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Julius Andrews - Auf seinem Weg in die Zaubererwelt von Thorsten Oberbossel

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Der dritte Tag seiner Ferien in Millemerveilles begrüßte Julius Andrews mit einem rosarot-goldenen Sonnenaufgang. Um fünf Uhr wachte er bereits auf und wollte nicht mehr weiterschlafen, weil er sich hellwach und fit für neue Taten fühlte. Der Gast der Dusoleils stand leise auf, zog seinen Bademantel über und ging ins Bad, wo er so leise wie möglich den Wasserhahn laufen ließ, um den hohen Keramikwaschtisch zu füllen. Dann wusch er sich so leise wie möglich, aber auch so gründlich wie möglich, zog sich seine Joggingkleidung an und verließ das Bad. Auf dem Weg nach unten lauschte er, ob schon jemand wach war. Doch er konnte nur leises Atmen aus dem Stockwerk der Dusoleils hören. Eigentlich, so dachte der bald dreizehn Jahre alte Zauberschüler, wollte er niemanden wecken, weil wohl alle ihren Schlaf bitter nötig hatten. Doch als er die Haustür wie zu erwarten verschlossen fand und sich etwas ärgerte, keinen Schlüssel dafür zu haben, drehte er leise um, stieg die Treppen wieder hinauf und ging in sein Zimmer, um die Zeit, bis jemand aufstand zu nutzen, etwas für Hogwarts zu lesen.

Er hatte gerade das Buch "Zaubertränke und Bräue" von Arsenius Bunsen aufgeschlagen, als es sehr leise an die Tür klopfte. Julius trat an die Tür und öffnete. Madame Dusoleil stand im grünen Morgenrock mit Blümchenmuster vor der Tür und lächelte.

"Guten Morgen, Julius! Konntest du nicht mehr schlafen?" Begrüßte die Hausherrin flüsternd ihren Gast. Dieser nickte und flüsterteseinerseits:

"Ausnahmsweise habe ich mal keinen Alptraum gehabt und deshalb wohl so toll geschlafen, Madame. Ich hätte nicht gedacht, daß ich so schnell so gut in einem fremden Bett durchschlafen kann. Das hat bisher nur bei Madame Faucon geklappt. Ich wollte Sie nicht aufwecken, deshalb habe ich so leise wie möglich gemacht. Ist mir wohl nicht so recht gelungen."

"Ich bin aufgewacht, als du im Badezimmer warst. Du kannst den Wasserhahn so leise wie du willst aufdrehen. Es rauscht doch ein wenig in den Leitungen. Möchtest du wieder um den Teich laufen?"

"Mmhmm", erwiderte Julius mit einem Kopfnicken. Madame Dusoleil nickte zustimmend und winkte dem Gast, ihr zu folgen. Auf dem Weg nach unten flüsterte die Kräuterkundlerin:

"Ich denke, so früh ist Barbara heute nicht unterwegs. Hoffentlich langweilst du dich nicht, wenn du allein um den Teich läufst."

"Wahrscheinlich war um vier Uhr wieder Weckdienst. Sie hat mir gestern erzählt, daß die beiden Kleinen um die Zeit rum krakehlen", flüsterte Julius grinsend zurück.

Julius verließ das Haus und sog die erfrischende Sommermorgenluft ein. Er lauschte auf den Gesang der Vögel, die um Revier oder Partner wetteiferten, dem Zirpen der verschiedenen Grillen und Heuschrecken, außer dem aber sonst nichts zu hören war. Millemerveilles' Bewohner schliefen wohl noch tief und fest. Julius Andrews lief leise zur Dorfmitte, wo der Teich mit den zwölf Bronzefiguren, von denen ein Einhorn, ein Greif, ein Drache und eine Meerjungfrau die größten und wichtigsten waren, da sie ja Himmelsrichtungen und bei klarem Himmel auch die Zeit am Sonnenstand anzeigten. Der Hogwarts-Schüler legte einen leichten, nicht all zu anstrengenden Trab um den Teich hin, umrundete ihn mindestens zehnmal, bevor jemand anderes angelaufen kam. Es war Barbara Lumière, die wie Julius gerne Frühsport machte.

"Wußte gar nicht, daß die Dusoleils auch Nachwuchs bekommen haben", grüßte die Haussprecherin des grünen Saales von Beauxbatons den Gast aus England und lief locker mit ihm um den Teich. Julius lachte und meinte:

"Nöh, Barbara! Ich war nur so früh so wach, daß ich nicht mehr schlafen wollte. Vielleicht nehme ich mir dafür heute nachmittag eine Schlafpause."

Die beiden unterschiedlich alten Zauberschüler schwatzten noch ein wenig, ohne sich dabei im Laufen zu überanstrengen. Dann kehrte Julius ins Haus der Dusoleils zurück.

Er erschrak, als er beim Öffnen der Tür den lauten, klaren Schrei eines Hahnes hörte. Claires Wecker war losgegangen. Dann lachte der Junge aus England und betrat das Haus.

Beim Frühstück, das wie üblich ruhig und ausgiebig stattfand, lasen die Familienangehörigen und ihr Gast sich wieder Artikel aus der Zeitung vor. Julius war froh, mal nichts über das trimagische Turnier oder die Rückkehr des dunklen Lords lesen zu müssen. Monsieur Dusoleil las laut vor, daß die berühmte Kunstflughexe Angelique Liberté zu einem kurzen Gastspiel in Paris eingetroffen sei, Claire las laut von einer Ausstellung zeitgenössischer Zauberkunst, Jeanne las das Interview mit Ariel Rapid, dem Sucher der Millemerveilles Mercurios, der hiesigen Quidditchmannschaft, der ein Angebot für die französische Quidditchnationalmannschaft bekommen hatte. Julius Andrews las den Wirtschaftsteil und grinste, als er las, daß der Leiter für magischen Handel und Bankwesen, Midas Colbert, bedauernd erklärte, daß durch die Edelsteinverarbeitungstechnik der Muggel der Wert in der Zaubererwelt geförderter und bearbeiteter Edelsteine nach unten gedrückt und die Muggel so über größere Resourcen Zauberergeld verfügen könnten, zumindest die, die Schüler in Beauxbatons versorgten. Er dachte daran, daß ihm dieser Umstand vor einem Jahr eine Riesenmenge Zauberergeld eingebracht hatte, weil unter anderem Mr. Porter es gedeichselt hatte, daß von Julius' Mutter zum Eintausch verkaufte Edelsteine mehr als den hundertfachen Wert des Einkaufspreises erzielt hatten. Das Mrs. Andrews ihrem Sohn damit quasi ein Sorgenfreies Leben ermöglicht hatte, ohne daß sein Vater davon wußte, zumindest aber die Schulzeit in Hogwarts abgesichert und für genug Taschengeld gesorgt hatte, war der bis dahin gelungenste Geldtrick, von dem Julius bislang gehört hatte.

"... So werde ich mit dem Chefkobold von Gringotts Paris unterhandeln, ob wir den Umtauschwert für Muggelprodukte nicht an bestimmte Bedingungen knüpfen sollten, weil ich befürchte, daß es böses Blut gibt, wenn nichtmagische Verwandte von Hexen und Zauberern ohne großen Aufwand die gesamte Wirtschaft unserer Nation umwälzen können. Verstehen Sie mich bitte richtig, daß ich nichts gegen muggelstämmige Hexen und Zauberer habe, aber gerade um das gute Verhältnis nicht durch Angst und Neid zu gefährden, müssen wir auf die offenbar ertragreichere Technik der Nichtmagier reagieren, Messieursdames", las Julius eine wörtlich widergegebene Stellungnahme des Finanz- und Wirtschaftsleiters des Zaubereiministeriums.

"Ich kann dem Herrn Minister und seinem Finanzchef nur einen guten Morgen wünschen", bemerkte Julius nach dem Vorlesen mit breitem Grinsen. "Das mit den Edelsteinen ist doch schon ein alter Hut."

"Was hältst du denn von dieser Maßnahme?" Wollte Monsieur Dusoleil wissen.

"Das könnte Probleme mit den Kobolden geben. Die lassen sich doch nicht in ihre Geschäfte reinreden, soweit ich weiß", erwiderte der Gast der Dusoleils. Mehr wollte er nicht dazu sagen.

Nach dem Frühstück packten Jeanne, Claire und Julius ihre Sachen für den Nachhilfeunterricht und nahmen ihre Besen mit. Pünktlich um halb neun trafen die übrigen Mitschülerinnen und Dorian Dimanche vor dem Haus der Dusoleils ein. Caro Renard hatte sich wieder besonders fein herausgeputzt. Sie sah Julius an, der bereits seinen Besen zum Aufstieg bereithielt.

"Können wir heute mal andere Paare bilden?" Fragte die brünette Beauxbatons-Schülerin. Jeanne grinste, während Claire kurz mit dem Kopf schüttelte.

"Warum nicht?" Erwiderte Virginie. "Julius fliegt heute mit Dorian. Claire fliegt mit Jeanne, Seraphine nimmt dich mit und ich nehme Elisa auf dem Besen mit."

Claire grinste gemein, als alle zustimmten bis auf Caro. Julius nickte auch. Wieso kam er sich so vor, als wolle Caro mit Claire darum streiten, bei ihm mitzufliegen?

So flogen dann vier Besentandems zum Haus von Madame Faucon, wo sie von der älteren Hexe begrüßt und wieder in den großen Gästesaal gebeten wurden. Die Lehrerin kam gleich zur Sache und fragte die Schüler der Reihe nach, welche körperverändernden Flüche sie kannten. Als sie mit dem Ergebnis zufrieden war rief sie jeden einzelnen auf, sich gegen ihre Angriffszauber zu wehren. Dabei sagte sie zu Julius:

"Gleich werden Sie sehen, ob das Kleinod, welches Sie gestern schon mitführten, tatsächlich so gut ist, wie ich Ihnen sagte."

Julius durfte zunächst keine eigenen Gegenflüche versuchen. Tatsächlich prallten sechs der acht auf ihn geschleuderten Flüche wirkungslos von seinem Körper ab. ER spürte bei jedem unabgeblockten Angriff, wie die kleine Phiole mit dem Goldblütenhonig in seiner Umhanginnentasche pulsierte, als habe sie jemand kräftig geschüttelt. Die zwei Flüche, die ihn erwischten, waren einmal ein Fellbewuchsfluch, der Julius für einige Sekunden auf dem ganzen Körper hellblondes Fell sprießen ließ. Doch dieses zog sich nach nur zehn Sekunden wieder zurück. Der zweite Treffer war ein Hitzewallungszauber, der Julius für fast fünf Sekunden derartig drangsalierte, als sei er in einem Backofen gefangen. Doch auch diese Wirkung verflog.

"Monsieur Andrews bekam dereinst eine Phiole mit einer Essenz, die effektiv gegen Körperschädigungszauber schützt oder diese weitgehend aufhebt, wenn sie tatsächlich stark genug sind, um eine Wirkung zu erzielen. Wie fühlen Sie sich jetzt, Monsieur Andrews?" Wollte die Lehrerin wissen.

"Wie durch einen Lavastrom gezogen und dann kalt abgeduscht, Madame. Ist ja heftig!" Erwiderte der Hogwarts-Schüler. Danach mußte er die Phiole an die Lehrerin abgeben, um aus eigener Kraft gegen Angriffsflüche auf den Körper und die Sinne zu bestehen. Als Virginie und Julius wieder zu einem Paar zusammengestellt wurden, um wechselseitig Angriff und Abwehr zu proben, fühlte sich Julius zwar etwas unbehaglich, doch die Lehrerin sagte sofort:

"Heute gibt es kein freies Duelltraining. Angriff und Abwehr werden heute geprobt. Die Panne von gestern kann also so nicht mehr auftreten."

Um die Übersicht zu behalten, ließ die Lehrerin jede Paarung, an der sie seit dem Vortag nichts verändert hatte, einzeln zehn Angriffs- und Abwehrrunden durchführen, was dauerte. Dabei passierte es, daß Dorian von einem Schüttelfrost-Fluch seiner Übungspartnerin Elisa voll getroffen wurde und zitterte, als habe man ihn in das Nordpolarmeer geworfen. Elisa entschuldigte sich bei Dorian, der den Gegenfluch nicht rechtzeitig genug ausgerufen hatte. Madame Faucon ging dazwischen.

"Monsieur Dimanche hat die Abwehr verfehlt. Sie haben keinen Grund, sich für seinen Fehler zu entschuldigen, Mademoiselle Lagrange.

Mit einem schnellen Gegenzauber behandelte Madame Faucon den Beauxbatons-Schüler und schickte ihn mit seiner Partnerin zurück.

Die von Madame Faucon verfügten Pausen wurden genutzt, um etwas zu trinken oder leichte Backwaren zu essen, die die Lehrerin vorbereitet hatte. Danach ging es weiter. Virginie und Julius waren beide ebenbürtig. Das zeigte sich daran, daß jeder den Angriff des anderen komplett parieren konnte, zumal Julius befohlen wurde, jeden Zauber verbal, also laut ausgesprochen zu wirken. So konnte Virginie sich auf die Angriffe besser einstellen, als gestern noch. Die anderen Paarungen hatten da nicht so viel Ausgeglichenheit. Claire verpasste Caro, gegen die sie antrat, einen Satz lange Fingernägel, die einen Halben Meter abstanden. Jeanne ließ Seraphine einmal unter einem Keuchhusten-Fluch leiden, wofür sie im Gegenzug einen Bart bis zum Boden verpasst bekam, der genauso tiefschwarz war, wie Jeannes Kopfhaar. Dorian war Elisa klar unterlegen. Kein Angriff von ihm kam durch. Dafür fing er sich einmal armlange Ohren, einen Kugelbauch und den Tanzdrang ein, der von Tarantallegra bewirkt wurde.

Am Ende des Unterrichtstages gab es noch eine Hausaufgabe:

"Ich möchte von Ihnen bis morgen eine Liste mit schweren und nur durch komplizierte Gegenzauber zu behebende Körperveränderungsflüche, Messieurs und Mesdemoiselles!" Mit Diesen Worten verabschiedete Madame Faucon die Nachhilfeschüler aus ihrem Haus und wünschte ihnen einen guten Tag. Julius nahm Dorian wieder auf seinem Besen mit.

"Das ist doch nur bescheuert", maulte Dorian, als er es geschafft hatte, daß Julius sich etwas zurückfallen ließ. "Die Alte will Elisa und mich gegeneinander aufhetzen. Die weiß genau, daß Elisa besser in der Fluchabwehr ist als ich. Die hat was gegen unsere Freundschaft."

"Glaubst du das wirklich?" Fragte Julius, der sich vorstellen konnte, daß die Lehrerin gewisse Einwände gegen die Freundschaft von Dorian und Elisa hegen könnte, aber auch nicht glaubte, daß sie bösartig war, um die beiden auseinanderzubringen.

"Die hat uns beide erwischt, wie wir uns gegenseitig angefaßt haben. Da war vielleicht was los", flüsterte Dorian. "Die hat sogar gedroht: "Wenn Sie wissen wollen, wie der jeweils andere beschaffen ist, kann ich Ihnen gerne den Intercorpores Permuto anhexen. Dann haben Sie einen Tag Zeit, mal zu sehen, wie es sich im Körper des anderen lebt.""

Julius lachte. Dann fiel ihm die Sache mit dem früheren Türhüter der Ravenclaws ein, einem leicht unzuverlässigen Kuhhüter namens Bruce, dessen Bild lange den Eingang zum Ravenclaw-Gemeinschaftsraum bewacht hatte. Eine gemalte Hexe hatte ihn zur Strafe für die Schäden, die seine Kuh Maggy angerichtet hatte, mit eben diesem Fluch belegt und aus Maggy eine Menschenfrau und aus Bruce einen Stier gemacht. Julius verging das Lachen. Er dachte kurz über eine Antwort nach und meinte dann:

"Die will wohl keine natürliche Entwicklung in Beauxbatons, wo Jungs und Mädels sich näher kennenlernen können, wie?"

"Davon kannst du ausgehen", erwiderte Dorian. Jeanne Pfiff Julius zur Eile.

"Trödel nicht! Maman muß ja nicht unbedingt auf dich warten, oder?"

"Hast recht, Jeanne!" Stimmte Julius zu und trieb den Besen zur Eile an.

Das Mittagessen verlief in gut gelaunter Runde. Julius erfuhr, daß Monsieur Dusoleil erfolgreich einen Tauchumhang fertiggestellt hatte. Damit, so sagte er, könne nun jeder ohne Dianthuskraut oder den Kopfblasenzauber solange unter Wasser bleiben, wie er oder sie wolle. ER oder sie dürfe nur nicht einschlafen, da dies zu einer dauernden Bewußtlosigkeit führe, die erst dann behoben werden könne, wenn der Taucher aus dem Wasser geborgen würde.

"Ist ja heiß", bemerkte Julius dazu. "Dann könnte jeder, der diesen Umhang trägt, einen vollen Tag im Wasser arbeiten. Das ist doch was für den See der Farben."

"Madame Neirides hat ihn auch schon für ihre Mitarbeiter bestellt. Sie selbst ist ja nicht auf diesen Zauberumhang angewiesen", sagte Monsieur Dusoleil. "Außerdem muß ich für die Herstellung bestimmte Sachen zusammenkriegen, die nicht gerade einfach zu bekommen und sehr teuer sind. Jeder Umhang dürfte allein in der Anfertigung zwanzig Galleonen kosten. Vielleicht sogar noch mehr."

"Deshalb ist Dianthuskraut immer noch besser. Ist nicht gar so teuer", entgegnete Madame Dusoleil.

Julius nutzte das Thema, Monsieur Dusoleil zu fragen, ob er sich dessen Werkstatt angucken könne. Dieser nickte zustimmend. Claire fragte Julius noch:

"Möchtest du heute nicht draußen sitzen? Das Wetter ist doch zu schön, um in einer Werkstatt herumzusitzen."

"Nöh, heute nicht, Claire", erwiderte der Hogwarts-Schüler.

Nach dem Essen besichtigte Julius die Zauberwerkstatt von Monsieur Dusoleil. Er staunte über die selbständig arbeitenden Gerätschaften, wie selbst umrührende Töpfe und Kessel, Drachenhauthemden, die jeden natürlichen Schaden von ihren Trägern abhielten, magische Feuerschutztüren und Haushaltsgeräte, die Julius an und für sich nur als elektrisch betriebene Muggelgeräte kannte, wie ein Haartrocknungsrohr, das wie ein Fön arbeitete, ein magisches Staubsammelgefäß das nur über schmutzige Oberflächen gehalten werden mußte oder eine schnell schwingende Säge zum Zerlegen von dicken Ästen und Brettern. Die wirklich erstaunlichen Dinge zeigte der Zauberschmied seinem Gast aber erst, als dieser mit der rechten Hand auf einem Eidestreuestein geschworen hatte, keinem anderen Zauberkunsthandwerker zu verraten, was er zu sehen bekam. Julius schwor und fragte dann, was passieren würde, wenn er sich nicht an den Schwur hielte.

"Das ist wie mit dem Feuerkelch beim trimagischen Turnier. Wer sich nicht an den magischen Vertrag hält, muß eine Strafe erdulden. In diesem Fall entzieht der Eidestreuestein dir jeden Tag etwas mehr Körperkraft und Ausdauer, bis der Eidbruch gesühnt wurde", erwiderte Monsieur Dusoleil mit sehr ernster Miene. Offenbar war es dem Zauberkunsthandwerker wichtig, bestimmte Dinge nicht in fremde Hände fallen zu lassen.

Tatsächlich verstand Julius, wieso er den Eid hatte schwören müssen. Denn als sie in den Sicherheitskeller der Werkstatt hinabgestiegen waren, staunte Julius erst richtig.

Als sei der Hogwarts-Schüler in eine ferne hochtechnisierte Zukunft versetzt worden, stand er vor den Gerätschaften und Instrumenten, die im Keller surrten, schnarrten, leuchteten und kreisten. Er sah zunächst ein verkleinertes Planetarium mit allen neun großen Planeten des Sonnensystems und allen Monden. Sowas in der Art wollte er gerne haben, wenn er erwachsen war und eine eigene Wohnung hatte, sagte Julius. Monsieur Dusoleil grinste.

"Das ist nicht nur ein Planetarium, Julius. Damit kann man bestimmte Dinge von anderen Planeten bergen, die für besonders mächtige Zauber genutzt werden. Allerdings hat mir das Ministerium die Auflage gemacht, es nicht über alle Planeten reichen zu lassen, da über die Stoffe von Planeten jenseits des Mars noch Unklarheit herrscht, wofür sie gut und vor allem, wie gefährlich sie sind. Uranie und ich haben diesen Apparat vor vier Jahren aus Plänen alter babylonischer Zaubermeister rekonstruiert, die in einer griechischen Geheimbibliothek gefunden wurden, die verkauft werden mußte. Deshalb wollte ich schon nicht, daß du das wem anderem weitererzählst. Aber Eingriffe in den Weltraum sind nicht alles, was Zauberei kann und von dem ich hier einiges habe. Setz mal diese Brille hier auf!" Forderte Monsieur Dusoleil.

Julius tat, wie ihm geheißen und setzte eine kleine silberne Brille mit nach innen gewölbten bläulichen Gläsern in Achteckform auf seine Nase.

Zunächst sah er durch die Gläser nur einen bläulichen Nebel, der alles vor ihm überdeckte. Dann begann der Nebel zu pulsieren und seine Helligkeit zu verändern. Er wurde erst so hell, als durchdringe ihn weißes Licht. Doch nach kaum einer Sekunde wurde er mitternachtsblau und sperrte jeden Rest von Licht aus. Julius wagte nicht, zu fragen, was das bedeutete. Dann schälte sich aus dem undurchdringlichen Dunst der Innenraum hervor, in dem er stand. Er sah sich und Monsieur Dusoleil, wie in einem rückwärts laufenden Film mit hoher Geschwindigkeit. Monsieur Dusoleil nahm Julius in dieser Bilderfolge die Brille von der Nase und zeigte ihm das Planetarium. Dann ging er mit Julius rückwärts und in mindestens zehnfachem Tempo aus dem Keller hinaus. Danach sah Julius nur noch die Einrichtungsgegenstände. Er drehte sich um und blickte umher. Doch er sah nur die sehr schnell rückwärts laufenden Instrumente kreisen. Er griff sich mit der rechten Hand an das rechte Brillenglas. Er sah seine Hand nicht auf sich zukommen. Doch als sie mit den Fingerspitzen das Glas berührte, stoppte die Rückwärtsbildfolge. Das Bild stand völlig still. Nichts kreiste, nichts rotierte. Julius ließ die Hand wieder sinken. Unmittelbar setzte wieder Bewegung ein, allerdings ganz normal, vorwärts laufend und bei normalem Tempo. Julius wunderte sich nicht schlecht. Er legte wieder die rechte Hand an das rechte Brillenglas, und erneut verharrte das Bild seiner Umgebung in Bewegungslosigkeit. Er drehte sich um und sah alles stillstehen, obwohl er das vielfältige Schnarren, Summen und Klicken hören konnte. Auch war ihm, als höre er Monsieur Dusoleil atmen. Auch war ihm, als höre er, wie der Schall aller Gerätschaften verschluckt wurde, der an dem Zauberkunsthandwerker vorbeiging. Also mußte der Hausherr noch im Raum sein, dachte der Hogwarts-Schüler. Dann war Monsieur Dusoleil unsichtbar, fiel es ihm ein. Nein! Er war noch nicht in diesem Raum! Julius strahlte über sein ganzes Gesicht, weil er erkannte, was da passiert war. Er griff sich mit der linken Hand ans linke Brillenglas, nachdem er die rechte Hand wieder hatte sinken lassen. Zunächst lief alles mit üblicher Geschwindigkeit und Richtung weiter. Dann beschleunigte sich der Ablauf. Julius nahm alle Finger der linken Hand bis auf den Daumen fort - Die beschleunigte Bildfolge beruhigte sich wieder, blieb jedoch doppelt so schnell, wie bei der Berührung mit allen fünf Fingern. Julius experimentierte weiter. Er legte zunächst den Zeigefinger an das linke Brillenglas. Er sah die kreisenden Planeten und Monde des Miniplanetariums mit der vierfachen Ursprungsgeschwindigkeit kreisen. Bei Drei Fingern am Brillenglas war es das sechsfache, bei vier das achtfache Tempo. Als er alle fünf Finger der linken Hand am Glas hatte, wirbelten die Miniplaneten mit zehnfacher Geschwindigkeit um die naturgetreu leuchtende Minisonne. Wieder nahm Julius die Linke fort und legte die Rechte an das rechte Brillenglas. Erst blieb das Bild wieder stehen, dann setzte die Rückwärtsbewegung wieder ein, wieder mit zehnfacher Geschwindigkeit. Julius nahm nach und nach einen Finger mehr vom Glas, bis nur der Daumen am Glas ruhte. Mit normaler Geschwindigkeit aber rückwärts liefen die Miniplaneten um ihre Sonne. Julius ließ vom Brillenglas ab, und die Rückwärtsansicht lief weiter mit der letzten Geschwindigkeit.

"Interessant, wie schnell du das rausbekommen hast", hörte Julius Monsieur Dusoleil mit anerkennender Stimme sagen. Der Hogwarts-Schüler drehte sich um, sah den Hausherrn jedoch nicht, womit er jedoch gerechnet hatte. Er legte nun beide Hände an die Brillengläser, um zu testen, was nun passierte. Unvermittelt wirbelten alle Bilder mit solch einer irrwitzigen Geschwindigkeit herum, daß Julius die Augen zukniff, um nicht vom Tosen der Bildfetzen und Farben verwirrt zu werden. Als er dann die linke Hand fortnahm, stoppte die Bilderflut. Julius sah sich mit der rechten Hand am rechten Brillenglas um und blickte umher, ob er etwas fand, von dem er die Zeit ablesen konnte. Er sah jedoch nur das Planetarium. Zwar kannte er sich gut mit der Planetenbewegung aus, aber an der Stellung der Planeten und Monde die genaue Zeit abzulesen, traute er sich dann doch nicht zu.

"Bevor du sie wieder abnimmst, mußt du die Verbindung zwischen den Gläsern berühren. Mach am besten die Augen zu, um nicht von der Bilderflut wahnsinnig zu werden", hörte Julius Monsieur Dusoleil. Er befolgte beide Ratschläge. Als er den Nasenbügel wieder losließ, öffnete er die Augen und sah sich, wie er gerade die Brille aufsetzte, dann wieder den bläulichen Nebel. Er verstand und strahlte erneut über sein Gesicht, weil er die Logik, die in diesem Zauberding verwurstelt war, durchschaut hatte. Er nahm die Brille von der Nase und sah nur noch die Apparaturen und Kleingeräte, sowie Monsieur Dusoleil. Diesem reichte er die Brille zurück und sagte:

"Genial! Eine Rückblickbrille, mit der man in die Vergangenheit zurückschauen kann, wie beim Zurückspulen einer Videocasette. Haben Sie das erfunden?"

"Ich halte seit genau fünf Jahren und zwei Monaten das Patent für diese nützliche Sehhilfe. Ich habe sie unter "Retrocular" eintragen lassen. Was sie tut, hast du sehr richtig erkannt. Ich habe es genau beobachtet, wie du darüber nachgedacht hast. Allerdings hätte ich dich warnen sollen, nicht beide Hände gleichzeitig an die Gläser zu legen. In dem Moment läuft nämlich alles mit dreitausendsechshundertfacher Geschwindigkeit rückwärts, allerdings nur achtundvierzig Sekunden lang. Weiter reicht das Retrocular nicht zurück. Na, wieviel Zeit entspricht das?"

"Huch, genau das dreitausendsechshundertfache? Hmm, dann sind es genau zwei Tage, die man damit zurückblicken kann. Eine Stunde hat 3600 Sekunden, ein Tag vierundzwanzig Stunden. Grundschulrechenstunden der vierten Klasse."

"Das sind so Kenntnisse, die in unseren Grundschulen nicht so häufig mitgeteilt werden", sagte Monsieur Dusoleil mit leichtem Bedauern in der Stimme.

"Weil wir an Zahlen hängen, Monsieur. Deshalb lernen wir sowas so früh. Bei Ihnen sind andere Dinge wichtiger", erwiderte der Hogwarts-Schüler, der fand, daß er Monsieur Dusoleil etwas gutes sagen mußte.

"Wie dem auch sei, du hast auf jeden Fall recht. Diese Brille gehört seit ihrer Patentierung zu den Standardwerkzeugen der französischen Zaubereistrafverfolgungsbehörde. In England gibt es sowas meines Wissens nach nicht. Denn dann hätte man mich ja um die Vervielfältigungserlaubnis bitten müssen. Das Ministerium hält jedoch ein Einspruchsrecht, weil es eben so ein potentes Hilfsmittel ist, von dem nicht jeder wissen darf."

"Das glaube ich gerne. Verbrecher würden versuchen, alle Unterlagen und fertigen Stücke zu vernichten. Aber wenn jeder Zaubereipolizist, leider kenne ich kein anderes Wort dafür, so'n Ding aufsetzen kann, müßten doch schon Berichte darüber durchgesickert sein."

"Es gibt außer der hier nur noch vier in Frankreich. Das Ministerium hat mir große Summen bezahlt, um sie nicht auf den freien Markt zu bringen, sondern nur bei Bedarf zu machen. Das hängt nicht nur mit der von dir erwähnten Geheimhaltung zusammen, sondern auch mit der Gebrauchsanweisung. Nicht jeder übersteht den schnellen Rücklauf der vergangenen Bilder so gut oder ist an einem so regelmäßigen Bewegungen unterworfenen Ort wie hier. Es ist schon zu Wahnsinnserscheinungen gekommen, weil jemand nicht vorsichtig war. Was du nicht herausbekommen hast, ist die Rückschauanzeige, die dir mitteilt, wie lange die beobachteten Ereignisse schon zurückliegen. Dazu hättest du mit dem linken Zeigefinger ans rechte Glas fassen müssen, um es angezeigt zu bekommen, ähnlich diesen Omnigläsern, die bei der Quidditchweltmeisterschaft zu Wucherpreisen verkauft wurden."

"Apropos Omnigläser", griff Julius das Wort als Stichwort auf. "Die können Bilderfolgen in Zeitlupe zeigen, also als stark verlangsamte Bilderfolge. Kann dieses Retrocular das auch?"

"Sowohl vor- als auch rückwärts. Du hast ja wohl bemerkt, daß das gesehene Bild stehenbleibt, wenn du die rechte Hand ans rechte Glas hältst. Wenn du die flache Hand locker auf dem Glas liegen läßt, und mit dem linken Zeigefinger den linken Seitenbügel berührst, laufen alle bilder mit einem Zehntel der Ursprungsgeschwindigkeit vorwärts. Bei Berührung des rechten Bügels mit einem Zehntel Rückwärts. Das hat was mit der Zeitformungsmagie zu tun, die ich berücksichtigen mußte. Das ist wohl Stoff der letzten zwei Klassen in Hogwarts und Beauxbatons."

"Zeitformungsmagie?" Fragte Julius neugierig.

"Magie wechselwirkt mit allen Vorgängen in Raum und Zeit. Wer in die vergangene Zeit zurückschauen oder gar in die Vergangenheit reisen will, muß die Wechselwirkung zwischen Magie und Zeit beherrschen oder gerät in Gefahr, sich selbst zu zerstören. Deshalb habe ich dir den Eid abgenommen, nichts weiterzuverraten", sagte Monsieur Dusoleil mit ernster Stimme. Dann öffnete er einen großen Kasten. Julius sah nur eine gähnende Leere aus Schwärze. Er kannte diesen Zauber von Claires Geburtstagsfeier und dem Schachturnier in Millemerveilles. Die Leere barg andere Gegenstände, bis jemand sie gezielt herausfischte oder etwas zufällig ergreifen konnte. Monsieur Dusoleil machte ein hochkonzentriertes Gesicht, als seine rechte Hand in die undurchsichtige Schwärze hineinglitt. Zwei Sekunden verstrichen, bis der Hausherr die Hand wieder herauszog. Diese umschloß eine goldene Sanduhr an einer langen Kette. Julius war, als steche ihn der Anblick direkt durch die Augen ins Gehirn. Übergangslos sah er sich und seine Eltern, wie sie vor einem Jahr ins Büro von Professor McGonagall gingen. Die Lehrerin ließ gerade etwas mit einer Zauberstabbewegung verschwinden: Es war eine solche Sanduhr an einer Kette! Da fiel es dem Hogwarts-Schüler wie Schuppen von den Augen, was es mit diesem Artefakt zu tun haben mußte.

"Aha, du hast davon schon gelesen?" Fragte Monsieur Dusoleil, der das kurze Zusammenzucken und den erkennenden Gesichtsausdruck von Julius bemerkte. Der Gast der Dusoleils nickte. Dann schüttelte er den Kopf.

"Gelesen nicht. Aber ich denke doch, daß ich weiß, was das ist. Muggel sagen für sowas "Zeitmaschine". Damit meinen sie etwas, was einen in der Zeit versetzen kann." Und in Gedanken fügte er noch hinzu: "Genauso hat Hermine Granger so viele Schulfächer auf einmal machen können."

"Zeitumkehrer heißt das. Damit kann man Stundenweise in die Vergangenheit zurückreisen und die vergangenen Stunden noch mal erleben, an einem anderen Ort versteht sich. Wenn Muggel sowas haben, was du als "Zeitmaschine" bezeichnest, haben sie dann auch erkannt, welche Gefahren eine Zeitreise beinhaltet?"

"so'ne Maschine gibt es nur in erfundenen Geschichten. Aber da steht auch, daß niemand in die Vergangenheit eingreifen darf, weil das das Universum zerstören könnte. Auch wird in solchen Geschichten davor gewarnt, sich selbst, also sein vergangenes Ich, zu begegnen oder mit ihm Kontakt aufzunehmen, weil das eine Person vernichten könnte, die sowas macht."

"Falls du noch mal in die Muggelwelt gelassen wirst, natürlich nur zu Besuch, möchte ich gerne solche Geschichten von dir mitgebracht haben. Obwohl sie von Magie keinen Dunst haben, oder nur mit dem alten Wissen konfrontiert wurden, das vermittelt wurde, wo Magier und Nichtmagier noch friedlich zusammenlebten, jeder in der Kenntnis des anderen, haben sie doch interessante Vorstellungen von Sachen, die sie nicht herstellen können. Können diese Zeitmaschinen auch in die Zukunft versetzen?"

"In einigen Geschichten ja, weil es dem Erfinder wichtig war, eine Zukunftswelt zu erzählen", sagte Julius. Dann wandte er ein: "Aber ich glaube nicht, daß sowas in echt geht, weil die Zukunft keine feste Größe ist. Das ginge nur, wenn wir in voneinander getrennten Universen leben würden, wo jede Möglichkeit irgendwie wahr wird, zum Beispiel, daß ich ein Muggel wäre oder meine Eltern außer mir noch andere Kinder hätten oder ich ein Mädchen geworden wäre und so weiter."

"Gerade deshalb ist es immer noch unmöglich, direkt in die Zukunft zu reisen. Die, die es versucht haben, einige davon sehr schwarze Magier, haben die Versuche mit dem Leben bezahlt. Ich halte auch nichts von der Wahrsagerei, wie Seraphines Mutter, aus gleichem Grund. Wenn ich beschließe, daß ich morgen nach Paris reise, kann mich ein Wahrsager nicht in Millemerveilles beim Schachspiel sehen und umgekehrt", sagte der Hausherr.

Monsieur Dusoleil legte die magische Sanduhr in die mit undurchdringlicher Schwärze ausgefüllte Kiste zurück und schloß den Deckel.

"Außer mir kann die niemand da rausholen. Ich muß an etwas bestimmtes denken, um sie zu erwischen", verriet der Hausherr schmunzelnd, weil er sich seiner Sache sicher war.

"Kann Sie keiner dazu zwingen, dieses Ding zu holen?"

"Du meinst durch den Imperius-Fluch? Dagegen schützt eine Gegenmagie in dieser Kiste. Wenn jemand unter einem fremden Zauber steht, bleibt alles verborgen, egal, woran ich denke. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, junger Monsieur", antwortete Monsieur Dusoleil sehr entschlossen dreinschauend.

Monsieur Dusoleil zeigte Julius noch einige interessante Gegenstände, wie die Durchsichtbrille, mit der man Wände und Verhüllungen durchblicken konnte. Dabei umhüllte er sich jedoch mit einem Umhang mit merkwürdigen Runensymbolen darauf, was ihn für Julius zu einem nachtschwarzen Schatten machte, als er die Brille trug.

"Gegen die Durchdringungsmagie gibt es nur eine Zauberei, die jedoch nicht völlig unsichtbar macht. Euer Verteidigungslehrer hat, wenn Jeanne es richtig geschrieben hat, ein magisches Auge mit dieser Wirkung. Wer die Abwehrzauber nicht kennt, kann sich nicht vor der Durchblickwirkung schützen."

"Wußte doch, daß es irgendwas geben muß, um das abzublocken", triumphierte Julius. Er sah sich um und durchblickte alle Geräte und Behälter, die es zuließen. Dabei sah er auch auf die Kiste, in der der Zeitumkehrer lag und wurde fast schwindelig von den wirbelnden Farben und Bildbruchstücken, die nun zu sehen waren. Dann hörte er einen warm klingenden Gong, direkt aus dem Nichts.

"Irgendwer von unserer Familie will was von dir oder mir. Ein Fremder hätte einen anderen Meldezauber ausgelöst", bemerkte der Hausherr lächelnd. Julius lief schon zur Kellertreppe und prallte gegen die Tür. Erst jetzt sah er sie. Die Brille war noch auf starken Durchblick eingestimmt.

"Die gibst du besser wieder her", sagte Monsieur Dusoleil mit einer Mischung aus Entschlossenheit und Betroffenheit. "Nicht, daß du mir meinen Damen durch die Kleidung kuckst." Weil der Hogwarts-Schüler daraufhin knallrot anlief, lachte Monsieur Dusoleil. Sanft nahm er die Durchsichtbrille von Julius' Nase. Er legte sie ebenfalls in die mit Schwärze gefüllte Kiste zurück. Dann öffnete er die Kellertür. Julius, den Monsieur Dusoleils Bemerkung an das Experiment mit seinem Nachtsichtglas und Fleur Delacour erinnerte, fühlte sich so, als läge sein Gesicht auf einer heißen Herdplatte kurz vor dem Versengen.

"Na, so schüchtern?" Bemerkte Monsieur Dusoleil mit breitem Grinsen und klopfte seinem jungen Gast auf die Schultern. Der Hogwarts-Schüler sagte dazu nichts. Als der Hausherr meinte:

"Versuch, dich wieder zu entspannen, bevor Camille, Jeanne oder Claire denken, ich hätte dir etwas unanständiges gezeigt!"

"Gute Idee! Ich sage einfach, sie hätten mir einen schmutzigen Witz erzählt, wie Männer das so machen, um Jungen zu beeindrucken", erwiderte Julius, der seine Beherrschung und seine Frechheiten wiedergefunden hatte.

"Jetzt aber raus hier!" Lachte Monsieur Dusoleil und schob Julius vor sich her zur Treppe.

"Papa, seid ihr im Geheimkeller?" Fragte Jeannes Stimme von oben her. Ihr Vater antwortete:

"Ja, Tochter. Wir kommen gerade wieder hoch."

Der Zauberkunsthandwerker und sein Gast stiegen die Treppe hoch, wo Jeanne stand und Julius anblickte, der gerade seine übliche Gesichtsfarbe zurückgewonnen hatte.

"Seraphine wollte dich was fragen. Es geht um Muggelsachen, die Professeur Paximus ihr in den Hausaufgaben aufgegeben hat", sprach Jeanne ohne Grußworte.

"Ich denke auch, für heute hast du genug hohe Zauberkunst zu sehen bekommen", sagte Monsieur Dusoleil. Julius nickte.

Im Garten saß Seraphine Lagrange am großen Tisch. Madame Dusoleil stellte gerade eine große Flasche Fruchtsaft und vier Gläser auf den Tisch. Sie lächelte Julius an und winkte ihm.

"Mademoiselle Lagrange möchte etwas von dir wissen, Julius", grüßte die Hausherrin ihren Feriengast. Julius grüßte Seraphine und setzte sich ihr gegenüber, wo ein sauberes Glas bereitstand.

"Du möchtest was muggelmäßiges von mir wissen, Seraphine?" Fragte der Hogwarts-Schüler. Seraphine lächelte und nickte. Dann holte sie ein Stück Pergament aus ihrer Handtasche und breitete es vor Julius aus. Dieser las in sanft geschwungener Handschrift:

 

Zerstörungsmittel der Muggel

 

Erörtern sie Art und Funktionsweisen der gefährlichen, rein zur Zerstörung gedachten Methoden der Muggelwelt!

Welche Waffen besitzen sie?
Welche massiven Vernichtungsmittel beherrschen sie?
Welche Erfindungen der Muggel sind ebenfalls zerstörerisch genug?
Welche Gefahren sehen Sie für die Zaubererwelt?

 

Vier Pergamentrollen!

 

"Sonst habt ihr keine Hausaufgaben auf?" Fragte Julius, der schlagartig hundert Dinge gleichzeitig überschlug, die in diesen Bericht reinpaßten.

"Natürlich nicht", versetzte Seraphine leicht gereizt. "Wir haben von fast jedem Lehrer was aufbekommen. Professeur Paximus ist nur einer der umfangreichsten. "Wer bei mir Muggelstudien betreibt, muß das auch alles richtig lernen", hat er uns zu Beginn des gesamten Unterrichts gesagt. Für einige war das der Grund, sich nach der ersten Stunde wieder auszutragen und dafür ein Ersatzfach zu nehmen, weil die Zahl der neuen Fächer gleichbleiben mußte. Deshalb hat unser Wahrsagenlehrer auch so viele Schüler bekommen. Aber du kannst mir doch helfen, oder?"

"Das ist kein Problem. Die vier Rollen kriegst du locker voll. Nur womit wir die vollschreiben, muß ich noch genau überlegen", erwiderte Julius zuversichtlich. Madame Dusoleil setzte sich und schenkte Julius ein Glas voll.

"Wer viel spricht, muß viel trinken", sagte sie und lächelte mütterlich. Julius brauchte keine weitere Aufforderung. Er nahm einen großen Schluck, trank und unterdrückte ein Aufstoßen. Dann begann er, Seraphine etwas über die Waffen der Muggel zu erzählen, wobei er mit Schwertern anfing, die ja auch bei den Zauberern bekannt waren, sich über Katapulte, Armbrüste und Speerschleudern zu Kanonen und Gewehren vorzuarbeiten. Als er dann von Granaten und Raketen erzählte, wurde es schon schwieriger, es so zu beschreiben, daß Seraphine es verstand, ohne es wie zu einem Kleinkind sagen zu müssen. Er endete nach zwei Stunden und sechs Gläsern Saft mit den Sätzen:

"... Dann wurde in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts entdeckt, daß es Stoffe wie Chlor und Blausäure vermögen, große Menschenmengen zu töten. Diese Stoffe wurden mit anderen Giften zu Gasen vermischt, die über feindlichem Gebiet ausgeblasen wurden. Das war vor allem im ersten Weltkrieg ziemlich heftig, der zwischen 1914 und 1918 getobt hat. Danach wurden immer tödlichere Gase, wie Senfgas und Sarin erfunden, die noch mehr Leute töten konnten. Im zweiten Weltkrieg, zwischen 1939 und 1945, wurden weitfliegende Raketen erfunden, die mehrere tausend Kilometer flogen und beispielsweise in London große Verwüstungen angerichtet haben. Hinzu kam noch die Entdeckung, daß die Atome, die Grundbausteine jedes Elements, gespalten werden konnten, wodurch eine nie zuvor erreichte Menge an Energie freigesetzt werden kann. Wie Muggel so waren, haben sie das für Bomben verwendet, die zehntausendmal stärker wirkten, als gleichschwere Bomben aus Schießpulver. Diese "Atombomben" wurden in Japan eingesetzt, in Hiroshima und Nagasaki, wo hunderttausend Leute bei jeder Explosion sofort starben. Als diese Waffe fertig und ausprobiert war, wurde auf dieser Grundlage noch die Wasserstoffbombe gebaut, eine Atombombe in einem Behälter, der mit besonders angereichertem Wasserstoffgas gefüllt war. Ich weiß nicht, was ihr über die Energieerzeugung der Sonne wißt, aber so ähnlich, wie es in der Sonne geht, wirken diese Wasserstoffbomben. Dabei wird ein tausendfaches dessen frei, was die Atombomben schon an Zerstörungskraft besitzen."

Seraphine wurde kreidebleich. Julius konnte das Unbehagen in ihren Augen sehen, daß bei jedem seiner Worte zu Angst wuchs. Er fragte, ob er aufhören solle. Seraphine schüttelte den Kopf.

"Das meint Professeur Paximus. Deshalb sollen wir das wissen, weil es zu schrecklich ist, um unbekannt zu bleiben. Wurde diese - wie nanntest du sie? - Wasserstoffbombe? - einmal gegen Menschen eingesetzt?"

"Nein, wurde sie nicht. Zumindest nicht so, daß sie Menschen bei der Explosion direkt getötet hätte. Was aber bei den Atom- und Wasserstoffbomben passiert, ist, daß sie eine Wolke aus strahlender Asche verbreiten. Diese Asche sendet winzige Teilchen und unsichtbare Energiewellen aus, die lebende Wesen krank machen und töten können. Daran starben viele, die weit im Umkreis der Versuche mit Wasserstoffbomben gewohnt haben, als diese Aschenwolken runterkamen. Diese Strahlenasche ist auch ein Problem bei der friedlichen Nutzung der in der Atomspaltung zu findenden Energie. Aber dazu kommen wir vielleicht ein anderes Mal", beendete Julius seinen Vortrag und trank das Glas bis zum letzten Tropfen leer, das Madame Dusoleil stets ohne Aufforderung nachgefüllt hatte. Er sah Seraphine an, die die ganze Zeit Notizen auf leere Pergamentrollen geschrieben hatte und nun die rechte Hand ausschüttelte, um sie zu entspannen. Erst jetzt bemerkte Julius, daß sowohl die restliche Familie Dusoleil, als auch Seraphines Schwester Elisa hinzugekommen waren. Denise spielte mit ihrer Tante Uranie, während Claire und ihr Vater wie gebannt zugehört hatten, was Julius erzählte. Dem Hogwarts-Schüler fiel auf, daß Claire wie Seraphine sehr beklommen dreinschaute. Monsieur Dusoleil, der sich zu Julius' Verwunderung ebenfalls etwas notiert hatte, sagte nur:

"Jetzt versteht ihr zumindest, wieso eure muggelstämmigen Kameraden über uns lachen, wenn wir von Du-weißt-schon-wem sprechen. Ich kann mir vorstellen, daß der dunkle Herr der Todesser dir keine Angst eingejagt hat, wie, Julius?"

"Bis zur dritten Runde des trimagischen Turniers war das auch so, Monsieur. Als ich Cedric gesehen habe, wie er mit weit aufgerissenen Augen an Harrys Arm hing, habe ich es jedoch kapiert, daß dieser Hexenmeister schlimmer sein kann, wie eine Wasserstoffbombe. Eine Wasserstoffbombe tötet ohne Plan, wenn auch Millionen auf einen Schlag. Voldemort tötet und quält langsam und mit böser Absicht und das jahrelang, wenn ihm danach ist. Weil die Bombe - so sagen wir zu allen Atom- und Wasserstoffbomben - so schrecklich ist, wurde sie nach dem zweiten Weltkrieg zwar nicht eingesetzt, aber so häufig gebaut, um den neuen Feinden, die sowas auch hatten, damit zu drohen. Wäre einer auf die Idee gekommen, sich nicht einschüchtern zu lassen, gäbe es uns heute nicht mehr."

"Du weißt doch, daß du den dunklen Hexer nicht beim Namen nennen darfst", zischte Claire, nachdem sie höflich abgewartet hatte, bis Julius zu Ende gesprochen hatte.

"Warum das auch gut sein soll, Claire. Wer die Dinge nicht beim Namen nennen kann, kriegt noch mehr Angst davor, als sie schon machen, sagt auch Dumbledore", widersprach Julius Claire. Madame Dusoleil wandte nur ein:

"Trotzdem ist es respektvoller denen gegenüber, die unter ihm gelitten haben, wenn er nicht wie beiläufig beim Namen genannt wird."

"Ich habe diesen Namen nicht beiläufig sondern allen Ernstes genannt!" Protestierte Julius leicht verstört.

"Akzeptiert", gestand Madame Dusoleil ihrem Gast zu.

"Weißt du auch, wie diese Strahlen krank machen, Julius?" Wollte Seraphine wissen. Julius überlegte, was er darüber wußte. Immerhin hatte er, wo sein Vater ihm noch was zu lesen aufhalsen durfte, ein Buch über Atomkraft und ihre Gefahr gelesen. Das lag sogar noch im Schulkoffer. Statt einer direkten Antwort stand er auf, entschuldigte sich für eine Minute und eilte ins Haus. Er rannte die Treppe zum Gästezimmer hoch und wühlte in seinem Schrankkoffer, bis er das Buch fand. Dann kehrte er in den Garten zurück und legte es auf den Tisch. Dann schlug er die entsprechende Seite auf und erläuterte, was da zu lesen stand. Seraphine schrieb es sich auf. Auch Madame Dusoleil notierte sich mit der Feder ihres Mannes etwas. Dann sagte sie:

"Aurora hat mir darüber berichtet, daß in Australien solche Krankheitsfälle auftraten. In der Nähe von Bergwerken, wo nach gelbem Metall gesucht wurde, sind Muggel wie Zauberer an dieser Krankheit gestorben. Danke, daß du mir das erklärt hast, Julius."

"Unter anderem ist Uran ein solches Strahlenmaterial, wie auch Plutonium. Ich weiß, daß in der magischen Lehre über die Substanzen diese Materialien nicht beschrieben werden oder nur als bedenklich, weil unbekannter Auswirkung zugeschrieben genannt werden."

"Haben die Muggel gegen diese Strahlenkrankheit was gefunden?" Fragte Seraphine.

"Nichts wirksames. Die Atomkraftwerke, also die Öfen, in denen Atome langsam gespalten werden, um Wärme freizusetzen, werden nur mit dicken Wänden, viel Wasser um den heißen Bereich und dicken Metallverkleidungen abgeschirmt, weil das die Strahlen schwächt. Mehr können Muggel jedoch nicht machen, wenn es einen erwischt hat."

"An und für sich müßten wir die Muggel zwingen, solche Wahnsinnsdinger zu beseitigen", meinte Madame Dusoleil. "Aber das hieße, ihnen alles aus der Hand zu nehmen und uns zu unterwerfen. Das verbietet jedoch das Gesetz zur freien Entfaltung der nichtmagischen Menschheit und die Geheimhaltung der Zauberei."

"Dein Vater macht Kunststoffe, hast du uns erzählt, als du im letzten Sommer hier gewohnt hast", erinnerte Jeanne sich und Julius an den letzten Ferienaufenthalt des Hogwarts-Schülers. Dieser nickte. Dann sagte er, weil er die nächste Frage schon ahnte:

"Dabei kann auch Gift freigesetzt werden. Deshalb müssen mein Vater und seine Mitarbeiter sehr viel über das Zeug wissen, mit dem sie arbeiten, um Unfälle zu verhindern."

"Darüber können wir übermorgen sprechen, Julius, falls du mir auch weiter erklären möchtest, was du für wichtig genug hältst, um die letzten zwei Rollen vollzukriegen", sagte Seraphine und sammelte die beschriebenen Pergamente ein.

"Wie würden deine Eltern es hinnehmen, wenn sie erführen, daß der Unnennbare wieder da ist?" Fragte Madame Dusoleil den Feriengast aus England, als Seraphine mit Jeanne zusammen in Jeannes Zimmer gegangen war.

"Mein Vater hält alle Zauberer für böse, weil sie stärker sind, als er. Da kommt es auf den dunklen Lord nicht an. Mum würde mich fragen, was ich zu befürchten hätte und nicht mehr ruhig schlafen, weil ich einer derjenigen bin, die er auf jeden Fall umbringen will."

"Gut zu wissen", erwiderte die Kräuterhexe. Als Julius sie fragend ansah verriet sie ihm, daß sie daran gedacht hatte, seinen Eltern zu schreiben, um sie davon zu überzeugen, daß er nur in der Zaubererwelt lernen könne, am Leben zu bleiben. Doch, so die Hausherrin, sei dies wohl nicht angeraten, solange kein zwingender Grund vorhanden sei.

Beim Abendessen, das wegen des schönen Wetters im Freien stattfand, sprachen die Dusoleils und ihr Gast nicht mehr von den Mordmaschinen der Muggel und der Bedrohung durch Voldemort. Man erzählte sich Begebenheiten aus früheren Tagen, wobei Julius mehrmals in geschickte Fallen der Hausherrin geriet, wenn er etwas erzählte, was er eigentlich nicht erzählen wollte, von seinen Freunden Lester und Malcolm zum Beispiel, wie er früher der Schrecken der Lehrer war, weil er mit seinem Chemiebaukasten Rauchpfannen oder seifige Lösungen angerührt hatte, die dann auf Fußböden oder an Türklinken angebracht wurden. Jeanne sagte dazu einmal:

"Sowas wohnt nun bei uns und darf an unserem Tisch essen." Doch dann lachte sie.

"Du hast erzählt, daß Catherine und Babette schon einmal bei euch waren und Babette gerne etwas stiebitzt hat", griff Madame Dusoleil etwas auf, daß Julius nur am Rande erwähnt hatte. Er sagte nur:

"Ja, aber das ist schon fünf Jahre her. Damals wußten wir nichts von echten Hexen und Zauberern."

"Weißt du heute noch, wer wen auf die Idee gebracht hat, daß Catherines Familie zu euch kam?" Bohrte die Hausherrin nach. Julius überlegte kurz und sagte, daß es die Idee seiner Mutter war, weil sie Joes Familie kennenlernen wollte. Das genügte Madame Dusoleil. Mademoiselle Uranie Dusoleil fragte Julius dann noch, ob er am Wochenende ihre Private Sternwarte besichtigen wolle, was er sofort bejahte. Nach dem Essen, das sich über zwei Stunden hinzog, musizierte die Familie noch bis zehn Uhr. Dann schickte Madame Dusoleil Claire und Julius ins Bett. Der Hogwarts-Schüler wünschte seiner Gastfamilie eine gute Nacht und stieg ins Gästestockwerk hinauf, um sich für die Nacht umzuziehen. Als er im großen weichen Bett des Waldlandschaftszimmers lag, fielen ihm schlagartig die Augen zu und tiefer Schlaf fing ihn ein.

Der nächste Morgen lief ab, wie der Morgen zuvor. Julius wachte jedoch erst um halb sechs auf und beeilte sich, zum Frühlauf zu starten. Barbara Lumière, die er wie üblich am Dorfteich traf, erzählte ihm von den beiden Schwesterchen. Dann meinte sie noch:

"Jacques ist gestern zu einem Freund nach Lyon gefahren. Maman hat ihn ziehen lassen, nachdem er versprach, sich gut zu benehmen, woran ich nicht glaube."

"Ist ihm die Schreierei zu viel geworden? Kann ich ihm nicht verdenken", erwiderte Julius frech. Barbara lachte nur.

Der restliche Morgen verstrich mit der nun schon alltäglichen Mischung aus Frühstück und Vorlesestunde, der Abreise zu Madame Faucon und drei Stunden anstrengenden Unterrichts. Immer noch waren die Körperveränderungsflüche dran, doch diesmal prüfte Madame Faucon jeden einzelnen auf seine oder ihre Stärken. Dabei schaffte es Dorian kein einziges Mal, sich ausreichend zu schützen. Der Beauxbatons-Schüler grummelte nur:

"Was wollen Sie, Madame Faucon?" Als diese ihm die überlangen Arme und Beine, die sie ihm angehext hatte, wieder auf Normalmaß zurückgeschrumpft hatte.

"Das, was Sie auch wollen, Monsieur Dimanche. Daß Sie alles lernen, was ich Ihnen beibringen kann."

Elisa Lagrange fragte, ob sie nicht mit Claire oder Julius trainieren könne, da sie Dorian nicht aus Versehen verletzen wolle. Madame Faucon fragte mit kaltem Unterton:

"Halten Sie etwa meine Einteilung der Übungspaare für fehlerhaft, Mademoiselle Elisa Lagrange?"

"N-nicht v-verkehrt im S-sinne von total falsch, Madame. A-aber ich denke doch, daß die Proben n-nicht so gleichförmig laufen, wie sie sollten", stammelte Elisa verschüchtert. Julius konnte sehen, wie hinter ihrem Gesicht zwei starke Beweggründe gegeneinander kämpften. Der eine war, Dorian nicht zu gefährden und lieber einen Verweis zu riskieren. Der andere war wohl der Gehorsam, den Schüler in Beauxbatons lernten.

"Wer empfindet die ihm oder ihr zugeteilte Übungspaarung noch als unausgewogen?" Fragte die Lehrerin in die Runde. Julius wagte keinen Muckser, ebenso verkniffen sich auch die übrigen jede Regung.

"Wenn Sie meinen, Mademoiselle Elisa Lagrange, daß Sie es nicht auf sich nehmen können, Monsieur Dimanche in wertvollen Übungsdurchgängen auf sein Können zu prüfen, dann werde ich Sie eben einzeln prüfen. Ich persönlich werde jedem von Ihnen beiden den wichtigen Abwehrübungen unterziehen. Ist Ihnen das genehmer?"

Dorian stöhnte laut auf, und Elisas Gesicht wurde lang und länger. Das wollten sie natürlich nicht. Aber die andere Möglichkeit wäre nur noch, den Unterricht zu schmeißen und als Verlierer abzuziehen. So fügten sie sich lieber in die neue Anweisung, und Dorian bekam jetzt richtig was ab, weil er nicht schnell genug mit den Abwehrzaubern dabei war. Als Elisa aufschrie, weil Dorians Zunge plötzlich zu einem ellenlangen rosa Ungetüm anschwoll, belegte Madame Faucon das Mädchen mit dem Schweigsamkeitsbann. Alle sahen zu, wie sie den Fluch korrigierte. Dann schickte sie Dorian, der total ausgelaugt war, auf seinen Platz zurück. Julius und Virginie probten vor den Augen der Mitschüler und schenkten sich nichts. Julius wagte es, heftige Körperveränderungsflüche wie den Stielaugen-Fluch, den Hummerpanzer oder den Breitmaul-Fluch zu schleudern, während Virginie ihn mit Kitzelzauber, Hautjucken oder Elefantenfüßen behexen wollte. Einmal knallte ein Fluch Virginies von Julius' Zauberschild zurück und traf einen leeren Stuhl. Dieser schnellte wie von einem Katapult geschossen nach oben zur Decke, drehte sich dort wie ein wilder Kreisel zehnmal im Uhrzeigersinn, bevor seine Beine wie Krakenarme auswuchsen, lang, weich und biegsam. Dann zerbrach der Stuhl in einem schillernden Funkenregen und regnete als Holzspanwolke auf die Ferienschüler herab.

"Uff!" Machte Julius.

"Das passiert, wenn tote Materie mit Lebeewesen verändernder Magie zusammenprallt. Ich stelle fest, daß Sie beiden sich sehr gut gegeneinander behaupten können", sagte Madame Faucon.

Der Rest der Stunden verlief mit Theorie, wo mächtige Zauberflüche besprochen wurden. Dann ging es zurück. Julius transportierte Elisa, die immer noch niedergeschlagen war, weil sie und Dorian sich nicht so gut gegeneinander absichern konnten.

"Die will es wissen", sagte die Schwester Seraphines. "Die will wissen, wielange wir durchhalten, Dorian und ich."

"Du glaubst, die urteilt nach Sympathie?" Fragte Julius. Elisa erschrak, weil Julius so direkt vermutete, daß sie sich gezielt drangsaliert fühlte. Dann flüsterte sie:

"Das sagst du bitte keinem, ja. Dorian und ich haben uns auf ihre Anfrage gemeldet, weil wir hofften, damit Punkte bei ihr gutmachen zu können, die wir im letzten Jahr verloren haben. Aber sowas ist doch gemein."

"Da sage ich besser nichts zu, Elisa. Ich weiß nicht, wie Madame Faucon als Lehrerin in Beauxbatons ist. Ich habe sie im letzten Jahr erst kennengelernt und den Eindruck gewonnen, daß sie mir möglichst viel beibringen will, wenn ihr jemand die Erlaubnis gibt, auch wenn ich das nicht alles so gut hinnehmen kann. Ich verdanke eurer Lehrerin einiges und darf deshalb nicht meckern."

"Jetzt hast du doch was gesagt", erkannte Elisa grinsend. "Aber das wissen wir doch, daß du bei ihr gewohnt hast, weil ihre Tochter mit ihrer Kleinen zur Quidditch-Weltmeisterschaft war und sie dich nicht ihrem Muggel-Ehemann überlassen wollte."

"Oha, die Buschtrommel ruft", seufzte Julius. "Aber ganz so war das nicht. Aber wie das genau war, darf und will ich auch nicht breittreten, Elisa."

"Klar! Die Alte würde das als Undank auslegen. Dann hast du sie ja doch schon gründlich kennengelernt, wenn du so'nen heftigen Bammel vor ihr hast", gab Elisa schnippisch zur Antwort. Julius bedachte diese Bemerkung mit Schweigen.

Am Nachmittag kam Madame Delamontagne zu Besuch. Julius und Claire hatten sich gemeinsam über Geschichte der Zauberei hergemacht. Claire half Julius mit einigen wichtigen Begebenheiten der Hexenverfolgung in Frankreich. Julius half ihr mit wichtigen Grundlagen, wieso es nicht so geklappt hatte, wie die Muggel es sich vorgestellt hatten.

Madame Delamontagne wartete geduldig, bis die Kinder ihre Schulsachen fortgepackt hatten. Dann sagte sie zu Julius:

"Sie haben sich bereiterklärt, mir für eine Partie Schach zur Verfügung zu stehen, Monsieur Andrews?"

"So ist es", erwiderte der Hogwarts-Schüler.

So kam es, daß Eleonore Delamontagne und Julius Andrews unter der strahlenden Sonne Schach spielten. Madame Dusoleil kam zwischendurch mit Sonnenkrauttinktur, um Julius freie Hautpartien einzusalben, um ihn vor Sonnenbrand zu schützen. Als die Zeit für den Nachmittagskaffee gekommen war, unterbrachen die Dorfrätin und der englische Feriengast der Dusoleils ihre Partie, die nicht erkennen ließ, wer am Ende gewinnen würde. Während des Kaffeetrinkens - Julius trank heiße Schokolade - unterhielt man sich über die aktuellen Vorgänge im französischen Zaubererministerium, sofern darüber etwas in der Zeitung erwähnt wurde. Julius wurde gefragt, wie die Zusammenarbeit zwischen dem englischen Zaubereiministerium und der Presse funktionierte. Julius, der in Hogwarts immer den Tagespropheten las, erzählte Madame Delamontagne, daß Cornelius Fudge zeitweilig sehr schlecht angeschrieben war, während das Turnier lief.

Nach der Kaffeetafel wurde die Schachpartie fortgesetzt, von Monsieur Dusoleil, seiner Schwester Uranie und Jeanne aufmerksam verfolgt. Die Zeit zerrann, ohne daß die beiden Spieler davon Notiz nahmen. Erst als Julius gerade noch eine Niederlage aufschieben konnte, mischte sich Madame Dusoleil ein.

"Ich weiß, du hast ihn dir wunderbar dressiert, Eleonore. Der Junge würde jetzt mit dir spielen, bis er verhungert vom Stuhl fällt. Aber ich habe mir die Verantwortung für ihn aufgeladen und kann das natürlich nicht zulassen. Wenn du möchtest, kann das Spiel bis nach dem Abendessen hier draußen bleiben. Hier kommt es nicht durcheinander. So um halb neun kannst du mit ihm zu Ende spielen, ja?"

"Du hast zwar recht, daß der Junge nicht verhungern darf, Camille, aber das mit dem dressieren nimmst du doch bitte wieder zurück, ja?" Entgegnete Madame Delamontagne etwas ungehalten. Madame Dusoleil nickte und sagte:

"Gut, dann eben so, daß Julius sich gerne als guter Schachspieler beweisen möchte und darüber vergißt, das er Hunger haben könnte."

"Akzeptiert", genehmigte die Dorfrätin mit dem strohblonden Zopf diese Bemerkung der Hausherrin.

Julius sprach während des Essens nicht viel und gab nur statische Antworten, wie ein Computerprogramm, daß nur Ja- oder Neinantworten verstand und widergab. Er spielte die Partie in Gedanken weiter und vergaß dabei fast das Essen. Als er sich mit der scharfen Pfeffersoße, die zu den knusprigbraunen Hühnerflügeln gereicht wurde, den Alltagsumhang bekleckerte, lachten Claire und Denise. Claire meinte:

"Wenn du nicht aufpaßt, hängt Maman dir noch einen Schlabberlatz um, Julius."

"'tschuldigung, Madame", wandte sich Julius mit roten Ohren an die Hausherrin. Diese sah ihn mitleidsvoll an, dann lächelte sie.

"Wenn du mit dem Essen fertig bist, ziehst du dich einfach um und gibst mir den Umhang. Morgen muß ich eh waschen. Ich weiß, daß Blanche und Eleonore dich total vereinnahmen, wenn es um Schach geht. Ich verzeihe dir also diesen Ausrutscher, zumindest diesmal. Sollte sowas noch mal vorkommen, muß ich Claires Vorschlag wohl aufgreifen. Allerdings passen meine Lätzchen nur Babys."

"Camille!" Warf ihr Mann protestierend ein, der glaubte, seine Frau habe einen argen Scherz gemacht. Julius schaffte es gerade noch, sich nicht zu verschlucken. Bei ihm war diese Bemerkung wie eine Morddrohung angekommen. Doch als die Mutter dreier Töchter wohlwollend lächelte, beruhigte er sich. Wie konnte er auch glauben, die Hausherrin könnte ihm den Infanticorpore-Fluch anhexen, um ihn in einen Säugling zurückzuverwandeln?

Julius konzentrierte sich jedoch besser auf das Essen und ließ es zu, daß Madame Dusoleil ihm nachlegte, wenn der Teller leer war, so wie Jeanne es während des trimagischen Turniers auch getan hatte. Als Julius jedoch den Eindruck machte, daß in ihn nicht mehr hineinpassen konnte, hatte sie ein Einsehen und gab ihm von dem Obstkuchen, der zum Nachtisch gereicht wurde.

Eine halbe Stunde nach dem Abendessen spielte Julius nun in seinem tulpenroten Umhang die Partie gegen Madame Delamontagne zu Ende und verlor knapp. Danach bedankte sich die Dorfrätin bei ihm und verabschiedete sich mit den Worten:

"Wir sehen uns beim Schachturnier wieder, Monsieur. Ich gehe davon aus, daß wir in der vorletzten oder letzten Partie noch mal aufeinandertreffen und nicht früher."

"Falls mich Ihre Tochter nicht vorher mit einem unbeabsichtigt guten Fluch spielunfähig hext", wagte Julius eine Frechheit.

"Das wird eure Lehrerin schon verhüten, junger Mann. Immerhin will sie ja auch gegen dich spielen."

Es war elf Uhr, als Julius total erledigt im Bett lag und wie ein Stein im Wasser in den Schlaf hinüberfiel.

Julius erwachte erst wieder, als jemand laut an die Tür klopfte. Er fuhr auf und prallte dabei fast gegen den Betthimmel des breiten Gästebettes. Er gähnte:

"Herein!"

Madame Dusoleil trat ein und machte die magische Deckenlampe an. Dann sagte sie:

"Oha! Eleonore hat dich wirklich an den Rand der Totalerschöpfung getrieben. Es ist schon halb sieben. Hast du Claires Hahn nicht krähen gehört?"

"Nöh", gab Julius zurück und räkelte sich ungeniert unter den Augen der Hausherrin. Dann schwang er beide Beine aus dem Bett, setzte sich richtig hin und stand auf, wie von einer Sprungfeder geschnellt.

"Wohl keine Zeit mehr, um mich munter zu laufen, wie?" Fragte der Hogwarts-Schüler. Madame Dusoleil lachte.

"in einer halben Stunde gibt es Frühstück. Die Mädchen sind schon seit einer Viertelstunde wieder aus dem Bad raus. Ich muß heute um acht schon raus, um einige Gärten zu ordnen. Deshalb habe ich dich jetzt schon geweckt."

"Vielleicht habe ich meine Energievorräte schon verpulvert und brauche jetzt mehr Schlaf, um zumindest Tagesbereitschaft zu erreichen", sagte Julius Andrews. Die Hausherrin lachte wieder.

"Wenn du dich nicht richtig erholen kannst, streichen wir einige Aktivitäten, um dir ein Erholungsprogramm zu schaffen. Aber ich denke, das war dieses Schachspiel. Ich weiß schon, warum ich mir nicht die Zeit damit totschlage."

"Jedem das seine", gab Julius zurück. Dann holte er seine Sachen und verließ das Gästezimmer.

Nach dem Frühstück flog Madame Dusoleil auf ihrem Transportbesen aus, um ihre Arbeit zu erledigen. Jeanne und die größeren Kinder räumten den Tisch ab, während Mademoiselle Dusoleil mit Denise in den Garten ging. Monsieur Dusoleil eilte in seine Werkstatt, um dort an irgendwas herumzubasteln.

"Wahrscheinlich wird Barbara nachher bei uns antreten und fragen, was wir mit dir angestellt haben", vermutete Jeanne scherzhaft an Julius gewandt.

"Möglich ist es. Die hat sich hoffentlich nicht gelangweilt, als sie heute morgen um den Teich gelaufen ist."

"Die macht das nicht erst, seitdem du bei uns wohnst", bemerkte Claire trocken.

"Wie dem auch sei, ich bin jetzt auf jeden Fall wach genug für Professeur Faucon", sagte Julius.

Wie üblich ging es um halb neun zum Haus der Madame Faucon. Diesmal transportierte Julius Caro Renard, die sich sichtlich freute, endlich mit Julius auf dem Besen zu sitzen. Unterwegs fragte sie ihn, für wen er das Doppelflugtraining und die Prüfung gemacht hätte. Er antwortete:

"Für mich, um junge Hexen abzuschleppen. Ich habe gehört, daß kommt genauso gut an, wie schnelle Autos bei den Muggeln."

"Habe ich's mir doch gedacht", sagte Caro mit sanfter Stimme, die Ähnlichkeit mit dem Schnurren einer Katze hatte. "War das anstrengend, dieses Flugtraining?"

 

"Ja, schon. Wer nicht so gut auf dem Besen ist, sollte es erst einmal lassen. Leute aus einem Schulhaus bei uns haben sich für die größten gehalten und sind bei der Prüfung im wahrsten Sinne auf die Schnauze gefallen. Meine Übungspartnerin war sich am Anfang nicht sicher, ob sie das lernen sollte. Aber jetzt ist sie froh, daß sie den Transporterlaubnisschein hat."

"Wer war denn deine Übungspartnerin? Eine von den Zwillingsschwestern oder die mit den hellblonden Locken und den grünen Augen, die letztes Jahr hier waren?"

"Ich habe die spanische Inquisition eigentlich weiter westlich erwartet", erwiderte Julius locker und lachte, weil es ihn amüsierte, was Caro alles wissen wollte. Die war doch nicht etwa hinter ihm her?

"Du meinst die französische Inquisition, die in Avignon ihre Zentrale hatte. Die haben tausende von Unschuldigen umgebracht, nur um zwei echte Hexen zu erwischen. Und die konnten die auch nicht umbringen, diese hinterweltlerischen Muggel. Aber meine Frage nicht zu beantworten ist sehr interessant", erwiderte Caro mit ihrer Schnurrstimme. Julius spürte, wie ihm etwas schwindelig wurde. Er konnte den Besen gerade noch in der Balance halten. Wie von ihm als Ablenkungsgrund bestellt tauchten die vier Schornsteine des Faucon-Hauses vor ihnen auf. Er sagte:

"Ich muß die Landung hinkriegen. Das ist immer das gefährlichste bei Zweierflug."

Caro lachte nur schallend und strich Julius wie beiläufig durch das von Jeanne kurzgezauberte Haar. Julius ließ daraufhin den Besen etwas hoppeln, bevor er eine saubere Landestellung einnehmen und sich und Caro sicher zu Boden bringen konnte.

Der Unterricht verlief wieder wie üblich. Dorian und Elisa hatten beschlossen, sich gegenseitig zu prüfen, auch wenn Dorian nicht immer auf der Hut sein konnte. So verging der erste Teil des Morgens. Madame Faucon erwähnte, daß am nächsten Tag das Ende der Unterrichtseinheit zur Abwehr körperverändernder Flüche angesetzt sei. Sie wollte die Einheit mit einem Versuch beenden, der zeigen sollte, daß Flüche nicht immer so leicht gewirkt aber auch nicht abgewehrt werden konnten. Dann fragte sie:

"Wer traut sich, mir bei dieser Demonstration zu assistieren? Ich versichere ihm beziehungsweise ihr, daß ich alles, was ich hervorrufen werde, auch wieder korrigieren kann", wandte sich die Lehrerin an ihre Ferienklasse.

Niemand wagte, sich für etwas zu melden, was er oder sie nicht überblicken konnte. Dann hob Julius die Hand.

"Wenn Sie garantieren können, daß ich nach dem Versuch auf eigenen Beinen und im selben Zustand hier herausspazieren kann, in dem ich hier reingekommen bin, möchte ich das Experiment wagen, wenn es nicht gerade der Cruciatus-Fluch ist."

"Julius, bist du dir klar, was du da machst?" Flüsterte Claire. Dorian sah Julius mit einer Mischung aus Unglauben und leichter Verunsicherung an, während Jeanne ein Gesicht wie aus Stein zeigte, ohne jede Regung.

"Ich garantiere Ihnen, Monsieur Andrews, daß ich sie nicht aus diesem Haus lassen werde, bevor ich Ihren ursprünglichen Zustand hergestellt habe, was mir möglich ist. Außerdem werden wir die unverzeihlichen Flüche gesondert und weitgehend nur an kleinen Tieren durchnehmen. Ich setze niemanden dem Cruciatus-Fluch aus, das können Sie mir glauben", erwiderte die Lehrerin mit leicht verärgerter Stimme. Julius bestätigte, daß er mitmachen wollte.

Nach dem Unterrichtstag hielt die Beauxbatons-Lehrerin Julius kurz zurück. Sie sagte:

"Es ehrt mich, welches Vertrauen du in mich setzt. Wahrscheinlich ist es deine Neugier und die Unbefangenheit, die du im Gegensatz zu den anderen hast. Aber um sicherzustellen, daß morgen auch alles zu unserer beiderseitigen Zufriedenheit verläuft, benötige ich unbedingt die genaue Stunde und Minute deiner Geburt, gemessen an der mitteleuropäischen Zeit. Weißt du sie?"

Julius schluckte. Ein Stern explodierte wie eine Supernova vor ihm, so hell ging ihm ein Licht auf. Er überlegte kurz und sagte:

 

"Das war am 20. Juli, um genau vier Uhr und sechzehn Minuten morgens, nach londoner Zeit, was hier fünf Uhr sechzehn Minuten ist. Sie wollen doch nicht etwa ...?"

"Genau das. Es steht dir frei, das abzulehnen. Dann muß ich etwas anderes vorführen."

"Wenn Sie sich nicht bei den Blutstropfen oder den Haaren verzählen, sehe ich keine Probleme. Falls doch, Dann muß ich eben einen Tag aussetzen. Wird mal was anderes sein als das mit dem Weidenkorb", flüsterte Julius. Madame Faucon sah ihn sehr genau an, als wolle sie sein Bild mit dem Gehirn fotografieren. Dann lächelte sie.

"Du wirst morgen nach dem Unterricht auf deinen vollentwickelten Beinen hier wieder herausgehen und nicht einen Tag hier herumliegen. Das verspreche ich dir", sagte die Lehrerin und legte Julius kurz die Hand auf die Schulter. Julius erschauerte unter der Berührung, als habe sie ihn mit einer Art elektrischem Strom durchflutet. Dann verabschiedete er sich und verließ das Haus. Caro stand zusammen mit Virginie und Claire vor dem Haus.

"Soll ich Maman sagen, daß du auf absehbare Zeit nicht mehr Schach spielen willst, weil du dich ohne Überlegung in gewagte Selbstversuche stürzt?" Fragte Virginie.

"Wieso, Virginie? Sie sagte doch, daß sie das umkehren kann. Außerdem hat sie mir das versprochen. Die wird mir und sonst auch keinem was tun, was weh tut und nicht mehr umgekehrt werden kann."

"Trotzdem ist es ein gewagtes Spiel", mischte sich Claire ein. Caro fragte:

"Hat sie dir schon verraten, was sie tun will?"

"Kein Kommentar, Caro, sonst ist ja die Spannung weg", erwiderte Julius mit einem Pokergesicht, als habe er das beste Blatt auf der Hand.

Auf dem Heimflug versuchte Caro, mehr über Julius' Freundinnen in Hogwarts zu erfahren. Julius, der diese Fragen eher witzig als ernst nahm erzählte einen von der grauen Dame, dem Ravenclaw-Hausgeist, sowie den Skyland-Schwestern, gemalten Hexen, die das Ravenclaw-Haus behüteten, ging dann über zu Aurora Dawn und Pamela Lighthouse.

"Nimmst du mich eigentlich ernst?" Fauchte Caro, nun wie eine gereizte Katze. "Wenn wir schon zusammen fliegen, kannst du mir doch mal was erzählen. Immerhin sind wir sechs wochen in Millemerveilles zusammen, und vielleicht das nächste Jahr in Beauxbatons."

"Wieso sollte ich im nächsten Jahr nach Beauxbatons?" Fragte Julius, bevor er merkte, daß er in eine Falle Caros gestolpert war.

"Erst beantwortest du mir meine Fragen wahrheitsgemäß, dann kommt meine Antwort. Oder möchtest du nicht wissen, woher ich weiß, daß du nach Beauxbatons wechseln sollst?"

"Die, die ich von da kenne, hätten es mir schon gesteckt, wenn ich dahin eingeschult werden soll, Caro. Du kannst es also nicht wirklich wissen", erwiderte Julius.

"Du weißt ja nicht was meine Eltern und Verwandten machen und dabei mitkriegen", sagte Caro mit amüsiertem Unterton.

Julius wägte kurz ab, ob Caro ihn bluffte, wie ein Pokerspieler, wenn er meint, was besseres in der Hand zu haben, als er hat. Interessierte es ihn denn auch wirklich, ob irgendwer beschlossen hatte, ihn im nächsten Schuljahr nicht nach Hogwarts, sondern nach Beauxbatons zu schicken? Wenn die Sache schon entschieden war, konnte er nichts mehr daran drehen. Falls er gefragt würde, würde er sich klar für Hogwarts entscheiden.

"Ich lasse mich überraschen, Caro. Ein Mann ist ein Mann, wenn er morgens nicht weiß, wo er am Abend sein Lager aufschlägt, aber dennoch das Lager der letzten Nacht abbaut und weiterzieht. So spricht Gunny Twostep, der größte Westernheld aller Zeiten."

Caro knurrte verärgert. Dennoch ließ sie nicht locker.

"Diese Gloria sieht nicht schlecht aus mit den blonden Locken und den grünen Augen. Die ist auch bestimmt intelligent."

"Yep!" Machte Julius wie beiläufig.

"Das mit den Zwillingen ist ein Problem. Nimmst du die eine, hast du ja auch die andere. Da fällt die Wahl nicht leicht."

"Wieso? Wenn das Bett breit genug für drei ist, lege ich mich zum Schlafen in die Mitte. Das spart im Winter die Wärmflaschen und Kohlenbecken", erwiderte Julius auf diese Versuche, auszuloten, ob er bereits vergeben war.

"Dann bleiben dir nur Mädchen von hier. Virginie ist etwas zu alt für dich. Jeanne ist eher eine große Schwester für dich, bleiben nur Estelle, Béatrice, Elisa, Jasmine, Claire und ich", zählte Caro säuselnd auf. Julius mußte plötzlich loslachen. Dabei verwackelte der Besen, sodaß der Sauberwisch hübsche Minispiralen in die Luft schrieb.

"Wie liegt denn im Moment mein Marktwert?" Fragte er zwischen zwei Lachanfällen.

"Das sage ich dir doch nicht. Nachher fragst du Madame Dusoleil, ob sie dich nicht in eines ihrer Glashäuser setzt und große Vorhänge darum herum spannt, um dich von uns fernzuhalten."

"Ich ging davon aus, daß Mädchen in deinem Alter schon fest vergeben oder noch völlig uninteressiert seien", schaffte es Julius, etwas ernsthaftes zu sagen. Caro lachte nun.

"Dann interessiert es dich also schon, bei wem du Chancen hast, wie?"

"Also Aurora Dawn würde mich sofort adoptieren, wenn sie dürfte. Dasselbe gilt für andere Hexen. Einige halten mich für einen Streber, andere für jemanden, dem zuviel zugemutet wird. Ich warte besser noch ein wenig, bevor ich mich endgültig festlege."

Virginie ließ sich zurückfallen, weil sie und Claire das Gespräch teilweise mitgehört hatten. Claire sah Julius sehr erwartungsvoll an, sagte jedoch nichts. Virginie rief nach hinten:

"Caro, hat Titus dich mit 'ner anderen versetzt? Wußte nicht, daß du schon so heftig nach Beute gierst."

"Haha, Mademoiselle Grün! Titus hat an jeder Ecke eine herumstehen. Aber du hast recht. Der macht schon was her. Oder hast du ihn dir schon gebucht?"

"Nichts für kleine Mädchen", gab Virginie zurück. Caro knurrte nur etwas, was jedoch niemand verstand. Claire grinste nur überlegen. Offenbar sah sie Caros Gesicht. Julius mußte auf den Flug achten und wagte nicht, sich umzudrehen.

Julius landete in der Dorfmitte, wo Caro und Virginie sich verabschiedeten. Virginie nahm Caro locker an der Schulter und zog sie sanft mit sich, bevor sie noch etwas sagen konnte. Claire schwang sich hinter Julius auf den Besen und ließ sich von ihm nach Hause bringen.

"Die ist schön neugierig für eine Rote", sagte Claire nach einigen Dutzend Sekunden des Schweigens. Julius nickte nur. Dann fragte er:

"Du stehst doch auf Rot, oder?"

"Als Farbe ja, als persönlichkeitsmerkmal in Beauxbatons nicht so sehr. Aber mich interessiert es doch, ob in Hogwarts jemand auf dich wartet."

"Wen noch?" Fragte Julius frech.

"Ich denke, jede und jeden, der mit dir gerne zusammen ist", erwiderte Claire schlagfertig. Julius hatte damit gerechnet, daß sie wütend knurren oder schmollen würde. Aber die Schlagfertigkeit gefiel ihm. Mit dem Mädel konnte man sich schön kabbeln, dachte er und wunderte sich über diesen Gedanken.

"Ich habe es Caro gesagt, daß ich noch nicht so schnell feste Bindungen haben möchte. Ich muß mich ja erst selbst besser kennenlernen, bevor ich jemanden anderen mehr und mehr in mein Leben einlade, wenn sie das will natürlich."

"Aha! Eine "Sie" sollte es also schon sein", nahm Claire Julius' letzte Bemerkung auf. Julius quittierte diese Bemerkung mit "Kein Kommentar" und flog den Besen im schnellen Abstieg zur Landewiese der Dusoleils hinunter, wo Jeanne und ihre Mutter schon warteten.

"Wo seid ihr denn abgeblieben?" Fragte Madame Dusoleil eher neugierig als tadelnd klingend. Claire sprudelte los, daß Virginie und sie auf Julius gewartet hätten, weil Madame Faucon ihm noch was für die morgige Stunde sagen wollte. Da Caro ja auf dem Hinflug mit Julius auf dem Besen gesessen habe, hätte man sich auf dem Rückflug lange unterhalten. Claire ließ auch nicht aus, ihrer Mutter zu erzählen, daß Caro wohl versucht habe, mit Julius anzubandeln.

"Was?! Ist ja interessant. Wie hast du es hingenommen, Julius?"

"Ich habe ihr gesagt, daß ich mich noch nicht festlegen möchte, Madame. Das Gespräch verlief völlig jugendfrei."

"Jugendfrei?" Fragten Madame Dusoleil und ihre beiden älteren Töchter.

"So sagen die Muggel, wenn sie Bücher oder Filme meinen, die von Kindern und Jugendlichen gelesen werden oder angeschaut werden dürfen, ohne diese dadurch auf falsche Ideen zu bringen oder irgendwie zu verderben. Mal wieder 'n Muggelwort!"

"Aha! Dann gibt es Bücher und andere Sachen, die nur Erwachsene sehen dürfen?"

"Na logisch", erwiderte Julius überzeugt.

"Caro ist aus dem roten Saal. Das hast du bestimmt mitbekommen, Julius. Die sagen, was sie denken. Wenn Caro was von dir will, kriegst du es mit Fanfaren von ihr aufgetischt. Allerdings weiß ich nicht, ob Titus sich das gefallen läßt. Der ist ja auch ein Roter", erläuterte Jeanne. Dann gingen alle ins Haus, wo sie mit Mademoiselle Dusoleil und Denise zu Mittag aßen. Dabei erwähnten Jeanne und Claire, daß Julius sich für einen Versuch in der nächsten Stunde freiwillig gemeldet hatte. Madame Dusoleil fragte Julius, was Madame Faucon vorhabe. Er sagte, daß er darüber nichts sagen dürfe, weil es ja eine Überraschung sein sollte. Das nahm die Kräuterhexe offenbar so hin, fand Julius. Denn sie ging nicht weiter darauf ein. Claire fragte ihn nur, ob er sich wirklich so sicher sei, das richtige zu tun. Julius erwiderte mit einem Kopfnicken:

"Meine Eltern wissen, wo ich bin! Aurora Dawn und ihre Tante June wissen, wo ich bin. Wenn ich mich nicht mehr melde, bekommt Madame Faucon Ärger."

"Das ist doch keine Antwort", protestierte Claire und erhielt ein zustimmendes Nicken ihrer Mutter und der älteren Schwester.

"Sie hat mir erklärt, was sie machen will. Ich weiß, wie das geht, habe es mit ihr abgeklärt und bin einverstanden. Es ist mir zwar ein wenig unheimlich zu Mute, aber irgendwie auch ein interessantes Gefühl, wie als wenn du eine Tür vor dir hast und weißt, was dahinter liegt, aber nicht, ob es dir Spaß oder Angst macht, wenn du es tatsächlich siehst."

"Nun gut, Julius! Blanche hat mein Vertrauen. Außerdem würde sie nicht riskieren, ihre Lehrerlaubnis zu verlieren. Seit Catherine im Kindergarten war, ist Beauxbatons ihre zweite Familie. Sie überlegt sich schon gut, von wem sie was verlangen kann", schloß Madame Dusoleil.

"Barbara Lumière war so um zehn herum hier und hat sich erkundigt, ob du gut aus dem Bett gekommen seist. Sie hat dich heute morgen vermißt, Julius", sagte Mademoiselle Dusoleil. Der Hogwarts-Schüler lachte kurz und fragte:

"Langweilt sie sich doch, so allein um den Dorfteich zu laufen?"

"Das nicht, aber sie findet es schön, sich an jemanden ausrichten zu können. Sie möchte gerne ihre Kräfte vergleichen und hat gemeint, daß du sehr gut in Form seist, wenn du dich bei einem für dich wohl schnellen Trab so locker mit ihr unterhalten könntest", erwähnte Jeannes und Claires Tante.

"Na ja, beim letzten Quidditchspiel hättes mich fast vom Besen gekippt. Ich muß mich erst wieder hocharbeiten. Vor allem brauche ich auch Armtraining. Ich weiß nicht, ob meine alten Kampfreflexe noch funktionieren. Ich mußte in letzter Zeit zum Glück keinen abwehren."

"Armtraining braucht der Herr. Wunderbar! Dann kannst du mir doch nachher bestimmt helfen, wenn ich bei Blanche die Hecke stutze, oder?" Griff Madame Dusoleil auf. Claire sah etwas verwirrt zu ihrer Mutter hinüber. Julius nickte jedoch zustimmend.

"Gut, dann fliegen wir beide nachher los, so um zwei. Blanche hat bestimmt nichts dagegen, daß ich dich mitnehme."

"Das ist gemein, Maman! Dann erzählt dir Madame Faucon alles, was sie morgen machen will, aber wir dürfen es nicht wissen", maulte Claire. Jeanne nickte, sagte jedoch nichts.

"Hmm, danke für die gute Idee, Cherie", lachte die Gartenhexe.

Julius zog seinen schwarzen Arbeitsumhang für Hogwarts an, in dem er meistens die Kräuterkundestunden mitmachte und nahm seine Drachenhauthandschuhe mit. Er flog neben Madame Dusoleils Arbeitsbesen her, wobei er sich anstrengen mußte, nicht zu schnell zu fliegen. So um viertel nach zwei landeten die beiden vor dem Faucon-Haus. Madame Dusoleil lud vier große Säcke von ihrem Besen ab und warf Julius zwei zu. Dann klingelte sie an der Tür.

Madame Faucon grüßte Julius und nickte Madame Dusoleil zu.

"Du hast den Jungen engagiert, dir zu helfen?" Fragte sie. Die Gartenhexe nickte. Dann gingen sie in den großen Garten der Beauxbatons-Lehrerin und begannen, die Hecken zu stutzen, wobei Julius nicht zaubern durfte. So bekam er sein Armtraining, von dem er gesprochen hatte, wenn er hohe Hecken stutzte, den Abfall aufhob, bündelte und in die Säcke füllte, um sie später in den Komposthaufen zu werfen. Als die anstrengende Gartenarbeit geschafft war, spürte Julius, daß er sich richtig angestrengt hatte. Madame Dusoleil reinigte seinen Umhang von Erd- und Pflanzenresten. Madame Faucon wartete schon mit Kakao und Kaffee am Gartentisch.

"Die Kinder haben erzählt, du hättest einen Freiwilligen für einen Körperänderungsfluch gesucht, Blanche", begann Camille Dusoleil ohne große Einleitung, nach dem zu fragen, was morgen passieren sollte.

"Julius hat sich freiwillig gemeldet, Camille. Er weiß auch, was ich vorhabe. Offenbar ist er sogar neugierig darauf, es am eigenen Leib zu erfahren", erwiderte Madame Faucon und sah Julius mit ihren saphirblauen Augen an, als erwarte sie keinen Widerspruch. Dieser kam auch nicht.

"Ich weiß nicht, ob wir das Madame Dusoleil verraten sollen."

"Warum nicht?" Erwiderte Madame Faucon. Dann nickte sie Julius zu und forderte ihn auf, zu erzählen, was er morgen durchmachen würde. Als Madame Dusoleil alles gehört hatte, überlegte sie kurz. Dann meinte sie:

"Blanche, ich gestehe dir zu, daß Julius sich freiwillig gemeldet hat und auch weiß, was da mit ihm passieren kann. Aber ich möchte dich bitten, dich doch für einen eventuellen Fehlschlag abzusichern. Mit mir kannst du zumindest rechnen."

Julius Andrews lief es kalt den Rücken hinunter. Das käme Madame Dusoleil wohl nicht ungelegen, wenngleich sie das natürlich nie aussprechen würde, dachte er. Doch er hatte einmal "Ja" gesagt und blieb nun fest. "Wer was dummes vorhat, muß es tun, um zu erkennen, wie dumm es wirklich ist. Vielleicht ist er danach wesentlich klüger", hatte ein Onkel Julius mal geraten.

"Ich habe schon alles geklärt, Camille. Ich werde Julius nicht sehenden Auges permanenten Schaden zufügen, beziehungsweise, ihn körperlich einschränken. Wenn alle Angaben stimmen, wird es morgen keinen Fehlschlag geben", erwiderte Madame Faucon.

"Gut, Blanche. Ich vertraue dir, und Julius sieht mir so aus, als würde ich ihm etwas spannendes vorenthalten, wenn ich es ihm verböte."

Nach dem Kaffee flogen die beiden Besucher Madame Faucons zurück. Unterwegs steuerte Madame Dusoleil den Musikpark an, suchte einen Pavillon auf und bat Julius, sich mit ihr dort hineinzusetzen.

"Jeanne hat mir das von vor dem Ball erzählt. Das reizt dich jetzt natürlich. Du weißt ja auch, was passieren kann, wenn es nicht umgekehrt wird, oder?"

"Ich könnte für mindestens einen Tag ausfallen und wäre auf fremde Hilfe angewiesen. Ich habe mir schon überlegt, wie demütigend das sein mag. Aber Sie haben recht: Ich will es wissen."

"Da ich nicht davon ausgehe, daß Blanche auf jede materielle Einzelheit achtet, weil es wichtigeres gibt, gebe ich dir morgen etwas mit, damit die Vorführung nicht peinlich für dich wird, wenn du verstehst, was ich meine."

Julius schluckte, weil ihm einige Dinge einfielen die im Falle eines Fehlschlags benötigt wurden. Dann nickte er.

"Kein Versuch ist ein Fehlschlag, sagt mein Vater. Er bringt nur nicht immer das gewünschte Ergebnis, aber immer neue Erfahrung."

"Wobei dein Vater sich sehr vor uns fürchten würde, wenn er wüßte, daß man sowas auch mit ihm machen könnte."

"Wenn es nicht verboten wäre, das an fremden Muggeln zu machen, wäre es bestimmt eine lehrreiche Lektion. - Wo wir schon davon reden: Wie haben Sie meinen Vater solange im Haus halten können? Er hatte genug Chemikalien, um sich entweder zu töten oder das Haus abzubrennen."

"Ich habe einen Ministeriumszauberer des Nachts in sein Labor geschickt und alle Sachen, die dort lagerten mit einem Bann belegen lassen, so daß er seine Drohungen nicht durchführen konnte. Außerdem habe ich in jedes Esspaket, welches ich ihm schickte, Kräuter mit verlockenden Duftstoffen gegeben, die zum Verzehr anregten. Ein Hungerstreik hätte also gar nicht stattfinden können. Zumindest weiß er nun, daß Magie nicht nur kleine Tricks zur Volkserheiterung oder zum Gruseln sind, sondern auch ernsthafte Auswirkungen auf ein Menschenleben haben kann."

"Ich habe nicht gewagt, Ihnen diese Fragen zu stellen, Madame, weil Paps ja irgendwie da herausgekommen ist. Aber interessiert hat es mich schon."

"Natürlich, Julius. Das ist ja auch kein Scherz gewesen, deinen Vater in eine Sperrdornhecke einzuschließen, ganz allein ohne seine Muggelfernsprechmaschinen."

"Gut, daß er sich nicht mit Mrs. Jane Porter oder Madame Faucon angelegt hat", sagte Julius noch. Madame Dusoleil runzelte die Stirn und fragte:

"Aha, mit mir konnte er es ja machen, wie?" Dann lächelte sie. "Hat er wohl gedacht. Jetzt weiß er es aber sicher."

Nach diesem kurzen Gespräch flogen Madame Dusoleil und ihr Gast zurück ins Anwesen der Dusoleils, wo Barbara mit Jeanne beim Schach saß.

"Na, Urlaub von den Zwillingen?" Fragte Julius frech.

"Die sind mit Maman bei unseren Großeltern in Bordeaux. Papa schreibt für seine Abteilung. Da bin ich mal eben hergekommen. Läufst du morgen wieder mit mir?" Erwiderte Barbara.

"Wenn ich gut aus dem Bett komme, bin ich wieder da, so um halb sechs", verkündete der Hogwarts-Schüler.

Er sah den beiden Mädchen noch beim Schach zu, das Barbara für sich entschied. Dann sah Julius, wie die athletische Junghexe mit den braunen Haarstoppeln unvermittelt verschwand, disapparierte. Julius mußte sich hinsetzen, als er das gesehen hatte. Er kannte das zwar von den erwachsenen Hexen und Zauberern, einfach von einem Ort zu verschwinden oder ohne Vorwarnung aufzutauchen, aber eine Schülerin dabei zu sehen war doch heftig.

"Ach, das haben wir dir ja nicht erzählt, daß wir in den Ferien die Prüfungen machen. Alle volljährigen Zauberer dürfen noch vor der letzten Klasse die Prüfung machen. Falls sie mißlingt, kann sie erst nach dem Abschluß von Beauxbatons wiederholt werden. Barbara und ich üben schon", erklärte Jeanne lächelnd.

"Ich dachte, das dürfte man erst, wenn die Prüfung bestanden ist", wandte Julius immer noch unter dem heftigen Eindruck stehend ein. Jeanne nickte langsam.

"Wir dürfen überall hin disapparieren, wenn die Prüfung bestanden ist. Aber vor der Prüfung müssen wir natürlich üben. Das machen die Muggel doch auch, wenn sie Autofahren lernen, oder?"

"Natürlich, Jeanne und fliegen mit dem Flugzeug auch. Aber für die Autofahrer gibt es Extraplätze, sogenannte Idiotenhügel. Ich habe es mitbekommen, wie Mum von Paps auf so einem Idiotenhügel herumgescheucht wurde, damit sie schon mal für die Fahrschule vorlernen konnte. Aber mit dem Apparieren ist das doch so'ne sache, weil so viel dabei schieflaufen kann."

"Das tut es. Deshalb dürfen wir nur zwischen vier ausgewählten Punkten üben. Barbara und ich dürfen zwischen diesem Haus und ihrem Haus wechseln, oder zur Dorfmitte disapparieren oder in die Rathaushalle. Erspart doch einiges an Zeit."

"Und wann ist die Prüfung?"

"Am 22. Juli, einen Tag vor Claires Geburtstag. Prüfer des Ministeriums, sowie Professeur Bellart von Beauxbatons nehmen sie ab. Du darfst mir zusehen, wenn du magst."

Julius strahlte unvermittelt wie ein Honigkuchenpferd. Sowas wollte er gerne mal mitbekommen. Er wollte es auch lernen, zu apparieren, hatte er sich fest vorgenommen. Allerdings wollte er sichergehen, auch stark genug dazu zu sein und richtig zu lernen. Dann fiel ihm nochwas ein.

"Aber was, wenn du beim Disapparieren deine Kleider verlierst und komplett nackt auftauchst?"

"Dann muß jeder Zauberer, der nicht von Amts wegen zusieht bei meinem Vater um meine Hand anhalten. Es gilt das Sprichwort: Wessen Körper du entblößt gesehen, dem mußt dein Leben lang du Seit an Seit stehen. Das gilt für Hexen und für Zauberer und hat eigentlich den Anstandsbezug, daß niemand sich vor anderen ausziehen soll, wenn er oder sie nicht verwandt oder verheiratet mit dem ist, vor dem oder der er oder sie die Kleidung abwirft. Das gilt aber nur für Kinder über fünf Jahren, denen man beibringen kann, sich anständig zu benehmen. Du wirst also morgen nicht fürchten müssen, von Caro, Virginie oder Seraphine einen Heiratsantrag zu bekommen."

"Moment! Wieso kommst du darauf, daß ich morgen meine Kleidung vor euch abwerfe und doch dafür nicht belangt werde?"

"Weil ich im Gegensatz zu Claire und den anderen weiß, was Madame Faucon mit dir anstellen wird, weil du wissen möchtest, wie sich das anfühlt, nachdem wir beide sowas gesehen haben. Glaube nicht, daß die Leute vom grünen Saal nicht logisch denken können, denn dann wärst du bestimmt keiner von uns", sagte Jeanne mit gesenkter Stimme aber mit einem breiten Grinsen des Triumphes.

"Ich bin doch keiner von euch. Ich habe nur an eurem Tisch sitzen dürfen, weil Professeur Faucon ...", hob Julius zu einem Protest an, doch Jeanne schnitt ihm mit einer energischen Handbewegung das Wort ab.

"Weil Professeur Faucon dich genau studiert hat. Sie hat dich bei sich wohnen lassen. Sie bekam immer irgendwelche Briefe, wo die Hogwarts-Lehrer von dir berichteten. Sie hat mit Maman gesprochen, mit Madame Delamontagne und auch mit Minister Grandchapeau. Außerdem kennt Catherine dich natürlich auch sehr gut. Sie hat befunden, daß du einer von uns bist und mußte nicht erst warten, bis unser Auswahlartefakt dich an unseren Tisch geschickt hätte. Das wird sie nur tun, wenn du wirklich für geraume Zeit zu uns kommst, aber nur für's Schulprotokoll, um dich in den Unterricht einzuteilen. Und was morgen angeht, Julius ..."

"... so habe ich mit Blanche alles geklärt, Tochter", vollendete Madame Dusoleil den Satz, als sie in den Garten kam.

"Du hast uns gehört, Maman? Wer noch?" Wollte Jeanne wissen.

"Nur ich, ma chere. Deine Schwestern spielen mit Denises Puppenkarussell, weil du ja Schach gespielt hast", sagte die Hausherrin. Jeanne atmete auf.

"Dann reden wir besser nicht mehr darüber, Jeanne. Ist aber nicht schlecht, daß du morgen nicht so überrascht dreinschauen wirst", beendete Julius das Thema.

So wurde bis zum Abendessen nur noch über das Apparieren und seine Tücken gesprochen, weil das ausreichte, um Julius spannende Stunden zu bieten und für Jeanne eine spielerische Gelegenheit bot, ihr Wissen zu ordnen. Julius erfuhr zwar, daß geübte Zauberer den Ortswechsel mit Gedankenkraft auslösen konnten, wie die ihm aus den Weltraumgeschichten bekannten Teleporter, aber bei manchen Zauberern doch der Einsatz des Zauberstabs nötig war. Wie genau das ging, verriet Jeanne im Moment nicht. Sie ahnte, daß Julius es ausprobieren würde, wenn er die Gelegenheit dazu hätte.

Nach dem Abendessen tobte Julius mit der kleinen Denise und Claire durch den Garten und warf das Hexenkind wie bei einem Rock'n Roll herum und ließ es auf die weiche Wiese fallen. Claire verfehlte einmal einen Sprung in Richtung Denise und schlug der Länge nach hin. Julius half ihr auf. Dabei wurde er fast hinuntergezogen und wäre auf Claires Körper gefallen, wenn seine Reflexe ihn nicht davor bewahrt hätten. Beide lachten, als sie wieder standen. Dann spielten die drei Fußball mit einem nicht bezauberten roten Ball, bis Madame Dusoleil die Kleine zu Bett brachte.

"Hui, du hast einen Schwung, daß es eine wahre Freude ist, mit dir über eine Wiese zu toben", sagte Claire und ordnete mit der rechten Hand ihr schwarzes, leicht gewelltes Haar. Julius meinte:


"Wenn Denise ein Junge wäre, hätte ich jetzt Boxen üben können. Aber du weißt ja, daß ich keine Mädchen haue."

"Wissen die anderen Mädchen das auch, wenn sie meinen, dich schlagen zu müssen?" Wollte Claire mit gehässigem Unterton wissen. Der Hogwarts-Schüler lachte.

"Die hauen keine Jungs. Die tricksen sie aus oder jagen sie gegeneinander, hat der Bruder eines früheren Freundes mal gesagt."

"Achso, dann muß ich mir nur was ausdenken, damit du einem Jungen eine reinhaust?" Fragte die mittlere der drei Dusoleil-Schwestern. Der Gast aus England grinste.

"Dafür sind wir beide noch zu jung, um einen Grund zu finden, der mich dazu bringt, für dich jemanden zu vermöbeln, kleine Claire."

"Klein? Sagtest du "Klein"?"

"Hmm, heißt das Wort so? Vielleicht verliere ich doch die Französischen Sprachkenntnisse", gab Julius mit gespieltem Unbehagen zurück.

"Madame Matine und Mademoiselle Dawn sagen, daß du unsere Sprache nicht mehr verlernst, wenn du keinen Gedächtnisschaden abkriegst. Ich bin also zu klein für dich?"

"Das habe ich bestimmt nicht gesagt", erwiderte Julius Andrews schnell, als er das verärgerte Gesicht der Beauxbatons-Schülerin sah. Die dunkelbraunen Augen wurden richtig groß und funkelten ihn an.

"Dann nimmst du das also zurück?"

"Wann?"

"Jetzt!"

"Wieso?"

"Weil ich das will, Monsieur."

"Sei nicht albern!"

"Ich? Du bist albern, Julius. Aber du wirst schon sehen, ob du nicht kleiner als ich bist."

Julius war schon versucht, zu fragen, ob Claire damit den morgigen Tag meinte. Doch gerade soeben bekam er noch die Kurve und erkannte, daß sie ihre und seine Entwicklung meinte, ob sie ihm voraus oder unterlegen war.

"Morgen nimmst du mich wieder mit, ja?" Fragte die zweitälteste Tochter Madame Dusoleils. Julius versprach es ihr. Dann gingen sie ins Haus zurück, wo Julius noch ein Bad nahm. Als er in Pyjama und Bademantel aus dem von Badewasserdampf vernebelten Gästebad kam, trat ihm Madame Dusoleil mit einem Stoffbeutel in der Hand entgegen.

"Nur für die unwahrscheinliche Situation, daß du morgen nicht zum Mittagessen kommen kannst", sagte die Hausherrin und wünschte Julius eine gute Nacht.

Julius erwachte nach langem Schlaf um kurz nach fünf und begrüßte den Sonnenaufgang. Dann ging er wieder ins Bad und verrichtete seine übliche Morgentoilette. Dann stieg er die Treppe hinunter, wo Madame Dusoleil ihn im Morgenrock erwartete. Sie ließ ihn hinaus, damit er mit Barbara um den Teich in der Dorfmitte laufen konnte. Diesmal holte er alles aus sich heraus, was er an Tempo hinbekam und hielt locker zwanzig Runden mit Barbara mit, bevor er zurückfiel und schnaufend sein gewohntes Tempo wieder aufnahm. Barbara ließ sich ebenfalls zurückfallen und nahm Julius bei den Schultern.

"Du mußt heute noch einen Unterrichtstag überstehen. Madame Faucon wird dir keine Ausrede durchgehen lassen, wenn du schlapp machst. Es ehrt mich zwar, daß du mir zeigst, wie gut du mit mir mithalten kannst, aber nützt dir nichts, wenn du dafür anderswo keine Kraft mehr hast. Aber immerhin liegt dir was am Körpertraining. Gut zu wissen", sprach die ältere Schülerin auf Julius ein. Dann beschloß sie:

"Ich bring dich zu deinen Gasteltern. Wir müssen zwar zu Fuß gehen, aber das ist ja kein Problem."

Julius versuchte nicht erst, die Willensstärke der halbwüchsigen Junghexe zu überwinden. Er ging neben ihr her zum Anwesen der Dusoleils, wo sie Julius bei Madame Dusoleil ablieferte.

"Hast du ihn wieder angetrieben, sich zu verausgaben, Barbara?" Fragte die Hausherrin besorgt. Barbara und Julius schüttelten den Kopf. Dann verabschiedete sich die Saalsprecherin des grünen Saales von Beauxbatons und kehrte zu ihrem Haus zurück, indem sie disapparierte.

"Die Mädchen haben eine erstaunliche Wirkung auf dich, stelle ich fest. Immer willst du dich mit ihnen messen. Machst du das mit deinen männlichen Schulfreunden in Hogwarts auch so?" Wollte die Hausherrin wissen.

"Natürlich. Aber mit denen habe ich keine Probleme, mal so richtig zu toben. Hier weiß ich nie, was gerade angesagt ist", erwiderte Julius Andrews.

Nach dem Frühstück flogen die acht Ferienschüler zum Haus von Madame Faucon. Julius hatte das Bündel von Madame Dusoleil in seine Schultasche gesteckt, sodaß es keiner sah. Als sie ins Haus eingelassen wurden, kam Julius erst richtig zu Bewußtsein, worauf er sich wieder einmal eingelassen hatte. Irgendwie reizte es ihn wohl, durch Zauberei verwandelt zu werden, stellte er selbstkritisch fest. Er hoffte nur, daß ihn diese schlummernde Leidenschaft nicht eines Tages für immer verunstalten oder gar töten würde. Doch hier und heute würde er nicht sterben, das wußte er auch.

Madame Faucon nahm Julius die Tasche ab und ging damit in einen Nebenraum. Dann ließ sie zunächst alle auf den Stühlen um den Tisch Platz nehmen. "Heute beenden wir die intensive Einheit über Körperveränderungsflüche. Sie alle haben in dieser Woche gelernt und erprobt, wozu Zauberer und Hexen im Stande sind, wenn es um Behinderungen, Verunstaltungen, groteske Umbildungen oder unkontrolliertes Verhalten geht. Wir hatten es auch mit mächtigeren Flüchen zu tun, die aus großer Entfernung gewirkt und langwierig wirksam werden. Vier Flüche haben wir jedoch nicht besprochen, von denen ich bei den älteren Schülerinnen weiß, daß sie sie kennen, ja auch schon bei mir im Unterricht demonstriert bekommen haben. Einen davon werde ich heute mit Monsieur Andrews dankenswerter Unterstützung demonstrieren, um allen, nicht nur den älteren unter Ihnen, ein eindrucksvolles, aber auch warnendes Beispiel zu geben, immer auf der Hut zu sein", hielt die Lehrerin eine Eröffnungsansprache. Julius formte das Wort "Moody" mit den Lippen, weil ihm der letzte Satz den Leitspruch des unheimlichen Lehrers mit dem magischen Auge und dem Holzbein ins Bewußtsein kam: "Immer wachsam!"

Claire fragte, welche Flüche das seien. Madame Faucon winkte ab.

"Wir werden sie alle besprechen, nach der Vorführung. Monsieur Andrews, treten Sie bitte vor!"

Julius stand schüchtern auf und trat vor. Dann flüsterte die Lehrerin ihm zu, alles metallische abzulegen, aus Sicherheitsgründen. Julius tippte mit dem Zauberstab an den Armbandverschluß seiner magischen Armbanduhr und dachte konzentriert "Kandal!" Das war das Schlüsselwort, mit dem er das Armband gegen Diebe gesichert hatte, sodaß ihm keiner die Uhr vom Arm hätte stehlen können. Die Uhr löste sich. Julius zog sie vorsorglich wie überflüssigerweise noch mal auf, prüfte die Zeit und legte sie auf den Tisch, wo Jeanne sie nahm und verwahrte. Dann ging er mit Madame Faucon zur Tür des Nebenraums. Die Tür schwang auf, und ein hoher Tisch mit weichen cremefarbenen Leinentüchern und Kissen schwebte von Zauberhand getragen herein. Jeanne sah Julius an, ohne daß der ihren Blick bemerkte. Sie wußte, warum diese Vorbereitungen nötig waren.

Madame Faucon hob eines der Tücher vom Tisch, daß kaum größer als ein Handtuch war und legte es so, daß sie es jederzeit wieder glatt ausbreiten konnte, ja mit einer schnellen Handbewegung über etwas werfen konnte. Dann befahl sie:

"Setzen Sie sich auf den Tisch, Monsieur Andrews! Setzen Sie sich so, daß Ihre Mitschüler Sie von der Seite sehen können!"

Julius gehorchte kommentarlos und setzte sich auf den Tisch, der ihm bis zum unteren Rückenbereich reichte. Er entspannte sich, obwohl er wußte, daß gleich etwas heftiges mit ihm geschehen würde.

"Sie wundern sich alle über diesen Versuchsaufbau? Er ist für Monsieur Andrews' Unversehrtheit erforderlich. Sie sehen, daß der Tisch einen Meter breit und zwei Meter lang ist. Das ist wichtig für den Versuch. Ich verlange nicht von Ihnen, daß Sie sich merken, was ich tue. Achten Sie auf Monsieur Andrews!"

"Tut ihm das wirklich nicht weh?" fragte Claire besorgt.

"Nur, wenn ich vom Tisch falle", sagte Julius mit aufgesetzter Kühlheit, Bereit für die zweite Dummheit seines Lebens, nachdem er sich einmal freiwillig in einen toten Gegenstand hatte verwandeln lassen.

Madame Faucon bat sich absolute Ruhe aus. Dann hob sie den Zauberstab und sprach eine Reihe unheimlicher Worte mit tiefer Stimme, wobei sie schnelle Zauberstabbewegungen in Richtung Julius vollführte. Nach drei Sekunden waren Zauberspruch und Zauberstabbewegungen vollendet. Keinen Augenblick später schoß ein goldgelber Blitz aus der Stabspitze, traf Julius am Oberkörper und zerfloß zu einer goldgelben Silhouette um ihn herum. Dann knallte es. Im Schein des goldenen Lichts fiel Julius Körper zusammen, wie ein Ballon aus dem die Luft entweicht. Keine Sekunde dauerte dieser Vorgang, da lag dort, wo vorhin noch ein halbwüchsiger Junge mit hellblondem Haar gesessen hatte, ein Bündel in einem mitternachtsblauen Gebrauchsumhang, das sich bewegte. Madame Faucon steckte den Zauberstab fort, griff nach dem Umhang und dem darin hängenden Unterzeug und zog alles auseinander, bis das Bündel im Inneren freilag und vor Kälte zitterte. Mit geröteter Haut, lag an Julius' Stelle ein winziges Bündel Mensch, exakt so klein, wie direkt nach der Geburt, mit übergroßem Kopf und hellblauen Augen, Pausbacken und einer Stubsnase, gerade ein wenig Flaum auf dem ansonsten kahlen Schädel. Gurgelnde Laute entrangen sich dem zahnlosen Mund, als das Baby sich zu rühren versuchte. Madame Faucon warf schnell das bereitgelegte Tuch über den durch Zauberkraft zum Säugling zurückverwandelten Julius Andrews und wickelte ihn soweit ein, daß nur der große Kopf freilag.

 

__________

 

Julius sah gebannt zu, wie Madame Faucon den Zauberstab gegen ihn führte. Als das goldene Licht ihn traf, spürte er etwas, als wäre er völlig schwerelos, ja körperlos. Als der Knall erscholl, drehte sich die Welt für Julius in einem Wirbel aus Farben und Formen. Dann sah er mitternachtsblauen Nebel über sich. Er lag auf dem Tisch. Die Füße lagen genauso auf dem Tisch, wie sein Kopf, der ihm irgendwie schwer vorkam. Auf jeden Fall konnte er sich nicht mehr bewegen. Dann fühlte er, wie etwas den mitternachtsblauen Stoff fortzog und helles Licht stach ihm in die Augen. Er sah wie durch dickes Milchglas die schattenhaften Umrisse von übermäßig großen Möbeln, nur Grau in Grau. Im ersten Moment erkannte er nur einen riesigen Schatten, der sich über ihn beugte, bis aus dem trüben Nebel das Gesicht Madame Faucons auftauchte, ebenfalls nur grau. Er wollte etwas Sagen, doch seine Zunge lag als unbeweglicher schleimiger Fleischklumpen im Mund, aus dem alle Zähne verschwunden waren. Er bekam keinen klaren Laut heraus. Es fiel ihm ein, daß er würde schreien müssen, wenn er etwas wichtiges mitteilen müßte. Hilflos, sprachlos, fast keinen klaren Blick auf seine Umwelt, lag Julius da, der sich vom Infanticorpore-Fluch in den Körper eines Neugeborenen zurückversetzen ließ, um nur mal zu sehen, wie das sich anfühlte.

Was den Augen abging, war dafür aber den Ohren zugegeben worden. Denn als die Lehrerin ihn mit dem Tuch zudeckte, sodaß er nicht ganz nackt daliegen mußte, dröhnte ihre Stimme wie Donnerhall in einer Kathedrale in seinen Trommelfellen.

"Wenn Sie sich erschreckt haben, Mesdemoiselles und Monsieur Dimanche, so war das meine volle Absicht."

"Julius!" Schrillten Claires und Virginies Stimmen in seinen Ohren. Er stieß einen kurzen Schrei aus, obwohl er sich geschworen hatte, nicht zu schreien, um zu zeigen, daß nur der Körper betroffen war, aber nicht der Verstand.

"So, wie Julius nun vor uns liegt, hat seine Mutter und möglicherweise ein Geburtshelfer ihn zum allerersten Mal zu sehen bekommen", fuhr Madame Faucon fort. "Die Rückverwandlung in einen hilflosen Neugeborenen mittels eines Fluches heißt Infanticorpore und wurde bei der Erforschung von Verjüngungszaubern vor zweitausend Jahren erstmalig entdeckt. Wer auch immer den Versuch zuerst gemacht hat, ist daran gestorben, weil er sich selbst damit bezaubert hat. Die Unterlagen über die Experimente und alten Wörter von Körper und Zeitfluß sind jedoch erhalten geblieben. So wurde Infanticorpore im Verlauf der Jahrtausende weiterentwickelt, aber bald schon in die Gefilde schwarzer Magie eingeordnet, da er dem, den er trifft, ursprünglich nichts gutes bedeutet. Monsieur Andrews wußte, worauf er sich einließ. Sie brauchen also nicht so vorwurfsvoll dreinzuschauen, Mademoiselle Claire Dusoleil!

Ich kann ihn wieder in seine Ausgangsgestalt zurückversetzen. Jedoch geht dies nicht mit Verwandlungszaubern. Wer kann mir sagen, wieso nicht?"

"Flüche folgen anderen Gesetzen als direkte Materieumwandlungen, Madame", hörte Julius überlaut Dorians Stimme. Er dachte jedoch, daß der Beauxbatons-Schüler fast flüsterte, wohl aus Angst und Erschüttertheit.

"Ich fürchte, außer Monsieur Andrews, dessen Ohren auf Grund der Körperverkleinerung empfindlicher wurden, hat Sie niemand verstanden, Monsieur Dimanche", dröhnte Madame Faucons Stimme. Dorian wiederholte lauter die Antwort, die er gerade gegeben hatte. Er bekam Zustimmung.

Julius konnte weder Kopf noch Augen so bewegen, daß er die Schüler gezielt ansehen konnte. Ihm wurde klar, daß Henry Hardbrick genau das alles durchgemacht hatte.

"Wie kann dieser Fluch umgekehrt werden?" Wandte sich die Lehrerin an die restlichen Schüler.

Seraphine mußte sich wohl gemeldet haben, denn ihr wurde das Wort erteilt.

"Infanticorpore kann nur durch Den Regerio-Zauber aufgehoben werden. Hierzu muß ein Elixier aus Alraunensaft, Quellwasser, Einhornhorn und Eidechsenschwanz eine Stunde lang gekocht werden. Danach müssen vom bezauberten Opfer so viele Tropfen Blut wie es Jahre alt ist, so viele Haarstücke, wie es Tage alt ist, so viele Stücke Finger- oder Fußnägel, wie es Stunden alt ist und so viele Tropfen Speichel, wie es Minuten alt war, als der Zauber es traf gegeben werden. Danach muß die Regerio-Formel über das Elixier gesprochen und das Elixier über den Körper des Bezauberten gegossen werden. Geht man auch nur bei der Minuteneinteilung fehl, verpufft das Elixier wirkungslos, und der Zauber kann erst einen Tag später erfolgversprechend wiederholt werden. Geht auch dieser Versuch fehl, muß ein ganzer Monat verstreichen, bis ein Versuch erfolgreich durchgeführt werden kann. Danach kann das Opfer nie wieder in den Stand zurückverwandelt werden, den es vor der Bezauberung hatte, sondern muß ihn auf natürliche Weise wieder erreichen. Demütigend ist nur, daß der Verstand und das Gedächtnis dabei unversehrt bleibt, sodaß ein erwachsener Mensch in einem Neugeborenenkörper gefangen bleibt und womöglich wie ein Kind neu aufwachsen muß."

"Man, Seraphine! Kannst du nur runterrattern, was Bücher hergeben?" Fuhr Caro laut dazwischen. Julius schüttelte der Schmerz in den Ohren.

"Mademoiselle Renardbeherrschen Sie sich gefälligst!" Fauchte Madame Faucon. Dann sah Julius, wie sie in den Nebenraum ging und hörte ihre Schritte. Der verwandelte Hogwarts-Schüler versuchte erneut, etwas zu sagen. Doch nur kehlige Laute kamen aus seinem Mund.

"Bleib sitzen, Claire!" Hörte er Jeanne ihre Schwester anherrschen. "Madame Faucon hat das Elixier bestimmt schon fertig. Sie muß nur die Zutaten von Julius haben, um den Zauber umzudrehen."

"Wie konnte er das nur machen?" Brachte Claire weinerlich heraus. Julius ahnte, daß Claire wirklich Tränen in den Augen hatte. Caro meinte nur:

"Auf jeden Fall ein gelungener Weg, sich davonzustehlen, ohne gleich zu disapparieren, nicht wahr, Claire?"

"Caro!" Fauchte Jeanne.

Madame Faucon kehrte wohl zurück, zumindest den Schritten nach und weil es plötzlich wieder totenstill wurde. Alle hielten den Atem an, bis Madame Faucon zu Julius herantrat. Mit ihrem Zauberstab trennte sie Julius die wenigen Haare ab, die den großen Babykopf bedeckten. Dann nahm sie Julius rechte Hand und ließ von Zauberhand die für Madame Faucon winzigen Fingernägel glatt abbrechen. Wohin die Körperbruchteile kamen, wußte Julius nicht. Er hörte nur, wie eine kochende Flüssigkeit immer lauter zischte und brodelte. Dann kam ein großer Schöpflöffel auf ihn zu, zumindest so groß, daß er locker in den Mund des verwandelten Jungen paßte. Julius ließ sich gefallen, wie Madame Faucon mit dem Schöpfer in seinem Mund herumfuhrwerkte. Er wußte ja, was das sollte und half, indem er kräftig die Zunge bewegte, sodaß viel Speichel entstand. Als Madame Faucon den Löffel wieder fortzog, atmete der Hogwarts-Schüler auf. Nun fehlte nur noch etwas Blut.

Er hörte, wie etwas tropfenweise in das brodelnde Gebräu gefüllt wurde. Immer noch zischte und brodelte das Zeug. Dann stach Madame Faucon mit einer Nadel in Julius linken Fuß. Reflexartig schnellte das Füßchen zurück, doch nicht weit genug, um nicht eingefangen und festgehalten zu werden. Julius spürte es fast nicht, wie der Fuß angehoben und über irgendein Gefäß gehalten wurde. Doch irgendwann mußte es wohl gereicht haben, und man ließ ihn unter dem Tuch liegen.

Wieder zischte es im Gebräu. Dann sagte Madame Faucon:

"Wenn ich alle Angaben zum genauen Geburtstermin richtig erhalten habe, wird dieses Elixier wirken. Ich spreche nun die Gegenformel, die es mit der Kraft auflädt, um zu wirken."

Julius hörte nur eine Anreihung fremder Laute in einer Sprache, die er nicht kannte. Dann blubberte etwas, um dann kein Geräusch mehr zu machen. Er hörte etwas am Boden schaben und sah, wie sich im grauen Nebel eine dunkle Wand vor seinen Liegetisch schob. Dann wurde das Tuch zurückgeschlagen, und sein Babykörper wieder völlig entblößt.

"Ich denke nicht, daß es dir weh tut", hörte er Madame Faucon flüstern, aber mit der Lautstärke einer Dampfmaschine, wie er meinte. Dann fühlte er etwas flüssiges auf seine Brust rinnen, prickeln und einziehen. Das Zeug ergoß sich über ihn und prickelte. Dann empfand er etwas, wie eine Explosion eisigen Wassers in seinem Körper. Unvermittelt zerflossen alle gerade sichtbaren Bilder, die Geräusche wurden dumpfer. Der Hogwarts-Schüler fühlte, wie er immer leichter wurde, wie sein Körper wohl nicht mehr vorhanden war. Wieder wirbelten Farben und Formen vor seinen Augen herum. Doch diesmal dauerte das ganze mehr als eine halbe Minute. Dann klatschte er mit dem Rücken auf die weichen Tischtücher und Kissen, während seine Füße vom Tisch baumelten. Er konnte wieder scharf und in Farbe sehen und erkannte den Wandschirm, der nun zwischen dem Tisch und den restlichen Schülern stand. Madame Faucon sah ihm lächelnd in die Augen und reichte ihm seine Unterwäsche.

"In Frankreich heißt es, daß wer sich vor Angehörign der Zaubererwelt entblößt, die über fünf und noch oder wieder unverheiratet sind, muß eine Hexe beziehungsweise einen Zauberer aus der Menge freien, der ihn oder sie unverhüllt sah. Also ziehen Sie sich schnell an, Monsieur."

"Soll ich jetzt mal den Urschrei loslassen, mit dem ich meine Mutter begrüßt habe, nachdem sie mich zur Welt brachte?" Flüsterte Julius, während er schnell in die Unterkleider und dann in die Oberbekleidung stieg.

"Ich bin auch froh, daß wir beide dieses Experiment so erfolgreich vollendet haben, Julius", sagte die Lehrerin und lächelte ihn großmütterlich an. Julius wußte, daß dieses Lächeln von Leuten seines Alters hart verdient werden mußte. Als er endlich wieder angezogen war, öffnete er den Mund, in dem wieder alle Zähne und eine frei bewegliche Zunge saßen, drehte sich zum Wandschirm und zog ihn bei Seite. Dann rief er überlaut aber glücklich:

"Monsieur und Mädels, ich bin wieder daaaaaaaaaaaa!!!!!!"

Er sah nur erleichterte Gesichter. Claire hantierte mit einem weißen Reinigungstuch und wischte sich die glänzenden augen trocken. Caro saß in Siegerpose da, Dorian stand neben seinem Stuhl, Virginie und Jeanne strahlten ihn an. Seraphine war die einzige, die so auf dem Stuhl saß, wie sie vor dem Versuch gesessen hatte. Doch auch sie strahlte über das ganze Gesicht. Dann gebot Madame Faucon, Julius möge sich wieder an den Tisch setzen.

Die nächsten Minuten mußte der Hogwarts-Schüler erzählen, wie er sich gefühlt hatte. Als er erwähnte, daß er nur wie durch grauen Nebel gesehen hatte, fragte Virginie:

"Wieso grauer Nebel?"

"Das weiß ich auch nicht. Aber nach der Geburt können Babys wochenlang keine Farben sehen und nur verschwommene Umrisse wahrnehmen, habe ich in einem Film über Säuglingspflege gesehen. Das stimmt tatsächlich. Das können Wissenschaftler bei den Muggeln nicht eindeutig beweisen nur durch Ausprobieren rauskriegen."

"Ein Ungeborenes hat noch nicht alle Sinne voll entwickelt", ergänzte Jeanne. "Madame Matine hat Maman und mir das erklärt, als Denise unterwegs war. War höchst interessant."

"Was haben Sie von der Umwandlung selbst verspürt, Monsieur Andrews?" Wollte Madame Faucon wissen.

"Nichts. Ich dachte, aus dem Körper herausgelöst zu sein und dann im fertigen Körper wieder eingeschlossen zu sein, sowohl hin als auch zurück", gab der Gast der Dusoleils Auskunft.

"Infanticorpore ist einer der vier Flüche, die zwar wegen ihrer Umkehrbarkeit nicht unverzeihlich aber verächtlich sind", hob die Lehrerin zu einer Erklärung an. "Die anderen Flüche, die ebenfalls nur durch komplizierte Gegenzauber umgekehrt werden können, sind der Progerius-Fluch, der das Gegenteil des Infanticorpore-Fluchs bedeutet und einen Menschen um bis zu sechzig Jahre altern läßt, der Noctifortissimus-Fluch, der einen Menschen wie einen Vampir total gegen helleres Licht und Sonnenstrahlen empfindlich macht, sodaß er nur nachts herumlaufen kann und bei Tagesanbruch in tiefen Schlaf fällt, um zum üblen Schluß der Contrarigenus-Fluch, der das Geschlecht eines Lebewesens verändert, sodaß aus einem Mann eine Frau, aus einem Mädchen ein Junge wird, mit den Folgen, daß nicht nur Gestalt, sondern Gedächtnis sich langsam umwandeln, bis die betroffene Person nichts mehr davon weiß, daß sie jemals ein anderes Geschlecht besaß. Allerdings ist dieser Fluch etwas schwerer zu wirken als die anderen drei. Außerdem braucht man dazu bestimmte Körperfragmente des Opfers. Aber wir sind hier nicht in Durmstrang, wo es zum fragwürdig guten Ton gehört, die Flüche der höheren Stufen zu lernen, sondern wir haben hier Beauxbatons- und Hogwarts-Schüler, deren Schulmoral eine andere ist. Deshalb werde ich Ihnen kurz erläutern, wie Sie sich gegen jeden dieser vier Flüche absichern können. ..."

Alle schrieben auf, was die Lehrerin vorsprach. Als jeder anderthalb Pergamentseiten vollgeschrieben hatte, verkündete Madame Faucon die 10-Minuten-Pause.

Anschließend wurde noch mal zusammengefaßt, und die älteren Schüler führten die ihnen bekannten Körperveränderungsflüche durch. Dann war der Unterrichtstag vorbei. Madame Faucon verzichtete auf Hausaufgaben für's Wochenende. Sie verabschiedete ihre Ferienschüler mit den Worten:

"Ich möchte mich bei Ihnen allen recht herzlich bedanken, daß Sie Ihre wertvolle Ferienzeit nutzen, um mir Gehör und Aufmerksamkeit zu schenken. Nun mag es den einen oder die andere unter Ihnen geben, der oder die sich fragt, ob es nicht besser sei, die Freizeit für wichtigere Sachen zu nutzen. Da kann ich Ihnen nicht empfehlen, was für Sie besser ist. Ich kann nur sagen, daß Sie dadurch, daß Sie sich auf die Angriffe fremder Dunkelmagier vorbereiten, einen wesentlich besseren Schutz für sich und Ihre Familienangehörigen haben werden. Denn anders als bei den Muggeln, muß ein schwarzer Magier nicht darauf warten, daß sein Opfer um Hilfe ruft. Vorbereitung ist alles.

Ich bedanke mich bei Ihnen und wünsche Ihnen ein erholsames und abwechslungsreiches Wochenende."

Höflich verabschiedeten sich die Ferienschüler von ihrer Lehrerin und gingen hinaus. Madame Faucon gab Julius den Beutel mit den Sachen, die Madame Dusoleil ihm für einen Fehlschlag des Versuchs mitgegeben hatte zurück und schloß hinter ihm die Tür.

Auf dem Heimflug sagte Claire kein Wort. Julius fühlte, daß die junge Hexe irgendwie über ihn verstimmt war und wollte nicht haben, daß sie in Hörweite von Caro, Dorian oder Virginie loslegte, womit auch immer. Nachdem Jeanne Dorian in der Dorfmitte abgesetzt hatte und die übrigen Mitschüler sich ins Wochenende verabschiedet hatten, flogen Jeanne, Claire und Julius zum Dusoleil-Anwesen zurück. Als sie gelandet waren, drehte sich Julius zu Claire um. Ihre Augen funkelten wütend. Unvermittelt hob sie die rechte Hand.

Klatsch! Traf eine Ohrfeige Julius an der linken Wange. Dann brach das Mädchen im roten Alltagskleid ihr Schweigen.

"Was bildest du dir eigentlich ein, dich für sowas herzugeben, Julius Andrews?! Macht dir das etwa Spaß, dich verhexen zu lassen?! Was glaubst du, wäre passiert, wenn Madame Faucon nicht die richtige Mischung zusammenbekommen hätte?!"

"Dann hätte sie ihn einen Tag später wieder behandeln können, Claire", mischte sich Jeanne mit lauter Stimme ein. Madame Dusoleil trat aus dem Haus und sah ihre ältere Tochter, die angespannt dastand, ihre mittlere Tochter, die kurz vor einer Explosion zu stehen schien und Julius' verdutztes Gesicht, auf dessen linker Hälfte sich ein leicht geröteter Handabdruck zeigte.

"Warum hast du ihn geschlagen, Claire?" Fragte die Hausherrin mit einer ganz ruhigen, aber nichts desto trotz bedrohlichen Stimme. Claire fuhr herum und sah ihre Mutter an. Diese sah ihrer jüngeren Tochter genau in die Augen, die sich mit Tränen der Wut gefüllt hatten.

"Dieser Irre hat sich von Madame Faucon in ein Baby zurückverwandeln lassen, ohne zu wissen, was er sich damit antat. Ich habe mich noch nie so erschreckt, wie heute", erwiderte Claire. Julius schwieg. In ihm kämpfte der Wunsch, das Mädchen anzubrüllen, was ihr denn einfiel, ihm eine zu langen mit dem Unverständnis über ihre Wut. Dann gewann seine antrainierte Selbstbeherrschung wieder die Oberhand. Er sah Claire genau an und sagte mit fester Stimme:

"Zum einen, Claire: Sei Froh, daß du kein Junge bist, sonst hättest du die Ohrfeige schon zurückbekommen. Zum anderen weiß ich genau, wie und was der Infanticorpore-Fluch ist, wie man ihn umkehrt. Oder glaubst du, das hätte so reibungslos geklappt, mich zurückzuverwandeln? Ich habe ihr meine genauen Geburtsdaten gegeben, auf die Minute genau. Du hast Seraphine doch gehört. Das, was sie erklärt hat, steht alles im Buch über Flüche und Gegenflüche, an dem Madame Faucon mitgeschrieben hat." In Gedanken fügte er noch hinzu, daß Claire ja nicht wußte, worauf er sich schon eingelassen hatte.

"Trotzdem hättest du das nicht tun sollen!" Keifte Claire. Jeanne sah ihre Mutter an, dann Julius. Dann sagte sie ruhig:

"Ich denke nicht, daß Julius dir Rechenschaft schuldet, Schwester. Oder habe ich etwas verpaßt?"

"Duuu!" Fauchte Claire und stürzte auf Jeanne los. Ihre Mutter hob eine Hand und rief: "Na! friedlich!" Das wirkte wie ein Bewegungsbann. Claire verharrte in der Angriffsbewegung, sah nur Jeanne an und drehte sich dann wieder zu Julius um.

"Du hast dir eingebildet, alles ginge sofort richtig, ja? Dann frage ich dich doch, was du gemacht hättest, wenn das Elixier nicht gewirkt hätte?"

Julius nahm den Stoffbeutel, den er zum Unterricht mitgenommen hatte und öffnete ihn. Zum Vorschein kamen eine dünnwandige Holzflasche, die weiß mit bunten Blumen lackiert war und einen Gummisauger trug und acht weiße Stoffwindeln, ein rosa Strampelanzug und eine rote Puderdose.

"Das hätte ich mir geben müssen", sagte Julius ruhig und deutete auf die Sachen in der Stofftüte. "Nur den Anzug hätte Madame Faucon umfärben müssen, weil Rosa die Mädchenfarbe ist." Jeanne lachte herzhaft.

"Die Sachen hätten einen Monat lang vorgehalten, bis der letzte Versuch hätte stattfinden können. Danach hätten wir schon eine Amme gefunden, Julius", sagte Madame Dusoleil mit breitem Grinsen. Claire, der damit jeder Wind aus den Segeln genommen war, stampfte nur einmal mit dem rechten Fuß auf und schlang ihre Arme um Julius. Sie sprach halblaut:

"Tu sowas nie wieder! Hörst du? Nie wieder!"

"In den Ferien nicht mehr", erwiderte der Hogwarts-Schüler. Claire hielt ihn mindestens fünf Sekunden fest. Er fühlte einen Widerstreit in sich, die Verlegenheit über diese Umarmung, aber auch ein noch nie so empfundenes Gefühl von Behagen über diese Geste Claires.

"Schwesterchen, du bist ein seltenes Geschöpf. Erst haust du ihm eine runter, dann umschlingst du ihn, wie einen lange nicht mehr gesehenen Geliebten", kommentierte Jeanne. Julius löste sich so gewaltlos wie es Claire zuließ aus der Umarmung. Die mittlere Dusoleil-Tochter wandte sich ihrer Schwester zu und knurrte:

"Fass dir an die eigene Nase, Jeanne!"

"Da du offenkundig doch nicht mit der Flasche ernährt oder gestillt werden mußt, kannst du nun reinkommen, Julius", sagte Madame Dusoleil. Julius sprang förmlich vor und folgte der Gartenhexe ins Haus, während Jeanne und Claire sich in einer neuen Zankerei unter Schwestern verloren, wo es um die Sachen der einen oder der Anderen ging.

"Das eben war heftiger als der Fluch von Madame Faucon", gestand Julius der Hausherrin ein. Diese nickte ihm verständnisvoll zu. "Claire hat sich ja benommen wie eine Ehefrau, die ihren Mann nach einer Sauferei zu Hause begrüßt. Da frage ich mich doch, ob ich nicht etwas verkehrt gemacht habe, daß sie so drauf ist."

"So, hast du?" Fragte Madame Dusoleil lächelnd, während sie Julius an den Tisch im Esszimmer platzierte.

"Weiß ich ja nicht. Ich frage mich nur, was das eben sollte."

"Du wohnst bei uns. Neben Florymont und mir fühlen sich eben alle, die älter als Denise sind, für dich zuständig. Claire ist in deinem Alter, sie teilt viele Interessen mit dir und ist froh, einen Jungen zu kennen, der nicht so viele Albernheiten anstellt wie die Gleichaltrigen in Beauxbatons. Da kam das natürlich sehr unvorbereitet. Ich gehe nicht davon aus, daß du dir keine Gedanken gemacht hast, was mit dir passiert wäre, wenn die Rückverwandlung nicht geklappt hätte."

"Sicher habe ich mir Gedanken gemacht. Aber ich ging davon aus, daß nach dem ersten Fehlversuch zwei weitere Versuche folgen. Ich weiß nämlich genau, wann ich zur Welt kam. Das war ja wichtig für die Gegenformel."

"Ja, aber wenn sich deine Mutter vertan hat und du eine halbe Minute früher oder später geboren worden wärest, hätte das Elixier nie funktioniert. Roseanne hat mit zwei hungrigen Mäulern genug zu tun. Da hätten nur Catherine, Madame Delamontagne oder ich dich versorgen können, weil wir uns damit auskennen und noch jung genug sind. Blanche hätte dich zwar auch neu aufgezogen, gerade weil du ja nur körperlich ein Kleinkind gewesen wärest, aber mit Beauxbatons hat sie auch genug um die Ohren."

"Na ja, das ist ja nun nicht mehr wichtig", sagte Julius und lief rot an, weil ihm entgegen Madame Dusoleils Vermutung doch erst jetzt so richtig zu Bewußtsein kam, was ihm passiert wäre, wenn keiner der drei Rückverwandlungsversuche gelungen wäre.

"Mädchen, genug jetzt!" Rief Monsieur Dusoleil streng aus seiner Werkstatt heraus. Julius fuhr zusammen, als habe ihm diese väterliche Anweisung gegolten.

"Florymont hat mir vor dem Zubettgehen zugesichert, daß er dich im Falle einer unumkehrbaren Rückversetzung aufgenommen hätte, wenn ich das auch gewollt hätte. Er wird sich wohl gleich anhören wollen, wie es dir ergangen ist. Er hat damals etwas ähnliches ausprobiert, allerdings in Verwandlung."

"Wenn er möchte, kann ich ihm die ganze Sache noch mal erzählen.

Mademoiselle Dusoleil apparierte im Esszimmer, gekleidet in einen weißen Rock und scharlachroter Bluse. Sie sah Julius an und strahlte.

"Blanche hat dich tatsächlich dem Infanticorpore-Fluch unterzogen?" Wollte sie wissen. Julius nickte.

"Deshalb zanken sich die beiden Prinzessinnen wieder. Jeanne wußte es, Claire nicht. Wie konntest du das arme Mädchen auch so erschrecken?"

Julius mußte sich überlegen, ob die Tante der drei Dusoleil-Töchter das jetzt als ernsten Tadel oder im Scherz gefragt hatte.

"Welches Mädchen? Da waren außer Dorian nur Mädchen im Raum", erwiderte der Hogwarts-Schüler schalkhaft grinsend. Mademoiselle Dusoleil lachte. "Muß eine schöne Erfahrung gewesen sein, noch mal wie neugeboren zu sein, wie?"

"Na ja, die Unannehmlichkeiten wie herumgetragen zu werden, an etwas zu saugen oder in etwas hineinzumachen, sowie immer zu hören zu kriegen "Ist der nicht süß!" sind mir ja erspart geblieben."

"Claire macht sich nur Sorgen um den Sommerball, Uranie. Mit einem Säugling im Arm würde sie wohl kaum die goldenen Tanzschuhe gewinnen", setzte die Hausherrin einen drauf.

"Außerdem hätte Blanche dich niemals mit etwas belegt, ohne sicherzustellen, daß du danach noch Schach spielen kannst", fügte Mademoiselle Dusoleil hinzu.

"Die einzige, die was davon gehabt hätte, wenn ich klein und hilflos geblieben wäre, ist Madame Dusoleil", wagte Julius eine Frechheit. Die Hausherrin besaß jedoch den Humor, den er bei ihr kennengelernt hatte und lachte.

"Stimmt. Es hätte mir gut gestanden, einen Wonneproppen mit durch die grüne Gasse zu tragen, nach dem Stall voller Mädchen." Darüber lachten nun Mademoiselle Dusoleil und der Gast aus England.

Monsieur Dusoleil scheuchte die beiden streitbaren Schwestern ins Esszimmer. Er sah ernst auf Jeanne und Claire. Dann lächelte er den Hausgast an und fragte:

"Na, wie war's, junger Mann?"

"Zum schreien, Monsieur Dusoleil", gab Julius frech grinsend zurück. Der Hausherr lachte und setzte sich auf seinen Platz vor Kopf des Tisches. Claire warf sich mit Schwung neben Julius auf den Stuhl und legte ihm kurz die Hand auf den rechten Arm.

"Du wolltest dich nur vor unserem Tanz drücken, Julius. Aber ich hätte auch mit dir auf den Armen getanzt, glaube es mir."

Nach dem Essen ging der Hogwarts-Schüler mit Monsieur Dusoleil in dessen Werkstatt, wo er ihm alles haarklein erzählte, was er während der Vorführung empfunden hatte. Monsieur Dusoleil verriet Julius danach, daß er sich auch schon für ein Verwandlungsexperiment hergegeben hatte.

"Um uns zu zeigen, wie schwer es ist, Menschen in Tiere zu verwandeln, habe ich mich von Professeur Faucon in einen Hund und wieder zurückverwandeln lassen. War auch eine interessante Erfahrung, vor allem während der Umwandlung selbst."

"Das ist ja das, was mich an der Zauberei so fasziniert, Monsieur. Man kann Dinge anstellen, die sich Nichtmagier nur im Traum oder in Zukunftstgeschichten vorstellen können", sagte Julius.

"Blanche hat uns vor dem neuen Schuljahr zugesichert, daß du es weit bringen kannst, wenn du diese Neugier konstruktiv umsetzt. Wahrscheinlich sind deine Eltern schuld, daß du ein Forschertalent bist."

"Mein Vater würde nicht mehr schlafen können, wenn er wüßte, was ich hier schon angestellt habe."

"Dich von einem Mädchen in die Arme nehmen lassen, zum Beispiel?" Fragte Monsieur Dusoleil.

"Häh? Woher ..."

"Junge, als ihr ankamt, habe ich meine Durchsichtbrille aufgesetzt und nach draußen gespäht, ob mit dir alles in Ordnung ist. Da habe ich Claire und dich gesehen. Camille hat mir auch mal eine runtergehauen, aber links und rechts, weil ich mit Zauberei experimentiert und mich dabei auf Fingerlänge eingeschrumpft habe."

"Ja gut, aber sie ist Ihre Frau und liebt Sie", wandte Julius ein. Monsieur Dusoleil grinste ihn so breit an, wie ein Schuljunge, der einen gelungenen Streich gespielt hat und antwortete:

"Sie war in der zweiten, ich in der dritten Klasse von Beauxbatons. Da konnten wir noch nicht heiraten."

"Wielange kannten Sie sie denn da schon? Ich meine, wielange waren Sie da schon mit ihr befreundet?"

"Kennen tat ich sie halt seit ihrer Einschulung, da wir beide im grünen Saal wohnten. Aber da ja dort Jungen und Mädchen nicht beliebig am Tisch sitzen, wie du ja mitbekommen hast, hat es schon ein Jahr gedauert, bis wir uns befreundeten. Daß daraus mehr wurde, dauerte noch mal so ein Jahr. Also wundere dich nicht, wenn sich ein Mädchen, sei es in Hogwarts oder Beauxbatons, so früh festlegen möchte."

Julius erinnerte sich an ein Gespräch, daß er im letzten Sommer mitbekommen hatte, als er mit Mademoiselle Dusoleil und ihrem Bruder sprach. Er fragte:

"War es also nicht so, daß Sie beide sich erst vor Ihrer Apparationsprüfung kennengelernt haben?"

"Wir wurden offiziell bekanntgemacht, das heißt, für die Verwandten wurden wir miteinander bekanntgemacht. Das heißt nicht, daß wir uns vorher nicht gut verstanden. Da Camille in einer anderen Stadt wohnte, konnten meine Eltern sie ja erst sehen, als ihre Eltern ihr erlaubten, mich zu besuchen. Das ist damit gemeint", erwiderte Monsieur Dusoleil.

"Mein Paps sagte was, daß die erste, ähm, Liebe, nicht vorhält und man sich später was anderes sucht, um zu heiraten."

"Ich weiß nicht, was dein Vater dir von seiner Jugendzeit erzählt hat, aber das stimmt nicht immer. Es ist mal nachgefragt worden, wer mit der Jugendfreundin oder dem Jugendfreund zusammenlebt oder danach wen anderen geheiratet hat. Sechs von zehn befragten Männern haben angegeben, immer noch mit ihrer Jugendfreundin zusammenzusein. Von den Frauen waren es gar sieben von zehn befragten, die angegeben haben, daß sie damals schon wußten, daß sie mit ihrem Freund auch weiterleben und eine Familie haben wollten. Das bringt zum Teil das Internatsleben mit sich, weil dort die Schüler nicht nur zusammen in der Klasse sitzen, sondern auch wohnen. Deshalb war Beauxbatons ja früher eine in Geschlechter aufgeteilte Schule."

"Mein Vater war in Eton. Da sollte ich ja ursprünglich auch hin", erzählte Julius nun seinerseits. "Er hat mir sonst nichts erzählt. Er hat meine Mutter nach dem Studium kennengelernt, weil sie in einem Computerkurs zusammensaßen."

"Wie dem auch war, in der Zaubererwelt kennen sich halt viele von der Schulzeit her. Die, die sich schon damals nicht mochten, mögen sich immer noch nicht. Die, die sich damals gut verstanden, kommen immer noch gut miteinander klar. Tja, und dann gibt's noch die, die sich dort verliebt haben."

"Ja, das sind dann die 6 von zehn Männer und sieben von zehn Frauen, die in der Statistik aufkamen. Die haben aber keine Ehepaare befragt, sondern unterschiedliche Leute, denke ich", griff Julius das Ergebnis auf, von dem Monsieur Dusoleil gerade gesprochen hatte.

"Richtig. Sonst hätten ja die Ergebnisse in beiden Fällen gleich sein müssen", bestätigte der Hausherr grinsend.

"Mum, die mit 'ner Menge Statistiken und Befragungen und Erhebungen zu tun hat, hat Statistik als Bildhauerkunst der Mathematiker bezeichnet. Ein grober Klotz unverständlicher Zahlenmengen wird solange behauen, bis etwas nachvollziehbares zu erkennen ist oder solange geschliffen, gefeilt und gemeißelt, bis das zu sehen ist, was man haben will."

"Da mag was dran sein. Diese Befragung wurde nämlich von der Sorcières du Mond, einer Illustrierten für Hexen von elf bis einhundertelf veröffentlicht."

"Ach du meine Güte! Sowas haben die hier auch? In der Muggelwelt werden Frauen hunderte von solchen Zeitschriften nachgeworfen, in denen fast dasselbe steht, wie Kochrezepte, Diättipps oder Modeneuheiten. Ähnlich ist auch das bei den englischen Zauberern."

"Auf jeden Fall ist Claire dir wieder hold, habe ich auch gesehen. Davon hatten wir's ja gerade, nicht wahr? Das Bild, was sie dir gemalt hat, habe ich ja noch gar nicht gesehen."

"Das kann ich mal eben holen", erbot sich Julius. Monsieur Dusoleil nickte. Der Hogwarts-Schüler nickte auch und lief ins Wohnhaus zurück, wo er Claires gemalten Jahreskalender von der Wand nahm und zusammenrollte. Als er damit aus dem Haus kam, landete gerade Madame Delamontagne vor dem Haus. Julius machte, daß er schnell in die Werkstatt kam, bevor sie ihn ansprechen konnte. Monsieur Dusoleil winkte Julius zu sich, als die Tür aufging.

"Eleonore ist wieder da. Komm schnell rein, bevor sie uns beide wegen Schach ansprechen kann. Im Moment ist mir nämlich nicht danach, zu spielen."

Der Hausherr betrachtete den gemalten Wandkalender und drehte ihn mehrmals um. Dann prüfte er ihn mit mehreren magischen Sichtgeräten und staunte.

"Ich weiß nicht, von wem sie dieses Talent hat. Kann nur eine Nebenwirkung von Camille und mir sein, was diese Verquickung von Kunst und strukturierter Magie angeht. Fühl dich geehrt, Julius!"

"Das ist ja das Problem. Ich weiß immer noch nicht, womit ich das verdient habe. Aber meine Rache ist genauso heftig", erwiderte der Hogwarts-Schüler.

"So? Hast du dir schon was für ihren Geburtstag überlegt?"

"Nur wenn ich von ihr eingeladen werde", erwiderte der Gast der Dusoleils. Dann rollte er das Bild wieder zusammen und brachte es ins Wohnhaus zurück, nachdem er Monsieur Dusoleil versprochen hatte, Madame Delamontagne auszurichten, daß er zu beschäftigt sei.

Madame Delamontagne war nicht des Schachspiels wegen gekommen. Sie wollte auch von Julius hören, wie ihm der Infanticorpore-Fluch bekommen war. Julius erzählte alles noch mal, was er am Morgen seinen Mitschülern und am Nachmittag Monsieur Dusoleil erzählt hatte. Die füllige Hexe mit dem strohblonden Zopf, die in einem königsblauen Seidenkleid gewandet war, nickte und sagte nur:

"Virginie hat nur gemeint, daß du entweder sehr großes Vertrauen in Madame Faucons Künste hast oder schlicht nicht weißt, wo die Grenze zwischen gesunder Neugier und selbstmörderischem Wahnsinn läge. Ich ging jedoch vom ersten Fall aus."

"Die Damen des Hauses haben mich schon gefragt, was ich getan hätte, wenn Madame Faucon und ich uns geirrt hätten und ich körperlich noch mal auf Anfang gedreht geblieben wäre."

"Dann hätte Madame Matine als zuständige Fachkraft befinden müssen, ob dein Gedächtnis gelöscht werden müßte oder du mit deinem bis jetzt entwickelten Verstand die Säuglingsphase unbeschadet überstanden hättest. Dann hätte sie dich einer Amme anempfohlen, vielleicht ihrer Nichte, die vor zwei Monaten ein Kind bekommen hat oder Madame Lumière oder einer anderen jungen Mutter außerhalb von Millemerveilles. So einfach ist das."

"Das ist ja dann doch nicht nötig", antwortete der Gast der Dusoleils aufatmend. Offenbar hatte er längst nicht alle Folgen eines Fehlschlages bedacht.

"Ach das wäre nicht der erste Fall gewesen, wo eine Hexe einen Zauberer durch Infanticorpore-Fluch zum Neugeborenen zurückentwickelt hätte. In Avignon wurde vor siebzig Jahren solch ein Fall dokumentiert. Dem Betroffenen konnte nicht geholfen werden, weil seine Geburtstagsangaben nicht beigebracht werden konnten. So wuchs er körperlich neu auf, ging mit elf körperlichen Jahren wieder nach Beauxbatons und lernte dort zwei Jahre, bevor er auf obersten Beschluß die höchste Abschlußprüfung absolvierte. Der hat entscheidende Tipps für Säuglingspflege und -entwicklung niedergeschrieben, von denen Heilkundler heute gut profitieren", erläuterte Madame Delamontagne. Dann sah sie das zusammengerollte Bild und ließ es sich vorführen. Sie staunte und strahlte dann über das ganze Gesicht. Madame Dusoleil, die ebenfalls im Garten war, strahlte auch, als die Dorfrätin für Gesellschaftsangelegenheiten sagte: "Deine zweite Tochter ist eine noch größere Künstlerin als Jeanne, Camille. Weißt du, womit du dir diese Ehrung verdient hast, Julius?"

Der Gefragte runzelte die Stirn und antwortete: "Das war wohl für den schönen Sommerball letztes Jahr. Sie hat mir geschrieben, daß sie drei Monate daran gearbeitet hat. So sieht es auch aus, sehr umfangreich, an die Tages- und Jahreszeit angebunden und einfach nur schön."

"Das hast du nett gesagt, Julius", kam Claires Stimme hinter Julius' Rücken zurück. Dann legte das fast dreizehnjährige Mädchen ihren rechten Arm auf Julius rechte Schulter. Irgendwie kam es dem Hogwarts-Schüler vor, als zeige sie dadurch ihren Besitzanspruch an ihm an. Aber das war wohl eher Einbildung.

"Hallo, Claire. Madame Delamontagne hat sich dein Bild angesehen", sagte Julius, um die Verlegenheit in sich niederzuringen.

"Ja, ich weiß. Papa wollte es ja auch sehen. Nett, daß du es mitgenommen hast. In Hogwarts würde niemand darauf achten", sagte die mittlere Tochter der Dusoleil-Familie.

"Ich hänge es wieder ins Gästezimmer", sagte der Hogwarts-Schüler und nutzte diesen Vorwand, Claires Arm von seiner Schulter zu streifen. Er stand auf und ging mit dem Bild ins Haus, wo er es wieder dorthin hängte, wo er es hergeholt hatte. Claire folgte ihm bis ins Zimmer. Als er das Bild ordentlich angebracht hatte, wollte Julius das Zimmer wieder verlassen.

"Hättest du nicht mir zumindest sagen können, daß du dieses Experiment machen wolltest? Du hast mich wirklich erschreckt", kam das Mädchen noch mal auf den Vorgang am Morgen zu sprechen. Julius errötete, weil er nicht wußte, wie ihm geschah, aber es irgendwie peinlich fand.

"Das wollte ich nicht", brachte er schließlich heraus. "Ich wollte nur nicht, daß sich vorher schon alle das Maul drüber zerreißen. Nicht, daß ich denke, daß du alles rumerzählst, was dir wer mitteilt. Aber wenn ich es dir hätte erzählen sollen, hätte ich es auch den anderen erzählen müssen, der Fairness halber."

"Dann hätte Maman dich halt nehmen müssen, wenn es nicht geklappt hätte. Oder Madame Faucon hätte dich mit nach Beauxbatons mitnehmen können", sagte Claire und kam näher an Julius heran. Dieser fand, daß es nun Zeit sei, wieder hinauszugehen und versuchte, so unauffällig wie möglich an der zweitältesten Tochter seiner Gasteltern vorbeizuschlüpfen. Diese tätschelte ihm dabei kurz über die linke Wange und fragte:

"Hat es dir sehr wehgetan?"

"Nicht so heftig, wie der Gedanke, womit ich die verdient habe", erwiderte Julius schnell und verließ mit Claire das Waldlandschaftszimmer.

Im Garten vertrieben sich die weiblichen Mitglieder der Dusoleils, Madame Delamontagne und der Gast aus England die Zeit mit einfacher Unterhaltung. Julius erzählte Sachen aus der Muggelwelt, über die er im letzten Sommer nichts gesagt hatte und führte aus, wie die Fernverständigung ablief.

"Was lernen Muggelkinder in der ersten Schule, die sie besuchen?" Wollte die Dorfrätin noch mal wissen und holte aus einer kleinen Handtasche Pergament, Tinte und eine Adlerfeder, womit für den Hogwarts-Schüler klar war, daß es ihr wichtig war. So Faßte er alles zusammen, was er selbst gelernt hatte und was aus dem Fernsehen und Radio noch zu lernen war. Er hatte gerade berichtet, was Politiker im Fernsehen so sagten, als aus dem Nichts heraus Madame Matine in einer weißen Tracht apparierte. Sie begrüßte die Dusoleils und Madame Delamontagne, dann wandte sie sich an Julius.

"Dorians Mutter, die meine Nichte ist, hat erzählt, was Madame Faucon heute mit dir angestellt hat. Wie war es?"

"Nicht die auch noch", dachte Julius. Aber dann erkannte er, daß diese Hexe ein Recht hatte, alles zu wissen, was er erlebt hatte, weil das ja ihr Beruf war, mit Babys umzugehen. Aber er räumte sofort ein:

"Ich war nur wenige Minuten dem Fluch unterworfen. Da kann ich Ihnen kein Tagebuch eines Säuglings liefern."

"Du bist einer der wenigen, die das freiwillig über sich ergehen ließen, sehenden Auges. Deshalb verdient das meine Anerkennung", sagte die Heilhexe. Dann holte sie einen Brief aus der mitgeführten Instrumententasche und sagte:

"Camille, deine australische Bundesschwester hat mich persönlich angeschrieben, weil sie glaubt, der junge Mann hier interessiere sich für Heilkunde der Zaubererwelt. Stimmt das?" Wandte sich die Heilerin an Madame Dusoleil. Diese sah Julius an. Dieser erwiderte:

"Nun, ich will nicht behaupten, daß ich irgendwann mal Arzt oder Medimagier werden möchte. Aber Mademoiselle Dawn hat mir Bücher von sich geschenkt, die sehr interessant sind. Wenn ich denke, daß ich neben Kräuterkunde auch wissen will, wie die Zaubersachen als Heilmittel verwendet werden, interessiere ich mich schon für Heilkunst. Sind Sie deshalb appariert?"

"Genau. Ich schätze Mademoiselle Dawn trotz ihrer Jugend und der damit verbundenen Unerfahrenheit als sehr kompetent ein und schreibe ihr eine gute Urteilskraft zu, wenn es um Hexen und Zauberer geht, die ihre Interessen teilen. Daher biete ich dir an, einen Ersthelferkurs bei mir zu belegen, wenn du das möchtest. Jeanne hat das vor drei Jahren auch gemacht. Wenn du möchtest, Claire, gilt dieses Angebot auch für dich."

"Hmm, interessieren tut es mich schon. Aber ich habe unter der Woche schon den Ferienkurs bei Madame Faucon", sagte Julius, der nicht wußte, wie er das finden sollte, daß ihm von jedem, der hier lebte und ihn kannte, das seine lernen sollte, wenn er wollte.

"Du willst das doch", redete Claire auf ihn ein. "Jeanne hat geschrieben, daß du eurer Schulkrankenschwester die Rezepte ihrer Heiltränke vorsingen konntest. Also ist das doch für dich wichtig."

"Ich muß ja auch Hausaufgaben für Hogwarts machen. Dann haben deine große Schwester und ihre Freundin Barbara mich zum Quidditch spielen verpflichtet. Dann muß ich wohl auf das Schachturnier oder den Sommerball verzichten."

"Was dir nicht gestattet ist", mischte sich Madame Delamontagne ein. Julius grinste in sich hinein. Er hatte die Dorfrätin wieder geärgert.

"Also Interesse wäre da, Zeit nicht. Das muß ich dann hinnehmen. Macht nichts", sagte Madame Matine. Julius fühlte sich irgendwie unwohl, die Heilkundige so zurückgewiesen zu haben. Deshalb sagte er:

"Ich kann mir einen Nachmittag die Woche freihalten, denke ich. Falls Sie mich tatsächlich unterweisen wollen, nehme ich das Angebot an. Was muß ich sonst noch dafür tun, außer mir Zeit freizuhalten?" Julius hätte fast gefragt, was die Heilerin dafür haben wollte. Doch Madame Dusoleils heftiger Widerspruch, ihr den Ferienaufenthalt zu bezahlen, klang ihm noch deutlich im Ohr.

"Gut aufpassen, folgsam sein, zuverlässig sein. Ich weiß nicht, wie wertvoll solche Tugenden in Hogwarts sind."

"Dafür kriegen wir in Hogwarts Punkte für das Haus, wo wir wohnen, wenn wir das einhalten, was Sie mir gesagt haben", erwiderte der Feriengast der Dusoleils. Dann wandte er sich an Claire.

"Möchtest du das auch mitmachen, Claire?"

"Nein, so interessieren tut es mich nicht. Maman zeigt mir schon genug Heilpflanzen und erklärt, wofür sie gut sind", erwiderte die Befragte.

"Gut! Dann hole ich dich am nächsten Dienstag am Nachmittag ab. Wir klären dann erst einmal, was du alles weißt und gehen dann zu einfachen Hilfsmaßnahmen über. Ich denke, dir an sechs Nachmittagen alles wesentliche beibringen zu können, damit du zumindest das Ersthelferzertifikat bekommst. Das wird in der gesamten Zaubererwelt anerkannt."

"Dann mußt du nur darauf gefaßt sein, daß Madame Pomfrey dich genauso zu kleineren Diensten heranzieht, wie mich", wandte Jeanne ein.

"Sie muß das ja nicht wissen", erwiderte Julius mit verschmitztem Grinsen. Doch Madame Matine trieb ihm das aus.

"In jeder guten Zaubererschule wird jedes Jahr ein Register erweitert, wer im Besitz dieses Zertifikates ist, um kleinere Sanitätsaufgaben verteilen zu können. Außerdem steht in diesem Brief hier auch, daß deine Schulkrankenschwester geäußert hat, von deinem Interesse zu wissen und anregt, dich dahingehend zu unterstützen, es konstruktiv zu entfalten."

"Sowas heißt wohl Trumpf As", dachte Julius. Die Dame hatte ihm verschwiegen, was alles in Aurora Dawns Brief stand.

"Die letzte dokumentierte Hexe meiner Ahnenlinie väterlicherseits war ja auch Heilkundlerin. Aber wie gesagt, denke ich nicht, daß ich das beruflich machen möchte."

"Das ist auch nicht sinn und Zweck des Kurses. Eine ordentliche Heilkundeausbildung dauert vier Jahre. Ähnlich läuft es ja auch bei den Muggeln, um ihr unzulängliches Wissen über Heilkunst zu erwerben", sagte Madame Matine. Julius grinste wieder. Dann verabschiedete sich die Heilerin von den Dusoleils.

"Wenn du nach Hogwarts zurückfährst bist du reif für sechs Wochen Ferien", flachste Claire. Julius gab zurück:

"Ich bin ja noch zwei Wochen in England, wenn die Sommerferien hier um sind. Da kann ich mich gut erholen."

Nach einem wie üblich leckeren und umfangreichen Abendessen führte Mademoiselle Dusoleil Jeanne, Claire und Julius zu ihrer Sternwarte im vierten Stock des Wohnhauses. Julius staunte über die glänzenden Teleskope, sowie die Spiegel, mit denen Sterne so eingefangen werden konnten, daß sie wie auf einem Tisch liegend dargestellt werden konnten. Auch hier stand ein Planetarium, allerdings zehnmal größer, als das in Monsieur Dusoleils Werkstatt. Der Hogwarts-Schüler sah hier auch die große Glaskugel wieder, in der ein frei schwebendes Modell der Galaxis geborgen war, wie er sie in einem Schaufenster in der Winkelgasse gesehen hatte. Alles in allem war dieser Raum optimal für alle astronomischen Bedürfnisse ausgerüstet, fand der Gast aus England.

Fast bis ein Uhr beobachteten die vier Hausbewohner den Sternenhimmel. Julius fand es faszinierend, wie klar und deutlich die Sterne und anderen Galaxien schon ohne Fernrohr zu erkennen waren. Aber das lag ja an der weit ab gelegenen Lage von Millemerveilles, hatte ihm Madame Faucon vor einem Jahr erzählt. Daß die Fernrohre jedoch so bezaubert waren, daß sie das Flimmern der zwischen dem beobachteten Objekt und dem Beobachter liegenden Luft wegfilterten, als stünde er auf einer Plattform im luftleeren All, war für Julius wie Weihnachten. Er holte sich die sichtbare Mondseite so nahe heran, daß er die gerade von der Sonne beschienenen Krater und Berge mit den Händen zu greifen vermeinte. Er nahm jeden Stern des Sommerdreiecks ins Visier und glaubte, auf der weiß leuchtenden Wega eine Flamme eines Sonnensturms ausbrechen zu sehen. Aber das mochte er sich nur einbilden.

Jeden Planeten holte sich der Hogwarts-Schüler ins Blickfeld und staunte, wie deutlich er Merkmale auf den Jupitermonden oder in den Schluchten des Mars erkennen konnte. Dann wanderte ein Ding durch sein Blickfeld, das wie ein großer Zylinder mit angeschraubten großen Paddeln beschaffen war. Das Gebilde spiegelte das Sonnenlicht oberhalb des Erdschattens so grell wider, daß Julius die Augen zukniff.

"Mist, da ist mir gerade jetzt dieser Satellit durch das Fenster gezischt", fluchte er. Mademoiselle Dusoleil prüfte nach, was Julius meinte und sagte:

"Ja, diese Dinger sind lästig. Muggelmaschinen, nicht wahr. Was machen die da oben?"

"Die können die Erde beobachten und vermessen oder Funksignale weiterreichen, wenn jemand in Australien mit wem in Südamerika sprechen möchte. Viele dieser Geräte dienen der militärischen Überwachung, also spionieren Länder aus, ob da Waffen kampfbereit gemacht werden. Die wichtigsten aber sind die, die das Wetter beobachten und eben Gespräche weiterleiten."

"Ich habe eine Karte mit allen von mir zu sehenden Muggelgeräten gezeichnet. Ich muß ja schließlich wissen, wann ich welche Sterne sehen kann und wann nicht", sagte Mademoiselle Dusoleil. Dann führte sie Julius noch einen Planetographen vor, ein magisches Gerät zur Aufzeichnung von Bewegungen auf Planeten. So konnte Julius die Kometenbruchstücke sehen, die vor einem Jahr auf dem Jupiter einschlugen. Er sah die Leuchtspuren der erhitzten Atmosphäre und den Widerschein der bei den Einschlägen freigewordenen Helligkeit auf den Monden.

"So heftig hat die amerikanische Raumfahrtbehörde das nicht mitgenommen", fiel es Julius ein, der Bilder dieses seltenen Naturschauspiels erst in den letzten Osterferien hatte sehen können, wo er zu Hause war.

"Blanche hält viel von festen Schlafzeiten. Ich wußte ja, daß dich das interessiert. Aber ich hätte mich nicht getraut, dich dafür bei ihr abzuholen. Aber die Aufzeichnungen sind ja auch nicht zu verachten, oder?" Wandte sich die Tante Jeannes und Claires an ihren Besucher aus England.

"Absolut nicht", sagte dieser und bedankte sich nach der langen Beobachtungsnacht für dieses höchstinteressante Programm. Die Schwester des Hausherren brachte Julius persönlich in sein Gästezimmer und wünschte ihm flüsternd eine gute Nacht. Claire wollte ihren Hahnenwecker am Samstag nicht krähen lassen, wußte der Hogwarts-Schüler, als er sich nach einem sehr langen und genauso ereignisreichen Tag hinlegte und wie disappariert vom Wach- zum Schlafzustand überging.

Am nächsten Morgen weckte ihn Jeanne Dusoleil um sieben Uhr.

"Heute ist Quidditch angesagt, Julius!" Flötete sie nach dem Klopfen an der Tür. Julius knurrte zwar erst, daß er lieber einen gemütlichen Tag haben wolle, wurde dann aber richtig wach und stand auf.

Nach einem guten Frühstück mit frischen Brötchen, Käse und sechs verschiedenen Marmeladensorten, bereitete der Hogwarts-Schüler sich und seinen Rennbesen für das Übungsspiel vor. Er hörte in seinem Zimmer, wie es an die Haustür klopfte. Zwei Mädchen, die er von der Stimme her nicht so gut kannte, fragten nach Claire. Diese begrüßte die beiden als Sandrine und Béatrice, wechselte einige Worte mit ihnen und verabschidete sich von ihrer Mutter, die in der Küche stand. Julius dachte sich, daß er diesmal alleine zum Quidditchfeld fliegen würde.

Um halb zehn trieb ihn Jeanne an, mit ihr loszufliegen. Madame Dusoleil nahm ihn kurz bei Seite und sagte leise:

"Heute läßt du dich bitte nicht von denen überfordern, ja! Ich möchte ja heute noch mit dir zur grünen Gasse."

"Ja, mach ich", erwiderte Julius folgsam und verließ das gastliche Haus der Dusoleils. Im Geschwindflug jagten Jeanne und er auf den Besen zum Quidditchfeld. Jeanne sagte sofort nach der Landung:

"Du spielst heute in einer Mannschaft, wo Barbara Janine und ich mitspielen. Das war schließlich so ausgemacht." Julius nickte einwilligend.

Als Monsieur Castello, der altgediente Quidditchspieler mit dem graublonden Zopfbart in Begleitung zweier Heilmagier den Platz betrat, konnte das Übungsspiel beginnen. Auf den Zuschauerrängen saßen Brüder, Schwestern, Freunde und Freundinnen der Spieler, aber auch eine Frau, die Seraphines Mutter sein mußte, sowie Roseanne Lumière, die Dorfrätin für Kulturveranstaltungen. Sie trug ein himbeerfarbenes Kleid und hatte die beiden Zwillingstöchter Étée und Lunette in bequemen Tragetüchern über ihren Schultern liegen.

"Und los!" Rief Monsieur Castello, als nach den Klatschern und dem Schnatz der große rote Quaffel freigegeben wurde. Sofort stürzten sich die vierzehn Jungen und Mädchen ins Gefecht. Julius fand schnell eine gute Position, von der aus er Jeanne anspielen konnte. Als diese den Quaffel in Richtung Tor trug, setzte der Hogwarts-Schüler nach und ging auf der Höhe des dritten Jägers, der eigentlich auch in der reinen Jungenmannschaft spielte, in Stellung. Jeanne schaffte es nicht, César auszupunkten, der das gegnerische Tor hütete und mußte sich unter einem Klatscher ducken, der von Nadine Pommerouge geschlagen worden war. Julius sah, wie der zweite schwarze Ball auf ihn zuraste und ihn zu treffen drohte. Der Hogwarts-Schüler warf sich nach hinten und trieb den Besen senkrecht nach oben. Wuusch! Der Klatscher fegte gerade so unter den Reisigspitzen des Besenendes durch und brachte das Reisigbündel zum rauschen. Der nun in die dritte Klasse von Hogwarts kommende Zauberschüler warf sich wieder nach vorne und nutzte die dadurch entstehende Beschleunigung dazu, sich ideal in Anspielstellung zu bringen. Jeanne, die den Quaffel gerade zurückerobern konnte, spielte sofort auf ihn ab. Julius klemmte sich den roten Ball unter den linken Arm und raste aufs Tor zu. Mit schnellen Spiralen, Sprüngen und Rollen spielte er César schwindelig, der auch bei seiner Leibesfülle ein quirliger Spieler auf dem Besen war. Als César aus dem unmittelbaren Torraum schoß, um den Angriff abzufangen, sprang Julius mit dem Sauberwisch 10 wie über eine Welle so, daß er den Quaffel von oben durch den rechten Torring bringen konnte. Dabei prallte er fast mit César zusammen.

"Mann, was machst du denn?" Fragte der Hüter der gegnerischen Mannschaft. Dann krachte ein Klatscher mit großer Wucht in den Bauch des Beauxbatons-Schülers. Julius rollte zur Seite, um dem zweiten Klatscher zu entgehen und flog durch den mittleren Torring, knapp unter dem oberen Rand durch.

Das Spiel wurde kurz unterbrochen, bis die Heilmagier César wieder für spielfähig erklärt hatten. Dann ging die Partie weiter. Doch sie dauerte nur noch zehn Minuten. Als die Mannschaft von Jeanne und Julius gerade vierzig zu dreißig Punkten in Führung lag, fischte Janine Dupont den goldenen Schnatz hinter Seraphines Rücken aus der Luft. Monsieur Castello pfiff das Spiel ab.

"Drei von vier Toren hast du geschossen, Julius! Schön!" Rief Barbara über den Jubel der Freunde und Verwandten der Gewinnermannschaft hinweg.

"Ja, und beinahe hätte er sich und mich aus dieser Welt geworfen", meinte César. Doch dann grinste er und fragte Barbara:

"Glaubst du, daß ihr im nächsten Jahr eine Chance gegen uns habt, wenn ich so gut trainieren kann?"

"Immer, César", erwiderte Barbara. Dann sah sie Julius an, als müsse sie prüfen, ob er noch fit genug sei, weiterzuspielen. Offenbar fiel das Ergebnis zufriedenstellend aus. So gab es nach zehn Minuten Pause die Revanche. Diesmal mußten Julius und seine Mannschaftskameraden hart um jedes Tor kämpfen, weil die Treiber der Gegenmannschaft die Klatscher so geschickt schlugen, daß diese wie ein Paar Abfangjäger vor dem Torraum hin und herflitzten. Doch Jeanne und Julius schafften es aus der Ferne oder im todesmutigen Frontalangriff, Césars Abwehr zu umgehen und jeder sechs Tore zu schießen. Der Sucher der Gegenseite hätte fast den Schnatz erwischt, wenn er nicht beide Klatscher gleichzeitig auf sich zurasen gesehen und es vorgezogen hätte, auszuweichen. So konnte Janine sich den wertvollen Spielball mit den silbernen Flügeln doch wieder sichern.

"Sei dir sicher, daß wenn du jemals nach Beauxbatons wechseln solltest, egal, ob Barbara und ich dann noch dort sind oder nicht, du mit Sicherheit in die Hausmannschaft eingebaut wirst, Julius", keuchte Jeanne atemlos, als die Mannschaften sich wieder in ihren Spielfeldhälften versammelt hatten.

"Uuua! Du machst mir ja Angst, Jeanne", erwiderte Julius. "Gegen Quidditch habe ich nichts. Aber daß ich dafür nach Beauxbatons soll, ist schon sehr fies."

"Wer sagt euch eigentlich, daß der Junge überhaupt zu euch kommen wird, falls der wirklich die Schule wechselt?" Fragte Janine Dupont. Der könnte ja auch in den roten Saal kommen, oder er landet im weißen Saal, wie Seraphine."

"Leute, ich wohne in Hogwarts in Ravenclaw und bin da auch schon für die Reservemannschaft eingeteilt. Also wegen Quidditch muß ich bestimmt nicht in die Kaserne, die anderswo als Schule bezeichnet wird."

"Heh! Was soll das denn?" Kam ein empörter Widerspruch von allen Mannschaftsmitgliedern. "Beauxbatons ist vielleicht nicht so wie Hogwarts, aber es ist immer noch eine hervorragende Schule, in der man nicht nur lernen, sondern auch Spaß haben kann", fügte Janine noch hinzu.

"Na, Janine! Wenn eure liebe Hauslehrerin nicht wäre, wäre Beauxbatons wesentlich reizvoller", sagte der Junge, der als dritter Jäger in Jeannes und Julius' Mannschaft gespielt hatte. Janine grinste und entgegnete:

"Wenn du auch nur an Brigitte denkst, Yves?"

"Eben das ist ja das Ding. Was ich denke, muß sonst keiner wissen", knurrte der Junge und straffte seinen Körper.

"Leute, ich bekam soeben mitgeteilt, daß ich gleich fort muß", schaltete sich Monsieur Castello in die Unterhaltung ein. "Da ja nach den Vereinbarungen immer ein Schiedsrichter bei euch anwesend sein muß, müssen wir das Training für heute wohl beenden."

"Ist kein Problem, Monsieur", sagten Jeanne und Bruno, die beiden Mannschaftskapitäne. So wurde das Spieltraining beendet. Julius sah sich um, weil er wissen wollte, wer alles in den Zuschauerreihen saß. Zu denen, die er vor dem ersten Spiel gesehen hatte, waren noch Claire und die beiden Mädchen hinzugekommen, sowie Caro mit dem älteren Jungen, mit dem sie beim Sommerball getanzt hatte. Julius stellte erleichtert fest, daß die brünette Drittklässlerin von Beauxbatons mit dem Jungen mehr beschäftigt war, als daß sie sich für ihn interessierte.

"Du kommst doch noch mit uns auf ein zweites Frühstück im Chapeau du Magicien, Julius?" Fragte Jeanne. Der Befragte überlegte kurz. Dann stimmte er zu.

"Ich habe nur kein Geld mit, Jeanne. Ich möchte nicht schnorren. Falls du mir aushelfen möchtest, kann ich dir's später wiedergeben", sagte er noch. Jeanne schüttelte den Kopf.

"Die zwei Sickel habe ich noch. Außerdem haben wir ja alle kein Geld mit. Madame Demeter rechnet das meistens mit unseren Eltern ab. Meine Mutter wirst du ja nicht damit behelligen wollen, ihr Geld wiederzugeben. Nicht war?"

So setzten sich die vierzehn Spieler und ihre Freunde und Verwandten im Gasthaus von Millemerveilles an die großen Tische. Die kräftig aussehende Wirtin mit den schwarzen Locken und der hellen Schürze gab den Schülern Fruchtsaft oder Kaffee, je nachdem, was sie trinken wollten. Julius saß zwischen Jeanne und Bruno und unterhielt sich mit ihnen über die Unterschiede im britischen und französischen Quidditch. Claire und ihre Freundinnen aus Beauxbatons saßen an einem anderen Tisch. Doch die Mädchen schauten ab und an zu Julius und Bruno herüber. Bruno fiel das auf und er schenkte den jüngeren Schülerinnen ein Lächeln.

Als es zwölf Uhr mittags war, brachen Jeanne und Julius auf. Sie verabschiedeten sich von den übrigen Mannschaftskameraden und kehrten zu ihren Besen zurück. Claire kam mit Sandrine und Béatrice hinterher.

"Ihr fliegt schon zurück?" Fragte Claire ihre Schwester und den Gast aus England.

"Ja, Claire", erwiderte Jeanne. "Julius hat erzählt, daß er die Zeit bis zum Essen noch nutzen möchte, irgendwas für Hogwarts zu machen." Julius bestätigte das. Claire meinte nur:

"Gut. Ich komme dann um ein Uhr nach Hause."

Nach dem Mittagessen flog Madame Dusoleil mit Julius zur grünen Gasse, dem Zauberpflanzengarten in Millemerveilles. Dort verbrachte der Hogwarts-Schüler vier interessante Stunden, in denen er sich Notizen für seine Hausaufgaben machen konnte. Die Chefin dieser Gartenanlagen fragte ihn abschließend noch mal ab, wobei sie ihm verbot, in seine Aufzeichnungen zu sehen.

"... Wann dürfen die südeuropäischen Stickwurzstauden auf keinen Fall abgeschnitten werden?"

"An Tagen vor Vollmond oder zur Sommersonnenwende, weil sie die Kraft des vollen Mondlichts benötigen, um ihren Wachstumsschub zu entwickeln. Vor der Sommersonnenwende abgeschnittene Stauden können zu schnell verderben und schädliche Abfallstofffe ausscheiden."

"Schön! Das sitzt also. Dann nenne mir noch mal alle Unterarten der Feuerhemmpilze!"

"Der vulkanische Felsenhocker Petosessilus magmaticus, welcher an Kraterrändern tätiger Vulkane wächst, unmittelbar vor einem Ausbruch, um die Kraft der Lava aufzusaugen, die in den ersten zwei Minuten ausfließt. Der Wüstenläufer Harenofungus heliophilius, der in besonders heißen Sandwüsten vorkommt, solange dort kein Regen fällt. Dann noch die vier amerikanischen Unterarten des Fidelis veterus, der rote, der grüne und der schwarze, sowie der große. Sie wachsen hauptsächlich in Felslandschaften mit viel Sonneneinstrahlung, wobei der große zwischen Mai und August auch an den Geysiren des Yellow Stone Parks gefunden wird, allerdings nur, wenn er durch einen mit Anlockzaubern behexten Spaten unter den Steinen vorgeholt wird. Getrocknet und zerrieben können sie in Tränken gegen Feuerschäden, sowie unter Mörtel gemischt als Brandschutz im Hausbau benutzt werden."

"Wunderbar. Mehr wolltest du doch nicht, oder?"

"Im Moment nicht", erwiderte Julius. Mit der zufriedenen Madame Dusoleil kehrte er in ihr Haus zurück, wo er seine Notizen so ordnete, daß er daraus einen gut formulierten Text für Professor Sprout zusammenbekommen würde.

So verging der Rest des Tages mit ein wenig Musik. Julius zeigte Claire an Denise, wie die Form des Rock'n Rolls ging, bei der der stärkere Tanzpartner den leichteren herumschleudern konnte. Die Kleine quiekte vor Freude aber auch Verunsicherung. Dann lachte sie. Claire fragte noch:

"Muß der Partner wirklich leichter sein, als der, der diese Übung mit ihm macht?"

"Nicht unbedingt. Aber wer diesen Tanz so tanzt muß sehr gut trainiert sein. Außerdem ist der Rock'n Roll hier wohl nicht angesagt."

"Das wohl nicht", bestätigte Madame Dusoleil, die dem Spektakel zugesehen hatte. "Aber ihr beiden könnt so gut tanzen, daß ihr diesen wilden Muggeltanz nicht braucht."

"Es ist ja nur, weil Jeanne und Barbara darüber geschrieben haben, Maman", wandte Claire ein.

"Ich habe auch nicht vor, den beim Sommerball zu tanzen. Wenn Barbara meint, sich mit mir blamieren zu müssen, werde ich da nichts gegen machen. Aber sonst ..."

"Du blamierst dich nicht, wenn du deine Form wahrst", sprach die Hausherrin Julius Mut zu.

"Wenn Sie meinen, Madame", antwortete der Gast aus England.

Etwas früher als am Vortag ging Julius zu Bett. er schlief bis morgens acht Uhr. Überhaupt ließ er den Sonntag sehr ruhig angehen. Er ging spazieren, las ein wenig in seinem Buch über Drachen und saß mit den Töchtern der Dusoleils im Garten bei einem Kartenspiel, das in Beauxbatons häufig gespielt wurde.

Am Abend traf Eulenpost für Julius ein. Einmal war es eine Express-Posteule aus Australien, die von Aurora Dawn kam. Die zweite Posteule war wohl auch eine öffentliche Expressbrief-Zustellerin. Sie brachte einen Briefumschlag, der so dick war, daß mindestens drei Pergamentbögen darin stecken mußten. Julius nahm den dicken Briefumschlag zuerst und las:

Julius Andrews
Jardin Du Soleil
Millemerveilles
Frankreich

Als Absender stand die Adresse:

 

Mrs. Jane Porter
Weißrosenweg 49
New Orleans Vereinigte Staaten von Amerika

 

Julius öffnete den Umschlag vorsichtig und holte tatsächlich drei Briefbögen heraus. Er erkannte Glorias saubere Handschrift, sowie Pinas runde Handschrift sofort. Dann lag da noch ein Brief der die Handschrift einer offenbar beamteten Schreiberin trug, wie Julius mutmaßte. Er dachte, daß es wohl Mrs. Jane Porter persönlich geschrieben hatte und las den Brief zuerst.

Hallo, Honey!

Ich habe es zwar bedauert, daß Glo und ihre hübsche Kameradin Pina nicht mit dir zusammen zu mir kommen konnten, aber ich kenne den alten Sturkopf meiner werten Fachkollegin Blanche und weiß auch, daß du bei ihr genauso gut aufgehoben bist, wie die beiden Mädchen hier bei mir. Ich hörte, daß die Gute es gedeichselt hat, daß du mit den Schülern ihrer Lehranstalt zusammen abreisen konntest und wohl erst in Beauxbatons gelandet bist. Geraldine war da mal, meine Tochter. Sie war ja nicht so begeistert von dieser Schule. Aber das lag wohl auch an ihr persönlich. Ich habe ihr gesagt, daß Blanche eine strenge Lehrerin sei und da noch so einige humorlose Zeitgenossen herumlaufen. Aber ich denke, du konntest dort heil herauskommen und bist nun sicher bei dieser Madame Dusoleil, von der Glo mir erzählt hat.

Ich hörte auch, daß einige eurer Mitschüler aus Slytherin schon meinten, du seist weggesperrt worden, damit der dunkle Lord dich nicht findet. Aber ich glaube nicht, daß du dich wegsperren lassen möchtest. Wie ich Blanche kenne, wird sie dich nicht in Ruhe lassen, bis du nicht alles gelernt hast, wovon sie meint, es dir beibringen zu müssen. Ich werde das mit den beiden Mädchen wohl genauso halten, damit ihr in Hogwarts nicht wehrlos herumlauft, wenn die Wasserträger des Unnennbaren und ihre Brut euch übel mitspielen wollen. Allerdings denke ich, daß Blanche der guten alten Hermetik den Vorrang geben und dir nur Sachen beibringt, die seit den Druiden gängige Zaubererpraxis in der zivilisierten Welt sind. Ich kenne da ja noch einiges andere, von dem ich weiß, daß es nützlich ist, gerade in der Abwehr.

Richte deiner Gastmutter bitte schöne Grüße von mir aus und grüße auch Blanche! Sie soll dich nicht so drangsalieren.

Jane Porter

Julius grinste, als er das las. Die alte Dame hatte einen merkwürdigen, aber auch erfrischenden Humor. Jedesmal, wenn er Madame Faucons Vornamen las, hörte er ihn in der amerikanischen Verunstaltung klingen, die Mrs. Porter benutzte. Dann nahm er Pinas Brief und las:

Hallo, Julius! Gloria und ich sind mit dem Hogwarts-Express zurückgefahren, wie üblich. Dieser Kerl Malfoy und seine dummen Kraftprotze haben einmal bei uns reingesehen, sich gewundert, wo du wärst und dann abgeschoben. Malfoy grinste wieder so blöd und sagte was, daß man die Schl..., hmm, also Muggelstämmigen wohl einsammeln und gesondert wegsperren wolle, damit Dumbledore im nächsten Jahr noch welche unterrichten könne. Gloria hat nur genickt, als habe er recht. Das hat ihm gereicht.

Von London aus hat uns Mrs. Porter -Glorias Mutter meine ich - abgeholt und zu einem Hafen gebracht, wo nur vier Schiffe lagen. Von dort aus sind wir mit einem blau-weißen Segelschiff mit mondlichtfarbenen Segeln losgefahren. Das war der fliegende Holländer. Das Schiff fuhr so schnell, daß ich fast keine Wellen sah und hat nur zwölf Stunden gebraucht, um in einem kleinen Hafen von New Orleans anzulegen. Unterwegs haben wir Kobol gespielt und auf dem Sonnendeck herrlich ausruhen können. Wir haben von dem Fahrtwind gar nichts mitbekommen.

Glorias Großmutter hat uns dann abgeholt und zu ihrem großen Haus gebracht. Dort haben wir was getrunken, was uns hilft, den Zeitunterschied zu verkraften, der zwischen Amerika und England herrscht. Danach sind wir durch die alte Stadt gewandert und haben uns die Honigtaugasse angeguckt, wo die Zauberer der amerikanischen Südoststaaten ihre Sachen einkaufen, sowie einen alten Friedhof, wo alte Voodoo-Könige und -königinnen begraben sein sollen. Mrs. Jane Porter hat uns verraten, daß die Geister dieser alten Magier immer dann umherstreifen, wenn jemand böses in ihrer Stadt anwesend ist.

Die Großmutter von Gloria bringt uns Abwehrzauber bei. Einige davon hatten wir schon bei Moody. Doch sie meint, daß noch ältere Zauber besser vor bösen Hexern und Hexen schützt. Die will sie uns auch noch beibringen.

Ich hoffe, dir geht es gut. Du wohnst jetzt doch in dem Haus, wo Jeanne und ihre Schwester Claire wohnen. Hat sie dich schon gefragt, ob du wieder mit ihr tanzt? Lernst du wieder bei der Hexe, bei der du im letzten Sommer warst?

Lass was von dir lesen!

Pina Watermelon

Im letzten Brief, den von Gloria stand:

Hallo, Julius!

Wir sind wohlbehalten in New Orleans angekommen. Da Pina dir ausführlich schreiben wollte, wie wir hier herkamen, beschränke ich mich nur auf die wesentlichen Sachen.

Die Fahrt mit dem Hogwarts-Express verlief soweit gut. Wir saßen mit den Hollingsworths zusammen im Abteil. Dieser Wichtigtuer Malfoy kam einmal bei uns vorbei und erkundigte sich in seiner überheblichen Art, wo du denn seist. Ich gab keine Antwort darauf. Er meinte dann, daß alle Muggelstämmigen, wobei er wieder sein Lieblingsunwort dafür benutzte, wohl eingesperrt würden, um Dumbledore nicht wegzusterben, bevor das neue Schuljahr anfängt. Ich habe ihn im Glauben gelassen, daß er recht hat und bin ihn damit losgeworden. Der wird schon gesehen haben, daß die übrigen Muggelstämmigen noch im Zug waren. Der soll doch denken, was er will, solange sein Vater nicht auf die Idee kommt, du seist wichtiger als sein Sohn.

Wir sind von Mum abgeholt und zum geheimen Hafen für den fliegenden Holländer gebracht worden. Mit diesem Schiff ging es nach Amerika, wo wir von Oma Jane in New Orleans abgeholt wurden. Sie fragte uns, ob du gut weggekommen seist und meinte dann, daß wir bei ihr auch gut lernen würden, uns zu wehren.

Ich weiß nicht, was Professeur Faucon mit dir anstellt. Aber Oma Jane ist wohl nicht minder hart im Unterricht, habe ich gemerkt. Sie hat uns zunächst die unterschiede magischer Methoden erklärt und dann mit einfachen Abwehrzaubern angefangen. Sie will uns noch ein Paar Voodoo-Tricks zeigen, um Fernflüche zu blocken oder zu erkennen, von wem wir angegriffen werden. Da sowas in Hogwarts ja nicht im normalen Unterricht drankommt, dürfte das für Pina und mich sehr vorteilhaft sein, das zu lernen.

Du brauchst nur einen Brief zu schreiben. Ich kann ihn Pina weitergeben.

Lass es dir gut ergehen und dich nicht von den Mademoisellen ärgern oder zu irgendwelchen Dummheiten anstiften!

Gloria Porter

Julius schrieb einen Brief zurück, indem er kurz schilderte, was ihm in der einen Woche schon alles passiert war. Er ließ nichts aus, auch nicht das Experiment mit dem Infanticorpore-Fluch. Dann schrieb er noch, daß er hier von jedem das seine lernen könne: Von Madame Dusoleil Kräuterkunde; von Monsieur Dusoleil Zauberkunst; von Professeur Faucon Verteidigung gegen die dunklen Künste und von Madame Matine erste Hilfe. Im Gegenzug habe er auch schon einer älteren Schülerin in Muggelkunde helfen können.

Als Julius den Brief mit den Worten "Ich werde Professeur Faucon von deiner Oma grüßen, Gloria" beendet hatte, steckte er den Pergamentbogen in den Umschlag, auf dem auf der Rückseite "Antwort erbeten" stand und ließ die Posteule damit fortfliegen. Dann las er noch den Brief von Aurora Dawn.

Hallo, Julius!

Camille hat mir geschrieben, daß du gut bei ihr eingetrudelt bist. Ich freue mich, daß ich weiß, daß du im Moment nirgendwo besser untergekommen bist, als in Millemerveilles.

Tante June hat mir geschrieben, daß im Zaubereiministerium ein heimlicher Streit um die Rückkehr des dunklen Lords aufgekeimt ist, weil Fudge immer noch nicht glaubt, daß der wieder da ist. Tante June hat sich mit Mr. Weasley, dem Leiter des Büros gegen den Mißbrauch von Muggelartefakten, unterhalten, der mitbekommen hat, was Harry Potter nach dem Turnier ausgesagt hat. Er war zwar nicht selber dabei, aber seine Frau und einer seiner ältesten Söhne.

Aber zu den erfreulichen Dingen des Lebens, ohne die wir alle nicht auskommen!

Tante June schrieb mir, daß deine Mutter wohl versucht, mit dem Zaubereiministerium wieder ins Reine zu kommen und sich sehr dafür interessiert, was du machst. Es ist also möglich, daß du irgendwann wieder nach Hause zurückkehren kannst. Außerdem hat sich Pamela Lighthouse bei mir gemeldet, die Sucherin der Sparks. Sie muß wohl demnächst auf Quidditch verzichten, da sie und ihr Mann im Januar Nachwuchs bekommen. Sie freut sich schon sehr darauf. Das gibt mir doch eine gewisse Hoffnung, daß unsere Welt fortbestehen wird.

Damit du in Millemerveilles nicht nur über dunkle Zauber brütest habe ich Madame Matine angeschrieben, um sie zu fragen, ob sie dir einen Kurs in magischer Ersthilfe anbieten könne. Sie antwortete gestern per Express-Eule, daß du zugesagt hättest. Das freut mich, weil mir Madame Pomfrey in den Ohren lag - rein brieflich -, daß sie findet, du würdest dich gut mit Heiltränken und Heilsalben auskennen und wenn du schon alles von mir liest, wäre es doch eine Verschwendung, wenn du das nicht auch anwenden könntest.

Madame Matine ist eine sehr nette Frau, Julius. Sie möchte zwar Folgsamkeit und Zuverlässigkeit von dir haben, aber sie wird dich wohl nicht ausschimpfen oder gar schlagen. Wenn du das wirklich willst, wirst du nach den Ferien viel wissen, was wichtig in der magischen Heilkunst ist. Das öffnet dir noch eine Tür, wenn du mit Hogwarts fertig bist. Ich freue mich, daß ich dir dabei helfen kann, deine Zukunft zu gestalten, ohne sie übermäßig vorherzuplanen.

Grüß mir Camille und die drei Schwestern!

Aurora

Auch Aurora Dawn schrieb Julius einen ausführlichen Brief, in dem er die Ereignisse der Woche zusammenfasste, von der Panne im Ferienunterricht, den Quidditchspielen, dem Infanticorpore-Fluch und dem Besuch in der grünen Gasse. Dann schickte er auch diesen Brief mit der wartenden Posteule fort, bevor er sich zum Schlafen hinlegte, um Kraft für die neue Woche zu schöpfen.

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