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Julius Andrews - Auf seinem Weg in die Zaubererwelt von Thorsten Oberbossel

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Die Januarwochen eilten dahin. Starke Regenfälle und Winterstürme tobten sich über Beauxbatons aus und führten nicht selten zu durchnässten Umhängen und Zaubererhüten, wenn die Klassen im Freien Unterricht hatten. Im Zaubertrankunterricht verlangte Professeur Fixus nicht selten sehr komplizierte Tränke, wobei sie vor allem Laurentine Hellersdorf drangsalierte, die aus Niedergeschlagenheit einige Rezepte halbherzig befolgte.

Zwei Wochen nach Ferienende fand das erste Spiel der dritten Runde im schuleigenen Quidditchturnier statt. Die Mannschaften Rot gegen Gelb traten gegeneinander an. Julius saß zusammen mit seinen Mannschaftskameraden vom Grünen Saal in der oberen Reihe der Zuschauertribüne, links flankiert von Seraphine Lagrange, die als Mannschaftskapitänin der Weißen die Reihe ihrer Mitspieler begann.

"Und, was glaubst du, wer das Spiel macht, Julius?" Fragte sie den ehemaligen Hogwarts-Schüler. Dieser überlegte kurz und sagte:

"Das was ich Sandrine gesagt habe, Seraphine. Die Roten gewinnen, wenn die Gelben nicht wieder so schnell den Schnatz holen."

"Diesmal nicht, Julius. Janine wird sich von Maurice Dujardin nicht so austricksen lassen, wie unser Miro", sagte Seraphine. Miro, der zwei Plätze weiter links von ihr saß, grummelte nur was, das Julius nicht verstehen konnte.

Das Spiel ging sogleich in die Vollen, als Hannibal Platini gegen Mathieu Midi, den Hüter der Gelben vorstürmte und den Quaffel, den roten Spielball, durch den linken Torring bugsierte. Doch als die Gelben schon fünf Tore Rückstand hatten, zogen diese ihr eigenes Spiel auf und ließen die Mannschaft der Roten oftmals ins Leere laufen, hielten den Quaffel lange in den eigenen Reihen und nutzten sogar die ihnen geltenden Klatscherangriffe, um eigene Spieler in eine bessere Ausgangsposition zu bringen. Ferdinand Brassu, der nach dem sprachlichen Fehlgriff vor den Weihnachtsferien wieder kommentieren durfte, konnte nur noch schnelle Spielzüge beschreiben, so schnell verlief das Spiel. Alles in allem hatten die Gelben sich sehr gut auf ihren ersten Gegner der dritten Runde vorbereitet. Doch sie konnten keine Tore daraus machen, weil César immer schneller war als die Jäger der gelben Mannschaft. So dauerte es eine halbe Stunde, bis Mannschaft Gelb durch einen Zufallstreffer zehn Punkte einfuhr und selbst siebzig Gegenpunkte hatte hinnehmen müssen. Die Beiden Sucher, Dujardin und Dupont, kreisten über dem Spielfeld und hielten Ausschau nach dem Schnatz. Zwischendurch meinte Julius, den kleinen goldenen Ball mit den vier Flügeln zwischen den Torstangen der Roten herumflitzen zu sehen. Dann glaubte er, den Schnatz weit oben über dem Mittelkreis herumschwirren zu sehen und dachte auch, daß Janine Dupont auf ihn zuflog. Doch als ein Klatscher, gespielt von einer der Montferre-Schwestern, genau durch die Bahn des kleinen Balles zischte, war der Schnatz verschwunden.

"Also das Spiel wird heute richtig lang, Julius", sagte Jeanne Dusoleil und suchte wie ihr Sitznachbar den winzigen goldenen Ball. "Die Gelben sind sehr gut eingespielt. Kuck mal, wie schnell die formieren können!"

"Lombardi hat die verdammt gut eingestellt", bemerkte Julius Andrews und sah, wie die blonde Brunhilde Heidenreich aus den Reihen der Roten gerade wieder den Quaffel an eine quirlige Hexe in zitronengelbem Spielerumhang verlor.

"Das wird Brunhilde nicht passen", sagte Giscard Moureau, der ältere der beiden Stammtreiber der Grünen, der rechts neben Barbara Lumière saß. "Die ist doch schnell in Wut und ... Uuuiiiii!"

Fast hätte es zwischen Brunhilde Heidenreich und einem Treiber der Gelben einen Zusammenstoß gegeben, als der Treiber einem Klatscher nachsetzen wollte.

Doch die wunderbare Wendigkeit der Gelben hielt nur anderthalb Stunden vor. Dann wurden sie immer unkonzentrierter, verfehlten Würfe oder ließen sich den scharlachroten Quaffel zu leicht abjagen. So setzte es innerhalb der nächsten fünf Minuten sechs Tore in Serie, zwei für Heidenreich, eines für Platini und drei für Bruno Chevallier, den Kapitän und Sallsprecher der Roten. Als dann noch Janine Dupont den Schnatz aus Sandra Montferres Haaren pflückte, war das tapfere Spiel der Gelben endgültig verloren. Dennoch jubelten die Bewohner des zitronengelben Saales und winkten mit den großen Fahnen, auf denen in weißgelber Schrift, die wie die Sonne strahlte stand:

"Ob verlieren oder siegen, ihr lasst euch nicht unterkriegen."

"Ein langes Spiel, sehr spannend, sehr schön, ist vorbei, Mesdames, Mesdemoiselles et Messieurs", stellte Ferdinand Brassu fest. "Der rote Saal gewinnt insgesamt dreihundertsiebzig Punkte. Saal Gelb konnte immerhin dreißig Punkte hinzugewinnen."

 

"Damit ist ja wohl klar, daß es wirklich nur noch zwischen uns und den Roten entschieden wird", bemerkte Seraphine.

"Ich fürchte, die Violetten werden da noch was gegen haben", meinte Julius.

"Das hängt ja jetzt an euch", erwiderte die Saalsprecherin der Weißen. Jeanne fügte dem Hinzu:

"Das krigen wir hin. Wir sind ja die nächsten, die ran müssen."

"Wie du meinst", sagte Julius. Er wartete, bis Madame Maxime das Spiel offiziell für beendet erklärte und aufstand. Dann verließ er mit Jeanne und den anderen Mannschaftsmitgliedern die Tribüne. Dabei kam er an den Spielern des violetten Saales vorbei, die rechts neben Agnes Collier eine Reihe gebildet hatten. Suzanne Didier, eine Jägerin der Violetten, zwinkerte Julius zu und fragte ihn:

"Na, wer wird von uns am Ende den Pokal haben. Die Gelben sind ja jetzt doch ziemlich abgeschlagen."

"Da sind immer noch zwei Runden dazwischen, Suzanne", sagte Julius dazu. "Die können gegen euch und die Blauen noch genug Punkte holen."

"Gegen uns?! Das meinst du nicht ernst, Julius", lachte Suzanne lauthals. Dann sagte sie noch: "In zwei Wochen darfst du wohl gegen mich spielen. Ich hörte, Jeanne wird dich aufstellen. Mal sehen, wieviele Punkte wer von uns am Ende abräumt."

"Geht klar, Suzanne", stimmte Julius zu und ging weiter, weil Seraphine ihn von hinten anschob.

"Immerhin gab es keine Verletzten", stellte Jeanne fest, als sie auf dem Weg in den Palast waren. "Die Roten sind jetzt erst einmal auf dem ersten Tabellenplatz. mal sehen, wie schnell die da wieder von weg sind."

"Wir werden sehen. So wie es aber aussieht, müssen wir Punkte sammeln. Ein früher Schnatzfang bringt uns nicht weiter", erkannte der Sohn einer Computerprogrammiererin und eines Chemikers. Jeanne nickte beipflichtend.

"Das heißt, wir müssen riskieren, daß Collis den Schnatz vorher kriegt, weil Agnes nicht so früh loslegen darf", stellte Jeanne mit einer gewissen Beklemmung in der Stimme fest. Agnes, die kleine Mitschülerin, die als Sucherin der Grünen spielte, nickte schwerfällig.

Im grünen Saal berichtete Julius seinen Mannschaftsmitgliedern, wie die Gryffindors in seinem ersten Schuljahr im allerletzten Spiel auch auf mehr Punkte hatten spielen müssen und es dabei riskierten, daß ihre Endspiel- und Pokalgegner, die Slytherins, den Schnatz vorher fingen.

"Was du mit Janine gemacht hast, andauernd den Fang durch wie zufällig aussehende Pässe zu vermasseln, das trainieren wir in den nächsten zwei Wochen gezielt. Außerdem, Hercules und Giscard, solltet ihr alle Skrupel ablegen, den Sucher der Violetten auch mal gezielt anzugreifen, wenn der losfliegt, um den Schnatz zu kriegen. Wenn's aber nicht gelingt, uns dadurch viele Punkte zu sichern, müssen wir eben dann durch den Schnatzfang das Spiel beenden", legte Jeanne die Marschroute der nächsten Trainingsstunden fest.

 

__________

 

Am Sonntag nach dem Spiel war die allgemeine Pflegehelferkonferenz. Die Bewohnerinnen des roten Saales warfen denen aus dem gelben Saal amüsierte Blicke zu, als Schwester Florence sie alle begrüßt hatte. Dann besprachen sie die ersten Wochen nach den Weihnachtsferien. Ein Thema war die Schwangerschaft von Constance Dornier. Die Heilerin sah Jeanne, Martine und Julius genau an und sprach:

"Ihr drei werdet zwischendurch von mir informiert, wenn ich Extraaufgaben für euch habe. Insbesondere gilt es, Deborah und Sixtus auf gewisse Dinge vorzubereiten. Deshalb wirst du, Jeanne, mit Sixtus in den nächsten Formhaltungskursstunden besondere Übungen machen, wie eine werdende Mutter betreut wird. martine und Julius können das in groben Zügen ja schon und können mir daher bei der Ausbildung von Deborah zur Hand gehen. Ich bitte mir aus, daß wir gerade in dieser besonderen Übungsphase Disziplin walten lassen, also keine falschen Hemmungen und auch keine anzüglichen Bemerkungen oder Gesten. Die Situation ist bereits mehr als peinlich für Beauxbatons."

Jeanne und Julius zeigten auf. Schwester Florence sah von der einen zum anderen und erteilte Julius das Wort, während Jeanne den Arm noch hochhielt:

"Céline Dornier, Constances Schwester ist ja in Jeannes und meinem Saal, Schwester Florence. Dürfen wir ihr auch einiges zeigen, wie man mit werdenden Müttern richtig umgeht?" Jeanne senkte den Arm und nickte.

"Achso, das muß ich natürlich extra sagen. Im Rahmen der üblichen Unterstützung für nichtkundige Mitschüler dürft ihr beiden natürlich eurer Saalkameradin die notwendigen Dinge zeigen. Aber auch dafür gilt, daß hierbei keine ungehörigen Dinge passieren."

"Ich mach das dann, Julius", sagte Jeanne zu ihrem Saalmitbewohner. Schwester Florence nickte zustimmend. Dann ging es im Programm weiter.

Nach der allgemeinen Konferenz blieben die Mitglieder der zweiten Übungsgruppe noch im Sprechzimmer der Schulheilerin. Julius übte mit Martine das richtige Betten von ohnmächtigen Patienten. Da die Rote etwas größer und schwerer war als der Grüne, schien es diesem nicht so leicht zu sein. Doch gegen die stattliche Madame Matine, mit der Julius das im Sommer hatte durchgehen müssen, war Martine verhältnismäßig leicht zu bewegen. Deborah trainierte mit Schwester Florence Übungen der Schwangerschaftsgymnastik, die sie mit Constance Dornier treiben sollte. Francine und Felicité führten dieselben Übungen aus, wie Martine und Julius.

"So, jetzt bin ich dran", sagte Martine, als Julius sie nach nur einer halben Minute auf eine magische Trage gelegt hatte. Sie setzte sich wieder auf und schwang sich herunter. Julius ließ sich auf den Rücken niedersinken und spielte "Toter Mann". Als Martine sich mit dem Zauberstab über ihn Beugte und den Spruch hersagte, mit dem jemand wie auf einer nichtstofflichen Hebebühne angehoben wurde, spürte Julius eine merkwürdige Regung, die ihn durch den ganzen Körper ging und sich irgendwie im Unterleib konzentrierte. Er hatte das schon einige Male unbewußt mitbekommen, aber jetzt nahm er das völlig bewußt war, während er Martine, die hochgewachsene Hexe mit den langen strammen Beinen, den breiten Hüften und der engen Taille, der vollausgeprägten Oberweite und den langen, ihren Nacken und oberen Rücken umspielenden rotblonden Haaren ansah. Sie ließ ihn vorsichtig auf die Trage niedersinken, wobei sie ihn langsam und tief ein- und ausatmend beobachtete. Irgendwie war es ihm, als würde er in Claires Armen liegen, geborgen aber merkwürdig erregt, als müsse er etwas aufsteigendes niederhalten. Dann sank er auf die Trage, und Martine griff mit den Händen nach ihm, um ihn, der sich völlig unbeweglich gab, in eine stabile Seitenlage zu legen. und die Beine so hochzulegen, daß der Blutfluß in den Körper zurückführte, um die inneren Organe noch mehr zu durchströmen.

"So fertig, Julius! Selbes Spiel noch mal mit mir!" Sagte Martine. Julius Andrews setzte sich auf und spürte, wie sich eine leichte Regung in seinem Schoß zeigte, die er sofort mit aller Willenskraft verdrängte und froh war, einen weiten blaßblauen Umhang anzuhaben. Er stand auf, atmete tief durch und wartete, bis sich Martine in ihrer ganzen Länge vor ihn hingestreckt hatte. Er verdrängte die merkwürdige Regung mit seinem ganzen Verstand und führte die vorgegebene Transportvorbereitungsübung durch. Viermal wiederholten sie das abwechselnd. Dann befahl die Schulkrankenschwester, sie sollten Einflößübungen machen, um bewußtlosen Patienten rettende Elixiere zu verabreichen. Dabei kleckerte Felicité einmal, was Francine Delourdes nicht sonderlich spaßig fand.

"Eh, meine Sonntagsbluse, Felicité!" Protestierte sie gegen diesen Schlamassel. Schwester Florence beseitigte die danebengegangene unwirksame Saftmischung, mit der sie übten von Francines Bluse. Julius, der Martine gerade als Übungspartnerin mit dem kleinen Fläschchen etwas von dem süßen Fruchtsaft einflößte, darauf achtend, daß sie nicht erstickte, sah kurz auf Deborah, die Kreiselbewegungen mit dem Becken ausführte.

"Das spielen wir gleich auch", sagte Martine, nachdem sie die Übungsflasche aus ihrem Mund genommen hatte und bemerkte, wo Julius hinsah.

"Ich brauch das selbst ja nicht zu tun. Ich muß ja nur wissen, wie's aussieht", flüsterte Julius. Martine schüttelte den Kopf, setzte sich auf und sagte:

"Es jemanden beibringen wollen setzt voraus, daß du es selbst machen kannst, Julius. Aber jetzt mach dich lang, damit ich dir von diesem leckeren Traubensaft was eintrichtern kann!"

Tatsächlich mußten Martine und Julius nach einer gewissen Zeit Deborahs Gymnastik- und Atemübungen nachmachen. Er merkte, daß diese einfach aussehenden Dinge doch Kraft und Konzentration verlangten. Am Ende der Stunde sagte Schwester Florence noch:

"Ihr habt das heute alle gut und soweit fehlerfrei hinbekommen, daß bei einem echten Unglücksfall der Patient nicht zu Schaden gekommen wäre. Ich wünsche euch allen noch einen schönen Sonntag!" Alle verabschiedeten sich brav von Schwester Florence und kehrten in ihre Säle zurück.

Am Nachmittag holten Barbara und Edmond Julius zu sich an einen Tisch des grünen Saales. Sie sagten ihm, daß er die Erlaubnis habe, mit Leuten aus dem grünen Saal nichtmagische Verteidigungsübungen zu machen und legten ihm eine Liste mit Interessenten vor, die von ihnen genehmigt worden war. Es waren neben Claire, Laurentine und Céline noch Barbara, Virginie und Hercules, die sich daran beteiligen wollten. Julius nickte und schlug vor, an den Sonntagen, wenn er keine Pflegehelferübungen hatte, in der Halle für Duellübungen zu trainieren. Barbara zeigte Julius die entsprechende Erlaubnis von Professeur Faucon.

"Aber zu keinem ein Wort, daß wir sowas machen!" Verlangte Barbara von ihrem neuen Mitschüler. Dieser nickte. Er hatte ja auch kein Interesse daran, große Klassen von Leuten zu trainieren, vielleicht noch seine restliche Schulzeit lang.

Am Montag morgen versuchte Mildrid Latierre vor der Arithmantikstunde, Céline erneut zu ärgern, indem sie ihr vorhielt, ja nichts von der besonderen Pflege für ihre Schwester Constance mitzukriegen, weil sie ja nicht in der Pflegehelfertruppe war. Céline knurrte darauf nur, daß Jeanne ihr das alles zeigen würde und sich Millie doch an die eigene Nase zu packen habe. Mildrid wandte sich dann an Julius und fragte ihn herausfordernd schauend:

"Ach, du darfst deiner Klassenkameradin nicht zeigen, wie sich 'ne Frau mit einem ungeborenen Kind bewegen muß? Hat Schwester Florence dir das untersagt?"

"Nein, sie hat es mir nicht verboten. Allerdings denke ich, daß Jeanne Céline das besser zeigen kann, weil sie den passenden Körperbau hat."

"Klar, Julius. Aber besser als dieses Hungergestell auszusehen ist ja auch keine Kunst."

"Eh, jetzt is' aber gut", versetzte Céline Zornig. Millie grinste nur gehässig. Julius erwiderte:

"Ich weiß zwar nicht, was dieser Unsinn soll, Millie, meine aber, daß mich das auch nicht interessieren muß."

"So, muß es das nicht?" Fragte Mildrid lauernd und trat näher auf Julius zu, sodaß er das dezente Parfüm in seine Nase bekam, das die Schwester Martines aufgelegt hatte. Irgendwie mußte dieses und die Art, wie sich das rotblonde Mädchen bewegte und ihn dabei ansah, einen inneren Schalter umgelegt haben, der seinen Herzschlag langsam beschleunigte und seine Körperwärme hochregelte. Offenbar konnte sich Julius nicht schnell genug so gut beherrschen, daß er gleichgültig dreinschaute. Denn Millie lächelte und flüsterte, als sie keinen Meter mehr von ihm entfernt stand:

"Ist gut, daß Jeanne sich mit ihr befaßt. Nachher meint sie noch, ihrer Freundin den Rang ablaufen zu können. Die paßt nicht zu dir."

"Ist ja wohl nicht deine Kiste, Mildrid Latierre", knurrte Julius und wich zurück, weil das Hexenmädchen aus dem roten Saal ihm ziemlich dicht auf die Pelle rückte. Das gefiel ihr wohl. Denn sie rückte einfach nach, sodaß Julius weiter zurückweichen mußte.

"Heh, rotes Luder, lass diesen Blödsinn!" Rief Céline, die das, was Millie da mit Claires Freund anstellte, nicht witzig fand.

"Ich werde mich doch wohl mit deinem Saalkameraden unterhalten dürfen, ohne daß ich laut rufen muß", erwiderte Millie schnippisch, bevor sie Julius sanft am Umhangärmel zupfte und ihn damit zum stillstehen anhielt.

"Deine Leibwache ist aber sehr nervös", flötete Millie belustigt, als Céline und Laurentine vorrückten, um sich neben Julius aufzubauen. Dieser wandte sich um und sagte zu Céline:

"Tut ihr nicht den Gefallen und steigt auf ihr Spiel ein, Mädels!"

"Na, was denn? Welches Spiel meinst du denn?" Fragte Mildrid und legte Julius wie beiläufig die linke Hand auf die rechte Schulter. Céline zischte verärgert zurück, daß sie das ganz genau wisse. Martines Schwester wollte dazu was sagen, verkniff es sich aber, weil gerade Professeur Laplace herankam.

Nach der Stunde beeilten sich Céline, Laurentine und Julius, den Pausenhof zu erreichen. Dort unterhielt er sich mit Claire, Céline und Laurentine über die Sache von vor der Stunde. Claire sah Julius an und sagte leise:

"Ich wußte es, daß sie das nicht sein läßt. Die meint, die könnte dich für sich haben. Ich glaube, ich muß mich morgen nach der Zaubertrankstunde mal mit ihr unterhalten oder ich sage das Barbara, damit die das Martine sagt."

"Mach's doch morgen nach Pflege magischer Geschöpfe", schlug Céline vor. "Wenn du das mit Barbara oder Martine besprichst, lachen die doch nur."

"Das käme auf den Versuch an", grummelte Claire, nickte dann jedoch. Sowas würde die Saalsprecherin der Grünen wohl nicht sonderlich wichtig finden, solange nichts weiter geschah als merkwürdige Andeutungen oder harmlose Berührungen.

Tatsächlich stellte Claire Mildrid Latierre vor der zweiten Doppelstunde am Dienstag zur Rede, was das gestern sollte. Offenbar amüsierte es Millie Latierre, daß Claire sich so heftig darüber aufregte. Julius, der es vorzog, sich nicht in dieses Getue hineinziehen zu lassen, stand bei Robert und André. Bernadette Lavalette, Hercules' Freundin aus dem roten Saal, warf ab und zu einen verächtlichen Blick von Mildrid zu Claire und zurück. Offenbar wußte sie nicht, was da los war oder hielt das für total unsinnig, daß die beiden Mädchen sich um diesen Import-Schüler aus England zankten, wenngleich sie beide noch sehr leise miteinander sprachen.

"Ich fürchte, die Schlacht um dich hat jetzt erst begonnen", grinste André Julius an. Robert nickte nur beipflichtend.

"So, ihr meint, ich sei was, um das man kämpfen dürfte", fragte der ehemalige Hogwarts-Schüler.

"Ich kann mir vorstellen, daß Céline das nicht doll findet, wenn mich eine aus 'nem anderen Saal so angeht, wie Millie das mit dir tut", flüsterte Robert.

"Also was Claire und mich angeht, so haben wir uns doch klar drüber verständigt, wie das zwischen uns aussieht", gab Julius leise zurück, während Bernadette Hercules stehen ließ und herüberkam.

"Tja, das Problem ist nur, daß alle Zauberer zu haben sind, die noch nicht von einer Hexe auf den Besen gezogen wurden", gab André grinsend zurück.

"Sag mal, Engländer", sprach Bernadette Julius an. "Was glaubst du, macht dich so viel wert, daß sich Millie und die jüngere Dusoleil wegen dir so angiften?"

"Hmm, kann ich nicht beurteilen, weil der Körpertauschfluch mich mit Belle und nicht mit Mildrid oder Claire zusammengekettet hat", warf Julius schlagfertig ein. Bernadette sah ihn total verdutzt an, mußte dann jedoch grinsen.

"Du meinst also, daß das den beiden in vier Jahren als dummes Zeug vorkommt, wenn sie daran denken?"

"Das hat er nicht gesagt, Bernadette", sprang Robert Julius bei. Dieser winkte ab und erwiderte:

"Ich habe damit nur sagen wollen, daß mir weder Mildrid noch Claire erzählt haben, wieso ich das wert sein soll und ich das auch nicht nachempfinden konnte, weshalb sie das denken könnten. Ich komme mit Claire wunderbar aus, auch wenn du das nicht wissen mußt. Nach dem Ding mit Connie Dornier habe ich bestimmt keine Lust, mich auf Sachen einzulassen, die mich hier wieder rauskegeln, und Claire will das auch nicht. Aber vielleicht will Millie mich ja von hier weghaben."

"Das glaubst aber nur du", gab Bernadette tiefgründig lächelnd zurück und ging wieder zu Hercules Moulin.

"Ich kann diese Bernie zwar nicht so doll ab, wie Hercules", flüsterte Robert Deloire, "aber recht hat sie damit. Wenn ich das von Céline gestern richtig mitbekommen habe, hat dich Millie auf ihrer Einkaufsliste. Wenn Claire ihr dann auch noch zeigt, daß sie das ärgert, wird's für die doch erst recht interessant. Meine Tante Yvette war mit Madame Hippolyte Latierre zusammen hier. Millies Maman war damals wie ihre beiden Töchter im roten Saal. Tante Yvette war bei den Weißen. Beide hatten sich denselben Freund, Albericus Arno, ausgesucht, Martines Mutter hat ihn letztendlich gekriegt. Na ja, Tante Yvette hätte wohl auch nicht gut neben diesen kleinen Kerl gepaßt."

"Moment, du meinst Monsieur Latierre?" Flüsterte Julius Robert zugewandt.

"Aber ja, Julius. Albericus Latierre war damals schon so groß, wie er heute noch ist. Irgendwie muß in seinem Stammbaum 'n echter Zwerg drinstecken, daß der nach seinem achten Lebensjahr nicht größer wurde. Aber tolle Tricks soll der draufhaben, sagt Tante Yvette. Ja und Vererbungsprobleme gab's ja dann wohl auch nicht, wenn man sich die beiden Latis anguckt und ..."

Was immer Robert noch sagen wollte wurde durch das Auftauchen von Professeur Armadillus abgewürgt. Auch Claires und Millies gesten- und Blickreiche Auseinandersetzung kamen zum erliegen.

In der Stunde hatten sie es von Feen, jenen geflügelten, sehr kleinen menschenähnlichen Wesen, die aus sich heraus leuchten konnten und sich gerne als lebender Raumschmuck verwenden ließen. Jeder Schüler und jede Schülerin bekam ein Exemplar dieser schönen Zauberwesen auf die Hand gesetzt und durfte es mit frischen Blättern füttern. Als die Feen dann wieder in ihre silbernen Käfige eingesperrt wurden, zeterten sie zwar laut und schrill wie die kleinen Affen, die Julius mal im Verwandlungskurs für Fortgeschrittene hatte zaubern sollen, beruhigten sich aber nach kurzem Aufruhr wieder.

"Die Muggel, Mesdemoiselles et Messieurs, sind davon überzeugt, daß Feen normal große, überragend schöne und hauptsächlich gutartige Frauen mit Zauberkräften waren. Offenbar hat ein Muggel in der keltischen Epoche Frankreichs eine besonders schöne Druidin zusammen mit einer echten Fee gesehen und beide dann verwechselt. Deshalb hält sich in der Phantasie der Muggel hartnäckig das Gerücht von der schönen Zauberin, die nur gutes tun darf, wenn das Wort "Fee" fällt", erklärte der Lehrer, während er die Vorführfeen wieder an ihren Platz in der Schulmenagerie zurückbrachte. Einige Jungen sahen die Mädchen der Klasse an und scherzten, daß die ja dann noch einiges anstellen mußten, um als Muggelfeen durchzugehen. Bernadette sah Hercules sehr drohend an, als dieser was sagen wollte. Claire grinste Julius an, ebenso wie Belisama und Millie. Der ehemalige Hogwarts-Schüler sagte jedoch nichts dazu, solange Armadillus in Hörweite stand. Erst in der Pause fragten ihn die drei Mädchen, ob er das, was die anderen Jungen da von sich gegeben hatten, auch so empfand. Julius sah Belisama an und meinte:

"Also bei den Muggeln könntest du in einem hauchdünnen weißen Kleid mit rosa Schleppe und Goldflitter im Haar und am Kleid als Fee durchgehen. Millie ist dann doch eher eine Amazonenprinzessin, also die Tochter einer Kriegerkönigin, während du, Claire eher einer orientalischen Prinzessin ähnelst, wegen der dunklen Haare und braunen Augen."

"Ui, Claire, du hast ihn aber gut hingekriegt", flötete Millie. "Der kann ja richtige Komplimente machen."

"Das konnte er vorher auch schon, Millie. Aber ich bin dafür besser empfänglich als du", gab Claire schnippisch zurück. Belisama lächelte vielsagend und bedankte sich bei Julius für diese Schmeichelei. Dann ging sie zu ihren Klassenkameradinnen zurück, während Millie erst abzog, als Claire, Céline und Laurentine sie durchdringend genug ansahen.

"Joh, bis heute Nachmittag dann", sagte Millie mit einem frechen Augenaufschlag in Julius' Richtung und schritt grazil von dannen.

"Das war eben aber nicht gerade mutig, dich schön von uns fernzuhalten, Julius", tadelte Claire ihren ersten richtigen Freund. Dieser fragte sie, wieso nicht. Sie erklärte ihm, daß er ruhig vor Millie hätte bestätigen sollen, daß er mit ihr zusammen sei und es nicht darauf anlegte, sich eine andere zu suchen. Julius erwiderte darauf nur:

"Claire, ich bin mir jetzt sicher, daß Millie mir das nicht abgekauft hätte, ja dann wirklich hinter mir herläuft oder mich irgendwie dazu bringt, hinter ihr herzulaufen."

"Das könnte ihr so passen, daß du hinter ihr herläufst, Cherie", schnaubte Claire, mußte jedoch nicken. Dann erzählte sie Julius, daß Millie fest daran glaube, Julius gehöre nicht in den grünen Saal und könnte ja auch nicht wissen, welches Mädchen die richtige sei, weil sie, Claire, ihn ja vorher so bearbeitet hätte, daß er, Julius, das glaubte, mit ihr besser zurechtzukommen. Julius fragte dann zurück:

"Ach, und Caro scheint das dann nicht so zu sehen? Die hat doch in Millemerveilles auch versucht ..."

"Tja, in der Bande ist Millie etwas besser als Caro. Außerdem hat sich Caro damit abgefunden, sich jemanden zu suchen, der sich nicht so einschränkt, wie du es wohl ihrer Meinung nach tust. Aber das hat dich nicht zu kümmern", stellte Claire unumstößlich klar. Céline sagte dazu noch:

"Du bist jetzt das erste halbe Jahr hier, Julius. Offenbar reicht das Mädchen wie Millie aus, um zu finden, daß du es ihnen wert bist und anderen wie Caro oder Bernadette, daß du es ihnen nicht wert bist, hinter dir herzulaufen. Aber ich hab's dir schon nach dem ersten Tag hier gesagt, Claire, daß Millie dir Konkurrenz machen wird. Erinnerst du dich?"

"Ja, aber das war dein erster Eindruck, Céline. Wenn ich das so ernst genommen hätte, wie es offenbar ist, hätte ich da nicht drüber gelacht."

"Außerdem ist es ja noch Julius' Sache, ob er sich hier so früh schon festlegt", wandte Laurentine ein, der diese Unterhaltung langsam auf die Nerven ging. Claire sah Laurentine an und knurrte nur:

"Das hängt ja wohl auch von der ab, mit der er zusammensein will, oder, Bébé? Du kannst doch nicht einfach hingehen und sagen, daß es vollkommen egal ist, wenn jemand mit wem befreundet ist und den oder die dann einfach nach einer gewissen Zeit wegstößt. Aber ist ja klar, daß du im Moment so redest, wo du ja nicht denkst, hier hinzupassen."

"Mädels, das ist euer Ding jetzt", sagte Julius dazu, weil er merkte, daß die etwas unbehagliche Stimmung zu einer sehr gereizten Atmosphäre anwuchs. Er schlenderte einstweilen allein über den Pausenhof, wobei er sich kurz mit Sandrine und Gérard Laplace unterhielt. Dann ging es in die Kräuterkundestunde.

Weil Professeur Fixus vor allen anderen Schülern vor dem Zaubertrankklassenraum ankam, wurde die Käbbelei zwischen Claire und Mildrid nicht weiter fortgesetzt. Nach der anstrengenden Stunde trainierte die Mannschaft des grünen Saales Quidditch, wobei beide einsetzbaren Sucher und alle Treiber und Jäger der Mannschaft aufmarschierten, um Sucherblockaden im Rahmen der Regeln und schnelle Vorstöße zum Torraum zu trainieren.

"Julius, du gehst jetzt mal in mein Tor", sagte Barbara nach einer Dreiviertelstunde Training. Jeanne nickte beipflichtend. Julius widersprach, daß er doch kein Hüter sei und lieber auf der gewohnten Position bleiben würde. Er hätte fast gesagt, daß Barbara wohl wollte, daß er wegen des Ganymed 10 an ihrer Stelle die Torringe sichern sollte. Doch er verkniff es sich gerade soeben noch.

"Wir müssen für die nächste Saison einen neuen Hüter finden, Julius. Du bist nur einer von allen, die in Frage kommen", sagte Jeanne sehr entschlossen. Der Sohn einer Computerprogrammiererin und eines Chemikers murrte zwar, gab aber dann klein bei und bezog seine Stellung vor den Torringen.

Da er den Ganymed 10 nur wie einen Ganymed 9 fliegen durfte, war es schon eine große Versuchung, schnelle Angriffe mit der überragenden Wendigkeit dieses Besens zu kontern. Doch er hielt sich an die Anweisung Professeur Faucons und ließ lieber einige Quaffel durchkommen als zu zeigen, daß sein Besen um Längen besser war als dessen Aufschrift angab. Dennoch waren Barbara, die vorübergehend auf die Zuschauertribüne gestiegen war, sowie Jeanne sehr zufrieden. Vielleicht, vermutete Julius, wollten sie auch nur testen, ob er sich und den Besen wirklich so gut beherrschte, daß es keinem auffiel, welchen Superrenner er flog.

"Gut, das reicht. Von zwanzig Schüssen hast du neun nicht gekriegt, was durchaus kein Problem ist, da du das ja außer bei deiner ersten Ansicht hier nie wieder gemacht hast. Nächste Woche trainiert mal Monique als Hüterin, für zehn Minuten. Yves kann ja nicht, weil der ja im nächsten Jahr genauso wenig hier ist wie Barbara und ich", erklärte Jeanne, Julius zugewandt. Dann beendete sie die Stunde.

Der Rest der Woche verstrich ohne weitere große Ereignisse.

Am Sonntag traf sich die kleine Gruppe, die von Julius Selbstverteidigung ohne Waffen und Zauberkraft erlernen wollte. Professeur Faucon beaufsichtigte die Übungsstunde gewissenhaft. Julius brachte den Mädchen aus seinem Saal bei, wie man sich ohne großen Kraftaufwand aus einer Umklammerung befreien oder einen übermächtigen Gegner aus dem Gleichgewicht bringen konnte, um Zeit zur Flucht zu haben. Dabei ließ er sich von Barbara, der größten und Stärksten in der Gruppe, als Versuchsobjekt benutzen. Es gelang ihm immer wieder, sich aus ihrem Schwitzkasten zu lösen oder durch Beinsichelbewegungen einen Fuß von ihr fortzuhebeln, um sich dann durch einen geschickten Fall aus der Umklammerung zu befreien. Zum Schluß wiederholte er noch einmal, was er vor der Stunde gesagt hatte:

"Das ist beeindruckend, was hier möglich ist. Aber ich sage es euch und Ihnen gerne noch mal und hoffe, das ich das nicht andauernd wiederholen muß: Was ich hier zeige ist nur zur eigenen Verteidigung. Ich habe das als eine der wichtigsten Sachen gelernt, daß man niemals von sich aus mit jemanden kämpfen soll, also keinen damit angreifen darf, was ich euch hier zeige. Ich mach das hier nur, weil ich weiß, daß man sich danach etwas sicherer fühlt, ja irgendwie dann auch ruhiger ist, wenn was passiert, was Angst machen kann. Aber diese Kunst ist keine Erlaubnis, einfach auf jeden draufzuhauen, der einem nicht paßt. Mein japanischer Lehrmeister hat mir das lange beibringen müssen, daß jeder Kampf, den man nicht kämpfen muß, ein gewonnener Kampf ist."

"Insofern gilt für diese beeindruckende Körperfertigkeit dasselbe wie für meinen Unterricht gegen die dunklen Künste. Dinge, die sowohl als Angriff wie auch als Verteidigung benutzt werden können, sollten nie als generelle Erlaubnis zum Angriff auf andere Mitmenschen angesehen werden. Sie lernen bei mir nur Flüche, weil es passieren kann, daß reine Verteidigungsaktionen Sie nicht aus der Gefahr retten können. Wer jedoch einen Kampf eröffnet, fordert förmlich eine mögliche Niederlage, weil sein Gegner dann alle Mittel der Verteidigung und des Gegenangriffs ausschöpfen wird, die er oder sie kennt. Deshalb finde ich es sehr lobenswert, daß Ihr Lehrmeister Sie nicht nur körperlich, sondern vor allem moralisch gut unterwiesen hat, Monsieur Andrews. Wir sehen uns dann also in zwei Wochen wieder hier."

"In Ordnung, Professeur Faucon", sagten alle Freizeitkursteilnehmer waffenlose Selbstverteidigung - so hatte die Saalvorsteherin der Grünen diesen Sonntagskurs genannt - und gingen ihrer Wege.

 

__________

 

Der Montag der Woche, in der das Spiel Grün gegen Violett angesetzt war, begann lustig, weil Professeur Pallas wieder eine Doppelstunde Geschichte der Zauberei als Stehgreiftheatervorstellung abhielt, in der ihre Klasse in die Rollen altehrwürdiger Hexen und Zauberer schlüpfen mußte. Dabei kam es wegen der alten Sprechweise oft zu Wortverhedderungen, und die früheren Umhängen nachempfundenen Kostüme ließen ihre Träger etwas schwerfällig daherlaufen. Auf jeden Fall blieb viel von dem hängen, was die Lehrerin vermitteln wollte.

"In den nächsten Stunden besprechen wir das Zeitalter der dunklen Matriarchin Sardonia. Ich weiß, daß gerade Claire Dusoleil das sehr interessieren dürfte, wie auch dich, Julius, da du ja in Millemerveilles gute Kontakte unterhältst und dich bestimmt schon oft gefragt hast, was damals alles passiert ist. Das wird, soviel nur zur Warnung, bestimmt nicht so amüsant, wie die Stunde heute, aber es ist nun einmal so, wie ich es am Anfang dieses Jahres noch gesagt habe, daß wir alle unsere Vergangenheit kennen müssen, um die darin gemachten Fehler nicht zu wiederholen. Und leider gehört Sardonia Tristana vom Bitterwald, die dunkle Matriarchin, zu einem der schlimmsten Dinge, die wir mit Sicherheit nicht wiederholen wollen. Wer Lust hat, kann ja im Verlauf der nächsten sechs Stunden Kurze, höchstens fünf Minuten lange Sondervorträge vorbereiten, die wir uns dann zu Beginn jeder Stunde anhören können. Bücher über Sardonia gibt es eine Menge. Ich empfehle Ihnen auf grund seiner zusammenfassenden aber umfassenden Handlung das Werk "Aufstieg und Fall der dunklen Matriarchin", das unter anderem von Madame Catherine Brickston, einer sehr geschätzten Fachkollegin in Paris, sowie den Experten für frühe Erscheinungsformen der dunklen Künste Chevallier und Lumière verfaßt wurde. Allerdings kann wer will auch andere Bücher zu diesem Thema finden. Madame D'argent hat da immer genügend Empfehlungen parat."

Julius entging nicht, daß die Lehrerin mit der walnußbraunen Dauerwellenfrisur ihn kurz aber bestimmt anblickte. Also hatte ihr Professeur Faucon doch zugespielt, daß seine neue Zaubereiausbildungsbetreuerin Catherine Brickston ihm dieses Buch schon geschenkt hatte. Doch er ließ es sich nicht anmerken, daß er sich angesprochen fühlte und verließ mit seiner Klasse den Unterrichtsraum, als die Schulglocke das Stundenende verkündete.

Auf dem Weg zum Arithmantikklassenraum besprachen Céline, Laurentine und Julius, daß sie sich zusammen mit Claire, wenn diese wollte, einen Kurzvortrag zusammenstellen würden. Julius verriet den beiden Mädchen, daß er dieses empfohlene Buch von Catherine Brickston zu Weihnachten bekommen hatte, was Céline nicht wunderte.

"Klar, die hat ja auch in der dritten Klasse hier dieses Thema gehabt und dann noch an diesem Buch mitgeschrieben. Da hat die bestimmt genug Freiexemplare bekommen, als ihr Buch in Druck ging."

"Das war aber jetzt unfein, Céline, Julius zu stecken, daß sie für ihn kein Geld ausgegeben hat", warf Bébé ein. Julius winkte ab.

"Die hat mir ja nicht nur dieses Buch geschenkt, Bébé, sondern noch einiges andere. Das beste davon ist ja, daß meine Mutter nun in ihrem Haus mitwohnen darf. - O 'tschuldigung!" Julius lief rot an, als er sah, wie heftig seine Worte Laurentine erschütterten. Er sah kleine Tränen in den Augen der muggelstämmigen Klassenkameradin. Diese sagte mit schwer ihre Schwermut unterdrückender Stimme:

"Ist schon in Ordnung, Julius. Du mußt mich nicht bemitleiden. Davon wird das für mich hier auch nicht besser."

"Klar, Bébé", stimmte Julius ihr zu.

Vor dem Arithmantikraum stand erst einmal nur Millie Latierre, die freudestrahlend Julius ansah und die beiden Mädchen aus dem grünen Saal beiläufig anblickte, wie nicht benötigtes aber mit eingekauftes Zubehör für ein Haushaltsgerät.

"Ach, heute mal die erste?" Fragte Julius locker, um bloß nicht den Anschein aufkommen zu lassen, Claire hätte ihm verboten, mit Millie ein weiteres Wort zu sprechen. Diese lächelte ihn an und nickte dazu.

"Professeur Bellart hat uns heute mal fünf Minuten früher rausgelassen, weil Apollo mit einem Nebelzauber die ganze Klasse zugedunstet hat. Offenbar war das ein irregulärer Qualm, den er da gezaubert hat, weil der einfache Disnebulatus-Zauber den nicht weggeputzt hat. Weil wir aber nicht mehr die Hand vor Augen sehen konnten, hat uns Professeur Kugelrund früher abziehen lassen."

"Häh, wegen so'n bißchen Zaubernebel?" Fragte Céline ungläubig.

"Das kann passieren, wenn du bei den Zauberstabbewegungen den letzten Schlenkerer nicht im sondern gegen den Uhrzeigersinn machst. dann sammelt sich nämlich jeder Wassertropfen der umgebung in dem zu bezaubernden Raum und strömt nach. Kann dann auch passieren, daß einzelne Ruß- und Staubpartikel mit einbezogen werden", wußte Julius. Millie grinste nur.

"Den Spruch hat Bernie auch abgelassen, Julius. Ich weiß nicht, was die gegen dich hat. An und für sich müßtet ihr gut zusammenpassen."

"Das glaubst du doch selbst nicht", fuhr Céline dazwischen. "Dann würdest du doch deine Finger von ihm lassen."

"Huhu, Céline, wie kommst du denn auf so'ne Idee?" Trällerte Mildrid Latierre. Céline, die jetzt erst merkte, daß sie sich mit ihrer Äußerung ein Bein gestellt hatte, verzog das Gesicht vor Wut auf sich selbst. Laurentine fragte Julius, ob man solchen Nebel nicht einfach durchs Fenster abziehen lassen könne. Der gefragte schüttelte den Kopf.

"Das ist eben das, wo die Magie unsere Physik austrickst. Wenn du einen bestimmten Raum falsch bezauberst, hält er alles in sich zurück, was mit dem Zauber verbunden ist. Das ist dann so, als würdest du eine große Wolke am Himmel sehen, die nicht weiterschwebt, weil Wind fehlt. Ums mit Begriffen aus den Raumfahrtgeschichten zu beschreiben, Bébé: Den Raum durchdringt ein Energiefeld, das alles festhält, was zum Zeitpunkt seiner Errichtung im Raum herumflog oder zieht noch mehr an."

"Is' ja auch nicht so wichtig, wenn wir das lernen, wie solcher Nebel wieder weggeht", warf Céline ein. Dann fragte sie: "Wieso kann Professeur Bellart solchen Nebel nicht einfach wieder wegmachen? Die ist doch graduierte Zauberkunstexpertin."

"Ein Besenbauer kann auch keinen kaputten Besen in zwei Sekunden wieder zusammensetzen", warf Millie ein.

Belisama und Estelle kamen herbei, zusammen mit Edith, Estelles Cousine aus dem violetten Saal. Céline und Laurentine unterhielten sich mit den drei Mädchen. Julius stand einige Schritte abseits, weil er sich für einige Momente überflüssig vorkam. Doch Mildrid Latierre gönnte ihm dieses Gefühl nicht lange. Als sie sicher war, das seine Klassenkameradinnen im Moment nichts mit ihm besprechen wollten, winkte sie ihm zu. Er fand, daß es albern wirkte, wenn er so tat, als dürfe er nicht zu ihr hingehen und entfernte sich weiter von den fünf miteinander redenden Mädchen.

"Ich wollte das nicht zu laut sagen, weil ich nicht weiß, ob nicht jemand durch den Gang läuft, der daran gedreht hat, Julius, aber ich fürchte, irgendwer hat heimlich im Zauberkunstraum einen von Forcas' Zauberscherzen aufgebaut, die Brodembombe. Sie wird durch ein Schlüsselwort oder durch einen Wasser- oder Luftelementarzauber ausgelöst und verbreitet dann volle zehn Stunden lang einen nicht verflüchtigenden Dampf, der sich ständig weiter verdichtet, solange in der Nähe fließendes Wasser zu finden ist. Das ist der neueste Schlager, nachdem die die Fontänenphiolen noch weiter verbessert haben. Ich denke mal, daß das Jacques und seine blauen Buben waren. Aber das braucht uns ja jetzt nicht zu interessieren. Hast du die Feuerformeln begriffen, die wir heute drannehmen sollen?"

"Aber klar. Ist nur so'n Ding mit der Systematik, weil Feuer zum einen als innere und andererseits als natürliche Gegebenheit angesehen wird, wegen der Energieumwandlung", sagte Julius und zwang sich, Ruhe zu bewahren, weil Millie wieder so nahe auf ihn zugekommen war, daß er fürchtete, beim nächsten Atemzug eines ihrer rotblonden Haare in die Nase zu kriegen.

"Ja, Feuer brennt eben nicht nur im Kamin", säuselte die Drittklässlerin aus dem roten Saal mit verruchter Betonung. Julius Andrews versuchte, nicht zu angestrengt zu wirken, weil ihm Stimme und Blick von Martines Schwester wieder jene merkwürdige Erregung in den Leib trieb, die er bei Claire ab und an und vor einer Woche bei Martine so heftig empfunden hatte. Offenbar mußte Mildrid über eine Art Legilimentie-Gabe verfügen, denn sie stellte sich so vor ihn, daß ihre Pose, ihr Gesichtsausdruck, ihre Figur und ihr Parfüm diese Empfindung noch verstärkte. Dann legte sie vorsichtig einen Arm um Julius, der diese Annäherung dann doch nicht tatenlos hinnahm und sich vorsichtig zurückzog.

"Du bist wahrlich keiner von denen aus dem grünen Saal. Vielseitigkeit allein macht ja noch keinen Grünen aus", flüsterte Mildrid amüsiert. Julius fragte sich, wieviel er trotz seiner Selbstbeherrschung über sein Gesicht und seine Körperhaltung mitteilte, daß diese Hexe vor ihm genau wußte, was sie tun mußte, um ihn in diese merkwürdige Stimmung zu versetzen. Zu allem Überfluß lief er noch knallrot an, als habe Millie ihm gerade eine für ihn peinliche Sache erzählt. Sie lachte darüber, leise aber deutlich.

"Das ist so. Finde dich damit ab, daß ich dich durchschaut habe. Claire weiß das natürlich auch, sonst wäre sie nicht so radedoll darauf angesprungen, daß ich mich mit dir unterhalte."

"Öhm, Mademoiselle, ich möchte doch darum bitten", setzte Julius an, der fand, doch mal was dazu sagen zu müssen. Millie legte ihm sacht die Hand auf den Mund und flüsterte:

"Das muß dir nicht peinlich sein, daß jemand außer angewiesenen Leuten sich für dich interessiert. Schade nur, daß dieser Teppich dich nicht doch zu uns geschickt hat. Ich denke, du hast doch etwas mehr rote als grüne Eigenschaften in dir."

"Klar, deshalb hat mich dieser Fußabtreter auch gleich nach dem dritten Schritt dem grünen Saal zugeteilt", erwiderte Julius,als Millie seinen Mund wieder freigab. Sie grinste nur.

"Es heißt zwar in den Bulletins de Beauxbatons, daß die Zuteilung bis zum heutigen Tag gestimmt hat, wird aber doch oft genug hinterfragt, weil es eben auch mal Leute gab, die mehr Merkmale für einen anderen Saal hatten als für den, in dem sie gewohnt haben. Die Montferres glauben, daß Barbara und jetzt du gar nicht zu den Grünen gehört, ebenso wie Connie Dornier keine echte Weiße ist, von ihrer klapperdürren Schwester ganz zu schweigen. Wie die Bernie oder mich angegriffen hat, zeigt das doch, daß sie eher zu uns gehört oder gar zu den Blauen, die sich ja nicht drum kümmern, was sie anstellen. Ich behaupte mal sogar, daß du mit Sicherheit bei uns hättest wohnen müssen, wenn deine Eltern deine wahren Eigenschaften richtig gefördert hätten."

"Ach, ich dachte, der Teppich teilt so ein, wie seine Magie den, der auf ihm herumläuft, im Vergleich mit bestimmten Vorgaben auswählt."

"Ach und du denkst, weil die Gründer der sechs Säle diesen Teppich geknüpft und bezaubert haben, hätten die alle ihre persönlichen Eigenschaften darin untergebracht, wie in diesem Hut, den ihr in Hogwarts aufsetzen müßt?"

Julius konzentrierte sich, nicht verwundert zu wirken, weil Millie den sprechenden Hut kannte, was für Leute, die nicht in Hogwarts waren, völlig undenkbar sein sollte.

"Was für'n Hut?" Fragte er dann noch. Millie sah ihn nur verächtlich an. Dann fuhr sie fort:

"Die gute Serena Delourdes hat in einem Buch über Erziehung zur Selbständigkeit mal erwähnt, daß sie den Einteilungsbedingungen nach als Schülerin eher im roten Saal gelandet wäre, wenn der damals kein reiner Jungensaal gewesen wäre. Tja und Logophil vom hohen Tal wäre nach einer Deutung, die seine Gründungskollegin Viviane Eauvive mal geäußert hat, auch eher zu den Gelben gezählt worden, wenn der damals kein reiner Mädchensaal gewesen wäre. Aber das kannst du ja alles selber lesen, weil du ja die Chronik hast und bestimmt auch die "Weltsicht der Viviane Eauvive"."

"Hmm, das erste habe ich wirklich. Das wird dir Caro wohl gesteckt haben. Aber das zweite kenne ich nicht."

"O das solltest du dir dann aber zulegen. Martine hat alle Bücher, die von den Gründern selbst geschrieben wurden, und ich bin voll der Ansicht, daß alle Saalsprecher die haben."

"Ja, dann brauche ich das auch nicht, weil ich wohl hier kein Saalsprecher werde."

"Achso, das weißt du jetzt schon? Ich dachte, du hättest nur Arithmantik und Magizoologie und nicht Wahrsagen", versetzte Mildrid Latierre. Julius schwieg dazu. Er war sich nun sicher, daß dieses Mädchen ihn nur so lange wie möglich bequatschen wollte. Er blickte sich um und sah, daß Professeur Laplace herankam. Das war für ihn der ideale Grund, sich wortlos zu seinen beiden Klassenkameradinnen zurückzuziehen.

In der großen Pause hatte Julius als Pflegehelfer zusammen mit Professeur Bellart Aufsicht auf dem Pausenhof. Die Zauberkunstlehrerin war sichtlich gereizt. Die gewohnte Erhabenheit, wie sie vielen Lehrern hier eigen war, war der rundlichen Hexe mit den rotblonden Zöpfen völlig abhanden gekommen.

"Wenn ich weiß, wer mir diesen vermaledeiten Brodem in den Klassenraum geblasen hat, wird er oder sie sich sehr heftig umschauen", machte sie sich Luft, als Julius neben ihr über den Pausenhof schritt. Auffällig war, daß die Schülerinnen und Schüler des blauen Saales sehr vorsichtig waren. Üblicherweise stellten die in den großen Pausen irgendwas an oder tauschten Scherzartikel oder Vorschläge für Streiche aus.

"Dann glauben Sie nicht, daß Apollo Arbrenoir ...?"

"Keine Sekunde, Junger Mann", sagte die Zauberkunstlehrerin. "Der hat nur nichts ahnend einen magischen Scherzartikel ausgelöst, eine Nebelbombe. Ich las davon, daß Felix Forcas und seine Bande von respektlosen Zauberkünstlern sowas auf den Markt der Unmöglichkeiten gebracht haben. Ich mußte die zweite Stunde, wo ich mit der UTZ-Klasse Ihres Saales zu tun hatte, in einer kleinen Abstellkammer abhalten, weil ich diesen Nebel nicht wegbekommen kann. Heute Nachmittag habe ich die dritte Klasse aus dem blauen Saal. Würde mich nicht wundern, wenn von denen wer damit zu tun hat. Aber beweisen läßt sich sowas natürlich nur, wenn man einen Untäter direkt bei der Untat zu fassen bekommt oder nachprüfbare Spuren findet. Forcas' Mixturen und Mechanismen pflegen aber nach Ablauf ihrer Wirkungsdauer in flüchtigen Rauch aufzugehen."

"Von diesem Nebel hat Mademoiselle Latierre was erzählt. Kriegen Sie den wirklich nicht weg?"

"Monsieur, ich hoffe sehr, daß Sie Ihren Respekt vor mir nicht verlieren. Aber von allen fünfzig Arten, elementare Unstimmigkeiten zu beseitigen hat keine gewirkt. Forcas ist, daß muß ich ihm bei aller Mißbilligung zugestehen, eine Kapazität auf dem Gebiet der Alchemie und verknüpfenden Zauberkunst. Er hätte meine Stellung hier antreten können, wenn er nicht im Sinne von Petronellus von den blauen Hügeln seine Gabe der Anstiftung und Durchführung von magischen Unerhörtheiten gewidmet hätte." Julius mußte sich sehr beherrschen, nicht verlegen auszusehen. Immerhin hatte er Kevin einige Spitzenprodukte aus der Scherzartikelschmiede von Felix Forcas zu Weihnachten geschenkt. Dafür hatte er auf dem Umweg einiges von den Weasley-Zwillingen bekommen, das hier in Beauxbatons nicht so gut angeschrieben war. Ursprünglich hatte er die Bonbons, die man zum Vortäuschen von Krankheiten kauen konnte, in den Alchemiekurs mitnehmen wollen, doch er hatte sie in Paris gelassen.

"Ich habe da einen Kristall bekommen, der Nebel und Qualm auflösen kann", sagte Julius leise. "Vielleicht kann der diesen Zaubernebel ..."

"Habe ich schon probiert, mit solch einem Kristall, Monsieur Andrews. Der Kristall hat sich dabei selbst aufgelöst, weil die Magie, die er verdrängen wollte, zu mächtig war. Ich fürchte, wir werden auch die Stunde, in der Ihre Klasse bei mir antreten muß, in dieser Abstellkammer abhalten müssen", sagte Professeur Bellart.

"Oder auch nicht, Professeur. Vielleicht hat dieser Monsieur Forcas das Zeug so verhext, daß jede übliche Gegenmagie es verstärkt. Dann müßte doch die Beschwörung von Nebel nach dem mathematischen Gesetz Minus mal Minus gleich Plus den Nebel wie er ursprünglich wirkte aus der Klasse austreiben."

"Moment, Sie meinen, ich müßte nur einen weiteren starken Dunst in den Klassenraum zaubern, und dieser Brodem würde sich dann verflüchtigen?"

"Bei nichtmagischen Sachen könnte das so gehen. Inverse Logik hat meine Mutter das genannt, wenn man um was zu schaffen genau das Gegenteil tun muß. Aber bei Magie bin ich da natürlich nicht sicher."

"Das käme auf den Versuch an. Das Prinzip klingt zumindest vielversprechend", sagte die Zauberkunstlehrerin lächelnd. "Forcas geht ja immer davon aus, daß man alle bekannten Gegenzauber anwenden wird, um seine Effekte zu neutralisieren. Wollen doch prüfen, ob es nicht tatsächlich andersherum geht. Folgen Sie mir bitte zu Mademoiselle Delamontagne!"

Julius folgte der Lehrerin, bis sie bei Virginie und ihren Klassenkameradinnen angelangt waren. Da die Grünen aus der sechsten Klasse die vorangegangene Stunde Zaubertränke zusammen mit den Roten hatten, standen die Montferre-Schwestern noch in der Gruppe aus Jungen und Mädchen der sechsten Klasse, zu der Virginie gehörte. Professeur Bellart sprach kurz und leise mit Virginie, während sich die Montferres mit Julius über das nächste Quidditchspiel unterhielten. Als einer der Blauen dann meinte, die Gunst der Stunde nutzen zu können und eine Feuerballmurmel aus der linken Umhangtasche von sich warf, die keine zehn Meter entfernt zu einem kopfgroßen lodernden Glutball anwuchs, schnellte Professeur Bellart herum, riss den Zauberstab hoch und rief: "Extingio!"

Die Kugel aus Feuer fauchte wie ein Klatscher beim Quidditch über den Pausenhof, immer im Zickzack. Schülerinnen und Schüler duckten sich in Panik unter der irrsinnig herumfliegenden Flammenkugel. Der eisblaue Lichtkegel aus Professeur Bellarts Zauberstab prallte auf den Feuerball und erlosch. Die Glutkugel blähte sich auf die doppelte Größe auf und loderte nun nicht mehr orangerot wie vorher, sondern gelblich-grün, wie eine von innen beleuchtete Chlorgaswolke, ging jedoch nicht aus.

"Versuchen Sie das, was wir gerade besprochen haben!" Schlug Julius leise vor. Die Lehrerin nickte entschlossen, hob den Zauberstab und rief:

"Bollidius!"

Alle warfen sich hin, möglichst aus der Reichweite des flitzenden Feuerballes bleibend. Die meisten wußten, daß der Bollidius-Zauber eine kräftige Feuerkugel beschwören konnte, die bis fünfzig Meter weit im Ausrichtungswinkel des Zauberstabes flog und dort, wo sie auf ein festes Hindernis prallte, in einer meterbreiten Flammenwolke auseinanderplatzte, die mit höllischer Hitze alles in Sekunden verbrennen oder schmelzen konnte. So flog nun eine blaue Feuerkugel von Professeur Bellarts Zauberstab los, raste laut fauchend auf die gelblich-grüne Kugel aus Zauberfeuer zu, krachte dumpf mit dieser zusammen ... und löste sich mit dieser zusammen in eine weiße Nebelwolke auf, die sich blitzartig über den Pausenhof ausbreitete und einen Hauch eisiger Kälte verströmte, wie sie am Nord- oder Südpol zu Hause war. Dieser gefrierkalte Nebel löste sich aber nach nur zehn Sekunden vollständig wieder auf und hinterließ einen unversehrten Pausenhof und hunderte bibbernde, angstvoll auf dem Boden liegende Schüler.

"Das sind mal eben einhundert Bonuspunkte für Sie Monsieur Andrews wegen erfolgreicher Mitarbeit bei der Bekämpfung einer unerwünschten Zauberei und gleichviele Strafpunkte für Monsieur Conell, wegen Freisetzung einer gefährlichen Zauberei!" Sagte Professeur Bellart leise. Ob sie es laut rief oder flüsterte spielte keine Rolle, wußte Julius. In jedes Schülers Wertungsbuch, das im magischen Tresor des zuständigen Saalvorstehers aufbewahrt wurde, wurden Bonus- und Strafpunkte sofort notiert, wenn ein Lehrer oder Saalsprecher oder dessen Stellvertreter sie auch nur halblaut verkündete.

"Ich bin jetzt zuversichtlich, daß ich Dank Ihres Hinweises auch dem Brodem im Zauberkunstklassenraum beikommen kann. Aber für den Fall, daß dies nicht gelingt, Mademoiselle Delamontagne, bitte ich Sie darum, die dritte Klasse nach der Pause zur leeren Abstellkammer im vierten Stockwerk zu geleiten. Sie haben die nächste Stunde bei Professeur Pallas?"

"So ist es, Professeur Bellart", erwiderte Virginie. Die Zauberkunstlehrerin stellte der stellvertretenden Saalsprecherin der Grünen einen Brief aus, der ihre Verspätung bei Professeur Pallas entschuldigte und kehrte dann mit Julius zur üblichen Begehung des Pausenhofes zurück. Dabei kamen sie auch an Sandrine und Gérard vorbei, die sich angeregt über den Vorfall von eben unterhielten.

"Hallo, Julius! Das war ja heftig mit den beiden Feuerkugeln. Aber woher wußten Sie, Professeur Bellart, daß zwei magische Feuerbälle sich gegenseitig auslöschen?"

"Das werde ich Ihnen jetzt nicht verraten, Mademoiselle Dumas", sagte die Lehrerin und winkte Julius, ihr weiter zu folgen.

Am Ende der Pause nahm Professeur Bellart Julius mit zu ihrem Klassenraum. Sofort schlug ihnen dichter grauweißer Dunst entgegen, der sie vollständig einhüllte und ihre Konturen wie sehr schwache Schatten an einer grauweißen Wand erkennen ließ. Julius schnupperte und nahm einen Geruch von Flußwasser in seine Nase auf. Dann stimmte das doch, daß dieser Nebel sich aus fließendem Wasser zusammenbraute. Der Schall ihrer Schritte wurde so stark geschluckt, als hätte Julius sich Watte in die Ohren gesteckt. Dennoch fand er es irgendwie amüsant, wie er in der dunstigen Wolke stand, die langsam seinen Umhang durchnässte.

"Tolles Wetter heute. In London ist bei so'nem Wetter eine große Strandparty."

"Natürlich, Ihnen ist dieses Wetterphänomen wohl bekannt. Doch nun wollen wir sehen, ob Ihre Theorie von der inversen Logik funktioniert. Creato Nebulam!"

Julius bekam nicht mit, ob der Zauber von Professeur Bellart etwas bewirkte. Er spürte nur, wie der Nebel sich bewegte, mit kalten feuchten Händen über seine Wangen strich, ihm in den Umhang kroch und daran rüttelte. Der englische Beauxbatons-Schüler tastete sich mit vorgestreckten Händen seinen Weg durch die immer stärker in Wallung geratende Nebelwolke, hin zu den Fenstern und öffnete sie. Sofort meinte er, von einem starken Wind erfaßt zu werden, der ihn aus dem Klassenzimmer hinausblasen wollte. Dann sah er, wie der Nebel sich lichtete, bis die Umrisse der Möbel und Wände wieder als solche zu erkennen waren. Doch dann, Julius glaubte schon, daß auch hier die umgekehrte Herangehensweise wirken würde, erscholl ein hönisches Gelächter aus unortbarer Quelle, und eine basslastige Stimme rief schadenfroh klingend:

"Ach, hat das jemand mal ausprobiert?! Netter Versuch, aber bei dieser Version nicht wirksam genug. Schöne Grüße von Felix Forcas & Compagnions! Schneien Sie doch mal bei Gelegenheit bei uns rein, wie unser Zauber bei Ihnen!"

Noch mal erscholl das hönische Lachen, bevor es unvermittelt eiskalt wurde und schlagartig aus dem Nebel ein Schneegestöber wurde, das unerschöpflich von der Decke herabfiel und in wenigen Sekunden Boden und Möbelstücke mit einer Pulverschneedecke überzog.

"Verdammt genial!" Mußte Julius anerkennen, während der auf ihn niederfallende Schnee ihn langsam frieren ließ.

"So dumm sind die bei Forcas also nicht mehr", mußte auch Professeur Bellart anerkennen. Dann gebot sie, daß Julius das Klassenzimmer verließ und den Weg ging, den sie Virginie angewiesen hatte. Er befolgte den Befehl, wenngleich er nicht die Zeitversetztgänge und Tricktreppenhäuser benutzte, sondern sich mit dem Pflegehelferschlüssel durch das Wandschlüpfsystem in einen Korridor bringen ließ, von dem aus er nur eine feststehende Abzweigung nach links nehmen mußte und vor dem gewünschten Raum ankam. Unterwegs beseitigte er mit Zauberkraft den langsam tauenden Schnee auf Hut, Umhang und Schuhen. Als er seine Klassenkameraden erreicht hatte, verließ Virginie gerade die Gruppe und eilte davon, das Pergament für Professeur Pallas in der Hand.

"Hat nicht geklappt, den Nebel ohne Nebenwirkung aus dem Zauberkunstraum zu kriegen", sagte er schnell, bevor ihn jemand fragen konnte. Claire fragte ihn, was genau er denn mit der Lehrerin geplant hatte und erfuhr nur, daß er, weil er in Hogwarts etwas ähnliches erlebt hatte, mit Professeur Bellart ausprobieren wollte, ob das auch in diesem Fall ging. Das mit der inversen Logik behielt er gerne für sich, weil er nicht wußte, ob das nicht schnell die Runde machen und dann auch bei Forcas ankommen würde, der dann alle Produkte dagegen absichern würde.

Zehn Minuten später kam Professeur Bellart zur Abstellkammer und verkündete, daß sie nun wieder in den Zauberkunstraum gehen mochten, da sie den Schneefall beseitigen konnte.

"Wie haben Sie den Schnee denn fortbekommen?" Fragte Julius leise, weil er meinte, das wissen zu dürfen.

"Mit einer anderen Gemeinheit von Forcas, dem Sandsturmsack, den ich am Freitag bei einem Schüler beschlagnahmen mußte. Damit hat Monsieur Forcas nun nicht rechnen können, daß man zwei konträre Elementarscherzartikel seiner Firma gegeneinander aufbieten würde. Ich mußte zwar machen, daß ich aus der Klasse kam, weil es auf einen schlag gleißend hell und ohrenbetäubend laut wurde, aber nach zehn Sekunden hatten sich die beiden Zauber gegenseitig erschöpft, und weder von dem magischen Flugsand noch von dem Schnee war auch nur ein Stäubchen übrig. Aber Ihre Idee war gut und hat sich ja schon als probat erwiesen. Auf jeden Fall werde ich in die nächste Ausgabe von "Zeitgenössische Zauberkunst" einen langen Beschwerdebrief über Monsieur Forcas hineinsetzen. Darauf dürfen Sie sich verlassen."

In der restlichen Zauberkunststunde verlief alles nach Unterrichtsplan.

 

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Beim Quidditchtraining am Dienstag wurde nach den gewöhnlichen Übungen noch ein Hütertraining für Monique Lachaise durchgezogen. Die sonst als Jägerin spielende Junghexe erwies sich jedoch als leicht auszutricksen und verpatzte von zwanzig Versuchen glatte fünfzehn. Jeanne sprach ihr Mut zu, daß sie ja nicht zwangsläufig diese Position besetzen mußte und bei den Turnierspielen noch Barbara antreten würde. Auf jeden Fall hatten die Spieler der grünen Mannschaft eine feine Taktik ausgeknobelt, im Rahmen der Regeln den gegnerischen Sucher am Schnatzfang zu hindern. Professeur Dedalus wandte zwar ein, daß es eigentlich gegen den Sinn des Quidditch verstieße, den Sucher gezielt abzublocken, aber auch nicht ausdrücklich verboten sei. Ja, der Sucher durfte schließlich angegriffen werden, wenn er den Schnatz einzufangen versuchte. Deshalb war diese Position ja auch die mit Abstand gefährlichste in der Mannschaft.

die Tage bis zum Samstag verstrichen mit Vorbereitungen der Halbjahresprüfungen, die ersten Februar stattfinden sollten. Anders als in England wurde das Schuljahr in Frankreichs Zauberschule in zwei Halbjahre eingeteilt und für jedes Halbjahr waren Endprüfungen angesetzt. Hier sollte sich dann auch ergeben, ob Schülerinnen und Schüler Förderkurse während der Freizeit besuchen oder noch intensiver auf einzelne Fächer eingehen sollten. Es galt auch als Frühwarnung, ob das Jahresendzeugnis eine Versetzung oder eine Ehrenrunde bestätigen würde. In jedem Fall war es mit viel Arbeit verbunden, sich auf die Fächer vorzubereiten. Einige der Drittklässler, mit denen Julius sich in der Bibliothek oder zwischen den Stunden unterhielt, spielten mit dem Gedanken, ob sie Arithmantik, Wahrsagen, alte Runen, Studium der nichtmagischen Welt oder Magizoologie am Jahresende wieder abwählen sollten. Sicher, die meisten sagten, daß sie ja aus Interesse dieses oder jenes Fach gewählt hatten, doch was Arithmantik anging, so hatte zumindest Céline offen bekundet, die Jahresendnoten abzuwarten. Für Laurentine, so konnte Julius zwischen ihren Worten heraushören, war Arithmantik lediglich eine verfremdete Form der Statistik mit eigenen Gesetzen und an und für sich für sie nicht so wichtig. Doch für Julius war dieses Fach gerade in den letzten beiden Monaten sehr interessant geworden, weil er hier ausprobieren konnte, wie weit seine frühere Mathelogik half und wo er sie besser vergessen sollte. Die beiden anderen zwei Fächer, alte Runen und Magizoologie, mochte er schon wegen ihrer Verwendbarkeit. Wer wußte schon, ob er oder sie nicht eines Tages mit magischen Geschöpfen zu tun bekommen würde oder Runenschrift für die eigenen Zauber brauchte?

In den Freizeitkursen stand auch alles im Zeichen der Halbjahresprüfungen. Schüler aus den verschiedenen Klassen übten die für ihre Stunden wichtigen Zauber oder Zaubertränke. So konnte Julius mit Mildrid, Bernadette, Jasmine und Robert an einem Trank arbeiten, der in den letzten Wochen einmal drangekommen war. Professeur Fixus verlangte, daß der Trank in der im Zaubertrankbuch erwähnten Abwandlung auswendig zusammengebraut wurde. Martine hantierte mit einer Lösung gegen verschiedene Drachengifte herum. Am Ende der Stunde bekamen Bernadette und Julius die besten Einzelwertungen.

In Verwandlung für Fortgeschrittene wies ihn Professeur Faucon darauf hin, daß sie ihn in der Pflanze-Tier-Verwandlung prüfen würde.

"Meine Kollegin McGonagall hat Ihnen im letzten Jahr Tier-zu-Tier-Verwandlungen in der Jahresendprüfung aufgegeben. Da dürfen Sie nicht erwarten, in der Invivo-ad-Vivo-Verwandlung geprüft zu werden, wie Ihre Klassenkameraden", hatte sie Julius verbindlich versichert und war dann weitergegangen.

Im Duellierclub trat Julius gegen Sabine Montferre an und konnte sich in jeder Runde eine volle Minute halten. Da er nicht den Sprechbann benutzen oder die Zauber durch reine Gedankenkraft aufrufen durfte, konnte er die ältere der beiden Schwestern aus dem roten Saal nicht einfach überrumpeln. Einmal landete er von einem Gewichtslosigkeitsfluch gepackt an der Übungsraumdecke, dann umfing ihn einmal etwas wie ein magischer Kristallkörper, der gerade noch Luft durchließ aber ihn wie in festen Teig eingebacken auf der Stelle hielt. Als er in der letzten Runde einen Panikfluch loslassen wollte, konterte Sabine diesen mit einem Seelenschild, der Gefühlsbeeinflussungsflüche auf den zurückwarf, der sie wirkte. Julius hätte fast die Nerven verloren und fluchtartig den Raum verlassen, weil er meinte, eine ungemein tödliche Sache würde ihn heimsuchen. Er bekam es eben noch hin, den Auracalma-Zauber zu wirken, der Gefühlsbeeinflussungsflüche zerstreute.

"Hui, keine Sekunde länger ..", dachte Julius, als Sabine einen Fluch auf ihn losließ, wußte er im ersten Moment nicht, wie er dagegen kämpfen sollte. Als ihm klar wurde, daß er mit dem Decorporis-Fluch angegriffen wurde, war dieser auch schon bei ihm. Als wenn etwas ihn mit einer Riesenhand am ganzen Leib umklammerte, fühlte sich Julius unvermittelt hochgerissen. Dann raste er ohne Halt nach vorne, auf Sabine Montferre zu ... und durchflog ihren Körper fast widerstandslos, wie einen dicken Nebel. Sie schrak zusammen, warum auch immer. Aber er trieb nun hinter ihrem Rücken auf die magische Sperrwand zu, die Fehlgänger oder Querschläger abfangen sollte. Jetzt erst spürte er, daß er keinen festen Körper mehr besaß. Er drehte sich um und erkannte, daß er einige Dutzend Zentimeter über dem Boden schwebte wie ein Geist. Er sah Sabine, die auf seinen schlaff und regungslos auf dem Boden liegenden Körper sah. Professeur Faucon erklärte die Runde für beendet.

"Keine Sorge, Monsieur Andrews, ich refusioniere Ihren Geist wieder mit dem Körper", sprach die Lehrerin. Julius sprach mit nichtstofflichem Mund:

"Ich hoffe, daß es klappt, Professeur Faucon."

Zunächst richtete die Lehrerin ihren Zauberstab auf den daliegenden Körper des Drittklässlers. Alle sahen mit Interesse und auch Unbehagen zu, was geschah. Nach einer Zauberformel strahlte um Julius' entseelten Körper eine hellgrüne Aura, die immer stärker leuchtete. Dann bewegte die Lehrerin den Zauberstab gegen den wohl sichtbaren Geist. Dieser glühte nun ebenfalls in diesem grünen Licht auf und raste dann unvermittelt los, zurück zu seinem Körper. Sabine ging in Deckung, offenbarwollte sie nicht noch mal von Julius' stoffloser Daseinsform durchflogen werden. Diese schoss wie ein Meteorit aus grünem Licht in den leblos wirkenden Körper hinein. Das Licht verlosch ohne jedes Geräusch zu machen, und Julius zuckte zusammen, wieder in seinem angestammten Körper.

"Das ist ja fies kalt, wenn einem ein Geist durch den Körper geht", sagte Sabine. Dann meinte sie noch: "Ich wollte dich nicht ernsthaft fertig machen. Mir fiel nur kein so schneller mächtiger Fluch ein."

"Na solange du keinen unverzeihlichen Fluch genommen hast, ging's ja. War aber merkwürdig, daß ich beim Durchflug durch deinen Körper irgendwie Widerstand gespürt habe und ..."

"Monsieur Andrews, das klären wir gleich", schnitt Professeur Faucon ihm das Wort ab und bat die letzten Übungsduellanten aufs Feld: Martine Latierre und Virginie Delamontagne. Virginie war nach nur vier schnellen Zauberfluchwechseln mit einem Versimundus-Fluch schneller als Martines Gegenfluch. Damit beendete sie den Übungstag.

"Gut, Sie alle sind schnell und stark und konnten nur gewinnen oder unterliegen, weil gegnerische Reaktionen langsamer oder schneller waren. Zur letzten Runde von Mademoiselle Sabine Montferre und Monsieur Andrews: Sie merkten an, Monsieur, daß Sie bei der Freisetzung ihres Astralleibes einen Widerstand verspürten, als Sie durch Mademoiselle Montferres Körper flogen. Dieser Widerstand rührt von Mademoiselle Montferres eigenem Astralleib her, ihrer innewohnenden Geistform. Lebendige, deren Geistform gewaltsam aus dem Körper gerissen wird, verspüren diesen Widerstand, wenn sie mit anderen Lebendigen zusammentreffen. Zu Ihrer beider Glück war ihre Austrittsgeschwindigkeit noch zu hoch, um an diesem Widerstand abgebremst zu werden, Monsieur. So konnte Mademoiselle Montferre nur die wärmezehrende Essenz ihrer astralen Form wahrnehmen. In einigen Fällen, wo jemand diesen Fluch gewirkt hat, geriet der ausgestoßene Astralleib mit dem eines stofflich gebliebenen Lebendigen zusammen, durchdrang ihn und verschmolz damit zu einer neuen Gemeinschaftspersönlichkeit, die je länger sie existierte, schwieriger in ihre Einzelwesenheiten zerlegt werden konnte. Hierbei gilt die Zeit, die auch läuft, sobald die Entkörperung erfolgreich durchgeführt wurde, eine volle Stunde. Verstreicht diese Zeit ungenutzt, verbleibt der entkörperte in der Astralform, der seelenlose Körper stirbt. Wird jemand jedoch während dieser Zeit mit einem anderen Astralleib fusioniert, kann die Trennung der beiden darin innewohnenden Bewußtseine nicht mehr gelingen. Sein Sie also froh, Mademoiselle Montferre, daß Ihr überheftiger Angriff nicht auf Sie selbst zurückfiel!"

"Oh, da hättest du uns beide aber heftiger erwischt als Jasper van Minglern Belle und mich vor zwei Monaten", sagte Julius. Sabine nickte nur betroffen dreinschauend.

"Womit wir wieder einmal die Kernaussage der Verteidigung gegen die dunklen Künste heranziehen dürfen, Mesdemoiselles et Messieurs. Dunkle Zauber fallen immer auf ihren Urheber zurück, doppelt oder gar dreifach. Diesen Grundsatz kann ich nicht oft genug wiederholen. Und damit, sehr geehrte Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer, bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit und Einsatzbereitschaft! Ein schönes Wochenende noch!"

"Vielen Dank, Professeur Faucon und auch Ihnen ein erholsames Wochenende", erwiderten alle Kursteilnehmer im Chor. Dann verließen sie den Übungsraum. Martine Latierre nahm Sabine Montferre noch mal bei Seite und sprach mit ihr, während Sandra Montferre auf Julius zukam und ihn ansprach. Er verhielt vor der Tür und hörte sich an, was die jüngere Montferre-Schwester von ihm wollte.

"Also das hätte ich jetzt nicht erwartet, daß Bine dich mit diesem Fluch angreift. Offenbar mußt du ihr zu stark geworden sein. Auf jeden Fall ist es gut, daß du nicht von ihr vereinnahmt wurdest. Ich fürchte, ich wäre damit nicht zurechtgekommen."

"Das stelle ich mir gruselig vor, wenn zwei Wesen tatsächlich geistig zu einer Person verschmelzen. Andersrum, wo ein Wesen in seine negative und positive Form zerlegt wurde, wurde ja schon in verschiedenen Geschichten erwähnt."

"Du meinst, daß jemand in sein gutes und böses Ich zerlegt wird?" Fragte Millie Latierre, die ebenfalls stehengeblieben war. Julius nickte. "Bor ist aber auch gruselig."

"Kannst du drauf wetten", sagte Sandra Montferre. Julius fragte sie noch, was ihm da wohl passiert wäre. Sandra sagte: "Tja, deine Erinnerungen und Gefühle wären von Bines Ich aufgesogen worden, weil ihr euch in ihrem angestammten Körper getroffen hättet. Sie wäre dann zwar vorherrschend geblieben, aber doch verändert und mit merkwürdigen Erinnerungen, die irgendwie nicht mit unserem früheren Leben zusammenpassen. Insofern stimmt's schon, daß dies heftiger geworden wäre als deine Zeit als Belles Zwillingsschwester."

"Bloß nicht", warf Mildrid ein. "das hätte mir aber nicht gepaßt und Claire bestimmt auch nicht."

"Von Serge ganz abgesehen", grinste Sandra belustigt. Julius erschrak. Das hätte er dann auch über sich ergehen lassen müssen, womöglich sogar noch ganz begeistert.

"na ja, es ist ja nichts passiert", sagte Sabine Montferre, die mit Martine aus dem Übungsraum kam und die letzten Worte von Julius noch gehört hatte. Martine sagte noch zu Julius:

"Auf jeden Fall sollten wir alle vorsichtig damit sein, was für Flüche wir uns um die Ohren hauen. Professeur Faucon hat auf Strafpunkte verzichtet, obwohl dieser Fluch schon am Rande der Zulässigkeit verlief. Ich wünsche euch morgen viel Erfolg beim Spiel gegen die Violetten."

"Und den Violetten wünschst du viel Erfolg gegen uns", warf Julius gehässig ein. Martine schüttelte den Kopf.

"Für die geht es fast um nichts mehr. Ihr und die Weißen sind unsere Hauptkonkurrenten. Also haltet euch gut ran!"

"Jo, danke!" Sagte Jeanne Dusoleil, die noch mal zurückkam, um Julius abzuholen.

"Verabschiede dich von deinem Fan-Club! Bald ist Saalschluß!"

"Aber gewiß doch, Jeanne. Tschüß, Mädels!"

 

"Schlaf gut, Julius. Träum was schönes!" Wünschte Millie Latierre dem Kameraden aus ihrer Arithmantikklasse.

 

__________

 

Am nächsten Morgen wachte Julius bereits um fünf Uhr auf. Er überlegte, ob er sich bis sechs noch mal rumdrehen und eine Stunde Schlaf mehr zu kriegen versuchen sollte. Doch er war bereits zu wach, um vor dem allgemeinen Weckdienst noch mal richtig einzuschlafen. So holte er ganz leise eines der neuen Bücher aus der verkleinerten Bibliothek, die er von Maya Unittamo bekommen hatte. Er zog es mit der dieser Bibliothek beigefügten Pincette heraus. Winzig und zerbrechlich lag es auf seiner Hand, kleiner als eine Briefmarke. Doch als er die Pincette fortlegte, wuchs es innerhalb von nur zwei Sekunden zu einem dicken Band aus, der schwer auf der einen Hand lastete. Julius nahm den Zauberstab und machte damit Licht. Dann las er ein wenig in diesem Buch über die Bilderwelten und ihre Gesetze, das mit lebendig wirkenden Bildern ausgestattet war. Das Kapitel "Verbindungen zwischen den Bildern" las er bis halb sechs. Dort stand alles, was Aurora Dawn ihm in den Weihnachtsferien erklärt hatte. Ein Satz machte ihn aber besonders neugierig:

"Und sollte ein porträtierter Mensch einen sicheren Körperkontakt zu einem Wesen innerhalb seines Bildes erlangen, vermag es, dieses Wesen mit sich zu einem anderen Portrait seinerselbst zu verbringen, womit ein gemaltes Wesen nicht in der räumlichen Umgebung seines eigenen Bildes alleine verbleiben muß."

"Dann könnte Aurora Dawn ja wen von hier nach Hogwarts mitnehmen und umgekehrt. Interessant!" Dachte Julius, als wie aufs Stichwort das große Vollportrait Aurora Dawns in seinem Rahmen Gestalt annahm und Julius leise ansprach.

"Julius, ich soll dir schöne Grüße von Gloria Porter bestellen und die besten Wünsche für dein Spiel heute. Mein natürliches Ich schließt sich diesen Grüßen an und gibt dir noch mit, bloß nicht zu viel zu riskieren. So'n rasanter Besen kann leicht durchgehen, wenn du ihn zu sehr antreibst."

"Joh, werd' dran denken", erwiderte Julius leise. Zwar war der nach außen Schall schluckende Vorhang richtig um das Bett herumgezogen, aber Julius wußte nie, ob eine Bewegung von ihm nicht einen winzigen Spalt zwischen Wand und Vorhang öffnete, durch den einzelne Töne und Geräusche entkommen konnten.

Er öffnete die verkleinerte Bibliothek wieder, worauf das dicke Buch sofort klitzeklein zusammenschrumpfte und mühelos mit der Pincette an seinen Platz zurückgeschoben werden konnte. Dann schloß der nach Beauxbatons gewechselte Zauberschüler den Centinimus-Bücherschrank und verstaute diesen in seinem Practicus-Brustbeutel. Dann stand er richtig auf, wusch sich und ging hinunter in den Aufenthaltsraum. Dort begrüßte ihn Barbara Lumière, die auch in einem Buch gelesen hatte.

"Na, seit wann bist du auf?" Begrüßte sie Julius mit hellwachen Augen. Er erzählte ihr, daß er schon eine Stunde gelesen hatte. Sie klappte ihr Buch zu, einen Folianten über paraphysikalische Zauberkunst, wie er noch sah und winkte dem jüngeren Saalkameraden, ihr zu folgen, denn die Saalstanduhr schlug gerade die sechste Tagesstunde.

Ein leichtes Training für die Gelenkigkeit, nichts auszehrendes, brachte Barbara und den ehemaligen Hogwarts-Schüler richtig in Schwung. Auch die Montferre-Schwestern übten ihre Körperkraft und überholten dabei mehrmals die beiden Frühsportler aus dem grünen Saal.

"Heute gilt es wohl, ihr beiden!" rief Sabine Montferre, als sie im lockeren Trab die vierte Runde abhandelte. Barbara und Julius riefen ihr nach, daß es wohl heute nicht so leicht werden würde wie gegen die Gelben. Dann fuhren sie in ihren eigenen Übungen fort.

Nach dem Frühstück - Jeanne beaufsichtigte erneut, wer von der Mannschaft was aß und trank, um sicherzustellen, daß niemand übernervös, zu satt oder hungrig in das Spiel ging. Dann holten die sieben für das Spiel gegen Violett eingeübten Spielerinnen und Spieler ihre Besen.

"Du weißt, was du machen mußt?" Fragte Jeanne Julius. Dieser nickte und flüsterte: "Suzanne möglichst nicht an den Quaffel lassen oder ihn ihr möglichst schnell wieder abjagen."

"Ganz genau", bestätigte Jeanne, bevor sie in den Mädchentrakt des grünen Saales abbog.

"Einen wunderschönen guten Morgen, hochverehrte Madame Maxime, sehr verehrte Damen und Herren Professoren, hallo Leute!" Begrüßte Ferdinand Brassu, der Kommentator der Spiele in Beauxbatons, die sich auf den Tribünen leise miteinander unterhaltenden Zuschauer, während die beiden Mannschaften Aufstellung auf dem Quidditchfeld nahmen. "Heute erleben wir alle eine wichtige Vorentscheidung im laufenden Quidditchturnier zu Beauxbatons. Heute treten an: Die Spilstarke Mannschaft des grünen Saales, die die letzten beiden Begegnungen überragend erfolgreich beendeten, sowie die hochmotivierte Mannschaft aus dem violetten Saal, die heute beweisen will, daß sie noch Anspruch auf den diesjährigen Quidditchpokal erhebt, und dies zu Recht. Wer dieses Spiel heute gewinnt und noch dazu die meisten Punkte dabei erringt, ist gut im Wettstreit um den Pokal. Falls jedoch die Mannschaft des violetten Saales verlieren sollte - immerhin ist das zumindest möglich -, darf sie sich für die nächsten zwei Runden beruhigt auf die Ausarbeitung ihrer überragenden Technik konzentrieren und einen unumstößlichen Grundstein für den Pokalgewinn im nächsten Jahr legen."

"Eh, Ferdinand, red nicht so'n Blödsinn!" Rief Argon Odin nach oben. Doch weil er zum einen nicht den Sonorus-Zauber benutzte und zum zweiten alle auf den Zuschauerrängen lachten, besonders die Roten und Blauen, hörte sein Saalkamerad ihn nicht. Professeur Dedalus hörte ihn jedoch und hängte ihm prompt zwanzig Strafpunkte wegen ungebürlichen Verhaltens vor einem Spiel an.

"Die Spieler der Mannschaft Grün werden von ihrer Kapitänin Jeanne Dusoleil angeführt, dann hat sie noch Virginie Delamontagne und Julius Andrews als Jäger einbezogen. Moureau und Moulin sind natürlich wieder Treiber. Barbara Lumière hütet die Torringe, obwohl das heute nicht viel helfen wird ..."

"Monsieur Brassu, unparteiisch, wenn ich bitten darf", fuhr Madame Maxime ohne Stimmverstärker dazwischen. Sie hatte den ja auch nicht nötig, wußte Julius schon seit Hogwarts.

"Und das Schmuckstück in der Mannschaft Grün ist und bleibt Agnes Collier", sprach Ferdinand unbeeindruckt mitreißend weiter. Wesentlich peppiger stellte er die Violetten vor. Danach forderte Professeur Dedalus die Kapitäne auf, sich zu begrüßen. Jeanne überragte den kleinen Golbasto Collis um fast zwei Köpfe. Doch Julius, der ja vier Tage unfreiwillig Bewohnerin des violetten Saales gewesen war, wußte genau, daß der kleine Jungzauberer sehr flink und auch stark im Zupacken war. Dann kam das Kommando: "Auf die Besen!"

Erst ließ der Fluglehrer und Schiedsrichter den goldenen Schnatz auf, dessen Fang 150 Punkte für die Mannschaft brachte, deren Sucher diesen kleinen flinken Ball erwischte. Fünf sekunden danach ließ Dedalus die beiden schwarzen Klatscher los, die wild aufschossen, über das Feld schwirrten und in Zickzackbahnen langsam wieder herunterkamen.

"Drei! - Zwei! - Eins! ..."

Der schrille Ton der Trillerpfeife, zusammen mit dem von Dedalus kräftig hochgeworfenen Quaffel gab den Anstoß zu dieser Partie, bei der es für die Violetten um viel ging.

Sofort hängte sich Julius an Suzanne Didier, während Jeanne ihren Cousin Argon bedrängte, der sich gerade den Quaffel greifen wollte. Ihr gelang es zwar, den scharlachroten Spielball zu fassen, sie mußte ihn jedoch schnell an Virginie weiterwerfen, weil der dritte Jäger der Violetten raubvogelgleich von oben auf sie niederstieß. Virginie bediente Julius, der gerade hinter Suzanne in Richtung der Violetten flog. Diese wirbelte auf ihrem Ganymed 9 herum und versuchte, Julius den Ball zu entwenden. Dieser stieg im Rosselini-Raketenaufstieg senkrecht nach oben, schaffte es dabei gerade so, einem von Nadine Pommerouge geschlagenen Klatscher abzuschütteln und warf auf Jeanne ab, die sich von Aron Rochfort, Virginies Freund, gelöst hatte, um perfekt vor den drei von Antoinette Picard behüteten Torringen bereitzustehen. Keine drei Sekunden später schwirrte der Quaffel schon durch den linken Torring.

"Die Mannschaft Grün legt es auf Überrumpelung an, Messieursdames et Mesdemoiselles. Aber loderndes Reisig verbrennt sehr schnell, während alte Kohle lange glüht", mußte Brassu einen merkwürdigen Kommentar einstreuen. Doch als nach nur einer Minute der Vorsprung von Saal Grün bereits dreißig zu null Punkte betrug, war sein Spielbericht weniger locker und flockig.

"Delamontagne zu Dusoleil. Dusoleil greift Picard direkt an! Hui, Klatscher von Pommerouge sehr brillant gespielt. Dusoleil fliegt sehr gut. Ja, der Ganymed 9 ist nun einmal ein guter besen ... Oh, weiter Abschlag von Picard. Didier! - Quaffel bei Didier, soll wohl ... nein, kann nicht weitergeleitet werden, weil Andrews sich einfach in der Wurfbahn herumdrückt und fast synchron mit Didier manövriert. Diese paßt zurück, Richtung Odin. Odin hat den Quaffel erwischt ... und gleich wieder an Dusoleil verloren. Der Cyrano Express ist eben kein Konkurrent für den Neuner. Dusoleil bedient Delamontagne. Andrews spielt derweil Besentanz mit Suzanne Didier. Soll wohl seine Anbetung für sie zum Ausdruck bringen ..."

"Monsieur Brassu", fauchte Madame Maxime, während Julius den Quaffel von Virginie noch vor einem Klatscher von Treiber Pontier bekam, ohne sich übermäßig gewandt bewegen zu müssen. Denn bei allem Feuer, das gerade in diesem Spiel steckte, mußte er den überragenden Ganymed 10 in den Grenzen seines Vorgängers bewegen. Er jagte los, darauf achtend, daß Suzanne nicht zu weit zurückfiel und tanzte einen schnellen Twist vor dem Tor, wobei er den Quaffel von rechts nach links wechselte, ihn sogar einmal nach vorn oben abwarf, aber noch schnell genug wieder drankam, um ihn dann aus kurzer Entfernung wuchtig durch den mittleren Ring zu feuern.

"Sechzig zu null, Leute! Offenbar muß die grüne Mannschaft heute mächtig gut gefrühstückt haben und ... Jaaaa! Hau ihn rein, Argon!"

Argon Odin, der Antoinettes weiten Abschlag gekonnt angenommen und weitergeworfen hatte, dachte schon, der Quaffel würde in seiner bogenförmigen Flugbahn zielsicher an Barbara vorbei durch den rechten Ring gehen. Doch diese hechtete auf ihrem Ganymed 9 so wild nach dem Quaffel, das dieser allein schon von der leichten Berührung der Fingerspitzen Barbaras wuchtig ins Feld zurückprallte, wo Suzanne ihn schnappen wollte. Julius, der sich schön in ihrer Nähe hielt, mußte es zulassen, daß sie an den roten Ball kam, um nicht die wahren Eigenschaften seines Besens zu offenbaren. Doch ein Klatscher besorgte es, ihr den Ball wieder abzujagen. Julius fühlte es irgendwie, daß einer der beiden Bälle von hinten anflog und warf sich flach auf den Besenstiel. Wusch! Zischte der schwarze Eisenball haarscharf über den englischen Beauxbatons-Schüler weg und drohte, Suzanne seitlich zu treffen. Sie rollte sich zwar seitwärts aus der Flugbahn heraus, verlor dabei aber den Quaffel, den sich Virginie frech aus der Luft fischte und ihn sofort zu Julius warf, der dies einmal als Signal zum eigenen Vorstoß empfand und sofort mit der für den Ganymed 9 möglichen Höchstgeschwindigkeit auf die drei Ringe zuhielt, kurz antäuschte, einen anderen Klatscher an sich vorbeiflitzen ließ und dann knapp über Antoinettes Kopf hinweg den Ball durch den von ihm aus rechten Ring schickte. Damit baute Grün den Vorsprung um weitere zehn Punkte aus.

"Offenbar ist die Torsicherheit bei Mannschaft Grün heute größer als bei Mannschaft Violett", mußte Brassu anerkennen. Julius, der währenddessen beide Klatscher auf sich zurasen sah, konnte nur durch ein schnelles Wendemanöver einem Zusammenstoß mit dem einen oder anderen schwarzen Ball vermeiden. Suzanne war jedoch gerade vor dem Tor der Grünen, als eine schnelle Staffette von der Hüterin der Violetten über Aron Rochfort und Argon Odin zielsicher bei ihr ankam und sie nur den Ring auszusuchen brauchte, durch den sie werfen mochte. Barbara schien diesen Torwurf nicht parieren zu können. Tatsächlich ließ sie es zu, daß die Null auf der Seite der Violetten endlich eine Eins vorangestellt bekam. Doch als Barbara den Quaffel dann unter Jubel der Violetten, die endlich ein Tor erzielt hatten, abschlug, flog der Quaffel nicht zu einem der wartenden Jäger, sondern steil nach oben, wo gerade Golbasto Collis einem walnußgroßen goldenen Ding mit Flügeln nachsetzte, das keine zehn Besenlängen vor ihm flatterte. Der Quaffel zischte mit voller Wucht gegen den goldenen Winzball, trieb ihn dadurch aus der Bahn und bewirkte, daß er seitlich zur linken Feldbegrenzung davonschwirrte, zu schnell, um noch verfolgt zu werden.

"Buuuuuu!" Kam es von den Schülerinnen und Schülern des violetten Saales, als Collis seinen rasenden Flug bremste und mit grimmigem Gesicht Höhe nahm, um erneut nach dem Schnatz zu suchen, den der Abschlag Barbaras dummerweise im Flug erwischt hatte. Die Blauen lachten über diesen wie unbeabsichtigt vereitelten Schnatzfang. Einer rief sogar: "Hättest besser 'n bißchen früher Tempo gemacht, Zwerg!!"

"Die nächsten fünf Minuten spielten die Violetten Brechstangenquidditch. Mit Brachialgewalt kämpften sie um den Quaffel, hieben die Klatscher umher und versuchten, Barbaras Torringe mit wildem Trommelfeuer zu belegen. Einige Würfe konnte Barbara nicht halten. So konnten die Violetten noch dreißig Punkte einfahren, während jedoch die Grünen im Gegenzug einige Weitwürfe bilderbuchgleich im Tor Antoinettes unterbrachten, wodurch sie nach und nach über die hundert Punkte in diesem Spiel auf ihrer Seite der Anzeige stehen hatten. Dann sah es so aus, als würde Golbasto doch noch den Schnatz bekommen. Er jagte auf den Mittelkreis des Feldes zu, streckte die rechte Hand aus ... und wäre fast von einem von Hercules gespielten Klatscher am Arm getroffen worden, wenn ein Reflex Golbastos nicht den Arm hätte zurückzucken lassen. Doch der Schnatz, vom Klatscher fast getroffen, hüpfte hoch und sauste genau auf Agnes Collier zu, die siegessicher die rechte Hand ausstreckte.

"Wir müssen", setzte Ferdinand an, "diese Partie wohl gleich als beendet ansehen, denn Agnes Collier kann den Schnatz jetzt unmöglich noch verfehlen. Sie fliegt auf ihn zu, bereit zum Fang ... Häh?!"

Agnes hatte die zum Fang bereite Hand kurz vor der Berührung mit dem goldenen Ball einfach zurückgezogen und flog locker an dem sie passierenden Bällchen mit den vier silbernen Flügeln vorbei, als sei der absolut unwichtig. Auf der Tribüne klang lautes Gemurmel auf. Ein Blauer lachte laut und steckte damit seine Saalkameraden an. Die Grünen pfiffen mißbilligend, weil Agnes den Schnatzfang und damit einhundertfünfzig Punkte so derb verspielt hatte. Doch sie wußten ja nicht, was Jeanne und ihre Mitspielerinnen und Mitspieler ausgeheckt hatten. Sie und der große Rest der Zuschauer. Der einzige, der es noch wußte, durfte nichts dagegen sagen, denn es war der Schiedsrichter.

Professeur Paralax raufte sich die Haare und starrte seine Kollegin Faucon an, die ebenfalls nicht wußte, was in Agnes vorging, daß diese den sie fanggerecht anfliegenden Schnatz einfach weiterfliegen ließ.

Als fünf Minuten und weitere vier Tore für die Grünen später Sucher Collis erneut zum Fang lospreschte, bekam er gleich beide Klatscher so wuchtig um die Ohren gehauen, daß er erneut den Fangversuch abbrechen mußte. Agnes, die nicht einmal losgeflogen war, um in die Nähe des Schnatzes zu kommen, blieb auf der Sucherhöhe.

"Eh, das ist aber jetzt brandgefährlich, wie ihr spielt!" Rief Céline Dornier aus den Reihen der Grünen. Julius hörte ihre Stimme zwar, hatte aber keinen Blick dafür, wo sie genau saß. Er wußte nur, daß Claire wohl neben ihr saß und sich wie alle anderen fragte, wieso die Grünen den Schnatz nicht fangen wollten.

Nach dem vierundzwanzigsten Tor für die Grünen, es waren mittlerweile fünfzig Minuten gespielt, ließ die Aufmerksamkeit der Violetten merklich nach. Diese hatten zu schnelle Manöver versucht und waren doch meistens an Barbara gescheitert, die durch Jeanne als Vorstopperin noch verstärkt wurde. Vorn sollten es nur noch Virginie und Julius richten, die die nachlassende Konzentration der Violetten hemmungslos ausnutzten, um weitere sechs Tore zu schießen. Wollte Argon, Aron oder Suzanne mal einen Gegenstoß versuchen, kamen ihnen rechtzeitig die Klatscher in die Quere. Als Golbasto endlich sicher war, den Schnatz zu erwischen, spielte Julius gerade auf Virginie ab. Doch er verfehlte sie um zwei Meter und traf scheinbar aus Versehen Golbastos Bauch, der im Sturzflug dem goldenen Schnatz nachsetzte. Der kleine Kapitän der Violetten verzog das Gesicht zu einer schmerzhaften Grimasse und taumelte auf dem Besen. Agnes flog wie von der Bogensehne geschnellt auf den Schnatz zu, streckte die linke Hand aus ... und zog diese leer wieder zurück. Der goldene Ball schwirrte unter ihr durch und flitzte knapp an Suzanne Didier vorbei, die gerade hinter Julius aufkreuzte, um möglicherweise den Quaffel zu kriegen, der gerade von Argon erflogen und zurück ins Spiel befördert wurde.

"Sag mal, was soll das? Wollt ihr uns hier für dumm verkaufen oder irre machen?" Fragte Suzanne ihren direkten Gegenspieler, der mit unschuldsvoller Miene weiterflog und nicht antwortete. "Ihr vermasselt Golbasto jeden Fang und lasst den Schnatz dann seelenruhig weiterfliegen. Wer kam denn auf diese bestußte Idee?"

"Achtung, Klatscher!" Rief Julius und tauchte blitzartig nach unten weg, als ein Klatscher, den niemand gezielt geschlagen hatte, voll durch die Flugbahn Suzannes fegte. Diese bekam den Ball heftig gegen den rechten Arm, zuckte zurück und wippte fast unkontrolliert auf dem Besen. Sie suchte mit ihrem Blick Golbasto, nahm Kurs auf ihn und flog zu ihm hinüber.

Golbasto Collis wollte sich gerade eine Auszeit erbitten, als Jeanne Agnes ansah, ihr zuwinkte und heftig nickte. Diese raste los, auf den von ihr aus rechten Ring des eigenen Tores zu, wo gerade ein winziger goldener Lichtreflex aufgeblitzt hatte. Sie jagte an Golbasto vorbei, der wegen Suzanne nicht darauf achtete, daß er ja immer noch suchen mußte und sah zwei Sekunden zu spät, daß Agnes Collis diesmal doch den Schnatz haben wollte. Er startete zwar noch eine wilde Verfolgung, brüllte die Treiber an, Agnes durch gezielte Klatscher abzufangen, doch die schwarzen Bälle wurden gerade zwischen Hercules und Giscard wie übergroße Tennisbälle hin- und hergeschlagen, ohne gegen die eine oder andere Mannschaft gedroschen zu werden. Als die Treiber Pommerouge und Pontier bei ihnen waren, pflückte Agnes gerade den Schnatz auf Höhe des von ihr aus rechten Torringes aus der Luft und hielt ihn für alle sichtbar hoch.

Die Violetten protestierten überlaut. Die Blauen und Roten lachten schallend los. Die Gelben klatschten anstandshalber Beifall, während die Weißen nur grinsten. Die grünen jubelten laut los, benutzten magisch verstärkte Fanfaren, rollten grasgrüne Flaggen aus, auf denen in schillernden tanzenden Buchstaben "Grün ist der Pokal" in der Wintersonne glänzte.

"Ihr seid raus! Ihr seid raus!" Riefen die Blauen schadenfroh, winkten den Violetten, die total entmutigt wie Steine zu Boden sackten und gerade noch soeben weich landeten. "Ihr seid raus! Ihr seid raus!" Dröhnte ihnen der geballte Spott aus dem blauen Saal in den Ohren. Golbasto Collis schien erst einmal nichts von seiner Umgebung zu hören oder zu sehen außer Schwester Florence, die bereits auf das Feld lief und sich um Suzannes mittlerweile ziemlich heftig angeschwollenen Arm kümmerte.

"Also, wer das nicht mitbekommen hat: Saal Grün gewinnt durch ein total abartig verlaufenes Spiel vierhundertfünfzig Punkte. Der Saal Violett konnte immerhin sechzig Punkte einfahren. Damit liegt Saal Grün unverschämterweise auf Platz eins der Tabelle. Saal Violett konnte sich immerhin noch die Schmach des letzten Ranges ersparen, da sie durchschnittlich mehr Punkte pro Spiel gemacht haben als Saal Gelb. Soviel zu diesem Blödsinn von heute ..."

"Taceto!" Rief Madame Maxime. Die Magisch verstärkte Stimme Ferdinand Brassus brach ab wie abgeschaltet.

"Das war hundsgemein, was ihr da mit uns gemacht habt", fluchte Golbasto, als er Jeanne vor sich hatte. Suzanne, deren getroffener Arm nun wieder gesund aussah, nachdem sie von dem Trank gegen Blutergüsse und Verstauchungen einen großen Schluck hatte trinken müssen, stürzte auf Julius zu.

"Sag mal, wo lernt man, wie man seine Gegenspieler so fies auspunktet? Das kann doch wohl nicht angehen, daß ein Neuling derartig hinterhältige Tricks so perfekt anwenden kann", sprach sie auf den ehemaligen Hogwarts-Schüler ein. Dieser setzte ein Was-willst-du-denn-bloß-Gesicht auf und erwiderte:

"Kann ich was dafür, daß euer Sucher voll in einen vermurksten Paß reinbrettert? Ich wollte Virginie bedienen, und der knallt voll in den Quaffel rein."

"Ja, und vorher fliegt er genau in Barbaras Abschlag rein, fängt sich beide Klatscher und darf danach immer zusehen, wie eure Agnes ihn zum Narren hält, weil sie den Schnatz nicht nimmt, wenn der ihr handgerecht entgegenfliegt. Es wäre vielleicht doch besser gewesen, du wärest bei uns im Saal geblieben und hättest im Mädchentrakt weiterwohnen müssen!" Zischte Suzanne wutrot und starrte Julius mit wild funkelnden Augen an. Sie hob die rechte Hand, als wolle sie ihn ohrfeigen. Doch sie ließ den Arm wieder sinken. Strafpunkte wollte sie sich dann doch nicht einhandeln.

"Neh, danke, Suzanne. So wie du gerade drauf bist wollte ich dich nicht als Cousine behalten."

"Ach neh, hast du das also auch rausgekriegt", fauchte Suzanne sichtlich verdutzt aber noch immer unter Dampf stehend. "Aber es wissen ja eh fast alle hier", warf sie noch hin und verzog sich dann ohne weiteres Wort.

"Na logisch, steht ja im Miroir Magique", trällerte Mildrid Latierre, die es weit vor Claire und Céline schaffte, auf das Spielfeld zu kommen und die letzten Worte zwischen Suzanne und Julius noch gehört hatte. Dann erreichte sie den ehemaligen Hogwarts-Schüler und fiel ihm ansatzlos um den Hals.

"Super gemacht. Jetzt müssen Bruno und die Montis das gegen die auch abziehen. Das verspricht ein langes Spiel zu werden", gab sie frohgestimmt von sich und drückte den Jäger der grünen Mannschaft ohne großes Federlesen an sich.

"Heh, Millie, ist doch kein Grund mich ...", setzte Julius an, konnte aber nicht weitersprechen, weil Mildrid ihm ohne Vorwarnung ihre Lippen auf den Mund preßte und ihn erst zwei Sekunden später wieder freigab.

"Mildrid, hundertfünfzig Strafpunkte!!" Brüllte Martine Latierre, die mit wehendem Rock und Haar herangeschossen kam und zornesrot ihre Schwester bei den Schultern packte. Claire, die fast in Reichweite gekommen war, blieb wie vor eine harte Betonmauer geprallt stehen und sah Millie und Julius mit ihren braunen Augen groß wie Autoscheinwerfer an. Sie griff sich mit der linken Hand ins seidenweiche schwarze Haar, das in sanften Wellen über ihre Schultern fiel und zog sich kräftig daran, daß es gefährlich stramm gespannt wurde. Jeanne, die den pflichtgemäßen Glückwunsch eines sichtlich entmutigten Golbasto Collis entgegengenommen hatte, fand erst jetzt Zeit, sich um ihre Umgebung zu kümmern und eilte auf Julius zu.

"Ich gebe dir keine Schuld an Millies Verhalten. Sie hat die Gelegenheit schamlos ausgenutzt, weil du jetzt nicht einfach weglaufen konntest", flüsterte sie ihm zu und beeilte sich, ihre jüngere Schwester zu erreichen, bevor die sich die Haare selbst ausreißen konnte.

"Wau! Du hast doch wie alle anderen gespielt. Womit hast du das verdient, daß Millie ..." Sprach Hercules, der neben Julius aufgetaucht war und deutete auf Mildrid Latierre, die gerade von ihrer Schwester fortgeführt wurde, wie ein überführter Sträfling. Da flog ihm eine Junghexe mit schwarzem Haar und blauen Augen entgegen, umfing ihn mit ihren Armen und drückte Hercules ebenfalls einen Kuß auf den Mund.

"Millie hat mir ein gutes Ablenkungsmanöver geboten, Culie. Toll gemacht habt ihr das", sagte die Junghexe, Bernadette Lavalette aus dem roten Saal, Hercules' Freundin.

"Na, das müssen wir jetzt überbieten", sagte Sandra Montferre, die zusammen mit ihrer Schwester, Janine Dupont und Bruno Chevallier aufs Spielfeld gekommen war, um die siegreiche Mannschaft zu beglückwünschen. Janine sah Julius an, blieb mit ihren Augen an seinem Gesicht hängen und grinste dann.

"Ich dachte, mit Lippenstift bist du nach deiner Zeit mit Belle weg, Julius. Aber eins muß ich dir noch sagen, Bursche: Das war wieder einmal fies, einen Sucher einfach so anzuprällen. Und jetzt sag bloß nicht, dir wäre der Quaffel ausgerutscht!"

"Nein, diesmal habe ich ihn fallen lassen, Janine", erwiderte Julius keck. Dann kam ihm erst die Erkenntnis, daß Mildrid bei ihrem über die normalen Kontaktgrenzen hinausschießenden Glückwunsch Spuren ihres Make-Ups an ihm hinterlassen hatte und er lief knallrot an.

"So kannst du das auch nicht tarnen, du Held", lachte Sabine Montferre und reichte ihm aus ihrer Rocktasche ein weißes Reinigungstuch. Er nahm es dankbar und rieb sich die von Mildrid beehrten Lippen sauber. Sandra grinste nur und sagte:

"Die läßt dich jetzt nicht mehr vom Haken. Sowas hat die in all den drei Jahren, die sie bald hier ist, noch nicht gebracht."

"Ich habe sie aber nicht dazu aufgefordert", widersprach Julius und suchte Claire. Er sah gerade noch, daß ihre Augen tränenüberflutet waren, bevor sie sich von ihm abwendete und sich zu ihrer Schwester gesellte.

"Mann, das ist aber jetzt eine bescheidene Situation. Ich will doch nichts von Martines Schwester", protestierte Julius und wollte los, um Claire das zu erklären, daß er das genauso wenig gewollt hatte, wie sie. Doch Sabine hielt ihn zurück.

"Lass sie erst einmal abkühlen, Julius. Die glaubt dir jetzt erst einmal gar nichts. Du hast mit Millie Arithmantik. Du trainierst mit Babs und uns am Morgen. Denkst du, die würde dir das jetzt glauben, daß Millie nicht dein Typ sein soll, was ich auch nicht so recht glaube."

"So? Wieso?" Feuerte Julius eine scharf betonte Frage ab. Sabine lächelte tiefgründig, sah sich um, ob jemand mithörte, machte ein beruhigtes Gesicht und sagte:

"Deine Eltern haben dich auf hohes Geistesniveau getrimmt. Das wissen wir ja nun alle hier. Nicht selten sind es die Gegensätze, die sich sehr gut anziehen und dann auch aneinander kleben bleiben. Connie hat's mit diesem Streber Malthus getrieben, euer lebenslustiger, auch mal für nebensächliches zu habender Hercules fährt auf unsere stockernste Bernie ab, und wir, die wir eigentlich die totale Kontrolle über alles haben wollen, haben uns ausgerechnet Schwester Florences Chaotenenkel ausgeguckt. Und du bist eben einer, der zwar still wie das Wasser ist, aber doch mal zwischendurch ans Feuer geht, um richtig in Schwung zu kommen."

"So, du meinst also, Millie und ich wären besser füreinander geeignet als Claire und ich? Mal abgesehen davon, daß euch das eigentlich einen feuchten Kehrricht ... Aber wenn schon getratscht wird, dann richtig. - Also gut, ihr beiden Süßen. Ich bin froh, nicht eure Drillingsschwester geworden zu sein. Das heißt aber nicht, daß ich was grundsätzliches gegen Mädels aus dem roten Saal habe. Mir geht das nur zu schnell, wie ihr Jungen anbaggert. Das geht ja auch nie gut, weil Jungs sich nicht so überrumpeln lassen."

"Klar, die wollen erobern, erstreiten, gewinnen, obsiegen", erwiderte Sandra und nahm Julius rechte Hand fest in ihre. "Was Bine damit sagen will ist, daß Millie keine Probleme hat, Jungen, auf die sie gerade gut zu sprechen ist, direkt und ansatzlos sagt, daß sie mit ihnen was anfangen will. Was sie gerade hier abgezogen hat, ist zwar neu für uns. Aber einige Gelbe haben sich sehr bestürzt gezeigt, als sie sie unvermittelt umgarnt hat. Aber das klär' am besten mit Martine."

"Ich muß erst mit Jeanne und Claire reden. - Oder besser mit Barbara. - Barbara!"

Julius sah die Hüterin der Grünen neben Gustav van Heldern stehen, der sie etwas manierlicher umarmte als Mildrid ihn, Julius, vorher. Barbara wandte ihren Kopf, sah Julius an, machte einen Arm frei und winkte ihm zu. Gustav sah sie kurz an, flüsterte ihr was zu und löste sich dann von ihr.

"Noch so'n Paradebeispiel von gegensätzlichen Paaren", fühlte sich Sabine berufen, ihren Kommentar dazu zu geben. Julius ging hinüber zu der Sprecherin der Mädchen seines Saales und erklärte ihr kurz, was eben gelaufen war.

"Tja, Millie weiß eben, wo Claire zu packen ist. Sie weiß, daß Claire sich trotz eurer Verabredung an dich dranhängt, als dürftest du keinen Schritt ohne ihre Erlaubnis gehen und nutzt ihre Gelegenheiten aus. Also was möchtest du jetzt von mir?"

"Ich wollte dir das nur sagen, falls es da noch Ärger im Saal gibt. Ich wollte das nicht. Aber Claire denkt, ich hätte sie jetzt schon in den Wind geschossen."

"Wenn du das mit Claire nicht bereden kannst, rede mit Jeanne oder schreib ihrer Mutter, was passiert ist, damit die beide Versionen hat. Denn davon solltest du ausgehen, daß Madame Dusoleil das schon morgen erfährt, egal durch wen", sprach Barbara ruhig. Sie sah jedoch so aus, als sei ihr diese Sache lästig, als müsse sie sich schwer beherrschen, Julius nicht anzufahren, er solle sie mit seinem Kinderkram in Ruhe lassen, weil sie ihre eigenen Probleme hätte. Doch Sie fuhr ihn nicht an. Sie beruhigte sich viel mehr und sagte dann:

"Ich bringe dich in den grünen Saal. Wenn Jeanne da ist, frag sie, ob du mit ihr und Claire zusammen sprechen kannst. Ich werde mich da nicht reinhängen, solange nichts für die Schuldisziplin schädliches passiert. Du bist auf einem Weg, den du unbedingt so weit es geht alleine gehen solltest. Glaub mir, du lernst nur was in dieser Hinsicht, wenn du eigene Erfahrungen machst. Und jetzt wollen wir gehen!"

Julius winkte den versammelten Mitgliedern der roten Hausmannschaft noch zu, dann ging er mit Barbara in den Palast. ihm juckte es im rechten Arm, den Pflegehelferschlüssel zu benutzen, um durch die Wand direkt in den grünen Saal zu schlüpfen. Doch Barbara ahnte das wohl voraus und hielt den rechten Arm des muggelstämmigen Schülers sicher fest.

"Heute gehen wir mal schön langsam zum grünen Saal. Wege können einem Zeit zum denken geben. Sicher weiß ich das auch, daß du nichts von Millie wolltest. Aber die will wohl was von dir, wenn ich Jeanne und Martine richtig verstanden habe. Die Frage ist nur, was sie von dir will?"

"Schokofrösche, Fruchtschaumschnecken und Lakritzzauberstäbe", stieß Julius frech aus.

"Ja das wohl auch", grinste Barbara. Jetzt war sie wieder die große Schwester, die er nie gehabt hatte. Doch er wußte auch, daß sie sehr wütend sein konnte, wenn man sie beleidigte. "Dann, wenn du sie lange genug gefüttert hast, wird sie dir wohl sagen, was sie noch will. - Könnte es sein, daß du irgendwas gesagt hast, daß bei ihr nicht so ankam, wie du meintest, daß es ankommen sollte?"

"Öhm, da fällt mir nur dieser blöde Spruch ein, den ich mal losgelassen habe, weil sie meinte, daß ein Zauberer die Hexe seines Lebens erkennt, wenn er seine ungeborenen Kinder in ihren Augen sehen kann. Ich habe sie da ganz konzentriert angesehen und ihr dann aus Jux erzählt, ich würde 'ne komplette Quidditchmannschaft Kinder sehen. Heute weiß ich, daß das wohl total daneben war."

"Oh-Oh, Julius. Scherze so nie mit einer Roten! Die haut dir dann eine oder heiratet dich, um das von dir einzufordern."

"Verdammt, Barbara, das war nur ein dummer Witz", widersprach Julius heftig.

"Für dich ja, Julius. Aber so haben die Rossignols auch die Montferre-Damen an die Backe bekommen, durch einen "dummen Witz". Geh davon aus, daß Millie dir das von Zeit zu Zeit aufs Brot schmiert, wenn sie die Stimmung für günstig hält. Da kommst du auch nur wieder von weg, wenn du dich endgültig mit einer Hexe verbunden hast."

"Oder mit einer Muggelfrau", wußte Julius da noch gegenzuhalten.

"Oh, das solltest du besser nicht erwähnen, wenn Millie oder ihre Bande in der Nähe ist. Ich denke nicht, daß eine Muggelfrau für sie eine respektable Konkurrenz ist. Kuck dir doch an, wie leicht sie Caro in den Hintergrund gedrängt hat. Die hat ja auch ihre Scherze mit dir versucht."

"Die ich aber immer als Scherze kapiert habe, Barbara", sagte Julius, während sie in den großen runden Raum mit den sich sternförmig davon abzweigenden Zugängen zu den Schulsälen eintraten. Dort wartete Jeanne bereits. Claire war nicht zu sehen.

"Hallo, Julius. Muß Barbara dich eskortieren, weil du Angst vor der Rache einer wütenden Junghexe hast? Brauchst du aber nicht. Claire war nur wütend auf Mildrid. Das du das nicht wolltest, konnte ich ihr deutlich zu verstehen geben. Du würdest dich nicht so hinreißen lassen. Allerdings möchte Claire erst einmal nicht mit dir reden. Das macht die oft, wenn sie mit einer Sache nicht klarkommt, obwohl sie genau weiß, wieso und wodurch sie passiert ist. Du weißt ja, wie sie damals auf deinen Versuch mit Professeur Faucon angesprungen ist."

"Zu gut, Jeanne. Aber wenn ich in den grünen Saal gehe, kann ich ja nicht so tun, als würde ich da einfach drüber weggehen. Meine Mum hat mir erzählt, daß sowas zuweieln noch schlimmer rüberkommen kann."

"Ja, aber sie war, wenn ich das über Weihnachten von Maman und Tante Uranie mitbekommen habe, in einer reinen Mädchenschule. Die haben sich gegenseitig konkurriert, ohne jemanden zu haben, mit dem sie sich sonst noch beschäftigen konnten. Ich schlage dir vor, wir gehen die theoretischen Punkte für die Kursstunde morgen früh noch mal durch, wenn du deinen Umhang gewechselt hast."

"Oh, ich habe ja noch den Spielerumhang an", erkannte Julius. Dann sah er Barbara an, die ebenfalls noch im grasgrünen Spielerumhang herumlief. Jeanne hatte schon längst ihre blaßblaue Beauxbatons-Schulkleidung angezogen.

"Huch, wo hast du denn so schnell deinen Umhang gewechselt, Jeanne?" Wollte Barbara wissen.

"Als ich Claire zum Palast gebracht habe, bin ich mit dem Pflegehelferarmband in den grünen Saal, habe mich dort umgezogen und den Umhang dann in die Umkleiden zurückgebracht. War einfacher."

"Dann werde ich mal zu Fuß zur Umkleide zurückgehen", erkannte Barbara und kehrte um. Julius benutzte den Schlüssel der Pflegehelfer, schlüpfte durch die Wand zum Stadion, ging dort in die Umkleide und zog den Spielerumhang aus und den blaßblauen Schulumhang wieder an. Dann wechselte er durch das Wandschlüpfsystem zu einem Korridor, von wo aus er zu Fuß zum grünen Saal zurückkehrte. Dort saßen Jeanne und er bis zum Mittag über ein Kapitel über Geburtshilfe. dieses war durch Bilder von hochschwangeren Frauen, die zwischenzeitlich wie aus Glas erschienen, sodaß die in ihren Leibern ruhenden Ungeborenen deutlich zu sehen waren, illustriert. Claire saß mit Céline in einer Ecke an einem Tisch und sprach wohl über die übermorgen angesetzte erste Halbjahresendprüfung. Laurentine saß allein an einem kleinen Tisch und las in einem Buch, das von der Farbe des Umschlags her ein Arithmantikbuch sein mochte.

"Nächste Woche will Schwester Florence uns beide noch mal mit Connie Dornier zusammenbringen, damit wir miteinander abklären, wer wann für sie da sein kann."

"Na toll! Die freut sich besonders darauf, wenn ich ihren Bauch streichel und ihr gut zurede, schön tief zu atmen, damit sie den richtigen Rhythmus reinkriegt", murrte Julius. "Wenn das Wandschlüpfsystem nicht wäre, hätte ich dieses vermaledeite Armband und alles, was da dranhängt schon längst in einen Umschlag gesteckt und mit freundlichen Grüßen an Schwester Florence zurückgeschickt."

"Komm, kommm, komm, Julius! Du wußtest genau, daß du durch den Kurs bei Madame Matine was lernst, was jede Heilerin, ob Madame Pomfrey oder eben Madame Rossignol, nicht einfach vergessen wird. Du wolltest das lernen und kannst jetzt als einer von zehn Schülern hier was wirklich sinnvolles tun, von den Freizeitkursen mal abgesehen. Außerdem kriegst du das Armband nicht von dir aus wieder ab. Das hängt an dir, wie du ganz genau weißt. Immerhin wollte es nicht zu Mademoiselle Grandchapeau. Außerdem, für Constance ist das jetzt schlimmer als du oder ich uns das vorstellen können. Sicher, ich werde vielleicht in einem oder zwei Jahren auch ans Kinderkriegen denken. Aber für dich ist das ja nun doch wieder sehr unwahrscheinlich geworden. Für Constance ist das körperlich und seelisch die schwierigste Zeit, die sie erleben muß. Ich weiß nicht, ob sie sich nun, wo Malthus Lépin rausgeflogen ist, auf dieses Kind freut. Immerhin muß sie ihr ganzes Leben komplett darauf einrichten. Du und ich können ihr aber helfen, es etwas leichter zu ertragen, auch wenn wir ihr die Hauptarbeit nicht abnehmen können. Das möchtest du bitte immer berücksichtigen. Außerdem denke ich bisher nicht, daß du alles hinwirfst, sobald es dir mehr Arbeit als Freude macht", beendete Jeanne ihren Vortrag und lächelte, weil Julius ihr zustimmend zunickte.

Den restlichen Tag ging Claire Julius aus dem Weg. Da er nicht immer mit Jeanne zusammenhocken konnte, da ja auch diese sich für Zwischenprüfungen fertigmachen mußte, verbrachte er den Nachmittag in der Bibliothek, wo ihm Sandrine über den Weg lief, die sich in einer Ecke ruhig und in Flüsterlautstärke mit ihm unterhielt. Er war froh, mit dem Mädchen aus dem gelben Saal in aller Ruhe über sein Erlebnis vom Morgen zu sprechen. Sandrine Dumas sagte zum Schluß:

"Claire muß das lernen, daß sie nicht die einzige ist. Sicher, die hat zwei Schwestern. Aber als Spielzeug für Denise bist du zu kompliziert und für Jeanne schon wieder nicht aufregend genug. Was ich sagen möchte: Lass dich nicht von den Roten durch die Gegend scheuchen! Die spielen gerne miteinander und auch mit anderen. Das hast du doch bei Caro erlebt. Aber hier haben Bernadette und Millie das sagen. Das mit Claire ränkt sich wieder ein. Was die Montferre-Schwestern dir um die Ohren gehauen haben, mußt du nicht ernstnehmen. Sicher, von Gérard und mir reden ja auch alle so, als sei das total komisch, daß wir zusammen gehen, aber wir hören da nicht mehr drauf. Millie wird die Lust am Spiel mit Claire und dir verlieren, wenn ihr sie langweilt. Ganz einfach ist das."

"Dann müssen wir sehen, daß sie sich bald langweilt. Ich habe nämlich seit heute morgen so'n blödes Gefühl, als sei ich von einem fliegenden Besen gefallen und warte auf den Aufprall. Ich weiß, daß er kommt, aber nicht, was dann von mir übrigbleibt."

"So heftig ist das doch nicht, Julius. Auch Claires Eltern wissen, daß das nicht sofort die Beziehung für's Leben sein muß. Ich habe ja mit deiner Mutter nicht so sprechen können, wie Barbara, die Delamontagnes und Claires Familie. Aber ich denke, ihr ist es wichtig, daß du hier bei uns richtig untergebracht bist, und bis jetzt läuft's doch."

"Hast recht, Sandrine", sagte Julius leise. Dann stand er auf und verließ die Bibliothek.

Nach dem Abendessen vertrieben sich die Bewohner des grünen Saales die Zeit mit einer spontanen Party, weil sie ja das Quidditchspiel gewonnen hatten und durch die so gut herausgespielten Punkte einen satten Vorsprung vor allen anderen hatten. Die Stimmung zwischen Claire und Julius berappelte sich jedoch nicht so leicht, wie er das gehofft hatte. So blieb die allabendliche Verabschiedung diesmal aus. Julius winkte den Mädchen seiner Klasse nur zu, wünschte ihnen eine gute Nacht und ging mit Hercules und Robert in den Schlafsaal für Drittklässler.

Einige Dutzend Minuten lag Julius nach der Zehn-Uhr-Kontrolle durch Edmond Danton noch wach. Er fragte sich, ob er nicht ganz am Anfang einen entscheidenden Fehler gemacht hatte, als er in diese Schule gekommen war. Doch dann irgendwann umfing ihn der Schlaf und trug ihn aus seinen verwirrten Gedanken davon.

 

__________

 

Mitten in der Nacht erwachte Julius. Irgendwie meinte er, jemand säße neben ihm. Er sah jedoch niemanden. Der Vorhang um sein Bett war richtig zugezogen und schirmte das Licht von draußen ab wie den Schall vom Bett her nach außen. Dann hörte er leise flüsternd:

"Heh, Julius! Schön, daß du wach bist. Das mit meiner Schwester hat mich nicht in Ruhe gelassen."

"Martine?" Wunderte sich der Beauxbatons-Drittklässler. Denn es war zweifellos die Stimme der Saalsprecherin der Roten. Sie sagte nun lauter:

"Ja, ich bin's. Hier bin ich."

Julius streckte die Hand aus und berührte einen warmen Körper in einem hauchzarten Nachthemd, wohl aus allerfeinster Seide. Nein, es war kein Nachthemd. Er streichelte einen völlig nackten Rücken. Martine, die er nun als sich vom Dunkel des Vorhangs noch abhebenden Schatten erkannte, wandte sich zu ihm hin und legte ihm vorsichtig die Hand auf den Brustkorb. Dann Fühlte Julius, wie sie seine freie Hand in ihre linke Hand nahm und sie fest auf ihren Körper legte. Er wußte, wo er sie berührte, weil er selbst vier volle Tage lang solch einen Körper bewohnt hatte. Erst war es ihm irgendwie peinlich. Dann wurde ihm merkwürdig anregend zu Mute. Es kam ihm vor, als verspüre er eine Form von Hunger, Durst oder ein anderes entsprechendes Verlangen, das er bis dahin nicht gekannt hatte. Martine schien das zu merken und zog Julius langsam zu sich heran.

"Meine Schwester will dich haben. Ich will wissen, warum."

"Wieso?" Flüsterte Julius.

"Weil sie nie Punkte Riskiert, wenn es sich nicht lohnt. Und das werde ich jetzt rauskriegen."

Das merkwürdige Verlangen, verbunden mit einer ständig steigenden Körperwärme, dem immer schneller schlagenden Herzen, durchströmte Julius immer deutlicher. Dann war es um ihn geschehen. Martines starker Leib schob sich über ihn, ihre Arme umfingen ihn, dann noch ihre Beine. Dann waren sie beide sich näher als in Beauxbatons erlaubt sein durfte. Er fragte sie ängstlich, wie sie denn zu ihm gekommen sei.

"Privileg der Saalsprecher. Wir dürfen in alle Schlafräume. Schwester Florence war nicht da, so kam ich einfach in den grünen Saal. Und jetzt hab ich dich gefunden", flüsterte die Saalsprecherin der Roten und verstärkte die Verbindung, die sie mit dem wesentlich jüngeren Schüler begonnen hatte. Julius fühlte, daß dies alles war, was er jetzt wollte, gab sich immer stärker in dieses unbändiger werdende Gefühl hinein, tat, was ihm die fast erwachsene Hexe zuflüsterte und fühlte, wie es ihn immer heftiger anregte, bis es sich explosionsartig in ihm entlud, aus ihm herausbrach. Und mitten hinein in diese mächtigste aller Wallungen, die er in seinem bisherigen Leben verspürt hatte, löste sich Martine unvermittelt in Nichts auf. Mit bis zum Halse klopfendem Herzen, schweißgebadet und schnell atmend, fand sich Julius allein in seinem Bett wieder. Dann merkte er, daß etwas nicht so war, wie es sein sollte. Denn seine Schlafanzughose war naß und klebte an seinen Beinen. Und da begriff er, daß ihm widerfahren war, waß ihm sein Vater und sein Onkel Claude einmal als "Übergang vom Knaben zum mann" angedroht hatten. Die Erregung von gerade eben noch verflog schlagartig, wurde von einem Gefühl totaler Peinlichkeit und etwas Ekel verdrängt. Während Julius das Ausmaß jenes nächtlichen Ereignisses erfaßte, fragte er sich, wie er das den anderen Jungen im Schlafsaal gegenüber verbergen konnte. Denn die mußten das nicht wissen. und er wollte es auch keinem erzählen, daß ausgerechnet ein Traum von einer wilden Liebesnacht mit Martine Latierre dies verursacht hatte. Er schlüpfte aus dem klebrig feuchten Schlafanzug, fragte sich, wie er die gleichfalls besudelte Decke loswerden konnte und zog vorsichtig den Vorhang bei Seite. Er hörte kein Geräusch aus den anderen Betten. Auf Zehenspitzen, eingehüllt in die verunreinigte Decke, verließ er mit Unterzeug und seinem Zauberstab unter dem Arm den Schlafsaal. Im Badezimmer für Drittklässler zog er das Laken von der Decke, warf dieses in ein Waschbecken und weichte es ein. Er wollte sehen, daß er alles soweit reinigte, daß er es mit einem Trocknungszauber wieder gebrauchsfertig bekommen konnte.

"Der junge Monsieur wird das so nicht wieder sauber bekommen", piepste es ohne Vorankündigung aus einer Duschkabine. Julius schrak so heftig zusammen, daß er gut und gerne zwanzig Zentimeter einschrumpfte, bevor sein Körper sich wieder zur vollen Länge ausstrecken konnte. Sein Herz hämmerte nun wie ein großer Schmiedehammer von innen gegen seinen Brustkorb. Er warf sich herum und erblickte ein kleines Wesen mit fledermausartigen Ohren, tennisballgroßen Augen wie Rubine und einer langen karottenartigen Nase, das in ein derbes Tuch mit dem Wappen von Beauxbatons gehüllt war.

"Huch! Ich wußte nicht, daß die Hauselfen um diese Zeit durch die Badezimmer gehen", keuchte Julius sichtlich geschlaucht von dem Traum und dem Schrecken. Das Wesen, eben einer der vielen Hauselfen von Beauxbatons, nickte und verbeugte sich sehr tief. Dann sprach es mit seiner hohen Piepsstimme:

"Junger Monsieur wird die Spuren seines Traumes nicht mit reinem Wasser fortbekommen. Corie wird Deckenbezug mitnehmen und waschen. Wenn der junge Monsieur Corie noch seinen Schlafanzug gibt, kann Corie den auch waschen, Monsieur."

"Corie?" Fragte Julius. Dann lief er total rot an. Das war kein Hauself, sondern eine Hauselfe, ein Weibchen dieser zu niederen Diensten angehaltenen und meistens auch freudig damit zurechtkommenden Gattung von sprachbegabten Zauberwesen.

"Ach du große Güte, was die nun von mir denkt?" Fragte sich Julius in Gedanken. Doch er befolgte den Vorschlag der Hausdienerin. Diese drehte sich um, bis Julius zumindest die notwendigsten Kleidungsstücke angezogen hatte. Dann verschwand sie mit lautem Knall. Der ehemalige Hogwarts-Schüler fragte sich, wie die Hauselfen in einem Raum, der gegen das Apparieren geschützt war, dennoch disapparieren und apparieren konnten. Oder war das vielleicht eine andere Form der Ortsversetzung?

Eine halbe Minute später knallte es erneut, und Corie stand mit frischer Bettwäsche und einem frisch gewaschenen Schlafanzug vor Julius. Dieser staunte. Woher wußte die Elfe ...? Klar, im Nachtzeug waren ja wie in den Schulumhängen Namensschilder vernäht. Corie mußte ja nur sehen, von wem das war.

"Monsieur Andrews möchte bitte warten. Corie richtet sein Bett wieder her", sagte die Elfe und verbeugte sich wieder sehr tief. Dann verließ sie fast unter dem Bettbezug verschwindend das Bad, während Julius seinen frisch gewaschenen Pyjama anzog. Als Corie dann wiederkam, sagte sie im Flüsterton:

"Monsieur Andrews kann ganz beruhigt zurück ins Bett. Corie war leise. Hat keinen anderen geweckt, Monsieur."

"Ja, Danke auch. Bitte erzählen Sie das keinem anderen Schüler weiter!" Sagte Julius noch. Die Elfe verbeugte sich noch mal tief. Dann vergrub sie ihr Gesicht in den Händen. Julius konnte an der Spitze ihrer Karottennase sehen, daß sie offenbar rot angelaufen war. Er kannte das von Gigie, Madame Delamontagnes Hauselfe. Sie schämten sich, wenn sie Dank für ihre Dienste bekamen, zumindest die meisten. Corie sagte:

"Corie wird keinem anderen Wesen sagen, was Julius Andrews heute Nacht erlebt hat, Monsieur. Passiert ja doch irgendwann jedem hier, Monsieur. Muß keiner wissen, wann es wem passiert, Monsieur. Gute Nacht noch, Monsieur Julius Andrews."

"Gute Nacht, Corie", entgegnete Julius und verließ im frischen Pyjama das Badezimmer. Leise schlich er mit langsam eiskalten Füßen in den Schlafsaal zurück, wo zum Glück ja Teppichboden auslag, sodaß er nicht mehr auf kalten Marmorfließen gehen mußte. Er schaffte es, in ein vollständig neu bezogenes Bett zurückzukehren und legte sich wieder hin. Er sah auf seine Uhr: Es war gerade vier Minuten nach zwei Uhr.

Eine halbe Stunde lag er noch wach. Er dachte an den unheimlichen, ja irritierenden Traum, der ihm auf überdeutliche Art gezeigt hatte, daß er bald kein unbedarfter Junge mehr sein würde. Er hörte die Stimme seines Vaters, die sich mit der von Madame Matine vermischte:

"geh mal davon aus, Junge, daß du zwischen dreizehn und fünfzehn Jahren den ersten feuchten Traum haben wirst. Das passiert jedem echten Mann mal", sagte sein Vater und wurde dann in die Stimme Madame Matines übergeblendet, die sagte: "Da du bereits in einem Alter bist, in dem du für gewisse Sachen empfänglich und zu bestimmten Handlungen fähig bist, ist es sehr gut, wenn du jetzt schon alles weißt, was wichtig ist, um dich korrekt und auch in Rücksicht auf deinen Körper richtig zu verhalten. ..."

Dann dachte er wieder über die Fähigkeit der Hauselfen nach, innerhalb eines apparitionsgesperrten Bereiches zu verschwinden und wieder aufzutauchen. Ihm fiel ein, was Professeur Faucon in der Stunde Protektion gegen die destruktiven Formen der Magie der siebten Klasse erzählt hatte und was auch Professeur Fixus ihm bei seinem Besuch des pariser Zaubereiministeriums deutlich erklärt hatte. Einige Lebewesen konnten magische Dinge tun, für die ein Zauberer komplizierte Tätigkeiten ausführen mußte. So wie ein Vogel, ja eine Stubenfliege fliegen konnte, ohne was von Luftströmen und Auftrieb zu wissen, so konnten manche Zauberwesen einfach unsichtbar werden, in den Geist von anderen Lebewesen hineinsehen, womöglich auch disapparieren, ohne den Grundzauber dafür aufrufen zu müssen. Doch wieso die Hauselfen das konnten, wußte er nicht. Er wußte auch nicht, wie Corie so schnell und leise das Bett frisch bezogen hatte. Hatte sie vielleicht die Zeit angehalten und sie erst weiterlaufen lassen, als ihre Arbeit getan war? Nein, dann wären diese Wesen zu mächtig. Irgendwann würde eines von ihnen diese Macht doch benutzen, wie ein Zirkuslöwe irgendwann auch seinen Dompteur anfallen mochte, wenn er sich seiner Überlegenheit bewußt wurde. Also mußte das anders gehen. Ja, so ging's! Corie hatte den Sonovacuus-Zauber gewirkt, den geräuschlosen Raum, in dem ähnlich wie bei einem Klangkerker der Schall geschluckt wurde, aber nicht erst bei den Wänden, sondern im ganzen Raum. Wer dann nicht wach war, konnte auch kein Geräusch hören. Ja, und mit den Fernlenkzaubern, die Hauselfen auch von Natur aus konnten, war das Bett in Nullkommanichts bezogen.

Als er diese Erkenntnis gewonnen hatte, wollte er schlafen. Doch seine Gedanken kehrten zu Martine Latierres Besuch in seinem Himmelbett zurück. Wieso hatte er ausgerechnet von Martine geträumt? Wieso mußte die erste "Traumfrau" Martine sein und nicht Claire, ihre Schwester Jeanne oder möglicherweise Aurora Dawn, bei der er sich das irgendwann vor Beauxbatons mal vorgestellt hatte, als Madame Matine ihn unterrichtet hatte. Immerhin hätte die in Australien lebende Hexe ihm sowas ja beibringen dürfen, was ihm sein Gehirn nun ohne äußere Anleitung vorgegaukelt hatte. Oder war er vielleicht schon angeleitet worden? Sicher, er hatte Filme gesehen, wo Menschen sich liebten, hatte sich von seinen Eltern viel erklären lassen und war von Madame Matine sogar zu einem Besuch im Mutterleib ihrer Nichte Nicolette Clavier eingeladen worden, wo er in der Sinneswelt ihrer jetzt vier Monate alten Tochter Felice wortwörtlich eingetaucht war. Tja, und weil er vier Tage lang Belles Zwillingsschwester war, wußte er auch, wie sich eine nackte Frau anfühlte, welche Berührungen anregend waren und wie es sich anfühlte, was Belle als "erotisierend" bezeichnet hatte. Ja, er war bereits angeleitet worden!

Aber wieso Martine? Wieso nicht dann Millie oder Belisama, Claire oder Sandrine? Wieso nicht die Montferre-Schwestern oder Barbara, wenn's schon ein älteres Mädchen sein sollte? Ja, wieso dann nicht Belle Grandchapeau.

"An dem Tag, wo ein Gehirn sich selbst total ergründet hat, hat es sich auch abgeschafft", hatte seine Mutter ihm mal auf die Frage geantwortet, wieso man noch keinen Computer bauen konnte, der wie ein Mensch denken konnte. Mit dieser letzten Weisheit gelang Julius doch noch der Übergang in den Schlaf, diesmal ohne eine Besucherin, die nur einmal wissen wollte, wieso eine andere junge Dame ihn begehren mochte.

 

__________

 

Trotzdem er am Sonntag relativ Nüchtern über das nächtliche Traumerlebnis dachte, fiel es beim Ersthelferkurs für Pflegehelfer schon auf, daß Julius anders mit Martine Latierre umging. Er mußte seine beim Karate-Training erlernte Selbstbeherrschungsmeditation immer wieder durchführen, was dazu führte, daß er nicht immer voll bei der Sache war. Als er Martine einmal das linke Bein schienen sollte, blitzte vor seinem geistigen Auge ihr Körper ohne Rock und Bluse auf. Derartig irritiert verpatzte er den Schienzauber. Martine bedachte dieses Mißgeschick mit einem Stirnrunzeln.

Als der Kurs vorbei war wollten alle wieder zurück in ihre Säle. Doch Schwester Florence hielt Martine und Julius zurück. Sie gebot ihnen, sich noch mal hinzusetzen. Dann fragte sie, Julius zielgenau anblickend:

"Was ist heute mit dir los, Julius? Sonst klappt zwischen dir und Martine jeder Handgriff und jeder Zauber. Und heute muß ich mehr als einmal sehen, wie du unkonzentriert, ja geistesabwesend bist, und zwar nicht aus Mangel an Interesse, sondern weil dich was anderes umtreibt. Dann habe ich das schon mitbekommen, wie du merkwürdig zurückgezuckt bist, als du Martines linkes Bein schienen solltest. Also raus damit! Was ist los mit dir?"

"Öhm, muß Martine Latierre dazu hierbleiben?" Fragte Julius, der spürte, wie ihm die verlegenheitsröte bereits vom Hals in die Wangen aufstieg.

"Nun, da du mich fast ans Bett festgezaubert hättest, sollte es mich schon interessieren", sagte Martine. Schwester Florence nickte.

"Das ist was, das eigentlich was ganz privates ist, wenn's auch natürlich ist. Aber frage ich zum Beispiel, wann du, Martine welchen Zustand im Monatszyklus erreichst oder wann Sie, Schwester Florence das letzte Mal geliebt haben?"

"Aha, dir ist da was passiert, was junge Männer alle irgendwann ereilt", erkannte Schwester Florence. martine grinste erst mädchenhaft, wurde dann aber wieder ernst.

"Und das hat was mit Mademoiselle Latierre zu tun?"

"Öhm, welcher?" Fragte Julius, um Zeit zu gewinnen.

"Wahrscheinlich mit beiden", ging Schwester Florence darauf ein. Martine sah Julius sehr interessiert an. Dann fragte sie:

"Hast du vielleicht von der ersten Liebe mit meiner Schwester geträumt? Sähe ihr ähnlich, Jungs dazu zu verleiten."

"Öhm, nicht direkt", druckste Julius herum. Dann erzählte er es jedoch. "Wenn ein Huhn gackert, muß es auch ein Ei legen", hatte sein Großvater William Andrews, ein Tierarzt, gesagt. So erzählte er alles und bat anschließend darum, daß davon niemand was erfuhr. Martine grinste erneut. Dann sagte sie ruhig:

"Ich habe mich nie für das Sinnbild der Verführung gehalten, Julius. Aber es ehrt mich doch, wenn ein Junge mich als Geliebte in seine Träume holt. Ich denke nicht, daß Edmond darüber eifersüchtig wäre, zumal ja klar ist, wieso du das geträumt hast. Ich werde wohl noch mal mit meiner Schwester reden müssen. Ich werde ihr sagen, daß du nur auf ältere Mädchen abfährst und junges Gemüse links liegen läßt."

"Na klar, die steckt das dann Claire bei der nächsten Stunde bei Armadillus", brach es aus Julius heraus.

"Fünf Strafpunkte, Julius, wegen respektloser Rede über einen Lehrer in dessen Abwesenheit. Professeur Armadillus wird das nicht wissen wollen, welche junge Dame mit welchem jungen Herren wie verkehrt, ob in Wirklichkeit oder im Traum", warf Schwester Florence Rossignol ein.

"Da hast du zwar recht, Julius. Aber ihr zu befehlen, dich in Ruhe zu lassen, das würde sie nur noch wilder hinter dir herjagen lassen. Wenn sie dann noch glaubt, meine bisherige Beziehung sei brüchig, und ich würde mich nach unkomplizierten Partnern umsehen, wird sie die Konkurrenzangst umtreiben, von mir abgehängt zu werden. Aber zu deiner Beruhigung: Saalsprecherinnen dürfen nicht zu Jungs in den Schlafsaal, und ich denke, ich stünde schon längst da", wobei Martine auf das Bettpfannenregal wies, "wenn ich ohne Schwester Florences Erlaubnis in einen anderen Saal als meinen wandschlüpfen würde. Ich habe da doch etwas mehr mit meinem Leben vor."

"Na klar", warf Julius ein. "War ja auch nur so'n dummer Traum."

"Dumm würde ich das nicht nennen. In jeder Hinsicht aufschlußreich", widersprach die Heilerin von Beauxbatons. "Zum einen werde ich dich in den nächsten Stunden mit Deborah Flaubert üben lassen, so kann Martine mit Felicité die Schwangerschaftsgymnastikübungen für Constance Dornier erlernen. Zum anderen wage ich zu behaupten, daß du durchaus kein gefühlsarmer Mensch bist und du Bedürfnisse hast. Deine Privatsachen sind natürlich deine Privatsachen, solange, wie der Fall Dornier / Lépin zeigt, die Schulordnung nicht darunter leiden muß. Es ist auch normal, daß Jungen deines Alters ihre ersten erotischen Träume mit älteren Frauen verknüpfen, eben weil die wissen, was sie wollen. Das ist also nichts böses oder schmutziges, zumindest nicht im Sinne des Geistes. Das du nicht von Jeanne, ihrer Mutter, ihrer Tante oder vielleicht von deiner zeitweiligen Körperdoppelgängerin Belle Grandchapeau geträumt hast, kann nur durch das Verhalten von Mildrid Latierre ausgelöst worden sein. Du hast also in der Tat Anlagen für den grünen Saal, konsequente Handlungsabläufe durch Phantasie in neue Bahnen zu lenken. Deshalb kann es dich auch nicht groß aus der Balance werfen, wenn du derartige Träume hast. Aber es ist gut, daß ich weiß, das du in die entscheidende Entwicklung eingetreten bist. Daß es bei dir jetzt losgegangen ist, ist durchaus noch im Bereich des Üblichen. Also geh es ruhig und konzentriert an. Und für die nächsten Stunden hier bist du gefälligst wieder voll konzentriert bei der Sache, sonst brauchst du dir um deine körperliche Fortentwicklung keine Gedanken mehr zu machen!" Diese letzte Drohung der Heilerin saß. Julius verstand, daß sie seine heutige Nachlässigkeit nicht bestrafen würde, alles spätere aber dafür um so härter. Verschüchtert schweifte sein Blick umher, mied das Regal und fand dann den entschlossenen Gesichtsausdruck Schwester Florences.

"Brauchen Sie mich dann noch hier, Schwester Florence?" Fragte Martine. Die Heilerin entließ beide Pflegehelfer. Was zu klären war, war geklärt.

Martine verschwand durch die Wand zum roten Saal. Julius schlüpfte durch die Wand zum grünen Saal. Dort wartete Claire Dusoleil, auf einem bequemen Stuhl sitzend, keine zwei Schritte vor der Wand. Neben ihr stand ein leerer Stuhl. Sie legte kurz die Hand auf die freie Sitzfläche, winkte Julius schweigend zu und wartete, bis er leicht verstohlen zu ihr hinüberging und sich nach einem fragenden Blick zu ihr hinsetzte. Dann sagte sie:

"Ich habe die ganze Nacht darüber gebrütet, was ich eigentlich für ein dummes kleines Mädchen sein muß, daß ich mich so heftig über diese Rote aufrege. Sicher wolltest du nicht von Millie geküßt werden. Wozu auch? Du hast gesagt, die hätte nichts, was ich nicht auch hätte. Ist wohl nur so, daß sie das, was sie nicht hat, stärker raushängen läßt. Ich bin auf jeden fall sicher, daß ich dich immer noch als Freund habe. Oder ist es nicht so?"

"Sicher", sagte Julius nach einer gut gewählten Denkpause von einer Sekunde. Dann legte Claire ihren rechten Arm um ihn, kuschelte sich für eine Viertelminute an ihn. Julius sah sich um. Kein Broschenträger war in Sichtweite, nur eine zufrieden lächelnde Jeanne Dusoleil, die in respektvoller Entfernung an einem Tisch saß und so tat, als lese sie noch mal in einem Buch.

Der Nachmittag verlief wieder wie vor dem Quidditchspiel Grün Gegen Violett. Claire und Julius gingen in den Parks um das Schloß spazieren und unterhielten sich mit gleichaltrigen Mitschülerinnen. Millie Latierre kam zwar einmal herüber, blieb jedoch auf Abstand, als Julius seinen Kopf schüttelte.

"Und du kommst doch noch in unseren Saal, was immer dieser Teppich auch angestellt hat", sagte sie nur und verzog sich einfach wieder.

"Warum will die mich in ihrem Saal haben?" Fragte Julius. Claire lächelte geheimnisvoll. Dann sagte sie mit spöttischem Unterton:

"Sie und Caro glauben wohl, daß wir nur zusammen sind, weil du bei uns wohnst. Sie hat halt noch nicht aufgegeben. Aber wenn du wirklich mit mir zusammen sein willst, dann kann sie warten bis zum Geburtstag ihrer Urenkel."

 

__________

 

Die nächsten zwei Wochen waren anstrengend. Denn die Halbjahresendprüfungen waren nicht ohne, mußte Julius feststellen. Mit gewissem Unbehagen erkannte er, daß die sonst so lustig unterrichtende Professeur Pallas in Prüfungen knallhart war. So stand in der dritten von dreißig zu beantwortenden Fragen:

"Was führte Ihrer Meinung nach zur Rebellion der monegasischen Zauberer im Jahre 1722 und welche Nachwirkungen können heute noch beobachtet werden?"

Frage siebzehn bezog sich auf eine Zaubererkonferenz, deren Verlauf und Ergebnis in kurzen einwandfreien Sätzen niederzuschreiben war. Am Ende der Stunde hatte Julius das Gefühl von wütenden Wespen, die in seinem Kopf herumschwirrten. Das machte ihn grinsen, denn solange diese wild surrenden und brummenden Biester in seinem Kopf herumwuselten, brauchte er sich nicht vor ihnen zu fürchten.

Die Arithmantikprüfung war wohl noch einige Stufen härter. Professeur Laplace kündigte die Prüfungen mit den Worten an:

"Einige von Ihnen hier werden Arithmantik womöglich nicht über die volle Schulzeit beibehalten. Für jene, die sich nicht sicher sind, ob dies wirklich das richtige Fach ist, bietet die folgende Prüfung eine sehr nützliche Entscheidungshilfe."

Wie erholsam waren dagegen die praktischen Zauberprüfungen. Zwar mußte Julius in Verwandlung und Zauberkunst Sonderaufgaben lösen, bei Verwandlung Pflanzen in Tiere verwandeln und umgekehrt und in Zauberkunst die genaue Abstufung eines dauerhaften Rauminhaltsvergrößerungszaubers beschreiben, dafür gingen ihm Zaubertränke und Kräuterkunde gut von der Hand, wenn Professeur Trifolio auch sehr viel genauer über Aussehen, Vorkommen und Lebenszyklus einer bestimmten Zauberpflanze abfragte als es Professor Sprout in Hogwarts in Julius' ersten beiden Schuljahren getan hatte. Mit Bernadette und Hercules Moulin schaffte er die besten Zaubertranknoten dieser Zwischenprüfung. Professeur Armadillus teilte einen Fragebogen aus, der in den anderthalb Zeitstunden komplett bearbeitet werden mußte. Fies daran war, daß einige Fragen zehn Punkte für eine richtige, aber zwanzig Minuspunkte für eine falsche Antwort einbrachten.

"Magizoologie ist eine Wissenschaft. Sie verlangt nach fundierten Kenntnissen und methodischem Vorgehen. Diese erste Prüfung wird Sie und mich darüber aufklären, wie weit Sie ihr Grundwissen mit Ihren Methoden verbinden.

Über jedes behandelte Tier wurde da gefragt, wovon sich ein Knuddelmuff ernährte. Wie sein wissenschaftlicher Name lautete, warum eine Singschnauze alle natürlich erzeugbaren Töne und Geräusche nachahmte und so weiter und so fort.

Die einzige Prüfung, vor der sich Julius nicht bange machte, war die Astronomieprüfung. Tatsächlich holte er hier die höchste erreichbare Punktzahl, wurde in dieser Prüfung sogar Jahrgangsbester.

Am Ende waren alle froh, als die Prüfungen vorbei waren. Egal, wer wie abgeschnitten hatte, die Strapazen waren erst einmal vorbei. Zwar hielt Professeur Faucon einen Vortrag darüber, daß jene, die unter den Erwartungen geblieben waren, im nächsten Halbjahr Zusatzaufgaben zu leisten hätten, fand aber im Moment trotz strenger Miene und entschlossenem Blick niemanden, der sich darum scherte.

Alle waren froh, als die Prüfungen vorbei waren und es den gewohnten Trott wieder gab. Dennoch war es nicht so, wie vor den Prüfungen. Hercules und Robert liefen mit nachdenklichen Mienen herum, als müßten sie etwas überaus wichtiges planen oder sich für was entscheiden. Julius kümmerte sich nicht darum. Was die beiden hatten, war ihre Privatsache. Als dann aber Gérard zu ihm kam und ihn fragte:

"Eh, weißt du, was man 'nem Mädchen wie Sandrine schenken kann, Julius? Ihr habt den Tag doch erfunden, habe ich gehört."

"Welchen Tag?" Fragte Julius und schrak zusammen, weil ihm siedendheiß einfiel, daß in nicht einmal drei Tagen Valentin gefeiert wurde, der Tag der Liebenden und befreundeten Paare.

"O Mist! Den habe ich jetzt total vergessen!" Schnaubte der aus England herübergekommene Drittklässler. Dann überlegte er schnell, was er Claire noch basteln oder bestellen konnte. Zu gérard sagte er:

"Sandrine mag wohl Duftkerzen, habe ich von ihr mal gehört. Aber wenn du das nicht genau weißt, kann ich dir auch nichts sagen. Im Zweifelsfall geht wohl Orchidious, der Blumenzauber."

"O das mach aber nicht mit Mädels wie Bernie oder Claire! Die können gezauberte Blumen von geschnittenen Blumen unterscheiden. Aber wo du was von Kerzen gesagt hast, habe ich da 'ne tolle Idee. Danke für den Anstoß!"

"Ja, und ich muß mir was überlegen, was nicht zu schnell und notdürftig aussieht", dachte Julius und schlenderte nun mit demselben Gesichtsausdruck wie Hercules und Robert durch die Korridore. Unterwegs traf er Mildrid Latierre, die ihn anstrahlte und auf ihn zulief. Er hatte es geschafft, während der Prüfungen nicht mehr an den Traum mit Martine zu denken. Doch nun fiel der ihm wieder ein und verursachte eine Mischung aus Anregung und Verlegenheit. Millie sah ihn fröhlich an und fragte, als sie auf normale Sprechweite herangekommen war:

"Hallo, Julius! Daß wir Montags nachmittags alle frei kriegen, wegen Valentin, weißt du bestimmt schon. Hast du Zeit und Lust, daß wir uns im Park auf der Flußseite treffen und eine spontane Kaffeestunde auf der großen Wiese unter den Ulmen abhalten?"

"Seit wann kriegt jemand frei, nur wegen so'nem Tag wie Valentin?" Fragte Julius leicht überrumpelt.

"Ja, wenn sich Paare bei den Saalvorstehern anmelden. In den Parks und in der Schulmenagerie gibt es dann Aufsichtspersonen, wegen der Sittlichkeit", gab Millie spöttisch grinsend zurück. Julius erwiderte dann schlagfertig:

"O, dann werden da wohl auch Pflegehelfer benötigt, die Aufsicht führen. Tja, gut, daß ich dann mit dem Valentinskram nichts zu tun habe. Ich habe nämlich am Montag Pausenhofaufsicht."

"Die Pflegehelfer werden nicht benötigt. Wenn du also mit mir den Nachmittag verbringen möchtest, dann könnte ich Professeur Fixus heute noch fragen, ob sie uns die Erlaubnis gibt

"Entschuldigung, Millie. Könnte es dir entgangen sein, daß ich ... aber lassen wir das!"

"Achso, Claire hat dich schon gefragt, ob du mit ihr was unternehmen möchtest", sagte Millie leise mit leichter Enttäuschung in Stimme und Gesichtsausdruck. "Dann ist das wirklich was mit euch beiden?" Fragte sie dann noch. Julius wußte nicht, ob er jetzt sofort nicken oder irgendwas dazu sagen sollte. Wieso war dieses Mädchen da vor ihm so wild darauf, mit ihm was zu unternehmen?

"Claire und ich sind immer noch zusammen, Millie", sagte er nach einer halben Minute. "Sie hat sich nach dem Spiel zwischen uns und den Violetten wieder beruhigt. Wieso auch nicht?"

"So, hat sie das?" Fragte Mildrid hintergründig lächelnd. Dann trat sie noch näher auf Julius zu, der dem inneren Drang widerstand, einfach vor ihr zurückzuweichen. "Wenn du es mit ihr so gut aushältst, dann werde ich natürlich nichts dagegen sagen. Schade ist es nur, daß andere dir sagen, wie du dich zu fühlen hast und mit wem du zusammen sein sollst. Ich hab' geglaubt, du würdest dir selbst aussuchen, was zu dir passt."

"Achso, du denkst, Claire würde nicht zu mir passen?" Fragte Julius Andrews alarmiert. Er spürte, wie Millies Blick ihm einen heißkalten Schauer über den Rücken jagte, keine Angst, keine Beklommenheit, sondern etwas, daß ihm irgendwie gefiel und das Claire und andere Mädchen bei ihm schon oft geweckt hatten.

"Sagen wir's so, Julius: Ich halte dich nicht nur für interessant, sondern vor allem für vielversprechend. Du hast mehr drauf als Jungs aus meiner Klasse. Jeder hat da seine beste Seite. Aber so vielseitig wie du bist, ist aus deinem und meinem Saal keiner", sagte Millie mit einer leisen tiefen Stimme und fing Julius' Blick mit ihren tiefseeblauen Augen ein. Er errötete vollends und fühlte sich irgendwie erhitzt und schwindelig.

"Öhm, Millie, ich komme mit Claire super aus. Ich weiß, daß ich da natürlich noch nichts großartiges drüber sagen kann, wohin das geht. Aber gute Freunde sind mir wichtig, egal ob Jungs oder Mädels."

"Natürlich. Gerade hier, wo du erst reinkommen mußt, ist das wichtig, wen zu haben, mit dem du gut klarkommst. Caro sagte mir aber, daß Claires Mutter dich für sie verplant haben soll. Nun, Caro kann manchmal sehr blöd daherreden. Aber weil ihre alten Herrschaften den "Zaubererhut" in Millemerveilles haben, kriegt sie natürlich viel mit."

"Ja klar. Caro macht sich ja über Claire und mich lustig, weil Claire und ich uns gefunden haben", wandte Julius verlegen ein. Mildrid lächelte jene Art von Lächeln, die bei dem ehemaligen Hogwarts-Schüler diese wohlige Stimmung der wutlosen Unbeherrschtheit bewirkte. Sie erwiderte flüsternd:

"Daß Claire Caro ausgestochen hat, ist mir klar. Caro ist ja noch ein kleines Mädchen. Ich weiß ja nicht, wie heftig deine Eltern dich rangenommen haben, um dich so früh so groß zu kriegen. Aber für'n Dreizehnjährigen kriegst du vieles so hin, wie'n Fünfzehnjähriger oder älterer. Wenn ich mir Sans und Bines Typen ansehe, sind die ja noch im Kindergarten im Vergleich zu dir."

"Ach, sowas gefällt dir? Andere halten mich wegen meiner Herkunft für überdreht oder unnormal", sagte Julius, der langsam nicht mehr wußte, was da mit ihm passierte.

"Ja, auch das kann ich mir denken, daß da andere nichts von halten, wie du drauf bist. Aber du hast ja mitgekriegt, daß wir hier in Beauxbatons alle erwachsener sind als die Leute bei euch in Hogwarts. Liegt ja auch an dieser Führung hier. Ich denke auch, daß Königin Blanche und Virginies Maman dich deshalb hier haben wollten, weil du genau hier hinpaßt. Deine Zauberkräfte sind da wohl nur nebensächlich, wenn du auch mit Martine und den älteren zusammen im Verwandlungskurs bist. Du willst mir ja wohl auch nicht einreden, daß du das nicht mitgekriegt hast, daß außer Claire, ja und ich noch andere Mädels dich interessant finden. Aber ehrlich, eigentlich gehörst du nicht in den grünen Saal, was immer der alte Teppich uns da gezeigt hat. Ich denke eher, daß deine Eltern deine roten Eigenschaften nicht haben wollten und sie verkümmern ließen. Wenn du lange genug unter natürlichen Leuten bist, kommen die schon wieder. Oder willst du mir jetzt erzählen, daß du das kühl wegsteckst, wenn ein Mädchen mit dir plaudert?" Sie stand nun keinen Meter mehr vor ihm. Er spürte die Wärmeausstrahlung ihres Körpers, roch ihr Parfüm, fühlte fast, wie ihr Rocksaum fast seinen Umhang berührte und hörte den Klang ihrer Stimme, die schon sehr tief klang, nicht wie die eines kleinen Mädchens. Dann riss er sich aus dieser Stimmung los. Er wollte nicht so einer sein, den jedes Mädchen nur umgarnen mußte, um alles von ihm zu kriegen. Millie bekam das wohl mit, denn sie stutzte, als Julius sich straffte und sagte:

"Millie. Ich habe dir schon gesagt, ich möchte mit dir keinen Ärger haben. Aber ich möchte bestimmt auch keinen Ärger mit Claire. Danke für deine Einladung. Aber wenn Claire den Valentinstag mit mir zusammen sein will, dann wäre es unfair, wenn ich mit dir herumlaufe. Außerdem haben nicht Professeur Faucon und Madame Delamontagne bewirkt, daß ich hier in Beauxbatons bin, sondern meine Mutter und ich, beziehungsweise mein Vater, weil der mit Hogwarts nicht klarkam."

"Gut, sicher! Du sollst natürlich nichts tun, was deine Freunde hier verletzt. Ich sage dir nur, daß ich da bin, wenn du rauskriegst, wie du wirklich bist. Bis dann!" Dann ging Millie noch mal auf Julius zu, umarmte ihn flüchtig und gab ihm einen flüchtigen Kuß auf die linke und rechte Wange. Danach ging sie ruhig davon.

Auch julius drehte sich einfach um und ging zu einem Wandstück, das zum Wegesystem der Pflegehelfer gehörte und schlüpfte einfach hindurch zum Korridor vor der Bibliothek, wo er fast Madame Maxime vors linke Knie lief.

"Monsieur, so stürmisch sollten Sie bei der Benutzung des Wandschlüpfsystems nicht loslaufen. Zehn Strafpunkte für unkontrollierte Hast", sagte die Direktrice und ließ ihn im Gang stehen.

"Ihnen auch einen schönen Tag noch", dachte Julius und ging in die Bibliothek zu Céline, Laurentine und Claire, die mit Belisama und Estelle an einer Aufgabe für Kräuterkunde saßen. Claire strahlte ihn an und winkte ihm zu. Innerlich noch von der Begegnung mit Millie aufgewühlt, aber äußerlich gefaßt, ging er zu den Mädchen.

"Schön, daß du noch kommst, Julius. Du hast doch das Buch über die Pflanzen in Extremgebieten, hat Maman mir erzählt. Steht da was über den antarktischen Felsenspross drin?" Fragte Claire. Ihr Klassenkamerad nickte und setzte sich.

Als die Mädchen aus der dritten Klasse und er alle Hausaufgaben besprochen und sich gegenseitig geholfen hatten, fragte Claire ihn, was er am Montag nachmittag machen wolle. Er sagte sofort:

"Ich hörte, wenn Valentinstag ist, können sich Paare freinehmen und auf dem Gelände spazierengehen oder sich in den Parks zu Kaffee und Kuchen treffen, wenn sie sich früh genug anmelden. Hast du Lust?"

"O natürlich", erwiderte Claire und strahlte über das ganze Gesicht. Belisama grinste nur. Laurentine stand auf und verließ wortlos die Bibliothek. Céline folgte ihr eilig.

"Was ist denn das jetzt?" Fragte Julius erschrocken. Claire zog ihn an sich und flüsterte ihm ins Ohr:

"Bébé will mit Valentin nichts zu tun haben. Sich hier mit wem zu treffen oder Briefe von Verehrern zu kriegen ist ihr zu blöd. Aber es ist nett, wenn wir uns am Montag treffen. Wo möchtest du mit mir hingehen?"

"Lass dich überraschen, Claire", flüsterte Julius geheimnisvoll zurück. Claire nickte zustimmend und schlug ihm vor, daß er den gemeinsamen Spaziergang bei Professeur Faucon anmeldete. Er nickte und verließ die Bibliothek, gerade als Millie fast rennend um die Ecke kam. Hemmungslos schlüpfte er durch die Wand zum Korridor, auf dem Professeur Faucons Sprechzimmer lag, vor dem bereits mehrere Jungen und Mädchen warteten.

"Hoffentlich dauert das nicht zu lange", murrte einer der Viertklässler aus dem grünen Saal. "Die Theatergruppe geht gleich los."

Professeur Faucon ließ die Schüler vereinzelt zu sich hinein, besprach eine volle Minute lang mit ihnen was und ließ sie dann wieder hinaus. Als Julius bei ihr im Sprechzimmer war, fragte sie gleich:

"Und, möchten Sie sich auch einen freien Nachmittag für einen romantischen Spaziergang erbitten, Monsieur Andrews?" Dieser nickte nur. "Sie werden mit Mademoiselle Claire Dusoleil spazieren gehen?" Fragte sie noch. Auch diesmal nickte Julius.

"Wo genau werden Sie sich aufhalten?" Wünschte die Lehrerin zu erfahren.

"Ich möchte mit Claire Dusoleil die magische Menagerie besuchen. Im Park herumzulaufen ist glaube ich zu langweilig. Außerdem möchte ich mit ihr zu diesem Pavillon, wo ich mit Mademoiselle Grandchapeau im Freizeitkurs magische Geschöpfe gerastet habe. Da ist doch eine Aufsicht?"

"Ja, das ist korrekt. Professeur Armadillus beaufsichtigt diesen Bereich. Da laufen auch im Moment nicht so viele Leute herum. Es ist also genehmigt. Ich informiere Professeur Bellart dann, daß Sie beide den Montag Nachmittag freigestellt sind. Bis nachher im Duellierclub!"

"Danke, Professeur Faucon", sagte Julius und verabschiedete sich von der Saalvorsteherin der Grünen. Dann ging er auf dem für alle Schüler möglichen Weg zurück zur Bibliothek, wo Mildrid bei ihrer Schwester saß und mit ihr einen stillen Wettstreit, wer von beiden am besten enttäuscht dreinschauen konnte austrug. Claire fragte Julius leise, ob alles geklappt hätte. Julius nickte. Sie strahlte ihn an. Er freute sich, daß er an diesem Tag alle Wogen der letzten Wochen endgültig glätten könnte. Deshalb strahlte er auch. Mildrid Latierre sah das und verzog kurz das Gesicht. Doch als Julius nicht hinsah, flog ein siegessicheres Grinsen über ihr Gesicht. Sie würde sich nicht so leicht abhalten lassen. Sicher, Julius war keiner, der sich auf direkte Kontaktversuche einließ, und Claire war ja ständig in seiner Nähe. Aber sie war sich sicher, daß ihre Zeit kommen mußte. Denn sie war davon überzeugt, daß Julius eine Freundin brauchte, die nicht nur schön malen und musizieren konnte. Irgendwann, da war sie sich ganz sicher, würde er von einem Mädchen andere Dinge verlangen, und da würde Claire sicherlich hinter ihr, Mildrid Latierre, zurückfallen. Wie er, Julius, sie ansah, irgendwie so, als müsse er sich schwer beherrschen, nicht irgendwas zu verraten, ja überhaupt sein Interesse an sportlichen Dingen, die nicht Claires Ding waren, machten sie da sicher. Außerdem wurde sie das Gefühl nicht los, daß er vielleicht für Barbara Lumière, die Montferres oder gar ihre ältere Schwester Martine schwärmte, das aber wegen irgendeines Versprechens, daß die Dusoleils ihm wohl abverlangt hatten, nicht zugeben durfte. Sicher, Barbara und die anderen Mädels hatten feste Freunde und würden wohl auch nichts mit ihm anfangen wollen, was über die flüchtigen Begegnungen hinauslief. Aber für Millie reichte diese Sicherheit, sich doch noch gute Chancen auszurechnen. Sie mußte nur ihre Taktik ändern. Julius mochte keine direkten Sprüche. Da mußte sie wohl noch was anderes austüfteln. Aber das Ziel war klar: Dieser Junge, der mit dem hellblonden Haar, der sowohl stark als auch klug war, sollte mit ihr zusammen sein, wie Edmond Danton mit ihrer Schwester zusammen war.

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