérard spielt sich jetzt auf, weil er Sandrine auch aufgefüllt hat. Daß die Latierres dich nicht mehr nach Beaux gelassen hätten, bevor du Millie nicht was Kleines unten reingeschupst hast war mir ja klar, genau wie Hercules, André, Gaston und Sandrines Auffüllhilfe. Aber der hat erst getönt, daß er erst nach Beaux heiratet. Gut, auf dem Fest gab's leckere Sachen zu essen. Aber so toll war das von der Atmosphäre auch nicht, daß man das unbedingt so früh hätte durchziehen müssen. Da waren deine Geburtstagsfeten schon lustiger."
"So'n Pech, daß Kevin nicht von Sandrine eingeladen wurde, obwohl er in Millemerveilles war", feixte Julius, der sich dachte, daß Robert Kevins trotzige Schaueinlagen meinte.
"Ich meinte das wegen der Verwandtschaft von Professeur Laplaces Kronprinzen und wie steif der Anhang von Sandrine war. Bei Céline gibt's zumindest noch echte Spaßmacher, die sich nicht an verstaubte Verhaltensregeln halten."
"Millie und ich haben ja keine Hochzeit in dem Sinne gefeiert."
"Vielleicht auch besser so. Ich dachte schon dran, mit Céline durchzubrennen und uns von einem Zeremonienmagier zusammensprechen zu lassen, ohne die ganze Verwandtschaft dabei zusehen zu lassen. Aber Céline will das nicht, weil ihre Eltern so wichtig seien und sie nicht so rüberkommen wolle wie eine Wonnefee, die einmal nicht mit der Verhütung aufgepaßt habe und schnell heiraten müsse, um keinen Streß mit ihrer Chefin zu kriegen, wenn du verstehst, was ich meine."
"Ich bin nicht erst seit gestern auf der Welt, Robert. Aber die Wonnefeen sind jetzt nicht das Thema. Du hast Probleme mit Gérard, weil der bei der SSK rausgelassen hat, er hielte dich für eifersüchtig, weil er und Sandrine auch schon auf Nachwuchs warten dürften und er deshalb genauso wie ich ein Ehegattenzimmer bekommen hat und Céline und du nicht."
"Ja, und keiner hat das von ihm verlangt, das zu erzählen. Es ging nur darum, wie das bei uns gerade unverheirateten rumkommt. Da hätte er nur sagen müssen, daß die Jungen aus dem grünen Saal zum einen denken, daß das zu früh sei und die anderen ihn beneideten, weil er schon was gemacht habe, was alle anderen nicht mal im Traum ausprobiert hätten." Julius hätte Robert fast gefragt, ob er noch nie einen leidenschaftlichen Traum gehabt habe. Doch weil ihm rechtzeitig einfiel, wie beschämt er damals war, Madame Rossignol darüber berichten zu müssen, warum er Martine merkwürdig angesehen und angefaßt habe, schluckte er diese Frage schnell wieder hinunter. Statt dessen sagte er:
"Ja, Gérard hat die erwähnt, die er gut zu kennen meinte. Außerdem mußt du ihm ja den Anlaß für diese Bemerkung geliefert haben. Er meinte sowas wie, daß er sich nicht an eine Abmachung gehalten habe. Welche war das?"
"Damit du es auch den anderen und vor allem Céline und Sandrine hinknallst?" Blaffte Robert zur Antwort.
"Ich nehm diese Antwort mal so, daß du mit Gérard abgesprochen hast, daß ihr beide mit allem wartet, was Nachwuchs hervorbringen könnte, bis Céline dich auch vor sich auf dem Besen hatte. Er hat sich also nicht dran gehalten." Julius fühlte den Druck, die Sache mit dem bunten Cocktail auszuplaudern. Aber er hatte Gérard und Sandrine versprochen, es niemandem zu sagen, wenn sie das nicht von sich aus taten. Da er selbst viele Geheimnisse in sich trug wußte er, wie wichtig Vertrauen und Verschwiegenheit waren. Natürlich mußte Robert glauben, daß Gérard die Vereinbarung mit ihm in dem Moment vergessen hatte, als Sandrine seinen Namen gerufen und ihn mit ihrem Besen aufgegabelt hatte.
"Gérard hat einfach getönt, er wolle erst die UTZs haben. Dann erst würde er mit seiner Süßen kleine Dumas-Kinder auflegen. Aber am Ende hat Sandrine ihn mit einem Scharfmachertrank hinbekommen, mit ihr nach dem Regenbogenvogel zu rufen. Und dieses blöde Federvieh kam dann auch schon beim ersten Rufen angeflogen. Hätte auf Corinnes Warnung hören sollen: "Wenn ihr mich ruft, dann komm ich!"
"Corinne? Klar, bei der Abschiedsvorstellung", grinste Julius. Sich vorzustellen, daß die kleine, kugelrunde Junghexe Corinne Duisenberg nun dazu angeheuert worden war, neue Zaubererweltkinder anzuliefern war schon lustig. Aber Jungs über zehn und gleichalte Mädchen glaubten das doch lange nicht mehr.
"Wie gesagt, das stinkt mir wie Drachendünnschiß, daß Gérard jetzt meint, mich als eifersüchtigen Vollhirnie hinzustellen", blaffte Robert.
"Achso, weil er dir dann zweimal weh tut. Einmal, daß er schon erfolgreich beim Regenbogenvogel bestellt hat und zum anderen, daß du das nicht toll findest und er dich deshalb für nicht mehr ganz klar hinstellt?"
"Genau das, Julius. Außerdem hat der mir versprochen, mindestens ein Jahr zu warten, bis ich weiß, ob Céline mich auch auf den Besen ruft, weil er kein Ehegattenzimmer haben wollte und erstmal dieses kleine Haus einrichten wollte, daß er von seinem Opa kriegt, wenn er heiratet. Du warst da nicht bei, als Gérard und ich das abgemacht haben. Céline hatte da mit den Mädels um Gabrielle Delacour zu tun, weil die langsam echt ungenießbar werden, weil Gabrielle denen immer die Schau stiehlt, obwohl sie nix dafür kann, daß ihre Mutter 'ne halbe Veela ist."
"Du meinst, er hätte sich enthalten sollen, bis Céline und du verheiratet waren?" Fragte Julius. Robert nickte. Julius sog tief Luft ein und sagte dann so beherrscht er trotz einer von außen zufließenden Verdrossenheit sprechen konnte: "Du kannst nicht von einem jungen Mann erwarten, daß er seine Frau hinhält, wenn die gerne wissen möchte, ob sie ein in allem gutes Ehepaar sind. Er konnte ja schlecht hingehen und Sandrine sagen: "'tschuldigung, Süße, aber solange Robert nicht von Céline den Hochzeitskuß bekommen hat darf ich dir nicht näher als einen Meter kommen." Hättest du das hingekriegt, wenn Céline oder sonst wer vorher auf den Besen gehoben hätte?"
"Ich hätte zumindest drauf gebaut, daß das Mädel kapiert, daß erst mal wichtigere Sachen anstehen. Und wo du Céline erwähnst, genau deshalb wollte die mich noch nicht auf den Besen rufen, weil sie das genauso sieht wie ich, daß wir gleich nach der Hochzeit auch nach dem Regenbogenvogel rufen."
"Ach so, und von Gérard hättest du die Zurückhaltung verlangt, die du selbst klar ausschließt? Meine Mutter hat mir mal gesagt, daß irgendso'n deuttscher Dichter oder Denker was gesagt hat, daß jemand sich so verhalten soll, wie er es von anderen auch erwartet. Insofern liegt es nur an Céline, daß du noch nicht nach dem kleinen, bunten Vogel gerufen hast und nicht an Gérard und Sandrine."
"Er hätte aber trotzdem sein Wort halten sollen. Nicht nur, daß der jetzt als strahlender Vater von Beaux abgehen kann, nöh, der trampelt auch noch vor euch anderen Broschenträgern drauf herum, daß mich das sowas von ankotzt. Soeiner hat kein Recht, von mir als Freund angeredet zu werden. Da sag' ich besser überhaupt nix zu dem, solange Madame Rossignol meint, ihn zu mir und André schicken zu müssen, weil die unbedingt findet, daß der mit mir klarzukommen hat. Wenn der ihr die Kiste mal erzählt könnte die finden, daß der seine Silberbrosche wieder abgibt."
"Absolut nicht", erwiderte Julius. "Denn solange der mit dir keine entsprechende Wette abgeschlossen hat kann dem keiner was. Und wenn du jetzt sowas behauptest, wo es keine Zeugen für gibt, kann er dich locker von hier runterkegeln lassen. Dies nur als rechtliche Belehrung. - O Mann, jetzt quatsche ich schon wie ein Beamter."
"Klar, wo du mit der Tochter einer Ministeriumshexe schon ganz eng getanzt hast", schnarrte Robert. Julius räusperte sich überdeutlich und fragte Robert, ob er echt noch unnötige Strafpunkte abräumen wolle, weil er sich gerade gegen die bekanntgemachte Vereinbarung verging, daß niemand abfällig über die verheirateten Saalsprecherpaare herzog. Robert kapierte es und entschuldigte sich. Dann sagte er:
"Das Kind ist schon in den Kessel ... ähm, die Sache ist schon zu weit durch. Gérard kann warten, bis die Sonne zusammenschrumpft und wie 'ne Kerze ausgeht. Da kann Madame Rossignol ihn noch so lange zu uns hier reinschicken. Und wenn der bei der nächsten SSK noch so'n Ding losläßt, ich sei nicht mehr ganz klar, und Professeur Delamontagne bestellt mich ein, kriegt der von mir zu hören, daß Gérard sich nicht an Absprachen hält. Ob der dann noch die silberne Brosche behalten darf?"
"Sicher, weil Professeur Delamontagne als einer der ersten erfahren hat, daß Sandrine Mutter wird und sich von Gérard die Geschichte hat erzählen lassen, wie es passiert ist, weil Professeur Delamontagne schließlich wissen muß, ob Gérard und Sandrine dann ein Ehegattenzimmer kriegen oder die Empfehlung erhalten, ihre Zeit nicht mit dem letzten Schuljahr zu vertun, sondern besser gleich ein kleines Häuschen zu mieten oder zu kaufen, um ungestört von den Mitschülern ihre kleine Familie großzuziehen. Wie die Sache ausgegangen ist weißt du ja. Sonst säßen wir zwei jetzt nicht hier." Robert knurrte verstimmt. Julius fühlte eine gewisse Überlegenheit, als er ihm noch mitgab: "Tja, und Madame Rossignol, Madame Faucon und Professeur Paximus wissen das auch. Die wurden nämlich einige Zeit später informiert, als Millie von ihrer Vertrauensheilerin erfahren hat, daß sie mit einem Kind unter dem Herzen nach Beauxbatons zurückreisen darf." Robert lachte erst über die gestelzte Bezeichnung einer Schwangerschaft. Doch dann verzog er das Gesicht. Er fragte Julius vergrätzt, ob er auch wisse, warum Gérard sich doch schon so früh auf den Regenbogenvogel eingelassen habe. Julius wiegte den Kopf. Dann sagte er: "Madame Faucon und Professeur Delamontagne haben es mir nicht erzählt." Robert grummelte, weil er sicher war, daß Julius ihm die Wahrheit verheimlichte. Aber Julius hatte nicht gelogen. Er sagte sogar noch mit gewisser Überlegenheit: "Da Gérard aber jetzt dein Vertrauen verspielt hat wird er dir auch nicht mehr alles anvertrauen, was ihn umtreibt, schon gar nicht, wenn du ihn weiter so anschweigst. Du mußt ihn nicht deinen Freund nennen. Aber als Schulkameraden und als stellvertretenden Saalsprecher mußt du ihn respektieren, solange er dich nicht offen beleidigt oder tätlich angreift, wie Céline das mit ihm gemacht hat."
"Ja, das wäre es ja auch fast gewesen, daß Céline wegen dem ohne Besen aus Beaux fliegt. Aber wenn du meinst, Professeur Delamontagne nimmt den wegen seines Wortbruches nicht die Brosche ab, rede ich auch weiterhin nicht mit dem, fertig."
"Du reitest drauf rum, er und ich würden uns von Madame Rossignol herumkommandieren lassen. Wenn dir Professeur Delamontagne, Madame Rossignol oder gar Madame Faucon befiehlt, mit Gérard wieder zu sprechen, damit er seine Saalsprecheraufgaben weiter erfüllen kann, würdest du, um bloß nicht von Beauxbatons zu fliegen deine Sturheit aufgeben. Madame Faucon könnte dich sonst so aus der Schule tragen lassen wie Gaston Perignon, oder wie er jetzt auch immer heißt. Ich weiß, ist jetzt ziemlich gemein von mir, dir so zu kommen. Aber mir stinkt es auch bis hier", wobei er sich an die Unterseite der Nase tippte, "was du mit Gérard für einen Kindergarten veranstaltest. Denk mal drüber nach, ob ein Mann echt nur dann ein Mann ist, wenn er mit einer Frau zusammen Liebe gemacht hat oder ob da nicht doch eine Menge mehr dazugehört. Ich sage Gérard, der soll dich noch eine Woche drüber nachdenken lassen. Die Zeit reicht sicher, um eine Entscheidung zu treffen. Gute Nacht, Robert!"
"Ey, Moment, wenn die Woche rum ist kriegen die anderen das mit?" Fragte Robert. Julius sagte, daß Gérard wohl nur solange warten könne. Robert funkelte ihn an. Jetzt blickte er ihn wieder so streng an wie am Sonntag, als er ihn und Gérard verächtlich angeblickt hatte. Das zog. Robert sank förmlich auf seinem Bett zusammen. Julius stand auf, ließ mit leisem Plopp den hergezauberten Stuhl verschwinden und ging zur Tür. Er peilte, ob draußen jemand lauschen mochte, fand niemanden und verließ den Schlafsaal der Siebtklässler.
"Die Kiste hat der dir erzählt? Du hast dem aber nicht serviert, warum Sandrine meine Kinder im Bauch hat?" Fragte Gérard kurz vor dem Schlafengehen im Flur der Ehegattenzimmer. Julius schüttelte den Kopf. "Ist nicht meine Angelegenheit, das rumzureichen, Gérard. Wenn du es Robert auftischen möchtest, um ihn aus seinem Eispanzer rauszulösen, hast du wie der eine Woche Zeit. Ich denke, Robert wird erkennen, daß sein Getue ihm mehr schadet als nutzt.
"Ich kümmer mich nicht mehr um den, solange der nichts anstellt, wofür der mehr als einen Strafpunkt verdient und du nicht in der Nähe bist", sagte Gérard. "Ich habe echt wichtigeres Zeug zu erledigen."
"Ich verstehe, daß du dich nicht bei ihm entschuldigen kannst", sprang Julius Sandrines Mann bei. Dieser nickte.
"Dann gehen wir besser jetzt pennen", sagte er noch und wandte sich dem Badezimmer zu, das er sich mit seiner Frau teilte.
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Der Zuchthof für Runespoors bestand aus einem von hohen Mauern umgebenen Hof mit großen Glaskäfigen, in denen je eine orange-schwarze Schlange gehalten wurde. Zwanzig Zauberer arbeiteten hier. Sie trugen dicke Drachenhautkleidung, Stiefel und Handschuhe, wenn sie zu den Schlangen hineingingen. Julius wurde angehalten, mit Belisama in einen der Glaskäfige zu gehen. Als Millie ebenfalls direkt zu einer der Schlangen wollte hielt Professeur Fourmier sie zurück. Julius bekam nicht mit, was die Lehrerin seiner Frau sagte. Doch die plötzlich von dieser auf ihn übergreifende Verärgerung zeigte ihm, daß es nichts für sie schönes war. Er dachte sofort seine Selbstbeherrschungsformel, um den Ansturm fremder Wut abzuwehren. Dabei übersah er fast das dreiköpfige, knapp zwei Meter lange Reptil, das zwischen in den Käfig gelegte Zweige hervorstieß und zielgerichtet auf Belisama losging. Diese hatte jedoch ihren Zauberstab hochgerissen und "Stupor" gerufen. Der Schockzauber erwischte die knapp vor ihren dicken Arbeitsstiefeln niedersausende Schlange an der Verbindungsstelle der drei Köpfe. Die Schlange wurde von dem Zauber zurückgeworfen und fiel schlaff auf den Boden. Julius erkannte, wie gefährlich es war, nicht alle Sinne beisammen zu haben. Vielleicht sollte er im Unterricht den Herzanhänger besser abnehmen. Aber das würde ihm Millie zurecht als Feigheit und Undankbarkeit auslegen, wo sie ihm während seiner Zeit mit Madame Maximes Halbriesenblut im Körper auch während der Schulzeit geholfen hatte, nicht unter den auf ihn niederdonnernden Gefühlslawinen verschüttet zu werden. Wenn sie das für ihn konnte, dann konnte er das jetzt auch für sie.
"'tschuldigung, Belisama, hätte sehen müssen, daß dieses Tier gerade auf ein Opfer gelauert hat", seufzte Julius. Belisama sah ihn mitfühlend an.
"Offenbar mußt du jetzt genauer aufpassen, wie du klarkommst, solange du für Millie mitfühlen mußt", sagte sie leise und deutete dann auf die Schlange. Der für den Käfig zuständige Zauberer kam herbei und besah sich das Tier. Belisama hob den Schockzauber wieder auf. Blieb aber auf Abstand. Julius hielt nun seinen Zauberstab fest in der Hand, um die Schlange mit den empfohlenen Rückhaltezaubern zu belegen, die das Reptil auf Abstand halten konnten. So konnten sie die Bewegungen des dreiköpfigen Kriechtieres beobachten und einen offenbar ablaufenden Streit verfolgen, der jedoch für alle unverständliches Fauchen und Zischen war. Darauf versuchte der mittlere Kopf, den rechten zu beißen. Das gelang nur nicht, weil der rechte zu schnell auswich. Belisama und Julius zogen sich schnell aus dem Käfig zurück, bevor die Schlange wieder meinte, sie angreifen zu müssen.
"Der von Ihnen ausgeführte Schockzauber erzielte nur Wirkung, weil er in unmittelbarer Nähe aller drei Köpfe traf", sagte Professeur Fourmier, nachdem sie sich von Belisama und Julius hatte berichten lassen, was passiert war. "Wenn Sie nur einen Kopf treffen bleibt die Runespoor aktionsfähig. Treffen sie irgendwo am Körper, regeneriert sich die Schlange innerhalb von zehn Sekunden. Sie kann dann aber so tun, als sei sie noch geschockt, weil der Plankopf als erster die Kontrolle über den ganzen Körper zurückgewinnt. Insofern hatten Sie beide noch einmal glück." Julius nahm dies als indirekte Ermahnung zur Kenntnis, demnächst besser aufzupassen. Feuerlöwen oder Graphörner, die in den nächsten Wochen drankämen, würden ihm Nachlässigkeit nicht verzeihen.
Millie erwähnte nach der Rückkehr mit der Reisesphäre über den Ausgangskreis von Paris nach Beauxbatons, daß Professeur Fourmier sie zurückgehalten habe, da sie befürchte, daß Millies Reflexe und Aufmerksamkeit durch die erste Schwangerschaftsphase beeinträchtigt seien. Julius hätte fast geantwortet, daß das dann nicht nur für sie gelte.
Jean-Luc und Celestine hatten von Madame Rossignol unterschiedliche Diäten verordnet bekommen. Wie César und dessen Blutsverwandte gehörte Celestine zu jener Gruppe von magischen Menschen, die auf den üblichen Abspecktrank Nummer zwei nicht ansprachen und daher Nahrungszusätze zu sich nehmen mußten, um nur das wirklich nötige im Körper zu behalten und vor allem das überschüssige fett unverdaut auszuscheiden. Jean-Luc murrte, weil Julius und Louis ihn beim Essen beaufsichtigten.
Nadine Albert hatte einen Brief von ihren Eltern bekommen, daß sie nicht bei der Betreuung von Mildrid eingespannt werden dürfe, da Nadine den Anblick einer Gebärenden sicher nicht verkraften könne. Darauf hatte Madame Rossignol Nadines Eltern angeschrieben, daß sie es bis zum Geburtstermin im Mai sicher wissen könne, was Nadine vertragen könne und was nicht und sich gerne mit ihren Eltern am Elternsprechtag persönlich über die Arbeit der Pflegehelfer und deren Erfordernisse unterhalten würde.
Julius schaffte es mit Mühe und not, die Gefühlsschwankungen zu verdauen, die sich jetzt doch immer häufiger äußerten. Einmal hätte er fast losgeweint, ohne zu wissen warum er so traurig war, bis Millie ihm sagte, daß sie aus heiterem Himmel daran hatte denken müssen, daß Aurore oder Taurus nicht lebend zur Welt kommen würde. Julius dachte wieder an die Warnung seiner Schwiegertante Béatrice. Er hoffte nur, daß er dieses Gefülswirrwarr Millies gut verkraften konnte. Immerhin hatte er ja selbst mitbekommen, wie heftig dauernde Gefühlsveränderungen sein konnten.
Melanie fing sich auch wieder im Unterricht, nachdem Millie mit ihr in einem sehr ruhigen Ton gesprochen hatte, was vor allem gelang, weil Julius für sie die Selbstbeherrschungsformel dachte und damit nicht nur seine Gefühle ausbalancierte.
Die von Julius festgesetzte Woche war noch nicht ganz verstrichen, als Robert Gérard vor Céline und anderen Mitschülern ansprach und sich für sein Verhalten entschuldigte. Er sagte ihm zwar, daß er sich sicher sei, daß die Freundschaft kaputt sei, er aber wegen Gérard nicht als Trottel vom Dienst und Kleinkind oder sowas herumgereicht werden wolle. Gérard straffte sich und sagte dazu nur, daß er nicht mehr und nicht weniger von Robert erwartet habe. Als Madame Rossignol das von Julius und Gérard erfuhr, gab sie die Weckdiensteinteilung wieder frei.
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Am zwanzigsten September erhielt Julius einen weiteren Brief von seiner Mutter. Wieder war er auf dünnem Faxpapier abgedruckt.
Hallo Julius und Mildrid!
Ereignisreiche Wochen liegen hinter mir. Der ganze Stress mit den Ministerialzauberern hier hat mich manche Nacht nicht schlafen lassen. Sie wollen zwar wissen, wie das Internet funktioniert, halten aber nichts davon, eine gemeinsame Plattform der Zaubereiministerien zu bilden. Einer hat doch tatsächlich den Vorschlag gemacht, die Hauptspeicher der Internetknoten, die in den Staaten stehen, im Bedarfsfall auszuschalten, wenn die Flut von Mitteilungen und Diskussionen über übernatürliche Dinge nicht mehr zu überwachen sein soll. Ich mußte ständig diese althergebrachten Zaubererweltgesetze zitieren, die verbieten, uns in die Vorgänge der nichtmagischen Welt einzumischen. Die merkten das schon, daß ich selbst nicht so recht hinter dieser Überzeugung stehe, zumal ich ja das Paradebeispiel dafür sei, wie auslegbar diese Regeln seien, da man mich ja auch mit einem Gedächtniszauber alles hätte vergessen lassen können, was ich von der magischen Welt mitbekommen habe.
Erleichtert bis höchst zufrieden war ich, als ich auf meinen Reisen durch die Zauberersiedlungen muggelstämmige Hexen und Zauberer traf, die sich nach dem Sturz dieses Massenmörders und seines Regimes dazu entschlossen, in den Staaten zu bleiben. Sie dankten mir noch einmal für die Fluchthilfe und wünschten mir für mein neues Leben als Hexe alles gute und schöne, was ich mir durch diese Aktionen verdient habe. Es ist schon ein höchst angenehmes Gefühl, wenn die geleistete Arbeit nicht nur bezahlt, sondern anerkannt wird. Ich hoffe, du wirst ein solches Gefühl auch in deinem Berufsleben verspüren.
Wie im ersten Brief erwähnt war ich ja auch bei Brittany und Linus. Ich konnte mich auch mit der dort tätigen Heilerin Chloe Palmer unterhalten. Sie erwähnte, daß das Alter keinen Unterschied mache, wenn eine Hexe erstmalig Mutter und ein Zauberer erstmalig Vater würde und ich mich glücklich preisen könne, eine junge, tatkräftige Großmutter werden zu dürfen. Viele ihrer Patientinnen hätten erst auf beruflichen Erfolg hingearbeitet oder warten müssen, bis ihre Ehemänner weit genug im Berufsleben angekommen waren, um eigene Familien zu gründen. Sie erwähnte auch diese befremdliche Festivität, bei der es wohl Sandrine und Gérard erwischt habe. Da auch in den Staaten Ableger dieser Bande zu finden seien, die durch gezielte Manipulationen den Nachwuchs in der Zaubererwelt anfachen wollten, hätten Sandrine und Gérard wohl noch einmal Glück gehabt, daß sie zusammen ein Kind gezeugt hätten, da es meistens vorkäme, daß ledige Hexen von verheirateten Zauberern oder noch nicht mit der Schulausbildung fertigen Jungzauberern Kinder bekämen. Einmal sei es passiert, daß der Großneffe einer verwitweten Hexe mit dieser durch diese schändlichen Manipulationen zusammengebracht wurden. Zwar sei dies kein Drama, da Inzuchtschädigungen erst bei mehrmaliger Verpaarung von Familienangehörigen über mehrere Generationen vorkämen, aber für den Jungen war das schon schwierig, sich mit einem Onkel, der zu gleich sein Sohn war, abzufinden. Das hier in den Staaten zwei ledige Hexen Kinder von unbekannten bis fragwürdigen Erzeugern bekommen haben weißt du ja aus der Zeitung. Brittanys Mutter erwähnte nach einer langen Schachpartie, daß jene Daianira Hemlock, mit der wir ja schon einmal zusammentrafen, zu ihrer Zeit eine Menge Macht und Einfluß errungen habe und es sie schon verwundere, jetzt erst von einer Tochter von ihr erfahren zu haben. Außerdem soll ich euch von Ms. Peggy Swann grüßen, die mit ihrer kleinen Tochter Larissa zu Besuch war. Sie habe sich diese praktischen Gleitlichtbrillen doch lieber per Eulenkurier schicken lassen, wenngleich der Kauf glatt ein Viertel vom Kaufpreis an Zollgebühren gekostet habe. Jedenfalls seien die beiden froh, was nützliches nach der Sonnenfinsternis gekauft zu haben. Ms. Swann freut sich, falls du noch einmal nach Viento del Sol kämst. Offenbar hat sie lange mit dir über Astronomie gesprochen, erfuhr ich bei dieser Gelegenheit.
Hmm, bei Brittany und Linus traf ich auch Lucullus merryweather wieder. Ich will mit ihm nach den letzten Abstimmungsgesprächen mit den Halbignoranten in Washington eine Rundreise durch die Zauberersiedlungen machen, weil er ja noch einige Verwandte hat. Ich weiß zwar nicht, wohin das führen mag. Aber offenbar scheint ihm die Sache mit dem Brautstrauß immer noch großes Vergnügen zu machen. Ich werde natürlich darauf achten, nicht in voreilige Gedanken zu verfallen oder mich übermächtigen Gefühlen hinzugeben. Ich bin ja kein halbwüchsiges Mädchen mehr. Aber interessieren tut es mich doch, ob es zumindest zu einer reinfreundschaftlichen Beziehung zwischen Brittanys Schwiegeronkel und mir kommen mag. Allerdings hat Brittany auf ihre bekannt direkte Art beteuert, daß sie mit mir als Schwiegertante absolut keine Probleme haben würde, zumal sie dich dann als Schwiegervetter und Millie als Schwiegercousine dazubekommen würde. Brittany halt.
Die Rundreise mit Lucullus bewahrt mich auch vor einer Notlüge Zach Marchands gegenüber. Der wollte mich zu seinem vierzigsten Geburtstag einladen und wohl danach noch einmal mit mir darüber sprechen, wie es mit uns weitergeht. Ich fürchte, meine postnatale Magieaktivierung hat doch geheime Wünsche bei ihm zunichte gemacht, eine Partnerin zu finden, mit der er sich auch bei seinen Eltern sehen lassen kann. Offenbar hegt Mr. Marchand seinen Eltern gegenüber noch sehr große Eingeschüchtertheit, was die Freiheit seiner Partnerwahl angeht. Um mir den daraus zu erwartenden Unmut nicht anzuhören bin ich froh, daß ich anderweitige Termine und Planungen habe.
Ich werde dann wohl Anfang Oktober nach Frankreich zurückkehren. Sandrines Mutter hat bereits angekündigt, daß ich unbedingt noch einmal mit ihr sprechen solle. Da ich von Camille und Jeanne eingeladen wurde, die beiden Neuankömmlinge zu besuchen, komme ich nicht drum herum, nach Millemerveilles zu reisen. Bis dahin weißt du vielleicht schon mehr, wer von deiner früheren Schule zu diesem trimagischen Turnier kommt.
In Liebe
Mum