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Julius Andrews - Auf seinem Weg in die Zaubererwelt von Thorsten Oberbossel

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Die waren ganz aufgeregt. Das war wegen der Turniersache, wo die ältesten von den hier lernenden Jungen ohne sich zu beißen und zu kratzen gekämpft haben. Ich habe das gehört, wie die erst Angst hatten und dann immer wieder ganz froh waren. Dann haben sich die jungen Männchen und Weibchen hier so sehr gefreut, als hätten die alle zusammen die Liebesstimmung erlebt. Ich habe gehört, daß das Weibchen Laurentine, das mit Julius in derselben großen Wohnhöhle im Steinbau wohnt, dieses Kämpfspiel gewonnen hat. Die beiden anderen, das Ringelhaarweibchen Gloria und der traurige und wie vor einem Kampf immer angespannte Hubert haben verloren. Hubert ist deshalb jetzt ganz traurig. Aber er hat auch Angst, weil er nicht weiß, ob ihn alle seine Gefährten jetzt für schwach und unfähig halten. Das Weibchen Astrid, das mit ihm das Zusammenfindspiel mit den fliegenden Ästen mit der Kraft drin gespielt hat, ist eine der ganz wenigen, die ihm da helfen wollen. Auch das junge Weibchen Patrice, das wie Julius und Millie dieses Glitzerding an der rechten Vorderpfote hat, wo die verbindende Kraft drin singt, fühlt irgendwie Zugehörigkeit für dieses junge Männchen. Aber die hat ja auch das Ruf- und Tragspiel gespielt und dabei diesen ständig angespannten und kampfeslustigen Jungen Kevin zu sich geholt. Die sagen, wer beim Zusammenfindspiel zu dem Weibchen auf den Flugast klettert, das ihn ruft, bleibt mit dem das ganze Leben zusammen. Nicht wirklich was, um eine große Auswahl beim Jungekriegen zu haben. Aber die Zweifußläufer werde ich wohl nicht wirklich verstehen.

So wie die alle klingen und sich fühlen ist es bald wieder Zeit, daß die alle von hier weggehen. Sie nennen das ja Sommerferien. Julius geht dann aber mit den ganz großen weg und bleibt weg. Ich geh dann mit ihm, seiner Gefährtin Millie und diesem aus einem anderen Land hergekommenen Männchen Dusty mit. Irgendwie habe ich ein wenig Angst davor, von hier ganz wegzugehen. Hier wohnen alle, die ich kenne und die mich kennen. Hier wohnen meine Jungen, von denen der jüngste Wurf erst richtig allein leben gelernt hat. Aber weil meine Tochter, die so wie ich aussieht, ja auch gesunde Junge kriegen kann, wird sie hier weiterwohnen und das weitergeben, was ich in ihr aus mir rausgedrückt habe. Dann weiß ich nicht, ob ich noch groß aussuchen kann, von wem ich Junge kriege. Wenn die da, wo Julius mit Millie hingeht, keine großen Männchen haben wie hier, ist dann wohl nur dieser Dusty da, der schon oft drauf gewartet hat, mir seine Jungen in den Bauch zu legen. Nachher kann ich nur von dem Junge kriegen, wie Millie nur von Julius Junge haben will und er nur ihr welche machen will. Irgendwie nicht so gut, die nicht immer neu zu wählen.

"Heh, Leonardo, laß Hestia zu Frieden, die ist deine Schwestertochter!" schreie ich Leonardo an, weil der gerade um meine Tochtertochter Hestia rumläuft. Dabei kann der auch mit einer von Weißnase groß gewordenen Jungen was anfangen. Aber da kommt Braunnase. Seitdem Dusty durch den Weghaltestein nicht mehr zu unseren Wohnhöhlen hinkommt hat er wieder die ganze Auswahl. Oha, jetzt kämpfen die zwei. Oh, schon fertig. Braunnase hat mal eben Leonardo runtergedrückt und gebissen. Leonardo läuft anderswo hin. Hestia ist jetzt in Stimmung. Dann soll die Braunnases Junge kriegen. Adolar, der fast so wie sein Vater Fliegenpilz aussieht, läuft auch schon einem von den anderen Weibchen nach, einer Wurfschwester von Schwarzrückens letzter Gefährtin. Der hat raus, daß Braunnase gerade mit seiner Wurfschwester zusammen ist und will seine ersten Jungen machen, bevor der meint, ihm das ausgesuchte Weibchen wegnehmen zu können. Die kleine Prinzessin sieht da zu. Die ist noch nicht in Stimmung. Oh, ich höre Dusty. Er freut sich, weil er das silbergraue kleine Weibchen für sich begeistert hat, das mit den grünen Augen, das mit dem jungen Zweifußläuferweibchen zusammenwohnt, das auch einen singenden Glitzerring um die rechte Vorderpfote hat. Der ist stark. Der ist schnell. Von dem Junge zu kriegen ist ganz bestimmt richtig. Wenn die alle vor dem nächsten wachsenden Mond hier weggehen und ich mit Julius und Millie mitgehen darf, dann kann der die Stimmung mit mir ausleben.

Ich höre Millie und ihr junges, das Aurore heißt. Sie ist allein, weil Julius mit den anderen irgendwas macht, was wichtig ist aber auch viel Spaß macht.

 

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"Ui, Dusty hat einen Smaragd unter den Knieseln angegraben, Kleines", grinste Millie, als sie die Laute der Lust hörte, die Dusty von sich gab. Ihr eigener Kniesel, den sie aus den Staaten mitgebracht hatte, vergnügte sich gerade mit Carmen Delestes Katze Esmeralda. Von der Fellfarbe her paßten die beiden auch gut zusammen, dachte Millie. Aurore, die sie auf dem Rücken trug, wühlte mit ihren kleinen Händchen in der rotblonden Mähne ihrer Mutter herum und zog einmal kurz. "Autsch! Aurore, nicht so doll!" tadelte Millie ihre gerade anderthalb Monate alte Tochter.

"Ja, geschaaaaafft!!" hörte sie Dustys Triumphgeschrei. Für sie klang er wie ein Menschenmann mit kräftiger, baritonartiger Stimme.

"Dusty, hast du Carmencitas Esmeralda veredelt?!" rrief Millie ihrem Knieselkater zu. Dieser kam sofort angelaufen. Sein silbergraues Fell mit den vielen weißen Sprenkeln, die ihm seinen Namen zugetragen hatten, glänzte im Licht der Sommernachmittagssonne. Seine mondlichtfarbenen Augen blickten überlegen und siegessicher nach oben.

"Wird sich Carmen freuen, was von dir und mir behalten zu dürfen", lachte Millie ihren Kniesel an, der erst anstalten Machte, ihr auf die Schulter zu springen, aber mit einer energischen Geste und einem "Nein, jetzt nicht", abgehalten wurde.

"Starkes kleines Weibchen. War ganz in Stimmung", schnurrte Dustys Interfidelis-Stimme. Millie grinste. Dann rief sie über ihr Pflegehelferarmband nach Carmen Deleste:

"Dusty hat sich gerade mit deiner Esmeralda drauf geeinigt, daß die in drei Monaten seine Jungen kriegen darf. Da meine Tante Barbara will, daß jede erfolgreiche Nachzucht von ihm registriert wird wollte ich fragen, ob wir zwei ihr das schreiben, nur du oder nur ich, daß deine Esmeralda seine Kinder kriegt?"

"Mann, ist die doch ausgebüchst und hat sich bespringen lassen", seufzte Carmen. "Gut, dann mache ich das mit deiner Tante aus, wer die Jungen kriegt. Vielleicht kann ich meiner Oma Aurelia einen von denen geben. Die hat drei Halbkniesel."

"Das kannst du dann klären, wenn deine Esmeralda die Jungen hat."

"Wenn die von dem überhaupt welche abbekommt", grummelte Carmen.

"Also, unser Dusty hat in den Staaten seinen Ruf als Katzenunterhalter weg. Der würde keine beehren, wenn die keine gesunden Jungen von dem kriegen würde", erwiderte Millie kategorisch. Dusty schnurrte behaglich und sah dabei zu Aurore hoch, die ihm den Platz auf Millies Schulter verwehrte.

"Gut, dann weiß ich zumindest, was mit Esmeralda ist, wenn die gleich komplett abgekämpft zurückkommt. Danke für die Warnung!" erwiderte Carmen.

"Ich gebe das auch an meine Tante weiter, das Dusty noch eine gefunden hat, die was von ihm haben wollte, bevor wir hier abrücken."

"Toll", grummelte Carmen. Dann trennte sie die magische Bild-Sprechverbindung.

"Uff! Jetzt steht das Programm. Am neunzehnten Juni ist Generalprobe", sagte Julius seiner Frau. Diese würde morgen noch einmal Chorprobe haben, bevor die Aufführung für den Abschlußabend komplett durchgegangen wurde. Als er erfuhr, daß Dusty Carmens Katze Esmeralda beehrt hatte mußte er grinsen. "Hat wohl noch die letzte Gelegenheit genutzt, bevor wir ihn in den Tragekorb stecken. Vom Fell passen die zwei ja zusammen. Da kommt dann nicht so ein kunterbunter Wurf raus wie bei der kleinen Prinzessin und Fliegenpilz."

"Ja, und nächstes Jahr haben wir dann wohl die Jungen von deiner Goldschweif und meinem Dusty im Garten herumlaufen."

"Möglich ist das. Goldie ist schon wieder dran, daß sie bald wieder kann", sagte Julius darauf.

 

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"Julius, was ist mit Belisama los?" fragte Laurentine Julius nach der letzten Abstimmung, wie sie beide die Aufführung durchspielen mußten. "Seitdem ich in der dritten Runde war ist die so drauf, als hätte ich was verbotenes angestellt. Sagen will die mir nicht, was los ist. Ich kann mir zwar was denken, aber da weiß ich nicht, ob ihr davon was mitbekommen habt. Was habt ihr von dieser Kiste mit dem zweiten Tor mitbekommen?"

"Alles", ließ Julius die Katze aus dem Sack. Eigentlich durfte er nicht damit angeben, Sachen zu sehen zu kriegen, die Nichtpflegehelfer nicht zu sehen bekommen durften. Laurentine nickte verlegen und erwiderte: "Das habe ich befürchtet. Aber mit Millie und Sandrine habe ich deshalb keine Probleme und mit Patrice auch nicht."

"Ich weiß auch nicht, was ich davon halten sollte. Aber mir steht es nicht zu, mir darüber Gedanken zu machen", erwiderte Julius. Laurentine nickte schwerfällig. Dann bat sie Julius, nahe genug zu ihr hinzukommen, daß sie flüstern konnte. Als sie beide sicher waren, nicht beobachtet zu werden wisperte sie ihm ins rechte Ohr: "Klar, wo es fast passiert wäre, daß ich mit Claire rumgemacht hätte. Da habe ich mich auch erschrocken, als ich das klar erkannt habe. Aber ich wollte nichts in der Richtung von Claire, und die wollte garantiert auch nichts in der Richtung von mir oder sonst einer."

"Mußt du mir nicht erzählen", erwiderte Julius etwas unbedacht. Schnell legte er nach: "Ich wollte dir nicht weh tun, Laurentine. Wenn du echt gemeint hast, für Claire mehr empfunden zu haben als Freundschaft oder Schulkameradschaft, dann hast du dazu alles recht gehabt, wenn Claire dir das irgendwie signalisiert hätte, daß da was gegangen wäre. Aber ich bin mir doch ganz sicher, daß sie wirklich nur was von mir gewollt hat, weil das mit dem Corpores-Dedicata-Zauber sonst auch nicht geklappt hätte." Laurentine nickte.

"Gut, seit der vermurksten Kiste mit Gaston weiß ich im Moment auch nicht, ob das einer von euch Jungs wert ist, sich gefühlsmäßig dafür abzustrampeln. Aber ich hänge mir keine Pin-Ups ins Zimmer, wie Gaston und Cyril sie angeschmachtet haben. Ich weiß auch nicht, warum diese blöden Traumfladen mich auf Claire scharf gemacht haben, wo die doch nur die echten geheimen Gelüste anheizen."

"Ich habe das mit Millie besprochen, weil die das ja auch sehen mußte oder durfte oder wie immer das bei dir am schmerzlosesten rüberkommen kann", flüsterte Julius. "Ich vermute, dir ist dasselbe Ding passiert wie in der Folge, wo Riker einige Jahre älter war und angeblich Minuette geheiratet und mit der ein paar Kinder bekommen hat. Irgendwas war zwischen dir und Claire, was diese Verarschungsflundern drauf gebracht hat, das könnte was körperliches gewesen sein."

"Vielleicht war es das auch, Julius, aber nicht im Sinne von Sex, sondern eher so, daß Claire bei dem ganzen Mumpitz, den ich mir hier geleistet habe, immer noch zu mir gehalten hat, wie eine große Schwester oder eine, die was in mir sieht, was ich damals mit meinem Betonschädel nicht kapieren wollte. Und bewundert habe ich sie schon, was sie konnte, wie sie aussah und wie sie aus allem noch fröhlich war aber auch sehr klar angesagt hat, wenn ihr was nicht gepaßt hat. Und bei mir war das doch einiges, was ihr erst nicht gepaßt hat. Warum sie trotzdem so sehr hinterher war, daß ich das hier alles irgendwie reinkriege weiß ich bis heute nicht. Hat sie dir da mal was zu gesagt?"

"Nein, hat sie nicht. Und ich wollte sie auch nicht fragen", erwiderte Julius darauf. "Ich wollte da nicht reinfuhrwerken."

"Na ja, seitdem du hier hingekommen bist hatte sie ja noch mehr Grund, mich in die richtige Richtung zu schubsen, ob mir das gepaßt hat oder nicht. Seit der Sache mit diesem Blutrachefluch ist mir erst richtig aufgegangen, wie viel sie mir damit mehr gegeben hat als Barbara Lumière heute van Heldern oder die ganzen Lehrer hier, die nur drauf aus waren, ich solle das machen, was die für richtig halten und nicht das lernen, wo ich auch mal Spaß dran haben kann. Aber das ist dir sicher auch aufgegangen. Ohne Claire wäre ich sicher nie soweit gekommen, überhaupt am Turnier teilzunehmen. Ich hätte mich fast hingestellt und wie bei den Oscars lautstark gesagt, daß ich ihr dafür danken wollte, den Pokal gewonnen zu haben. Aber das müssen die Langohren und Schmierfinken von der Zaubererweltpresse nicht wissen. Nachher dichten die mir auch noch was an."

"Ich bin mir absolut sicher, daß Claire da, wo sie ist, über alles bescheid weiß, was die, mit denen sie gut klarkam über sie denken, Laurentine", sagte Julius.

"Ich dachte, du glaubst nicht an das christliche Jenseits", erwiderte Laurentine schnippisch.

"Richtig, an das christliche Jenseits mit Himmel und Hölle glaube ich nicht. Aber an Zustandsformen glaube ich, daß wenn es echte Gespenster gibt, die krampfhaft im Diesseits bleiben wollten oder dazu gezwungen wurden, es dann auch eine Zustandsform gibt, in der die Gestorbenen weiterbestehen können. Die können wir aber mit unseren Sinnen nicht erfassen. Madame Rossignol hat das mal damit verglichen, daß ein ungeborenes Kind ja auch nicht weiß, wie sich Wind auf der haut anfühlt oder wie es ist, über eine Wiese oder Sand zu laufen. So kriegen wir es auch nicht mit, wie mein Vater, Claire oder andere in der anderen Daseinsform weiterbestehen."

"Zumindest weiß ich jetzt, warum Belisama meinen könnte, unsere Freundschaft sei vielleicht anders gemeint als eben nur gute Freundschaft. Aber wie kann ich der das beibringen, daß ich nicht über sie herfallen werde wie euer Dusty über Carmens Esmeralda?"

"Da kann ich dir leider nichts zu sagen. Das besprichst du vielleicht besser mit Madame Rossignol, weil die da vielleicht auch Sachen kennt, wo es um die Art von Beziehungen zwischen Jungen und Mädchen ging", sagte Julius.

"Zumindest mußte ich nicht bei der übernachten wie Hubert. Der hängt ja jetzt nur noch in der Bib rum, seitdem er sich mit diesem Antiscotergiazauber von der Plattform geschossen hat."

"Fühlst du dich schuldig, weil du den Pokal gekriegt hast, wo für ihn angeblich sooo viel davon abhing?" fragte Julius nach.

"Nöh, absolut nicht. Wenn der vor mir drangekommen wäre hätte ich das eben eingesehen, daß er den verdient hat, auch wenn ich da vielleicht erst mal enttäuscht gewesen wäre. Aber wenn der denkt, für ihn sei jetzt das Leben rum, soll mich das nicht kümmern."

"Der fängt sich wieder. Spätestens wenn Astrid den vor dem Zeremonienmagier hat", sagte Julius.

"Jau, die kleine hat das richtige Temperament dafür, den wieder aufzubauen", erwiderte Laurentine. Julius nickte nur. Dann sprachen sie noch über die letzten Abstimmungen in den Dialogen, die zwischen den Spielszenen lagen.

 

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ORION WIRD IMMER KRÄFTIGER. ER KANN SICH SCHON GUT MIT DEN ANDEREN GANZ JUNGEN, ABER AUCH SCHON DEN ÄLTEREN GUT HERUMBALGEN. GUT, DAß DIE GANZ JUNGEN NOCH KEINE FESTEN HÖRNER HABEN. AUßERDEM IST ORION IMMER SEHR DURSTIG. DER TRINKT AUCH BEI SEINER MUTTERMUTTER DEMETER. DIE HAT DA NICHTS GEGEN, WEIL IHR EIGENES JUNGES NICHT SO VIEL BEI IHR TRINKEN WILL. ES ERINNERT MICH AN MEINEN GANZBRUDER DAMALS, DER AUCH GERNE DIE NÄHRENDE MILCH UNSERER VATERMUTTER GETRUNKEN HABEN SOLL.

ES IST WIEDER NACHT. ALLE VON UNS LIEGEN DRAUßEN, WEIL ES SO SCHÖN WARM GEWORDEN IST. ICH STEHE NOCH UND HÖRE IN DIE DUNKELHEIT. AUCH DIE ÄLTERE BARBARA, DIE ALS GROßER BAUM LEBT, IST NOCH WACH. WAS IST DAS? ICH HÖRE EINEN LAUTEN SCHREI WIE AUS GROßER FERNE. OHA, EINE STARKE KRAFT AUS FEUER UND SONNENLICHT KOMMT GANZ SCHNELL ZU UNS! WAS IST DAS?! ICH FÜHLE EINE STARKE WELLE, IN DER ICH SCHMERZEN ABER AUCH DIE WUT VON MEHREREN DENKENDEN WESEN MITBEKOMME. ICH KANN DAS NUR EINEN KURZEN MOMENT FÜHLEN, GERADE MAL SO LANGE, WIE ICH ZUM EINATMEN BRAUCHE. ICH HÖRE DIE WUT EINER KÖRPERLOSEN FRAU, IN DIE DIE MIT IHR DAHINGERISSENEN EINFLIEßEN. ICH HABE DAS BILD EINER HELL LEUCHTENDEN FRAU VOR MIR, IN DEREN KÖRPER VIELE IMMER KLEINER WERDENDE KINDER ZURÜCKDRÄNGEN. DANN IST DAS GEFÜHL DIESER ÜBERSTARKEN WELLE AUCH SCHON WIEDER FORT. ICH HÖRE NOCH DAS WÜTENDE UND ENTTÄUSCHTE GESCHREI, WIE ES IMMER WEITER WEGFLIEGT. JETZT FÜHLE ICH EINEN STARKEN SOG IN DER KRAFT, ALS MÜSSE DER RAUM NEU AUFGEFÜLLT WERDEN, WO DIE ÜBERSTARKE WELLE ENTLANGGELAUFEN IST. ALLE HIER SCHRECKEN AUF, AUCH ORION. ALLE HIER HABEN DAS GEFÜHLT. MIR TUT DER KOPF WEH. DIE STARKE KRAFT HAT MICH SEHR STARK GETROFFEN. DOCH ICH ERKENNE JETZT, DAß ES KEINE BÖSE KRAFT WAR, SONDERN EINE STARKE, REINIGENDE KRAFT, DIE DUNKLE KRÄFTE WEGWISCHT UND SICH DARAN ENTZÜNDET WIE EIN FEUER AN TROCKENEM HOLZ. DANN VERSTEHE ICH, WAS PASSIERT IST. ICH HÖRE AUS WEITER FERNE, WIE EIN WÜTENDES, MÄNNLICHES INNERES SELBST AUFSCHREIT UND GEGEN DAS VORHERRSCHENDE WEIBLICHE SELBST KÄMPFT. DANN IST ES WIEDER STILL: ICH ERKENNE JETZT, WAS GESCHEHEN IST. SEINE ZWEITE SÄULE DER MACHT, SEINE ZWEITE ARMEE DER MITTERNACHT, IST BEZWUNGEN. DOCH NICHT NUR DAS. DIE ZWEITE SÄULE IST IHM ENTRISSEN WORDEN. ENTWEDER IST SIE UNTER DER GANZEN KRAFT DIESER WELLE ZERSTÖRT WORDEN, ODER SIE WURDE VON EINER NEUEN KRAFT ERFÜLLT UND UMGEWANDT. OB ER SICH DAS GEFALLEN LASSEN WIRD? DOCH WAS WILL ER MACHEN? ICH FÜRCHTE, ER WIRD BALD EINEN NEUEN KNECHT UNTER DEN STERBLICHEN ERWÄHLEN, DER SEINE AUSFÜHRENDE HAND WERDEN SOLL, SOLANGE ER DIE DRITTE UND LETZTE SÄULE SEINER MITTERNÄCHTIGEN MACHT BEHERRSCHT. WIE DAS AUCH JETZT SEIN WIRD: EIN GROßER PLAN VON IHM IST VEREITELT WORDEN. JETZT KANN ICH FRIEDLICH SCHLAFEN.

 

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"Auch wenn die meisten von Ihnen mit den Gedanken schon aus Beauxbatons heraus sind und womöglich schon für ihre Zukunft bedeutsamere Projekte planen, so sollten Sie das Angebot, noch wichtige Erkenntnisse von hier mitnehmen zu können, nicht einfach durch Ignoranz ausschlagen", sagte Professeur Fixus in der letzten Zaubertrankstunde vor den Ferien. Sie bezog sich da vor allem auf Caroline und Leonie, die wohl meinten, sich nicht mehr mit ganzer Aufmerksamkeit beteiligen zu müssen. Dann deutete sie auf Laurentine Hellersdorf und sagte: "Nehmen Sie sich bitte ein Beispiel an Mademoiselle Hellersdorf. Sie möchte möglichst noch alles mitnehmen, was ich in dieser Stunde noch vermitteln wollte. Sie könnte jetzt doch hingehen und darauf setzen, daß sie zum einen nur noch wenige Tage hier zubringt und als Turniergewinnerin über alle anderen erhaben ist. Dies tut sie jedoch nicht."

"Klar, weil sie wegen dem Turnier ja die UTZ-Prüfungen noch machen muß, die wir alle schon durch haben", warf Jacques frech ein.

"Oh, Sie sollten sich erst sicher sein, mit den Prüfungen durchzusein, wenn Sie die offiziellen Ergebnisse vorliegen haben, Monsieur Lumière", erwiderte die Zaubertranklehrerin. "Bauen Sie nicht zu sehr darauf, daß Sie sich in meinem Unterricht überragend gut hervorgetan haben. Selbst wenn Sie die Zaubertrankbraukunst zu Ihrem Beruf erheben möchten, so achten alle Braumeister doch auch darauf, ob jemand in Zauberkunst oder der Abwehr schädlicher Zauber gut bis überragend ausgebildet ist. Ohnedies empfiehlt es sich immer, wenn alle angetretenen Prüfungen bestanden wurden, egal in welchem Zweig der Magie jemand seine oder ihre berufliche Zukunft sieht. Sicher bin ich nicht Ihre Saalvorsteherin, Monsieur Lumière. Aber als eine hochrangige Lehrperson von Beauxbatons steht es mir auch zu, derartige Hinweise an Schülerinnen und Schüler zu geben, die nicht im von mir betreuten Saal wohnen. Als amtliche Vorsteherin des kirschroten Saales steht es mir jedoch zu, die Demoisellen Renard und Poissonier darauf hinzuweisen, daß die Art, wie Sie sich Ihren Mitschülern hier präsentieren, keinen Beifall findet. Insbesondere Mademoiselle Poissonier, die ja als stellvertretende Saalsprecherin eine Vorbildfunktion zu erfüllen hat, sollte die in Beauxbatons geltende Disziplin nicht derartig lächerlich machen, wie das, was Sie beide in Ermangelung eines treffenderen Begriffes als Zaubertrank bezeichnen. Sie können froh sein, keine spontane Energieentladung heraufbeschworen zu haben, die Sie und die gesamte Klasse verheert hat."

"Nur weil wir dreimal mehr hätten umrühren müssen", knurrte Caroline.

"Und weil Sie meinten, von dem Einhornpulver einen gehäuften und keinen gestrichenen Löffel hineingeben zu müssen", begann Professeur Fixus, weitere Versäumnisse und Flüchtigkeitsfehler aufzuzählen. Am Ende erhielten Caroline und Leonie jeweils zwanzig Strafpunkte und Jacques wegen Vorwitzes fünf.

"In fünf Jahren lachen wir drüber, wie das hier gelaufen ist", grummelte Caroline nach der Stunde. Leonie erwiderte darauf:

"Das war doch klar, daß Professeur Fixus uns nicht mal eben mit freundlichem Lächeln durch die letzte Stunde schickt. Hätte ich auch echt dran denken müssen, daß dieses Einhornpulver den Trank voll verhunzen kann, je nachdem, wie viel davon reingeschüttet wird. Na ja, die paar Tage ziehen wir noch irgendwie durch."

"Dann sind wir fertig, während Millie noch bis Weihnachten warten muß", feixte Caroline.

"Mach dir besser nicht meinen Kopf, Caro!" erwiderte Millie. "Oder legst du es echt drauf an, beim Abschlußfest nicht dabeisein zu können, weil du unbedingt mehr Strafpunkte wolltest, als zum Feiern erlaubt sind?" Caroline funkelte Millie verdrossen an und zischte, daß sie mit ihr auch weiterhin noch gut auszukommen hätte, zumindest, bis sie es hinbekam, die Dorfschenke ihrer Eltern hinter sich zu lassen. Das veranlaßte Leonie dazu, Caroline mitzugeben, daß Millie dann wohl ihr ganzes restliches Leben mit Caroline gut auszukommen hätte, weil die Renards ihre billige Aushilfe sicher nicht gehen lassen würden.

"Super, du jetzt auch noch", knurrte Caroline.

"Wir haben nicht angefangen", erwiderte Leonie darauf. Das reichte Caroline, um sich verdrossen abzusetzen.

Julius wußte nicht, ob er jetzt traurig, froh oder ehrfürchtig sein sollte, als er mit Madame Faucon die Pausenhofaufsicht machte, bevor es zur letzten Zauberkunststunde seiner Schulzeit ging.

"Ich hörte, die von Ihnen eingeübte Vorstellung ist nun aufführungsreif. Wie empfinden Sie es, am Ende Ihrer Zeit bei uns noch künstlerische Akzente setzen zu dürfen?" wollte die Schulleiterin von Julius wissen.

"Ich empfinde das als große Ehre, nachdem, was ich hier vom Unterricht her alles gelernt habe und zeigen mußte", antwortete Julius.

"Ich habe damals auch mitgewirkt, als meine Abschlußklasse sich von den jüngeren Mitschülern verabschiedet hat. Jeder einzelne Moment ist mir noch so gut in Erinnerung, als hätte ich erst gestern zur Aufführung unserer Jahresabschlußvorstellung eingeladen. ich wünsche Ihnen, daß Sie ebenfalls diese bleibende Erinnerung von hier mitnehmen dürfen."

"Hängt auch vom Publikum ab, ob das mit unserer Aufführung was anfangen kann", sagte Julius. "Wenn das gut mitgeht, dann hat sich das alles gelohnt."

"Auch wenn ich über die musikalischen Beiträge ein wenig anders denke als ein Großteil Ihrer Mitschüler, so bin ich gerade deshalb zuversichtlich, daß die jüngeren Mitschülerinnen und Mitschüler Ihre Aufführung begeistert aufnehmen werden. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Nur so viel noch: Ich hoffe, daß die Zeit bei uns Ihnen doch eher zur Bestärkung als zur Belastung gereicht ist. Darauf müssen Sie jetzt nicht antworten, zumal Sie wohl erst in einigen Jahren erkennen werden, welche Antwort zutrifft."

"Sagen wir es so, meine Mutter und ich stehen immer noch in der Schuld aller, die uns beide früh genug vor den Todessern in Sicherheit gebracht haben. Ohne Catherine Brickston hätte meine Mutter keinen in der französischen Zaubererwelt gekannt, der oder die sich dafür stark macht, sie und mich aus England rüberzuholen. Ohne Ihre Fürsprache hätte Madame Maxime nicht entschieden, mich hier aufzunehmen. Inwieweit sich das für die Akademie gelohnt hat darf ich nicht beurteilen, wegen erwiesener Befangenheit. Aber Danke sagen möchte ich dann doch. Deshalb mache ich ja auch bei der Aufführung mit."

"Gut, das möchte ich jetzt einmal so stehen lassen", sagte Madame Faucon. dann sah sie sich um. "Hmm, wissen Sie zufällig, wo Monsieur Rauhfels sich aufhält? Er hatte doch mit Ihnen Unterricht."

"Er ist mit uns aus dem Zaubertrankkerker gekommen", sagte Julius. Womöglich ist er zur Toilette."

"Weil ich von der Kollegin Greifennest erfuhr, daß er sich seit dem für ihn enttäuschenden Ausgang des Turnieres gezielt von allen Mitschülern fernhält und auch seiner Verlobten aus dem Weg bleibt. Ich hoffe, er schafft es, nicht weiter mit seinem Abschneiden zu hadern. Wir alle konnten sehen, daß er sich sehr tapfer und vielseitig geschlagen hat. Es wäre sehr schade, wenn diese Leistung von ihm nicht gewürdigt wird."

"Er mußte ja zwei volle Tage schlafen, weil er diesen Ausdauerausleihzauber gewirkt hat. Ich denke, Madame Rossignol hat mit ihm darüber gesprochen, wie er den dritten Platz im Turnier verkraftet hat. Immerhin war er der Champion von Greifennest, etwas, was die anderen elf auch gerne gewesen wären, von Waltraud Eschenwurz über Bärbel Weizengold bis Joseph Maininger, der sicher gerne seinen Eltern erzählt hätte, daß er bei dem Turnier mitmachen durfte."

"Ich sorge mich deshalb um die seelische Verfassung von Monsieur Rauhfels, weil mir bewußt ist, welche hohen, ja überhöhten gesellschaftlichen Anforderungen an ihn gestellt werden. Sie bekamen ja mit, wie seine Eltern unmittelbar nach dem Ende der dritten Runde unangenehm auffielen. Ich bin mir sicher, daß diese mit einem eindeutigen Sieg ihres Sohnes rechneten, nicht nur aus elterlicher Hoffnung heraus, sondern weil sie mit diesem Sieg wohl schon gewisse gesellschaftliche Weichenstellungen verknüpft haben. Sie haben es nicht mitbekommen, wie die Feenstimme, die deutsche Zaubererzeitung, die letzte Runde kommentiert hat. Der verantwortliche Zeitungsschreiber war sich nicht zu schade, einen großen Kübel geistigen Unrates über Monsieur Rauhfels und die Burg Greifennest auszuschütten. Er verstieg sich sogar zu der höchst unfeinen Bemerkung, daß Monsieur Rauhfels für alle, die ihr Vertrauen in ihn gesetzt hätten, ein einziger großer Irrtum sei. Meine Kollegin Magistra Rauhfels, die diesen Unfug auch zu lesen bekam, hat bisher vergeblich dagegengehalten und wollte klargestellt wissen, daß sie ihren Großneffen nicht für einen Irrtum oder gar undankbaren Faulpelz hielt, als der er in besagtem Machwerk von Artikel auch beschimpft wurde. Allein schon die Tatsache, daß er überhaupt unversehrt durch alle Abschnitte der dritten Runde gelangt sei, widerspreche den haltlosen Vorwürfen. Diese Gegendarstellung war den Schreiberlingen von der Feenstimme jedoch nicht die Druckerfarbe wert, in der nötigen Schriftgröße abgedruckt zu werden. Bitte teilen Sie Madame Rossignol mit, daß sie Monsieur Rauhfels noch einmal eingehend beraten möchte, daß er nicht wertlos geworden sei, nur weil er in einem sportlichen Wettkampf den dritten Platz erreichen konnte!"

"Ich hoffe, der fängt sich wieder und ... Oh, da ist er", sagte Julius und deutete auf Hubert Rauhfels, der gerade sichtlich erleichtert aus dem Palast kam. "Dann können wir wohl entwarnung geben", meinte Julius. Die Schulleiterin nickte verhalten.

Astrid Kienspan lief zu ihrem Verlobten hinüber, der kleine blonde Wonneproppen, wie Waltraud die Sechstklässlerin mal genannt hatte, sprach auf Hubert ein und zog ihn mit sich zu den anderen Greifennest-Schülern hinüber. Offenbar war ihr das auch nicht geheuer gewesen, daß der Greifennest-Champion so lange im Palast geblieben war.

"Noch zwei Minuten bis zur nächsten Stunde, die Herrschaften. Bitte begeben Sie sich zu den Klassenräumen!" rief Madame Faucon. Julius ging mit gutem Beispiel voran und führte die in den Palast zurückströmenden Schüler an.

Anders als Professeur Fixus und Professeur Trifolio ging Professeur Bellart in der allerletzten Stunde keine wirklich neuen sachen mehr an. Sie ließ ihre Schüler jeder für sich aufschreiben, was ihr oder ihm am Fachbereich Zauberkunst am besten gefiel, am meisten interessant oder wichtig erschien und ob er oder sie außer den praktischen Alltagszaubern auch beruflich mit Zauberkunst weitermachen wolle. "Die Aufgabe ist keine reine Beschäftigungstherapie, die Herrschaften. Vielmehr gibt sie Ihnen die Möglichkeit, Ihre hier erlernten Kenntnisse daraufhin zu überprüfen, wie Sie sie in ihrem eigenständigen Leben verwenden können. Für mich bietet diese Aufgabe eine Rückmeldung, die mir hilft, die Unterrichtsgestaltung für kommende Schülergenerationen zu verbessern. Denn wenn ich weiß, was Sie als Schüler für wichtig hielten oder halten, kann ich ermitteln, was von den Dingen, die ich für wichtig halte, noch besser vermittelt werden kann, um die Dinge, die Ihnen wichtig erscheinen zu ergänzen", rechtfertigte die Lehrerin diese letzte große Aufgabe. Dann bedankte sie sich bei ihren Schülern für die sieben Jahre Aufmerksamkeit und Mitarbeit. Ganz zum Schluß sagte sie noch: "Nun, wo Sie alle hier das Rüstzeug für das eigenständige Leben als Hexe oder Zauberer erworben haben, wünsche ich Ihnen allen Erfolg, den Sie im Leben erringen können. Zauberkunst ist die universelle Hilfe, um frei von körperlicher Mühsal oder umständlicher Arbeiten das Leben anzugehen. Vielen Dank für Ihre Mitarbeit." Alle sahen Laurentine Hellersdorf und Julius an, weil Professeur Bellart was von sieben Jahren gesagt hatte. Deshalb fühlte sich die Lehrerin berufen, zu sagen: "Ich schließe Sie alle mit ein, wenn ich von sieben Jahren spreche. Monsieur Latierre, der als Monsieur Andrews zu uns kam, trat seine Zeit bei uns mit einer exzellenten Vorbildung an und konnte sich daher sofort in unseren Unterrichtsbetrieb einfügen, was ohne sein Interesse und seine Einsatzbereitschaft nicht funktioniert hätte. Mademoiselle Hellersdorfs anfängliche Probleme mit dem Unterricht wurden durch ihre Einsatzbereitschaft der letzten vier Jahre mehr als ausgeglichen. So, und nun gehen Sie zum Mittagessen!"

Die letzte Stunde bei Professeur Delamontagne verlief mit einer lebhaften Diskussion über die Abwehrzauber, die die drei Champions benutzt hatten. Gloria wurde gefragt, woher sie den Feuerfangarmzauber konnte, mit dem sie in der ersten Abteilung das überlebensgroße Ebenbild ihrer Mutter zurückgeschlagen hatte. Der Aura-Basilisci-Zauber wurde noch einmal erwähnt, mit dem Spinnentiere zurückgedrängt werden konnten. Um ihn voll wirksam ausführen zu können projizierte der Lehrer eine räumliche Nachbildung eines Basilisken in den Klassenraum, wobei er jedoch die tödliche Wirkung der Augen ausließ. Millie wollte wissen, wie der Schlüssel zur Kiste im Raum der Nacht genau funktioniert hatte. Der Lehrer erwähnte, daß im inneren des Kastens eine Verriegelung enthalten war, die auf die gebündelte Ausstrahlung von zwei bis vier Nachtschatten durch Abstoßung reagierte. Jacques erlaubte sich die Freche Frage: "Was ist mit den drei Vasen mit den eingetopften Nachtschatten passiert? Stehen die jetzt irgendwo im Ministerium oder bei Millies Mutter rum oder wurden die Nachtschatten irgendwo wieder rausgelassen, um kleine Kinder zu fressen?"

"Wozu möchten Sie das wissen, Monsieur Lumière? tragen Sie sich mit der Idee, eine Vase voller niederer Nachtschatten als Dekorationsmittel für ihr künftiges Zuhause zu erwerben? Falls ja wenden Sie sich bitte mit diesem Anliegen an Zaubereiminister Grandchapeau", erwiderte der Lehrer knochentrocken. Alle grinsten spöttisch, bis auf Jacques und Millie.

"Ich hol mir doch keine Nachtschatten ins Haus rein. Nachher hänge ich so eingefroren rum wie die fünf Mörderlurche, die Hubert an die Wand geklatscht hat."

"Das denkt meine Mutter auch", erwiderte Millie ohne Wortmeldung.

"Mademoiselle Porter, Sie haben die großen Feuerzauber ja hemmungslos angewendet, obwohl Sie davon ausgehen mußten, daß alle Zuschauer das beobachten konnten. Wer brachte Ihnen diese Zauber bei?"

"Das war meine viel zu früh aus der Welt abberufene Großmutter Jane Porter, eine Großmeisterin der Abwehrzauber, zu denen auch die Schutz- und Vertreibungsauren gehören, die ich verwendet habe. Ich mußte ihr jedoch versprechen, keinem anderen diese Zauber beizubringen, weil einige davon sehr schwierig sind und viel zu viel Kraft kosten."

"Nun, ich frage, weil ich befürchten muß, daß einige Institutionen an Sie herantreten könnten, weil Sie nur für bestimmte Einsatzgruppen zugelassene Zauber erlernt und angewendet haben, Mademoiselle Porter. Sicher erschien es Ihnen in den Runden selbst sehr nötig, dieses Wissen anzuwenden. Ich wollte Sie lediglich darauf hinweisen, daß längst nicht alles, was jemand privat erlernt, ungeteilte Zustimmung dritter findet." Hubert verzog das Gesicht und bat ums Wort.

"Mit anderen Worten, wenn Gloria das Turnier gewonnen hätte, dürften Laurentine und ich dagegen klagen, weil sie ihr nicht erlaubte Zauber konnte. Eh, dann könnte ich im Nachhinein auch gegen die Bewertung der beiden ersten Runden klagen, oder was?"

"Ich habe nicht gesagt, daß solche Zauber verboten sind, wenngleich der Brachignes-Zauber, den Mademoiselle Porter gegen das riesenhafte Abbild ihrer Mutter wirkte, schon als gefährlicher Schadenszauber eingestuft wird, der bei Anwendung gegen Menschen bestraft werden kann. Außerdem haben auch Sie Zauber ausgeführt, die nicht im allgemeinen Unterricht erwähnt werden oder gar besonders erwünscht sind, Monsieur Rauhfels. Immerhin konnten sie die dritte Runde ja nur fortsetzen, weil Sie ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit einen Ausdauervorwegnahmezauber anwendeten. Insofern hätten Mademoiselle Hellersdorf und Mademoiselle Porter im Falle Ihres Turniersieges dann auch auf Aberkennung Ihres Sieges klagen können", stellte Delamontagne klar.

"Das hat mir Madame Rossignol auch schon vorgebetet, daß ich gefälligst selbst zu respektieren und meinen Körper zu achten hätte, nachdem ich zwei volle Tage durchgeschlafen habe. Aber das war immer noch besser, als sich von einem Nachtschatten gefrierfressen zu lassen. Aber wenn wer mit mehr Zaubern in so ein Turnier reingeht, als die anderen Champs können, ist das doch unfair. Ich kapier's, daß der Spinnenschreckzauber irgendwo in einem Buch hier in der Bibliothek steht. Aber was ich von den anderen aus meiner Schule mitbekommen habe konnte Gloria die Traumfladen aus Runde zwei mit einem einzigen Zauberspruch wortwörtlich plattmachen. Die ganzen Abschreckauren oder diese lila Feuerwalze hätte ich gegen die ganzen Zauberviecher in Runde zwei auch gerne gekonnt."

"Dafür wußtest du aber, wie man eine Hydra ohne großen Aufwand kampfunfähig macht", warf Belisama ein, die für Laurentine Partei ergreifen wollte. Patrice erwiderte darauf:

"Eben, jeder hat das gemacht, was die Leute, die sich mit sowas auskennen, ihm oder ihr beibringen wollten. Sonst hätten Huberts Eltern ja sofort auf Aberkennung des Sieges von Laurentine geklagt."

"Da denken die jetzt immer noch drüber nach, wo einer unserer Zeitungsschmierer, der noch dazu nix von der Runde zu sehen bekommen hat, in die Feenstimme reingeschmiert hat, ich hätte ja von Anfang an voll versagt, und Gräfin Greifennest hätte mich erst gar nicht mitnehmen dürfen." Joseph Maininger und Waltraud Eschenwurz nickten beipflichtend.

"Der Widerspruch muß aber von dem Leiter einer der Teilnehmerschulen eingereicht werden, so die Turnierregeln", erwähnte Professeur Delamontagne. Julius nickte. Er hatte sich die Vereinbarung vom vierten Turnier auch durchgelesen, daß nur die Schulleiter Einspruch einlegen konnten, damit nicht hunderte von Aberkennungsklagen eingereicht wurden. In der Geschichte des turniers war es auch nur zweimal zum Widerruf eines Turniersieges gekommen, weil sich herausgestellt hatte, daß der zunächst zum Sieger erklärte zauberer die Aufgaben vorher genau gekannt hatte. Beschämender weise war einer der unrechtmäßigen Sieger aus Hogwarts und einer aus Durmstrang gekommen. Hubert verzog wieder das Gesicht. Denn Gräfin Greifennest hatte gleich nach der dritten Runde klargestellt, daß sie die Wertung anerkannte. Damit war dieser Streitpunkt auch vom Tisch. Am Schluß ging es um die Beschaffenheit des goldenen Nebels, durch den man nur im Rückwärtsgang hindurch konnte. Auf die Frage, wieso Laurentine darauf kam, daß sie rückwärts hindurchlaufen konnte erwähnte sie, daß sie mal eine Geschichte gelesen hatte, wo eine Straße durch so eine Art Kraftfeld, die als Zeitsog bezeichnet wurde, abgesichert war. Wesen, die aus von Menschen gestohlener Lebenszeit bestanden, lösten sich auf, sobald sie in dieses Feld hineingerieten. Professeur Delamontagne lächelte und erwähnte, daß ihm diese Form eines modernen Märchens tatsächlich bekannt sei, in dem es ja darum ging, wie Menschen mit der ihnen zustehenden Zeit umgingen und es auch für Zauberer sehr wichtig sei, für was und wen sie die ihnen unbekannte Restzeit ihres Lebens einsetzten. Hubert knirschte mit den Zähnen, weil Waltraud diese Geschichte offenbar auch kannte. "Ach, und ich bin echt der Volldepp, der sowas erst dann erzählt bekommt, wenn es schon um drei oder vier Ecken ist", schnaubte er.

"Keinen Zank, die Herrschaften!" schritt Delamontagne ein. "Es geht hier und jetzt darum, was für ein Zauber das war, der den Nebel erschaffen hat. Im Grunde ist es eine zeitbezogene Nebenform des Versimundus-Fluches, der ja die Wahrnehmung von oben und unten umkehrt. allerdings wurde hier nicht die räumliche, sondern zeitliche wahrnehmung betroffen. Und wenn Sie gleich einwerfen, daß ein Flächenfluch mit dem von Ihnen ausgeführten Antiscotergia-Zauber hätte gebrochen werden müssen, so wirkte dieser nicht, weil er eben in Vorwärtsrichtung auf den Temporepulsus-Zauber traf und daher nicht das volle Ausmaß des Nebels durchdrang, sondern daran gebündelt und zurückgeworfen wurde. Es gibt nur die Möglichkeit, daß jemand, der rückwärts in den Nebel eindringt und das genaue räumliche Zentrum erreicht die Aufhebungsformeln gegen Wetterbeeinflussungszauber und den von Ihnen vorgeführten Antiscotergia-Zauber rückwärts aussprechend und in umgekehrter Verwendung der mentalen Komponenten und rückwärts ausgeführten Zauberstabbewegungen wirkt. In diesem Falle lag das räumliche Zentrum jedoch fünf Meter über dem Boden. Sie hätten also rückwärts in den Nebel hineinfliegen müssen. Daher wurden Ihnen die zur Verfügung gestellten Besen abgenommen", sagte Professeur Delamontagne.

"Mit anderen Worten, wer nicht fliegen kann hat ein Problem, wenn der Nebel mehr als die doppelte Körperlänge durchmißt?" fragte Julius. Delamontagne nickte.

"Ja, aber wer es raushat, rückwärts da reinzugehen kommt doch auch an das dran, was drinsteckt. Außerdem hat sich der Nebel doch sofort aufgelöst, als ich den Pokal angefaßt habe", erwiderte Laurentine.

"Weil sie damit einen konservierten Aufhebungszauber ausgelöst haben, der genau das bewirkte, was ich Ihnen gerade erklärt habe. Ich erhielt kurz vor Beginn der dritten Runde wie alle anderen Lehrer Notizen, welche Flüche und Fallenzauber verwendet worden sind, zu spät, um die Champions noch darin einzuweihen, aber früh genug, um im Notfall eingreifen zu können."

"Aber trotzdem ist eine feste Abwehrmauer oder ein Verbergezauber doch weit besser als dieser Nebel", warf Waltraud ein. Laurentine und Gloria nickten.

"Wenn Sie sehen können, was Sie ergattern wollen. Wer diesen Zauber als Absicherung einrichtet tarnt das, was er sichern will mit Illusions- oder Unsichtbarkeitszaubern oder erschafft vorher oder bei Berührung mit einem verhüllten Gegenstand entstehende Kopien", sagte Professeur Delamontagne. Julius nickte. Mit sowas hatte er auch schon seine Erfahrungen gemacht.

"Auf jeden Fall war das eine ziemlich fiese Hürde", meinte Belisama. "Wer das nicht wußte, wie man in den Nebel reingehen konnte, für den oder die blieb der Pokal echt gut darin versteckt." Dem konnte keiner widersprechen.

Als die Glocke zum Ende der Stunde läutete bedankte sich Professeur Delamontagne noch einmal bei den Schülerinnen und Schülern für die zwei Jahre Mitarbeit und Einsatzbereitschaft und wünschte ihnen allen, daß sie möglichst wenig mit echten magischen Bedrohungen in Berührung kommen sollten, aber nun, wo sie zumindest die wichtigsten Abwehrmittel erlernt hätten, erhobenen Hauptes gegen mögliche Bedrohungen vorgehen könnten.

"Madame Faucon hat mich gebeten, Sie alle noch einmal darüber zu informieren, daß sämtliche in diesem Jahr bei uns unterrichteten Schüler der UTZ-Klasse ihre Zeugnisse zusammen mit den Abschlußklässlern von Beauxbatons in der Aula erhalten werden. Wie üblich findet die Übergabe eine Viertelstunde nach der letzten Unterrichtsstunde statt. Wir sehen uns dann wohl alle noch einmal, wenn der Abschlußball stattfindet", beschloß Delamontagne die Nachmittagsstunde. Alle Schüler bedankten sich nun artig für den Unterricht, auch die ständigen Streithammel aus dem blauen und roten Saal.

Den restlichen Nachmittag fand die Generalprobe statt. Es erwies sich, daß bei der musik und den magischen Bildeffekten noch einige Koordinationsarbeiten nötig waren. So dauerte die Probe für die einstündige Aufführung fast bis zum Abendessen.

"Es heißt, eine fehlerhafte Generalprobe deutet auf eine gelungene Vorstellung hin", erinnerte Julius Laurentine und die anderen an eine Weisheit der Opern- und Theaterkünstler.

"Habe ich auch schon gehört", sagte Céline.

"Dann auf Morgen", sagte Laurentine noch. In ihrer Rolle als Schülerin aus dem Jahre 2038 hatte sie mit Julius zwischen den humorvoll überzeichneten Unterrichtsszenen zu sprechen. Apollo kam nicht aus dem Rhythmus des letzten schnellen Stückes raus, zu dem er einen von Julius geschriebenen Rap vortrug und dazu fast so quirlig wie Michael Jackson über die Bühne tanzte. Im Takt dieses Stückes schritt er nun in Richtung Speisesaal los.

"Oha, wenn der so da einmarschiert fragt jeder, was wir ihm verpaßt haben", grinste Patrice Duisenberg, die bald auf den Nachnamen Malone hören sollte. "Grüß mir meinen Süßen, Julius!"

"Yoh, Baby", erwiderte Julius.

"Ist das ansteckend, dieses Rap-Gedöns?" fragte Patrice. Doch dann mußte sie grinsen.

Beim Abendessen fiel Julius auf, daß Romilda Vane immer wieder zu Brandon McMerdow hinüberstarrte, als wolle sie ihn mit ihrem Blick durchbohren. Julius fragte den schottischen Hogwarts-Schüler, ob sie ihm das mit der verweigerten Besenwerbung nachtrug.

"Die ist da immer noch nicht von runter, Julius. Die meint, ich hätte die gefälligst zu heiraten oder zumindest klarzustellen, daß ich mit keiner anderen was anfange. Liegt wohl dran, daß deren Ex zu seiner Ex zurückgegangen ist, als wir zu euch rübergekommen sind", tat Brandon so, als sei Romildas Verstimmung nicht die Rede wert.

"Habt ihr was angestellt, was sie glauben läßt, du hättest sie zu heiraten?" wollte Julius wissen.

"Hat mich Professor McGonagall auch schon gefragt, weil die anderen Mädels von uns mit Rommy nicht mehr ohne Zoff klarkommen", grummelte Brandon. "Aber ich habe der keinen Antrag gemacht oder sonstwie rübergebracht, daß die neben mir im weißen brautkleid zu stehen hat. Vielleicht hat die Probleme mit ihrem Frauenrhytmus. Falls ja, hat mich das nicht zu interessieren und dich wohl auch nicht. Dann soll Céline da mit ihr drüber quatschen, solange wir hier sind. Aber übermorgen geht's ja schon wieder nach Hoggy Hogwarts zurück. Ab da können wir uns dann tausend Meilen und mehr aus dem Weg gehen."

"Als Pflegehelfer geht mich das doch auch was an, wenn jemand körperliche Probleme hat, Brandon. Egal ob es ein Junge oder Mädchen ist. Und falls Romilda echt Probleme mit ihrem Monatszyklus hat, dann könnte Madame Rossignol sie fragen, woher das kommt oder von wem. Und solltest du da irgendwas gemacht haben, was sie körperlich umstellt, dann könnte eure Schulleiterin finden, daß du und sie doch noch vor den Zeremonienmagier müßtet, sofern sie das nicht unter den Teppich kehren, um keinen Skandal auszulösen."

"Romilda Vane und ich haben nichts angestellt, was mich dazu veranlassen muß, sie zu heiraten, egal ob nach den Regeln hier oder denen in Hogwarts", knurrte Brandon. "Häng dich nicht in Sachen rein, die dich nicht betreffen!"

"Genau das ist ja die Frage, ob es mich betrifft oder nicht", blieb Julius hartnäckig. Kevin meinte dann zu ihm und Brandon:

"Wenn Brandon Boy der kleinen Rommy was kleines in den Bauch geschubst hat kriegt er das von der noch früh genug gesagt, wenn es ans Windelnkaufen geht."

"Du hältst da ganz sicher dein Maul, du irischer Dummschwätzer", knurte Brandon. "Bist doch nur zu dieser Patrice auf den Besen gehüpft, weil du mal unter ihren Umhang gucken durftest, ob da echt was anderes ist als bei dir, weil deine Mum sich ja nie im Leben vor dir ausgezogen hat."

"Schließt du da jetzt gerade von dir auf mich, Brandon? Dann stimmt doch, was elrick Cobbley rausgelassen hat, daß du und Romilda im Park mehr angestellt hast als ein bißchen Schmusen."

"Wie gesagt hast du als allerletzter was dazu zu sagen, Malone", schnarrte Brandon nun im besten schottischen Englisch, um die anderen nicht mithören zu lassen. Julius verpaßte ihm dafür zehn Strafpunkte wegen Benutzung einer anderen als der Schulsprache. Das nahm Brandon aber locker hin. Kevin meinte dann noch, daß Brandon offenbar Krach kriegen wollte. Julius wies ihn darauf hin, daß er immer noch auf Bewährung sei. Das verursachte bei Brandon ein schadenfrohes Lachen. "Kannst du das auch als Kaninchen oder Hamster, so zu lachen?" fragte Julius Brandon. Der Junge verstand die Drohung und griff zu seinem Zauberstab. Doch Julius blockte den Arm ab und sagte: "Greifst du mich hier im Speisesaal an, fliegst du schneller aus Hogwarts raus als Kevin. Wenn dir das deine Ehre wert ist, dann versuch es."

"Versteck dich schön hinter deiner Brosche und dem Armband. Aber halt dich aus meinen Sachen raus, Julius. Sonst wird deine Frau schneller Witwe als Mutter."

"Oha, die Drohung bringt dir mal eben hundert Strafpunkte ein, Brandon McMerdow. Wenn ich das richtig mitbekommen habe sind das zehn Punkte Abzug für Hufflepuff."

"Drachenmist!" schnarrte Brandon. Dann wandte er sich ab.

"Also hat er doch was mit der angestellt. Aber warum der dann nicht zu der auf den Besen gehüpft ist, wo der ein Hufflepuff ist und die doch immer anständig und treu sein sollen ..." feixte Kevin, als Brandon um die nächste Ecke verschwunden war.

"Nur für's schief ansehen kann ich Romilda nicht dazu zwingen, in den Krankenflügel zu gehen", knurrte Julius. Denn sollte zwischen Brandon und Romilda Vane was gelaufen sein, was in Beauxbatons nicht so gerne gesehen wurde, dann mußte er das noch klären, bevor die Hogwarts-Schüler wieder abreisten.

"Was müßte denn passieren, damit ihr Fredos zweite Ex bei Madame Rossignol anschleppen müßt?" wollte Kevin wissen.

"Das sie auffällig ungesund aussieht oder sich anders verhält als sonst. Aber du mußt dich da wirklich nicht reinhängen, Kevin. Wenn du nichts verbotenes angestellt hast mußt du nicht den Rauswurf aus Hogwarts riskieren."

"Der Knabe ist das nicht wert", grummelte Kevin. "Aber wenn der nachher noch meint, mir was übles verpassen zu müssen und ich das früh genug merke, kriegt der die passende Antwort. Wehren darf ich mich ja wohl noch."

"Nur bei unmittelbaren Angriffen", erwiderte Julius. "Aber dann mußt du ihn auch bei Professor McGonagall melden, bevor der es hinstellt, als hättest du ihn angegriffen. Leg's also nicht drauf an, wenn es geht."

"Wenn der mir dumm kommt knallt's. Ich bin kein Flubberwurm ohne Rückgrat", knurrte Kevin und sah Julius dabei verächtlich an. Dieser lächelte jedoch überlegen, verlor jedoch kein weiteres Wort darüber.

"Endora kuckt euren Louis auch noch so schief an, seitdem der die wegen unserer Sylvie in die Ecke gestellt hat", sagte Mildrid, als Julius ihr am Abend den Vorfall schilderte. Er hätte es nicht getan, wenn sie nicht seine Anspannung und Verdrossenheit mitgefühlt hätte. Das war der Nachteil der Herzanhängerverbindung. "Rommy Vane ist eben sauer, weil Brandon sich nicht wie Kevin auf den Besen hat heben lassen. Außerdem sagen die doch alle, daß Hufflepuffs nichts anstellen, was Scherereien bringt."

"Weiß ich das, wie die gerade drauf sind, Mamille? Romilda hat ihren Freund an dessen frühere Freundin zurückgeben müssen und Brandon könnte das ausgenutzt haben, daß sie so am Boden war. Aber wie erwähnt kann ich Romilda nicht zu Madame Rossignol bringen, solange sie nicht erkennbar krank ist oder sich total anders benimmt als sonst so wie bei Constance oder Cyril."

"Leider wahr. Na ja, in zwei Tagen fahren die wieder nach Hause. Was immer die hier angestellt haben: Wenn das bis dahin nicht rauskommt, können die uns auch egal sein", erwiderte Millie. Dann deutete sie auf Aurores Wiege und erinnerte Julius daran, daß er sie noch wickeln wollte, bevor sie ihren Schlummertrunk bekam.

 

__________

 

Julius war froh, daß die beiden Hogwarts-Schüler am nächsten Morgen unversehrt am Frühstückstisch saßen. Offenbar hatten beide eingesehen, daß es sich nicht lohnte, auf den letzten Metern des Schuljahres noch eine heftige Strafe abzubekommen. Romilda blickte auch nicht mehr so giftig zu Brandon hinüber. Das lag wohl auch daran, daß Céline sie gefragt hatte, ob sie immer noch nicht über die nicht erhörte Besenwerbung hinweg sei.

Die erste Stunde war für Julius frei, weil da entweder die Arithmantiker oder Wahrsagen-Schüler aus der UTZ-Klasse Unterricht hatten. In der zweiten Stunde erlebte er zum wohl letzten mal Professeur Trifolio, dem es völlig egal war, daß er diese Klasse wohl heute das letzte mal vor sich hatte.

"Ich kann Ihnen zwar keine schriftlichen Hausaufgaben für die Ferien mehr abverlangen, obwohl es auch nach der Prüfung noch genug magische Pflanzen gibt, über die Sie sich kundig machen sollten. Aber ich erkenne nicht an, warum ich in der letzten Stunde, die ich noch mit Ihnen zu verbringen habe, nicht noch wichtige Vertreter der magischen Flora der Karibik durchgehen soll, wo es dort selbst auch noch Hoheitsgebiete Frankreichs gibt, in die Sie aus beruflichen Gründen einmal reisen könnten", dozierte der hagere Kräuterkundelehrer. Die Schüler nahmen ihn wie er war und gaben noch mal alles, was sie an Aufmerksamkeit und Lernbereitschaft aufbieten wollten, bevor sie am nächsten Tag aus Beauxbatons verabschiedet werden würden. Als die Glocke zur Pause läutete sahen sie ihrem Lehrer an, daß ihm diese Stunde zu schnell umgegangen war.

"Ich hätte Ihnen noch sehr gerne die barbadische Krabbenfängerranke präsentiert, deren amphibisches Dasein sie zu einer wichtigen Spenderin für Zaubertränke gegen übergroßen Harndrang und übermäßige Transpiration macht. Aber mir ist es nicht mehr vergönnt, Ihnen die interessanten Zauberpflanzen und -pilze zu vermitteln. Begeben Sie sich nun bitte auf den Pausenhof! Vielen Dank!" Das waren die einzigen Worte, die Trifolio für seine Abschlußklasse übrig hatte. Kein Wort von Abschied, kein guter Wunsch für die Zukunft, nichts von wegen, daß sie alle gut bei ihm mitgearbeitet hatten. Offenbar war letztes für ihn entweder selbstverständlich oder gar nicht vorgekommen.

In der dritten Stunde ging es in der letzten Stunde alte Runen noch einmal um die letzten fünf Jahre und was die Schüler aus dem gesamten Unterricht mit ins eigene Leben nehmen würden. Professeur Milet bedankte sich kurz vor dem Läuten der Glocke bei den Schülerinnen und Schülern und freute sich vor allem, daß fast alle, die das Fach begonnen hatten, bis zum Ende durchgehalten hatten.

Während des Mittagessens erwähnte Kevin die letzte Stunde bei Professeur Delamontagne. "Der hat mir persönlich geraten, daß ich meine Selbstbeherrschung üben soll, sonst bekäme ich irgendwann mal was ab, weil ich nicht konzentriert genug gewesen sei. Außerdem könnte es mir im nächsten Jahr blühen, daß ich bei Professor Barley zu lernen habe, meine eigenen Gedanken für andere unhörbar zu machen, also dieses Okklumentikzeug, von dem Gloria und du schon was erzählt haben und von dem Patrice meint, daß ich damit ihre Nichte Corinne gut aus meinem inneren Gefühlsleben aussperren kann. Aber das soll mir die Barley dann selbst erklären, wie das geht."

"Wenn sie's euch beibringt, Kevin. Ich hörte mal, daß das nicht jeder Lehrer unterrichtet hat, der zwischen 1960 und 1998 in Hogwarts gewesen ist. Snape muß da gut drin gewesen sein, sonst hätte der Voldemort sicher nicht so genial austricksen können", erwiderte Julius. Kevin zuckte zusammen. Offenbar wirkte der Name des nun schon zwei Jahre toten und unwiederbringlichen Schwarzmagiers immer noch.

Am Nachmittag war für die UTZ-Schüler die letzte Stunde überhaupt, Verwandlung bei Professeur Dirkson. Diese veranstaltete einen Wettbewerb im schnellen Verwandeln von Dingen, Tieren und der eigenen Körper. Am Ende gewann Julius vor Laurentine und Gloria. Hubert hatte einmal nicht schnell genug gezaubert, um aus einer Fledermaus eine Bisamratte zu machen.

"Es hat mich sehr gefreut, wie wichtig euch trimagischen Champions Verwandlung war, durch alle drei Runden. Ob ihr demnächst noch einmal vergleichbare Herausforderungen erhaltet weiß ich nicht. Aber es ist schon ein sehr gutes Vorbild für alle anderen gewesen, deine Selbstverwandlungen zu sehen, Laurentine, oder Glorias Invivo-ad-Vivo-Verwandlungen mit der Hydra, wenngleich es mir doch ein wenig zu kompliziert wirkte. Laurentine, ich vermute stark, daß du dich mit deiner inneren Tierform sehr gut arrangiert hast. Solltest du wirklich darauf kommen, Animaga zu werden, dürften die entsprechenden Abteilungen des Zaubereiministeriums keine Probleme machen, wo du den trimagischen Pokal geholt hast. Gloria, wenn du wirklich in das Laveau-Institut möchtest, sofern die Aufnahmekrieterien dort nicht zu sehr auf US-Bürger ausgehen, dann wirst du mit deinen Verwandlungsfähigkeiten sicher wichtige Türen öffnen. Hubert, ich weiß, die Enttäuschung über den Ausgang des Turniers liegt dir wohl immer noch schwer auf dem Herzen. Aber was du gezeigt hast öffnet dir sicher auch einige wichtige Türen." Dann wandte sich die Lehrerin an Julius: "Also bei dir mache ich mir nur die eine Sorge, daß du vor lauter Anfragen nicht mehr zum atmen kommst, Julius. Sicher gibt es mehr als genug Leute, die dir raten möchten, was du mit deinen Fähigkeiten anfangen sollst. Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, dir zu sagen, daß du bei aller Auswahl zusehen möchtest, deine Verwandlungskenntnisse weiter anwenden zu können. Es wäre eine Verschwendung von Fähigkeiten, wenn du nur in einem Büro herumsitzen solltest, egal, wie viele Galleonen du dafür verdienst. Aber behalte bei allem, was du machen möchtest die Freude an der Arbeit im Auge. Nichts ist ermüdender als eine Arbeit, die keinen Spaß macht." Dann wandte sie sich noch an Millie: "Ich sehe dich vielleicht in den Weihnachtsferien zusammen mit Sandrine bei den Nachholprüfungen noch einmal. Paß solange gut auf deine Familie auf!"

Als die schwarzhaarige Lehrerin mit der gesunden Portion Humor und Durchsetzungskraft alle Schüler einzeln angesprochen hatte sagte sie noch: "So bleibt mir die betrübliche Ehre, euch alle jetzt aus diesem Klassenzimmer hinauszujagen und auf das echte Leben loszulassen. Es war sehr schön, mit euch zusammen die letzten zwei Jahre zuzubringen. Ihr alle habt das gelernt, von dem ich wollte, daß ihr das lernt, ob ihr das wolltet oder nicht. Dafür, daß ihr immer gut mitgearbeitet habt bedanke ich mich bei euch. Dafür, daß ihr es mit mir, der Quereinsteigerin ausgehalten habt, bedanke ich mich auch. Seht immer zu, daß ihr immer mehr Freude als Leid im Leben mitbekommt, egal was wer wo auch immer anfängt! So, und jetzt husch, raus mit euch! Das Schuljahr ist zu ende!"

"Grüß mir meine gute alte Kameradin Aurora Dawn, wenn du sie wiedersiehst", flüsterte sie Julius noch zu, bevor dieser an Professeur Eunice Dirkson vorbeiging. Er versprach es.

"Wegen der ist es schade, daß jetzt alles vorbei ist", meinte Gérard. "Bei der hat mir das lernen echt Spaß gemacht."

"Kannst ja das Jahr wiederholen, wenn du mit deinen Prüfungen nicht zufrieden bist", feixte Apollo Arbrenoir.

"Das wird Sandrine mir nicht durchgehen lassen", grummelte Gérard.

"Klar, weil deine zwei Hosenscheißer gefüttert werden müssen", meinte Apollo zu Gérard.

"Da reden wir gerne drüber, wenn Leonie von dir dick wird, Apollo", schnarrte Gérard. Dann bog er zusammen mit Julius in Richtung Aula ab.

Die wenigen UTZ-Klässler verloren sich fast in dem großen Aufführungssaal. Im Moment herrschte hier kein Illusionszauber vor. Schwebende Kerzen spendeten warmes Licht und verdrängten alle Schatten. Die Sitzreihen waren bereits so aufgebaut, daß nachher die Zuschauer der Aufführung Platz nehmen konnten. Auf der Bühne stand Madame Blanche Faucon zusammen mit den sechs Saalvorstehern. Julius sah Professeur Trifolio an, daß er diese Zeremonie offenbar nicht mochte, während Professeur Delamontagne alle Schüler anstrahlte, die sich gleich ihre Abschlußzeugnisse abholen durften, zu denen Mitte Juli noch die Prüfungsergebnisse dazukommen würden. Professeur Fixus blickte durch ihre goldene Brille mit den ovalen Gläsern jedem UTZ-Kandidaten entgegen. Julius occlumentierte reflexartig. Womöglich taten das auch alle anderen, die bei Professeur Delamontagne diese Kunst erlernt hatten. Professeur Paralax wirkte müde, als habe er die halbe Nacht durchgemacht. Professeur Pallas strahlte Freude und Zuversicht aus, als sie alle anblickte. Auch wenn gerade mal drei aus ihrem Saal und Robert Deloire Zaubereigeschichte für UTZ-Prüfungen gelernt hatten, fühlte sie sich hier doch gut aufgehoben. Professeur Paximus, der Muggelkunde und alte Runen gab wirkte erleichtert, aber auch etwas betrübt. Julius konnte es nicht genau einordnen, wie der Vorsteher des gelben Saales gestimmt war. Immerhin hatte eine seiner Schülerinnen dieses Jahr Zwillinge zur Welt gebracht. Wie Paximus damit umgegangen war hatte Julius nie so recht mitbekommen.

Kurz bevor Madame Faucon zur feierlichen Zeugnisvergabe schreiten konnte, trafen noch Professor McGonagall in einem smaragdgrünen Umhang und Gräfin Greifennest im silbergrauen Rüschenkleid ein. Julius dachte wieder daran, daß er die heutige Hogwarts-Schulleiterin zum ersten mal in diesem Umhang gesehen hatte. Da sie beide über mehrere Ecken miteinander verwandt waren hatte sie ja damals zu ihm und seinen Eltern geführt, wo er zum ersten mal richtige Zauberei vorgeführt bekommen hatte. Sechs Jahre und elf Monate war das jetzt her. Wo war die Zeit geblieben?

"jedes Jahr hat der amtierende Schulleiter oder die amtierende Schulleiterin eine sowohl erfreuliche wie betrübliche Pflicht zu erfüllen", setzte Madame Faucon an. "Zwar endet das Schuljahr offiziell erst morgen abend nach dem Abendessen. Doch zuvor dürfen die erfolgreichen Absolventen der UTZ-Klasse ihre letzten Zeugnisse entgegennehmen, die von den Mitgliedern des Lehrkörpers ausgefertigt wurden. Jetzt ist es schon das dritte mal meine Aufgabe, diese erhabene Pflicht zu erfüllen. Wie immer, wenn die Schülerinnen und Schüler des Abschlußjahres ihre letzten Zeugnisse erhalten dürfen frage ich in meiner Eigenschaft als amtierende Schulleiterin: Befindet sich jemand unter Ihnen, der oder die die öffentliche Verlesung seines oder Ihres Zeugnisses ablehnt und lieber von seinem oder Ihrem Saalvorsteher das Zeugnis entgegennehmen möchte?" Sie wartete einige Sekunden. Doch niemand erhob Einspruch dagegen, sein Zeugnis öffentlich überreicht zu bekommen. Wurden denn alle Noten vorgelesen? Die Frage stellten sich wohl alle. Nach einer Minute sagte die Schulleiterin dann: "Ich erkenne, daß niemand von Ihnen einen Grund hat, die öffentliche Überreichung des abschließenden Schulzeugnisses abzulehnen. Dieses Jahr ist es mir sogar vergönnt, Angehörige der UTZ-Stufe aus den Schulen Hogwarts und Burg Greifennest feierlich in die Eigenständigkeit zu verabschieden, sofern es keinen Grund gibt, daß diese Damen und Herren das Jahr wiederholen möchten. Wie es üblich ist beginne ich die Verlesung in alphabetischer Reihenfolge der Nachnamen. Arbrenoir, Apollo ..." Sie verlas die Noten der Fächer, die Apollo belegt hatte. Er hatte zwischen zehn Punkten in Arithmantik bis vierzehn Punkten in Verwandlung. Alles andere sortierte sich bei zwölf und dreizehn von fünfzehn Notenpunkten ein. Als das Zeugnis verlesen war durfte Apollo es aus der Hand der Schulleiterin entgegennehmen. Elrick Cobbley von den Slytherins kam in den meisten belegten Fächern auf dreizehn Punkte, in Protektion gegen destruktive Formen der Magie schaffte er die Höchstnote. Außerdem war seine Teilnahme im Duellierclub und der Zauberkunst-AG mit Auszeichnung bewertet worden. André Deckers gehörte zu denen, die mit zehn Punkten gerade die höchstwertung hinbekommen hatten. Daß dies Madame Faucon nicht behagte war ihr beim Vorlesen anzuhören. Robert heimste bei Zaubereigeschichte fünfzehn Punkte und bei allen anderen von ihm besuchten Fächern zwölf Punkte ein. Céline bekam in vier von ihr belegten Fächern die Höchstnote, darunter Verwandlung und Zauberkunst. Patrice Duisenberg räumte in den Pflegehelferfächern vierzehn Punkte und in Zaubereigeschichte fünfzehn Punkte ab. Gérard Dumas kam mit vierzehn Punkten in Verwandlung und fünfzehn Punkten in Magizoologie auch gut mit. Delamontagnes Fach hatte er mit dreizehn Punkten bestanden. Sandrine räumte in allen Pflegehelferfächern die Höchstnote ab und in alte runen vierzehn. Waltraud räumte richtig ab. Überall die Höchstnote. Ein erstauntes "Ui" und "Oooh" ging durch die Aula. Doch dann kamen viele, die nicht so glänzten. Madame Faucon konnte auch keine herausragenden Leistungen in den Freizeitgruppen verkünden und sagte: "Ich atestiere Ihnen gerne, daß Sie Ihre gesamte Energie auf die UTZ-Prüfungen fokussiert haben und hoffe für Sie, daß diese Bemühungen von maximalem Erfolg gekrönt werden." Dann verlas sie Laurentines Noten. Sie hatte in allen Zauberstabfächern und Muggelkunde fünfzehn und in Zaubertränken vierzehn Punkte. Zauberkräuter war bei ihr mit dreizehn Punkten ausgefallen. "Es freut mich außerordentlich, daß Sie sich derartig gesteigert haben, Mademoiselle Hellersdorf. Wenn ich bedenke, mit welchem Widerstand und Unwillen Sie vor nun sieben Jahren hier begonnen haben, so haben Sie für sich und für Beauxbatons ein hervorragendes Beispiel geliefert, daß es sich lohnt, die eigenen Fähigkeiten zu erkennen und vor allem anzuerkennen und auszuschöpfen. Vielen Dank für diese beispielhafte Abschlußbewertung!" Laurentine wagte nicht, dazu etwas zu sagen.

Belisama hatte in Kräuterkunde vierzehn und Verwandlung fünfzehn Punkte erzielt. Alle anderen Fächer wurden mit dreizehn Punkten benotet. Dann war Julius an der Reihe:

"Monsieur Latierre, Julius, Jahresabschlußzeugnis Klasse sieben der Beauxbatons-Akademie", begann sie. Alle Schüler sahen aufmerksam zu Julius herüber, vor allem Millie und Gloria Porter.

"Alte Runen: 14 von 15
Herbologie: 15 von 15.
Magische Alchemie: 15 von 15 plus 100 Bonuspunkte.
Magizoologie: 15 von 15.
Praktische Zauberkunst: 15 von 15 plus 100 Bonuspunkte.
Protektion gegen die destruktiven Formen der Magie: 15 von 15 plus 200 Bonuspunkte (siehe Kommentar).
Transfiguration: 15 von 15 plus 100 Bonuspunkte (siehe Kommentar).

Die Noten errechnen sich aus der über das Jahr erbrachten Leistung in Praxis und Theorie ohne die UTZ-Abschluß-Prüfung." Alle staunten, auch Waltraud, die bisher die Höchstwertungen hatte. Madame Faucon lächelte. Dann las sie die weiteren Anmerkungen vor: "Zusatzleistungen: 
Schach: Mit erfolg teilgenommen
Alchemie-AG: Mit besonderem Erfolg teilgenommen
Musikgruppe (Holzbläser): Mit besonderem Erfolg teilgenommen
Transfiguration für Fortgeschrittene: Mit Auszeichnung teilgenommen
Zauberkunst: Mit Auszeichnung teilgenommen
Duellierclub: Mit Auszeichnung teilgenommen
Magische Haushaltsführung: Mit Erfolg teilgenommen
Pflegehelferdienst: Mit besonderer Auszeichnung teilgenommen

Bemerkungen

Auch wenn die meisten gezeigten Leistungen in den Zauberstabbasierten Fächern zweifelsohne auf die bereits frühzeitig hohe Grundkraft des Kandidaten zurückgeführt werden können, so ist doch bemerkenswert, daß Monsieur Latierre trotz der daraus erwachsenden Anforderungen sein bereits hohes Leistungsniveau nicht nur halten, sondern um Flexibilität und Ausdauer steigern konnte. Zu den Mehrvachbelastungen gehörten in dem verstrichenen Schuljahr neben der Vorbereitung und Bewältigung der UTZ-Prüfungen auch die Vorbereitungen auf sein erstes Kind und die damit einhergehende emotionale Belastung. Zudem hat sich Monsieur Latierre als Sprecher der Schüler des grasgrünen Saales beispielhaft betragen und erwarb wichtige Grundlagen im Umgang mit ihm rangmäßig untergeordneten, gleichgestellten und übergeordneten, die außerhalb jeder unterrichtsfachlichen Bewertung anwendung finden werden. Trotz der erwähnten emotionalen und unterrichtsbedingten Zusatzbelastung erzielte Monsieur Latierre in allen Fächern die Höchstwertung. Wir von Beauxbatons verabschieden einen vorbildlichen, wenn auch durch eine glückliche Fügung hochbegabten und daher ständig unter Druck stehenden Schüler in die Selbstständigkeit und wünschen ihm auf seinem weiteren Weg alles Glück, alle Geduld, Ausdauer und jeden Erfolg, den seine künftigen Leistungen verdienen."

"Wenn Kevin das jetzt mitbekommen hätte würde der wohl wieder was zu meckern haben", knurrte Gloria Porter, die hinter Julius saß. Dann wurde Millies Zeugnis verlesen. Außer in Kräuterkunde, wo sie "nur" mit dreizehn Punkten ohne Prüfungsergebnisse abschnitt, hatte auch sie in allen Fächern die höchstnote erzielt, wobei in den Bemerkungen erwähnt wurde, daß sie wegen der Schwangerschaft einige Dinge nicht ausführen durfte, aber gerade weil sie körperlich und seelisch einer besonderen Belastung ausgesetzt war, immer noch alle Anforderungen so gut sie konnte erfüllt hatte. Sowas hatte Madame Faucon ja auch bei Sandrine schon erwähnt.

"Tja, Bernie, das hättest du jetzt mitkriegen sollen", grinste Millie. Dann holte sie sich ihr Zeugnis zusammen mit Julius ab.

Jacques hatte in magischer Alchemie die Höchstnote erreicht. In Verwandlung kam er mit dreizehn Punkten heraus. Alles andere lag zwischen zehn und zwölf Punkten. Zudem wurde ihm auch noch bescheinigt, daß er außer in Zaubertränken häufig nachlässig gearbeitet habe. Ansonsten hätte er sicher höhere Noten erzielen können. Jacques ließ das kalt. Auch daß er im Durchschnitt fünf Punkte unter seiner Verlobten Mésange gelandet und sechs unter Patrice Duisenberg, störte ihn nicht.

Joseph Maininger von den Greifennestschülern konnte mit einem Durchshnitt von elf Punkten aus dem trimagischen Schuljahr herausgehen. Sein bestes Fach war praktische Magiezoologie mit zwölf Punkten. "Ich hoffe zuversichtlich, daß der hier gezeigte Leistungsdurchschnitt zum einen auf die fremde Umgebung und zum zweiten auf die Vorbereitung auf die Prüfungen zurückzuführen sind", beendete Madame Faucon die Verlesung von Josephs Zeugnis. Immerhin hatte er die Freizeitgruppe Deutsch durch einen Vortrag über die Geschichte Bayerns und die Unterschiede in den Dialekten mit Auszeichnung bestanden. Doch dafür konnte er sich in der freien Zaubererwelt wohl kaum etwas kaufen. Irene Pontier landete gerade so über der kritischen Untergrenze von sechs Durchschnittspunkten, weil ihre herausragende Zauberkunstnote von fünfzehn Punkten die übrigen Noten ausglich. Madame Faucon strengte sich sichtbar an, nicht verärgert zu wirken. Doch Julius wußte, daß es in der Schulleiterin sicherlich schon brodelte. Doch weil sie keine Saalvorsteherin mehr war mußte sie sich einen öffentlichen Tadel verkneifen. Dagegen rief die Verlesung von Gloria Porters Noten ein Lächeln auf ihr Gesicht. Gloria hatte beinahe genausogut abgeschnitten wie Julius. Nur in Muggelkunde kam sie mit gerade dreizehn Punkten aus diesem Schuljahr. "Gloria Porter mußte sich drei wesentlichen Zusatzbelastungen stellen: Zum einen wurde ihr von Professor McGonagall die Verantwortung als Vertrauensschülerin auferlegt. Zum zweiten ruhten alle Hoffnungen der mit ihr angereisten Gäste aus Hogwarts auf ihr, als sie zum trimagischen Champion erklärt wurde. Zum dritten mußte sie sich als ehemalige Austauschschülerin einem Vergleich ihrer überragenden Leistungen vor drei Jahren und dem Druck öffentlicher Beobachtung als trimagischer Champion stellen. Doch genauso wie Mademoiselle Hellersdorf, die ähnlichem Druck ausgesetzt war, konnte sie die ihr zugeteilten Anforderungen bewältigen und darf hoch erhobenenen Hauptes in ihre Stammschule Hogwarts zurückkehren."

Hubert Rauhfels hatte vier Fächer mit fünfzehn Punkten bestanden. Auch ihm wurde die Mehrfachbelastung, fremde Umgebung, Fremdsprache und Championswürde anerkannt. Hingegen schrammte Joseph Rosshufler mit einem Durchschnitt von 6,1 Punkten laut knirschend an der zulässigen Untergrenze entlang. Als Madame Faucon die ihn betreffenden Bemerkungen verlesen hatte legte sie das Zeugnis zur Seite, um frei zu sprechen: "Sicher haben Sie wie alle anderen aus Hogwarts und Greifennest angereisten Schüler die Umstellung auf die Räumlichkeiten, Mitschüler, Unterrichtsführung und vor allem unsere Sprache zu bewältigen gehabt, Monsieur Rosshufler. Es ist wohl auch zu erkennen, daß Sie unter einem hohen Druck standen, die in Sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Leider haben Sie dem Druck nicht nur nicht standgehalten, sondern sich sogar nach den Osterferien in der Leistungsbereitschaft abfallen lassen. Ich kann mich gut an Konferenzen erinnern, bei denen die Frage aufkam, ob Sie sich nicht zu sehr darauf verlassen, durch ihre Familie bereits optimale Berufseinstiegsmöglichkeiten zur Verfügung zu haben. Gräfin Greifennest und ich standen kurz davor, bei Ihren Eltern anzufragen, ob diese Sie in dieser Grundhaltung bestärkt haben. Gräfin Greifennest sicherte mir zu, Sie dahingehend zu motivieren, daß gute Familienkontakte trotz allem, was Sie vielleicht erfahren haben, keine eigenen Leistungsnachweise ersetzen. Ich wundere mich sehr, daß jemand, auf dessen Schultern so viel Erwartungen gelegt wurden, nicht ein einziges Fach ausgewählt hat, in dem er zumindest sowas wie Einsatzbereitschaft zeigt. Wenn Sie dieses Dokument als Ihr fortan gültiges Abschlußzeugnis vorlegen müssen und nicht durch eine besonders gut ausgefallene UTZ-Prüfung zeigen, daß Ihre restlichen Bemühungen deshalb so unterdurchschnittlich ausfielen, weil Sie diesen Erfolg erzielen wollten, kann ich Ihnen verbindlich versichern, daß Ihre familiären Kontakte nicht ausreichen werden, Ihnen ein einträgliches und erfolgreiches Leben zu verschaffen. Da Ihr Herr Vater ein Amt bekleidet, daß jederzeit durch eine Wahl beendet werden kann, wäre es an Ihnen gewesen, sich aus der Sonne seines Ruhmes zu lösen. Denn so eine Sonne kann auch leicht zum Schatten werden, wenn seine und Ihre Erfolge gegeneinander aufgewogen werden. Mehr zu sagen steht mir nicht an. Das will und muß ich Ihrer regulären Schulleiterin und dem Vorstand des von Ihnen bewohnten Schulhauses überlassen. Es mißfällt mir nur im Vergleich zu allen anderen aus Ihrer Schule bei uns untergekommenen Gästen, daß Sie der erste sind, bei dem ich die Befürchtung aussprechen muß, hier einem Schüler ein verlorenes Jahr atestieren zu müssen. Wie erwähnt stehen mir keine weiterführenden Empfehlungen oder Bemerkungen zu. Ich hoffe, die Prüfungen gereichen Ihnen zur Ehre."

"Da können Sie mal drauf wetten", gab Joseph eine trotzige Bemerkung von sich, bevor er sich sein Zeugnis holte. Zu seinem Verdruß waren alle nach ihm aufgerufenen Gäste und Stammschüler mindestens einen Durchschnittspunkt besser als er. Vor allem Bärbel Weizengold reichte mit ihren vierzehn Durchschnittspunkten knapp an Waltraud Eschenwurz heran.

"Also da hat sich Belle Grandchapeau um Lichtjahre besser aus Beaux verabschiedet", bemerkte Millie, als die Zeugnisverlesung beendet war und die beiden Josephs bereits auf dem Weg zum Greifennestschiff ins Zanken gerieten.

"Kann sein, daß sein Vater dem gesagt hat, daß Joseph nur die UTZs bestehen muß und alles andere unwichtig ist, weil er in Wien keine französischen Schulzeugnisse braucht", vermutete Julius. "Aber mein Vater hätte sicher getobt, wenn ich knapp an der Ehrenrunde entlanggeschrammt wäre und das im Abschlußjahr. Gut, in der Grundschule hat es mit den Noten bei mir auch nicht so gepaßt, weil ich nicht einsah, warum ich für Sachen mehr machen muß, die ich entweder schon konnte oder nie wirklich für wichtig gehalten habe. Der würde jetzt komplett fragen, ob ich überhaupt sein Sohn gewesen bin."

"Zumindest wird sich Martha freuen, daß du trotz der ganzen Sachen hier noch vorzeigbare Noten abgeräumt hast. Pa freut sich sicher auch, daß Aurores lange Anreise mich nicht um eine Klasse zurückgeworfen hat. Aber wenn Geneviève deine Noten zu lesen kriegt kassiert die dich sofort ein, wo deine Mutter ihr ja wohl endgültig vom Besenstiel hüpft." Julius konnte dazu nur grinsen.

Als alle Schüler und Schülerinnen der UTZ-Klasse die Aula verlassen hatten war wieder das große Umziehen angesagt. Millie hatte nicht vergessen, was sie Julius am Abend des trimagischen Weihnachtsballs gesagt hatte. So holte er den blattgrünen Festumhang mit den Vergoldungen aus seinem Koffer und zog den aus Grünstauden gewebten Umhang über. Dabei merkte er, daß es ihm wirklich gelungen war, zehn überschüssige Kilogramm abzuspecken. Zwar deutete noch eine leichte Wölbung an, daß er noch nicht auf das von ihm angepeilte Idealgewicht zurückgeschrumpft war. Doch so konnte er auf jeden Fall zum Essen und zum Abschlußball gehen. In der Aula lagen hinter der Bühne ja auch alle Kostüme, die durch Schnellankleidezauber gewechselt werden konnten.

"Wir treffen uns dann unten am Speisesaal, Monju!" verabschiedete sich Millie vorübergehend von ihrem Mann. Dieser erwiderte den Gruß und wandschlüpfte in den grünen Saal. Wie damals, wo er seinen ersten Schuljahresabschlußball mitgemacht hatte, teilten er und Gérard winzige grasgrüne Fähnchen aus einem Karton aus. Diese sollten beim Farbenlied, das die Abschlußklasse von Martine, Jeanne und Barbara zum ersten Mal aufgeführt hatte, vergrößert und geschwenkt werden. Wann das Farbenlied kam verrieten die Angehörigen des Festkomitees jedoch keinem.

Der grün-goldene Festumhang erregte bei allen Jungen verhaltenes Grinsen und bei den Mädchen Bewunderung. Auch wenn keiner und keine hier im schlichten Schulgewand herumlief, fiel Julius mal wieder mit seiner Kleidung auf. Céline fragte ihn, warum er damit nicht schon beim Weihnachtsball aufgetreten sei. "Da war ich schon zu dick für den Umhang", erwiderte Julius darauf. Laurentine führte ein smaragdgrünes Ballkleid mit weizengoldenen Spitzen aus. Um den Hals trug sie jene silberne Gliederkette, die sie zum achtzehnten Geburtstag bekommen hatte. Robert, der nach der Besenwerbung Célines darauf ausgegangen war, beim Abschlußball gut mit ihr zu harmonieren trug einen marineblauen Umhang und dazu passend einen dunkelblauen Spitzhut, während Céline im himmelblauen Kleid mit weißen Rüschen zum Ball ging. Gérard hatte sich denselben Umhang wie beim Weihnachtsball angezogen.

"Können wir so runtergehen?" fragte Julius laut in den grünen Saal. Die gemalte Ausgabe der Gründungsmutter Viviane Eauvive strahlte ihn aus ihrem Rahmen heraus an. Céline, Laurentine und Gérard vermeldeten, daß sie so unter das Volk treten durften. Pierre hatte von irgendwo her einen walnußbraunen Samtumhang, während die bei ihm untergehakte Gabrielle Delacour ein fließendes, mondlichtfarbenes Kleid ausführte. Jacqueline, Babette und Armgard trugen ebenfalls die Kleidung, die sie schon beim Weihnachtsball verwendet hatten.

Vor dem Speisesaal trafen sich die bereits gebildeten oder befreundeten Paare, deren Partner aus anderen Sälen stammten. "Jetzt sehen wir wirklich so aus, als ob wir zusammenpassen", sagte Millie zu Julius. Dieser fragte, ob Aurore und Sandrines Zwillinge gut untergebracht seien. "Die schlafen friedlich im kleinen Zimmer, wo ich mit Aurore die ersten Wochen nach ihrer Ankunft übernachtet habe." Sie strich Julius Umhang glatt und zupfte an der Schulter noch eine Falte weg. Dann hakte sie sich bei ihm unter und ließ sich von ihm in den Speisesaal hineinführen.

Im Speisesaal hing eine Liste mit den je zwanzig bestbenoteten Schülern jedes Jahrgangs aus. Julius nahm es nur kurz wahr, daß er die Liste der UTZ-Schüler mit einem Punkt Vorsprung vor den anderen 19 anführte, zu denen auch seine Frau, sowie Gloria und Laurentine gehörten. Bei den Sechstklässlern hatte Pina es auf den zweiten Rang hinter der Violetten Madeleine Laporte geschafft. Lea Drake lag genau einen halben Punkt hinter Pina.

Die Latierres setzten sich zusammen mit den Dumas', dem zukünftigen Ehepaar Dornier und dem zukünftigen Ehepaar Malone an einen Tisch. Gloria saß mit Lea, Pina und den Hollingsworths an einem Tisch. Brandon McMerdow saß bei William, Elrick und drei Schülern aus Greifennest. Die beiden Josephs hatten sich schön weit voneinander fort hingesetzt. Hubert und seine Verlobte saßen am Nebentisch von Julius.

Madame Faucon begrüßte die festlich gekleideten Schülerinnen und Schüler an der Spitze einer Zweierreihe, die aus den Lehrern von Beauxbatons gebildet wurde. Professeur Dirkson trug ein mitternachtsblaues Kleid mit silbernen Mustern, die wie der nördliche Sternenhimmel angeordnet waren. In ihrem Haar steckte eine halbmondförmige Silberbrosche. Madame Faucon trug ein blau-goldenes Kleid mit Schmuckgürtel. Ganz am Ende der Reihe schritten die Leiterinnen der Gastschulen herein. Die Gräfin trug ein rot-goldenes Ballkleid, während Professor McGonagall einen Umhang in den Mustern und Farben ihres Clans trug.

"Ich freue mich sehr, einmal mehr zu diesem großen Fest zu laden, an dem wir uns in Ruhe und Muße, Kunst und Genuß, von jenen Schülerinnen und Schülern verabschieden dürfen, die ab morgen abend ihre eigenen Wege gehen möchten. Wieder einmal ist ein Jahr vergangen, das mühsam und anstrengend, aber auch kurzweilig und einprägsam verlief. Wir in Beauxbatons hatten die Ehre, das trimagische Turnier auszurichten. Wir haben mit unseren Champions mitgefiebert, -gelitten und -gejubelt. Jeder der drei auserwählten war würdig, den Pokal des Siegers in Händen halten zu dürfen. Da ein Wettkampf jedoch dadurch seinen Reiz und seinen Schwung erhält, daß es am Ende nur einen Sieger geben kann, fiel die so wichtige Trophäe am Ende auch nur einem der drei Champions zu. Ich bin stolz, daß Mademoiselle Hellersdorf, die für Beauxbatons in die Schranken des Turnieres gezogen ist, sich und uns allen die große Ehre verschafft hat, diesen Pokal heute auf diesen Tisch aufstellen zu dürfen." Madame Faucon schlug das Tuch von einem Tablett, auf dem der trimagische Pokal stand. Dann trug sie ihn zu dem Tisch, an dem Laurentine zusammen mit Estelle Messier, Belisama Lagrange und Sandrines Stellvertreterin aus dem gelben Saal saß. Unter neuem Jubel wurde der Pokal in die Mitte des Tisches gestellt, damit alle sehen konnten, wer ihn gewonnen hatte. Hubert und Gloria wirkten nicht so glücklich. Doch Gloria hatte es eingesehen, daß sie einen Moment zu spät zugegriffen hatte. "Außerdem durften wir in Beauxbatons dieses Jahr drei neue Zaubererweltbürger im Leben begrüßen. Diese lassen sich jedoch entschuldigen, da sie noch nicht stark und groß genug sind, einen ganzen Festabend ohne Unterbrechung durchzustehen. Dennoch spreche ich Madame Dumas und Madame Latierre meine Hochachtung aus, die Balance zwischen Familiengründung und schulischer Anforderungen hinbekommen zu haben und bin sehr zuversichtlich, daß diese so lebenswichtige Erfahrung Ihnen und Ihren Angetrauten helfen wird, künftige Anforderunen zu meistern, sowie als Beispiele zu glänzen, wie wichtig es ist, klare Entscheidungen zu treffen. Dafür, daß Sie sich für die Familiengründung entschieden haben, mußten Sie einiges zurückstellen, wodurch Sie erst zur Weihnachtszeit vollständig die UTZ-Prüfungen ablegen werden. Doch ich bin ebenso zuversichtlich, daß Sie auch diese Anforderungen bestehen werden." Einige der blauen meinten jetzt, nach den drei Babys rufen zu müssen. Doch Professeur Pallas gebot dem sofort einhalt, bevor Madame Faucon noch was dazu sagen konnte. Kevin grummelte, daß er die kleine Aurore dann wohl auch nicht zu sehen bekäme. Julius sagte dazu nichts. "So wollen wir uns nun stärken, bevor wir diesen Abend gebührend begehen möchten!" beschloß Madame Faucon ihre kurze Ansprache. Daraufhin erschienen Platten, Terinen, Schüsseln und Karaffen auf den Tischen. Merkwürdigerweise nahm der auf Laurentines Tisch stehende Pokal keinen nötigen Platz weg. Die silbernen Gefäße erschienen darum herum.

Wie üblich handelte es sich beim Abendessen vor dem Ball um ein aus leichten Speisen zusammengestellten Menü, um nicht zu schwer im Magen zu liegen. Julius war froh, daß er nicht mehr diesen Heißhunger hatte, mit dem Millie ihn ungewollt während ihrer Schwangerschaft angesteckt hatte.

Nach dem gut eine Stunde verlaufenden Abendessen bat Madame Faucon alle Schülerinnen und Schüler darum, sich in Richtung Aula zu begeben, um sich anzusehen, was die Abschlußklasse sich für diesen Abend ausgedacht und eingeübt hatte. Für die zwanzig zum Abschlußfestkomitee 2000 gehörenden Schülerinnen und Schüler hieß das, vor den anderen im Aufführungssaal zu sein. Hierzu durften sie eine zu Fuß benutzbare Abkürzung vom Speisesaal hin zum Bereich hinter der Bühne nutzen, wo die vier Garderobenräume lagen, zwei links für Mädchen, zwei rechts für Jungen.

"Dann wollen wir mal", spornte Apollo sich und seine männlichen Laienspielkollegen auf Zeit an. Julius wünschte allen "Hals- und Beinbruch!" Er hielt es zwar für einen Aberglauben der Bühnenkünstler, daß sich offen Glück zu wünschen Unglück bringe. Doch sich Glück zu wünschen war ja in gewisser Weise auch ein alter Aberglaube. Sie überprüften noch einmal, ob alle Kostüme mit aufgeprägtem Umkleidezauber versehen waren, so daß sie ohne große Mühe innerhalb von Sekunden die Kleidung wechseln konnten. Bevor es auf die Bühne hinausging kam Madame Faucon noch einmal zu allen hin. Durch die Tür zur Bühne drang bereits das Tuscheln und Murmeln aus dem Publikum. Julius fühlte das Lampenfieber. Dies war seine letzte Schulaufführung. Er würde eine wichtige Rolle spielen. Hoffentlich klappte nun alles, was bei der Generalprobe gestern noch geklemmt hatte!

"Sie kennen das ja alle. Ich werde gleich zu den Zuschauern sprechen und Sie ankündigen. Wenn ich fertig bin und die Zuschauer wie zu hoffen steht applaudiert haben, beginnen Sie Ihre Darbietung! Toi toi toi!" Sie winkte jedem Darsteller des Abends und jedem, der für die Bühnentechnik zuständig war zu. Die Musiker unter den Laienspielern nahmen ihre Instrumente. Nur Julius und Laurentine würden zuerst mit bloßen Händen auftreten.

Julius dachte seine Selbstbeherrschungsformel. Er wollte an diesem Abend möglichst perfekt auftreten. Nur einmal dachte er daran, daß er vor sechs Jahren wohl laut gelacht hätte, wenn ihm da wer gesagt hätte, er würde einmal in einem klassischen Orchester oder einer Gruppe von Schauspielern auf einer Bühne stehen und für andere was aufführen.

Madame Faucon begrüßte die Zuschauer noch einmal und kündigte an, daß sie nun wie alle anderen in gespannter Erwartung zusehen wolle, was das Abschlußfestkomitee der siebten Klasse einstudiert habe. Sie wünschte sich und allen andern viel Vergnügen und den Darstellern viel Erfolg. Laut brandete der Beifall zu den hinter der Bühne wartenden. Laurentine und Julius warteten, bis der Beifall verebbte. Dann öffnete Julius die Tür zur Bühne.

Im Moment trennte ein dichter dunkelblauer Samtvorhang die Darsteller vom Publikum. Julius apportierte die große silberne Truhe auf die Bühne. Dann ließ er mit Laurentine zusammen die Kulisse erscheinen, die einen Kerker des Palastes darstellte. Allerdings wurde der Kerker nicht von flackernden Fackeln, sondern sonnengelben Kristallsphären ausgeleuchtet. Zum Schluß drehte Laurentine an der vierteiligen Walze und tippte sie an. Sofort leuchtete knapp unter der Decke die Zahl 2038 auf. Julius dachte dann "Moveto Vorhang", wobei er mit dem Zauberstab eine Aufwärtsbewegung in Richtung Vorhang machte. Leise rauschend hob sich der Vorhang und gab nun den Blick auf die Zuschauerreihen und die gerade in Kraft gesetzte Illusion der Aula frei. Die Zuschauer hockten im Dunkeln, scheinbar von massiven Natursteinwänden umschlossen. Apollo beschwor die in einem Musikfass hinter der Bühne konservierte Sphärenmusik, die von einem leisen Ticken wie von einer großen Standuhr unterlegt war. Durch eine glitzernde Bronzetür betraten Laurentine und Julius in ihren Schulumhängen die Fläche, auf der die große, silberne Truhe stand, auf der "Bewahrer der Zeiten" in hellblauen Buchstaben zu lesen stand. Die Verriegelungen trugen das Wappen von Beauxbatons, die beiden gekreuzten Zauberstäbe, aus denen je drei Funken stoben. Ab jetzt begann die Aufführung.

"Also doch", begann Laurentine ihren Text und blickte erstaunt auf die Truhe. "Da steht echt diese Truhe. Und du hast gemeint, ich erzähl was vom grünen Mann im Mond, Martin."

"Ja, klingt ja auch abgeschwirrt, daß Madame Faucon alle Jahre vor diesem Jahr, wo dieser Sternenpuster Voldemort die Erde rumkommandieren wollte bis danach in eine Truhe reingestopft haben soll", erwiderte Julius gemäß seinem Text. "Du sagst, du hast die ganzen Formeln gelernt, um dieses silberne Teil da aufzukriegen, Suzanne. Dann mach mal. Ich bin jetzt gespannt drauf, ob da wirklich alle wichtigen Sachen von damals drin sind."

"Wenn uns Professeur Duisenberg das richtig beigebracht hat zog diese Dunkelwolke auf, als die in Großbritannien diesen Ausbrecher aus dem alten Askaban gesucht haben", tat Laurentine nachdenklich. "Das war noch, bevor sie alle mißliebigen Zauberer und Hexen durch den Lunatunnel unter die Mondoberfläche geschickt haben, wo sie nicht mehr disapparieren können. Wie war das? 1993, wobei ich die Jahreszahl in römischen Zahlen phonetisch buchstabieren soll, bevor ich den Wiedergabezauber anwerfen kann. Probieren wir es aus! Receptaculum Temporibus audito!" Die Truhe sprang auf. "Revelo Tempus Charisma Magia Xenologia Charisma Incantatio Incantatio Incantatio Agito!!" Ein aus sich heraus blau leuchtender Nebel wallte aus dem bis dahin schwarzen Truheninneren, der zu einer sich nach außen drehenden Spirale wurde, die wie eine Galaxie aus blauen und weißen Sternen erst die Bühne und dann auch den Zuschauerraum ausfüllte. Julius stellte an der Zeitzahlenwalze das entsprechend zurückgerufene Jahr ein. Ein Zaubererweltschlager aus dem Jahre 1993 erklang aus dem Musikfaß. Weitere Akteure des Abends betraten im Blickschutz des immernoch wabernden Nebels die Bühne. Aus einem anderen Musikfass klang nun das Gemurmel von vielen hundert Schülerinnen und Schülern in die Aula. Céline Dornier betrat die Bühne. Sie hatte sich durch den Selbstvergrößerungszauber auf drei Meter anwachsen lassen und stellte nun Madame Maxime dar. Hierzu trug sie ein schwarzes Satinkleid und an allen Fingern Ringe, die wie die Opalringe der früheren Schulleiterin aussahen. Jetzt verschwand der Nebel und gab den Blick wieder auf das Geschehen auf der Bühne frei. Julius und Laurentine standen noch einige Sekunden offen sichtbar da, als seien auch sie nur Zuschauer. Dann verschwanden sie im sachtenFlimmern einer Tarnwand, die die beiden ungesagt heraufbeschworen.

Als Céline die neuen Schüler begrüßte, nutzte Laurentine die Gelegenheit, hinter der Tarnwand zum Bühnenausgang zu schleichen und dort in ihrem Schulmädchenkostüm unter die Mitschüler zu treten. Um die Illusion perfekt zu machen waren zu den gerade sechzehn anderen Schülern noch die Abbilder von hundert weiteren entstanden. Céline in ihrer Rolle als Madame Maxime verkündete, daß sie nun alle was neues zu lernen und bisher für einzig gültig gehaltene Sachen zu vergessen hatten. Laurentine, die nun sich selbst spielte, tat verdrossen. Dann erklang aus dem ersten Musikfaß das Begrüßungslied "Willkommen in Beauxbatons". Doch es klang so, als sei es auf Kochtöpfen, geblasenen Kämmen und mit Wasser gegurgelt zum besten gegeben worden. Während das Lied erklang, vollführte Julius mit dem ebenfalls hinter den Kulissen verborgenen Apollo einige Scherzzauber, bei denen die Tische beliebig die Farbe wechselten oder aus den Kerzenflammen grinsende Geistergesichter herausblickten. Die Musik geriet in Unordnung, wobei jedes angebliche Instrument immer lauter zu klingen versuchte, bis Madame Maxime das aufgekommene Chaos mit einem lauten "Das reicht jetzt! Genug!" zum schweigen brachte.

"Schlimm genug, daß die in Großbritannien jetzt wieder damit zu leben haben, daß ein Verbündeter des Unnennbaren frei herumläuft müssen wir nicht auch noch eine beängstigende Kakophonie auf die Welt loslassen. Sie sind alle hier, um die anspruchsvollen und vielseitigen Zweige der Magie zu studieren, um in Ihrem Leben als Hexen und Zauberer für sich und andere gefahrlos handeln zu können. Ja, bitte!" Laurentine hatte aufgezeigt und bekam das Wort:

"Ich bin hier nicht richtig. Ich habe nur die Fahrkarte von einer Freundin genommen, die hier nicht hinwollte. Ich bin keine Hexe und will's auch nicht werden." Im Publikum hob lautes Gelächter an. Einige klatschten sogar.

"So, dann sind Sie auch nicht Mademoiselle Hellersdorf?" fragte Céline als Madame Maxime. Laurentine schüttelte den Kopf und gab vor, in Wirklichkeit Vanessa Paradis zu heißen. Die Muggelstämmigen im Publikum mußten darüber lachen, weil sie die als französischer Kinderstar gestartete Sängerin ja auch kannten. "Dann heißen Sie eben ab heute Laurentine Hellersdorf. Ihre Eltern kriegen entsprechend bescheid, und Ihre Freundin, für die Sie hergekommen sind wird umbenannt. Das hat sie dann davon", erwiderte die gespielte Madame Maxime. Wieder lachten alle im Publikum. "Wer hier auf der Liste steht und sich der Auswahl gestellt hat heißt und handelt so, wie der oder die auf der Liste. Es ist mir egal, ob jemand vorher meinte, keine Hexe zu sein. Wer hier reinkommt wird es, sofern weiblich. Also finden Sie sich damit ab, daß Sie ab heute alles zu lernen und zu können haben, was wir Ihnen beibringen."

"Ich kann doch gar nichts hexen", schnarrte Laurentine. "Ich wollte doch nur mal nachsehen, ob das kein Mumpitz ist, daß es diese Beauxbatons-Schule geben soll. Wenn Sie wollen zahlen meine Eltern das gerne zurück, was dieses Ticket hier hin gekostet hat."

"Nichts da. Sie sind hier, Sie bleiben hier und lernen hier. Seien Sie froh, daß wir sie nicht wegen angeblicher Vortäuschung falscher Tatsachen in einen lila Knuddelmuff verwandeln, wie es vor fünfhundert Jahren noch üblich war, wo jemand meinte, an Stelle eines Verwandten oder Freundes unsere erhabene Schule betreten zu müssen. Und jetzt nehmen Sie gütigst Platz und essen Sie mit den anderen, Mademoiselle Hellersdorf, Laurentine!"

"Morgen fahre ich wieder nach Hause!" rief Laurentine trotzig. Das brachte wieder viele im Publikum zum lachen.

"Hier wird nicht gefahren, sondern geflogen oder appariert. Solange Sie das alles nicht können bleiben Sie hier", erwiderte die gespielte Madame Maxime. Dann rief sie in die Runde der echten und illusionären Schüler auf der Bühne: "Ist noch wer da, der oder die meint, hier nicht hinzugehören?" Darauf begannen die agierenden auf der Bühne rhythmisch zu rufen:

"Zauberer und Hexen das sind wir!
Hier in Beauxbatons da lernen wir!"

Den Rhythmus aufnehmend setzte nun ein konserviertes Musikstück an, das von Trommeln, Bongos, Rasseln, Schellen und Becken getragen wurde und dann wie bei einem klassischen Soulstück mit Baß und Blechblasinstrumenten erweitert wurde. Apollo trat tanzend hinter den Kulissen hervor und nahm den von den Mitakteuren und der Musik vorgegebenen Rhythmus auf. Dann fiel aus der Luft ein großer Koffer, unter den Apollo gerade noch so wegtanzen konnte. Dann begann Apollo mit dem Schulsachenrap. Durch den über die Bühne gespannten Pantophonia-Zauber wurde seine Stimme genauso für alle im Zuschauerraum deutlich hörbar wie die der anderen. Julius begann nun mit dem Zauberstab die Beleuchtung zu dirigieren, während Apollo seine Strophen rappte:

"Irgendwann einmal im Leben, 
ja so ist's nun einmal eben,
Kommt 'ne eule an mit Gruß aus Beauxbatons.
Erst meint jeder, was soll das sein?
warum soll gerade ich rein?
Was ist da los und was hab ich davon? 
Doch die schreiben und erzählen,
daß sie mich zum Schüler wählen,
weil ich zaubern oder hexen kann, achso.
Also fahr ich mal da hin,
Vielleicht macht's ja keinen Sinn,
und die ganze Kiste war total fürs ..." Das letzte Wort wurde von einem typischen Kratzgeräusch übertönt, wie es echte Hiphopper gerne in ihren Stücken verwendeten. Jettzt sprechsangen die anderen Schüler auf der Bühne:" Zauberer und Hexen das sind wir! Hier in Beauxbatons da lernen wir!" Diese beiden Zeilen wurden viermal wiederholt, wobei ein Zusammenspiel aus Trompeten, singenden Sägen und Geigen im Hintergrund klang. Dann kam Apollos zweite Strophe, während die Ballettgruppenteilnehmer nun tanzten und dabei das darstellten, was in dieser Strophe drankam.

"Um zu lernen brauch ich sachen,
um den ganzen Kram zu machen.
Alles steht in diesem Eulenbrief so drin.
Na da müssen wir wohl laufen,
um das ganze Zeug zu kaufen,
denn sonst macht die ganze Reise keinen Sinn.
Viele Bücher um zu lesen,
für zum Fliegen einen Besen,
auch 'nen Zauberstab, Klamotten für den Schrank.
Tinte, Pergament und Feder
was zum Schreiben braucht ja jeder
und zum Schluß 'nen Kessel für den Trank.

Während der Chor und die Ballettänzer den Kehrreim rappten klatschten die Schüler Beifall für die gelungene Choreographie, wo Beatrice aus Sandrines Saal ein sich aufklappendes Buch nachspielte und ihre Ballettkameradin Muriel einen blubbernden Kessel imitierte, in dem sie sich scheinbar breit und schimmernd machte und aus Augen und Ohren Funken und Dampfblasen steigen ließ. Gleichzeitig schwebten die besungenen Gegenstände von oben im Rhythmus in den geöffneten Koffer hinein.

"Mann, ist das 'ne lange Liste,
paßt denn das in eine Kiste?
Aber hilft ja nix, die wollen das ja so.
Will all die Sachen kriegen,
darf ich nicht so faul rumliegen
und muß los zur Rue de Camouflage.
Erst nach Gringotts, dann Nach Gladrags,
dann zu Charpentier und Corax,
Von der untersten zur höchsten Kaufetage.
Über zimlich hohe Preise,
jammern meine Eltern leise,
hoffentlich ist alld das Geld nich' voll fürn ..." Wieder ersetzte ein lautes Kratzen wie über eine Schallplatte das Wort, das Apollo da noch hätte sprechsingen wollen. Dann kam wieder der Kehrreim. Danach klang ein Zwischenspiel ohne gerappten Text, wobei sich die Tänzer nun besonders ins Zeug legten, um die besungenen Gegenstände und Geschäfte darzustellen. Dabei flatterte eine der Ballerinen im schwarzgefiederten Rabenkostüm für Logophil Corax' Buchladen über die Bühne.

Zwischendurch noch mal was essen
hab ich nicht doch was vergessen?
Klar die Sachen für die Brauerei.
Raupen, Käfer, Rattenmilz,
Schneckenschleim und Fliegenpilz
Froschaugen und noch mehr Sauerei.
Eisenhut und Wasserlinsen,
lassen wohl den Lehrer grinsen
Ja, jetz hab' ich alles Zeug dabei.
Uff, der Beutel ist schon leer?
keine Galleonen mehr?
hoffentlich wird mir das nicht zu schwer.

Noch einmal erfolgte der Kehrreim. Dann klang ein Instrumentalzwischenspiel, bei dem Mehrere Soloinstrumente wie über Pergament kratzende Federn, auf- und zuklappende Tintenfassdeckel und in leeren Kesseln umrührende Löffel zum Einsatz kamen.

Nach der ganzen langen Tour,
da frag ich mich einfach nur,
ob ich alles auch in meinen Koffer krieg.
Muß von dem was die mir schreiben,
doch ein Teil zu Hause bleiben,
Weiß ich nicht, ob ich von der Schule flieg.
Komm ich endlich dann nach Beaux
werd' ich nicht des Lebens froh,
weil die Lehrer hier verlangen nur noch Fleiß.
Tränke rühren, Sprüche üben,
Sterne gucken, stampfen, sieben.
Hoffentlich lohnt sich der ganze ..." Und erneut erklang das laute Plattenkratzen zur Überdeckung eines hier hinpassenden Schimpfwortes. Die Zuschauer lachten, die Lehrer blickten angespannt auf die Bühne. Zwar wußte Madame Faucon, was in den Liedern drankam und hatte auch kein Veto eingelegt. Aber so ganz recht war ihr das offenbar doch nicht, wie die Schüler begeistert mitsprechsangen, als der Kehrreim nun drei mal wiederholt wurde. "Zauberer und Hexen das sind wir,
hier in Beauxbatons da lernen wir."

Selbst als die Musik verklungen war und die Akteure hinter jenem blau-weißen Nebel verschwanden, hielten sich die Beauxbatons-Schüler dran, den Kehrreim zu rappen. Es war wie ein Stadionschlachtruf. Hinter dem Nebel bauten die für die technische Umsetzung zuständigen Komiteemitglieder wieder die Kulisse um, so daß das Bühnenbild aus der Zukunft zu sehen war. Laurentine wechselte wieder das Schulmädchenkostüm und stand im futuristischen rosaroten Umhang wie aus verwobenem Wasserda. Julius trug auch wieder den wie eine verwobene Mischung aus Himmelblau und glitzernden Tautropfen gewirkten Umhang und sprach mit Laurentine darüber, was sich seit damals in der Begrüßungszeremonie geändert hatte.

"Früher haben sie die alle alphabetisch aufgerufen, und die mußten dann über unser Auswahlartefakt drüber. Jetzt, wo wegen der Hauselfenrevolte von 2015 keine Küchenbediensteten mehr da sind, gibt's nur noch Sattmacherkekse. Deshalb gibt's keinen schönen Speisesaal mehr. ist jetzt der Simraum für die virtuellen Weltreisen und Mikroweltanschauungsstunden", sagte Laurentine.

"Ich weiß, einige trauern der alten Zeit noch nach. Aber als die ehemaligen Hauselfen sich mit den Kobolden zusammengetan haben und die Zaubererwelt fast daran kaputtgegangen wäre, haben Madame Faucon und Professeur Malone beschlossen, daß wir nur noch mit den Sattmachern am laufen gehalten werden. Und weil die Maus unbedingt auch Sachen aus der Muggelwelt in den Lehrplan mit reinnehmen wollte brauchten wir einen Raum für weitergehende Anschauungssachen", seufzte Julius.

"Ja, und seitdem Professeur Malone sich von seiner Frau hat bequatschen lassen, zusammen mit zwei anderen aus seiner alten Schule hier zu unterrichten heißen die Säle wieder nach den Gründungseltern wie in den Jahren, wo die noch selbstlebend waren", ergänzte Laurentine.

"Komm, zumindest können Hogwarts, Greifennest und Beauxbatons noch als eigene Schulen weiterlaufen, wo die ganzen Maus-Leute aus Europa 2016 gefordert haben, eine gesamteuropäische Zauberschule aufzumachen, um die alle unter einen Hut zu kriegen."

"Waren schon abgedrehte Zeiten, so vor zweiundzwanzig Jahren. Ich weiß noch, daß die sogar wollten, daß die eine ganze Insel neu bauen wollten, auf der alle europäischen Zauberer und Hexen unterrichtet werden sollten. Neotopia. Haben die aus dem Zaubererweltgenpool aber was gegengehabt und haben Negativstimmung gegen die Zufallszauberkraftbegabten machen wollen wie wir zwei sind. Wie nannten die die damals in den 1990ern? Muggels oder sowas?"

"Hast du in Zaugesch geschlafen? Das wurde uns doch immer wieder runtergebetet, wie heftig es zwischen den Erbzauberkraftträgern und Zufallszauberkraftträgern immer wieder geblitzt und gefunkt hat. ich will mal wissen, wie die damals im Unterricht so gelernt haben, ohne Vielschreibblöcke und Wortmaltafeln. Mach mal bitte was aus einer halben Mondphase nach Neuschüleraufnahme, Suzanne!" Laurentine alias Suzanne Leblanc nickte und stellte die Zeitdarstellung der Truhe erst auf das Jahr und dann noch auf den Monat September ein.

Jetzt kam eine Szene aus dem Unterricht Verwandlung, wo Céline Madame Faucon spielte, die zu dem Zeitpunkt ja noch stellvertretende Schulleiterin war. Laurentine, die wieder sich selbst spielte, protestierte dagegen, einen Untersetzer in eine Kaffeetasse zu verwandeln. "Ich kann das nicht und das ist auch viel zu albern, dieses herumfuchteln mit dem Holzstecken hier. Ich hab's Madame Maxime schon gesagt, daß ich nicht die bin, die sie auf der Liste hatten."

"Ja, und wir alle haben es vernommen, daß Madame Maxime darauf geantwortet hat, daß sie seit Ihrer Einschulung eben doch die sind, für die Sie sich angeblich ausgegeben haben, Mademoiselle Hellersdorf. Der Versuch, daß Ihre Eltern sie als vermißt melden könnten ist ja gescheitert. Seien Sie also froh, daß wir Ihnen überhaupt was beibringen wollen. Sie können das, Sie machen das."

Nach diesem ernsten Einwurf wurde die Stunde doch so wie in vielen Aufführungen nachgestellt. Aus der bierernsten Unterrichtsführung wurde ein halbes Chaos. Denn die Verwandlungsgegenstände entwickelten ein Eigenleben und wechselten ohne Zauberstabbewegung ihre Formen. Dabei wurden die von den Mädchen zu bezaubernden Gegenstände zu rosaroten Plüschbällen, Haarspangen oder Kleiderpuppen, die im Takt einer aus einem Musikfaß klingenden Melodie dauernd ihre Gewänder wechselten, während die von den Jungen zu bezaubernden Dinge zu Minidrachen, einen halben Meter großen Rittern auf gepanzerten Streitrössern oder keulenschwingenden Trollen im Maßstab eins zu fünf mutierten. Die Lehrerin mußte dagegen ankämpfen, von einem himmelblauen Minidrachen erst geröstet und dann gefressen zu werden. Am Ende verwandelten sich alle kleinen Kisten, Untersätzer, Tassen und Schachteln in eine Gruppe Musiker, die auf lauten Instrumenten ein flottes Lied spielten, dessen Text aus den Schallöffnungen der Gitarren, Trompeten, Geigen und Posaunen quoll und sich in der Luft zusammensetzte. Diesmal war es kein Rap, sondern ein von vier Leuten gesungenes Stück über Sinn und Zweck von Verwandlungsstunden, dessen Kehrreim lautete:

"Viele Dinge vielerlei,
nichts bleibt standhaft, was auch sei.
Geisteskraft und Wortgewalt
wandeln fleißig die Gestalt.
Geist über Materie siegt,
was in deinen Händen liegt.

Danach wallte wieder der "nebel der Zeiten" auf und brachte die Kulisse mit dem Kerker in der Zukunft zurück. Julius ließ die Jahreszahl 2038 wieder aufleuchten. Dann sprach er mit Laurentine über die Zauberkunst und daß vieles doch heute einfacher sei, wo es in den Läden vorkonservierte Zauber gab, die einfach nur an den damit zu beeinflussenden Gegenstand gehalten werden mußten. auch sei es ja jetzt möglich, Haushaltsgeräte zu kaufen, die auf die Gedanken der Käufer eingestimmt werden könnten. Und wem das noch zu kompliziert sei, der könne ja kleine Flaschengeister kaufen oder mieten, die seit erwähnter Hauselfenrevolte deren Arbeit machten, aber für "Durchschnittslöhner" viel zu teuer seien.

"Verbildlichen wir uns doch mal, wie die das damals gelernt haben", schlug Laurentine alias Suzanne Leblanc vor und befahl der Truhe die entsprechende Einstellung. Daraufhin wurde eine Zauberkunststunde aus dem zweiten Halbjahr 1994 aufgeführt. Hier spielte Céline neben Laurentine Claire Dusoleil. Wie auch bei Verwandlung geriet hier einiges durcheinander. So ertönte aus einer Zigarrenkiste, die einen Stepptanz aufführen sollte hammerharte Techno-Musik, zu der es im Klassenzimmer rot, blau, grün, gelb und violett flackerte. Eine Feder, die nur zum schweben gebracht werden sollte, verwandelte sich in einen bunten Papagei, der "Alles Quatsch" krächzte und dann zum offenen Fenster hinausflog. Aus einer Schüssel voll blauem Feuer wuchs eine erst brennende und dann unversehrte Eiche, die innerhalb von Sekunden durch die Klassenzimmerdecke brach. Danach kam wieder ein Rap, an dem Apollo und Laurentine mitwirkten und die ganzen Erstklässler-Zaubersprüche in eine rhytthmische Sammlung fügten. Dann wurde wieder in die scheinbare Gegenwart der beiden sinnierenden Schüler Suzanne Leblanc und Martin Dupont zurückgeblendet.

"Wie ging das damals mit Quidditch. War das schon so wie heute?" wollte Suzanne Leblanc von ihrem Schulkameraden wissen. diser vermutete, daß die die Regeln erst ändern würden, wenn Hippolyte Latierre nicht mehr die "Suso" führen würde. Felix Forcas wollte ja dieses Jahr sein Amt als Zaubereiminister zur Verfügung stellen, daß er seit der Übernahme seines Scherzartikelladens durch George Weasley im Jahre 2004 innegehabt hatte. Aus dem Publikum erklang lautes Lachen, vor allem von den Hogwarts-Schülern. Dann wurde eine Szene aus dem Zaubertrank-Unterricht gezeigt, bei der merkwürdige Sachen wie aus einem Trank gewordene Schleimkreaturen oder aus dem Dampf über den Kesseln entstehende Gespenster mit rasselnden Ketten entstanden.

"Wie war das hier, als bei denen in Hogwarts das trimagische wiederaufgenommen wurde?" wollte die Schülerin aus der Zukunft von ihrem Klassenkameraden wissen, als nach der Szene und einem kurzen Lied, in dem noch mal verschiedene Zutaten zusammengerappt wurden, der Kerker mit der Zeittruhe zu sehen war.

"Würde mich auch mal interessieren. Dabei soll dieser Sternenpuster Riddle, den sie damals nur den Unnennbaren nannten, ja nach langer Zeit seinen Körper wiederbekommen haben, was damals ja keiner glauben wollte."

"Außer Madame Faucon. Die hat doch damals einen von denen aus Hogwarts rüberholen lassen, weil der so viel Zauberkraft hatte, obwohl der scheinbar nur so ein Zufallszauberkraftträger war wie wir. Ich kuck mal, ob ich was aus dem Jahr in der Truhe finde. Revelo trimagisches Turnier Charisma magia Xenologia charisma Venomosa!"

Da hier in Beauxbatons in dem Jahr nicht viel passiert war konnte eine Abfolge von Einzelszenen ohne gesprochenen Text abfolgen, wo Céline Madame Faucon spielte und mal als Lehrerin in einem Klassenzimmer und mal im Schulleiterbüro mit den damaligen Saalsprechern gezeigt wurden. Am Ende landete eine mit klingenden Glöckchen behängte, blaugraue Reisekutsche mit den Turnierteilnehmern, die tanzend aus dem Gefährt stiegen. Hier trat Julius als er selbst in die Szene ein und erinnerte sich und alle anderen daran, wie er fast Streit mit einem gemalten Jungen auf einer Toilettentür bekommen hatte. Dann erklang ein gruseliges Lied, in dem von den dunklen Schatten gesungen wurde. Singende Sägen und Gänsehaut erzeugendes Gefidel unterlegten den von Angst und Sorge ergriffenen Rapper Apollo, der die düstersten Bilder an die Wand malte. "Bald brennt das Land und kocht das Meer,
dann kommt das bitterböse Heer.
Denn wenn der unnennbare ruft,
geht's für uns alle in die Gruuuft".
Denn wenn der Unnennbare ruft,
geht's für uns alle in die ..." Julius stieß den Rapper kräftig in die Seite, worauf wieder jenes Kratzgeräusch erklang, mit dem vorhin die unerwünschten Wörter überspielt worden waren. Die Musik stoppte.

"Als wenn der uns noch genug Geld verdienen ließe, um uns eine eigene Gruft zu kaufen. Abgesehen davon, daß dann auch keiner mehr da ist, der uns darin begräbt", protestierte Julius. "Also mal nicht so düster. Die Leute kriegen ja noch Angst." Aus dem Publikum erklang verhaltenes Lachen.

"Mann, der macht aus allen Skelette oder Inferi oder sowas, die uns dann verbuddeln", hielt Apollo dagegen.

"Nur wer keine Hoffnung hat stirbt zuerst", erwiderte Julius. Dann holte er eine Flöte aus seinem schwarzen Hogwarts-Umhang und spielte eine beschwingte Melodie, zu der die gerade hinter der Bühne wartenden "Hoffnung, Freundschaft, Liebe ist der Welt Getriebe. Selbst der dunkle Lord, kriegt das niemals fort sangen.

Wieder wurde in das Jahr 2038 zurückgewechselt, wo die beiden Erzähler darüber sprachen, was in Großbritannien passiert war und das seit der Zeit ja auch die Erbin Sardonias in der Welt herumliefe, von der sie hier in Beauxbatons Jahre lang nichts mehr gehört hätten.

Dann folgten noch drei Szenen aus 1995, ohne die vier Tage, wo Julius als Belles Zwillingsschwester herumlief. Quidditch wurde auch gezeigt. Das brachte die von Laurentine verkörperte Suzanne Leblanc darauf, daß die Spielregeln ja nur deshalb so hatten bleiben können, weil 2003 eine Höchstgeschwindigkeit für Rennbesen eingeführt worden sei, nachdem sich die Ganymed-, Feuerblitz- und Bronco-Werke mit immer schnelleren Besen zu überbieten versucht hatten.

"Ja, und daß Quidditch nicht auf fliegenden Teppichen gespielt werden darf, wie es die aus dem Irak eingewanderten Hexen und Zauberer gefordert haben, die vor den mit den US-Kampftruppen verbündeten Zauberern geflohen waren, als Prässident George Bush Junior mit der Behauptung, der Irak hätte jetzt auch Atomwaffen, das Land mal eben mit einem langen Krieg und Jahrelanger Besetzung umgekrempelt hat."

"Ja, und die USA deshalb von den Chinesen aufgekauft worden sind, weil die für diesen Unfug mehr Geld ausgegeben haben, als die in fünf Jahren an Steuern einnehmen konnten", erwiderte Laurentine darauf. Das war jetzt wirklich eine Spekulation, von der beide nicht wußten, ob sie nicht doch zur Wahrheit werden mochte, was beide nicht hofften.

"Ja, und weil die Yankees gleich noch den Iran im Vorbeigehen angegriffen haben haben wir seit der Zeit hunderttausend orientalische Zauberer, die wollen, daß ihre Lebensweise auch im Zauberersport gewürdigt wird. Könnte sein, daß wenn Hippolyte Latierre zur neuen Ministerin gewählt wird sie da noch Krach mit dem Sprecher der Flugteppichallianz kriegt. Da waren die Zeiten damals doch einfacher."

"Ach, das hast du auch nicht mitbekommen? Damals haben die sich in Beauxbatons heftig aufgeregt, weil eine Schülerin aus dem damals noch weißen Saal genanten Haus Vallevée unerlaubt Mutter wurde", sagte die als Suzanne Leblanc auftretende Laurentine und rief eine weitere Szene auf, die zu einem Spieluhrenartigen Stück ohne Gesang zeigte, wie Constance Dornier, die von ihrer eigenen Schwester gespielt wurde, immer runder wurde und dann am Schluß mit einer halbwegs animierten Babypuppe auf dem Arm über die Bühne lief. Julius alias Martin Dupont erinnerte sich gemäß seiner Rolle, daß das doch auch in dem Jahr passiert war, wo zum ersten mal dieses Lied über die Saalfarben gesungen worden sei. Laurentine erinnerte sich. "Mal sehen, das könnte auch in der Truhe sein", sagte sie und tat so, als müsse sie grübeln. Aus dem Publikum klangen bereits die ersten Töne der Melodie, allerdings in unterschiedlichen Tonarten. Die Zuschauer winkten mit den kleinen Fahnen. Erst nach zwanzig Sekunden hatte die gerade Suzanne Leblanc verkörpernde Schülerin wohl die passende Zauberformel und rief den Beginn des Abschlußfestes 1995-1996 auf. Julius winkte sacht mit dem Zauberstab und ließ die noch geöffneten Kartons, aus denen die Farbflaggen genommen worden waren, alle auf einmal zugehen. Dadurch wuchsen die ausgeteilten Fahnen auf mehr als einen Meter Länge an. Jetzt traten alle Schüler aus dem sich gerade verflüchtigenden Nebel der Zeit heraus, die an diesem Stück mitwirkten. Auch sie hielten Fahnen in Händen, sofern es keine Musiker wie Julius oder Laurentine waren. Mit einem kurzen Intro, das die letzten Zeilen des Kehrreims nachspielte, begann das Farbenlied von Beauxbatons.

"Uns Blaue nennt man "Die Chaoten"
oder auch "Die Idioten".
Doch was stimmt, das weiß keiner genau.
Wir denken, wir sind eh gescheiter,
stecken unsere Grenzen weiter.
Denn unsere Farbe ist ja schließlich Blau.

Blau und hell
wie das Himmelszelt,
blau und weit
wie die Meere dieser welt,
Blau ist die Farbe
der Freiheit pur.
Hell und Weit
so sind eben wir nur.

Violette seien eigen,
woll'n stets nur ihr bestes zeigen,
hätten Macht und Ruhm gar nur im Sinn.
Wahr ist, daß wir ständig werken
an den Grenzen unserer Stärken.
Denn dann ist das Leben ein Gewinn.

Violett
wie das Sonnenlicht,
daß sich im
Regenbogen bricht,
woll'n wir leuchten
in großen Höhen.
Violett,
o ist die Farbe schön!

Wir Weißen sind hier oft verschrien,
uns auf ein Fach zu beziehen.
Derartige Rede läßt uns kalt.
Denn vereint sind unsere Ziele
wie des Lebens reiche Spiele.
Geben dieser Welt erst die Gestalt.

Weiß und klar
wie der frische Schnee,
weiß wie Schaum
auf bewegter See.
Wie Federwolken
am Firmament
so sind auch wir,
so wie uns jeder kennt.

Wir grünen hört man's oft von vielen
wollen forschen und auch spielen,
Ja, dies mag so stimmen, sagen wir.
Denn im schöpferischen Handeln
und in Traumeswelten wandeln
liegt des wahren Lebens Elixier.

Grün wie der Wald
oder Wiesenrain,
grün und schön
wie der Jadestein
Lebensquell
oder Schönheit pur,
sind so grün
die Kinder der Natur.

Wir gelben, sagen viele nüchtern,
seien nachgiebig und schüchtern.
weil wir nicht gern streiten oder schrei'n.
Doch ihr werdet es begreifen:
Ruhe lässt das Gute reifen.
Stärke zeigt wohl der wer kann verzeih'n.

Gelb und warm
wie der Sonnenschein
wollen wir auch
alle Tage sein.
Gelb wie das Gold
in der Tiefe ruht,
glänzen wir
und zügeln jede Wut.

Uns Roten hält man oft entgegen,
daß wir uns sehr gern erregen,
unserem Herzen alles unterstell'n.
Freude, Trauer oder Lachen,
all des Herzens eig'ne Sachen,
sind die Lichter, die die Welt erhell'n.

Rot und heiß
wie des Feuers Glut,
rot und pulsierend
wie unser Blut,
In uns herrscht beides
im hohen Maß.
Wir streiten, lieben
und haben viel Spaß."

Wieder wallte Nebel auf. Doch die Zuschauer sangen ihre Farbenzeilen weiter, während Julius die Kartons wieder aufspringen ließ, wodurch gemäß dem von Alexandria Agemo erfundenen Schrumpf- und Verstauzauber die Fahnen wieder zusammenschrumpften.

"Das hätten die doch ruhig so beibehalten können", grummelte Julius, als er wieder als Martin Dupont im Jahre 2038 agierte. "Mußten wir denn echt alles übernehmen, was die in Hogwarts hatten?" Wie zu erwarten stand erscholl nun lautstarkes Gelächter aus dem Publikum. Denn außer Julius hatten sie ja noch Professeur Dirkson und ihre Drillinge aus Hogwarts übernommen und zudem dieses Jahr noch zwölf Gastschüler dazubekommen. Dem Lachen folgte wildes Klatschen und Stampfen, weil Julius sich selbst so schön auf die Schippe genommen hatte, ohne sich selbst parodieren zu müssen. Das tat er zwar noch in den folgenden Szenen, auch wenn der Abschied von Claire ohne jeden Anflug von Ironie oder Humor dargestellt wurde. Hier sang Julius selbst ein letztes Abschiedslied, zu dem ihn die ganzen Musiker begleiteten. Der Kehrreim lautete:

"Claire mein Mädchen strahlendhell,
unsere Zeit verging zu schnell.
Auch wenn ich nun neu verbunden,
denk ich noch an all die Stunden.
Die wir uns gegeben haben.
Claire, nur den Leib mußt ich begraben.
Du wirst immer bei uns sein,
strahlendheller Sonnenschein."

Die letzte Wiederholung des Kehrreims wurde vom aufkommenden Zeitnebel begleitet. Julius' Stimme verklang mehr und mehr wie in weite Ferne, versank in den Tiefen der Vergangenheit.

Wieder in seiner Bühnenrolle sagte er zu seiner Dialogpartnerin:

"Schon traurig, wenn eine Schülerin stirbt, bevor sie hier raus ist. Aber der Typ hat ja nicht lange gewartet, bis er eine neue Lebens- und Nachwuchspartnerschaft geschlossen hat. Ob der noch lebt, wo der angeblich fünfzehn Ableger auf den Weg gebracht hat?"

"Da müßtest du in die Familienchronik der Latierres reinsehen. Mich interessierte das nicht. Ich fand es nur traurig, daß eines der Mädchen damals von einem fiesen Negativzauber nicht mehr selbstlebend gemacht wurde. Im Eauvive-Haus gibt's ein Bild, was sie mal selbst gemalt hat. Das hat Julius Latierre 2030 gestiftet, weil er vor lauter Kinderbildern und denen seiner ersten Enkel keinen Platz mehr im Haus hatte." Wieder lachte das Publikum. Vor allem die Roten gröhlten amüsiert. "Aber diese Laurentine Hellersdorf, die keine Hexe sein wollte, hat da wohl irgendwie eine Kurve gekriegt und wollte dann doch alles können", sagte Suzanne Leblanc. Wieder lachten alle.

"Echt?! Muß dann wohl auch 1996 gewesen sein. Mann, wenn ich überlege, daß das jetzt schon zweiundvierzig Jahre her ist. Wahnsinn! Was macht die denn heute?"

"Würde ich auch gerne wissen", sagte die als Suzanne Leblanc auftretende Laurentine. Wieder lachten viele, jetzt vor allem die Grünen.

"Vielleicht hat die auch ein paar Ableger in die Welt gesetzt", vermutete Julius.

"Damals hießen die noch Kinder und mußten von den Hexen noch selbst geboren werden. Hast du doch gesehen, wie das bei Constance Dornier war. Die war ja die drittletzte, die das in Beauxbatons gemacht hat."

"Ja, ich weiß. Seitdem unsere Eltern das mit ihren Nichtzauberkraftträgern zusammen durchgesetzt haben, daß die keine eigenen Ableger mehr aus ihren Körpern selbst herausschlüpfen lassen müssen, wenn sie nicht zur Sekte der Naturalisten gehören, wollten die Hexen auch nicht mehr von sich aus die Ableger ausbrüten und herauslassen. Hat ziemlichen Krach mit der Anführerin der magischen Naturalistinnen gegeben, als Forcas das Recht auf Schmerzlosen Nachwuchs gestattet hat."

"Würde Magna Mater Ursuline auch gerne wieder durchsetzen, daß eine Hexe nicht nur anders aussieht als ein Zauberer, sondern auch neues Leben aus ihrem eigenen Körper herausbringen muß, um als erwachsene Hexe zu gelten. Immerhin dürfen wir noch Vater und Mutter zu unseren Eltern sagen. In hundert Jharen sind das vielleicht Schimpfwörter." Wieder lachten welche im Publikum, darunter auch die Mütter Faucon, Bellart, Dirkson und die noch-Schülerinnen Mildrid und Sandrine.

"Ist nur Negativzeitausnutzung, uns drüber zu bereden, was in hundert Jahren ist. Die damals hätten auch nicht gedacht, was in den zwei Jahren, wo der Mordlüsterne Sternenpuster Riddle die Welt herumjongliert hat alles passiert", sagte Suzanne Leblanc. Dann rief sie die erste von vier Szenen aus dem dunklen Jahr auf, in der Madame Maxime, wieder von Céline gespielt, davon träumte, alle Schüler seien zu Skeletten geworden, weil sie keinen gefunden hatte, der für sie die Gründer um Speis und Trank bitten konnte. Es ging dann mit einem schauerlichen Gruselstück weiter, bei dem die scheinbar skelettierten Schüler davon schwärmten, jetzt keinen Hunger und Durst mehr zu haben und dabei mit ihren Knochen klapperten. Madame Maxime schrak aus dem Traum auf und hörte ein Lied in weiter Ferne. Sie sprang auf und freute sich. Dann trieb sie zwölf Schüler zusammen und jagte sie durch den Palast zu kleinen Räumen. "Und ihr kommt mir da erst wieder raus, wenn die Gründer zufrieden sind und den Lieferservice bestellen, der uns genug zu essen bringt!" sagte sie. Denn wie die Säulen der Gründer wirklich funktioniert hatten wollten die Beauxbatons-Schüler nicht verraten, wo die Hogwartianer und Greifennestler dabei waren. Es endete damit, daß in den sechs Hausfarben gekleidete Leute auf fliegenden Besen große Pakete heranschafften. Auch über dem Zuschauerraum regneten Bonbons, Kekse und eingepakcte Wurst- und Käsestücke herunter. Das war überhaupt der Akt schlechthin gewesen, die hereingezauberten Lebensmittel an einem Punkt im Palast bereitzuhalten und während des Stückes abzurufen. Denn das alles war echt. Nun träumte Madame Maxime, sie und alle anderen wären kugelrund und könnten nur noch rollen. Das löste wieder Lachen aus.

Dann kam eine gruselige Szene, bei der zehn der Akteure wie die Schlangenmenschen Skyllians aussahen und Jagd auf die Schüler machten, die gerade noch von den gemalten Gründern in deren Bilder hinübergezogen wurden, bis auf Julius, der gebissen wurde.

"Sei mir verbunden,
sei mir verbunden!
Jetzt und hier in allen Stunden!" dröhnte ein unheimlicher Chor, während Julius sich windend und zuckend immer mehr zum Schlangenmenschen wurde, bis Madame Rossignol, die von Belisama Lagrange gespielt wurde, ihn riesenhaft vergrößert an eine Pumpvorrichtung anschloß. Mit den Geräuschen von zwei Herzen und dem mechanischen Fauchen, Gluckern und Brodeln wurde die für Julius rettende Bluttransfusion nachgestellt. Am Ende verwandelte er sich wieder in sich selbst zurück. Doch ihn umfloß eine dunkelrote Aura. Er brüllte los wie der unglaubliche Hulk. Mit Verbindungsringen an die wieder Madame Maxime spielende Céline gekoppelt, mußte er mit ihr zwanzigmal über die Bühne laufen und dabei dieselben Bewegungen ausführen wie sie. Dann erst erkannte er wohl, daß er sich auch eigenständig bewegen konnte. Währenddessen dröhnte und kreischte es. Blitze zuckten. Einmal war genau über dem Zuschauerbereich der Kopf eines riesigen grauen Vogels zu sehen, aus dessen Schnabel ein gleißender Blitz in den Gang zwischen zwei Reihen schlug. Nicht wenige Schüler sprangen erschrocken auf und zur Seite. Dann erklang ein fröhliches Stück, zudem Céline und Julius ein Duett über die Blutsbrüderschaft zwischen ihm und Madame Maxime sangen. Dabei wurde Julius von Strophe zu Strophe ein wenig größer, bis er zwei drittel so groß war wie Madame Maxime.

In der nächsten Szene sah man Julius zusammen mit Madame Maxime am Lehrertisch sitzen und gierig auf die ganzen Schülerinnen und Schüler blicken, während eine verrucht rauhe Musik erklang. Dann rappte Apollo mit Unterstützung der anderen ein Jubelstück über den Untergang der Todesserherrschaft. Danach kehrte das Bühnenbild in die Ausgangszeit 2038 zurück.

"Oha, stelle ich mir auch fies vor, drei Monate lang hinter einer Halbriesin herzulaufen. Das hat doch sicher das Erbgut von diesem Julius Latierre durcheinandergebracht", sagte Martin Dupont.

"Immerhin hat er wohl im Jahr darauf einen gesunden Genableger mit Magna Mater Ursulines Enkeltochter hinbekommen. Die war ja die vorletzte, die in Beauxbatons ein eigenes Neuleben aus sich herausbrachte", sagte Suzanne Leblanc. "In dem Jahr war ja auch noch das letzte trimagische Turnier. Muß ziemlich heftig gewesen sein, mit einem Würfel, einem Feuerdschinn und am Ende mit einem Turm, in dem echte Negativgeister, die damals noch Nachtschatten hießen, gelauert haben."

"Gut, Seitdem die Nichtzauberkraftträger mehrere hundert Sonnenspiegel in geostationäre Umlaufbahnen geparkt und die der Erde zugekehrte Mondseite komplett mit Spiegelglanzbeschichtung bedampft haben gibt's ja keine richtige Nacht mehr. Frag mal wen von den ganz kleinen, ob die noch eine echte Dunkelheit im Freien gesehen haben!" Im Publikum regte sich Unmut. Einige dachten wohl, daß die Muggel wirklich sowas mit dem Nachthimmel anstellten, nur um kein Licht mehr auf der Erde selbst leuchten lassen zu müssen.

"Ja, weiß ich. Deshalb ist Astronomie ja bei uns auch vom Stundenplan geworfen worden. Du müßtest ja schon mit einer Rakete in die Erdumlaufbahn oder auf die erdabgewandte Mondseite, wo keine Spiegelfläche ist."

"Komm, zeig mir mal, wie das damals noch war, wo Beaux einen eigenen Strandabschnitt hatte."

"Und das Turnier. Machen wir doch alles in einem", erwiderte Suzanne Leblanc und rief die zweite Runde des trimagischen Turniers aus der Truhe, wobei die gefährlichen Sachen da mal wieder ins lächerliche gezogen wurden. So sang der Schreckenstaucher das Lied vom Garten eines Kraken, die Riesenspinnen tanzten ein Ballett um die Champions herum, die Harpyien spielten mit den Champions Basketball, um den Durchlass zu erlauben, und die Feuerdschinnen ließen es zu, daß Hubert, Laurentine und Gloria auf ihnen Steaks und Würstchen brieten. Hubert rief aus dem Publikum: "Schön wär's, Leute!" Das zog ein Lachen und Klatschen nach sich.

"Achtung Achtung! Alle Schülerinnen und Schüler mögen sich für das Schuljahresabschlußfest bereitmachen. Die Gastronomiegruppe ist mit den Vorbereitungen fertig. Ich rufe Mademoiselle Leblanc und Monsieur Dupont auf, endlich aus dem Archiv herauszukommen. Denken Sie, ich hätte das nicht bemerkt, wie Sie die von mir errichtete Truhe der vergangenen Zeiten beansprucht haben. Wenn Sie nicht noch mit eintausend Strafpunkten um ein Unterrichtsjahr zurückgestuft werden wollen, dann hören Sie jetzt gefälligst mit den unerlaubten Experimenten auf!" klang die täuschend echt nachempfundene Stimme Madame Faucons aus dem Nichts.

"Okay, gehen wir zur Abschlußfeier. Schön, daß es das noch gibt, wo sich so viel verändert hat", sagte Martin Dupont.

"Ja, und die Strafpunkte", grummelte Suzanne Leblanc.

"Immerhin haben sie sie nicht Negativrückkopplungspunkte genannt, wie Professeur Brickston das vor zehn Jahren vorgeschlagen hat, als sie alle Begriffe aus der magielosen Welt umsetzen wollte", erwiderte Julius.

"Komm, machen wir uns auf zum Festsaal", sagte Suzanne. Martin schulterte seinen einem alten Ghettoblaster nachempfundenen Abspielapparat und folgte seiner Dialogpartnerin durch die verborgene Tür in den Kulissen. Diese rotierten, stellten sich um und formten einen großen Festsaal. Durch die genau auf der entgegenliegende Seite traten die beiden wieder ins Geschehen ein. Noch war keine Madame Faucon zu sehen. So drückte martin noch einmal auf die Abspieltaste seines tragbaren Rekorders, worauf ein gerapttes Stück erklang, bei dem Julius und Apollo im Duett auftraten. Der Klang verschob sich so, daß es nun so zu hören war, daß die beiden Interpreten leibhaftig auf der Bühne standen. Und da tanzte auch Apollo Arbrenoir auf die Bühne.

"Länge, Breite, Höhe, Zeit,
eng oder unendlich weit,
geben unserer Welt Lauf und Gestalt.
Gestern heute und auch morgen,
alte und ganz neue Sorgen,
treiben uns und dulden keinen Halt", rappte Apollo alleine.

Alle Mühe, Lust und Pein,
mag sie noch so heftig sein,
hält uns alle voll auf Trab im Jetzt und hier", setzte Julius fort.

"Doch was immer war und sein wird, 
was uns alle treibt und anführt", sprechsangen beide zusammen. Dann erklang durch Plattenkratzer zerhackt und leierig klingend die letzten Zeilen des Abschiedsliedes: "Maman Beauxbatons, dafür danken wir." 

"Heute rein und morgen raus,
mann, das hält doch keiner aus!
G'rade erst gekommen müssen wir schon wieder geh'n", war wieder Apollo alleine dran.

"Doch was bringt es nur zu jammern, 
uns an längst vergang'nes klammern,
denn die Welt um uns will sich doch weiterdreh'n", setzte Julius fort.

"Doch was immer war und sein wird,
was uns alle treibt und anführt", waren wieder beide dran, gefolgt von dem aufgezeichneten Kehrreimende "Maman Beauxbatons, dafür danken wir." Danach folgte nur die Musikalische Begleitung, während der Céline Dornier in einem Mauvefarbenen Umhang und mit saphirblau gefärbten Augen auf die Bühne kam und laut "Was, Was!? Können Sie das nur noch auf diese eintönige, melodielose Weise singen. Sie zerstören unser schönes Abschiedslied. Sie töten den Kunstverstand und die Tradition, von denen es immer weniger gibt. Ich verbiete Ihnen, so mit unserer erhabenen Abschiedshymne umzuspringen." Aus dem Publikum ertönte Beifall und Jubel, auch und vor allem von den Lehrern. "Aber ich befürchte, daß die Saat des Verderbens bereits aufgegangen ist und niemand in diesem Raum mehr das altehrwürdige Lied mitzusingen versteht", lamentierte die als Madame Faucon auftretende Céline. "Sie, Dupont, stellen dieses Facsimile muggelweltlicher Musikentseelung bitte aus und legen es ab."

"Wozu, die Leute hier können doch das alte Lied gar nicht mehr ganz. Selbst wenn Sie den Text dazu in die Luft schreiben kriegt doch keiner mehr die Melodie hin", protestierte Martin Dupont. Da löste sich sein Abspielgerät in Nichts auf. "Diesen Versuch will ich wagen, um zu ergründen, ob unsere altehrwürdige Lehranstalt wirklich schon dermaßen abgewirtschaftet hat", schnarrte die gespielte Madame Faucon. Sie schrieb einige Minuten lang den Text des Abschiedsliedes in die Luft, während einige Musiker im Hintergrund bereits die Kehrreimmelodie anstimmten. Dann postierten sie sich alle vom Festkomitee auf der Bühne. "Nun, so lassen wir es klingen, und alle hier im Saal, mögen dazu singen", blieb Apollo noch im Rappermodus. Dann dirigierte Céline mit ihrem Zauberstab, und zu den selbst spielenden Musikern erklang nun die Eröffnung des bereits mehrere Jahrhunderte alten Abschiedsliedes.

Die Jungen und Mädchen auf der Bühne sangen es an, und alle Beauxbatons-Siebtklässler stimmten unverzüglich mit ein.

 

"Maman Beauxbatons, auf Wiedersehen!
Nun möchten wir auf eig'nen Füßen stehen.
Bist so weise und so alt.
Gabst uns allen rechten Halt.
Tatest auf für uns zur weiten Welt die Tür.
Maman Beauxbatons, dafür danken wir.

Für sieben Jahre gabst du uns
ein sicheres Zuhaus.
Du lehrtest uns, du nährtest uns
und schimpftest uns auch aus.
Doch jedes dieser Jahre
hat uns Stark und klug gemacht.
Nun sind sie schnell verflogen all.
Wer hätte dies gedacht?

Maman Beauxbatons, auf Wiedersehen!
Nun möchten wir auf eig'nen Füßen stehen.
Bist so weise und so alt.
Gabst uns allen rechten Halt.
Tatest auf für uns zur weiten Welt die Tür.
Maman Beauxbatons, dafür danken wir.

Von unseren Ahnen sahst du viele
kommen und auch gehen.
Mancher davon kam zurück
und half dir beim Bestehen.
Einst werden unsere Kindeskinder
bei dir zur Lehre gehen.
Maman Beauxbatons, auf Wiedersehen!

Maman Beauxbatons, auf Wiedersehen!
Nun möchten wir auf eig'nen Füßen stehen.
Bist so weise und so alt.
Gabst uns allen rechten Halt.
Tatest auf für uns zur weiten Welt die Tür.
Maman Beauxbatons, dafür danken wir."

Der Kehrreim wurde nun auch von dem Orchester übernommen und dreimal wiederholt. Dann klang die Musik aus.

Während das Lied erklang, änderten sich die Haare und Augen der Akteure, die wen anderen dargestellt hatten als sich selbst. Julius bekam wieder sein hellblondes Haar und seine hellblauen Augen. Céline bekam ihre smaragdgrünen Augen wieder, und Laurentine, die sich wie Julius dunkles Haar verpaßt hatte, wurde auch wieder blond. Als die Musik verklungen war, sangen die Siebtklässler weiter, die auf der Bühne und die im Publikum. Sie wollten nicht aufhören, wollten diesen wiederbeschworenen Geist der alten Tradition und der gemeinsamen Zeit nicht so schnell wieder vergehen lassen. Drei Minuten lang dauerte dieser Nachgesang, den sie wohl nicht als Abgesang deuten wollten. Dann erst war Ruhe. Stille legte sich über die Zuschauerreihen. Erst als es allen klar wurde, daß die Aufführung nun ganz und gar vorbei war, klatschten die ersten. Aus den wenigen wurden immer mehr, bis die ganze Aula im Beifallssturm erbebte. Julius fühlte eine Mischung aus Trauer und Erhabenheit, nicht nur von sich ausgehend. Fünf Jahre gingen nun zu Ende. Er, der bei seinem ersten Flug hierher schnellstens von hier fort wollte, hatte es dann doch diese fünf Jahre ausgehalten. Die anderen um ihn herum hatten sogar alle sieben Jahre geschafft. Morgen war die Abreise. Was dann kam war Neuland für jeden. Einige würden weiter in Kontakt bleiben, vor allem die, die in Millemerveilles wohnten oder dort Freunde und Verwandte hatten. Andere würden sich ihre ganz eigenen Wege suchen. Die Zaubererwelt war klein, fast eine in sich geschlossene Welt. Doch es würde immer wieder neue Leute geben, die es wert waren, sich mit ihnen zu befassen. In elf Jahren würden alle Kinder nach Beauxbatons kommen, die in diesem Schuljahr auf die Welt gekommen waren, darunter Millies und seine Tochter Aurore Béatrice. Und wenn diese einmal selbst Kinder hatte, würden diese elf Jahre nach ihrer Geburt hierherkommen. Irgendwie blieb doch was von ihm hier oder würde zurückkommen und neues erschaffen. Oder würde er doch irgendwann dem Ruf folgen, den magischen Nachwuchs zu unterrichten, Beauxbatons beim Bestehen helfen? Vielleicht war das gerade nur angedachte Jahr 2038 ein Jahr, in dem er zu denen gehören würde, die hier unterrichteten, falls er nicht nach Hogwarts ging, um den Kindern oder Enkeln der Leute zu helfen, die von dort zum trimagischen Turnier angereist waren. Doch das lag für ihn im Moment weit weg. Da war ihm die Vergangenheit wesentlich näher und greifbarer, auch wenn sie natürlich nicht mehr umzukehren oder besser zu machen war.

"Madame Faucon, Professor McGonagall, Gräfin Greifennest, Messieursdames vom Lehrkörper, liebe Mitschülerinnen und Mitschüler, wir freuen uns, daß unsere Aufführung guten bis sehr guten Anklang gefunden hat", sprach Céline zu den Zuschauern. "wir vom Festkomitee des Abschlußjahrgangs 2000 möchten uns bei Ihnen und euch recht herzlich bedanken, daß Sie und Ihr es mit uns ausgehalten habt, ob jetzt gerade ein Dreivierteljahr, wie unsere Gäste aus Hogwarts und Burg Greifennest, ein Jahr, wie die Mitschülerinnen und Mitschüler aus der ersten Klasse oder sechs Jahre, wie alle, die ein Jahr nach uns in diese altehrwürdige Schule aufgenommen wurden. Ich weiß nicht, ob ich wirklich gute Reden halten kann. Deshalb nur noch einmal unseren zu tiefst empfundenen Dank für die Zeit, die wir mit euch allen verbringen durften." Céline verbeugte sich und löste damit tosenden Beifall aus. Die Akteure wollten sich schon umwenden, als von allen her Lau-ren-tine-Sprechchöre erklangen. Die trimagische Siegerin 2000 errötete leicht. Doch Céline drängte sie nach vorne. Laurentine verbeugte sich etwas verhalten. Sofort setzte Stille ein. Laurentine straffte sich und sprach für alle verständlich:

"Meine Damen und Herren, liebe Mitschülerinnen und Mitschüler, ich möchte nicht mehr sagen, als meine Klassenkameradin, Schlafsaalmitbewohnerin und Freundin Céline Dornier gerade gesagt hat. Da ihr aber so lautstark nach mir gerufen habt, möchte ich nur noch drei Sätze sagen:

Ich entschuldige mich bei allen, denen ich in den ersten vier Jahren meiner Schulzeit Ärger, Mühe und Verdruß gemacht habe. Ich habe gelernt, das zu sein und zu tun, wozu ich geboren bin, mit allen Möglichkeiten und Folgen. Ich bedanke mich noch einmal ganz herzlich bei Ihnen und euch, die mich während des trimagischen Turniers unterstützt und an mich geglaubt haben, vor allem meine Kameraden aus der siebten Klasse. Vielen Dank Ihnen und Euch allen!" Wieder brandete lautstarker Beifall und Jubel auf. Rhythmisches Stampfen erklang. Dann stimmten alle Beauxbatons-Schüler den Kehhreim des ersten Raps an, der ja auch eine Parole für sich war: "Zauberer und Hexen, das sind wir!
Hier in Beauxbatons da lernen wir!"

Daraufhin fühlten sich die Delegationen aus Hogwars und Greifennest berufen, ihre jeweiligen Schullieder anzustimmen. Julius kannte das Hogwarts-Lied noch, auch wenn er es nur wenige Male gehört und einmal mitgesungen hatte. Unter den rhythmischen Rufen der Schüler bestieg nun die wahrhaftige Madame Faucon die Bühne und gratulierte der Regisseurin Céline und dann den Haupdarstellern Laurentine, Apollo und Julius zur gelungenen Aufführung. "Ich hoffe doch, daß die Funktion einer Zukunftsdarstellung auch in diesem Fall greift, unerwünschtes oder verderbliches, was sich aus der Gegenwart heraus entwickelt, nicht in unsere Zukunft hineinwachsen zu lassen und die erdachten, ja befürchteten Zustände von übermorgen heute schon unmöglich zu machen", sprach sie zu Julius, von dem sie wußte, daß er ja die Idee dieser Mischung aus Rückschau und Vorschau gehabt hatte.

"Das hoffe ich auch immer, wenn ich Geschichten aus dem zweiundzwanzigsten oder noch späteren Jahrhundert lese oder im Fernsehen oder Kino mitbekomme, Madame Faucon. Sogesehen hoffe ich auch, daß die, die in vierzig oder vierhundert Jahren nach uns hierherkommen noch die Schule vorfinden, wie wir sie morgen verlassen."

"Es heißt, Fortschritt lasse sich nicht aufhalten. Doch wenn er in die Entwertung von Menschlichkeit führt, so gilt es doch, ihn zumindest zu bremsen oder in eine dann doch menschlichere Bahn umzulenken", sagte Madame Faucon. Dann wandte sie sich an die übrigen Darsteller und Helfer hinter der Bühne. Sie bedankte sich bei jedem einzelnen. Dann kehrte sie noch einmal zu Laurentine zurück und sprach gerade leise genug, um im immer noch anhaltenden: "Zauberer und Hexen das sind wir" von ihr verstanden zu werden:

"Ich bin sehr froh, daß Sie ohne anhaltenden Druck von außen Ihren Weg gefunden und sich mit Ihrer Natur versöhnt haben. Sie haben Beauxbatons bereichert, ja auch dadurch, wie sie sich hier entwickelt haben. Daher ist es an uns von der Akademie, Ihnen für die Jahre der Mitarbeit und Vorbildhaftigkeit zu danken. Ich bin sicher, daß auch Ihre Eltern ihren Frieden damit finden werden, eine so intelligente, kreative und auch einsatzfreudige Tochter zu haben, auch wenn deren anerzogene Weltanschauung es Ihnen zunächst erschwert, mit Ihrer Natur als Hexe leben zu können. Geben Sie die Hoffnung nicht auf, eines Tages wieder mit ihnen zusammen sein zu können!"

"Ich fürchte, Madame Faucon, der Zug in diese Richtung ist leider schon abgefahren", erwiderte Laurentine und übersetzte, daß sie nicht mehr glaubte, daß es noch eine Möglichkeit gab, sich ohne ihr neues Leben aufgeben zu müssen mit ihren Eltern zu vertragen. Madame Faucon bekräftigte dann noch einmal, daß sie niemals die Hoffnung aufgeben sollte.

"Ich habe auch einmal gedacht, die Welt, in der es sich zu leben lohnt, würde zerstört und ich würde mit ihr sterben. Ich mußte schwere Rückschläge hinnehmen und konnte doch wieder Hoffnung und Zuversicht schöpfen. Sie können das auch. Sie werden es erfahren." Dann stellte sie sich noch einmal in den Bühnenvordergrund und bat um die Aufmerksamkeit der Zuschauer.

"So bleibt mir nur noch, den mutigen und schöpferischen Damenund Herren, die in Stellvertretung aller Schülerinnen und Schüler ihrer Jahrgangsstufe diesen Festabend eröffnet haben, für ihre abwechslungsreiche, beschwingende, aber auch zum Nachdenken auffordernde Aufführung zu danken. In der Welt der Menschen ohne Magie gelten Geschichten, die in einer wie weit auch immer entfernten Zukunft angesiedelt sind als eigener Zweig der unterhaltenden Kunst. Doch durch die Hintertür der durch die reine Unterhaltung eindringenden Botschaften entwerfen die Autoren solcher Geschichten Modelle für eine Welt, in die es sich zu investieren lohnt, aber auch düstere Angstvorstellungen von einer Welt, die aus den Fehlern von heute entstehen kann. Jeder von uns, von mir und den beiden hochverehrten Kolleginnen über die Kolleginnen und Kollegen des Lehrkörpers zu Ihnen von der werten Schülerschaft, hat die Gabe und die Verpflichtung, jeden Tag neu daraufhinzuarbeiten, daß unser aller Zukunft ein erstrebenswerter Ort ist, ein Ziel, auf das wir jeden Tag neue Hoffnung richten können. Auch die gerade zu Ende gegangene Aufführung zeigt es, daß es Dinge gibt, die sich zu bewahren lohnen und solche, die das bereits vorteilhafte ergänzen, aber auch solche, die das lebenswerte vergiften können. Allein schon der Gedanke daran, daß irgendwer in der Welt meint, die erhabene Einteilung von Tag und Nacht zu beenden oder das die Natur von Männern und Frauen verachtet wird und es womöglich keine Familien mehr geben mag, erscheint mir zu tiefst widerwärtig. Ausgerechnet eine ehemalige Mitschülerin von mir als Vorkämpferin einer Umkehr zur lebenswerten Partnerschaft zwischen Hexen und Zauberern zu vermuten birgt sowohl Erheiterung wie Nachdenklichkeit in sich. Ob es einmal zu einem Aufstand der Hauselfen kommt liegt nicht zuletzt daran, wie wir mit diesen Zauberwesen umgehen, daß wir trotz ihrer bedingungslosen Unterwürfigkeit dazu finden, sie als respektable Mitgeschöpfe zu achten und sie nicht als lebendigen Hausrat zu sehen. Gelingt uns das, so werden wir in den gerade projizierten achtunddreißig Jahren immer noch wirkliche Speisen und Getränke genießen dürfen, wofür ich sehr sehr stark eintreten möchte. Daß die Damen und Herren, die gerade diesen Abend eröffnet haben davon ausgehen, daß ich in den kommenden Jahrzehnten noch diese erhabene Akademie führen werde stimmt mich sowohl erfreut wie beklommen. Ich freue mich, daß ich bisher den Eindruck gemacht habe, daß man es unter der mir verliehenen Führung gut bis sehr gut aushielt, muß jedoch daran denken, was ich bereit bin, für dieses hohe Amt zu geben. Das mag nicht immer angenehm sein und ich durfte in den beiden Jahren, die ich nun hauptamtliche Leiterin bin, auch erfahren, daß Situationen eintreten können, in denen die Last der Verantwortung tonnenschwer auf der Seele lasten kann. Vielleicht sehe ich hier auf der Bühne oder bei Ihnen im Publikum schon jemanden, der oder die eines Tages dieses hohe Amt übernehmen wird." Lautes Kichern klang aus dem Publikum. "Schließen Sie das nicht grundweg aus. Als ich die siebte Klasse vollendete, fiel mir auch nicht ein, hierher zurückzukommen und womöglich die Kinder derer zu unterrichten, mit denen ich entweder gut oder weniger gut auskam. Also verlachen Sie es nicht so einfach. Im Moment sind es abzüglich der ab morgen in Ehren entlassenen Schülerinnen und Schüler achthundertneunundreißig Schülerinnen und Schüler. Die wahrscheinlichkeit, daß einer von Ihnen irgendwann in den nächsten Jahrzehnten von mir persönlich oder einem Nachfolger von mir dieses hohe Amt übergeben bekommt, ist also nicht gerade klein. Insofern bestärke ich meine Behauptung und sage nicht nur, daß ich vielleicht den künftigen Schulleiter oder die künftige Schulleiterin von Beauxbatons unter Ihnen sehe, sondern daß einer oder eine von Ihnen es eines Tages wird, wie Sie gerade dort in der Aula oder auf der Bühne anwesend sind. Ja ja, ich erkenne am belustigten Grinsen der Gäste aus Hogwarts und Greifennest, daß sie sich dort kategorisch von meiner Behauptung unangesprochen fühlen. Doch wenn ich Professeur Dirkson sehe, die wie elf unserer Gäste in Hogwarts zur Schule ging, sollten Sie das auch nicht kategorisch ausschließen, daß nicht doch einer oder eine von Ihnen eines Tages erst als Mitglied des Lehrkörpers und schlußendlich als hauptamtlicher Schulleiter oder Leiterin dieser Akademie zurückkehren. Nun, der Worte sind genug gewechselt. Noch einmal vielen Dank für die Darsteller dieser Aufführung. Mögen wir uns nun alle während des Schuljahresabschlußballes mit Tanz und Unterhaltung einander freuen, daß dieses Jahr so erfolgreich zu Ende ging." Die Hogwartsschüler und die aus Greifennest verzogen die Gesichter. Für sie war es wohl kein erfolgreiches Jahr gewesen. Doch Madame Faucon ging nicht mehr darauf ein. Sie winkte den auf der Bühne versammelten und stieg zurück zum Parkett.

Mit dem Schnellankleidezauber schlüpften alle Darsteller in ihre Festkleidung zurück und verließen die Bühne über die Treppen zum Parkett. Julius und Céline sammelten die ausgeteilten Fähnchen wieder ein. Dann konnten sie endlich zu ihren Freunden und Angehörigen zurückkehren, während auf der Bühne das Orchester Melodia Magica Aufstellung nahm, um den verbleibenden Abend mit Tanzmusik auszufüllen.

Der erste Tanz gehörte seiner Frau. Als Julius sich mit ihr zu einem Wiener Walzer drehte, hauchte sie ihm zu: "Das hat wohl noch keine Abschlußklassengruppe hinbekommen, daß die Schulleiterin noch mal so lange redet. Aber wer von euch kam auf die fiese Idee, irgendwann könnten Hexen und Muggelfrauen keine eigenen Kinder mehr kriegen wollen?"

"Wenn du so fragst, Millie, dann ist die Idee ja schon sehr alt. Sich vorzustellen, daß irgendwann keine Kinder mehr von ihren Müttern geboren sondern in Zuchtstationen in Bruttanks gezüchtet werden ist ja schon häufiger aufgegriffen worden, erst um die achso unverrückbaren Werte ins Gegenteil umzudrehen, dann als Ausgleich gegen die Überbevölkerung, wo nur Computer bestimmen, wie viele Menschen es geben soll und dann durch die Erfolge bei der künstlichen Befruchtung und den ersten Klonen an Tieren. Als ich das in Bokanowskis Burg mitbekommen habe, daß die magische Welt der Muggelwissenschaft da schon um Jahrzehnte oder Jahrhunderte voraus ist, hat es mich auch gegraut, daß das das heute schon möglich ist. Andererseits kann ich mir nachdem, wie es bei Constance, dir und Sandrine ablief auch vorstellen, daß es Frauen gibt, die lieber keine eigenen Kinder kriegen wollen, wenn das so weh tut."

"Ja, aber gerade bei mir hast du es hautnah mitbekommen, daß ich trotzdem, daß unsere Kleine mir heftig zugesetzt hat sehr glücklich war, sie selbst zur Welt bringen zu dürfen. Das ist was, daß mir gezeigt hat, wofür mein Körper da ist, ja auch das, was er aushalten kann. Das ist mir sehr wichtig und hat mich auch nicht davon abgebracht, das noch einmal und noch einmal durchzumachen. Und du hast es mit uns beiden auch ausgehalten."

"Stimmt, hast recht", erwiderte Julius. "Ich habe es mit euch ausgehalten. Aber ob ich das geschafft hätte, das durchzustehen, was du aushalten mußtest, weiß ich nicht. irgendeine Hebamme, deren Name mir gerade nicht einfällt, hat mal behauptet, daß wenn Männer die Kinder bekämen, die Menschheit schon längst ausgestorben wäre."

"Was eigentlich Unfug ist, weil die Männer dann ja von der Natur mitbekämen, sowas auszuhalten", erwiderte Millie darauf. "Wir hatten es doch schon ein paar mal davon, warum das mit dem Kinderkriegen überhaupt noch läuft, wo das doch so viel Kraft und Zeit und was sonst noch alles kostet und es ja genug Verhütungssachen gibt. Aber daß ihr Oma Line zur Führerin einer Gruppe von Naturverbundenen erklärt habt, ich meine, euer Stück hat doch achtunddreißig Jahre von heute an gespielt. Da wäre sie schon über hundert Jahre alt. Aber für Hexen und Zauberer ist das ja noch kein wirklich heftiges Alter."

"Stimmt", erwiderte Julius, der an seine angeheiratete Urgroßmutter Barbara denken mußte.

"War auf jeden Fall lustig, die Lehrer dabei anzusehen, wie die zu euren Sprechreimstücken geguckt haben. Professeur Fixus ist ja richtig verbittert gewesen. Madame Faucon hat fast versteinert geguckt, weil sie euch das hat durchgehen lassen, obwohl sie es selbst nicht mag. Aber wenn der Rhythmus stimmt geht diese Art von Musik tatsächlich. Vielleicht hast du Apollo damit auf was gebracht, womit der mal viele Galleonen machen kann. Denn wenn das bei den Muggeln in unserem Alter total beliebt ist, kann der auch bei denen Geld machen. Das wird der sicher brauchen, wo Leonie schon davon träumt, sein erstes Baby auszutragen."

 

"Ich denke, den hat's nur begeistert, was machen zu können, wo er uns allen zeigen konnte, daß er Rhythmus im Blut hat. Ich denke nicht, daß der sein ganzes Leben lang rappen will."

"Kann sein, Julius. Walzertanzen ist ja auch ganz schön."

"Ja, das stimmt", bestätigte Julius.

Nach dem Walzer kamen schnellere Tänze. Julius war froh, mit Millie auch diese wieder tanzen zu können. Allerdings bewarben sich auch andere wie Pina Watermelon und Bärbel Weizengold darum, mit ihm zu tanzen. Bei den gemächlicheren Tänzen wurde er von weiteren Damen aufgefordert, darunter auch Madame Faucon, die es sich nicht nehmen lassen wollte, vor dem Sommerball von Millemerveilles noch einen Walzer mit Julius zu tanzen. Sie bedankte sich noch einmal für seine Einsatzbereitschaft und Mithilfe, Beauxbatons als sicheren Ort und anerkannte Lehranstalt zu bewahren.

Bei einem langsamen Walzer bat Professor McGonagall darum, mit ihm zu tanzen.

"Ich bin sehr stolz und auch glücklich, dieses Jahr mit ansehen zu dürfen, daß Sie Ihren Weg in die Zaubererwelt aufrecht und mutig gegangen sind, Monsieur Latierre. Dadurch haben Sie auch Hogwarts einen großen Dienst erwiesen. Denn durch ihr vorbildliches Betragen und Arbeiten haben Sie bestätigt, daß es nicht nur praktisch, sondern wichtig ist, Jungen und Mädchen mit magischer Begabung ohne magisch begabte Eltern aufzunehmen und zu unterrichten. Für diese Jungen und Mädchen haben sie eine fast zugefallene Tür wieder sperrangelweit geöffnet."

"Auch wenn mir so Leute wie Jack Bradley das nicht gedankt haben?" fragte Julius bewußt provokant.

"Ich habe Ihnen damals die Gelegenheit gegeben, sich mit diesen Schülern direkt auseinanderzusetzen. Sie haben diese Gelegenheit jedoch grundweg abgelehnt, wenn Sie sich daran erinnern", fauchte die Schulleiterin von Hogwarts.

"Und das würde ich heute immer noch tun, Professor McGonagall. Die wollten sich nur streiten, mir für alles die Schuld geben, was mir selbst passiert wäre, wenn ich in England geblieben wäre. Diese Zeitverschwendung mußte ich mir damals nicht antun und werde es auch in hundert Jahren nicht, sofern ich nicht echt mal daran denken mag, in Beauxbatons oder Hogwarts als Lehrer anzufangen. Komplett ausschließen kann und will ich das nicht. Aber im Moment steht es nicht unter den oberen zehn auf meiner Liste möglicher Berufswünsche."

"So erging es mir auch, als ich so jung war wie Sie. Ich wollte auch meine erlernten Fähigkeiten nutzen, ausprobieren, was ich damit alles konnte, ohne anderen zu schaden. Insofern akzeptiere ich die von Ihnen selbst vorgebrachte Einschränkung. Ich wollte wie erwähnt auch nur bekunden, daß es mich im höchsten Maße erfreut und bestätigt hat, Sie in unsere Schule aufzunehmen, auch wenn Sie aus hinlänglich bekannten Gründen veranlaßt waren, sie nach nur zwei Jahren wieder zu verlassen. Aber ich werte ihren hervorragenden Abschluß hier auch als Erfolg für Hogwarts. Der zu früh von uns gegangene Professor Dumbledore hätte Ihnen mit absoluter Sicherheit dasselbe Wohlwollen bekundet, wenngleich er womöglich noch irgendwelche humoristischen Einwürfe gemacht hätte." Julius bestätigte diese Ansicht durch ein Nicken.

Bei einem Tango durfte er mit Professeur Dirkson tanzen, die sich freute, daß er sich so vielseitig und dabei nicht streberhaft gezeigt hatte. "Aurora hat auf jeden Fall nicht übertrieben, als sie mir schrieb, daß du es wert seist, daß sich Leute dafür interessieren, was du machst. Was immer du machst, ob du in ihrem erlesenen Club der Heilmagier anfängst oder im Ministerium oder in einer Firma wie Nimbus, Weasleys Zauberscherzladen oder Prazap, dir stehen eine Menge Türen offen."

"Danke für den Zuspruch", sagte Julius und wünschte ihr weitere schöne und nicht zu frustrierende Jahre in Beauxbatons. Denn wenn wieder wer wie Laurentine oder Hanno Dorfmann nach Beauxbatons kommen würde, mochte das gute Bild, was sie von Muggelstämmigen hatte, schnell in tausend Stücke gehen.

"Hanno war ein armer, kranker Junge, der mehr Mitleid als Ablehnung nötig hatte, und Laurentine mußte schmerzvoll lernen, daß sie sich selbst am meisten weh tut, wenn sie gegen ihre eigene Natur ankämpft. Und ich sage dir was, was meine Vorgesetzte vielleicht ungern hört: Wenn die ihr hier von Anfang an gezeigt hätten, daß es mehr Spaß macht, eine Hexe zu sein, als es eine Verpflichtung ist, mit den Fähigkeiten richtig umzugehen, wäre die nach dem ersten Jahr schon freudestrahlend wiedergekommen, egal, was ihre bedauernswerten Eltern für eine Meinung haben. Ich hätte diese ja gerne dieses Jahr noch einmal gesprochen, um ihnen zu sagen, daß sie was großartiges wegwerfen, wenn sie Laurentine nicht mehr lieben wollen. Aber die wollten ja nicht. Daraus habe ich gelernt, daß ich bei den nächsten Muggeleltern, die ähnlich voreingenommen oder ablehnend sind entsprechend drauf reagiere. Dir und deiner Familie auf jeden Fall mehr Freude als Leid, aber doch genug Mühe im Leben, um die leichten Dinge immer und überall hoch zu schätzen." Julius bedankte sich für diesen Wunsch.

"Wir rücken ja morgen schon ganz früh ab", sagte Waltraud, als sie noch mal mit Julius tanzte. "Auch wenn die Jungs das Turnier als Schlag ins Wasser runtermachen war ich verdammt stolz, hier noch mal hingekommen zu sein und hier die Prüfungen gemacht zu haben. Was immer du anstellst, mach es so, daß du dahinterstehen kannst, egal was!" gab Waltraud Julius mit auf den Weg. Dieser wünschte ihr das auch.

"Ich warte noch auf die UTZs. Wenn die echt auch bei uns in Deutschland anerkannt werden gehe ich womöglich zu den Lichtwächtern, was bei euch in Frankreich die Desumbrateure sind. Mit einem Verwandten in der Tierwesenbehörde könnte ich zwar auch Drachenhüterin werden. Aber mir liegt doch was dran, so Gesocks wie die Grindelwaldianer oder die Todesser oder diesen Hexenclub dieser schwarzen Spinne nicht zu groß werden zu lassen."

"Sowas ähnliches schwebt mir auch vor, wenn ich nicht in der Tierwesenbehörde anfange", erwiderte Julius darauf. Waltraud nickte. "Die nehmen dich mit Kußhand, wenn du denen eine Bewerbung schickst. Du kriegst bei dem Punktestand sicher ein parr unterstrichene Ohne-Gleichen-UTZs. Die wären total bescheuert, dich vor der Vorzimmertür stehen zu lassen."

"Meine Schwiegertante ist ja im Tierwesenbüro. Aber ich muß zusehen, ohne gute Beziehungen irgendwo reinzukommen, allein um zu wissen, daß es an mir liegt und nicht an denen, die ich kenne."

"Die Mischung macht's, Julius. Gute Beziehungen sind nicht zu verachten", sagte Waltraud noch. Dann war der Tanz auch schon wieder vorbei.

Gloria nutzte die Gelegenheit, mit Julius noch mal zu einem Foxtrott zu tanzen. "Schön, dass wir alle das Turnier überstanden haben. Danke für die interessante und kurzweilige Aufführung, auch wenn ich der Musikform Rap immer noch nicht viel abgewinnen kann, wohl gemerkt, der Musik, nicht der Art, Texte zu interpretieren. Apollo war da ja richtig in seinem Element. Vielleicht wird der mal Musiker bei den Schicksalsschwestern oder den Heptaphones."

"Traurig, daß ihr morgen schon zurückfahrt?" wollte Julius wissen.

"Eher, daß die sieben Jahre dann endgültig um sind, die ich mit Leuten wie Pina, den Hollingsworths, Holly und auch Kevin verbracht habe. Irgendwie merke ich jetzt, daß ich vielleicht doch das eine Jahr hätte wiederholen sollen, als ich mit den drei anderen aus Thorny zurückgekommen bin. Aber dafür bin ich ab übermorgen meine eigene Herrin. Und wenn die UTZs ähnlich ausfallen wie die restlichen Jahresendnoten klopfe ich an mehreren Türen an, um zu sehen, irgendwo reinzukommen, wo ich auch was für empfinde und nicht nur um des Geldes wegen."

"Bei deiner Mutter willst du nicht einsteigen?" fragte Julius herausfordernd.

"Sie und ich sehen das als Verschwendung meiner bisherigen Leistungskraft, ohne jetzt angeben zu wollen. Außerdem möchte ich auch mal das Gefühl haben, was eigenes hinbekommen zu haben und nicht auf einem von anderen beackertem Feld zu ernten oder mich in ein gemachtes Nest zu setzen. Wenn ich nicht so eine gewisse Abneigung gegen die Art, wie Kobolde ihren Profit vermehren wollen hätte, könnte ich über meinen Vater anfragen, ob die bei Gringotts noch was frei haben, jetzt, wo Bill Weasley nicht mehr da arbeitet. Aber das LI ist immer noch ganz oben auf meiner Berufswunschliste. Und du, Heiler oder Drachenhüter?"

"Nachdem, was Professeur Delamontagne uns in der letzten Stunde erzählt hat könnte ich auch zu den Desumbrateuren gehen. Aber im Moment ist mir eher nach was, wo ich auch mal in der Welt rumkommen kann. Mit den Kontakten nach hier, nach England, in die Staaten und nach Australien würde ich zumindest ein kurzzeitiges Wohnquartier finden. Wäre auch was, Parkwächter in Hidden Groves. Aber ich fürchte, da hätte Millie dann was gegen, und ob du oder Kevin mich für einen Pantoffelhelden haltet oder nicht, wie millie fühlt und denkt ist für mich zu wichtig, um das mal eben zu vergessen."

"Du wärest auch seltendämlich, aus Millemerveilles wegzuziehen, wo die die Schutzglocke gegen dunkle Zauberwesen haben. Nach all dem, was du erlebt hast und was ich von dir mitbekommen konnte - und ich habe garantiert nicht alles mitbekommen, was dir so aufgeladen wurde - bist du sicher froh, wenn du und deine Familie an einem doch sehr sicheren Ort wohnen. Und mit den Nachbarn kommst du ja auch klar, was verdammt wichtig ist, wie ich von meinen Eltern und Oma Jane mitbekommen habe. Da wegen eines kurzzeitigen Goldregenjobs anderswo hinzuziehen wäre wirklich ziemlich einfältig."

"Sagst du, sag ich. Aber das können sich leider nicht alle aussuchen, wo ihre Chefs sie hinschicken", seufzte Julius. Sicher hatte er schon jetzt genug Geld im Rücken, um sich seine Arbeitsbedingungen auszusuchen. Für Gloria galt ja das gleiche, wie auch für Millie. Aber Kevin oder Pina hätten da womöglich Probleme. Insofern war es für Laurentine verdammt günstig, das Turnier gewonnen zu haben. Tausend Galleonen waren schon ein gutes Startgeld. Doch das sagte er Gloria nicht. Er fragte sie nur, was sie außer dem LI machen wolle, wenn die Einstellungsbedingung nicht erfüllt wurde. Beide wußten, was er meinte. Denn wer das Laveau-Institut auch nur als Besucher betreten wollte, mußte das Wohlwollen der als Geist auf Erden verbliebenen Voodoo-Königin Marie Laveau erwerben, was hieß, daß sie ihn an Körper und Seele berührte und damit auf die Sicherungszauber des Institutes abstimmte.

"Sagen wir es so, Marie hat mich wohl bisher noch nicht erhört, weil es noch nicht so wichtig war. Falls sie jetzt weiß, daß es mal wichtig werden könnte, wird sie mich wohl irgendwann erhören. Und falls doch nicht käme ich wohl auch bei Prazap unter."

"Ich kenne eine erfolgreiche Konkurrentin von Prazap, die dich sicher auch anstellen würde."

"Ich weiß, Arcadia Priestley", erwiderte Gloria. "Wäre auch eine Alternative. Aber wenn dann möchte ich sie ohne Vorvermittlung anschreiben, auch wenn sie weiß, daß ich dich gut kenne. Bei dir ist das ja nicht so einfach, wo du in jeder größeren Ministerialabteilung einen Verwandten sitzen hast. Und die Heiler werden nicht locker lassen, wo du meines Wissens nach gleich fünf Heilerinnen kennst und mit deinen Noten sicher auch noch von Madame Rossignol was zu hören kriegst, daß du ja zusehen sollst, bei denen anzufangen. Außerdem hat mir ein Wind namens Melanie zugeflüstert, daß du demnächst noch eine Heilerin in die Familie bekommen würdest."

"Ich habe den Wetterbericht auch gehört", erwiderte Julius schmunzelnd. "Gutes Surfwetter in Kalifornien. Sicher fliege ich da in den Ferien noch mal hin."

"Also doch", grinste Gloria. "Wenn das konkret wird gib bitte meine herzlichen Grüße weiter, auch wenn das dann für dich eine große Umstellung sein wird."

"Mit Umstellungen habe ich es in den letzten sieben Jahren ja andauernd zu tun bekommen. Da werde ich die eine wohl auch noch packen", tat Julius so, als sei ihm das völlig gleich, ob seine Mutter einen neuen Mann für's Leben gefunden hatte.

"Das durfte ich ja oft genug mitbekommen", erwiderte Gloria lächelnd. Dann sah sie Carmen Deleste, die auf Julius zuhielt.

"Die wollen gleich einen Paso Doble spielen, Julius. Darf ich den mit dir tanzen, bevor du morgen für immer von hier wegfährst?" fragte die ein Jahr jüngere Pflegehelferin.

"Con mucho Gusto, Señorita", erwiderte Julius. Gloria und Carmen grinsten, wobei Carmen sogar zu strahlen begann. "Du lernst spanisch? Schön, kannst du dich mit meiner Oma Aurelia unterhalten, wenn Esmeralda die Babys von eurem Dusty bekommen hat und sie eins davon haben will."

"Ui, Myrna hat recht, der Bursche läßt auch echt keine aus, die einmal rollig wurde", erwiderte Gloria. Dann wünschte sie Julius noch einen schönen Tanzabend.

Der spanische Tanz gefiel Julius, auch wenn er erst einmal die richtige Schrittfolge herausbekommen mußte. Dabei unterhielt er sich mit Carmen über die gemeinsamen Pflegehelferjahre. "Danke, daß ich mir das ansehen durfte, wie eine Hexe Mutter wird. Ist für mich sicher sehr wichtig, wenn ich selbst einmal ein Kind oder zwei haben möchte", sagte Carmen zum Schluß und erwähnte dann noch, daß sie bereits eine Eule von einem Monsieur Lamarc erhalten habe, daß im Falle einer erfolgreichen Befruchtung alle Jungen Esmeraldas ins Zuchtregister aufgenommen würden, wenn auch nicht als vorrangig für Nachzuchten auszuwählen, weil es ja dann eben Halbkniesel wären. "Ich habe dem auf seine Anfrage hin den Stammbaum meiner Esmeralda zugeschickt. Nachher fehlt irgendwo noch wem eine geniale Zuchtpartnerin für eine andere Halbkniesellinie", beschloß Carmen ihren kurzen Bericht. Julius wünschte ihr auf jeden Fall noch ein erfolgreiches UTZ-Jahr.

"Das darfst du mir morgen gerne noch mal wünschen, wenn Madame Rossignol euch aus der siebten die Armbänder abnimmt", sagte Carmen. Dann war der Paso Doble auch schon vorbei.

Als Julius gegen elf Uhr noch mit Laurentine tanzte sagte sie ihm, daß sie froh sei, doch jetzt alles hinter sich zu haben und jetzt eigene Sachen anfangen zu können. Wie Julius schon vermutet hatte war Laurentine sehr beruhigt, genug Startgeld für ihr eigenes Leben zu haben. Auch mochte ihr der Turniersieg einige Türen mehr in der französischen Zaubererwelt aufgetan haben, zumal ja doch einige Ministeriumszauberer die drei Runden beobachtet hatten.

"Wir sehen uns bestimmt in den nächsten Wochen noch mal. Da werden wir wohl schon einiges angetestet haben, was deine und meine Zukunft betrifft", gab Julius seiner Jahrgangskameradin noch mit auf den Weg.

Millie verabschiedete sich um viertel nach elf von allen, die ihr wichtig waren, weil sie unbedingt zu ihrer Tochter wollte. Als Julius anbot, sie zu begleiten zischte sie ihm zu: "Du feierst den Ball hier zu Ende. Die kriegt noch was von mir zu trinken. Da mußt du mir nicht bei helfen. Du feirst das hier mit allen zu Ende, damit mir keine von den kleinen und ganz großen Mädels hinterher nachsagt, ich hätte dich ihnen zu früh weggenommen."

"Das sagen die doch schon seit über zwei Jahren", erwiderte Julius. Doch dann nickte er und gab seiner Frau zwei Wangenküsse.

Julius tanzte nun mit Leonie Poissonier, die ihn noch mal auf die Raps der Aufführung ansprach: "Wenn du meinem Mann jetzt den Wichtel unter die Schädeldecke gesetzt hast, mit dieser genialen Sprechsingart Gold zu machen, dann muß ich aufpassen, daß der mir nicht von zu vielen anderen Mädchen aufgefressen wird, wie es fast diesem peruanischen Quidditchwunder Bocafuego passiert ist."

"Du kannst ihm ja ein unabnehmbares Halsband umlegen: Eigentum von Leonie! Pfoten weg!"

"Bring mich nicht auf Ideen, Julius", grinste Leonie. "Nur, wenn ich das mache, und mein starker dunkler Bursche ist darüber gefrustet, kriegst du wohl den Ärger mit ihm. Ich weiß nicht, ob du das echt willst."

"Stimmt, will ich nicht wirklich", erwiderte Julius. Er war zwar kein Feigling. Aber sich unnötig mit anderen Jungen herumzanken lag ihm nicht.

Gegen Mitternacht verkündete Madame Faucon, daß nun die große Feier vorbei sei und bedankte sich noch einmal bei den Festgästen für eine angenehme und gesellschaftstaugliche Ballnacht.

 

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Es war was ganz anderes, ähnlich wie der erste Tag, an dem Aurore auf der Welt war. Es begann damit, daß Millies und Julius' Tochter um vier uhr Morgens schrie. Damit weckte sie auch die Zwillinge Estelle und Roger auf. Julius übernahm es, seine und Millies Tochter zu wickeln, wobei er einmal die Nase rümpfte und Millie fragte, was die Kleine denn zu schlucken bekommen habe.

"Also, ich denke mal, daß die jetzt anfängt, diese Endosymbiosebazillen im Darm zu machen, von denen uns Madame Rossignol erzählt hat."

"Zumindest nicht gerade Nasenfreundlich. Womöglich hatte sie durchfall", grummelte Julius. Er merkte jetzt, das ein Kind zu haben nicht nur Spaß und Spiel sein würde.

"Ich lasse die gleich bei Madame Rossignol. Die soll die noch mal untersuchen. Falls sie echt eine Verdauungsstörung hat, dann hoffe ich mal, daß das noch vor der Abreise geklärt wird. Mit meiner Milch ist jedenfalls alles in Ordnung sagt unsere Noch-Chefin."

"Gut, wenn sie beim Trinken irgendwelche anderen Bakterien mitgeschluckt hat, die uns beiden gestern von allen Seiten um die Ohren geweht sind, kannst du nichts dafür, wenn sie die nicht verdaut. 'tschuldigung, daß ich das unterstellt haben könnte!"

"Du liebst sie, ich liebe sie und wir zwei lieben dich, Julius. Natürlich machst du dir auch Gedanken, ob sie was hat. Aber vielleicht gehört das eben zum natürlichen Großwerden bei ihr. Können wir gerne mit deiner und Meiner Mutter drüber reden, was wir jeweils in den ersten zwei Monaten so unter uns gelassen haben."

"Vielleicht wollte sie auch nur auf Beauxbatons scheißen, was wir ja nicht dürfen", scherzte Julius.

"Garantiert", lachte Millie. Dann nahm sie ihre Tochter in die Arme, um zu prüfen, ob sie Hunger hatte. Doch Aurore wollte nur noch kuscheln und schlafen. Millie wartete einige Minuten. Dann legte sie ihr erstes Kind zurück in seine Wiege.

Um halb Sechs marschierten die Mariachis durch die Bilder. Aurore erwachte davon und schrie. Die Mexikaner hielten inne und spielten dann ein sanftes, langsames Wiegenlied. Millie schaukelte das kleine Schlafmöbel Aurores und tippte kurz ein kleines Kissen unter Aurores Kopf an. Dann schloß sie den Baldachin. Jetzt hörte Aurore nur noch das Wummern von Millies Herz, das durch das Kardiophon-Kissen weitergegeben wurde. Die sanften Schaukelbewegungen taten ihr übriges, das kleine Bündel Menschenleben friedlich einschlummern zu lassen.

Das letzte Mal wecken gehen. Das letzte mal morgenmuffelige bis freche Jungen zum Aufstehen treiben. Millie wollte sich das auch nicht nehmen lassen, an ihrem letzten Schultag zu wecken. Auch wenn es für Leonie und Gérard ebenso der letzte Schultag war, rissen die sich nicht darum, die in Ferienstimmung schwelgenden Mitschüler aus den Betten zu scheuchen.

"Morgen, Leute, die Sonne wölbt sich bereits hell über der Erde und der Himmel geht im Osten strahlend auf!" begrüßte Julius die Erstklässler.

"mann, es ist erst sechs. Heute ist Ferientag. Da müssen wir doch nicht ganz so früh raus."

"Anweisung von Professeur Delamontagne: Alle Schüler möchten die Abreise der beiden Gästegruppen miterleben, und der Murmeltierfluch ist meines Wissens nach noch nicht aufgehoben worden", erwiderte Julius.

"Der Murmeltierfluch?" grummelte Jean-Luc Dumont. Er hatte im zurückliegenden Jahr einiges an Gewicht zugelegt, aber nur so viel, wie Madame Rossignol für gesund erachtet hatte.

"Ja, wer eine halbe Stunde nach Wecken im Bett liegt wird ein Murmeltier und darf täglich das Wetter der nächsten sechs Wochen vorhersagen", erwiderte Julius.

"Haha", grummelte Brian Trichet. "Das ist bei den spinnerten Amis so üblich, nicht in Frankreich."

"In der Muggelwelt", warf Julius ein. Die anderen drei Jungen erhoben sich aus dem Bett. Julius sagte dann noch, daß die beiden Reisegruppen um genau acht Uhr losfliegen würden. Dann verließ er den Schlafsaal der erstklässler.

Pierre war wieder unterwegs zum Frühsport. Nur seine Poster hingen an der Wand, die Seitenansicht der neuen Enterprise im freien Flug, alle fünf Spice Girls, einzeln und als Gruppe zusammen und ein Zaubererweltbild, daß die noch schlafende Quidditchmannschaft der Lyon Löwen zeigte, die die Lieblingsmannschaft von Gabrielle Delacour war, wie Julius wußte.

André und Robert waren auch schon auf. "Wir wußten, daß du bei Gérard ein offenes Tor größer als das von Beaux einrennst, wenn du ihm abverlangst, daß du noch mal wecken gehst, Julius. Da wir deine Regen- und Eiswindzauber nicht ausgerechnet am letzten Schultag abkriegen wollten sind wir schon auf. Die ein paar Minuten jüngere Hollingsworth hat mir gesttern beim Tanzen noch gesteckt, daß die schon um acht los wollen", sagte André deckers. Julius nickte und wünschte den beiden Noch-Klassenkameraden einen schönen Morgen.

"Wir frühstücken noch zusammen. Dann sagen wir denen allen auf Wiedersehen", gab Julius die Marschroute für den Morgen bekannt. Dann prüfte er, ob alle wirklich aufgestanden waren. Keiner wagte es, noch irgendwas aufsässiges zu tun. Sie wollten sich alle so gut wie es ging zeigen, wenn die anderen abflogen.

Jetzt hatte er zum letzten mal seine Saalsprecherpflichten zu erfüllen, die Leute zu begutachten und mit ihnen hinunterzugehen. Céline hatte es Laurentine überlassen, die Weckrunde zu machen, weil sie so noch Zeit hatte, einige Sachen in der Eulerei zu regeln. Offenbar war sie schon bei den Hochzeitsvorbereitungen.

Um sieben Uhr traten alle zum Frühstück im Speisesaal an. Julius nahm jeden Augenblick dieser sonst so alltäglichen Veranstaltung in sich auf. Heute würde er hier abreisen und dann, wenn die UTZs stimmten, für lange Zeit nicht mehr hierherkommen. Erst in elf Jahren mochte er mit Millie wieder herkommen, um am Elternsprechtag teilzunehmen. Außer Sandrine und Gérard hatten die anderen Siebtklässler hier keine Vorstellung, ob und wann sie mal wiederkommen würden.

Alle staunten, als sie auf dem violetten und dem grünen Tisch lange Futterale mit goldener Beschriftung sahen. Alleine auf dem grünen waren es zwei. Auf dem violetten Tisch lag das dritte. Julius erkannte natürlich sofort, daß es die Transportfutterale für Flugbesen waren, die an Koffer oder Reisetaschen befestigt werden konnten. Die Schülerinnen und Schüler bedachten diese Anordnung mit "Ach" und "Och joh". Julius sah die beiden bei den Mädchen liegenden Besen. Professeur Delamontagne kam herüber und deutete von Gloria auf ein Futteral und von Laurentine auf das zweite. Das gleiche tat Professeur Paralax am violetten Tisch.

"Ich erkenne, daß Sie alle die drei Gaben erkannt haben, Messieurdames et Mesdemoiselles", übertönte Madame Faucon das Getuschel der Schüler. "Diese drei in Transportfutteralen sicher verstauten Besen, sind jene, die sie, die Damen und der Herr Champions, in der dritten Runde zur Verfügung erhalten haben, um für sie übergroße Strecken zu bewältigen oder in allen Richtungen des Raumes beweglich zu sein, um gefährlichen Widersachern auszuweichen. Womöglich haben Sie gedacht, diese so nützlichen und absolut neuwertigen Rennbesen nur leihweise erhalten zu haben, nachdem sie ihnen beim Verlassen des Turminneren entwendet wurden. Doch Sie wurden Ihnen nur entwendet, um sicherzustellen, daß Sie nicht aus dem Flug heraus versuchen mögen, in die den Pokal umschließende Absicherung hineinzustoßen. Je nach Geschwindigkeit hätte das zu schweren Unfällen führen können, und das mußte ja dann doch nicht sein." Die Schüler mußten laut lachen. Auch die Champions lachten mit. Dann sagte Madame Faucon noch: "Die Besen waren von Anfang an als Abschiedsgeschenke für Sie bestimmt, egal, wer von Ihnen den trimagischen Pokal berührt und das Turnier damit für sich entschieden hätte. Drum erfreuen Sie sich an diesen Geschenken, mit denen Sie hoffentlich viel Vergnügen und fliegerische Beweglichkeit haben werden!"

"Trostpreis! Glo kriegt den neuen Feuerblitz als Trostpreis, weil sie am Pokal vorbeigelangt hat", knurrte Kevin Malone.

"Du bist jetzt lange genug hier, um die Sprache Madame Faucons zu verstehen, Kevin. Laurentine hat den Besen, mit dem sie durch die Insektenwelt und durch die achte Abteilung geflogen ist auch bekommen. Also kein Trostpreis", stieß André Deckers aus. Julius nickte beipflichtend.

"Klar, weil die Laurentine damit ja supergut durch die Muggelwelt fegen kann", erwiderte Kevin. Gérard sah sich nun gehalten, auch was zu antworten:

"Nichts für ungut, kevin, aber du hast absolut keinen Grund, noch mal voll auf Miesmacher zu machen. Gloria freut sich über ihren Besen, wie du ganz genau sehen kannst. Und Laurentine hat schon vor mehr als einem Jahr beschlossen, ganz in der Zaubererwelt zu leben. Aber davon wolltest du ja nichts mitkriegen. Die hat jetzt den Ganni 12, wo ich gerade mal den achter habe und Sandrine den neuner. Wenn hier also wer neidisch aufmucken darf sind wir das. Und das ist es wohl auch, du bist voll neidisch, weil Gloria den schnellsten Renner aus eurer Ecke der Welt geschenkt bekommt, weil sie für euch durch die ganzen Runden gemußt hat und du eine Menge Galleonen dafür hinlegen mußt, um diesen flotten Feger zu kriegen." Kevin wollte gerade was drauf antworten, als André ganz gehässig einwarf:

"Vielleicht kriegt er den auch so, wenn er sich nach der Hochzeit mit Patrice die ersten Monate mit seiner Schwiegermutter zusammen hinlegt, bis er seinen neuen Schwager auf den Weg gebracht hat." Kevin errötete schlagartig und wollte aufspringen. Julius hielt ihn fest und zischte ihm zu: "Kevin, lass dich nicht noch vor der Abreise von diesem Feigling und Neidhammel da neben dir dumm anmachen. Du hast noch ein Jahr Hogwarts vor dir. Das weiß er und will dich dazu treiben, daß du schon vorher von der Schule fliegst. Soll das alles für nichts gewesen sein?" Kevin erzitterte. Julius hielt ihn gerade so stark an der Schulter, daß Kevin nicht auf seinem Stuhl niedergedrückt wurde, aber auch nicht aufspringen konnte.

"Ey, hast du mich gerade als Feigling bezeichnet?" knurrte André Julius an. Dieser bejahte es laut und deutlich. "Selber einer, weil du weißt, daß ich dir nicht eine runterhauen darf, ohne sechshundert Strafpunkte zu kassieren", schnarrte André. Gérard schnaubte nur verdrossen.

"Achso, und weil du in wirklichkeit mich treffen wolltest, ohne diese sechshundert Strafpunkte zu kriegen machst du Kevin dumm an, obwohl du genau weißt, daß er sich keine Prügelei leisten darf. Das ist im Moment seine Schwäche. Wer die Schwächen andderer ausnutzt, um sie zu quälen oder zu ihnen unangenehmen Sachen zu zwingen ist ein Feigling. Wer auf Leuten herumhackt, die sich nicht wehren können, weil sie es nicht können oder nicht dürfen, und es ihm Spaß macht, ist ein Feigling. Wennich so eine feige Sau wäre wie du, André, dann würde ich dich andauernd mit irgendwas schikanieren und herumschubsen und nach belieben mit oder ohne Zauberstab verunstalten, weil ich ja eben durch die Schulregeln geschützt bin. Aber ich habe dich nicht rumgeschubst, gequält und sonst was, sondern nur gesagt, daß das feige ist, Kevin noch am letzten Tag so unverschämt anzumachen. Ich weiß, es ist üblich, daß am letzten Tag keine Strafpunkte mehr verteilt werden. Aber wenn du das, was du Kevin gerade vorgeschlagen hast, nicht zurücknimmst, dich bei ihm entschuldigst, weil du seine Ehre angegriffen hast und darüber hinaus sowas wie das gerade nicht mehr von dir gibst, kriegst du mindestens zweihundert Strafpunkte. Auch wenn dir das quer am Allerwertesten vorbeigeht, weil du denkst, daß du heute Abend eh für immer von hier weggehst, weise ich dich gerne auf eine Schulregel hin, die du eigentlich wie ich mal hättest lesen müssen, als du hier eingeschult wurdest: Wer an den Tagen nach der Zeugnisvergabe bis zur Verkündung der Endpunktestände noch mehr als zweihundert Strafpunkte verschuldet kann von den Lehrern dazu verpflichtet werden, das Schuljahr zu wiederholen. Legst du es echt darauf an? Ich kann Kevin auch sagen, er soll sich mit dir duellieren. Vielleicht wird ihm das als gerechtfertigte Notwehr auf Grund eines Angriffs auf seine Ehre anerkannt. Aber dann kriegst du all die Strafpunkte, die er hätte kriegen sollen und die für deine dumme Bemerkung dazu, was wohl sogar mehr als zweihundert Strafpunkte sein können. Willst du nicht wirklich." Julius fühlte, wie Kevin unter seinem Griff erzitterte. Professor McGonagall und Professeur Delamontagne eilten herüber. André erkannte wohl gerade noch rechtzeitig, daß er gerade im Begriff war, noch ein Jahr Ehrenrunde abzusitzen. Wie sich jemand fühlte, der sowas durchmachen mußte hatte er an einigen Mitschülern aus anderen Sälen mitbekommen dürfen.

"Was liegt an, Messieurs?" fragte Delamontagne. Kevin sah den Lehrer zur Abwehr dunkler Kräfte an und sagte: "Eine Meinungsverschiedenheit zwischen André und mir, Professeur. André wollte sich gerade entschuldigen."

"Stimmt, ich habe vergessen, daß Kevin mit dem französischen Humor nicht zurechtkommt und wollte mich gerade dafür entschuldigen, weil er was falsch verstanden hat, was ich nicht wollte", erwiderte André abbittend. "Hiermit entschuldige ich mich für das, was ich dir gerade an den Kopf geworfen habe, Kevin. Ich konnte ja nicht wissen, daß das deine ehre verletzt."

"Ich nehme die Entschuldigung an", sagte Kevin und bot André die Hand. André ballte eine Faust in der Umhangtasche und gab Kevin die rechte Hand. Sie schüttelten die Hände. Dann war es wohl ruhig.

"Für Sie mag es damit getan sein, Malone und Deckers, aber ich kann und werde später noch genauer ergründen, womit Sie Mr. Malone derartig in Wut versetzt haben, unabhängig davon, ob sie sich dafür entschuldigt haben oder nicht, Monsieur Deckers", kündigte Professor McGonagall an. André nickte nur. Doch offenbar dachte er daran, daß Kevin das nicht ausplaudern würde, wo er das gerade hätte machen können, um ihn voll in Schwierigkeiten zu bringen. Selbst wenn Professor McGonagall erfuhr, was André Kevin vorgehalten hatte, konnte sie ja nichts mehr dagegen machen, bevor André aus Beauxbatons heraus war.

"Gut, da heute Abreisetag ist und Monsieur Deckers sich entschuldigt hat spreche ich ihm keine Strafpunkte aus, sofern Monsieur Latierre oder Monsieur Dumas dies nicht schon getan haben", sagte Professeur Delamontagne.

"Nein, wir gingen davon aus, daß Kevin und André das ohne Handgreiflichkeiten regeln. Ich habe ihn nur zurückgehalten, weil ich im ersten Moment fürchten mußte, er könne doch aus einem Wutanfall heraus was machen, was er hinterher bereut hätte." Kevin funkelte Julius an, weil der über ihn sprach wie über ein unvernünftiges Kind. Doch dann kapierte er, daß er wirklich gerade noch an einer großen Dummheit vorbeigeschrammt war, nur weil so ein Neidhammel ihm unterstellt hatte, Patrice mit der eigenen Mutter zu betrügen, wobei er nicht einmal wußte, ob der Betrug an sich schon schlimm genug war oder die Vorstellung, sich zum Vergnügungsjungen einer dreißig oder vierzig Jahre älteren Hexe als Patrice machen zu lassen. Professor McGonagall und Professeur Delamontagne zogen sich an den Lehrertisch zurück.

"Bedank dich auch noch bei Kevin, daß er dich nicht verpfiffen hat!" forderte Gérard. "ER hätte nämlich keinen Grund gehabt, dich zu schützen."

"Das hat der doch nur gemacht, weil er nicht wollte, daß die beiden über ihn lachen", knurrte André. Kevin spannte sich an. Doch dann sagte er unvermittelt kühl:

"André, ich habe dich nur nicht hingehängt, weil ich mich nicht hinter Professor McGonagall verkriechen wollte, nicht wegen dir. Ich werde der auch nur erzählen, daß du was gesagt hast, daß ich ja nicht mehr nach Hogwarts dürfe, weil ich ja jetzt von euren Schulbazillen befallen sei, seitdem ich Patrice einmal richtig geküßt habe. Da Küssen bei uns in Hoggy nicht verboten ist wie bei euch, kann sie mir da keinen Strick draus drehen, zumal ich das ja kurz nach der Besenwerbung gemacht haben könnte, wo sie dann ja anständig mit mir verlobt war. Das reicht komplett aus, um meine Wut zu erklären. In einer Stunde bin ich dich und bist du mich los. Da lasse ich mir garantiert nicht noch was wegen dir anhängen." André klappte die Kinnlade herunter, während Gérard und Julius hinter vorgehaltener Hand grinsten. Um die Stimmung wieder aufzuhellen meinte Robert:

"So teuer ist der Zwölfer auch nicht, und ihr könnt in Raten zahlen."

"Klar, wo du die Ganymedwerke heiratest", grummelte André verhalten. Kevin erwähnte, daß der neue Feuerblitz achthundert Galleonen kostete. "Da muß ich erst mal fünf Jahre was schaffen, bevor ich den Besen kaufen kann, und dann ist der schon überholt. Hat euer Zaubereiministerium zu viel Gold, Julius?"

"Die Weltmeisterschaft war sehr ergiebig, und womöglich mußten die Reporter für die Turnierberichterstattung eine hohe Zulassungsgebür abdrücken", warf Julius eine Vermutung in den Raum, die er nicht überprüfen konnte.

"Ui, dann kriegt Gloria den Besen also vom Tagespropheten geschenkt. Jau, auch 'ne Idee." Julius atmete auf. Diese unnötige Anspannung war endlich verflogen. Er sah noch, wie McGonagall und Delamontagne mit Madame Faucon sprachen und diese nur verhalten nickte. Dann war die Sache für ihn abgehakt.

Stamm- und Gastschüler nahmen in Ruhe das letzte gemeinsame Frühstück ein. Das übliche Posteulengeschwader blieb heute aus. Eltern und Verwandte würden warten, bis ihre Kinder, Neffen, Nichten, Basen und Vettern wieder zu Hause waren. Das gehörte auch zur wohl schon Jahrhunderte alten Tradition in Beauxbatons. Madame Faucon sagte nichts, bis es viertel vor acht war. Dann bat sie: "Nun, da unsere Gäste und wir das letzte gemeinsame Frühstück dieses ereignisreichen Schuljahres zu uns genommen haben, möchte ich Sie alle bitten, unseren Gästen das Geleit zur Abreise zu gewähren, auf das wir ihnen allen Glück und Unbeschwertheit für den Weiten Weg zu ihren Heimatschulen mit auf den Weg geben mögen!"

"Immer noch überkompliziert", grummelte Kevin. "Die hätte doch bloß sagen müssen: "Jetzt gehen wir alle raus, um den Leuten aus Hogwarts und Greifennest beim Wegfliegen zuzuwinken." Aber nein ..."

"Sie legt eben Wert auf eine gehobene Ausdrucksweise", erwiderte Julius. Kevin wollte dazu nichts sagen.

Die Schülerinnen und Schüler von Beauxbatons folgten ihrer Direktrice und der Abordnung von Greifennest zum kleinen Fluß, auf dem das geflügelte Schiff mit der Deichsel vor Anker lag. Die vier elefantengroßen, blütenweißen Zauberschwäne aus Nordeuropa wurden gerade von der Gräfin, Hubert Rauhfels und Waltraud Eschenwurz eingeschirrt. Madame Faucon winkte ihrer deutschsprachigen Kollegin und sagte noch:

"Ich war erfreut, stolz und höchst zufrieden, Sie und Ihre Schülerinnen und Schüler unter dem Dach von Beauxbatons beherbergen und unterrichten zu dürfen. Ich wünsche ihnen im Namen aller Kollegen und Schüler von Beauxbatons eine sichere und erfreuliche Rückreise!"

"Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich im Namen aller von mir betreuten Schüler im besonderen und Burg Greifennest im allgemeinen für die Gastfreundschaft und die erbauliche Zusammenarbeit zu bedanken. Auch wenn wir mit leeren Händen zurückkehren, so tun wir dies mit der Zuversicht und der Gewißheit, einen ehrlichen Wettkampf mitgestaltet und drei hochmotivierten, hervorragend ausgebildeten Wettstreitern zugeschaut zu haben. Vielen Dank an Beauxbatons für die freundliche Aufnahme und die bald einjährige Gastfreundschaft!" Damit winkte sie ihren Schülern und Schülerinnen. Hubert hatte wohl vergessen, daß er von den beiden Mädchen weit hinter sich gelassen worden war. Er hatte einen Donnerkeil 21, den seine Kameraden nicht hatten. Auch wenn Hubert ihn als Trostpreis ansehen mochte, war es eben doch ein Preis, den die anderen nicht bezahlen konnten. Millie und Julius winkten Astrid, Bärbel, Hubert und Waltraud, sowie den beiden Josephs, von denen der aus Österreich wesentlich geknickter wirkte als der aus Bayern. Das lag wohl daran, weil ein Einspruch gegen die Turnierwertung seitens des österreichischen Zaubereiministers als unzulässig abgeschmettert worden war, da Leopold Rosshufler zum einen weder der Leiter der Greifennest-Schule war und zweitens auch keine familiären Interessen geltend machen konnte, also ganz und gar unbeteiligt war. Die Feenstimme hatte das wie die unfeine Abwertung Huberts mit großen Buchstaben ausgeschlachtet, hatte Bärbel Julius gestern noch erzählt.

Als die zwölf Schüler und ihre Direktorin an Deck des geflügelten Schiffes standen winkten noch einmal alle. Die Gräfin zog an einem Seil und läutete damit eine silberhell klingende Glocke. Die Planke glitt von Zauberhand unter das Deck des wasserblauen Einmasters ohne Segel. Die Flügel des Schiffes spannten sich aus. "Revoco Anker!" hörte Julius die Gräfin rufen. Da tauchte der Schiffsanker aus den eilenden Fluten des Flusses auf. Die Tauwinde drehte sich von alleine in wilder Hast, bis der schwere Anker sicher an Deck landete. Das wasserblaue Flugschiff glitt bereits einige Meter mit der Strömung. Dann zogen die Schwäne an und schwammen erst einige Dutzend Meter, bis sie genug Schwung hatten, um den nötigen Auftrieb unter ihren Flügeln zu erzeugen. Die majestätischen Vögel hoben ab und schwangen sich elegant in die Luft. Keine Sekunde später folgte das Schiff der Greifennestler. Waltraud stand am Ruder. Die Gräfin hatte die Brücke geentert. An der Spitze des takellosen Mastes flatterte die Fahne mit dem goldenen Greif, um den sich die vier Symbole der vier Häuser von Greifennest gruppierten. Das Schiff gewann immer mehr Fahrt. Noch folgte es dem Flußlauf. Erst als es die höchsten Baumwipfel erreichte, drehte es nach osten in die aufgehende Sonne hinein und beschrieb, immer noch an Höhe und Geschwindigkeit zulegend, einen weiten Bogen über dem grünen Forst. Als der Bug in nördliche Richtung wies legten sich die vier Asgardschwäne richtig ins Geschirr. Das geflügelte Schiff sprang förmlich vorwärts und brauste nach links und rechts sanft schwankend in den klaren Sommermorgenhimmel über den Ländereien von Beauxbatons. Mit Hilfe der Omnigläser verfolgten die Schüler den Abflug des Schiffes, bis es mit dem immer blauer werdenden Himmel verschmolz. Trotz Omnigläser mit Weitblickfunktion konnten die Schüler es nur noch eine weitere Minute lang im Auge behalten. Dann war es verschwunden, zurück auf dem Weg in die Heimat.

"Jau, schon was geniales, dieses Flugschiff", meinte Robert zu Julius. Dieser bestätigte es.

Nun zog der Tross der Schüler zur Walpurgisnachtwiese. Alle, die sie sehen konnten, erkannten die Thestrale, wie sie gerade von Professor McGonagall, Lea und Pina eingeschirrt wurden. Als die Beauxbatons-Gemeinschaft knapp zwanzig Meter entfernt war sprach Madame Faucon ihre Kollegin aus Hogwarts noch einmal an und versicherte ihr, daß sie und ihre Schüler höchst willkommen waren. Daß sie ein wenig heuchelte nahmen alle wohl nicht so krumm. Denn das Charon Blades Gleich am Abend der Championsauswahl wegen eines Kraftausdrucks zu Viel auf die frühe Heimreise geschickt worden war, hatten sie alle wohl wegen des überwiegend guten Verhältnisses zu den britischen Mitschülern abgehakt.

"Ich bedanke mich im Namen der mit mir angereisten, sowie aller in Hogwarts mitfiebernden Schülerinnen und Schüler für die warmherzige Aufnahme und das gedeihliche Miteinander. Möge dieses Turnier nicht das letzte gewesen sein, daß unsere Schulen zusammen bestreiten durften!" Alle applaudierten Professor McGonagall. Diese verbeugte sich und betrat das in den vier Farben von Hogwarts gehaltene Rundzelt. Die Treppe wurde eingeklappt, die Tür fest verschlossen. Julius sah die Gesichter der elf Hogwarts-Schüler an den Bullaugen, während die nun vollzählig eingespannten Thestrale nervös mit den lederartigen Flügeln flatterten. Alle sahen, wie die achtzehn Landestützen sich nach oben zurückzogen. Das Zelt schwebte einige Sekunden knapp einen Meter über dem Boden. Dann erhielten die Thestrale den Abflugbefehl: "Hogwarts!" Die skelettartigen Pferdewesen warfen sich ins Gespann und zogen das schwebende Zelt hinter sich her. Als sie einen Gleichtakt hatten, flogen sie immer schneller werdend nach oben, überstiegen die Baumwipfel und zogen das Zelt mit zunehmendem Tempo davon. Julius dachte daran, daß er vor nun fünf Jahren den umgekehrten Weg gekommen war. Es war genau derselbe tag, der erste Juli, als er mit der graublauen Reisekutsche von Beauxbatons herübergekommen war. Das wäre doch echt ein Gag gewesen, jetzt zum krönenden Abschluß nach Hogwarts zu fliegen, um dort die Hauspokalfeier mitzumachen und dann am nächsten Tag mit dem Hogwarts-Express nach London zu fahren, um von Dort mit einem Düsenflugzeug nach Marseille zu fliegen, um von dort an die Grenze von Millemerveilles zu apparieren. Doch das alles passierte nicht. Er war und blieb in Beauxbatons. Doch sogesehen gefiel ihm das sogar. So würde er am Abend mit denen, mit denen er fünf Jahre ausgekommen war, in den ebenso spektakulären Reisesphären zurückkehren, wohin er gehörte, dorthin, wo er mit Millie die kleine Aurore großziehen wollte.

"Schon gruselig, daß keiner die Flugtiere von den Hogwarts-Leuten sieht, wenn er oder sie keinen hat sterben sehen müssen", warff Gérard ein.

"Stimmt. Ich hätte die auch lieber niemals zu sehen bekommen", sagte Julius. Daß er das zwei Anthelianerinnen verdankte, die in Hallittis schwarzem Höllenfeuer verbrannt waren, wollte er nicht erwähnen.

Der Morgen verlief mit Packen und Putzen. Einige Schüler hatten das Angebot bekommen, ihr lädiertes Bonuspunktekonto durch freiwilligen Putzdienst noch einmal aufzupolieren. Womöglich konnte das die Wertung für die Säle noch einmal verändern. Julius konnte sich zwischendurch mal aus dem grünen Saal absetzen und das Denkarium in eine extra dafür angeschaffte Samthülle einschlagen und in einer großen Kiste verstauen. Madame Rossignol sagte ihm dann: "Lass die Kiste hier. Madame Faucon schickt euch alles von dir extra erworbene oder gebaute nach Hause, wenn sie und ich allein in Beauxbatons sind." Julius nickte. Er wußte, was die Heilerin meinte, dann würde er auch den Lotsenstein erhalten, wenn nicht sogar das Intrakulum, wenn dieses nicht doch noch vom Zaubereiministerium eingezogen und zerstört wurde. Er wollte sich überraschen lassen.

Beim Mittagessen sprachen sie über die Zeit vor dem trimagischen Turnier und gingen immer weiter zurück in die Vergangenheit.

"Komisch, irgendwie habe ich damals, als ich zuerst hier an diesem Tisch gehockt habe gedacht, ich wäre lieber wieder nach Hause gefahren", sagte Robert. "Und jetzt fahre ich nach Hause, und will eigentlich gar nicht hier weg. Wie kommt sowas?"

"Ich würde am liebsten gleich nach dem Mittagessen los, ohne das ganze Zeug mit der Saalwertung und den zehn besten Schülern", gestand André ein. "Das ganze letzte Jahr war irgendwie so ein Durchhängejahr. Da war nur das Turnier und die Prüfungen, was mich echt zum Aufstehen gebracht hat."

"Klar, wo du nur wenige Fächer hattest und selbst da noch wenige Punkte eingesackt hast", bemerkte Robert dazu. "Sei besser froh, daß du heute ganz aus Beaux rausdarfst!"

"Das bin ich auch, ohne, daß du mir das sagst, Monsieur Dornier", grummelte André. Julius wandte sich an Robert und sagte, daß er damals, wo er zuerst hier ankam, auch am liebsten wieder abgehauen wäre, also als er noch kein Schüler sondern Fluggast der trimagischen Abordnung gewesen war. "Tja, und jetzt habe ich es fünf Jahre ausgehalten und kann ab morgen zusehen, wie es weitergeht, ohne daß mir wer reinquatscht."

"Echt, wo du die ganzen Heilerinnen kennst?" fragte Gérard.

"Tja, vielleicht ist das der Grund, weil da draußen schon zu viele Leute lauern, die ihn für sich sicherstellen wollen", warf Robert ein.

"Kommt darauf an, was du unter sicherstellen verstehst", grummelte Julius. Denn er mußte daran denken, daß "da draußen" mindestens zwei wache Abgrundstöchter, eine aus zwei Hexen zusammengewachsene Hexenlady und womöglich noch ein paar herumlaufende Todesser lauerten.

"Na ja, ich meine das so, daß es so viele Leute gibt, die wollen, daß du für sie arbeitest oder Sachen für sie zauberst", sagte Robert. Julius nickte. Damit konnte er leben.

"Ihr wollt alle hierbleiben, damit ihr euch von eurer Schwiegerverwandtschaft nicht herumkommandieren lassen müßt, wo ihr mit den Mädels, die euch sicher an sich gebunden haben zu wohnen habt", mußte André noch einwerfen.

"Neidhammel", stießen Robert und Gérard aus. Julius grinste nur verächtlich. André erkannte, daß er sich mal wieder zum Gespött der verheirateten oder so gut wie verheirateten Jungen gemacht hatte und schwieg.

Am Nachmittag beging Julius seine ganz private Tradition. Er stieg auf das Dach des Palastes. Millie war bei ihm. Dort verbrachten sie im Schutz von Sonnenkrauttinktur fünf Stunden mit leiser Unterhaltung über die sieben Jahre, von denen Julius zwei in Hogwarts zugebracht hatte. Aurore lag, von einem leichten Strampelanzug mit Kapuze gegen die Sonne geschützt, in ihrem Tragetuch auf Millies Rücken. Sandrine und sie hatten beschlossen, die drei Neuzugänge des Mais am Abend noch den anderen zu zeigen, damit die wußten, daß es die drei Babys wirklich gab. Ihr gemeinsames Zimmer war schon aufgeräumt. Die Koffer gepackt und bereitgestellt, damit sie sie nur noch nehmen und in den Ausgangskreis tragen mußten. Julius hatte das Bild Aurora Dawns abgenommen und zusammen mit dem Bild der Musikzwerge und dem von Babette gemaltem Bild in der Reisetasche versenkt. Dusty lag in der Sonne und genoß ihre Strahlen. Millie würde ihn vor der Abreise in den Tragekorb locken und ihn dort schlafen lassen. Julius würde sich vor dem Abendessen noch mit Professeur Fourmier treffen.

 

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Die anderen, die hier lange gewohnt haben, sind jetzt mit ihren fliegenden Bauten weg. Ich fühle die Sonne. Sie ist richtig stark. Ich merk aber auch, daß heute was anderes ist. Ist das der Tag, an dem die alle weggehen? Ist er wohl. Denn aus dem großen Steinbau höre ich die Geräusche, wenn sie ihre Spiel- und Schlafhöhlen saubermachen. Dann essen die noch mal was, aber nicht so viel. Ich rieche die halbverbrennenden Vögel und die Sachen, von denen ich nicht gesehen habe, wo sie herkommen. Meine Kinder sind ganz aufgeregt. Die merken das auch, daß heute was anderes ist. Ich weiß, daß Julius mich mitnehmen will. Dann komme ich nicht mehr hierher zurück. Dann soll die kleine Prinzessin weiter hier die Jungen kriegen. Sie wird wohl noch mit den älteren von uns gut auskommen müssen, die sie nicht als die stärkste anerkennen. Aber die ist meine Tochter. Dann schafft die das auch, wenn sie länger hier ist.

Die Sonne ist hell und warm. Fliegenpilz liegt ganz frech auf meiner Wohnhöhle und läßt die Sonne auf sich runterbrennen. Meine Jungen sind groß, um ohne mich weiterzuleben. Um die muß ich keine Angst haben.

Ich höre einige auf den fliegenden Ästen herumtoben, die sie Besen nennen. Beim Fluß spielen noch welche, und im kleineren Wald mit den großen Wiesen streichen welche umeinander herum, ob sie in der richtigen Stimmung sind. Doch wenn die sich hier nicht lieben und dann mit den Wegknalldingern einfach weggehen, dannkriegen die Weibchen doch keine Junge.

Ich weiß von Julius, daß er auf diesem großen Platz mit den weit voneinander stehenden Bauten wohnt, wo ich ihn schon mal gefunden habe, als die mir noch nicht dieses Kraftding umgebunden haben, daß mich hierhält. Dann kriege ich das ja mit, wenn er mich wirklich mitnimmt, wie dieses Wegknallding geht. Hoffentlich ist das nicht zu laut, oder in dem geht es zu schnell durch die Luft wie damals, wo wir in diesem großen, silbernen Flugding eingesperrt gewesen sind. Da bin ich dann ganz durcheinandergekommen wegen der ganz schnellen Fliegerei.

Hestia und Adrastea spielen kämpfen wie die Männchen. Das machen die, um auch große Ratten fangen zu können. Ganz sicher kriegt die kleine Prinzessin nach dieser Zeit, die sie Ferien nennen auch wieder starke Junge. Ich kriege dann wohl nur noch die von Dusty, der das ja schon immer wolte. Wenn ich wieder in Stimmung bin soll er es versuchen. Wenn der mir keine starken Jungen machen kann, dann tun die den sicher wieder dahin, wo sie ihn herhaben, aus diesem Land Amerika, wo die alle genauso anders reden wie da, wo ich mit Julius schon gewesen bin.

Ich merke, daß ich müde bin. Die Sonne ist für mich zu heiß. Ich gehe in meine Wohnhöhle und schlafe da. Soll Fliegenpilz ruhig weiter auf meiner Wohnhöhle bleiben. Vielleicht darf der da sogar ganz drin wohnen, wenn ich hier nicht mehr wohne.

Als ich wach werde höre ich Agrippine, die die Kraft in allen vier Pfoten hat. Sie guckt sich wohl um. Ohne Julius hat die aber nicht zu mir hinzukommen.

 

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Eine Stunde vor dem Abendessen rief Madame Rossignol alle ihre Pflegehelfer zur letzten Sitzung vor den Ferien zusammen. Sie bedankte sich bei allen für die Mitarbeit in diesem Jahr und vor allem für die Kameradschaft, mit der Sie Millie und Sandrine bei den Geburten geholfen haben. Louis verzog das Gesicht.

"Immerhin hast du Carmen ermöglicht, Millie zu helfen", bedachte die Heilerin den Fünftklässler. Dieser schwieg jedoch.

"Nun, so bleibt mir einmal mehr die erhabene aber auch betrübliche Aufgabe, alle die Pflegehelfer von euch aus ihrer Verpflichtung zu entlassen, die heute in das eigene Leben aufbrechen und im nächsten Schuljahr nicht mehr zu uns zurückkommen. Patrice, du bist vom Nachnamensalphabet her die erste." Patrice Duisenberg ging zu Madame Rossignol hin. Diese löste mit drei Zauberstabstubsern das silberne Pflegehelferband. "Ich bedanke mich bei dir für deine Einsatzbereitschaft und deine Mithilfe. Du warst für deine Saalkameradinnen ein sehr gutes Vorbild", sagte die Heilerin, als sie das silberne Pflegehelferband auf den Tisch legte. "Sandrine, du bist jetzt dran!" fuhr sie fort. "Vielen Dank für dein Einfühlungsvermögen, aber auch die nötige Durchsetzungskraft. Wenn du zu den Heilern kommen möchtest, wirst du mit diesen beiden Eigenschaften leichten Zugang haben." Sandrines Armband landete neben dem von Patrice. "Belisama, kommst du bitte?" Belisama hielt der Heilerin den Arm hin, an dem sie ihr silbernes Armband trug. "Du hast dich und deinen Saal in einem sehr guten Licht gezeigt. Auch wenn ich einmal Sorgen hatte, du könntest dich mit Millie zu sehr in Streit verlieren, habe ich nicht aufgehört, an deine Vernunft zu glauben. Daß du mit Millie und Julius den Ring der Freundschaft geschlossen hast hat mich in diesem Glauben mehr als bestätigt. Danke für alle Jahre, in denen du mir und Beauxbatons zur Seite gestanden hast!" Belisama trat wieder zurück, nun keine Pflegehelferin mehr. "Julius, jetzt ist es soweit. Komm bitte zu mir", sagte die Heilerin leicht wehmütig. Julius fühlte selbst, wie ihm eine Zentnerlast auf die Seele drückte. Hier und jetzt vollzog sich der Abschied von seiner Kindheit, seiner Zeit als umsorgter und geführter Junge. Doch er mußte diesen Schritt tun. Er ging zu Madame Rossignol und hielt ihr den rechten Arm hin: "Du hattest ja in den ganzen Jahren, die du bei uns warst viele Sachen zu überstehen, und dabei hat dir das Armband oft sehr gute Dienste geleistet, sei es, daß wir merkten, was mit der Doppelgängerin von Belle Grandchapeau los war, sei es, dich wiederzufinden, wenn du mal wieder von irgendwem in eine Falle gelockt worden bist oder sei es, wie du die vier Tage überstanden hast, als ein dummer Junge meinte, dich in Belles Körperform zu zwingen und du an ihrer Seite leben mußtest. Ebenso konntest du nur mit dem Armband rechtzeitig zu mir, als das Gift der Schlangenmenschen schon in deinem Körper war. All das verdankst du deinem Fleiß, der dich berechtigt hat, dieses Armband zu tragen. Doch du weißt von uns allen hier am meisten, wie sinnvoll und machtvoll dieses Armband war. Du erinnerst dich ja daran, daß ich dir bereits geraten habe, dich für einen Berufsweg in der Heilerzunft zu entscheiden. Diesen Rat halte ich weiterhin aufrecht. Denn du weißt, wie schnell schlimme Sachen Menschen krank machen oder verunstalten können. Auch wenn dir die Liga gegen dunkle Künste ein verlockendes Angebot machen sollte, entscheide dich, für wen und was du die dir in die Wiege gelegten Kräfte und die hier erlernten Fähigkeiten einsetzen möchtest! Sie löste ihm das Armband. Sie hatte ihn daran erinnert, wie heftig dieses silberne Ding sein Leben beschützt hatte. Zusammen mit dem Herzanhänger hatte es ihm geholfen, durch die Gefahren des alten Reiches zu kommen. Hätte er das ohne Armband geschafft? Wäre Millie überhaupt auf die Idee gekommen, Pflegehelferin zu werden, wenn sie nicht in seiner Nähe sein wollte? So viel hing an diesem Armband mit der römischen Nummer XVII, das sich gerade von seinem Arm löste. Es war nicht das erste mal, aber jetzt war es eindeutig das letzte Mal. "Millie, jetzt bist du an der Reihe. Du bist in dieser Reihe zwar die letzte, aber keineswegs die geringste. Was du auf dich genommen hast, um dem Mann zu helfen, den du liebst und dabei trotzdem noch alles zu erledigen, was die Lehrer und ich von dir verlangt haben, ist eine herausragende leistung. Mit dem, was du an Entschlossenheit, Durchsetzungskraft und Kameradschaft getan hast, hast du sogar deine Tante, die ich auch schon als eine Pflegehelferin hier hatte, übertroffen. Sie ist eine gute Heilerin geworden und hat ihre Fähigkeiten bereits mehrfach bewiesen. Auch du kannst damit rechnen, mit offenen Armen aufgenommen zu werden, wenn du zu den Heilern gehen möchtest." Sie löste Millie das Armband und legte es zu den vier anderen hin. Dann, als die fünf gerade aus ihrem Dienst freigegebenen Pflegehelfer in einer Reihe standen, nahm die Heilerin von Beauxbatons die fünf Pflegehelferschlüssel und verstaute sie in dem Sicherheitsschrank, in dem sie weitere Armbänder aufbewahrte. Julius fragte sich, wer sein Pflegehelferarmband als nächster tragen würde. Vielleicht war es Mayette, vielleicht auch Denise, Melanie, vielleicht Babette oder Pierre Marceau? Das war es wert, im nächsten Schuljahr noch einmal nachzufragen. Jetzt jedenfalls war er kein Pflegehelfer mehr. Die lange Leine, an der er all die Jahre gehangen hatte, war ihm abgenommen worden, aber auch das Frühwarngerät, das Abwehrmittel gegen dunkle Wesen und das Rufgerät, mit dem er um Hilfe rufen konnte. Doch wenn er jetzt mit seiner Frau das nächste Mal Liebe machte, würden sie nicht dabei registriert.

"Ich bedanke mich noch einmal bei euch allen. Aysha, Louis, Nadine und Patricia, wir sehen uns dann nach den großen Ferien hoffentlich alle gesund und erholt wieder. Habt Spaß in den Ferien, aber tut nichts, was euch krank macht oder gar umbringen kann!" Mit diesen Worten entließ Madame Rossignol die verbliebenen und die entlassenen Pflegehelfer.

"Hui, das war heftig", gestand Julius seiner Frau. "Irgendwie habe ich gerade einen Teil von mir hiergelassen. Bin mal gespannt, wer mein Armband als nächster umbekommt."

"Melanie oder Denise vielleicht?" schnurrte Millie. Doch dann erinnerte sie Julius daran, daß er noch eine Verabredung mit Professeur Fourmier hatte.

Julius wollte gerade auf ein Wandstück zulaufen, durch das er früher in einem Sekundenbruchteil auf den Korridor zu Professeur Fourmiers Büro schlüpfen konnte. Doch dann stellte er fest, daß er es nicht aktivieren konnte. Millie lachte und knuddelte ihn.

"Macht der Gewohnheit, Monju. Muß ich wohl auch noch lernen, bevor ich hier wegfliege."

"Stimmt, ist wie der Ausgleichschritt auf einer stillgelegten Rolltreppe. Aber sei es drum. Ich habe ja noch ein paar Kilos drauf, die ich runterwandern kann", sagte Julius. Millie sagte, daß sie damit keine Probleme habe, weil ihr überschüssiges Fett durch die Brustwarzen abgesaugt wurde. "Das tue ich mir nicht an", erwiderte Julius darauf.

"Ist vielleicht auch gut so. Aurore soll schließlich auseinanderhalten können, wer ihre Maman und ihr Papa ist."

"Okay, ich geh zu Professeur Fourmier. Wir sehen uns dann in zwanzig Minuten im Speisesaal."

"Ja, da noch mal an den Tischen", erwiderte Millie. Auch sie fühlte eine gewisse Wehmut, weil sie jetzt was vertrautes aufzugeben hatte. Das Gespräch auf dem Dach hatte auch sie angerührt, zu vergleichen, zu erinnern. Sie verstand, warum Julius das jedes Schuljahresende gemacht hatte, damals mit Claire und dann mit ihr.

Julius eilte nun wie jeder andere Schüler durch die Korridore und Zeitversetztgänge des Palastes. Einmal mußte er doch glatt überlegen, welchen Gang er heute nehmen mußte. Doch er schaffte es, die Zaubertierlehrerin zu erreichen.

"Ich war vorhin noch bei den Knieseln. Fliegenpilz ist ein Frechling. Der hat sich doch glatt auf Goldschweifs Rundbau gelegt, als wenn der wüßte, daß dieser bald frei wird. Wie machen wir das?" fragte die Lehrerin mit den vier magischen Gliedern.

"Dusty hat keine Probleme mit der Inlandssphäre. Ich möchte das Goldschweif zeigen, daß es ungefährlich ist. Außerdem möchte ich sie im Korb tragen, damit ihr nichts passiert", erklärte Julius.

"Gut, dann machen wir das so. Sie haben den Korb mit?" Julius zeigte ihn vor. "Wann wird Ihre Frau den ihr zuerkannten Kniesel transportfertig machen?"

"Kurz vor der Abreise", bestätigte Julius.

"Gut, dann bitten Sie Goldschweif auch um diese Zeit in den Transportkorb!" legte die Lehrerin fest. Julius bedankte sich noch einmal für ihre Mithilfe bei der Pflege von Goldschweif. "Ich habe zu danken, daß Sie mir geholfen haben, kurz nach dem Wurf von Knieseljungen schon die ersten Angaben zu erhalten. Ähm, da Sie womöglich in den Ferien die in Millemerveilles errichtete Transatlantikverbindung nach Viento del Sol benutzen oder von dort Besuch erhalten könnten, grüßen Sie bitte meine Kollegin Forester. Ich würde es begrüßen, sie vor dem Schuljahresbeginn Ende August noch einmal zur Einbringung mittelamerikanischer Zaubertiere in den Unterricht befragen zu können. Da ich in den Ferien größtenteils auf Einladung meines australischen Fachkollegen aus Redrock die grünen Wächter und andere antipodische Säugetiere erforschen werde, fürchte ich, daß eine offizielle Anfrage per Eule ohne horrende Expressgebür langsamer bei ihr eintrifft als Sie mit dem Luftschiff."

"Brittany Brocklehurst könnte noch zu uns rüberkommen. Der kann ich ja auch bestellen ..."

"Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie meine Bitte nicht über diese vorlaute, ihrer Weltanschauung allen Anstand unterstellende Hexe weitergeben würden, Monsieur Latierre", schnarrte die Lehrerin. "Zehn Heuler von verschiedenen selbsternannten Zaubertieranwälten wegen der im Aquarium von Millemerveilles gehaltenen Blitzerfische waren eindeutig neun zu viele. Ich lasse mir weder die Ohren vom Kopf brüllen noch von Leuten, die in ihren Idealvorstellungen versponnen sind anweisen, wie ich die Tiere im magischen Tierpark unterbringe, zumal mir die Hauptverantwortung nicht mehr obliegt. Diese Mitteilung dürfen Sie Madame Brocklehurst mit meiner ausdrücklichen Genehmigung und Bitte überbringen."

 

"Besser nicht, weil sie das als Erfolg ansehen und dann eine ganze Heulerlawine lostreten könnte, ob an Sie oder ihren Nachfolger im Tierpark", warf Julius ein. Professeur Fourmier schnaubte verbittert und nickte.

Unterwegs zum Speisesaal sah Julius Sandrine und Millie, die ihre Kinder wie Siegertrophäen auf dem Rücken trugen.

Der Speisesaal war festlich dekoriert. Die Schülerinnen und Schüler setzten sich an die sechs Tische. Das war jetzt das letzte mal für die Siebtklässler. Julius konnte nun fühlen, was Jeanne, Martine, Barbara, Bruno, Gustav und César empfunden hatten. Jetzt war er dran, hier wegzugehen.

Das abendessen war reichlich und bot noch einmal alles auf, was die beiden nicht mehr anwesenden Gastgruppen aus ihrer Heimat kannten. Zu Kevins Ehren nahm Julius vom Irischen Eintopf. Zu Waltraud und der anderen Ehren nahm er Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffelbrei. Zu Glorias und Pinas Ehren nahm er vom Plumpudding. Ja, er konnte noch reinhauen. Doch als er endlich alles gegessen hatte, was er essen wollte, fühlte er sich so, als sei Aurore noch nicht auf der Welt und er habe Millies Heißhunger geteilt. Jedenfalls war er pappsatt, als Madame Faucon die vorletzte Amtshandlung vor den Ferien begann: Die Bekanntgabe der Saalwertung. Ihr würde dann noch die Bekanntgabe der besten und der schlechtesten Schüler folgen.

Saal Blau kam wie üblich auf Platz sechs, weil die meisten dort keinen Wert auf Bonuspunkte legten. Dann kam schon saal Weiß. Die Schüler dort wunderten sich. Zur Begründung erklärte Madame Faucon, daß sich viele nach dem Vorfall um Archibald Lambert aus dem ZAG-Jahr aufsässig gegen Professeur Trifolio betragen hatten. "Das hat sie mindestens drei Wertungsplätze gekostet", schnarrte sie noch. "Auch wenn es eine Anhörung gab gilt das Ansehen und die Rangstellung eines Lehrers solange, bis er von mir oder den Schulräten für zu entlassen befunden wird. Dies merken Sie sich bitte. Da konnte Mademoiselle Lagranges Einsatzbereitschaft in der Pflegehelfergruppe auch nichts mehr beheben."

"Und trotzdem geht der in den nächsten Jahren", knurrte Gérard.

Saal Gelb schaffte es auf einem passablen vierten Platz, wenngleich diese Stufe als undankbar galt. Jetzt wurde es spannend. Denn Saal Rot hatte es bisher noch nie in Julius Schulzeit hier geschafft, einen der drei oberen Plätze zu erreichen. Als dann herauskam, daß Saal Violett den Bronzerang erreicht hatte, setzten bereits Proteststürme ein. Die Schüler verlangten, die Wertung zu überprüfen. Julius fragte sich jetzt doch, ob da nicht was unter den Tisch gefallen war. Doch Madame Faucon erklärte mit lauter Stimme, daß die Gesamtzahl der Bonuspunkte abzüglich der Gesamtzahl der Strafpunkte durch die Anzahl aller Schüler plus Gruppenboni diese und keine andere Platzierung ergeben könne. Als dann herauskam, daß es wohl an einem einzigen Punkt fehlte, wollten die Violetten richtig aufbegehren. Denn genau einen Punkt mehr als sie kamen die Roten auf den Platz zwei. Damit stand aber auch schon fest, daß die Grünen die Saalwertung einmal mehr gewonnen hatten. Der Jubel am grünen Tisch brandete genauso auf wie am roten Tisch. Madame Faucon verschaffte sich mit einem aus dem Zauberstab herausfliegenden Knallfrosch Ruhe. Dann sagte sie: "Die Wertung für den Roten Saal kommt durch das gerade in diesem Jahr besonders disziplinierte Betragen aller Schüler der siebten und der ersten Klasse, sowie der herausragenden Leistung von Mademoiselle Patricia Latierre bei der Geburtshilfe für Madame Dumas am neunzehnten Mai. - Ruhe!!!" Die Violetten brüllten los, weil "ihre Pflegehelferin Aysha Karim doch auch mitgeholfen hatte, eines der drei nun wegen des Lärms losplärrenden Babys auf die Welt zu holen, wo es doch sonst in Beauxbatons verboten war, den dazu nötigen Vorlauf zu machen. "Eben deshalb liegt Ihr Saal in der Wertung ja auch nur einen einzigen Punkt hinter dem kirschroten Saal zurück, die Damen und Herren vom dunkelvioletten Tisch", schnarrte die Lehrerin. "Es wären nämlich sonst fünfzig Punkte gewesen, auch ohne Mademoiselle Latierres Beitrag zur Gesunderhaltung ihrer Schulkameradin Sandrine Dumas." Stille kehrte ein. Auch der Jubel der Grünen verebbte. Denn die wollten jetzt wissen, wie viele Punkte Vorsprung sie vor den Roten hatten. Als ihnen mitgeteilt wurde, daß es glatte hundert waren, brandete der Jubel richtig los. Vor allem als bekannt wurde, daß gleich fünfzig dieser Wertungspunkte durch Laurentines disziplinierte und faire Turnierteilnahme zustande gekommen waren, setzte wieder ein Lau-ren-tine-Sprechchor an. Doch diesmal jubelten nur die Grünen, die Roten und die gelben. Die Blauen wollten nicht mit den Sieger mitjubeln, die weißen knabberten an ihrer schlechten Wertung und die Violetten an ihrem wieder nicht erfüllten Spitzenplatzanspruch.

"Wie die Fußballmannschaften Manchester United oder Bayern München", knurrte Julius zwischen den auch von ihm mitgerufenen Laurentine-Lobpreisungen.

"Sie dürfen gerne zu den Schulräten laufen und sich beschweren, die Damen und Herren vom violetten Tisch, aber in den Verpflichtungsstatuten von Beauxbatons steht nicht drin, daß der Violette Saal immer vor dem kirschroten Saal zu rangieren hat", warf Madame Faucon ein. Das brachte alle außer die Violetten zum lachen. Applaus brandete für zwanzig Sekunden durch den Speisesaal. Dann beendete die Schulleiterin ihre Wertungskundgebung damit, daß vier von den Jahrgangsbesten aus dem grünen Saal stammten, darunter Carmen Deleste und Julius Latierre.

Als nach einer weiteren Jubelrunde der Grünen die Bekanntgabe der bonuspunkte mäßig schlechtesten Schüler des Jahres erfolgte, waren es die üblichen Verdächtigen aus dem blauen Saal. Jacques Lumière war diesmal nicht dabei. Zu den Besten Schülern gehörten Patrice, Sandrine, Apollo Arbrenoir und Carmen Deleste. Es wurde jedoch erwähnt, daß von der reinen Wertung her vier Schüler aus Greifennest und Hogwarts in dieser Liste hätten auftauchen können. Doch deren über das Jahr gesammelten Bonus- und Strafpunkte wurden zusammengezählt, durch die Vertreter der mitgereisten Hausbewohner geteilt und entsprechend dem Wertungssystem der Schulen eingefügt. Womöglich saß Gloria gerade am Ravenclaw-Tisch und hörte, daß ihr Haus durch die Abordnung des trimagischen Turnieres einen Batzen Punkte eingeheimst hatte.

"Auf dem vierten Platz landete Belisama Lagrange. Sie freute sich über diesen Platz wie über einen auf dem Podium. Den dritten Platz gab es nicht, weil es mal wieder eine Dopplung aus Bonus- und Strafpunkten gab. Das war noch ein Relikt der verschärften Regeln von vor bald drei Jahren. So durften Millie und Julius mit zwanzig Punkten Vorsprung vor Belisama aufs Podest. Auf Platz nummer eins mit zwanzig Punkten Vorsprung landete Laurentine Hellersdorf, weil sie die Hürde, am Turnier teilzunehmen und die Verpflichtung als stellvertretende Saalsprecherin gemeistert hatte. Sie nahm den Jubel noch einmal hin. Sie mußte nur zwischendurch ihre Hände vor die Augen legen und kleine Tränen fortwischen.

Nachdem die besten Schüler ausgezeichnet worden waren erfolgte das Gruppenfoto. Das war das letzte, daß Julius in der Schuluniform von Beauxbatons festhielt. Danach wurden alle Schüler aufgefordert, ihr Gepäck zu holen und sich abreisefertig zu machen. Nur die Saalsprecher oder Stellvertreter, die heute mit der Schule fertig geworden waren, sollten noch einige Minuten bleiben. Madame Faucon führte sie in ihr Sprechzimmer. Sie hörten das Gewusel in den Gängen und Räumen. Dann waren sie durch das transpictorale Tor hindurch, das vom Bild eines ständig streitenden Königspaares geöffnet wurde.

Madame Faucon begrüßte erst die Siebtklässler mit silbernen und goldenen Broschen, wobei die bereits verheirateten Hexen zuerst genannt wurden. Dann sagte die Schulleiterin: "Es ist jedes Jahr eine große Ehre, aber auch eine traurige Pflicht für den amtierendenSchulleiter von Beauxbatons. Dieses Jahr jedoch empfinde ich mehr Wehmut als Erhabenheit, wenn ich Ihnen allen gleich die Würde und Bürde Ihrer Saalsprecherpflichten vom Herzen nehme. Denn Sie, Wie Sie gerade hier vor mir versammelt sind, haben in den Jahren, wo Sie diese schwere Last trugen, eine Menge dafür getan, daß Beauxbatons als einheitliche Schule erhalten blieb, aber auch, daß die hier lernenden Schüler einen wichtigen Ansprechpartner fanden, wenn sie ihn brauchten und wir Lehrer darauf bauen konnten, eine Gruppe einfühlsamer, besonnener aber auch entschlossener und entscheidungsfähiger Saalsprecher in Beauxbatons zu wissen. Sie alle haben als Stellvertreter oder hauptamtliche Saalsprecher viel zu schultern gehabt. Nicht immer wurde Ihnen das von Ihren Mitschülern gedankt. Doch sie haben die auf sie übertragene Aufgabe angenommen und bewältigt. Vor allem bei Mademoiselle Hellersdorf und Monsieur Latierre möchte ich mich sehr bedanken, daß sie zwischen jenen Schülern ohne magische Eltern und denen mit magischen Elternpaaren oder Elternteilen vermittelt haben und somit die unvermeidlichen Spannungen abzubauen verstanden. Bedauerlicherweise qualifizieren sich nicht alle Kinder nichtmagischer Eltern für diese hohe Aufgabe, um diese wichtige Vermittlerrolle zu übernehmen. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, Mademoiselle Hellersdorf, daß Sie den anfänglichen Trotz und Widerwillen überwunden haben und jetzt aus eigener Überzeugung und Bereitschaft Ihren Platz in der Zaubererwelt finden können. Bei Ihnen, Monsieur Latierre, möchte ich mich bedanken, daß Sie trotz Ihrer hohen Grundkraft und der damit verbundenen Zusatzaufgaben Ihre eigene Entwicklung mitgefördert haben, aber auch dafür, daß sie auch nach der Kur gegen das Gift der Schlangenmenschen ihr eigenes Wesen zurückgewonnen haben und allen als Beispiel für Unerschütterlichkeit aber auch Entschlossenheit dienten, einer Entschlossenheit, die ohne Aufsässigkeit auskommt, wie ich dazu sagen möchte. Wo immer Sie Ihren Platz finden werden, ich danke Ihnen dafür, daß Sie mitgeholfen haben, Beauxbatons durch das dunkle Jahr zu erhalten und hier mit wohl einem der besten Abschlußzeugnisse abgehen. Wer von einer anderen Schule zu uns kommt hat Anfangs Umstellungsschwierigkeiten. Sie haben diese Umstellungsschwierigkeiten bewältigt, ja sogar Extremsituationen überstanden, hier in Beauxbatons wie auch dort draußen, ohne daran zu zerbrechen. Dafür verdienen Sie meine und aller Kollegen Anerkennung. Alle anderen, die dieses Jahr mithalfen, diese Schule zu betreiben, seien für diese Bereitschaft bedankt, auch Madame Dumas und Madame Latierre, die trotz ihrer Entscheidung für die Mutterschaft auch weiterhin zur Verfügung zu stehen. Sie beide darf ich dann wohl in den Weihnachtsferien begrüßen, wenn sie die UTZ-Prüfungen nachholen. Das wird sie aber nicht daran hindern, ihren Weg zu machen, egal, wofür Sie sich am Ende entscheiden. So möchte ich Ihnen nun die Broschen der Saalsprecher abnehmen und ihnen zu Ihren Schulzeugnissen noch von mir als Amtsperson ausgefertigte Begleitschreiben übergeben, die Sie getrost als Empfehlungsschreiben verwenden dürfen." Nach dieser Ansprache erhob sich Madame Faucon. Auch die Saalsprecher und ihre Stellvertreter erhoben sich und standen geduldig da. Jedem und jeder wurde nun mit einem Zauberstabstupser die goldene oder silberne Brosche vom Brustteil der Sonntagskleidung abgenommen. Julius sah, wie sein Namenszug und daß er Saalsprecher der Grünen gewesen war, unter einem goldenen Schimmer verwischte und verschwand. Nun hatte er auch diese Verpflichtung ablegen dürfen oder müssen. Als dann alle ehemaligen Saalsprecher und -sprecherinnen ohne ihre Broschen dastanden umarmte Madame Faucon noch einmal jeden und jede einzelne. Dann sagte sie: "Und jetzt spreche ich meine letzte offizielle Anweisung aus: Holen Sie ihr Gepäck und begeben Sie sich zum Ausgangskreis!"

Julius und Millie beeilten sich mit ihrem Gepäck. Julius lief noch schnell zu Goldschweif, während Madame Faucon bereits die erste Reisesphäre vorbereiten ließ, die nach Paris.

 

__________

 

Er kommt mit Millie und Dusty, der nicht mehr das singende Ding um den Hals trägt, mit dem er von uns ferngehalten wurde. Ich beschnüffel noch einmal meine Wohnhöhle. Es ist soweit. Ich laufe zu Julius und klettere in diesen kleinen tragbaren Bau hinein. In diesem singt die Kraft. Doch sie tut mir nicht weh.

Es geht nun dorthin, wo der große rote Kreis ist. Ich höre Dusty grummeln: "Das ist das, was die Plätze anders macht. Ist fies, aber tut nicht weh."

"Wenn der Platz wo Julius wohnt da hingemacht wird, wo wir sind, will ich das jetzt aushalten", schnarre ich.

Ich höre, wie Blanche, das Anführerweibchen, Namen oder Sachen ruft. Gerade hat es laut geknallt, nachdem sie etwas von Paris gerufen hat. Dann noch mal wegen was mit Brüssel. Es knallt immer wieder laut. Das ist richtig gemein. Das halte ich bald nicht aus. Julius spricht auf mich ein und sagt, daß wir gleich auch verschwinden. Aber wenn das so laut ist? Ich frage ihn.

"Wenn wir da drinstehen hören wir den Knall nicht. Der kommt von der Luft, die dahinfällt wo die ganzen Leute standen, die wegreisen."

"Die hält nichts aus", knurrt Dusty.

"Ich halte mehr aus als du", fauche ich zurück. "Ich habe schon mehr als fünfzig Junge aus mir rausgedrückt. Wenn du die alle kriegen müßtest, würdest du nicht jeder nachrennen, die nur halb in Stimmung ist."

"Julius, was sagt sie, weil er meint, sie hielte nichts aus?" höre ich Millie durch die Wand dieses Tragedings. Julius sagt es ihr. Ich höre das Glucksen der drei Jungen, die Sandrine und Millie bekommen haben. Dann sind wir in diesem Kreis. Die kraft singt sehr laut hier drin. O nein! Jetzt singt sie noch lauter. Oh, das halte ich nicht ... Was? ich falle. Ich falle!! Um mich schwirrt die Kraft. Aber ich weiß nicht, wo ich hinfalle. Ich fühle das nicht, wo wir sind. Ich verliere gleich das, was ich gefressen habe! Uaaa! Etwas hat mich gepackt und reißt mich auf den Boden. Die Kraft singt durcheinander und versinkt im Boden. Jetzt höre ich nur noch ein leises Brummen der Kraft und ganz weit weg auch das leise Brummen von dem, was über dem Wohnplatz ist und zwischen guter und böser Kraft hin- und herspringt.

 

__________

 

Julius freute sich, wieder in Millemerveilles zu sein. Er wollte erst Goldschweif beruhigen, die die Reisesphärenreise wohl doch mehr mitgenommen hatte, als er gehofft hatte. Doch er kam erst nicht dazu, weil Madame Delamontagne mit ihrer Tochter Virginie, deren Sohn Roger und ihrer jüngsten Schwester Giselle auf ihn zustürmten. Goldschweif fauchte, daß sie aus dem Korb wollte. Julius setzte den Korb ab, bevor die immer noch füllige Ratssprecherin ihn in ihre Arme schloß.

"Da seid ihr wieder zurück. Beauxbatons hat euch ehrenvoll in diese Welt entlassen. Empfindest du jetzt Freude, daß du aus dieser achso überstrengen Schule heraus bist, in die du nie wolltest?"

"Irgendwie komisch, Eleonore. Ich wollte da früher immer ganz schnell weg. Jetzt habe ich das Gefühl, daß ich da nie weg wollte, ist so ähnlich wie bei einem Kind, das gerade geboren wurde. Ich weiß, daß ich jetzt eigene Sachen machen kann. Aber irgendwie weiß ich nicht, ob ich das auch machen kann."

"also hast du dich auch in Maman Beauxbatons warmem Schoß gut aufgehoben gefühlt, wie Virginie, Jeanne, deine frau Mildrid und ich. Ah, das ist die kleine Aurore Béatrice?" Millie strahlte die Dorfrätin an und zeigte ihr die kleine Latierre.

"Guck, Giselle, das ist Aurore Latierre, die wohnt jetzt auch bei uns", sang Elonore ihrer wenige Monate alten Tochter vor. "Irgendwann in einer ganz weiten Zeit geht ihr zwei wieder hierhin und fangt dann zusammen in Beauxbatons an."

"Wenn ich bedenke, wie schnell sieben Jahre rumgehen können", warf Julius ein.

"Für meine und eure Kleine sind elf Jahre noch mindestens drei Zeitalter", lächelte Eleonore Delamontagne. Virginie zeigte ihrem Sohn die beiden Babys. Er wollte Aurore über den Kopf streicheln. Doch die junge Latierre quängelte. Ihr war das alles gerade zu stressig.

"Willkommen Aurore Béatrice in Millemerveilles. Schön, daß du wohlbehalten zu uns gekommen bist", begrüßte Eleonore die Kleine. Dann ging sie zu den Dumas. Sandrine hatte darauf bestanden, ihre beiden Kinder ihren Eltern noch einmal zu zeigen, bevor sie mit Gérard in das eigene Haus weit fort von hier umziehen würde. Dann kam Jeanne mit ihren Zwillingen. Viviane lief an der Hand ihres Vaters.

"Wuppi, habe es von Jeannes Eauvive-Ausgabe gehört, daß die Roten besser waren als die Violetten. Huh, freu mich!" rief Bruno.

"Und die Grünen haben mal wieder den Spitzenplatz geholt", setzte Jeanne hinzu und küßte Julius leidenschaftlich auf die Wangen. "Ui, du bist mir doch ein wenig zu groß zum anständigen begrüßen", lachte sie. Julius ging in die Knie, um mit Jeanne auf gleicher Augenhöhe zu sein. Goldschweif beruhigte sich bereits, wohl auch, weil sie mit Dusty sprechen konnte.

"Maman freut sich, daß ihr den ersten Platz noch mal geholt habt, auch in Denises erstem Jahr und auch das die Roten gleich hinter euch sind. Das kann sie Tante Cassiopeia genüßlich unter die Nase reiben. Ah, sie ist gerade bei Melanie. Chloè, nicht auf die Büsche klettern!" rief Jeanne ihrer jüngsten Schwester zu, die gerade versuchte, an den weitausladenden Schirmblattbüschen hochzuklettern. Die kleine Chloé war in der Zeit zwischen Osterferien und jetzt aber auch noch einmal gewachsen und runder geworden, ein echter Wonneproppen. Das sagte Julius zu Jeanne.

"Irgendwie ist die gerne, seitdem sie alle Milchzähne hat", lachte Jeanne und angelte schnell mit einem freien Arm nach ihrer ganz kleinen Schwester. Camille unterhielt sich gerade mit Melanie und Denise. Als sie sah, daß Jeanne ihre jüngste Tochter sicher hielt sprach sie weiter mit Melanie.

"Aurore hat aber seit meinem letzten Besuch gut an Haaren zugelegt. Aber die Augen sind deine, Julius", wisperte Jeanne. Julius nahm dies als Aufmunterung, etwas von ihm bleibendes geschafft oder geschaffen zu haben.

"Ich muß gleich mit Goldschweif zu uns nach Hause. Apparieren will ich mit der nicht, weil die die Sphäre schon nicht so gut weggesteckt hat", flüsterte Julius.

"Ich bring euch alle nach Hause, Maman, Papa, Denise, Melanie, Chloé, Millie, dich und Aurore und die beiden Fauchlinge da unten. Ist die gerade trächtig?"

"Sie sagt, keine Klopfer im Bauch", erwiderte Julius leise.

"Adele hat alle von Lauretta bekommenen Dusty-Kinder vermitteln können. ihre Schwester Annemarie hat gleich drei von den fünfen genommen."

"Ja, und Belisama hat sich auch eins erbeten, macht vier", erwiderte Julius.

"Wenn eure zwei auch mal Junge kriegen melden Bruno und ich uns für eins der Mädchen an. Rubinia ist zwar noch da, aber sie sucht andauernd nach einem Männchen. Offenbar ist es ihr bei so vielen Menschenkindern eingefallen, auch eigene Kinder haben zu müssen."

"Warum ausgerechnet ein Mädchen, Jeanne. Nachher kriegt das von einem Marseillesischen Straßenkater zwanzig struppige Junge auf einen Wurf."

"Weil meine werte Schwiegermutter unbedingt ihren kleinen Herzog mit guten Knieseln zusammenkommen lassen will. Wer die Kätzin hat hat die Jungen, kennst du doch."

"Meine Jungen suchen selbst bei wem sie wohnen", schnarrte es aus dem Korb neben Julius. Er lachte und sagte, daß Jeanne nicht mal eben entscheiden könnte, bei wem Goldschweifs Kinder wohnten.

Camille kam an und umarmte Julius. "Ja, jetzt drücken wir uns nicht mehr gegenseitig die Bäuche platt", lachte Camille und küßte Julius auf die Wangen. "Traurig oder glücklich, daß du jetzt mit Beaux durch bist?"

"Irgendwie beides. Endlich was eigenes anfangen und doch was schönes dafür für immer aufgeben. Aber das hat meine Tochter auch gedacht, als sie zur Welt kam. Also nichts neues."

"Deine Tochter", lachte Millie. "Fängt wirklich früh an." Die anderen Mütter um sie herum lachten.

"Jeanne hat euch schon gesagt, daß sie euch auf dem Teppich nach Hause bringt. Da kannst du Goldschweif ruhig rauslassen. Im Garten kann sie nichts kaputtmachen, was nicht nachwächst und die fünf Gnome, die ich da vor einer Woche rausgescheucht habe lassen euch dann auch in Ruhe, wenn da zwei Kniesel wohnen."

"Gnome? Okay, die brauchen wir wohl nicht", erwiderte Julius. Irgendwie fiel die gewisse Schwermut jetzt von ihm ab, die ihn an diesem Tag umgetrieben hatte und nur vom Jubel für Sal Grün und Laurentine unterbrochen worden war. Er war zu Hause. Er hatte Beauxbatons zwar verlassen. Doch er war hier in Millemerveilles zu Hause. Die Tür zur großen weiten Welt lag nun hinter ihm. Was er in der Welt anfangen würde lag bei ihm und denen, mit denen er gut auskommen wollte.

Auf Jeannes fliegendem Teppich ging es im gemächlichen Tempo über das Dorf hinweg. Die Kniesel empfanden die Reise als gerade noch annehmbar, weil sie wohl die vorbeihuschenden Erdmagnetfeldlinien fühlten oder sonstwie erkannten, wohin sie sich gerade bewegten.

Vor dem Apfelhaus ließ Julius Goldschweif aus dem Korb heraus. Diese schnüffelte forschend. Ihre Barthaare vibrierten. Dann stolzierte sie einige Dutzend Meter herum, während Stardust bereits die ersten Bäume markierte, um zu zeigen, wer hier wohnte. Julius zeigte Goldschweif das zweite Baumhaus, das er in weiser Voraussicht gebaut hatte. Wie ein silbergrauer Blitz jagte Goldschweif den Eichbaum hinauf und stürmte das für sie reservierte Haus.

"Soll noch mal wer sagen, die verstünden kein Wort", meinte Jeanne dazu. "Okay, ich überlasse euch fünfen jetzt euer Haus. Wahrscheinlich habt ihr auch Post aus Paris bekommen", sagte Jeanne. Dann hüpfte sie auf ihren Flugteppich zurück und brauste nun im Hui davon.

"Da wohnst du, Aurore. Kuck! Ma und Pa haben dir schon viele schöne Sachen zum Spielen hineingelegt", säuselte Millie, als sie ihre kleine Tochter kurz in das für sie vorgesehene Kinderzimmer trug. Aber bis sie abgestillt war sollte sie noch bei ihren Eltern im Schlafzimmer wohnen, wo schon eine weiße Wiege stand.

"Was machen wir mit dem Abend?" Fragte Julius seine Frau.

"bilder aufhängen, Wäsche in den Wasch-Trocken-Schrank, Bücher in die Bib und die Besen poliert. Ich will morgen mal sehen, ob ich nach Aurores Geburt noch schmerzfrei auf einem Besen sitzen kann. Jeanne sagte was von Post, die hol ich rein, wenn du nicht auf was ganz intimes von Gloria oder Pina wartest."

"Apropos Post, ich muß sehen, ob der Laptop noch geht. Dauert höchstens eine Viertelstunde", sagte Julius. Millie lächelte und deutete auf die Tür zur Wendeltreppe.

Julius überquerte den Rasen und lief zu dem Schuppen. Goldschweif turnte bereits in den Bäumen herum. Offenbar gefiel ihr das, richtige Kletterbäume zu haben. Dabei scheuchte sie einen gerade zum Schlafen niedergelassenen Vogel auf, der wild zwitschernd davonflog. Goldschweif fauchte: "Hah, fast gekriegt!"

"Schön, daß es dir hier gefällt, Goldie", sagte Julius. Dann erreichte er seinen fliegenpilzförmigen Geräteschuppen.

Er atmete auf, daß sein Laptop noch funktionierte. Auch das Satellitenmodem sprach noch an. So wartete Julius erst, bis das installierte Antivirusprogramm sich aktualisiert hatte, bevor er neue E-Mails abrief. Zuerst meinte er, von einem Riesenberg an Post erschlagen zu werden. Dann fluchte er, weil er von zweihundert Nachrichten einhundertneunzig wegwerfen konnte, weil es alles Werbemüll war. Das war wohl das Los des freien Postfaches, das sich sicher durch solchen E-Müll finanzierte. Doch eine Nachricht seiner Mutter war dabei, die ihm ein neues Programm gegen solche Werbefluten mitgeschickt hatte. Er installierte das kleine Programm und ließ es die noch nicht gelöschten Werbebotschaften abgrasen. Er markierte alle, die ihm nicht gefielen und ließ das Programm einen Ableger in das angemietete Postfach übersenden. Wenn er demnächst Post holte, würde das Vorzimmerprogramm die lagernden Nachrichten auf die Kriterien prüfen, die er als unerwünscht eingetragen hatte und nur noch die Sachen durchlassen, die es nicht einordnen konnte. War da auch Müll bei, konnte er das Überwachungsprogramm entsprechend erweitern, daß dem Vorzimmerprogramm dann den neuesten Stand mitteilte.

Brittany hatte ihm gratuliert, weil ihr Onkel seine Mutter heiraten wollte.

Dann werden wir zwei doch noch Cousin und Cousine, und du kriegst noch einmal eine echte Oma in die Familie, noch dazu eine Heilerin. Wir treffen uns dann am achten Juli in VDS.

Eine innige Umarmung

 

Britt Brocklehurst

 

Julius druckte die Mail von Brittany für seine Frau aus. Dann sah er auf die Uhr am Rand des Bildschirms. "Ui, vierzig Minuten", stöhnte er und fuhr den Rechner und alles andere schnell herunter.

"Ui, ich fürchte, ich habe meine zugestandene Stunde pro Tag fast erreicht", sagte Julius zu Millie, die Aurore gerade badete.

"Ich habe schon bei allen durchgefeuert, daß wir wieder zu Hause sind, bin dabei mit dem Kopf länger bei Martha, also deiner Mum, hängengeblieben. Die meinte sowas, daß du wohl auch erst einmal jede menge Spam aus deinem Elektrobriefkasten rauswerfen müßtest, was immer das sein soll und hofft, daß du dabei nicht aus versehen ihre elektrische Schrottbriefzerknüllungsvorrichtung mit weggeworfen hast. Ich wollte dich schon anmeloen, aber sie meinte, du wärest jetzt groß genug, mit anständigen Computern umzugehen."

"Ich habe das Ding installiert und meiner Mutter eine Antwort geschickt, in der ich mich bedankt habe. Dann habe ich noch was von Brittany gekriegt, die sich drauf freut, meine Cousine werden zu dürfen, obwohl Mum sich erst verloben will."

"Nur deine. Wenn die von deiner Mutter mitgeheiratet wird, dann heiratet deren Onkel mich mit dir mit. Das kläre ich aber noch mal mit der", lachte Millie.

"Ich wollte sie noch anschreiben, daß sie ja mit dem Luftschiff am neunzehnten zu uns rüberkommen kann, um mit uns Aurores Ankunft nachzufeiern und dann in meinen Geburtstag rein, falls dir das recht ist."

"Ich weiß, du hast gerne richtig große Mädchen um dich herum", säuselte Millie verrucht.

"Madame Maximes Blut hat mich draufgebracht", erwiderte Julius darauf. Millie lachte, womit sie ihre gerade im warmen Wasser planschende Tochter ansteckte.

"Noch wer geschrieben?" Fragte Millie.

"Aurora Dawn. Sie warnt mich davor, nach Australien zu kommen, weil Laura Morehead mich sofort in ihr Privathaus verschleppt und solange dort betüddeln will, bis ich entweder nur noch rollen könnte oder einen Ausbildungsantrag bei ihrer Heilerzunft eingereicht habe. Ich habe ihr noch nicht geantwortet. Aber ich schreibe ihr, daß die gute Mrs. Morehead sich eine Nummer ziehen und hinten anstellen soll, weil so viele Leute was von mir wollen könnten."

"Antoinette hat dir geschrieben und Martha", sagte Millie und badete Aurore weiter, die das offenbar sehr angenehm empfand. Julius ging in das Zaubererweltarbeitszimmer und fand die beiden erwähnten Briefe. Er las, daß er, wenn er bis zum 31. Juli eine bestätigte Ausbildungsanfrage vorlegen könne, bereits am 1. September in der Delourdesklinik als Adept der Heilkunst anfangen könne.

"Da bist du aber schnell dabei, Antoinette", dachte Julius. Doch das war für ihn zu früh. Er wollte eigentlich erst ein wenig von dem Schulalltag herunter, sich frei bewegen, vielleicht längere Zeit irgendwo einfach nur für seine Familie da sein oder mit ihr verreisen.

Seine Mutter lud ihn und seine kleine Familie für den 8. Juli in das Gasthaus zum Sonnigen Gemüt ein, wo sie ihre Verlobung mit Mr. Lucullus Enceladus Merryweather feiern würde. Sie erwähnte bei der Gelegenheit auch, daß sie auch die Dusoleils, die Brickstons und Blanche Faucons Schwester Madeleine und ihren Ehemann sowie die Herren vom Château Florissant und alle an dem Tag verfügbaren Latierres mit auf die Gästeliste gesetzt hatte und auch schon die ersten Rückmeldungen erhalten hatte. Julius legte den Brief auf den Schreibtisch und kehrte zu seiner Frau zurück, die gerade Aurore aus der kleinen Badeschüssel herausnahm. Das gefiel dem gerade zwei Monate auf der Welt lebendem Mädchen nicht so ganz. Es schrie protestierend.

"Ui, die ist noch nicht drüber weg, daß sie vor zwei Monaten auch aus gemütlich warmem Wasser an die Kälte gezogen wurde", scherzte Julius. Millie lachte, während sie die kleine Aurore mit einem bezauberten Trockentuch abrieb. "Dafür hat die sich aber schon gut entwickelt, Monju. So, du darfst sie mir wieder trocken einpacken", sagte sie und gab Julius das kleine Bündel Menschenleben. Er hatte schon Übung darin, das mußte auch Aurore einsehen, als sie trotz einer gewissen Gegenwehr innerhalb von zwei Minuten neu gewickelt war und in ihrem einteiligen Nachtgewand steckte.

"Und, können wir am 8. Juli hin?" wollte Millie wissen. Julius tat so, als müsse er überlegen. Dann sagte er: "Ich habe an dem Tag keinen Termin, es sei denn, Antoinette meint, sie müßte mir abverlangen, diese Ausbildungsanfrage an dem Tag noch auszufüllen und einzureichen, damit die mich am ersten September in der DK in die Adeptenklasse reinholen. Aber da träumt die auch nur nachts von. Ich such mir meine neue Arbeit alleine aus und laß mich nicht verbuchen, wie sie das gerne hätte."

"Kannst du der das auch ins Gesicht sagen?" fragte Millie.

"Jederzeit", erwiderte Julius ohne zu zögern. "Ich kann ihr das sogar begründen, warum ich kein Heiler werden kann", fügte er noch hinzu. Als seine Frau dann wissen wollte, wie, deutete er auf Aurore und zischte, daß er ihr das erst sagen würde, wenn sie beide im Bett lagen. Ihm war nämlich eingefallen, daß ja auch schon Babys Sachen dauerhaft im Unterbewußtsein behalten konnten und durch bestimmte Gedächtniszauber oder -tränke vergessen geglaubte Sachen wieder ins Bewußtsein zurückgerufen werden konnten. So wartete er ab, bis seine Tochter ihre Abendration Muttermilch getrunken hatte und satt und müde in der kleinen weißen Wiege im Elternschlafzimmer einschlummerte.

Als die Bettvorhänge um Millie und Julius geschlossen waren sagte er: "Zum einen weiß ich nicht, was das alte Erbe noch alles von mir verlangen könnte, daß ich mal eben von heute auf morgen durch die Weltgeschichte reisen muß. Zum anderen könnte es mir passieren, daß ich für längere Zeit eine Weiterbildung oder Suche mitmachen muß, um mehr zu erfahren, was nichts mit den Sachen für die Heilerzunft zu tun hat. Ich bin nämlich sicher, daß es da noch viel gibt, was aus den alten Zeiten ans Licht kommen könnte. Ob das passieren darf oder nicht muß vielleicht ich rausbekommen. Aber das geht dann nur, wenn ich genug darüber herauskriege, ohne gleich eine ganze Berufsgruppe informieren zu müssen."

"Auch wenn mir das nicht gefällt, was du da gerade sagst muß gerade ich das einsehen, daß wir das heute nicht wissen, ob nicht schon morgen oder in einem Jahr wieder was von diesem alten Erbe von dir verlangt wird. Außerdem könnte unsere Temmie meinen, dich wieder für irgendeinen Sonderauftrag einspannen zu müssen wie damals mit der Himmelsburg, wo du ja fast jede Nacht im Traum die Zauberflöte von diesem Windmacher hast üben müssen, um die echte zu blasen. An und für sich müßte ich zusehen, dich nicht noch mal in solche Sachen reinrasseln zu lassen. Aber dann müßte ich dich wie Madame Maxime damals an mich dranhängen. Ist zwar irgendwie eine anregende Idee. Aber du würdest dich dann doch irgendwann total langweilen, denke ich."

"Käm drauf an, was du mir zu bieten hättest, damit ich mich nicht langweile", erwiderte Julius herausforrdernd. Millie grinste.

"Einiges sicher, um über die ersten zwei Jahre zu kommen", erwiderte sie und kuschelte sich an ihn an. Er fühlte, daß sie gerade das fühlte, was Goldschweif "in Stimmung kommen" nannte. Wollte sie das jetzt? Wollte er das jetzt? Der Tag war doch sehr lang gewesen. Aber selbst wenn um vier Uhr der selbstgemachte Wecker losging ... Was sollte es?

 

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Julius und Millie gönnten sich vier Stunden mehr Schlaf, nachdem Aurore um halb fünf nach Zuwendung geschrien und diese auch erhalten hatte. Millie bemerkte, daß sie froh sei, daß sich ihr Körper doch sehr gut von der anstrengenden Geburt erholt habe.

Gegen zehn Uhr saßen die Latierres vor dem Apfelhaus an einem Tisch und frühstückten reichlich. Aurore lag in dem Tragekorb, der auch an dem Familienbesen befestigt werden konnte. Denn Ihre Eltern wollten nachher noch erst einzeln und dann gemeinsam Besen fliegen. Zwar war sich Millie jetzt sicher, problemlos auf ihrem Ganymed 10 zu reiten. Aber sie wollte zumindest wissen, ob sie auch noch so gut fliegen konnte wie vor der Schwangerschaft.

Gegen elf landete Camille Dusoleil und brachte frisches Obst mit. die Kleine Chloé war hinter ihr mit einem Sicherungsgurt auf den Besen geschnallt. Sie freute sich, die beiden Kniesel zu sehen, die über die Wiese tobten. Julius war sich sicher, daß Goldschweif gerade nicht in der Stimmung für Nachwuchs war. Doch weil sie jetzt nur den aus Amerika herübergeholten Dusty als Artgenossen in der Nähe hatte, mußte sie eben mit dem zurechtkommen.

Millie probierte ihren Ganymed aus und flog einmal um den Farbensee herum, während Camille mit Julius den Garten beging und absprach, was in der nächsten Zeit zu erledigen war. "Antoinette legt es also darauf an, dich fest zu verplanen, Julius. Gut, wenn deine UTZs das hergeben wäre es eine sehr sinnvolle und ehrenhafte Sache. Aber dann würdest du wohl wieder in einer Internatsgemeinschaft wohnen, weil die ganzen Adepten im Personaltrakt der DK untergebracht werden. Dann wäre nicht mehr viel mit Familienleben." Julius bestätigte das. Das war ja auch ein Grund, warum er lieber etwas anderes machen wollte. Aurora Dawn hatte damals keinen festen Freund oder Ehemann gehabt. Die konnte mal eben um die halbe Welt und da den Großteil des Jahres bleiben. Wenn er sich auf Madame Eauvives Anfrage einließ wäre er außer in den Ferien immer von Millie getrennt und bekäme nur in Ausschnitten mit, wie sich seine kleine Tochter entwickelte, die gerade im Tragetuch auf seinem Rücken schlief und offenbar kein Problem damit hatte, daß ihr Vater und nicht ihre nährende Mutter sie herumtrug.

"Das habe ich Hera auch schon gesagt, daß du jetzt auf den Geschmack gekommen wärest, ein anständiges Familienleben zu führen und daß die Heiler ja auch wohl deshalb sowas nicht gerne zuließen, weil ihre Schüler dann nicht mehr bei der Sache bleiben wollten oder konnten", erwiderte Camille. Dann deutete sie auf einen der zerbrechlich wirkenden, gerade zwei Jahre alten Kirschbäume. "Am besten machen wir da einen Schutzzauber drum, daß eure beiden Fellbündel da nicht ihre Krallen dran wetzen."

"Ich kann das Goldschweif sagen, daß sie und Dusty nur die großen Bäume zum klettern und Krallenwetzen nehmen sollen, Camille", erwiderte Julius. Seine für Gartenpflege zuständige Nachbarin nickte. Julius rief nach Goldschweif. Doch diese war schon im Wipfel eines nahestehenden Baumes. Sie wetzte herunter und kam in drei Sätzen zu ihm. Sie machte zwar erst Anstalten, auf Julius Schulter zu springen, sah jedoch die kleine Aurore und beließ es dabei, ihm um die beine zu streichen. Er sagte ihr:

"Das hier ist Camille. Die paßt auf die ganzen Bäume und Blumen hier auf. Sie hat Angst, daß ihr die kleinen Bäume mit euren Krallen kaputt macht. Aber die großen Bäume könnt ihr gern zum Klettern und toben nehmen."

"In den Kleinen Bäumen singt eine gute Kraft", sagte Goldschweif nur für ihn hörbar. Er sah sich um und erkannte, daß sie wohl die fünf Apfelbäume meinte, die im Abstand von dreißig Metern vom Haus so standen, daß sie die Enden eines Pentagramms mit dem Apfelhaus im Mittelpunkt bildeten. Julius bestätigte das und deutete auf die Kirschbäume. "Da ist auch was drin, was leise singt, als wenn jemand ganz weit weg immer wieder ganz leise singt und dann wieder ruhig ist. Hört sich an wie ein großes, starkes Weibchen." Julius staunte über diese Mitteilung. Doch dann nickte er.

"Was hat sie dir gesagt", julius?" wollte Camille wissen.

"Das in den Apfelbäumchen eine gute Kraft singt, also eine gutartige Magie wirkt. Aber wie sie das beschrieben hat könnte ich echt meinen, die hört sogar, von wem das kommt", faßte er Goldschweifs Aussage zusammen, verschwieg dabei jedoch, daß ein Teil davon mit den kleinen Kirschbäumen zu tun hatte.

"Das freut mich sehr. Hmm, wo du und Aurore jetzt hier seid und ich auch, möchtest du, daß ich sie in ihrer Wiege genauso beschütze wie Viviane und Chloé?" wollte sie wissen. Julius erstarrte einen winzigen Moment. Darauf war er ja überhaupt nicht gekommen. Immerhin war er ja über die Verbindung zu Ashtaria ja auch mit Camille und ihrem silbernen Talisman verbunden. Da Aurore seine Tochter war mochte der Schutzzauber für Leben aus Liebe auch bei ihr wirken. Also stimmte er zu.

Goldschweif ging mit den beiden und der im Tragetuch schlummernden Aurore den Garten ab. "Er mußte gleich überall seinen Geruch hinspritzen, daß er hier wohnt", hatte ihm Goldschweif gesagt. Damit war Dusty gemeint, der unschuldsvoll tuend in seinem eigenen Baumhäuschen lag, wenn ihm die Sonne zu warm wurde.

Vor der von außen unsichtbaren Tür zog Camille ihre Gartenschuhe aus und begleitete Julius ins Haus. Goldschweif folgte ihnen, um das Wohnhaus der Latierres auch mal von innen zu sehen. Julius forderte sie auf, vor dem Schlafzimmer zu bleiben, weil Aurore beim Schlafen vielleicht ihre Haare in die Nase bekam und dann nicht mehr richtig atmen konnte. Goldschweif maulte zwar, daß ihre Jungen immer direkt bei ihr lagen. Doch er blieb eisern und sagte, daß ihre Jungen eben ihre Jungen seien und Aurore seine Tochter. Camille wunderte sich, daß er mit einem Tierwesen diskutierte, das keine eigene Sprachfähigkeit hatte. Aber er setzte sich durch.

Millie apparierte mit leisem Plopp im Empfangsraum und rief nach Julius. Der rief zurück, daß Camille und er gerade was vorbereiteten, um Aurore vor bösen Zaubern zu schützen, solange sie in der Wiege lag. Sofort kam Millie nach oben und sah, wie Julius gerade einen Fünfzackstern in die äußere Wand der Wiege einritzte, da wo Aurore ihren Kopf hinlegte. Zudem zog er mit dem Lingningravus-Zauber noch Runen, die für Schutz, Bewahren und andauern standen.

 

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Sind die Menschenjungen so empfindlich? Ich könnte doch bei dem kleinen Weibchen schlafen und auf es aufpassen. Die wollen was machen, daß ihr nichts böses getan werden kann. Das kann ich doch auch. Aber Julius will das nicht. Der sagt mir, ich soll da nicht in die Schlafhöhle rein. Dann machen die was. Die gute Kraft, die bei Camille singt klingt in diesen fünf kleinen Bäumen nach, die draußen sind. Also hat sie die Kraft in die kleinen Bäume reingelassen. Aber das wackelnde Nest, in dem Aurore schlafen soll ist aus totem Holz. Julius macht was mit der Kraft, was das kleine Holznest ein wenig anders macht. Millie ist auch da. Ich fühle, daß sie genau hinguckt, was die da machen. Ah, jetzt liegt Aurore wohl in dem kleinen Nest drin. Jetzt singt Camille was, was ich nicht verstehen kann. Ui! Die bei ihr singende Kraft wird heftig laut. Haaa, ist das laut! Aber es ist nichts böses. Es ist nur laut. Es geht durch alles durch, was um mich herum ist. Oh, es hallt in den fünf kleinen Bäumen nach und kommt zurück. Ahhuuuaa! Ich renne raus. Auch wenn das eine ganz liebe Kraft ist ist sie mir zu stark. Sie ist warm wie die Sonne. Aber sie rüttelt an mir. Jetzt wird sie leiser, aber sie schwingt nach. Sie wird immer leiser. Jetzt aber ist da ein gleichmäßiges Schwingen, langsamer als die Klopfer von Julius und Millie oder Camille. Doch es bleibt da, wo Aurores Nest ist. Sie ist wach geworden und macht Angstlaute. Doch das geht nur ein wenig Zeit lang. Jetzt schläft sie wieder ein, ganz ohne Angst.

 

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"Alaishadui Siri,
Alaishaduan a sogaharan Iri.
U Alaishaduim Godiri,
san Arwoxaran Laishandan Miri!" beschwor Camille in der Zaubersprache Altaxarrois. Julius hatte einen Finger auf den silbernen Stern an der Kette gelegt, den Camille seit dem körperlichen Tod ihrer Mutter trug. Der Stern berührte das in die Wiege geritzte Pentagramm. Seine andere Hand lag an der fußseitigen Wand der Wiege. MillieHielt Camilles freie Hand und hatte ihre zweite Hand neben der ihres Mannes an die Wiege gelegt. Als die Zauberformel verhallt war, strahlte der silberne Stern unvermittelt weißgolden auf. Das Licht ergoß sich über die Wiege, die darin gebettete Aurore Latierre und umfing Camille, Mildrid und Julius wie eine goldene Kugelschale. Die Wiege schien im goldenen Schein zu zerfließen. Julius fühlte durch den Stern eine unbeschreibliche Wärme in sich einströmen und aus seiner Hand in die Wiege zurückfließen, wobei sie jedoch auch Millie ergriff und durchdrang. Für mindestens fünf Sekunden meinte er, mit den beiden erwachsenen und der gerade erst zwei Monate alten Hexe zu verschmelzen, in einer unerschütterlichen tiefen Geborgenheit zu treiben. Das Licht war hell, doch es schmerzte nicht in den Augen. Es war wie ein Stärkungsmittel, das in seinen Adern wallte, ihn mit einer unfaßbaren Sicherheit und Zuversicht auflud, die dann auch in Aurores Wiege zurückflutete und diese immer mehr erfüllte. Das Baby schrak aus seinem Schlummer auf. Doch es schrie nicht. Es zog die kleinen Beine an und krümmte sich behutsam immer mehr zusammen, als läge es noch im schützenden Mutterleib. Erst als das Licht schwächer wurde und dann von außen nach innen in die Wiege zurückschrumpfte und dann als sachtes Glimmen im silbernen Stern Camilles noch einmal aufzuckte und dann erlosch, hörte das Gefühl der Wärme und bedingungslosen Geborgenheit auf. Aurore stieß ihre Beine vor und quängelte. Doch das ging nur drei Sekunden. dann sah sie ihre Eltern und die Frau mit der hellbraunen Haut und dem schwarzen, sacht gewellten Haar, die sie freundlich von oben her anlächelte. Aurore entspannte sich und schloß mit seligem Gesicht die Augen. Keine fünf Sekunden später atmete sie wieder so ruhig, daß Julius sicher war, daß sie wieder eingeschlafen war.

"Ich habe den Zauber ja schon einmal von dir mitgekriegt, Tante Camille. Aber jetzt habe ich erst gemerkt, wie stark der wirklich ist", stellte Millie fest. "Das war für mich so, als seien wir alle noch ungeborene Kinder im Mutterbauch, du, Aurore, Julius und ich. Aurore hat sich auch genauso hingelegt, als wäre die noch ganz bei mir."

"Interessant, diese Empfindung hatte ich auch", sagte Julius. "Kann daher kommen, daß dieser Stern von den Kindern einer mächtigen Lichtmagierin gemacht worden ist und damit alle ihre Nachkommen über diesen Stern mit ihrer Urmutter verbunden sind", vermutete Julius und übersetzte Millie den altaxarroi'schen Zauberspruch.

"Das ist eindeutig", erwiderte Millie. "jetzt glaube ich es, daß unsere kleine in der Wiege vor allen bösen Zaubern sicher ist."

"Nicht nur das, Millie", antwortete Camille. "Sie wird wohl auch keine Alptträume haben. Ich habe es von Jeanne so gehört und bei Chloé selbst so mitbekommen, daß die Wiege alles angstmachende und schlimme aussperrt, auch Angstvorstellungen. Wenn du es so nimmst liegt eure Kleine in einer magischen Fruchtblase, solange sie in der Wiege liegt. Ihr könnt sie zwar jederzeit rausnehmen und wieder reinlegen. Aber die Bezauberung hält vor. Und Jeanne meint, daß sie sogar noch vorhält, wo die kleine Janine in die Wiege gelegt wurde. Zumindest hat sie sich da sofort so wohl gefühlt, daß sie keine Angst hatte. Die vom kleinen Belenus habe ich auch mit Jeanne zusammen bezaubert. Aber so eine mächtige Wirkung habe ich da nicht ausgelöst. Kann es sein, daß du, Millie, ja von mir schon mit diesem Zauber durchdrungen worden bist und daß Julius mit der Urmutter selbst schon verbunden war und Aurore ja euer gemeinsames Kind ist und damit eure vereinte Lebenskraft in sich trägt. Jedenfalls möchte ich soweit gehen, zu garantieren, daß der kleinen in dieser Wiege nichts passieren kann."

"Ich habe wie aus der Ferne Goldschweif schreien gehört. Kann sein, daß ihr Sinn für Magie überlastet worden ist. Ich muß nach ihr sehen", sagte Julius und verließ das Elternschlafzimmer. Goldschweif hockte im Empfangsraum und keuchte. Julius beruhigte sie und sagte, daß sie ihr nicht noch mal so einen Schrecken einjagen würden.

"Das ist eine Kraft, die ist sehr gut und stark. Aber das hat mir einen Moment sehr weh getan. Aber jetzt höre ich die Kraft nur sanft singen, wie jemand, der langsam luft holt und wieder rausläßt", gab Goldschweif eine Rückmeldung.

"Wir haben Aurore mit einem starken Beschützerzauber umgeben. Der ist durch uns alle durchgeflossen und dabei wohl so stark geworden, daß es dir weh getan hat. Wußte ich nicht. Dann hätte ich dich besser ganz nach draußen gelassen, damit du weit genug weglaufen konntest."

"Ich höre noch die Kraft. Es tut nicht mehr weh. Sie singt nicht nur in dem, was bei Camille ist, sondern auch von den fünf Kleinbäumen dort draußen. Ist das auch von ihr gemacht worden?" Julius bejahte es. "Dann seid ihr jetzt alle hier ganz sicher. Euch kann hier wohl keiner was böses tun", sagte Goldschweif. Als Julius dann noch hörte, daß sie während der weißmagischen Beschwörung eine Art Widerhall von den Bäumen gehört hatte war ihm klar, daß die goldene Energieflut nicht nur im Schlafzimmer, sondern wesentlich weiter gedrungen war und mit den kleinen Apfelbäumen im gleichklang geschwungen war. Damit war das Apfelhaus wohl eine art weißmagische Schutzzone, ähnlich wie ein Haus im Sanctuafugium-Zauber, aber eben nur für die wortwörtlich eingeschworenen Bewohner. Er war auch beruhigt, daß die Wiege auch für die künftigen Kinder als Schutzartefakt erhalten bleiben würde. Feuerfest war sie ja schon. Er war sich auch sicher, daß er sie überall mit hinnehmen konnte, ohne den auf sie gelegten Schutzzauber zu zerstreuen. Doch ebenso war er sicher, daß erst jetzt, durch das neue Leben, das im Zentrum dieser Magie geborgen lag, das Grundstück Pomme de la Vie vollkommen abgesichert war. Doch dann durchzuckte ihn ein heidenschreck. Wenn die Magieentladung so stark war, daß sie das ganze Grundstück erfaßt hatte konnte sie die ganzen elektronischen Geräte gestört haben. Gut, nichts im Geräteschuppen war eingeschaltet gewesen. Er wußte auch eher, daß Magie auf ein laufendes elektronisches Gerät störend wirkte. Doch die batteriegepufferte Uhr im Laptop mochte aus dem Tritt geraten sein. Er kehrte zurück zu seiner Frau.

"Goldschweif hat mir gerade gesagt, daß die von uns beschworene Kraft so stark war, daß sie sogar von den Apfelbäumen widergehallt hat. Ich möchte gerne ausprobieren, ob die ganzen Geräte im Schuppen noch gehen. Wenn nicht muß ich eben drauf verzichten, bis ich entweder was neues in der Richtung kriege oder eben nichts mehr mit der Muggelwelt zu tun habe."

"Okay, probier deine Sachen aus, Julius!" lachte Millie. Doch es klang er aufmunternd als schadenfroh.

Julius lief mit Goldschweif zum Geräteschuppen. Rein äußerlich waren alle Geräte in Ordnung. Er schaltete erst den Radiorekorder ein. Die Casettenfunktion klappte noch. Doch als er auf Radioempfang umschaltete und die Sender absuchte, hörte er zwischen den klar empfangbaren Sendern ein über das weiße Rauschen leise hinwegtönendes Summen, das an- und abschwoll wie eine sanfte Meeresbrandung. Entschlossen, jede Fehlermeldung seines Rechners als notwendiges Übel anzusehen, schaltete er den Rechner ein. Einen Moment lang wirkte es, als wolle der tragbare Computer ordnungsgemäß hochfahren. Doch dann kam die Fehlermeldung, daß die Festplatte nicht gefunden wurde. Also hatte der Zauber entweder direkt in die Laufwerksteuerung hineingewirkt oder das batteriegepufferte Ausgangsprogramm, das Cemos, durcheinandergebracht. Julius holte sich das Handbuch für den Rechner und schlug die von seiner Mutter angekreuzten einstellungen nach. Dann schaltete er den Rechner ein und blockierte den Hochfahrversuch, um auf die Bearbeitungsebene zu kommen. Zumindest zeigte der Bildschirm noch Buchstaben und Zahlen, was ihn sehr zuversichtlich stimmte. Er stellte die von seiner Mutter als gültig vermerkten Bezugswerte für Laufwerke, Uhrzeit und Datum ein und ging auf neustart. Tatsächlich surrte die Festplatte und klackerte sacht wie immer. Er atmete auf, als die üblichen Neustartmeldungen über den Flüssigkristallschirm huschten, bis die Startmelodie des Betriebssystems erklang. Julius wartete noch mehrere Sekunden, bis die auf dem Schirm dargestellte Sanduhr vollständig durchgelaufen war und probierte dann einige Anwendungen aus. Erleichtert, daß die Platte und die auf ihr gespeicherten Programme den Zauber offenbar überstanden hatten, probierte er noch das Modem und das Kombigerät zum Drucken, Einlesen und Kopieren aus. Dabei kam heraus, daß die Geräte erst wieder neu angemeldet werden mußten. Das war jedoch kein Akt. Nach einer halben Stunde holte Julius neue E-Mails. Die Spam-Abwehr seiner Mutter griff. Für einen Moment wurde ihm angezeigt, daß zwanzig als unerwünscht markierte Nachrichten erkannt und noch auf dem Bereithaltungsrechner für seine E-Mails gelöscht worden seien. Ansonsten waren keine Nachrichten eingetrudelt. Er fuhr den Rechner ganz herunter. Nach einer Minute startete er ihn noch einmal, um zu prüfen, ob jetzt auch wirklich alles wieder lief. Als er den Rechner einmal komplett neugestartet und einige Minuten hatte laufen lassen, war er zufrieden. Er schaltete das Gerät wieder aus.

"Offenbar geht alles wieder, weil du sonst ganz schnell wieder da gewesen wärest", lachte Camille ihn an. Julius erwähnte, daß ein Programm, das die im Rechner eingebauten Geräte verwaltete, durch den Zauber beschädigt worden war und er es erst einmal neu hatte eingeben müssen. Alles andere ging dann aber wieder."

"Das Ding frißt aber viel Zeit", meinte Millie etwas verdrossen klingend. Julius konnte das nicht abstreiten. Er sagte nur, daß bei Fehlern eben erst mal zu prüfen war, wo sie lagenund wie sie behoben werden konnten und erzählte ihr was von einem Buch mit tausend Seiten, wo jemand auf Grund eines Druckfehlers was falsch machte und die Leute, die das Buch gedruckt hatten, erst mal suchen mußten, wo der Druckfehler war und wie er beim Neudrucken vermieden werden konnte. "Vertrauen Sie keinen Gesundheitsratgebern! Sie könnten an einem Druckfehler sterben", meinte er dann noch.

"Den kannte ich noch nicht", grinste Camille, während Millie wohl überlegte, ob ihre Computertoleranz nicht etwas zu weit ging. Doch dann nickte sie. Sie hatte schließlich einen Mann geheiratet, der aus der Muggelwelt kam und mit dieser in Verbindung bleiben sollte. Das ging nun einmal nur über diese Elektrosachen im Fliegenpilzschuppen. Julius fragte Camille, ob es nicht sowas gäbe wie einen Kerker, der alle von außen einwirkenden Zauberkräfte um den zu schützenden Raum herumlenken würde, egal was es war, aber dabei keine eigene magische Streuung veranstaltete.

"Da bin ich die falsche aus unserer Familie. Besprich das mal mit Florymont!" erwiderte Camille. Julius sah es ein.

Weil durch den Zauber und die davon ausgelöste Computerstörung viel Zeit vergangen war beschränkten Millie und Julius ihren gemeinsamen Besenflug auf eine Runde um den Farbensee. Aurore lag im sonnengeschützten Tragekorb in der Besenmitte und schlief.

Camille lud die Latierres ein, mit ihr, Florymont und den anderen mittagzuessen. Celestine Rocher war gerade zu Besuch bei Melanie und durfte über Mittag bleiben.

"Das was Muggel einen Farraday'schen Käfig nennen gibt es in gewisserWeise", sagte Florymont Julius nach dem Essen in seiner Werkstatt. "Du kannst eine generelle Absperrung gegen Magie aufbauen. Allerdings mußt du dafür einen Raum aus Stein haben und ihn innen ganz mit einer Schicht aus Gold auskleiden, um den Zauber ohne das Material der Wände zu zerstören aufzubauen. Abgesehen davon weiß ich nicht, ob die Magie dann in den Wänden komprimiert bleibt oder nicht doch eine gewisse Ausstrahlung in den zu sichernden Raum hinein schickt, die Elektronikgeräte stört. Gut, wenn es nur an dem Verwaltungsprogramm für die in den Rechner eingebauten Bauteile lag, ging es ja noch, und ihr müßt den Zauber ja nicht so schnell noch mal anwenden." Julius bestätigte das.

Am Nachmittag kam Hera Matine zu Besuch, um nur als für alle Bürger Millemerveilles zuständige Heilerin die kleine Aurore zu begutachten. Da sie nichts an ihrer Größe und Gewicht auszusetzen hatte, ging sie kurz darauf auch schon wieder. Julius war sich sicher, daß sie ihn gerne wegen der Heilerausbildung angesprochen hätte. Doch womöglich hatte sich Antoinette Eauvive das Vorrecht erstritten, ihn zu bearbeiten. Denn wenn er von so vielen Leuten umschwärmt wurde, die alle dasselbe von ihm wollten, würde er keinem mehr zuhören.

Abends besuchte Hippolyte Latierre ihre mittlere Tochter und den Schwwiegersohn. Millie erzählte ihr, was Camille, Julius und sie gemacht hatten. Sie besah sich die Wiege und meinte dann: "Tja, diesen starken Zauber können wir Latierres so nicht ausführen. Dann ist die Kleine zumindest da sicher vor allem möglichen." Sie wünschte den jungen Eltern noch eine schöne Zeit bis zum 8. Juli. "Wir kommen dann zuerst zu euch, um zusammen loszufliegen", sagte Hippolyte noch. Dann reiste sie aus dem Apfelhaus ab.

Um elf Uhr vibrierte Julius' Practicus-Brustbeutel. Das kam von dem Zweiwegspiegel her, der ihn mit Gloria Porter verband.

"Hallo Julius. Du wunderst dich wohl, daß ich jetzt erst mit dir rede, denke ich", begann Gloria. Julius schüttelte den Kopf und warf ein, daß sie sicher erst gut ausschlafen wollte und dann nicht gerade im Hogwarts-Express mit dem Spiegel hantieren wollte. "Okay, stimt, Julius. Gestern war noch mal richtig Feierlaune. Ravenclaw hat den Hauspokal geholt, trotzdem, daß Kevin fast hundert Punkte Abzug im Alleingang gebaut hat. Die ganzen Punkte von Beauxbatons wurden ja entsprechend der Teilnehmerzahl umgerechnet. Wir haben fünf Punkte vor den Gryffindors gelegen und zwanzig vor Hufflepuff. Slytherin ist wegen des zu frühen Abschieds von Charon Blades fünfzig Punkte hinter die Hufflepuffs gerutscht, weil der Typ in Hogwarts auch nicht das Maul halten konnte. Dann hat sich am zweiten Mai wohl einer von denen, ein Typ namens Burke, bei der Denkmalseinweihung das Schmutzmaul verbrannt, weil er wieder was böses gesagt hat. Professor Craft hat ihm dafür Strafarbeit aufgebrummt." Julius mußte sich arg beherrschen, nicht zusammenzufahren. Dann hatte er das tatsächlich im Traum mitbekommen, wie es bei der feierlichenDenkmalsenthüllung abgelaufen war. Er konzentrierte sich darauf, was Gloria weitersagte. "Der hat dann die Frechheit besessen, seine Kameraden zum Streik aufzurufen. Da hat die dann mal eben für jede absichtlich versäumte Stunde zehn Punkte pro Slytherin-Schüler von deren Haus abgezogen. Seitdem ist Burke bei den anderen unten durch, weil der seine Kumpels angestiftet hat und damit hundert Punkte in zwei Stunden verjubelt hat. Tja, und weil ich die zweite beim trimagischen wurde und Laurentine fair gratuliert habe bekam Ravenclaw durch mich noch einmal hundert Punkte Bonus oben drauf. Kevin tut so, als hätte er das alles hinbekommen. Aber ich habe dem auf der Rückfahrt geraten, im nächsten Jahr möglichst unauffällig zu bleiben. Pina ist ja Vertrauensschülerin. Die wird hoffentlich aufpassen, daß er nicht doch noch vor den UTZs runterfliegt.

Rommy vane war nach der Reise nicht sonderlich munter. Als ich sie drauf angesprochen habe, meinte die ganz biestig, daß ich mich nicht dafür zu interessieren habe und sie froh sei, nicht mehr in Beauxbatons zu sein. Womöglich sei ihr das Frühstück nicht bekommen. Da ich für sie nicht zuständig bin habe ich sie ziehen lassen. Das Kevin schon verlobt ist haben die anderen Jungs von uns mit gewisser Schadenfreude aufgenommen.

Die Fahrt im Hogwarts-Express war ruhig. Keiner hat irgendwas angestellt. Am Ende durfte ich dann mein Vertrauensschülerinnenabzeichen zurückgeben. Jetzt bin ich zu Hause und froh, mit alle dem fertig zu sein."

"Ihr bekommt demnächst Einladungen für meine Reinfeierparty. Millie und ich haben das jetzt beschlossen, daß wir am 19. Juli mit den Nachbarn und Verwandten Aurores Ankunft nachfeiern. Vielleicht kommen Britt und deine Cousinen auch rüber. Weißt du schon von denen was?"

"Myrna hat's wohl auch geschafft. Die hat schon beim Herold angefragt, ob sie bei denen in der Redaktion für magische Neuheiten anfangen kann. Die wollen natürlich erst die UTZs haben, ist doch klar", erwiderte Gloria. "Aber haben sie dich schon wegen der Heilerausbildung angesprochen oder sowas?"

"Ich habe einen offiziellen anwerbungsbrief von der Zunftsprecherin. Wenn ich mich bis zum 31. Juli durchringe, die nötigen Unterlagen zusammenzukriegen, kann ich bei denen am 1. September anfangen. Aber das mache ich nicht, weil ich jetzt, wo ich das mit Millie hinbekommen habe, eine eigene Familie zu haben, nicht noch mal vier Jahre in ein Internat gehen will. Ausbildung ja, aber bitte so, daß ich jeden Abend ins eigene Haus zurückkehren darf", stellte Julius klar.

"Die wird dich nicht vom Kanthaken lassen, Julius. Wenn du deren Ausbildungsmethode als Ablehnungsgrund bringst kommt die dir vielleicht damit, daß die in Australien ja Mentoren für Einzelschüler stellen und dafür höchstens zehn Heilschüler pro Jahr aufnehmen. Hat mir Ms. Dawn ja erzählt."

"Die machen das im Klassenverband wie bei den Vorlesungen an der Universität. Die Schüler haben nur unterschiedliche Fachlehrer auf den entsprechenden Gebieten, keine einzelnen Mentoren", sagte Julius.

"Geht in Aussiland wohl auch deshalb, weil da im Vergleich zu Europa doch weniger Hexen und Zauberer pro Jahrgangsstufe sind", vermutete Gloria. Julius widersprach ihr und führte an, daß es bei den Heilern wohl deshalb so lief, weil sie wegen des größeren Landes mehr Zauberer in der Ministerialverwaltung für alle Bundesstaaten und Städte brauchten und sich das mit der Mentorenbetreuung bewährt habe, weil da jeder an seine oder ihre Leistungsgrenzen geführt würde und jeder seine erkannten Schwächen gezielt abbauen und die bereits vorhandenen Talente gezielt ausbauen konnte. Das sah Gloria ein. Dann grinste sie: "So wie du das sagst könnte eurer Zunftmeisterin einfallen, in deinem Fall eine Ausnahme zu machen und genau aus dem Grund, weil du deine vorhandenen Talente weiter ausbauen sollst, eine Intensivförderung vorschlagen." Julius überlegte, wie sie das meinte und mußte dann nicken. Aber er wollte da keinen schlafenden Drachen kitzeln. Er sagte, daß er erst die UTZs abwarten wolle. Danach wolle er verschiedene Büros anschreiben und die entsprechenden Dokumente vorlegen. Gloria nickte. So wollte sie das auch mit dem Laveau-Institut machen.

Sie unterhielten sich noch einmal über das verstrichene Jahr. Julius verschwieg, daß Millie, Camille und er Aurores Wiege mit einem starken Schutzzauber durchdrungen hatten. Eine dreiviertelstunde später wünschten sich die beiden noch eine gute Nacht.

"Du hättest diese Romilda vielleicht doch zu Madame Rossignol schleppen sollen, Monju. Am Ende hat der rothaarige der ein Reiseandenken zugesteckt", sagte Millie.

"jetzt ist der Zug um die dritte Kurve vom Bahnhof weg, Mamille. Auch wenn sowas passiert sein sollte, bin ich da jetzt nicht mehr für zuständig."

"Auch wieder richtig, Monju. Schlaf gut!" Du auch", erwiderte Julius den Gutenachtgruß.

 

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Irgendwie hatte er mehr Schlaf nötig. Denn er hörte nicht, daß Aurore schrie. Er wachte erst auf, als ihn warme Frauenhände sacht über die Wangen strichen und dann keck in die Nase kniffen. Er schrak hoch, weil er dachte, heftig verschlafen zu haben. Millie lächelte ihn an und knuddelte ihn kurz. "Brauchst noch nicht aus dem Bett zu hüpfen. Es ist erst sieben. Aurore hat durchgeschlafen, das erste mal im Leben. Ich mach erst dir Frühstück und lasse sie dann auch frühstücken", sagte Millie. Julius rieb sich den Schlaf aus den Augen und blickte seine Frau an, die immer noch lächete. Aurore hatte durchgeschlafen? Das war doch mal was neues. Konnte auch sein, weil sie von Millie ja noch spät am Abend gestillt worden war und daher aus ihrem üblichen Rhythmus gerissen worden war, oder weil der Tag so lang für sie war oder weil die Wiege nun mit dem Schutzzauber Ashtarias belegt war.

Julius drehte sich im Bett herum, als Millie mit dem Zauberstab hantierte und einen kleinen Beistelltisch neben seine Bettseite stellte und mit raschen Apportationszaubern eine Decke, einen kleinen Teller, Besteck, eine Tasse mit Untertasse und einen Kannenuntersetzer auf dem Tisch absetzte. Das ging so schnell wie im Märchen vom Tischlein Deck dich. Dann holte Millie zu Fuß ein Tablett, auf dem eine dampfende Kanne, ein Korb mit Brotscheiben, drei Marmeladengläser, eine verschlossene Karaffe Saft und ein Glas standen und servierte Julius die Sachen ans Bett. Er streckte sich noch mal und gähnte laut. Sie hielt ihm den Mund zu und lachte. "Na, du willst unserer Tochter doch keine Unarten vormachen, Monju!"

"Muß was dran sein, daß Frauen, die Mutter wurden zur Spießigkeit neigen", grummelte Julius.

"Lümmel. Als wenn ich so wäre wie Blanche oder Eleonore", knurrte Millie und zog Julius an der Nase. "Hier, häng dir das noch um, damit du nicht ins Bett krümelst. Sonst haben wir zu viele Krümel im Bett. Muß ja nicht sein." Julius grinste. Das war jetzt nicht spießig, dachte er und hängte sich die Schürze um, die über die Bettdecke reichte. Er legte sich die Kissen so, daß er halb sitzend das ihm servierte Frühstück begutachten und dann genießen konnte. Es schaukelte einmal, als sich Millie mit Aurore auf ihrer Bettseite niederließ und das Baby bereits gekonnt zurechtlegte, daß es mit seinem Vater zeitgleich frühstücken konnte. Julius genoß diese Familienidylle. Er erkannte aber, daß Millie mit diesen Vorkehrungen was bestimmtes sagen wollte. Sie war für ihn da, und Aurore war genauso von ihm wie von ihr. Für das alles hatte er zu leben.

Als er mit Frühstücken fertig war stieß Aurore kräftig auf. Julius zeigte ihr, daß er das noch lauter konnte. Millie lachte und meinte: "Da soll man mal sagen, daß Eltern nichts von ihren Kindern lernen. Aber in die Hose machen solltest du besser nicht von ihr übernehmen." Julius lachte. Da Millie gerade dabei war, die Kleine in ihre Wiege zurückzulegen, räumte er seine Frühstückssachen weg und buchsierte den Beistelltisch ohne Zauberkraft auf Millies Bettseite hinüber. Er klopfte sich die Brotkrümel von der Schürze. Millie lächelte ihn an. Sie winkte ihm zu und deutete auf eines der Fenster, das nach Nordosten zeigte. Julius trat heran und blickte hindurch nach draußen. Da sie fast zwölf Meter über dem Boden waren konnte er ohne sich zu verrenken über die Bäume im Garten hinwegsehen. Im Südosten glänzte es gleißendgolden, als gäbe es dort zwei Sonnen zu bestaunen. Julius hatte das schon ein paar mal mit angesehen. Doch es freute ihn immer wieder, die Sonne über dem See der Farben aufsteigen zu sehen, der ihr Licht wie ein gewaltiger Spiegel zurückwarf. Auch dafür lohnte es sich, zu leben, dachte er. Er fühlte warme Hände, die ihm zärtlich durchs Haar strichen und spürte Millies pralle Rundungen am Rücken, während sie sich über seine rechte Schulter beugte und Wange an Wange mit ihm hinausschaute.

"Ich finde das richtig genial, daß Eleonore und Florymont unser Haus genau hierhin gepflanzt haben. Das ist richtig erhaben, wie die Sonne aufgeht", säuselte Millie. Julius sah sein und ihr Spiegelbild geisterhaft golden wie die Gesichter von wachenden Engeln im Fenster. Ja, hier durfte er sein. Aurore würde, wenn sie aus dem gröbsten raus war, auch ein Zimmer mit Ostausrichtung bekommen, um ihre natürliche Namensvetterin begrüßen zu dürfen, wenn sie aufwachte.

"Ui, erst halb acht und schon Eulen. Na ja, wir haben ja einen Briefkasten", meinte Julius, als er eine Schneeeule sah. Ihr Gefieder glänzte herrlich hell im Morgenlicht. Er fragte sich, wann das noch ausstehende Paket von Beauxbatons eintreffen würde. Die Eule konnte es wenigstens nicht tragen. Sie hatte auch nur zwei Briefumschläge dabei. Millie überlegte kurz. Dann glitt ihre Hand zum Fenstergriff des Südostfensters und entrigelte es. Sie öffnete es weit und ließ erst die laue Luft und dann den fliegenden Briefboten ein. Julius erkannte, daß es ein Schneeeulenweibchen war. Hatte Harry Potter nicht auch eine weibliche Schneeeule besessen? Doch die war von einem Todesser mit dem Todesfluch umgebracht worden, als er vor Voldemort und seinen Bluthunden hatte fliehen müssen, wußte Julius.

"Schön, da haben wir die Zertifikate von Madame Rossignol, zumindest Kopien davon", meinte Millie, als sie der Eule einen großen Umschlag abgenommen hatte. Julius bekam den zweiten Umschlag. Der Absender lautete:

 

Heilerin Florence Rossignol
Büro der amtierenden Schulheilerin
Beauxbatons-Akademie
Frankreich

 

Als Anschrift stand:

 

Pomme de la Vie
Millemerveilles
Frankreich

 

In dem Umschlag steckten drei Pergamentbögen. Zum einen war es ein Zertifikat Madame Rossignols, dass die Pflegehelferzeit von Julius Latierre geborener Andrews in Amtssprache zusammenfaßte, wobei er lesen konnte, daß er über all die Jahre mit besonderer Auszeichnung mitgewirkt hatte. Mit einem gewissen Zwinkern las er auch, daß er die Pflegehelferverpflichtungen immer über die von der Schule erwartete Rangordnung gestellt hatte. Das war wohl eine Anspielung auf die Sache mit dem ehemaligen Zaubertierlehrer Armadillus und dessen noch kürzer angestellten Nachfolger Pivert. Das zweite Pergament enthielt eine auflistung aller Heilmagischer Anwendungen, die er in der Zeit gelernt und ausgeführt hatte, wobei auch erwähnt wurde, daß er eine gründliche Schwangerenbetreuung erlernt und dreimal als Geburtshelfer assistiert hatte. Dreimal? Dann fiel es Julius ein, daß in der Heilmagie nicht nach der Anzahl der Niederkünfte, sondern der der auf die Welt gebrachten Kinder gezählt wurde. Das war für Heilerinnen sehr wichtig, die daran gemessen wurden, ob sie auch gute Hebammen waren. Aurrora Dawn hatte ihm mal erzählt, daß sie vor ihrer Heilerzulassung bei einer Drillingsgeburt geholfen hatte und diese Kinder schon als drei von ihr auf die Welt geholte Kinder gezählt wurden. Der dritte Bogen war ein persönlicher Brief Madame Rossignols, in dem die Heilerin sich noch mal schriftlich bei ihm für seine Einsatzbereitschaft und seinen Lernwillen bedankte. Sie schrieb aber auch, daß seine Begabungen und Erfahrungen ihn verpflichteten, zumindest einen Beruf zu ergreifen, bei dem die bei ihr erlernten und verwendeten Verfahren gebraucht wurden, bestenfalls bei der Heilerzunft anfragen sollte, ob diese ihn zum vollaprobierten Heiler ausbilden und in Dienst stellen wollte.

Ich habe es dir schon mehrmals gesagt und auch wo deine Mutter an unserem letzten Elternsprechtag dabei war begründet, daß deine ganzen Begabungen bei den Heilern hier oder in anderen Ländern am besten aufgehoben sind, zumal du auch dort die dir von einer mir immer noch nicht ganz ersichtlichen Seite her auferlegten Aufgaben erfüllen kannst. Dir mag es zwar vorkommen, daß unsere Zunft zu streng reglementiert ist, was das Privatleben angeht. Doch bieten wir unseren aprobierten oder auszubildenden Mitgliedern auch mehr Schutz vor böswilligen Interessengruppen, da wir ja nicht von uns aus offensiv gegen reinrassige Menschen kämpfen dürfen. Sicher, ähnliches bietet auch die Liga gegen dunkle Künste. Doch die könnte finden, daß dein Wissen nur noch in den Kreisen der Liga bewahrt werden darf und dir nach erfolgreicher Anwerbung befehlen, alle Verbindungen zu Leuten zu lösen, die von den hohen Herrschaften der Liga als nicht einschätzbar oder gar vertrauensunwürdig eingestuft werden. Das würde dir bei den Heilern nicht widerfahren. Da eine vereinbarung von 1750 zwischen den Heilzunftsprechern Europas und den zehn Führern der Liga gegen dunkle Zünfte festlegt, daß ein auszubildender oder vollständig zugelassener Heiler nicht von der Liga gegen dunkle Künste angeworben werden darf, weil es doch zu Interessenskonflikten kommen kann, wärest du bei uns auch in der Hinsicht besser geschützt, daß die es ach so gut meinenden Herrschaften, die sich nicht scheuen, dunkle Zauber zu erforschen, um sie angeblich besser bekämpfen zu können, nicht an dein Wissen gelangen. Denn wenn ich das von Madame Faucon richtig berichtet bekam, birgt dein Zugang zu diesen alten Straßen nicht nur segensreiches, sondern auch höchstverderbliches. Die Versuchung wäre zu groß, daß Leute, die aus Angst vor neuen Schrecken auf diese Mittel zugreifen wollen, auch die bösartigen Dinge benutzen, gemäß dem Grundsatz, lieber zehn Leben auslöschen, als eine Million Leben verderben lassen. In der Hinsicht unterscheidet sich diese Liga gegen dunkle Künste von der Heilerzunft, wo es streng verboten ist, auch nur ein einziges Menschenleben mutwillig zu schädigen oder zu vernichten. Ich empfinde es zumindest als rücksichtsvoll, daß Madame Faucon oder Professeur Delamontagne nicht schon längst darauf verfallen sind, dich für die Liga zu gewinnen. das kann aber auch daher kommen, daß deren Anwerbungsregelwerk verlangt, einen zu Werbenden erst sieben Jahre nach seiner Schulausbildung anzusprechen und zu fragen. Sollte der zu fragende jedoch bereits vorher bewußt die Liga gegen dunkle Künste um Hilfe, beispielsweise bei der Einrichtung von schutzzaubern und Personenschutz für Freunde oder Angehörige bitten, könnte die Zusage dieser Hilfe mit einer Verpflichtung des Bittstellers einhergehen, sich der Liga gegen dunkle Künste mit allem Wissen und Können zur Verfügung zu stellen. Zwingen können sie dich nicht, weil sie hierfür ja auf sowas wie den Imperius-Fluch oder Straftaten wie Erpressung, Bedrohung oder Diebstahl zurückgreifen müßten. Insofern überlege dir bitte, ob du wirklich all deine Fähigkeiten irgendeiner von der politischen und ethischen Haltung des amtierenden Ministers abhängigen Behörde des Zaubereiministeriums zur Verfügung stellen willst oder dich dem Gewinnstreben eines frei wirtschaftenden Unternehmens anvertrauen willst, die deine Fähigkeiten immer danach werten, wie viel Gold damit gewonnen werden kann! Da wir dich auch nicht zwingen können kann ich nur auf die von dir mehrmals bewiesene Vernunft hoffen. Die Möglichkeiten, die dir zur Verfügung stehen kennst du jetzt. Mit den beiden Zertifikatsschreiben hältst du wie Millie den Schlüssel zu einer großen Tür in Händen. Allerdings denke ich, daß diese Tür bereits in dem Moment für dich aufgegangen ist, als du die UTZ-Prüfungen hinter dich gebracht hast. Millie kann ja, wenn sie will, ebenfalls der Heilerzunft beitreten, sofern ihre UTZs das ermöglichen. Bei dir denke ich aber, daß es wirklich eine Verschwendung von Fähigkeiten ist, dich nur auf ein einziges Gebiet zu beschränken. Die Anforderungen der magischen Heilkunst sind wesentlich weiter gefächert als alle anderen Berufsmöglichkeiten.

In der Hoffnung, daß du deinen Weg im Einklang von Herz und Verstand gehen wirst verbleibe ich

in Dankbarkeit und mit wohlwollenden Grüßen

 

Florence Rossignol

 

"Und, hat sie noch mal die große Trommel geschlagen, daß du das Schreiben von Antoinette mit einem klaren Ja beantworten sollst?" wollte Millie wissen. Julius bestätigte das und gab ihr die drei Pergamentbögen. Sie gab ihm ihre. Er prüfte schnell, wie weit sich die für sie erstellten Empfehlungen von seinen unterschieden und las den Begleitbrief. Auch Millie erhielt viel Dank und Lob, auch und vor allem, daß sie sich nicht den ihr zugeteilten Aufgaben verweigert hatte und auch während Schwangerschaft und Wochenbettphase mitgeholfen hatte, daß Beauxbatons und seine Schüler weiterhin gesund und munter blieben. Allerdings fehlte Millie die Erwähnung, bei Geburten assistiert zu haben. Bei Cytheras Geburt war sie noch keine Pflegehelferin gewesen. Ihre eigene Niederkunft hatte sie eben als Patientin erlebt und die Niederkunft Sandrines hatte sie noch Wochenbettruhe zu halten. So sagte Julius, nachdem er die drei Briefe gelesen hatte:

"Möchtest du meine Geburtshilfestatistik abhaben, Millie?"

"Wozu? Eine Heilerin in der Latierre-Familie reicht im Moment völlig aus. Neh, lass dir das ruhig einrahmen, daß du Constance, Mir und Sandrine geholfen hast, auch wenn die hier nur was von drei Neugeborenen erwähnt, wo die in der Heilmagie ja die Kinder zählen."

"Na ja, aber wegen der Heilerstatuten darf ich keine eigenständige Geburtshilfe leisten. Außerdem halte ich immer noch mehr von einer Anstellung, bei der ich nicht auf einen bestimmten Ort festgenagelt werden kann. Aber ich denke, das war nach Antoinettes Schreiben der zweite Versuch. Der dritte und vierte wird kommen, wenn Aurora Dawn und Béatrice zu Aurores Ankunftsnachfeier kommen könnten oder ich Chloé Palmer oder Lucky Merryweathers Lebensgeberin zu sehen kriege."

"Das mit der Liga gegen dunkle Künste hat mir Großtante Diane auch mal erzählt, daß die einen gerne überwachen, wenn sie denken, daß der oder die besonders bedroht wird. Ihr Schwiegervater hatte das Problem, weil der auf eine Hinterlassenschaft von Erebus dem Neumondsohn gestoßen ist, einem Halbvampir, der die Eigenschaften von Zauberern und Vampiren dazu benutzt hat, ein Reich aus Menschen und Blutsaugern aufzuziehen. Das war im dreizehnten Jahrhundert oder so irgendwo in Griechenland. Seine Mutter, die sich Lamia, die Blutmondkönigin nannte, hat ihn mit dem Leben von vierzig Neugeborenen Jungen ausgetragen und zur Welt gebracht. Der ist zweihundertvierzig Jahre alt geworden, bevor er von einem zauberer namens Anaxophos geköpft worden ist. Der besagte Schwiegervater unserer gemeinsamen Großtante Diane hat wohl alte Schriften und Artefakte gefunden, als er im Auftrag der Liga geforscht hat. Angeblich, so Tante Diane, habe er sich dabei die Seele von Erebus eingefangen, ähnlich wie die, die von diesem Irren Riddle in Besitz genommen wurden. Vielleicht war oder ist Erebus ein Dibbuk gewesen. Auf jeden fall haben die von der Liga behauptet, er dürfe nie wieder mit seinen Verwandten sprechen. Und jeder Brief von ihm wurde von Leuten aus der Liga gelesen und auf eingewirkte Flüche geprüft."

"Lamia? Gut, so hießen viele mächtige Vampirinnen in den letzten achthundert Jahren. Aber ich denke da an diese Nocturnia-Brut. Die werden doch auch gerade von so einer angeführt", erwiderte Julius.

"Stimmt, habe ich auch mitbekommen", erwiderte Millie. "Aber noch mal zu dem Brief an dich: Klingt alles gut und schön, daß sie dich beschützen und dein Wissen nicht für sich allein behalten wollen. Aber wer sagt uns, daß die Heilzunft nicht auch irgendwann meint, daß du für die restliche Welt zu gefährlich bist und dich dann irgendwo hinsperrt oder wegen deiner durch die ganzen schweren Sachen erlittenen Seelenschäden genesungsverjüngt wie diesen Jack Bradley?"

"Oh, guter Einwand, Millie. Aber das bringe ich besser nicht als Grund für eine Ablehnung an, weil ich da vielleicht einen schlafenden Drachen wachkitzeln könnte. Nachher darf ich mit Aurore zusammen in Beauxbatons zu lernen anfangen und verliebe mich dann in sie, weil ich ja dann vergessen habe, daß ich ihr Vater bin. Neh, lassen wir mal besser unerwähnt."

"Die würden dich wenn dann überhaupt weit weg von Beaux wiederaufwachsen lassen. Könnte dann sein, daß diese Laura Morehead dich dann ganz offiziell betüddeln darf oder gar die Nichte von Eileithyia Greensporn, diese Leda, die von einem unbekannten Typen schwanger geworden sein soll. Stimmt, vergessen wir lieber schnell wieder. Aber das mit der Arbeitsortfestlegung kannst du als Ablehnungsgrund bringen, weil die hier in Millemerveilles schon einen Heiler und eine Heilerin und Hebamme haben und wir hier immer noch am sichersten leben können." Julius nickte. Das konnte er echt bringen.

Ihre Unterhaltung wurde von einem dunkeln Punkt abgelenkt, der für einen winzigen Moment den goldenen Spiegelglanz des Farbensees durchbrach. Julius blickte hinaus und sah sieben Uhus, die ein großes Paket in mitternachtsblauem Packpapier zwischen sich trugen. Der vordere Eulenvogel wandte sich gerade dem Apfelhaus zu. "Mach das andere Fenster auch auf, Monju, die wollen zu uns!" stieß Millie halblaut aus. Julius war schon dabei, das zweite Fenster zu öffnen. Da zwischen den Fenstern kein Trennbalken angebracht war bot das Schlafzimmer nun einen halbrunden Einlaß von Nordost bis Südost. Julius warf schnell noch die Bettvorhänge über den Baldachin, damit die sieben Großeulen eine bessere Einflugschneise hatten. Da kamen sie auch schon angeschwirrt. Sie hörten nur den sich im Packpapier fangenden Flugwind, als die sieben Uhus das Apfelhaus erreichten und mit einem Plumps das Paket auf das Bett niederdrückten. Dabei sprangen die Schließen der Tragegeschirre von selbst auf. Die sieben majestätischen Eulen landeten gar nicht erst. Sie fächerten aus und machten kehrt. in einer Julius faszinierenden Ordnung, ohne sich an den Fensterrahmen oder den Flügeln der Flugkameraden zu stoßen, glitten sechs Uhus zurück ins Freie. Der siebte präsentierte noch eine Bauchtasche wie einen angebundenen Känguruhbeutel. Er gab ein forderndes "Wuhuuu!" von sich. und landete auf einem der Stühle, über die die Latierres ihre Tageskleidung zu hängen pflegten.

"Wer die abgerichtet hat ist ein Weltmeister", meinte Julius und nahm dem Vogel den Brief aus der Bauchtasche. Kaum hatte er diesen freigezogen, startete der Uhu auch schon wieder durch und sauste seinen sechs Begleitern in Ostrichtung nach.

"Okay, da ist unser Paket, Millie. Mal lesen, was Madame Faucon schreibt", wisperte er. Millie ließ derweil beide Fenster wieder zuklappen und von Zauberhand verriegeln. Das war für Julius wohl eine Aufforderung, laut vorzulesen. Er zauberte dann noch einen Klangkerker im Schlafzimmer, um wirklich nicht mehr abgehört werden zu können. Dann las er den Brief vor:

"Hallo Julius und Mildrid. Neben den bereits von mir offiziell geäußerten Worten zu eurer hervorragenden Leistung während eurer Zeit in Beauxbatons möchte ich euch das schwere Paket mit dem Denkarium, daß Julius bei Madame Maxime hergestellt und eingerichtet hat, sowie das auf ihn abgestimmte Intrakulum und den unter Einsatz seiner Freiheit und seines Lebens erworbenen, wenngleich ihm aufgenötigten Lotsenstein aus Altaxarroi übersenden. Da diese Gegenstände so stark mit Magie angefüllt sind, daß an eine Einschrumpfung und/oder Gewichtserleichterung erst gar nicht zu denken war, habe ich einige Zeit gebraucht, um alle sieben offiziellen Uhus von Beauxbatons zusammenzubekommen, um das Paket im ganzen transportieren zu können. Ich hoffe, ihr seit zum Zeitpunkt, da die Vögel unter Umgehung aller Muggelansiedlungen und -verkehrswege bei euch eintreffen schon wach. Sonst müssen die Vögel erst zu mir hin, damit niemand das Paket vor eurer Tür zu sehen bekommt. In diesem Fall würde ich euch dann Kontaktfeuern, damit ihr es bei mir abholt, sobald es dunkel genug ist, daß die meisten Bürger Millemerveilles sich in ihren Häusern aufhalten.

"Julius, da der Inhalt des Paketes für deine Frau und dich höchst brisant ist, solltest du es weit genug von deinem Muggelweltgeräteschuppen, aber nur für Mildrid und dich zugänglich deponieren, ohne es in euer Verlies in Gringotts verbringen zu müssen. Du kennst genug Zauber, die den Zutritt zu bestimmten Räumen gewähren oder verwehren. Ich empfehle dir den Divitiae Sanguinis zu verwenden, den Professeur Delamontagne zwar nicht im Unterricht erwähnt hat, der aber in einem Buch über erweiterte Schutzzauber ausführlich beschrieben ist. Ergänze ihn wenn möglich durch jenen Versiegelungs- oder Eigenschutzzauber, mit dem du bei Madame Maxime das Denkarium vor feindlicher Ausschöpfung geschützt hast! Lege zu erwähntem Zauber am besten noch Bannzauber gegen böswillige Geisterwesen und den Wall der Feindeswehr mit an!

Über den Gebrauch der Artefakte möchte ich euch beide nicht weiter belehren, da ihr ja selbst erfahren habt, wie gefährlich ihre Benutzung sein kann und wie nötig es ist, den Kreis der von ihnen wissenden klein und überschaubar zu halten. Was das Intrakulum angeht, so hat der Minister mir erlaubt, es dir zu überlassen, allerdings unter der Bedingung, daß du ausschließlich alleine oder in Begleitung deines Kniesels davon gebrauch machen darfst und es nicht als Beförderungshilfe für andere Hexen und Zauberer verwendest, es sei denn, Leib und Leben deiner Blutsverwandten sind unmittelbar bedroht. Wenn du diese Bedingungen einhältst darfst du das Intrakulum nach eigenem Ermessen verwenden. Verstößt du jedoch gegen die Einschränkungen zum Gebrauch dieses Artefaktes, so droht dir entweder der Entzug dieses Hilfsmittels mit anschließender Bestrafung wegen Verstoßes gegen eine ministeriale Anweisung und Permagische Personenbeförderung unter Ausnutzung nicht amtlich zugelassener Hilfsmittel ohne amtliche Sondererlaubnis. Ich gehe jedoch davon aus, daß die Androhung dieser Strafe nicht wirklich nötig war, ich sie der amtlichen Vollständigkeit wegen jedoch aussprechen mußte.

Wenn ihr das Paket ohne Umweg über mich erhalten konntet wird der Uhu, dem du diesen Brief entnehmen konntest zu mir hinfliegen. Dann weiß ich, daß ihr das Paket erhalten habt. Ich wünsche euch dreien noch einen angenehmen Tag.

Blanche Faucon

P.S. Camille hat mir erzählt, daß Aurores Wiege und euer Grundstück bis zu den fünf Apfelbäumen nun optimal geschützt sind."

"Hoh, wo stellen wir das hin, Monju. In der Bib steht der Schrank. Da können wir nichts reintun", warf Millie ein.

"Dann kommt alles in mein Arbeitszimmer. Divitiae Sanguis kann auch auf einen Schrank gelegt werden. Dann räume ich die ganzen Schreibsachen eben raus. Dann paßt das Denkarium da rein. Dann kann ich auch den Clavunicus-Zauber mit den Schlüsseln machen, jetzt, wo ich die entsprechenden Runen kann und die Zaubersprüche kenne."

"Okay, dann tragen wir deine besonderen Geschenke in dein Arbeitszimmer!" trieb Millie ihren Mann an. Erst packten sie das große Paket aus. Julius steckte den kugelförmigen Lotsenstein und die Metallscheibe des Intrakulums in seine Umhangtaschen. Da Millie und er in guter Körperform waren war das große Becken aus Granit, in dem silbernweiß wie gasförmiges Mondlicht alle bisher für wichtig gehaltenen Erinnerungen schimmerten, in Julius Arbeitszimmer zu tragen. In weniger als zehn Sekunden hatte Julius alle Schreibsachen und die astronomischen und herbologischen Geräte aus dem großen Schrank gezaubert. Die astronomischen Sachen würde er im Wintergarten im Apfelstiel unterbringen. Die herbologischen Hilfsmittel wie das Herboskop und das Gartenarbeitsvielzeug von Florymont konnte er im Küchenbereich im Erdgeschoß unterbringen. Er versetzte die Einlegebretter im Schrank so, daß er ganz unten das Denkarium hineinbekam. Es paßte gerade so hinein, daß der Schrank geschlossen werden konnte. So konnte Julius auch die beiden anderen so einzigartigen Gegenstände im Schrank verstauen. Dann führten Millie und er nach mehrmaligem Nachlesen aus dem entsprechenden Buch den Divitiae-Sanguinis-Zauber aus, wobei Julius sogar las, daß nicht nur eine den zu sichernden Raum umschließende Linie aus eigenem Blut benutzt werden konnte, sondern mit dem Blut der Leute, die an die Wertsachen gelassen werden durften geschriebene Runen an mindestens drei den Himmelsrichtungen entsprechenden Bereichen des Raumes von innen anbringen konnten. Das machte er. Millie und er schnitten sich wie Gloria, Laurentine und Hubert kreuzförmige Wunden in die Arme und fingen ihr Blut mit noch unbenutzten Schreibfedern auf. "Wie beim Pakt mit dem Teufel", scherzte Julius. Millie meinte dazu, daß es in der hellen und dunklen Magie vile mit Blut geschriebene Symbole gab. Doch wer wenn nicht Julius wußte das auch, der ja Runenkunde gehabt hatte. So war es an ihm, die Runen für Bewahrung, Verbergen, Beschränkung und Schutz von innen an die Rückwand und die Seitenwände zu schreiben, wobei Milie mit dem Vier-Punkte-Zauber die genaue Nord-Süd-Weisung ermittelte, so daß er die Runen gemäß ihrem Bezug zur entsprechenden Sonnenstellung anbringen konnte. Als das fertig war sprachen beide mit synchron bewegten Zauberstäben die vier Auslöseformeln: "Sanguis nostrum positum! Sanguis nostrum Clavis est. Per sanguinem nostrum protegemus totum positum. Divitiae nostra per sanguinem nostrum sempre protectus sit!" Diese vier Formeln mußten sie von jeder Seite aus sprechen, an der von innen die mit Blut geschriebenen Runen angebracht waren. Beim dritten durchlauf glühte der Schrank auf. Er nahm die Farbe von pulsierendem Blut an. Julius sah, wie er im Takt seines und Millies durch die Herzanhänger gerade auf einen Gleichklang gebrachten Herzens pulsierte. Eine Minute lang blieben beide mit noch leicht nachblutenden Wunden stehen. Dann erlosch das pulsierende glühen. Julius sah, daß der Schrank nun wieder so aussah wie vorher. Falls der Zauber nicht funktioniert hätte, so die Beschreibung, wäre er durch die in drei Richtungen wirkenden Kräfte zerrissen worden. Also war die Umschließung fehlerlos. Julius bezauberte dann mit mit silberner Zaubertinte geschriebenen Runen um das Schloß und einer Rune für einzig und den Machtrunen für bewegen und versperren den Schlüssel, wonach er Schloß und Schlüssel mit den Formeln des Clavunicus-Zaubers besprach, bis zwischen Schloß und Schlüssel ein silberner Lichtbogen aufleuchtete, der dreißig Sekunden bestehen blieb. Julius steckte den Schlüssel ins schloß und drehte ihn um. Es gelang. Er drehte ihn wieder um und öffnete den Schrank. Er sah, daß Wände, boden, Decke und Türinnenseite blutrot gefärbt waren. Das war eine Begleiterscheinung, wenn Divitiae Sanguinis mit den Runen unterstützt wurde. Die Gegenstände waren noch alle da. Julius schloß den Schrank noch einmal ab und versuchte, ihn mit "Alohomora!" aufzuzaubern. Doch das gelang nicht. Millie versuchte es auch. Doch es ging nicht. Sie nahm den Schlüssel und schloß die Tür auf. Es gelang. Sie griff in den Schrank hinein. Nichts passierte. Sie konnte das Intrakulum herausnehmen und wieder hineinlegen. "Ist nur ein wenig wärmer am Arm, wenn ich in den Schrank greife", erwähnte sie. Dann gab sie Julius den einen Schlüssel. Er holte noch den Zweitschlüssel und machte mit einer Verbindung aus dem ersten Schlüssel, dem Schloß und dem zweiten Schlüssel einen zweiten Clavunicus-Schlüssel. Erst dann säuberte er seine Wunde und ließ sie verheilen. Millie tat das auch mit ihrer Wunde. Dann holte sie aus dem Putzmittelschrank im ausgesuchten Hauswirtschaftsraum die Flasche mit dem magischen Allzweckreiniger und scheuerte die auf dem Boden entstandenen Blutflecken fort. Julius brachte derweil die Runen für einen umschließenden Feindeswall an. Dann sprach er mit auf den Schrank tippenden Zauberstab die Formel Ashtarias. Diesmal glühte nur der Schrank golden auf. Also ging es. Die Runen alleine reichten schon aus, den Zauber als Schutzzauber einzuprägen. Nach einer Minute erlosch die goldene Glut. Was beim Denkarium schon funktioniert hatte war auch bei dem Schrank gelungen. Nun konnte kein wie auch immer feindlich gesinntes Wesen den Schrank berühren. Hineingreifen konnten nur die, die durch ihr Blut den Schutz ihrer Schätze beschworen hatten. Damit war alles erledigt.

Den Rest des Vormittages verbrachte Julius mit dem schreiben von Einladungen und beantwortete die schriftliche Anfrage seiner Mutter und per E-mail auch den Brief Aurora Dawns, der er mitteilte, daß sie auch ein Einladungsschreiben schickte.

Den Nachmittag verbrachten die Latierres mit ihrer Tochter bei Jeanne und Bruno Dusoleil. Barbara van Heldern war mit ihrem Mann Gustav auch herübergekommen. "Im nächsten Februar hab ich dich eingeholt, Jeanne", verkündete Barbara stolz und tätschelte sich unmißverständlich den noch ungerundeten Bauch.

"Bring mich nicht auf Ideen, Barbara", schertzte Jeanne. "Und sie besser auch nicht", fügte sie auf Millie deutend hinzu.

"Ich warte besser noch, bis unsere Aurore auch anderes verdauen kann als meine Milch", erwiderte Millie darauf. Jeanne stimmte ihr nickend zu.

"Ihr feiert die Ankunft ganz offiziell am neunzehnten?" fragte Barbara. "Gut, ich kann da auch hinkommen. Ist Kevin Malone auch eingeladen? Interessiert mich, ob er sich in Beauxbatons gebessert hat, obwohl Jacques es mir ja fingerdick aufs Butterbrot geschmiert hat, daß Patrice Duisenberg Kevin auf den Besen gerufen hat."

"Stimmt beides", erwiderte Julius. "Jacques soll sich nicht so aufplustern, wo Mésanges Eltern dem schon vorbeten, daß er mit ihr in ihrer Nähe wohnt. Der will ja eh aus unserem Elternhaus raus."

"Habe ich auch so verstanden", sagte Julius.

Jeanne lud sie alle noch zum Abendessen ein. Die drei Säuglinge schliefen in ihren Tragekörben. Charles, seine kleine Schwester Berenice und Viviane Dusoleil konnten schon am Tisch auf extra hohen Stühlen mit Fußrasten sitzen. An den drei bereits laufenden und sprechenden Kindern konnten Millie und Julius sehen, was ihnen noch bevorstand und wie viel Zeit bereits vergangen war. Auch wenn es mal lauter und mal lebhafter zuging hatten die drei Familien einen kurzweiligen und schönen Abend zusammen. Jeanne ließ keine Gelegenheit aus, zu betonen, daß Julius und damit auch Millie mit zur Dusoleil-Familie gehörten. Da Bruno ja auch direkt mit den Latierres verwandt war war diese Verbindung ja noch stärker.

Als Jeanne und Millie eine kleine Stillgruppe bildeten und ihre Ehemänner allein im Wohnzimmer ließen sagte Bruno:

"Und, wo gehst du mit deinen Super-UTZs hin, Julius?"

"Wenn es nach Antoinette geht in die DK. Aber selbst wenn ich bei denen alles geniale Lerne, was ich so lernen kann würde ich wieder vier Jahre Internat absitzen, weil die Adepten nur in den Ferien zu ihren Familien dürfen. Will ich nicht wirklich."

"Bist du sicher, daß Camille dich nicht auch geboren und gesäugt hat, Julius? Original dieselbe Antwort bekam ich von Jeanne auch, als Hera die gefragt hat, ob sie statt zu den Graminis' nicht besser in die richtige Heilzunft gehen wolle."

"Hmm, so wie deine Schwiegermutter - mögen ihr die Ohren silberhell klingeln - mich vom ersten Augenblick an umsorgt hat und das immer noch macht müßte ich das zumindest mal für möglich halten, daß die mich der Familie Andrews untergeschoben hat. Aber dann hätte ich drei Tage vor Claire zur Welt kommen müssen, und da war gerade dieser Kräuterkundekongreß. Da gibt's zu viele Zeugen, die mitbekommen haben, daß sie da nur ein Kind bekommen hat", sagte Julius frei heraus. Denn über Ashtaria und Ammayamiria war er ja irgendwie jetzt auch Claires Bruder und gleichzeitig Camilles Bruder, was zu verdreht klang, um es laut auszusprechen.

"Bleibt dann einer aus deiner angeheirateten Verwandtschaft. Wer da eher?" hakte Bruno nach.

"Ich will erst die UTZs Tinte auf Pergament haben, bevor ich das konkret sage", erwiderte Julius. Bruno verstand. Am Ende konnte er gleich mehrere Möglichkeiten in die Mülltonne werfen, wenn die nötigen UTZs nicht stimmten.

"Und, bei Ganymed oder Cyrano rein?" fragte Bruno.

"Da habe ich was gelesen, daß ich für Ganymed mindestens tausend Besenflugstunden vorweisen muß. Die habe ich noch nicht voll. Cyrano ist in der Hinsicht wohl genauso wählerisch. Aber ich könnte mir vorstellen, zur Temps de Liberté zu gehen, als Außendienstmitarbeiter oder so. Aber das mache ich nur, wenn die anderen Sachen, die ich so anpeile nicht hinhauen", legte er noch nach.

"Ich blinzel schon zu den Ganymedwerken hin, wenn ich in zehn Jahren mit der Profikarriere aufhöre. Bei Tante Hipp in die Abteilung als Bürositzer will ich nicht, und in die Verwaltung der Mercurios zieht mich auch nichts, wo Janines Vater und seine Spezis mit ihren eisernen Ärschen auf den Stühlen kleben. Aber die Sicherheitstruppe hier in Millemerveilles sucht vielleicht Nachwuchs. Monsieur Pierre soll von seiner Angetrauten gesagt bekommen haben, daß er in spätestens fünf Jahren Platz für wen jüngeren macht. Das wäre doch was."

"Jau, der Gendarme von Millemerveilles", meinte Julius. "Dann doch eher zu Camille in die Grünanlagenkompanie."

"Die würde dich nachträglich noch adoptieren, wenn du ihr das anbietest", lachte Bruno und füllte sein und Julius' Weinglas noch mal auf.

"Stimmt, bei meiner Mutter ging das ja auch. Aber eben die habe ich ja noch."

"Ja, aber in einem Jahr hängt die in Yankeeland rum. Dann hast du zumindest wieder eine richtige Oma."

"Ja, und ihr kriegt wie ich dann auch noch mehr Verwandte in Übersee dazu. Na ja, muß ich mich irgendwo noch mit anfreunden, noch mehr Verwandtschaft zu kriegen. Ich gönn's meiner Mum ja voll und ganz, daß die auch beziehungsmäßig in der Zaubererwelt ankommt. Wäre ja auch der letzte, der ihr da reinreden darf", erwiderte Julius und trank ebenfalls aus seinem Glas.

"Im Grunde lustig, weil über Millie dann ja auch ich und damit auch Jeanne und ihre Eltern mit diesem Merryweather und dessen Leuten verwandt werden. Lustig, Millie und ich sind ja über zwanzig Knicks mit den Southerlands und deren Ablegern verwandt. Die hängen dann ja auch mit bei den Merryweathers und Brogglehosts oder wie sie heißen", leierte Bruno. Julius fühlte den Alkohol von fünf Gläsern Rotwein noch nicht so heftig wie offenbar Bruno.

"Brocklehurst", berichtigte Julius. Da ging ihm erst auf, wie verzweigt und verknotet seine Verwandtschaft dann sein würde. Sogesehen war er ja auch durch die Heirat von Millie mit den Ross' aus Denver irgendwie verwandt. So sagte er: "Deshalb wollen die in Beaux und Hoggy und Greifennest auch immer noch Muggelstämmige haben, weil die sonst irgendwann nur noch untereinander heiraten können. Jetzt erst geht mir das so richtig auf."

"Absolut! Santée, Julius! Lassen wir unsere kleinen noch mal richtig pullern!"

"Jetzt und am neunzehnten noch mal!" stimmte Julius zu und stieß mit Bruno an.

"Du hältst echt mehr aus als Bruno", meinte Millie, als sie mit ihrem Mann und der nun selig schlummernden Aurore auf dem Ganymed Matrimonium ihrer Großmutter zurückflog.

"Wohl noch was von dem Halbriesenblut und der schöne Zauber von Oma Line", gab Julius gerade noch tonsicher zur Antwort.

"Eindeutig!" lachte Millie. Zumindest mußte sie ihren Mann nicht auch noch ausziehen und ins Bett stecken wie ihre kleine Tochter.

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